Elsass-Gazette Nr. 148 April 2020 - Mitteilungsblatt Kulturverein Elsass-Freunde Basel
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Elsass-Gazette
Nr. 148 April 2020
Mitteilungsblatt
Kulturverein Elsass-Freunde Basel
Association culturelle les amis de l’Alsace Bâle
Impressum Inhaltsverzeichnis
Mitteilungsblatt Elsass-Gazette 2 Impressum
Postadresse: Kulturverein Elsass-Freunde Basel 3 Inhaltsverzeichnis
CH-4000 Basel 4–6 Leitartikel Irma Brantschen
Internet: www.elsass-freunde-basel.ch Peter Obrist
Einzahlungen: IBAN: CH04 0871 0000 0004 1819 BANK CIC (SCHWEIZ) AG 7–9 Bericht Generalversammlung Irma Brantschen
Sekretariat: Sibyll Holinger 10–12 Bericht Déjeuner Culinaire Markus Manfred Jung
Aeschenvorstadt 48, CH-4051 Basel
Mobile: +41 (0)79 461 72 28 13–15 Ausschreibung: Weinbaumuseum,
E-Mail: sekretariat@elsass-freunde-basel.ch Spargelessen 14. Mai 2020
Redaktion: redaktion@elsass-freunde-basel.ch 16–18 Ausschreibung: Hartmannswillerkopf 13. Juni 2020
Irma Brantschen (Leitung)
Rudolfstrasse 22, CH-4054 Basel 19–23 Neydorf, Neudorf, Village-Neuf Ursula Schmitt
Tel: +41 (0)79 434 64 67 24–26 Bericht über den Herre-n-Owe in Mülhausen Jürg Burkhardt
E-Mail: ibrantschen@bluewin.ch
Peter Obrist (Leitung) 27 Gueti alti Zittig Markus Manfred Jung
Aeschenvorstadt 48, CH-4051 Basel 28–31 Mundart-Pioniere, Ausstellung
Tel: +41 (0)61 261 54 31 Dichtermuseum Liestal, Jonas Breitenstein
E-Mail: tsirbo@bluewin.ch
und sein Vorbild Johann Peter Hebel Serge Iseli
Serge Iseli
Lenzgasse 31, CH-4056 Basel 32–34 „Ankommen in Laufenburg“ – Burgschreiber
Tel: +41 (0)79 416 75 00 Markus Manfred Jung Walter Dellers
E-mail: serge.iseli@iselioptik.ch
35–39 Zwischen Reichsadler und gallischem Hahn,
Gestaltung: Peter Birbaumer Buchbesprechung Hans-Jörg Renk
Fuchshagweg 22, CH-4103 Bottmingen
Tel: +41 (0)61 422 06 30 40 Gedicht: S ìsch gsì ìm März 2020 … Yves Bisch
E-Mail: peter@birbaumer.ch
41 Veranstaltungen
Druck: Dietrich AG
Pfarrgasse 11, CH-4019 Basel 42 Bildernachweis
Auflage: 450 Exemplare 43 Adressliste
Die nächste Ausgabe erscheint
am 14. Juli 2020
Redaktionsschluss: 23. Juni 2020
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Leitartikel
Liebe Elsass-Freundinnen, liebe Elsass-Freunde
Dies ist die chemi- Und die Glücksge- führt: keine Nahrung, keine Berüh- gelessen, oder der Ausflug auf den
sche Formel von Do- fühle werden im- rungen, keine Gespräche, nicht ein- geschichtsträchtigen Hartmannswil-
pamin. Dopamin, mer wieder und mal Blickkontakte sind erlaubt. Die lerkopf. Wir freuen uns auf Ihre An-
eine „Wohlfühlche- immer öfters ge- Glückssuchenden suchen ihr Glück meldungen und garantieren Dopa-
mikalie“, löste in sucht. Längerfris- unter Verzicht auf alles, was glücklich min pur!
den vergangenen tig gewöhnt sich macht!
