Eine neue Generation übernimmt Verantwortung - ONLINE STUDIEREN IN K RISENGEBIE TEN - Jesuiten ...

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OSTERN 2018

ONLINE STUDIEREN IN KRISENGEBIETEN
Eine neue Generation
­übernimmt Verantwortung

              CHAOS         MUSIK           REISE
              Ein Bericht   Neue Akademie   Unvergessliches
              aus Syrien    in Paraguay     Jerusalem
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J E S U I T E N W E LT W E I T A K T U E L L

     Myanmar: Gewalt im Land des Goldes                                                             DIE KINDER VON SOFIA
                                                                                                                         Roma-Kinder sollen
                                                    ganda und Gewalt gegen die Rohingya
                                                    bzw. Muslime absichtlich zur Eskalation                              in der Nachbarschaft
                                                    gebracht worden. Damit wurden funda­                                 einziehen? Diese
                                                    mentalistische und nationalistische Inter­                           Nachricht kam in
                                                    essen bedient», so Pater Raper SJ, «auch                             Sofia seinerzeit gar
                                                    mit dem Ziel», die heutige Präsidentin                               nicht gut an, wie
                                                    Aung San Suu Kyi zu schwächen.                                       sich Pater Markus
                                                      Nach dem Ende des Burmesischen So­                                 Inama SJ erinnert.
     Flüchtlingsalltag: Mehr als eine Million       zialismus und der Militärdiktatur, die viel­                         Der Vorarlberger be-
     Rohingya sind aus Myanmar geflohen.            fältige humanitäre Krisen hinterlassen
                                                                                                                         kam viel Gegenwind
                                                    haben, ist die neue Zivilregierung für den
                                                                                                                         zu spüren, als er in
                                                    Jesuiten zwar eine Verbesserung. Doch die

     M
                yanmar ist wegen der Gewalt         Demokratie sei nur «Fassade», das Militär      Sofia im Auftrag der Stiftung Concordia
                gegen die muslimische Minder­       noch immer «ungeheuer mächtig». Die            das Sozialzentrum «Sveti Konstantin»
                heit der Rohingya in die Schlag­    Christen, meist Angehörige ethnischer          für obdachlose Minderjährige auf bau-
     zeilen geraten. Doch die Vertreibung einer     Minderheiten, würden aufgrund eben die­        te, die mehrheitlich aus Roma-Familien
     halben Million Menschen nach Bangla­           ser ethnischen Herkunft diskiminiert.          stammten. In Zürich hat er kürzlich aus
     desch kam für Insider keineswegs überra­         In dieser Zeit des entscheidenden Wan­       seinem Buch «Der Hoffnung ein Zuhause
     schend, wie Pater Mark Raper SJ erklärt.       dels engagieren sich die Jesuiten verstärkt    geben. Die vergessenen Kinder von Sofia»
     Der gebürtige Australier ist Vorsitzender      in Mynamar für die Kirche und in der Bil­      gelesen. Ein sehr persönliches Porträt mit
02   der «Asia Pacific Jesuit Conference», in der   dungsarbeit. 1998 kamen bereits drei Je­
                                                                                                   berührenden Geschichten vom Leben in
     Jesuiten aus 16 Ländern zusammenge­            suiten ins Land, heute sind dort mehr als
                                                                                                   der Stadt und dem täglichen Kampf ge-
     schlossen sind. Auch Mynamar gehört            60 tätig. Inzwischen betreibt der Orden
     dazu. Schon vor mehr als 25 Jahren hat der     neun Schulen und soziale bzw. pastorale        gen die Armut. Derzeit wird unter seiner
     Flüchtlingsdienst der Jesuiten (JRS) auf die   Einrichtungen in vier Bistümern. «Wir ste­     Federführung in Bulgarien ein weiteres
     Notlage der Rohingya aufmerksam ge­            hen an der Seite des Volkes von Myanmar,       Zentrum für rund 500 vernachlässigte
     macht und bereits in den frühen 1990er-        doch wir brauchen die Förderung von            und misshandelte Vier- bis 18-Jährige
     Jahren ein Hilfsprogramm für Flüchtlinge       aussen», erklärt Pater Raper SJ.               errichtet. Das Buch ist 2017 im Styria-
     in Cox’s Bazaar in Bangladesch gestartet.      Der Text von Mark Raper SJ ist unter           Verlag, Graz, erschienen.
     «In den vergangenen Jahren ist die Propa­      www.jesuiten-weltweit.ch nachzulesen.

        Editorial
                              Liebe Freundinnen     den globalen Lerngruppen via Internet die      wie Paraguay (S. 10 – 11), wo Menschen
                              und Freunde           Bereitschaft wächst, Verantwortung für         aus ethnischen und sozialen Gründen
                              unserer Missionare    das Umfeld vor Ort zu übernehmen. Das          ins Abseits gedrängt werden. Wir för­
                              und unserer           Konzept bewährt sich. Wir Jesuiten verste­     dern dort Bildungs- und Musikprojekte
                              Partner weltweit!     hen dabei den Erwerb von Wissen und            mit dem Ziel, die Armut der Guaraní,
                              Bildung und Ausbil­   Kompetenzen nicht als «Selbstoptimie­          einer ethnischen Minderheit, zu verrin­
                              dung stehen be­       rung», sondern als Fundament für neue          gern und ihre Identität zu stärken.
                              kanntlich im Mit­     Generationen von Weltbürgern, die sich            Noch ein Wort zu unserer Umfrage
                              telpunkt unserer      für das Gemeinwohl und eine ökologisch         unter den Spenderinnen und Spen­
                              Projekte. Mit dem     nachhaltige Entwicklung engagieren.            dern: Vielen Dank für alle positiven
        Online-Programm «Jesuit Worldwide             Das «Empowerment», also die Befähi­          Rückmeldungen und ein besonderes
        Learning» (JWL) für Benachteiligte in       gung der Menschen am Rande der Gesell­         Dankeschön für Kritik, die für unsere
        Afrika, Asien oder im Nahen Osten ha­       schaft und ihrer Gemeinschaften, macht         strategische Planung sehr wertvoll ist.
        ben wir ein innovatives Feld betreten       den Kern unserer Aktivitäten aus – sei es         Ich wünsche Ihnen die Freude der
        (s. S. 4 – 8). JWL bietet anerkannte Stu­   in Kriegs- und Krisengebieten wie zum          Osterbotschaft: Die Liebe hat den Hass
        diengänge an und setzt darauf, dass in      Beispiel in Syrien (S. 9) oder in einem Land   überwunden!  Ihr P. Toni Kurmann SJ
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SIMBABWE

Jesuiten: Stabilitätsfaktor in Simbawe
Nach dem Aus für Mugabe hofft Pater Moyo SJ wie viele auf tiefgreifende Veränderung

Diktator Robert Mugabe hat abge­                im Keim erstickt. Aber der Rückhalt Muga­      sind zwar glücklich, dass Mugabe, der bei
dankt, ein ganzes Land hofft auf                bes schwand immer mehr, auch in den            uns das Gesicht von Unterdrückung und
Frieden, Freiheit und ein bisschen              eigenen Reihen – bis zu seinem Rücktritt       Armut wurde, verschwunden ist. Sie sind
                                                im November 2017. Wie viele seiner Lands­      sich jedoch der Tatsache sehr wohl be­
Wohlstand. Pater Arnold Moyo SJ                 leute hofft auch der Jesuit Arnold Moyo SJ     wusst, dass sie zwar einen Tyrannen los­
nimmt Mugabe-Nachfolger Mnan­                   (33), Leiter des Zentrums für soziale Ge­      geworden sind, aber nicht zwangsläufig
gagwa in die Pflicht.                           rechtigkeit und Entwicklung in Harare, auf     auch die Tyrannei. Denn es gibt heute ei­
                                                einen echten Wandel des Systems – sein         nen neuen Präsidenten, doch die Partei,

D
          ie Jesuiten sind in Simbawe tradi­    Optimismus aber bleibt verhalten. Er hat       die Simbabwes Abstieg verantwortet, ist
          tionell stark vertreten – mit Schu­   uns seine Eindrücke von einem Land im          immer noch an der Macht.
          len, Sozialprojekten, Pastoralar­     Umbruch geschildert.                              Werden sich die Dinge ändern? Viel­
beit und mit ihrem Einsatz für eine                                                            leicht. Wir hoffen es. Seit seiner Amtsein­
gerechtere Gesellschaft, die breite Teilha­     Engagement statt Versprechungen                führung hat der neue Präsident jedenfalls
be ermöglicht. Der Orden steht für hoch­        «Auf isiNdebele, einer der elf offiziellen     eher gefällige Erklärungen abgegeben, er
wertige Bildung, bietet Stabilität in einem     Sprachen in Simbabwe, gibt es ein Sprich­      verspricht Frieden, Arbeitsplätze, die Wie­
politisch und wirtschaftlich unsicheren         wort: ‹Ubukhosi ngamazolo – die Herr­          derbelebung der Wirtschaft und ein Ende
Land. Zudem fördern die Jesuiten den            schaft eines Königs ist wie Tau, der schnell   der Korruption. (…) Wer würde das nicht
Wandel in den Diözesen von einer Missi­         verdunstet›. Angesichts des plötzlichen        wollen? Jeder hofft, dass es nicht nur lee­
onskirche hin zu einer Kirche der Einhei­       Abgangs von Robert Mugabe könnte es            re Versprechungen sind.
mischen.                                        nicht wahrer sein: Denn nur wenige haben          Der neue Präsident wird gut daran tun,
   Das Land hat viele Probleme: Korrupti­       ihn kommen sehen. Doch als es dann so­         gut zuzuhören, tief in die Herzen der Men­     03
on, Dürren, bittere Armut, schlechte Infra­     weit war, haben viele geseufzt, dass es so     schen hineinzuhören und ihre Sorgen,
struktur und miserable Gesundheitsver­          lange gedauert hat (…).                        Ängste, Wünsche und Träume ernst zu
sorgung bei hoher HIV-Rate, eine                   Wie die Mauer in Berlin hat auch Muga­      nehmen. Die Menschen hoffen auf ein
­stagnierende Wirtschaft, Inflation, Arbeits­   be in seiner Amtszeit eine kolossale Mau­      Ende des ständigen Kampfes ums Überle­
 losigkeit und bis dato brutale Menschen­       er gebaut, die ihn selbst und den Staat von    ben. Er wird gut daran tun, die notwendi­
 rechtsverletzungen – die Liste ist lang und    seinen Bürgerinnen und Bürgern getrennt        gen politischen und wirtschaftlichen
 der Unmut der Bevölkerung gross. Doch          hat. Jetzt ruhen viele Hoffnungen auf sei­     Schritte einzuleiten. Kurz: Mnangagwa
 während der 37-jährigen Herrschaft des         nem Nachfolger im Amt des Präsidenten,         muss seine Sache gut machen – für die
 Autokraten Robert Mugabe wurde Protest         Emmerson Mnangagwa. Die Menschen               Menschen.»

                                                                                                                      links: Praktische
                                                                                                                      Berufsbildung – im
                                                                                                                      Bistum Chinhoyi in
                                                                                                                      Simbabwe betreiben
                                                                                                                      die Jesuiten ein
                                                                                                                     ­berufliches Schu-
                                                                                                                      lungszentrum.

                                                                                                                      RECHTS: Jesuitenpater
                                                                                                                      Arnold Moyo SJ im
                                                                                                                      Gottesdienst.
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JWL

04   Lernen am PC in globalen Teams: In Flüchtlingslagern wie hier in Malawi bietet die Organisation «Jesuit Worldwide Learning» (JWL)
     Online-Studiengänge an. Das Bildungsangebot verändert die Weltsicht der Frauen und Männer und fördert ihr Engagement.

     Wenn eine Lerngruppe alles verändert
     Weltweit profitieren junge Menschen vom Online-Studium bei Jesuit Worldwide Learning

     Roland ist ein optimistischer Typ. Das       im Kongo, arbeitete für ein Radio in seiner   erhalten das Rüstzeug, die Entwicklung in
     hat dem Flüchtling aus dem Kongo             Heimat. Aber er war zu kritisch und muss­     ihren lokalen Gemeinschaften zum Positi­
     geholfen, seine Ziele zu erreichen:          te irgendwann ins Nachbarland Kenia flie­     ven zu verändern. Bislang konnten mehr
                                                  hen. 2010 landete er in Kakuma, in einem      als 5000 junge Frauen und Männer in vir­
     So absolvierte er zuerst ein Studium         Massenlager für zigtausend Flüchtlinge.       tuellen Lerngruppen ausgebildet werden.
     bei der Organisation «Jesuit World­          «Das war es dann», ging ihm durch den         Religion, Kultur, Hautfarbe oder Ge­
     wide Learning – Higher Education at          Kopf. Doch in Kakuma ist auch «Jesuit         schlecht spielen in den Teams keine Rolle.
     the Margins» (JWL) und konnte                Worldwide Learning» aktiv, ein Online-        Viel wichtiger ist der Wille, Verantwortung
     dann sein unfreiwilliges Zuhause,            Bildungsprogramm, das 2010 aus einer          zu übernehmen nach dem Motto «Zusam­
                                                  Allianz mehrerer Jesuiten-Universitäten       men lernen und gemeinsam die Welt ver­
     das Flüchtlingslager Kakuma in               hervorgegangen ist.                           ändern».
     Kenia, verlassen. Eine ermutigende                                                           Diese Leitidee hat sich Roland gut ge­
     Geschichte wie viele andere auch.            Der mühsame Weg zur Toleranz                  merkt. Seit er im Lager den JWL-Diplom­
     Einige stellen wir hier vor.                 JWL versteht sicht als Serviceanbieter mo­    studiengang in «Liberal Arts» erfolgreich
                                                  dular aufgebauter Bildungsangebote            durchlaufen hat, will er sein Wissen nun

     F
            lucht? Das treffe doch immer nur      übers Internet, vom beruflichen Lehrgang      weitergeben. «Ich habe gelernt, auch Men­
            andere, dachte Roland. Wer kann       bis zum Bachelorabschluss. Ziel ist es, be­   schen mit anderen Meinungen zuzuhö­
            sich schon ein Leben eingepfercht     nachteiligte junge Menschen an den Rän­       ren.» Deshalb hat er gemeinsam mit an­
     in Containern in staubigen Landstrichen      dern der Gesellschaft, also aus Armenvier­    deren Flüchtlingen die Jugendbewegung
     ohne Job und ohne Hoffnung vorstellen?       teln, sozialen Brennpunkten sowie aus         «MYPEACH» gegründet, die sich für Frie­
     Und das über Jahre! Auch Roland Kalamo       Kriegs- und Krisenregionen zu einer Aus­      den und Wandel engagiert und zu diesem
     hätte nie gedacht, dass er jemals ein        bildung zu verhelfen. Auf diese Weise kön­    Zweck Unternehmergeist, das Interesse
     Flüchtling werden würde. Er war Journalist   nen sie sich eine Existenz aufbauen und       am Journalismus wecken will. Roland hat
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JWL

heute klare Ziele. Ein Online-Studium des       Kursmaterialien lassen sich herunterladen     ihnen. Die Ausbildung findet dort statt, wo
JWL muss man aus der Nähe erlebt haben.         und auch offline bearbeiten. Im kurdi­        die Frauen und Männer gerade leben: in
Es sind oft schlichte Häuser oder Lager-        schen Norden des Irak ist Pater Balleis SJ    ihren Heimat- oder Zufluchtsländern. Die­
Container des UNHCR, dem Flüchtlings­           seit langem ein häufiger Gast. Hier betreut   se Nähe vor Ort schätzen auch die Frauen
hilfswerk der Vereinten Nationen, in denen      JWL Lager in Erbil, Khanke und das Camp       in Afghanistan am JWL-Programm. Frauen
sich vielleicht ein knappes Dutzend Stu­        Domiz I. mit 30 000 Flüchtlingen, die vor     wie Soheila, die ihr Land nicht verlassen
dierende regelmässig zu den Online-Se­          Terror und Militärgewalt in ihren Ländern     kann, aber dort überhaupt keine Perspek­
minaren einfindet. So hat es auch Galdo         geflohen sind.                                tive für sich sieht. Mangelhafte Bildung,
gemacht, der aus dem Südsudan stammt                                                          Arbeitslosigkeit und schlechte medizini­
und irgendwann im Camp Kakuma lande­            Kooperation mit Unternehmen                   sche Versorgung gehören zum Alltag, wo­
te. Solch ein Container, umfunktioniert         Der gebürtige Bayer Peter Balleis SJ und      bei die Verhältnisse im Land sehr unter­
zum Internetcafé, erscheint auf den ersten      JWL-Vizepräsident Pater Francis Xavier SJ     schiedlich sein können. Wer heute in
Blick eine enge, bedrückende Umgebung           aus Indien suchen für ihre JWL-Mission        Afghanistan jünger als 40 Jahre alt ist,
zu sein, die sich aber zu einer globalen        gezielt die Kooperation mit Universitäten,    kennt allerdings kaum etwas anders als
Lernwelt öffnet. Man braucht dazu nur ein       Lehrinstituten und Unternehmen – so           Gewalt und Terror. Denn seit 1978 wird die
gutes Online-Curriculum, dass wiederum          auch bei der Anschaffung der neuen Tab­       afghanische Gesellschaft von einer Serie
die Allianz-Partner von JWL ausarbeiten         lets. Bei der Medienproduktion wird JWL       bewaffneter Konflikte gebeutelt. Kein gu­
– und natürlich Tablet-Computer.                von der Agentur «Seitwerk» unterstützt.       ter Ort für ambitionierte Frauen wie So­
   Vor wenigen Wochen erst haben JWL-           JWL arbeitet zudem mit örtlichen Behör­       heila zum Beispiel.
Direktor Pater Peter Balleis SJ (s. Interview   den und mit Hilfsorganisationen wie dem          Nicht aufgeben, «dranbleiben» – so
S. 8) und sein Team bei einem Besuch im         UNHCR zusammen und natürlich auch mit         kann man das vielleicht nennen, was So­         05
Nordirak 100 neue Tablets abgeliefert.          dem Flüchtlingsdienst der Jesuiten (JRS),     heila versucht. In ihrer Kindheit erlebt sie
Dort können die JWL-Tutoren jetzt auch          den Pater Balleis SJ bis Ende 2015 selbst     den Tod des Vater, die Flucht nach Pakis­
die Englischkurse, die wichtigste Basis für     geleitet hat. Auch der JRS bietet Bildung     tan, dann die Rückkehr der Familie. Was
alle weiteren Studienangebote, online an­       an, doch die akademischen Programme           soll aus ihr in Afghanistan werden? Sohei­
bieten, also unabhängig davon, ob gerade        sind nun bei JWL angesiedelt.                 la gelingt es, einen Schulabschluss zu ma­
geeignete Lehrpersonen zur Verfügung              Das Konzept ist ebenso einfach wie          chen und wird Lehrerin. Doch sie will
stehen. Sollte zeitweise der Strom ausfal­      überzeugend: Statt Benachteiligte mit Ta­     mehr. 2016 kann sie ein JWL-Studium in
len, ist das mit dem aufgeladenen Tablet        lent zu suchen und dann an Universitäten      Bamyan im Landesinneren Afghanistans
auch kein Problem mehr. Denn die neuen          ins Ausland zu vermitteln, kommt JWL zu       aufnehmen. Dort, wie auch in Herat, hat