In diesem Sinne weiterhin viel Freu-
Wochen einen regelrechten Hype jedoch unser Körper an die immer
Was für ein Glück, dass die Elsass- de an unseren Veranstaltungen – und
aus, der seinen Ursprung im kalifor- höheren Mengen Dopamin, so dass
Freundinnen und -Freunde nicht je- beim Lesen der Gazette. Eine ange-
nischen Silicon-Valley hat und we- für dessen Ausschüttung immer stär-
dem Trend aus Silicon Valley folgen nehme Lektüre soll nämlich auch
nig überraschend innert kürzester kere Reize benötigt werden, womit
und diesen höchstens mit einem Glücksgefühle vermitteln!
Zeit auch bei uns angekommen ist: das mit Glück assoziierte Dopamin
Schmunzeln und Augenzwinkern zur
Dopamin-Fasten. Etwas überspitzt auch Suchtverhalten und Stress för- Übrigens: Die Medizin vermutet,
Kenntnis nehmen. Dies schliessen wir
bedeutet dieser neue „Selbstkastei- dert. Um dem entgegenzuwirken, dass Dopamin mit Glücksmomen-
aus den zahlreichen Teilnehmenden,
ungstrend“, während eines selbst hat Cameron Sepah, klinischer Pro- ten wahrscheinlich wenig zu tun hat
die am Déjeuner Culinaire im Spit-
definierten Zeitraumes auf alles, was fessor für Psychiatrie an der Universi- und seine Bedeutung vor allem im
zenrestaurant „au Cheval blanc“ in
Spass macht, zu verzichten und sich ty of California, eine Anleitung zum Bereich der Antriebssteigerung und
Hochstatt dabei waren, ein ausge-
allen Impulsen zu verweigern, die sogenannten Dopamin-Fasten pub- Motivation liegt.
zeichnetes Essen geniessen und sich
potenzielle Glücksgefühle hervorru- liziert mit der Empfehlung, für eine
an den Gesprächen und Kontakten
fen könnten. gewisse Zeit auf Dopamin-Kicks zu
erfreuen konnten. Auch der bereits
verzichten. Durch das Einstellen von
Das Glückshormon Dopamin gehört ausgebuchte Ausflug im April ins
Gewohnheiten, die für eine extrem
zu den Botenstoffen des Gehirns, Musée Electropolis in Mulhouse mit
hohe und vor allem wiederholte Do-
die in unserem Körper für Glücksge- anschliessendem Besuch des Tape-
pamin-Ausschüttung verantwortlich
fühle zuständig sind und sich positiv tenmuseums in Rixheim bestätigt
sind, ermöglichen wir es unserem
auf unsere Motivation auswirken. uns, dass die Elsass Freundinnen und
Gehirn, sich zu erholen.
Dopamin wird ausgeschüttet, wenn -Freunde keine Anhänger des Dopa-
das Gehirn Hinweise bekommt, dass Ein eigentlich vernünftiger Vorschlag min-Fastens sind und sich eher anti-
es bald eine Belohnung erhalten wurde nun aber völlig missverstan- zyklisch verhalten! Irma Brantschen
könnte, sei es durch Essen, Musik den und von der Techies1-Szene in
Wir freuen uns, dass wir in dieser
hören, Sport, Online-Shoppen, posi- Silicon Valley bis zur Absurdität ge-
Nummer wieder zwei interessante
tive Rückmeldungen in den sozialen 1 Aus dem Englischen stammende Ausflüge ausschreiben können, sei es
Medien etc. Bei der Belohnung wird Bezeichnung für enthusiastische der Besuch des Weinbaumuseum in
dann nochmals eine Ladung Dopa- Nutzer oder Erfinder von techni- Turckheim, verbunden mit dem Spar-
min freigesetzt. Glück pur. schen Errungenschaften aller Art
4 5
Die Glückssuchenden suchen ihr Glück unter Verzicht auf alles, Generalversammlung vom 24. März 2020
was glücklich macht!