                                                                                                                     LINK S: Selbstbewusste
                                                                                                                     Frauen in Afgha-
                                                                                                                     nistan – in Herat
                                                                                                                     und Bamyan hat
                                                                                                                     Pater Orville DeSil-
                                                                                                                     va SJ (ganz rechts)
                                                                                                                     drei JWL-Lernzen-
                                                                                                                     tren aufgebaut.

                                                                                                                     RECHTS: Galdo Dente
                                                                                                                     Modig aus dem
                                                                                                                     Südsudan hat ein
                                                                                                                     grosses Ziel: Er
                                                                                                                     will als Bibliothe-
                                                                                                                     kar ­arbeiten.
Eine neue Generation übernimmt Verantwortung - ONLINE STUDIEREN IN K RISENGEBIE TEN - Jesuiten ...
JWL

                                                     JWL IN ZAHLEN
                                                     5000 Studentinnen und S  ­ tudenten
                                                     aus 40 Ländern konnten bereits
                                                     über JWL ausgebildet werden.
     Pater Orville DeSilva SJ als JRS- und JWL-      10 000 sollen es bis 2020 sein.             schluss von JWL in der Tasche. Dafür kam
     Direktor den Aufbau und Betrieb von ins­        50 Prozent der Studierenden sind            sie extra aus Daikondi, rund 250 Kilometer
     gesamt drei JWL-Lernzentren gesteuert.          Frauen – auch und besonders im              von Bamyan entfernt. Zainab ist vom Un­
     Hier lernen Frauen und Männer gemein­           islamischen Umfeld.                         terricht über die Weltreligionen beein­
     sam – ungewohnt für Afghanen. Pater             16 Hochschulen gehören zur                  druckt: «Am Anfang dachte ich, nur meine
     Orville SJ ist einer von nur zwei Jesuiten,                                                 Religion ist die richtige. Hier lernte ich,
                                                     JWL-Allianz und stehen für die
     die dauerhaft im Land leben. In Herat, wo                                                   dass auch andere Religionen gut sind.»
                                                     Qualität des Studiums.
     schon seit 2013 die Basisausbildung in                                                         Noch ein Beispiel: Saida hatte bereits als
     Englisch angeboten wird, studieren              180 Dozenten entwickeln die                 Jugendliche neben der Schule Kinder un­
     55 junge Menschen, im ländlich geprägten        jeweiligen Curricula für die ver-           terrichtet und Literaturworkshops für
     Bamyan 24. Seit 2015 gibt es auch das           schiedenen Studiengänge.                    Frauen abgehalten. Keine Selbstverständ­
     Diplom-Programm in «Liberal Arts» an            21 Lernzentren bieten die Bil-              lichkeit in Afghanistan, geschweige denn
     beiden Orten. Die Nachfrage steigt: Der­        dungsprogramme von JWL an.                  ihr Englisch-Studium an der Bamyan-Uni­
     zeit liegen 60 neue Bewerbungen vor.                                                        versität. An der Uni war Saeida wegen
        Die Bildungsangebote in dieser Region                                                    guter Leistungen aufgefallen und traf dort
     kommen in erster Linie Mitgliedern der        Für Soheila ist das JWL-Angebot in Bamy­      den Jesuiten Orville DeSilva SJ. Ein glück­
     Hazara zugute, einer ethnischen und kon­      an jedenfalls wie ein offenes Fenster zu      licher Zufall. Denn nach ihrem Bachelor­
     fessionellen Minderheit, die in ihrer Ge­     einer neuen, besseren Welt. In ihrer virtu­   studium an der Universität half ihr Pater
     schichte vielfach Diskriminierungen aus­      ellen Lerngruppe tauscht sie sich nicht nur   Orville SJ, ein Stipendium der indischen
     gesetzt war, auch unter den Taliban. In der   mit einheimischen Studierenden aus, son­      Regierung für einen Studienplatz in Bio­
06   Region wurde 1994 die Bamyan-Universi­        dern auch mit jungen Leuten aus dem           technologie zu bekommen. Sie schaffte
     tät gegründet, von den Taliban aber ge­       Flüchtlingslager Dzaleka im afrikanischen     es, machte ihren Traum vom Auslandsstu­
     schlossen und erst 2004 wiedereröffnet.       Malawi. «Das gibt mir eine ganz andere        dium wahr und kam mit einem exzellen­
     Das Hochtal Bamyan erlangte übrigens          Sicht auf viele Fragen», erklärt Soheila.     ten Masterzeugnis nach Bamyan zurück.
     traurige Berühmtheit, als die Taliban 2001    Nach ihrem Diplomabschluss, den die Re­       Heute unterrichtet sie am JWL-Lernzent­
     dort zwei riesige Buddha-Statuen in die       gis University in den USA, eine von Jesui­    rum Englisch und gibt zudem Sprachkur­
     Luft sprengten. Sie gehörten zum Weltkul­     ten geführte Universität, verleiht, möchte    se an der Universität. «Ich bin glücklich,
     turerbe und waren gut 1500 Jahre alte         sie ihr eigenes kleines Kleidungsunterneh­    meinen Leuten etwas zurückgeben zu
     Zeugen eines buddhistischen Zentrums          men eröffnen. Dagegen ist Zainab schon        können», sagt Saeida. Ihre Leute? Bis heu­
     an der berühmten Seidenstrasse.               weiter. Sie hat bereits ihren Diplom-Ab­      te bilden die Hazara eine grosse, aber iso­

                LINK S: Roland
       ­ alamo durfte im
       K
      vergangen Jahr an
          ­e iner UNESCO-­
        Veranstaltung in
       Paris teilnehmen,
                 die sich mit
         ­m obilem Lernen
               ­beschäftigte.

      RECHTS: Zainab aus
     Afghanistan hat ihr
     JWL-Diplomzeugnis
           bereits in der
                 Tasche.
Eine neue Generation übernimmt Verantwortung - ONLINE STUDIEREN IN K RISENGEBIE TEN - Jesuiten ...
JWL

lierte schiitische Gemeinde im traditionell
sunnitischen Zentralasien. JWL ist für sie    SPENDENBITTE
wie ein Sprungbrett in eine bessere Zu­
kunft. «Viel zu lange waren die Menschen      Gute Ideen und der Wille, das
hier unterdrückt, jetzt ergreifen sie ihre    Online-Bildungskonzept voranzu­
Chance», erklärt Pater Orville SJ.            treiben, kosten eigentlich kein
   Etwa 6500 Kilometer von Afghanistan        Geld, sagt Pater Peter Balleis SJ.
entfernt lebt Remy in Dzaleka, einem von      An beidem mangelt es bei «Jesuit
zwei grossen Flüchtlingscamps in Malawi.      Worldwide Learning» (JWL) jeden-
Seit 2015 herrschen im Land bürgerkriegs-     falls nicht. Doch für die Entwick-
ähnliche Zustände. Schon 400 000 Men­
                                              lung von Online-Studiengängen,
schen sind aus dem Nachbarland Burundi
geflohen. Auch Remy. Er hat es geschafft,     geignetes E-Learning-Material und
sich hochzuarbeiten. Zunächst lernte er       Prüfungsverfahren, für Tutoren
Englisch – das war erste Schritt aus der      und Tablet-Computer bitten wir um
Misere. Damit konnte er ein Computer-         Ihre Spende. Wenn wir nicht in die
Zertifikatsstudium bei JWL beginnen. Und      Bildung der Generationen inves-
mit dieser Ausbildung bekam er seinen         tieren, die nur Kriege und Krisen       1400 Franken, und die grundlegen-
ersten Job nach der Flucht – als Android-     ­kennen, tragen wir am Ende dazu        den Sprachkurse in der Weltsprache
Entwickler. Mittlerweile hat auch den JWL-     bei, dass sich die Gewaltspirale       Englisch nur 600 Franken pro Jahr.
Diplomabschluss und einen weiteren Job,                                                                                             07
                                               noch schneller drehen wird. Die        Helfen Sie mit, dass immer mehr
den er ebenfalls vom Camp aus online
                                               Folgen kennen wir alle: Flucht, Ver-   benachteiligte junge Menschen sich
erledigen kann. «Ich habe viel bekommen
und will auch etwas zurückgeben», sagt         treibung und neue Gewalt!              weiterbilden können. Wer mehr
Remy. Daher gibt er Kurse für andere Ju­       Es kostet nicht viel, etwas Gutes      weiss, ist weniger leicht verführbar.
gendliche im Camp. «Das Internet ist der       zu bewirken: Schon 2000 Franken        Ich danke Ihnen herzlich für Ihre
einzige Weg, um sehr viele Flüchtlinge         genügen, um einen Studienplatz         Unterstützung!
auszubilden und ihnen so eine Chance auf       bei JWL ein Jahr lang zu finanzie-                   Ihr Pater Toni Kurmann SJ
einen eigenen Verdienst zu geben.» Davon       ren. Einjährige Berufskurse kosten                          Missionsprokurator
ist Remy überzeugt. www.jwl.org