Von Irma Brantschen
Ja, dieses Jahr sollte die Generalver- ralversammlung in schriftlicher Form
Was für ein schicksalshafter Satz, den nen Menschen gegrüsst worden– sammlung in einem besonderen Rah- durchzuführen. Damit kann das ver-
Irma Brantschen da vor einem guten mitten in der Stadt Basel! Das habe men stattfinden! Im vor einem Jahr gangene Vereinsjahr abgeschlossen
Monat geschrieben hat. Sie meinte ich letztmals im März 2006 erlebt, eingeweihten Radio- und Fernsehstu- und die vakanten Vorstandsfunkti-
zwar die Techies aus dem Silicon Val- als kurz vor der Fasnacht der grosse dio im Meret Oppenheim-Hochhaus onen können wieder ordentlich be-
ley, aber in der Zwischenzeit gilt er Schneefall den ganzen öffentlichen sollten wir bei einer Studio-Führung setzt werden.
auch für ganz „normale“ Menschen Verkehr lahmgelegt hat. die Produktion der Sendung Regio-
hier in der Schweiz. Es sind bekannt- Mit Schreiben vom 13. März 2020,
Notsituationen schweissen offen- naljournal mitverfolgen können. Und
lich Dinge passiert, an die sich höchs- zugestellt am 17. März 2020, erhiel-
sichtlich zusammen – auch wenn wir Ja, wegen der Corona-Virus-Pande-
tens noch die ältesten unter den ten die Mitglieder schriftlich den
in diesem Fall den vorgeschriebenen mie musste alles abgesagt werden.
Elsass-Freunden schwach erinnern Jahresbericht und die sonstigen
Abstand wahren müssen. Das ist doch Da einerseits nicht absehbar ist, wann Traktanden, unter Beilage eines Ab-
können. Ähnliche Einschränkungen
ein kleiner Trost in dieser eher trost- wieder Normalität einkehrt und eine stimmungs- und Wahlbogens sowie
gab es im täglichen Leben während
losen Zeit. Vielleicht gelingt es uns, Präsenzversammlung möglich ist, an- Rückantwortcouverts. Zahlreiche
der Kriegsjahre – allerdings aus ganz
auch in besseren Zeiten Profitdenken derseits eine Generalversammlung Mitglieder haben von ihrem Stimm-
anderen Gründen.
und Egoismus eher im Zaum zu hal- für das Funktionieren eines Vereins und Wahlrecht Gebrauch gemacht
Dieser Corona-Virus hat unser gan- ten als in den vergangenen Jahren. unabdingbar ist, hat der Vorstand und den Fragebogen fristgerecht bis
zes Leben auf den Kopf gestellt und Vielleicht schaffen wir es auch, kre- beschlossen, die diesjährige Gene- 24. März 2020 zurückgeschickt.
uns schon ganz viele Glücksmomen- ative Beschäftigungen beizubehal-
te genommen – vor allem natürlich ten, die wir in diesen schwierigen
die wertvollen sozialen Kontakte. Wochen wieder neu entdeckt haben.
Gerade wir Seniorinnen und Senio- Und vielleicht bringen wir nach die-
ren müssen besonders vorsichtig sein ser erzwungenen Entschleunigung
und die meiste Zeit zu Hause bleiben wieder etwas mehr Ruhe und Musse
– etwas, was ich überhaupt nicht ger- in unseren hektischen Alltag.
ne tue!
Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich
Darum schleiche ich mich zwischen- zuletzt – und das ist gut so!
durch aus dem Anfos-Haus, gehe
durch die menschenleere Aeschen-
vorstadt, durchs Brunngässlein und
die Dufourstrasse hinunter an den
Rhein und achte stets darauf, dass
mir niemand zu nahe kommt.
Beim heutigen Sonntags-Spazier-
gang ist mir etwas ganz Spezielles Unsere Sekretärin stösst an die Briefmarken sind auch nicht mehr,
aufgefallen: Ich bin von verschiede- Peter Obrist Grenzen was sie waren
6 7
beitende“ ab und zu Artikel für die aktuellem Anlass um ein Jahr auf Serge Iseli, Mitglied der Redaktions-
Gazette schreiben. Pfingsten 2021 verschoben. kommission, wird als Kassier in den
URSULA SCHMITT UND HANS-JÖRG Vorstand gewählt.
Jahresrechnung
RENK EIN GROSSES MERCI FÜR ALLES.
Die Jahresrechnung 2019 schliesst Edgar Zeidler wird neu in den Vor-
Unser Webmaster Hugo Neuhaus mit einem Gewinn von CHF 621.51 stand gewählt.
betreut seit zwölf Jahren unseren (Vorjahr Verlust von CHF 3‘103.10).
Internetauftritt www.elsass-freunde- Die bisherigen Vorstandsmitglieder
Das Vereinsvermögen beträgt CHF
basel.ch technisch und inhaltlich aufs Gérard Kielwasser
21‘669.18. Die Revisoren haben die
Beste. Für die in die Jahre gekomme- Kasse geprüft. Ihrem Antrag folgend Markus Manfred Jung
ne Website hat er auf Basis unserer wird dem Vorstand Décharge erteilt. Sibyll Holinger
Vereinssoftware „ClubDesk“ einen Irma Brantschen
neuen Internet-Auftritt lanciert, der Gesamterneuerungswahlen
Peter Obrist
frisch daher kommt und vermehrt Rücktritte
auch für Anmeldungen genutzt wird. Hugo Neuhaus-Gétaz
für einmal war ein Sondertransport Daniel Braun, Vizepräsident, ist 1999
nötig HUGO NEUHAUS EIN GROSSES MERCI den Elsass-Freunden beigetreten, Regula Adam
Jahresbericht FÜR ALLES. 2001 als Beisitzer in den Vorstand Ursula Schmitt
Die elf Veranstaltungen (ohne Gene- Ende 2019 zählte unser Verein 318 Mit- gewählt und 2008 zum Vizepräsiden- Werner Schwarzwälder
ralversammlung) mit durchschnittlich glieder (2018: 437, effektiv 353). Den ten Schweiz ernannt worden. Er hat werden in ihrem Amt bestätigt.
44 Teilnehmenden (Vorjahr 49) wa- 25 Neumitgliedern stehen 28 Austritte in seiner 19-jährigen Vorstandstätig-
gegenüber, zwölf Mitglieder sind ver- keit unzählige Ausflüge aufs Beste Als Rechnungsrevisoren/-innen wer-
ren wiederum sehr gut besucht.
storben. Erstmals wurden nach dem organisiert und durchgeführt und im den Hans-Ruedi Roth, Silvia Leupin
Unser Cluborgan unter der Co-Lei- Versand der Jahresrechnungen aus- Vorstand interessiert und engagiert und Edith Schmidli gewählt.
tung von Peter Obrist und Irma Brant- stehende Mitgliedsbeiträge zweimal mitgearbeitet. Budget
schen sowie den Redaktionsmitglie- gemahnt. Wenn danach keine Zahlung Hans-Ruedy Grünenfelder, Kassier,
dern Ursula Schmitt, Hans-Jörg Renk einging, wurde das Mitglied gestrichen. Der Kassier und Vorstand werden
ist im Jahr 2016, als die Vereinskas-
und Serge Iseli erschien vier Mal mit alles daran setzen, auch für das Jahr
Die fünf Vorstandssitzungen konnten se in einem desolaten Zustand war,
informativen und gehaltvollen Bei- 2020 einen positiven Abschluss vor-
wiederum im Office de Tourisme du kurzfristig eingesprungen, hat die
trägen. Die professionelle Gestaltung zulegen. Die Mitgliederbeiträge blei-
Pays de Saint-Louis Huningue im Mai- Kasse in Ordnung gebracht und diese
liegt in den Händen von Peter Birbau- ben auch im 2020 unverändert (CHF
son de Haute Alsace in Village-Neuf während vier Jahren geführt.
mer. Die Gazette wird weit über unse- 50 für Einzelmitglieder, CHF 80 für
re Vereinsmitglieder sehr geschätzt. durchgeführt werden. Gérard Kiel- André Dubail, Beisitzer, gehört seit Ehepaare).