                                                                                                            LINK S: Remy konnte
                                                                                                            im Camp Dzaleka in
                                                                                                            Malawi eine IT-
                                                                                                            Ausbildung absol-
                                                                                                            vieren. Jetzt unter-
                                                                                                            richtet er selbst und
                                                                                                            hat zwei Online-
                                                                                                            Jobs.

                                                                                                            RECHTS: Soheila aus
                                                                                                            Afghanistan will
                                                                                                            ein kleines Textil-
                                                                                                            unternehmen grün-
                                                                                                            den.
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INTERVIEW

     «Wir erleben moderne Weltbürger»
     Pater Balleis SJ, Direktor von Jesuit Worldwide Learning, über Erfolge globaler Lernteams

                                                                                                  Unter dem Eindruck eines Flüchtlings-
                                                                                                  schicksals erlebt man auch gegentei-
                                                                                                  lige Reaktionen, also eine Verhärtung
                                                                                                  alter Fronten …
                                                                                                  Wir arbeiten natürlich in einem akademi­
                                                                                                  schen Milieu, was die Inhalte unserer An­
                                                                                                  gebote bis hin zum Bachelorabschluss
                                                                                                  angeht, aber auch, was die besondere
                                                                                                  Zusammensetzung der Gruppen betrifft.
                                                                                                  Die Leute sind offen, Verantwortung zu
                                                                                                  übernehmen und neu zu denken. Wir er­
                                                                                                  leben hier moderne Weltbürger, die uns
                                                                                                  den Weg zeigen, faszinierend!

                                                                                                  Wie geht es bei JWL weiter?
                                                                                                  Unser Ansatz lautet: Die Uni kommt zu den
                                                                                                  Menschen, nicht umgekehrt. Dieses Mo­
                                                                                                  dell wollen wir noch flexibler machen,
                                                                                                  denn auch Studierende ziehen um, beste­
                                                                                                  hende Lerngruppen müssen sich selbst
08                                                                                                organisieren. In Homs, Mossul oder Nairo­
                                                                                                  bi hat das schon gut funktioniert. Alle
     Mit Online-Studiengängen bietet die            Inwiefern hat die Flüchtlingsmisere           Lehrmaterialen sind auf Chips gespeichert,
     Genfer Organisation «Jesuit World-             etwas Gutes?                                  das erleichtert das Studium mit Tablets
     wide Learning» (JWL) Benachteilig­             Zweifellos ist jedes einzelne Flüchtlings­    oder zur Not auch nur mit Smartphones.
                                                    schicksal objektiv schrecklich. Wir stellen   Der klassische Campus mit einem grossen
     ten, insbesondere Flüchtlingen, in             jedoch fest, dass gerade weil die Frauen      Apparat ist dagegen teuer. Wir setzten auf
     aller Welt eine Zukunftsperspektive.           und Männer entwurzelt sind und sie meist      lernende, ortsunabhängige Einheiten. In­
     JWL-Direktor und Jesuitenpater                 keine intakte Familie mehr haben, bei ih­     wiefern das funkioniert, untersuchen wir
     Peter Balleis SJ (s. Foto) erklärt, wie        nen die Bereitschaft wächst, sich und das     derzeit in einer begleitenden Studie.
     dieses dezentrale Bildungskonzept              soziale Miteinander neu zu erfinden. In
                                                    Jordanien, Somalia, im Jemen, im Irak –       Ihre Arbeit in Kriegsgebieten ist
     dazu beiträgt, eine neue Generation            viele sagen uns, dass die globalen Online-    ­gefährlich, hatten Sie je Angst?
     von Weltbürgern auszubilden.                   Seminare zu ihrer neuen Familie gewor­         Nein, ich verhalte mich aber vernünftig. In
                                                    den sind. Das gemeinsame Lernen von            Kabul etwa sind Attentate gut geplant,
     Sie waren zuletzt mit ihrem Team in            Frauen und Männern, Christen und Mus­          doch das Risiko lässt sich minimieren.
     Flüchtlingslagern in Jordanien und             limen kann dann Mauern in den Köpfen
     im Nordirak – unter anderem mit                zwischen Nationalitäten, Kulturen und
     100 neuen Tablet-Computern im                  Religionen einreissen und Geschlechter­         ZUR PERSON
     Reisegepäck. Welche Eindrücke haben            schablonen verändern. Das ist sehr wichtig
     SIe mitgebracht?                               für den Aufbau friedlicher Gemeinschaf­         Bevor Pater Peter Balleis SJ (60)
     Wir waren bei dieser Reise in Amman, aber      ten in aller Welt.                              die Leitung von «Jesuit Worlwide
     auch im Camp Domiz I. im kurdischen Nor­                                                       Learning» übernahm, war der
     den des Iraks. In beiden Ländern unterhal­     Können Sie dafür ein Beispiel nennen?           gebürtige Bayer acht Jahre lang
     ten wir Lernzentren für das Online-Studi­      In Amman hat eine Lerngruppe eine               Direktor des internationalen
     um, wie in insgesamt elf Ländern weltweit.     23-jährige Studentin zu ihrer Sprecherin        Flüchtlingsdienstes der Jesuiten
     Ganz gleich, wohin wir kommen, machen          gewählt. Das war kein Problem für die           (JRS). Seine Erkenntnis aus vielen
     wir eine interessante Erfahrung: Flüchtlin­    muslimischen Männer im Kurs. Zuhause            Kriegen und Krisen, auch aus der
     ge, Arme, Benachteiligte – die jungen          wäre es auf jeden Fall ein Problem gewe­        Entführung (und Freilassung) des
     Frauen und Männer, die sich bei uns in die     sen. Es gehören auch Afrikaner zur Lern­        Jesuiten Prem durch Taliban im Jahr
     Online-Seminare einschreiben, müssen in        gruppe, die haben traditionell kein gutes       2015, hat er einmal so auf den Punkt
     ihrem Leben quasi bei Null wieder anfan­       Standing im Nahen Osten. Aber das Zu­           gebracht: «Man darf auf das Böse
     gen. Das ist bitter, aber zugleich auch eine   hause von früher gibt es eben nicht mehr.       nicht mit Bosheit antworten.»
     eine riesige Chance.                           Sie müssen sich alle neu orientieren.
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NAHER OSTEN

«In Syrien herrscht das Chaos»
Pater Nawras SJ über menschliche Not und Politik – Die Weltöffentlichkeit sieht weg