Den Versand besorgen Sibyll Holinger wasser und Directeur Eric Lefebvre 2016 dem Vorstand an, konnte aber
wird dafür herzlich gedankt. in letzter Zeit nur noch sporadisch an Jahresprogramm
und Werner Schwarzwälder.
DEM REDAKTIONSTEAM UND DEM Seit Oktober 2019 ist der Dreyland- den Vorstandssitzungen teilnehmen. Die geplanten Anlässe (s. Elsass-Ga-
VERSANDTEAM EIN GROSSES MERCI Dichterweg nun auch während der EIN GROSSES MERCI AN ALLE ZU- zette 147, Januar 2020, Seite 6) ver-
FÜR ALLES. Woche begehbar, allerdings finden RÜCKTRETENDEN FÜR IHR GROSSES sprechen wiederum vielfältige und
sowohl auf dem Abschnitt in Hun- ENGAGEMENT UND WIRKEN FÜR interessante Ausflüge.
Nach zwölf bzw. acht Jahren tre-
ingue wie auch auf jenem in Weil am DEN KULTURVEREIN ELSASS-FREUN-
ten die Redaktionsmitglieder Ursula Das Protokoll der Generalversamm-
Rhein grössere Bauarbeiten statt. DE BASEL.
Schmitt und Hans-Jörg Renk aus der lung wird aus Umweltschutz- und
Redaktion zurück. Ihre Namen wer- Der für Pfingsten 2020 geplante Lauf Wahlen Kostengründen nicht verschickt und
den jedoch nicht ganz verschwinden, „Sprochrenner“ zur Unterstützung Robert Heuss wird für eine weitere ist einsehbar auf www.elsass-freude-
sie werden weiterhin als „freie Mitar- des Elsässischen Dialekts wird aus Amtsperiode als Präsident gewählt. basel.ch
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Zu Gast im Cheval Blanc in Hochstatt d’Alsace als Apéritif. Da wir die einzi-
gen Gäste im Hause waren, genossen
Mandola, dem Dulzimer oder der Gi-
tarra. Besonders eindrucksvoll war
wir die ungeteilte Aufmerksamkeit das „Battellied“, eine elsässische Va-
Ein frohes und exquisites Déjeuner Culinaire (20.2.2020) des Servicepersonals. Dass die beiden riante des im ganzen alemannischen
Gastgeber früher schon im Rochat in Raum bekannten Liedes „In Muetters
Crissier und bei Haeberlin in Illhäu- Stübeli“.
Von Markus Manfred Jung
sern zaubern durften, konnte man
Dass nach einem kleinen Amuse-
Zum nunmehr neunten Mal hat Rudi Nach nur 45-minütiger bequemer bald anerkennend spüren.