Die jüngsten Bilder aus Syrien zeigen          sichts der neuen Eskalation der Gewalt, so    und die Versöhnungsarbeit in den Ge­
eine neue Dimension rücksichtloser             hofft er, wieder ändern. Doch die JRS-­       meindezentren.» Der JRS schaut nach
Gewalt in diesem Krieg. Hunderte               Arbeit ist damit auch bedroht. «Wir müs­      vorn. Es geht darum, Strategien für die
                                               sen unser JRS-Zentren schützen und uns        Gestaltung der Zukunft und Lösungen für
Tote und Verletzte werden beklagt,             um die Sicherheit auch unserer Mitarbei­      dauerhafte Probleme zu entwickeln. Die
die Kinder sind unterernährt, und die          tenden kümmern.» In dieser Situation gilt     medizinischen Programme will man aber
Versorgung ist katastrophal. Auch              es für den JRS, das eigene Konzept zu         unbedingt fortsetzen, dazu gehört auch
das Büro des Jesuiten-Flüchtlings­             überdenken. «Wir müssen als Flüchtlings­      der Betrieb einer stark auf Spenden ange­
dienstes (JRS) in Damaskus musste              organisation unsere Ressourcen bündeln        wiesenen Klinik in Aleppo. «Das ist uns
                                               und unsere Professionalität weiterentwi­      sehr wichtig», betont Pater Nawras SJ.
geschlossen werden, eine Mitar­                ckeln», sagt der Direktor. Insgesamt arbei­      Auf die Frage nach dem Beitrag von Poli­
beiterin wurde durch Granatsplitter            ten derzeit neun Jesuiten für den JRS in      tikern zur Befriedung der Region gibt er
verletzt. Pater Nawras Sammour SJ,             der Region, darunter drei Patres in Aleppo,   eine unmissverständliche Antwort. «Am
Regionaldirektor des JRS im Nahen              Damaskus und Homs. Sie kümmern sich           Ende des Tages muss es aus meiner Sicht
Osten und Preisträger des Prix                 vor allem um Angebote für Kinder und          eine Vereinbarung zwischen den USA und
                                               Projekte zur psychosozialen Begleitung        Russland geben, und ebenso zwischen
Caritas 2014, schildert die Lage.
                                               der traumatisierten Menschen.                 den Regionalmächten Iran, Türkei und
                                                                                             Saudi-Arabien. Nur so lässt sich der Kon­

S
       chon mehrfach war Pater Nawras          Betreuung und Versöhnungsarbeit               flikt in Syrien lösen. Der Krieg ist ja keines­
       Sammour SJ zu Gast in Zürich. So        Der JRS, so Pater Nawras SJ, sei dazu über­   wegs beendet, wie wir sehen. Das Schwei­
       auch jetzt wieder im März. Wir woll­    gangen, die direkte Nothilfe – Verteilung     gen der internationalen Gemeinschaft               09
ten von ihm wissen, was ihn und den JRS        von Nahrungsmitteln, Kleidung und Geld­       zum Krieg gegen die Kurden kann ich
am meisten herausfordert und wie er die        beträgen – zurückzufahren, da diese Auf­      überhaupt nicht verstehen», sagt der Je­
Lage einschätzt. «Uns beschäftigt zuerst       gabe auch von anderen Organisationen          suit. Der Zustand Syriens sei desolat, jede
die Frage, wie wir rein finanziell unser En­   und oft besser abgedeckt werden könn­         Planung des JRS daher am nächsten Tag
gagement für andere aufrechterhalten           ten. «Stattdessen konzentrieren wir uns       schon Makulatur. «Hier herrscht das Chaos.
können. Denn wir haben zuletzt eine Pha­       künftig auf eine umfassende Betreuung         Die Gesellschaft, auch im Irak, ist komplett
se der Gebermüdigkeit erlebt, Syrien stand     der Bürgerkriegsflüchtlinge, auf Bildungs­    zerstört. Die Menschen haben Angst und
nicht mehr oben auf der Prioritätenliste»,     arbeit, die Sorge um den Lebensunterhalt,     vertrauen niemandem mehr. Darauf müs­
berichtet der Jesuit. Das wird sich ange­      die Förderung individueller Fähigkeiten       sen wir uns einstellen.»                  GzB

                                                                                                                      R E C H T S : Pater Na-
                                                                                                                      wras Sammour SJ,
                                                                                                                      Regionaldirektor
                                                                                                                      des JRS in Damas-
                                                                                                                      kus, war schon oft
                                                                                                                      Gast in Zürich –
                                                                                                                      wie hier vor zwei
                                                                                                                      Jahren. Im März
                                                                                                                      war er wieder an
                                                                                                                      der Limmat.

                                                                                                                      LINKS : Kinder und
                                                                                                                      ihre Entwicklung
                                                                                                                      sind stets am här-
                                                                                                                      testens von Kriegen
                                                                                                                      betroffen. Hier eine
                                                                                                                      Aufnahme des JRS
                                                                                                                      aus Aleppo von
                                                                                                                      2017.
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SÜDAMERIKA

10   Sie hatten viel Spass bei der CD-Produktion in Paraguay und auf ihrer Europatournee: Die Mitglieder des Orchesters «Sonidos de Para-
     quaría» (v. l. n. r.) Jorge Vera (Geige), Paola Galvan (Cello), Juan Gerardo Ayala (Querflöte) und Rudolf Emanuel Britos López (Geige).

     Alte Missionen – neue Hilfsprojekte
     Jesuiten weltweit fördert eine Musikakademie und Sozialarbeit in Paraguay

     Es gibt zahlreiche indigene Völker in         losen Kindern über Musik und Gesang eine      jekt. Unter dem Namen «Sonidos de Para­
     Südamerika, die oft diskriminiert             Aufgabe geben und eine Kultur der Ver­        quaría» entsteht eine Musikakademie mit
     werden und in Armut leben. In der             antwortung aufbauen. Denn Musik verän­        Meisterklasse in Ascunción. Hier sollen
                                                   dere das Leben, davon ist der 64-Jährige      besonders begabte Musiker gefördert
     Kolonialzeit trafen die Jesuiten in           überzeugt. Die überlieferten Kompositio­      werden. Einen ersten Eindruck ihrer Arbeit
     Paraguay auf Guaraní und in Bolivien          nen aus den Reduktionen der Kolonialzeit      gibt die CD «Jungle Baroque» (s. Box S.11),
     auf Chiquitos. Der Orden führte               gehörte stets zum Programm bei Sonidos.       die die Brüder Clemens und Nick Prokop
     damals Missionsdörfer (Reduktio­                                                            in Paraguay produziert haben. Im Dezem­
     nen) mit einem vergleichsweise                Aufbau einer Meisterklasse                    ber letzten Jahres präsentierte Clemens
                                                     Das Konzept hatte grossen Erfolg: Mo­       Prokop die abenteuerlichen Rahmenbe­
     hohen kulturellen Standard. Heute             bile Musikschulen brachten Bildung durch      dingungen dieser Produktion beim Tag
     fördern die Jesuiten Bildungs- und            Kunst zu den Benachteiligten. Aus dem         der offenen Tür von Jesuiten weltweit.
     Sozialprojekte in diesen Ländern.             Projekt «Sonidos de la Tierra», zu Deutsch       Neben der Talentförderung will man das
     Ein spannungsreicher Bogen vom                «Klänge der Erde», ging das gleichnamige      breite Repertoire der Musik aus den Re­
     18. bis ins 21. Jahrhundert.                  Orchester hervor, das schon mehrfach in       duktionen wissenschaftlich aufbereiten
                                                   der Schweiz aufgetreten ist. 2016 wurden      und einem breiten Publikum mit Konzer­
                                                   die Musiker und ihr Dirigent von der          ten, Workshops und Publikationen zu­

     E
             s waren indigene Bevölkerungs­        UNESCO als «Künstler für den Frieden»         gänglich zu machen. Denn erst ein Zufalls­
             gruppen, die Luis Szarán, vielfach    geehrt. Im vergangenen Jahr gaben sie         fund hat diese Musik in den Fokus gerückt:
             ausgezeichneter Dirigent und Mu­      erneut Konzerte in der Schweiz und wei­       Der Schweizer Missionar und Jesuit Martin
     sikwissenschaftler in Ascunción, dazu in­     teren europäischen Ländern, die Jesuiten      Schmid SJ (1694 –1772) aus Baar hatte
     spirierten, 2002 das Sozialprojekt «Sonidos   weltweit unterstützt hat. 2018 fördern die    einst viele Kompositionen aus Südamerika
     de la Tierra» zu gründen. Er wollte mittel­   Jesuiten nun ein spannendes Folgepro­         nach Hause geschickt bzw. bei seiner
SÜDAMERIKA

                                               URWALD-BAROCK
                                               Das Orchester und Sozialprojekt
                                               «Sonidos de la Tierra» wie auch
                                               die Meisterklasse «Sonidos de
Rückkehr mitgebracht. Dieses Notenarchiv       Paraquaría» aus Paraguay pflegen            eine Schul- und Berufsausbildung. Die
wurde erst 1972 entdeckt. Pater Schmid SJ      die vom Barock ge​prägte Musik-             Projektdörfer betreiben zudem nachhalti­
hatte in Bolivien die barocke Kirchenmusik     kultur ehe​maliger Missionsdörfer           ge Landwirtschaft und fördern Kleinunter­
eingeführt, Musikschulen aufgebaut und         der Jesuiten. Der Erlös dieser CDs          nehmertum. Darüber hinaus arbeitet Je­
provisorische Kirchen durch solide Bauten      kommt jungen Talenten zugute:               suiten weltweit mit dem Schulwerk Fe y
in dem charakteristischen Stil der Reduk­                                                  Alegría zusammen, das in Südamerika ein
                                               «Jungle Baroque – Music from a
tionen ersetzt. «Es kam in den Missions­                                                   fester Begriff ist. «Im Distrikt Arroyito in
                                               golden Era» (2017) und «Live in
dörfern zu einer erstaunlichen interkultu­                                                 Paraguay unterstützen wir Schulen und
rellen Zusammenarbeit. Jesuiten brachten       Europe 2017», Liveaufnahme der              die psychosoziale Betreuung verwahrlos­
ihre Idee einer Barockkirche aus Europa        Tournee 2017 in Frankfurt ( je              ter Kinder», sagt Pater Kurmann SJ.
mit, und Indigene haben ihre Vorstellun­       CHF 20). Bestellungen bitte unter              Die Kolonialisierung Südamerikas ist ein
gen von Ästethik eingebracht», sagt Pater      044 266 2134 oder per Email an              dunkles Kapitel der Geschichte. Wie sind
Toni Kurmmann SJ, Missionsprokurator           magazin@jesuiten-weltweit.ch                die Jesuiten-Reduktionen zu bewerten?
von Jesuiten weltweit.                                                                     Waren sie Orte der Unterwerfung oder ein
   Das Engagement von Luis Szarán für                                                      antikoloniales Programm? Der Kirchenhis­
den «Barock aus dem Urwald» passte 2017                                                    toriker Mariano Delgado von der Univer­
sehr gut zum Schwerpunktthema Süd­           gesamt zwölf Jesuiten-Reduktionen gehö­       sität Fribourg und der Historiker Jose Cáce­
amerika von Jesuiten weltweit in Erinne­     ren heute zum Weltkulturerbe.                 res Mardones (Universität Zürich) waren
rung an das Ende der Reduktionen                                                           sich in der SRF-Sternstunden-Sendung
250 Jahre zuvor: 1767 hatte der spanische    Bildung und psychosoziale Betreuung           «Uopia im Urwald» einig: Die Jesuiten sei­
König die Jesuiten aus ganz Südamerika       Pater Kurmann SJ hat auf seiner Reise aber    en vorranging mit einer friedlichen Missi­       11
ausgewiesen. Sie waren zu mächtig ge­        auch Guraní in Paraguay und Chiquitos in      on gekommen. Sie bildeten die Indigenen,
worden und hatten die Indigenen vor dem      Bolivien besucht und gesehen, wie sehr        die bis in die 1950er-Jahre oft noch als
Zugriff der kolonialen Skalvenjäger ge­      sie im sozialen Abseits leben. Das Haupt­     «Wilde» betrachtet wurden, aus und be­
schützt. Die Jesuiten mussten gehen, doch    problem ist die Perspektivlosigkeit im Teu­   mühten sich, ihre Kultur zu erforschen.
ihr Erbe in der Musik, im Handwerk und in    felskreis von mangelnder Bildung, Arbeits­    Doch ihre Arbeit erfolgte im Kontext der
der Architektur überdauerte. Davon konn­     losigkeit, Armut und Gewalterfahrung.         Kolonialainteressen, die Jesuitenmissio­
ten sich Pater Kurmann SJ und Pater Pro­     Jesuiten weltweit unterstützt daher in        nen waren «Teil der europäischen Expan­
vinzial Christian M. Rutishauser SJ Anfang   Paraguay das Projekt «Mision Guaraní». In     sion», so Cáceres. (Das SRF-Video ist unter
2017 selbst ein Bild vor Ort machen. Ins­    zehn Dörfern erhalten 173 Minderjährige       www.jesuiten-weltweit.ch zu sehen).

                                                                                                                  L i n k s : Sie hielten
                                                                                                                  im Dezember Rück-
                                                                                                                  blick auf das Jahr
                                                                                                                  der Reduktionen
                                                                                                                  (v. l.): Pater Toni
                                                                                                                  Kurmann SJ, Cle-
                                                                                                                  mens Prokop, Bot-
                                                                                                                  schafterin Liliane
                                                                                                                  Lebron de Wenger
                                                                                                                  (Paraguay), Dr.
                                                                                                                  Dana Zumr, neue
                                                                                                                  Geschäftsführerin
                                                                                                                  von Jesuiten welt-
                                                                                                                  weit, Giacomo So-
                                                                                                                  lari des DEZA und
                                                                                                                  Pater Dr. Christian
                                                                                                                  M. Rutishauser SJ.

                                                                                                                  R echt s : Dirigent
                                                                                                                  Luis Szarán.
INDIEN

12   Es ist stets ein farbenfrohes Erlebnis: die Auftritte der Tanzformationen unter Anleitung des Jesuitenpaters und ausgebildeten Meisters
     im klassischen indischen Tempeltanz, Saju George SJ. In der Nähe von Kalkutta hat er ein Sozial- und Kulturzentrum aufgebaut.

     Kultur verändert die Gesellschaft
     Priester und Tänzer: Pater Saju SJ baut das Bildungszentrum Kalahrdaya weiter aus

     Pater Saju George SJ aus Indien                spektiven verholfen. Pater Saju, der in         aus diesem Grund ist Pater Saju und sein
     kommt mit fünf Tänzerinnen und                 Philosophie und Religion des Tanzes pro­        Team in Europa auf Tournee – unterstützt
     Tänzern in die Schweiz. Der Jesuit             movierte, freut sich, am 6. Mai die dort neu    u. a. von Schweizer Gönnern.
                                                    erbaute Kirche einzuweihen.
     bringt diesmal gute Nachrichten und              Doch das Zentrum soll noch weiter             Auftritte in der Schweiz
     grosse Pläne mit: Seine Kirche auf             wachsen. Pater Saju SJ plant den Ausbau         18. Mai, 14 Uhr, Borromäum, Basel:
     dem Campus des Projekts Kalahrda­              zu einem international sichtbaren Ort für       Öffentliche Tanzaufführung
     ya ist fertig. Und die Vorbereitungen          Kunst, Kultur und Spiritualität, einem Treff­   19. Mai, 18.30 Uhr, Kath. Kirche in Ganter­
     für den Bau eines neuen Schulungs­             punkt für Künstler und alle, die beim Auf­      schwil: Sakraler Tanz im Abendgottes­
                                                    bau einer friedlichen und gerechteren           dienst, anschliessend offener Workshop.
     gebäudes laufen auf Hochtouren.                Gesellschaft mithelfen wollen. Der nächs­       20. Mai, 10.30 Uhr, Pfarrei St. Johannes,
                                                    te Schritt ist der Bau eines vierstöckigen      ­Luzern: Sakraler Tanz im Gottesdienst

     D
              er 52-Jährige Saju George SJ, der     Schulungsgebäudes mit Klassenzimmern,            20. Mai, 18 Uhr, Tanz in der Krishna Ge­
              hierzulande schon als «tanzender      Auditorium und Bibliothek. In den Bau­           meinschaft Schweiz, Bergstrasse 54, Zürich
              Jesuit» bekannt ist, baut seit vie­   zeichnungen sind auch Hotelzimmer für            21. Mai, 10.30 Uhr, Stadtpfarrkirche St. Jo­
     len Jahren das Kulturzentrum Kalahrdaya        Gäste eingeplant und für Studierende aus         hannes in Rapperswil: Sakraler Tanz im
     für Arme und Benachteiligte in der Nähe        entlegenen Dörfern. «Ich sehe mich nicht         Gottesdienst am Pfingstmontag.
     von Kalkutta auf. Mit grossem Erfolg. Er       nur als Tanzlehrer, sondern auch als Sozi­       21. Mai, 16 Uhr, Insel Ufenau im Zürichsee.
     bietet in Kalahrdaya eine klassische Tan­      alarbeiter. Denn Kunst ist nie Selbstzweck,      Weitere Infos dazu unter www.jesuiten-
     zausbildung, zudem Unterricht in Eng­          sondern trägt dazu bei, Gesellschaften zu        weltweit.ch.
     lisch, Mathematik, Yoga und Musik und hat      verändern», sagt der Jesuit. Der Neubau          Eintritt kostenfrei, Spenden erbeten. Die
     so schon Hunderten zu einer grundlegen­        soll innert zwei Jahren errichtet werden         Kollekten in den Gottesdiensten kommen
     den Bildung und anerkannten Berufsper­         und etwa 700 000 Franken kosten. Auch            dem Projekt von Pater Saju SJ zugute.
VOLUNTEERS

Neues Gesicht bei «Jesuit Volunteers»
Sabrina Bispo koordiniert die Freiwilligenprogramme und Zivildiensteinsätze

Jedes Jahr vermittelt das Programm           neue Volunteer-Koordinatorin aus Lauter­
Jesuit Volunteers junge Erwachsene           brunnen ihre Motivation. Persönlichkeits­
in Freiwilligen- und Zivilidienstein­        entwicklung und die Bereitschaft, sich
                                             selbst und das soziale Umfeld als «Bot­
sätze auf der ganzen Welt. Ein Jahr          schafterin oder Botschafter» positiv zu
lang arbeiten sie in Bildungs- und           verändern, sind wichtige Anliegen des
Sozialprojekten mit und werden in            Volunteer-Programms. Dabei kooperieren
dieser Zeit von Jesuiten weltweit            die Jesuiten mit den Anbietern Voyage-
betreut. In der Schweiz ist seit dem         Partage und Commundo. Die Ziele sind
                                             hoch gesteckt: Die Freiwilligen sollen
1. Februar 2018 Sabrina Bispo für            Kompetenzen entwickeln, um sich «soli­
diese Einsätze zuständig.                    darisch für eine sozialere, gerechtere,
                                             ­humanere Gesellschaft einsetzen zu kön­