Gueule dann der einheimische
Niescher die Elsassfreundinnen und Fahrt wurden wir professionell und Zum Déjeuner Culturel aufgewertet Weissburgunder (Pinot blanc) von
-freunde Basel zu einem kulinari- freundlich empfangen und im hellen wurde die Veranstaltung durch den Schlumberger aus Gebweiler zur
schen Februar-Hochgenuss ge- und Saal an Tischgruppen platziert. Davy in Hochstatt wohnenden Liederma- Vorspeise speziell mundete, konnte
verführt. Nachdem unser Präsident Mathis, seit 15 Jahren Hausherr im cher Daniel Muringer, vielen der Gäs- man den angeregten Gesprächen an
Robert Heuss beim Probe-Essen im „Wisse Rössli“, begrüsste charmant te bestens in Erinnerung vom Litera- den Tisch
inseln entnehmen. Paare,
Sommer von den Köstlichkeiten aus auf Deutsch, seine Gattin Muriel kre-
Küche und Keller hellbegeistert zu- denzte derweil einen feinen Crémant
rück gekommen war, stand
fest, ein Bus voll neugieri-
ger Gourmets wird seiner
Empfehlung zum Déjeuner
Culinaire ins „Cheval Blanc“,
nach Hochstatt, unweit
Mühlhausen, folgen. Robi
Heuss begrüsste alle im Bus
herzlich und besonders, als
Meistersenior unter all den
Seniorinnen und Senioren,
Carl Miville, der bald ein-
mal auf einen dreistelligen
Geburtstag anstossen darf.
rischen Abend 2016 und bekannt als
Mitbegründer der Gruppe Géranium.
Dreimal, immer in den Pausen zwi-
schen den Gängen, lauschten wir sei-
nen traditionellen elsässischen Volks-
liedern, die er ganz natürlich mit
Humor und Einfühlungsvermögen
vortrug. Er schaffte es sogar, sein Pu-
blikum bei den Kehrversen zum Mit-
singen und -jodeln (!) aufzumuntern.
Als Multi-Instrumentalist begleitete
er sich selbst auf der Konzertina, der
10 11
Spargeln und Elsässer Grand Crus
Ein Ausflug nach Turckheim und ins Weinbau-Museum
Kientzheim
Ausschreibung von Peter Obrist
Datum Donnerstag, 14. Mai 2020
Besammlung 08:15h Basel, Bahnhof Süd, Meret Oppenheim-Strasse
Abfahrt 08:30h Richtung Colmar
(mit Kaffee- und Gipfelihalt unterwegs)
Mittagessen im Restaurant „de la Tour“ in Turckheim
Rückkehr ca. 18:30h in der Meret Oppenheim-Strasse
Reiseleitung Peter Obrist und Werner Schwarzwälder er-
r c h g ef üh r t w
Teilnehmerzahl maximal 55 Personen du pril
Ausflug Ende A
die sich zum einen für das Carpac- bendigem Gespräch geworden. Das Kosten CHF 95.00 Ob der , er fahren Sie
n
en kan
cio von Saint Jacques-Muscheln und auch ästhetisch überzeugende Pis- Anmeldeschluss Montag, 20. April 2020 d
Tintenfisch und zum anderen für die tazien-Schokoladen Duo mit Wald-
Ballotine vom Perlhuhn mit Gänsele- beereis, Café und Friandises rundete „Nadyrlig hämmer Asperges, wenn’s
berpastete zu einem Trockenfrüchte- den Genuss perfekt ab. denn iberhöupt git“, meinte der Kell-
Chutney entschie- ner mit einem besorgten Blick, als wir
den hatten, konnte im Restaurant „De la Tour“ in Turck-
man im eifrigen Aus- heim die Reservation vornahmen. Er
tausch der Köstlich- hatte das ungute Gefühl, dass wir
keiten beobachten. für die frühlingshaften Tage im Fe-
Gelobt wurden auch bruar mit Schnee und Kälte im April
die ofenfrischen büssen müssten. Das Schreckenssze-
Graubrotwecken. nario wäre dann ein Mai ohne Elsäs-
ser Spargeln. Wir sind zuversichtlich,
Mit Rouffacher Spät- dass es nicht so weit kommen wird.