W
            as bewegt junge Frauen und        nen», heisst es im Konzept von Jesuit Vo­
            Männer, meist zwischen 18         lunteers. Es geht im Kern um eine Huma­
            und 26, ein Jahr anders zu le­    nisierung des Prozesses der Globalisierung.     Sabrina Bispo
ben – also auf Partys, Freunde, stabiles      Für diese Vision gilt es, Menschen zu be­
Internet und viele kleine Annehmlichkei­      geistern und sie auf die vielen Herausfor­      in den Dörfern zu etablieren», erklärt sie.
ten zuhause zu verzichten und sich statt­     derungen vor Ort in fremden Kulturen            Vor diesem Auslandspraktikum hat die
dessen für Arme, Kranke oder Benachtei­       vorzubereiten.                                  vegetarische Hobbyköchin studiert: Zuerst
ligte in Asien, Indien oder Osteuropa zu                                                      Geschichte und Katholische Theologie in       13
engagieren? Ist es Abenteuerlust, Idealis­   Erste Erfahrungen aus Mosambik                   Fribourg. Anschliessend absolvierte sie an
mus oder wissen viele einfach nicht, was     Sabrina Bispo hat Projektarbeit auf globa­       der Universität Luzern das Masterstudium
sie nach Schule oder Berufsausbildung        ler Ebene bereits erlebt. Die 27-Jährige         «Weltgesellschaft und Weltpolitik». Sie
anfangen sollen?                             konnte bei «Don Bosco Jugendhilfe Welt­          kann sich schon rein vom Alter her gut in
   Die Antwort auf diese Frage ist jeden­    weit» und vor allem in Mosambik erste            die Volunteers eindenken. In ihrer Freizeit
falls ein Schlüssel für die Aufgaben, die    Erfahrungen sammeln. Dort, in Ostafrika,         liebt sie Theater, Poetry Slams und Litera­
Sabrina Bispo jetzt übernommen hat. «Ich     arbeitete sie in einem Hilfsprojekt. «Es ging    tur. «Zum Ausgleich gehe ich gerne Wan­
freue mich darauf, Menschen in ihrer Ent­    um bessere Versorgung der Menschen,              dern oder zum Yoga», erzählt die neue
wicklung zu begleiten», beschreibt die       aber auch darum, demokratische Prozesse          Volunteer-Koordinatorin.              GzB

  DAS PR0GRAMM AUF EINEN BLICK
  Alter: Engagement kennt keine Al-          des Programms, ebenso wie ein
  tersbeschränkung! Der Freiwilligen-        Seminar zur Reflexion während
  dienst richtet sich an Erwachsene          des Einsatzes. Das Team der Jesuit
  ab 18 Jahren.                              Volunteers und Ansprechpartner am
  Zeitrahmen: Ein Jahr ist aus Erfah-        Einsatzort begleiten die Anwärter.
  rung eine «runde Sache» für Jesuit         Lebensbedingungen: Man muss
  Volunteers. Die Vorbereitungszeit          sich auf einen einfachen Lebensstil
  beginnt schon im Herbst zuvor, die         in einem christlich-interreligiös
  Ausreise erfolgt dann im Sommer.           geprägten Umfeld einlassen.                      und Organisation für Sprachkurse,
  Einsatzort: Darüber wird gemein-           Kosten: Jesuit Volunteers trägt                  Visum und Impfungen.
  sam mit den Freiwilligen und den           einen Grossteil der Reisekosten und              Zertifizierung: RAL-Gütesiegel
  Projektpartnern während der Vor-           sorgt für Unterkunft, Verpflegung,              ­«Internationaler Freiwilligendienst».
  bereitungszeit entschieden.                Versicherungen und ein ortsan-                   Weitere Informationen sowie Be-
  Begleitung: Eine intensive Vor-            gepasstes Taschengeld. Die Frei-                 richte von Freiwilligen unter:
  und Nachbereitung ist fester Teil          willigen beteiligen sich an Kosten               www.jesuiten-weltweit.ch/volunteers
JESUITENBIBLIOTHEK

14   Bettina Spoerri sprach zur Eröffnung der Jesuitenbibliothek Zürich im aki (Katholische Hochschulgemeinde Zürich) über die Vision
     ­e iner perfekten Bibliothek. Gemeinsam mit dem aki bietet die Jesuitenbibliothek die Veranstaltungsreihe Buch & Bildung an.

     Es lebe die Buchkultur!
     Am 1. März wurde die Jesuitenbibliothek Zürich mit einem Festakt eröffnet

     Zur Eröffnung der neuen «Jesuiten­            d’horizon durch die Kulturgeschichte des       die am 28. März startet. Vor allem muss
     bibliothek Zürich» am 1. März                 Bibliothekswesens und der Schriftlichkeit.     eine Bibliothek öffentlich zugänglich sein,
     wollten rund 200 Gäste sehen, was             Mit ihrem Vortrag über die Vision einer        und genau das ist neu an der Jesuiten-
                                                   perfekten Bibliothek ging sie zugleich         bibliothek: Sie ist an den Bibliotheksver­
     nach dreieinhalb Jahren Bauzeit               etwa am Beispiel der Public Library in New     bund NEBIS angeschlossen und beteiligt
     am Hirschengraben entstanden ist:             York der Frage nach: Ist eine Bibliothek, in   sich zudem am Zukunftsprojekt Swiss Li­
     Jesuitenprovinzial Christan M.                der man Buchdeckel vor Ort aufschlagen         brary Service Platform, wie Leiterin Anita
     Rutishauser SJ sieht einen Ort des            kann, im Zeitalter der Digitalisierung über­   Schraner ankündigte. Den öffentlichen
     «Wissens und des Dialogs». Bettina            haupt noch sinnvoll?                           Charakter betonte auch Bettina Spoerri:
                                                     Die Antwort hatte Bauherr Pater Rutis­       So sei eine Bibliothek wie diejenige in New
     Spoerri sprach in ihrem Vortrag von           hauser SJ schon in seiner Begrüssung ge­       York mit 50 000 Nutzern ein demokrati­
     Bibliotheken als einem öffentlichen           geben: Ja, selbstverständlich! Die vier        sches «Auskunftsbüro», ein Zufluchtsort
     Raum für «Social Network».                    Millionen Baukosten (Architekturbüro           vor der Grosstadthektik und vermittle eine
                                                   Sievi & Stoller), die aus dem Verkauf des      «öffentliche Wohnzimmerkultur».

     D
              as Interesse an den neuen            Redaktionsgebäudes der inzwischen ein­            Das Archiv und seine Bedeutung stellte
              ­Bib­liotheksräumen, in der drei     gestellten Zeitschrift «Orientierung» sowie    Esther Schmid Heer vor, während Nikolaus
               ­Buchbestände der Jesuiten mit      mit Hilfe von Stiftungen und der Zürcher       Klein SJ zu den Beständen der Bibliothek
     100 000 Büchern sowie das Schweizer Pro­      Kirche aufgebracht wurden, habe man gut        sprach. Man kann im Archiv übrigens auch
     vinzarchiv des Orden zusammengeführt          investiert. Denn eine Bibliothek sei eben      den Bundesartikel von 1848 zum Verbot
     wurden, war gross: So nahm die Kulturver­     mehr als eine Ansammlung von Bücher­           der Jesuiten in der Schweiz einsehen, in­
     mittlerin Spoerri, die das Aargauer Litera­   regalen, sondern eine Kulturstätte und         klusive Dokumentation der öffentlichen
     turhaus leitet, die vielen Gäste am Eröff­    Dialogplattform. Daher gibt es auch die        Kontroverse dazu. Alle Informationen auf
     nungsabend mit auf eine anregende Tour        neue Veranstaltungsreihe Buch & Bildung,       www.jesuitenbibliothek.ch.
ISRAEL

Jerusalem vergisst man nicht
Pater Rutishauser SJ über die Reise in ein heiliges Land und seine unheiligen Probleme

Das Heilige Land polarisiert. Das hat         Jahren doch von den westlichen Sieger­           und Palästina stehen die Jesuiten im Dia­
gerade erst wieder die Entscheidung           mächten nach kolonialistischen Interessen        log mit Palästinensern, Hebräisch spre­
des US-Präsidenten gezeigt, Jerusa­           neu strukturiert. Dass es im Zuge der            chenden Christen und mit der israelischen
                                              Staatsgründung 1948 zur Vertreibung von          Mehrheitsgesellschaft. 2015 wurde Pater
lem als Hauptstadt Israels anzuer­            Palästinensern gekommen ist und sie bis          David Neuhaus SJ für seine Engagement
kennen. Jesuitenprovinzial Christian          heute unter sozialer Ungerechtigkeit lei­        zugunsten von Einwanderern mit dem
M. Rutishauser SJ erklärt, warum              den, wurde zunächst im öffentlichen Be­          Mount Zion Award geehrt. Zudem leitet
eine Reise in dieses Land so wichtig          wusstsein verdrängt. Heute wird dies an­         in Jerusalem Pater Stefano Bittasi SJ ein
und unvergesslich ist.                        erkannt, doch kaum in den grösseren              Programm für Jesuiten, das hilft, die ge­
                                              Zusammenhang der äusserst schwierigen            sellschaftliche und politische Situation im
                                              politischen Gesamtkonstellation im Vor­          Land besser zu verstehen und an bibli­