burgunder (Pinot
noir Signature Mure) Turckheim ist nicht nur in der Spargel-
als Begleiter delek- zeit einen Besuch wert. Die bekann-
tierte man dann die ten Weine aus den nahen Rebbergen
Hauptspeise: entweder ein Rinderfi- Wer im Bus auf der Heimfahrt sich gibt es das ganze Jahr, und an viel-
let mit rotem Laos-Pfeffer und Ge- nicht sein wohlverdientes Nicker- fältigen Veranstaltungen mangelt es
müsecannelloni oder ein knuspriges chen nahm, konnte einen schönen in diesem malerischen Städtchen mit
Reh-Bourguignon mit saisonalem Frühlings-Sonnenuntergang hinter seinen knapp 4000 Einwohnern auch
Marktgemüse. Spätestens jetzt war den Vogesen geniessen. Robi Heuss nicht: Freitagsmarkt, Elsässer Thea-
das exquisite Mahl zu einem frohen entliess in Basel eine sehr zufriedene ter, Osterfest, Fest der Rose, Musik-
Fest mit Gläserklang, Lachen und le- Gemeinschaft von Connaisseurs. Die Porte de France, das Stadttor in fest, Oldtimer-Bergrennen, Open Air-
die Rheinebene Kino, Weinfest, klassische Konzerte,
12 13
Schon 1312 wurde Turckheim Von Guillaume
eine Freie Reichsstadt des Deut- Bauer erfahren
schen Reiches und war damit wir Interessantes
direkt dem Kaiser unterstellt; über die Confrérie
seine Blütezeit erlebte es im 16. und dürfen uns
Jahrhundert – und schon da- bei einer festli-
mals war Turckheim bekannt für chen Degustati-
seine ausgezeichneten Weine. on davon über-
zeugen, dass die
Von seiner Stadtbefestigung
Grand-Cru-Lagen
aus dem 14. Jahrhundert haben
von Turckheim
– genau wie in Basel – bloss drei
und Kientzheim
Stadttore und ein Stück Mauer
zu den besten
die Zeit überlebt. Sie und eine
Tropfen an der El-
Reihe anderer historischer Bau-
sässer Weinstrasse
ten lernen wir auf einem ge-
gehören.
führten Rundgang kennen, der Eine Schraubpresse aus dem 17. Jahrhundert
am späten Vormittag angesetzt
ist und gut eine Stunde dauert. ehemaligen Gutshof des Schlosses
Der Nachtwächter schläft dann Schwendi1 mit dem Musée du Vi-
vielleicht noch: Er ist die bekann- gnoble et des Vins das grösste und
teste Touristenattraktion von umfassendste elsässische Weinbau-
Turckheim und lässt seine Stim- Museum untergebracht ist. 1974 von
Das Rathaus im Renaissance-Stil und das me zwischen Mai und Oktober einer Handvoll Idealisten gegründet,
„Hôtel des deux-clefs“, ein prächtiger Fach- jeden Abend um 22 Uhr in den sorgte der Verein dafür, dass hier nicht
werkbau aus dem Jahr 1620. verträumten Gassen erschallen. nur die Geschichte des Weinbaus,
Weihnachtsmarkt sind nur ein paar sondern auch die Arbeit des Winzers
Beispiele aus dem reich befrachteten und die dazugehörigen Handwerke
Ein Riesling aus der Zeit, als
Terminkalender von Turckheim. eindrücklich präsentiert werden.
Riquewihr noch deutsch war
Etwas abseits der bekannten touris- Monsieur Francis Lichtle wird die
Mit schönen Erinnerungen an das
tischen Trampelpfade gelegen, hat Ausstellung kommentieren und uns
„Elsassfährtli“ und der einen oder
Turckheim mit seinem historischen auf den dritten kulturellen Teil des
anderen Flasche im Gepäck geht es
Stadtkern architektonisch ähnlich Tages einstimmen: einen Besuch bei
am späten Nachmittag wieder zurück
viel zu bieten wie die nahegelege- der Confrérie Saint-Etienne, die sich
nach Basel, wo wir zur gewohnten
nen Riquewihr oder Ribeauvillé. Der um die Erhaltung der traditionellen
Zeit in der Meret Oppenheim-Strasse
eigentümliche Ortsname hat nichts Weinherstellung und die Qualität
eintreffen sollten.