B
         islang hatte noch jeder US-Präsi­    deren Orient gestellt. So tragen nicht nur       schen Orten den Glauben zu vertiefen. Im
         dent diesen Schritt vermieden. So    die religiöse Bedeutung des Landes für           Sommer wird der Schweizer Scholastiker
         verwundert es nicht, dass Donald     Christen, Muslime und Juden, sondern             Mathias Werfeli SJ daran teilnehmen.
Trumps Erklärung Ende 2017, Jerusalem         auch die komplexe Gewalt- und Schuld­               Jesuiten aus aller Welt reisen seit jeher
als Hauptadt Israels anzuerkennen, welt­      geschichte dazu bei, die Emotionen anzu­         ins Heilige Land und suchen die Begeg­
weit für Reaktionen sorgte. Obwohl es         fachen. Meistens wird sehr einseitig geur­       nung mit einheimischen Christen, Juden
zunächst um einen symbolischen Akt geht       teilt, und dies aus einer besserwisserischen     und Muslimen. Nur im Austausch mit Men­
und Trumps Entscheid innenpolitisch mo­       europäischen Warte.                              schen vor Ort entsteht ein Verständnis für
tiviert sein dürfte (ein Zugeständnis an                                                       die Zusammenhänge im Land. Ein verant­
evangelikale Kreise), hat dieser Schritt      2018: Reise mit dem Lassalle-Haus                wortetes Christsein, verwurzelt im bibli­        15
poli­tische Konsequenzen. Er widerspricht     Der Jesuitenorden bemüht sich, in Israel         schen Glauben, kann davon nur profitie­
auch dem Völkerrecht, da ein Grossteil        und Palästina präsent zu sein, den von           ren. Das Lassalle-Haus bietet im Sommer
Jerusalems gemäss internationalem Recht       Gewalt Betroffenen zu helfen und die             wieder eine Reise nach Israel und Palästina
unrechtmässig annektiert wurde.               christliche Minderheit in der Region zu          an. Spirituelle Vertiefung, interreligiöse
   Internationales Recht, konkrete gesell­    stärken. Im Nordirak und in Jordanien en­        Begegnung und das Kennenlernen eines
schaftliche Verhältnisse und religiöse        gagiert sich «Jesuit Worldwide Learning          Landes, das die ganze Welt etwas angeht,
Überzeugungen stehen im Heiligen Land         (JWL)» mit Sitz in Genf (s. S. 4 – 8). Der Je­   geben sich die Hand. Alle Informationen
oft miteinander im Konflikt.* Zudem ist die   suiten-Flüchtlingsdienst (JRS) ist im gan­       finden Sie unter: www.lassalle-haus.org.
Geschichte eng mit Europa verbunden,          zen Nahen Osten, auch in Syrien, aktiv                      Pater Christian M. Rutishauser SJ
wurde der Vordere Orient nach dem Zerfall     (s. S. 9). Und «Jesuiten weltweit» (JWW) in
des Osmanischen Reichs vor rund hundert       Zürich unterstützt diese Arbeit. In Israel       *Mehr dazu: http://www.feinschwarz.net/

                                                                                                                      L i n k s : Der Felsen-
                                                                                                                      dom mit seiner
                                                                                                                      ­golden Kuppel auf
                                                                                                                       dem Tempelberg in
                                                                                                                       Jerusalem ist der
                                                                                                                       älteste monumenta-
                                                                                                                       le Sa-kralbau des
                                                                                                                       Islams. Im Vorder-
                                                                                                                       grund ­Pater Chris-
                                                                                                                       tian M. Rutishauser
                                                                                                                       SJ (ganz rechts).

                                                                                                                       R echt s : Die Abtis-
                                                                                                                      sin Mère Bushra
                                                                                                                      aus dem Melkitin-
                                                                                                                      nenkloster in
                                                                                                                      ­Nazareth zeigt ihre
                                                                                                                       Ikonen.
CH-8001 Zürich
                                                                                                                                            PP/Journal

                                                                                                                                               AZBResponse Zentral
                                                                                                                                                     Post CH AG
MISSION MITMENSCH

Neue Weltbürger über’s Online-Studium +++ Interview mit JWL-Direktor
Peter Balleis SJ +++ Wie geht es weiter in Simbabwe? +++ Alte Missionen,
neue Projekte in Paraguay +++ Sabrina Bispo: Neues Gesicht bei Jesuit Vo­
lunteers +++ Asyl-Café in Kloten +++ Jetzt buchen: Reise nach Jerusalem

                         Benefizkonzert                                        Armuts-Alarm                   Magazin von
                                                                                                              Jesuiten weltweit
                         Sonidos!                                              Neu denken                     Erscheint viermal im Jahr
                          Mit ihrer Musik wollen                                 Pünktlich zum Weltwirt­      Abonnementspreis: Fr. 8.–
                          Verena Lutz und ihr                                    schaftsgipfel in Davos
                          Ensemble ein neu­                                      schreckte diese Meldung      Abonnementsverwaltung:
                          es ­Kulturprojekt der                                  auf: 42 Menschen der         Stiftung Jesuiten weltweit,
                                                                                                              ­Hirschengraben 74, 8001 Zürich,
                          Jesuiten in Südamerika                                 Welt besitzen ebenso
                                                                                                               ­Telefon 044 266 21 30
                          unterstützen: Am 13. Mai                               viel wie die ärmste Hälfte
                                                                                                                E-Mail: magazin@jesuiten-weltweit.ch
                          findet daher um 17 Uhr                                 der Weltbevölkerung            IBAN: CH51 0900 0000 8922 2200 9
                          in der Kirche Bruder                                   (3,7 Milliarden). Dies ist
                                                                                                              Redaktion: Toni Kurmann SJ,
Klaus in Zürich ein Benefizkonzert zugunsten von     eines der Ergebnisse der diesjährigen Untersu­
                                                                                                              ZURBONSEN Communications
«Sonidos de la Paraquaria» in Paraguay statt. Die    chung der Hilfsorganisation Oxfam. Der Jesuit und
diplomierte Zürcher Musikerin Verena Lutz sowie      Soziologe Jörg Alt SJ kommentierte die Studie mit        Gestaltung, Druck und Versand:
                                                                                                              Cavelti AG
Andrea Scarpa spielen Orgel, Franziska Krähen­       Kritik an der Weltwirtschaftsordnung und forderte
                                                                                                              medien. digital und gedruckt.
mann spielt Violine und übernimmt den Gesang.        «eine globale politische Reform zum Wohl der
                                                                                                              9201 Gossau SG
«Sonidos de la Paraquaria» ist ein Orchester für     globalen Allgemeinheit.» Die Jesuiten beschäf­
hochtalentierte Musiker unter der Leitung des        tigen sich seit langem mit sozialer Ungleichheit         Bildnachweis:
international bekannten Dirigenten und Kom­          weltweit und dem damit verbundenen Raubbau               JWL (S. 1, 4 – 8), Jesuiten weltweit
ponisten Luis Szarán in Ascunción. Diese neue        an natürlichen Ressourcen. Der Orden hat 2015            DACH (S. 2, 11, 13, 16, Einleger),
Meisterklasse ist aus dem Orchester «Sonidos de la   das Forschungsprojekt «Steuergerechtigkeit und           C. Baumberger (S. 9, 11), C. Prokop
Tierra» hervorgegangen und hat sich auf die Musik    Armut» abgeschlossen, das gemeinsam von Sozi­            (S. 10), Styria­Verlag Graz (S. 2),
aus den ehemaligen Missionsdörfern der Jesuiten      alinstituten der Jesuiten in Deutschland, Kenia und      Jesuiten Simbabwe (S. 3), Jesui-
in Südamerika spezialisiert. Die Missionsdörfer      Sambia durchgeführt wurde. Ausgangspunkt ist             ten Indien (S. 12), Toni Kurmann
der europäischen Orden wurden zur Kolonialzeit       die Erkenntnis, dass neoliberale Globalisierung und      (S. 14), Jesuiten Schweiz (S. 15);
in Lateinamerika Reduktionen genannt. Mit dem        Steuerwettbewerb auf allen Ebenen keineswegs             Christian Ender (S. 16)
Namen «Sonidos de la Paraquaria» ist zudem ein       den Wohlstand aller steigerten, sondern die Kluft
Studienzentrum zur Erforschung und Bewahrung         zwischen Arm und Reich noch vergrösserten. Die
der Musik verbunden, die sich in der Begegnung       Studie soll nachweisen, dass man Armut vermin­
von klassischem Barock und indigener Kultur          dern kann, wenn alle Staaten angemessene Steuern
entwickelt hatte.                                    eintreiben.
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