zu tun mit den Türken, sondern geht der Elsässer Weine verdient macht.
dem Zeitgeist entsprechend: Velo- Mit ihren 460 Jahren Geschichte ge- 1 Lazarus von Schwendi (1522 – 1583)
zurück auf den Germanenstamm der
fahrer statt Nachtwächter hört sie zu den ältesten Winzergil- war Diplomat, Staatsmann und
Thüringer, die sich nach den Römern Feldherr in Diensten von drei deut-
hier niederliessen und die neue Hei- Nach unserem Mittagessen direkt den Frankreichs und verfügt über die
schen Kaisern. Zu seiner humanis-
mat Thorencohaime nannten. Im frü- neben dem Untertor, der Porte de weltgrösste Sammlung an Weinen
tischen Bildung trug auch die Uni-
hen Mittelalter ist belegt, dass Thu- France, fahren wir wenige Kilome- aus dem Elsass. Die älteste Flasche versität Basel bei, wo von Schwendi
ringheim der Abtei Münster gehörte. ter weiter nach Kientzheim, wo im stammt übrigens aus dem Jahr 1834. als junger Mann studierte.
14 15
Rund um den Hartmannswillerkopf Roïgabrageldis oder Knepfle
serviert wird.
Das Alternativprogramm be-
Eine zweistündige Wanderung mit Besuch der Basilique steht aber selbstverständlich
Notre-Dame de Thierenbach und dem Historial franco- nicht nur aus Schlemmen wie
Gott in Frankreich. Nachdem
allemand du Hartmannswillerkopf
wir alle im „Petit Paradis“ in
Hausgauen Kaffee und Gip-
Ausschreibung von Serge Iseli feli genossen haben und die
Wandergruppe auf dem Col
Datum Samstag, 13. Juni 2020
Amic aus dem Bus gestiegen
08:00 Besammlung Basel, Bahnhof Süd, Meret Oppenheim-Strasse ist, führt die Fahrt wieder
08:15 Abfahrt hinunter ins Tal zur Basilique
10:30 ca. Wanderer starten auf dem Col Amic Notre-Dame de Thierenbach.
11:15 Führung durch die Basilique Notre-Dame de Thierenbach Dieses Kleinod, komplett
13:00 Mittagessen in der Ferme Auberge du Molkenrain mit Zwiebelturm und üppi-
15:30 Weiterfahrt zum Historial franco-allemand du ger barocker Innenausstat-
Hartmannswillerkopf tung, gehört zu den wich-
17:15 Abfahrt nach Basel tigsten Wallfahrtsorten des
18:30 Ankunft in Basel, Meret Oppenheim-Strasse Elsass. Wir werden dort eine
etwa einstündige Führung
Reiseleitung Serge Iseli
erleben; wie mir Mme Ter-
Teilnehmerzahl maximal 44 Personen rasi vom Office du Touris-
Kosten CHF 90.00 me versicherte: „en langue
Besonderes Museumspass mitnehmen Alsacienne“! Da werden wir
Wanderer denken an gute Schuhe, Windjacke, Sonnenhut, bestimmt einiges erfahren
Stöcke und Trinkflasche über den Ursprung des Ortes
Anmeldeschluss Samstag, 23. Mai 2020 als Pachthof der Abtei Mur-
bach und die Entwicklung
Dieses Jahr bieten wir schon zum Gut, herumkraxeln klingt jetzt etwas von einem cluniazensischen
dritten Mal hintereinander einen anstrengend, und auch der Begriff wollen oder können, ein interessan- Kloster zu einer wichtigen Pilger-
Ausflug mit Wanderung an. Nach- Hochvogesen könnte den einen oder tes Alternativprogramm. Und auch station am Jakobsweg von Weissen-
dem 2018 ein kleines Häuflein von die andere abschrecken. Aber ich sie werden in den Genuss der würzi- burg über Belfort nach Santiago de
neun Wanderlustigen an einem heis kann Ihnen versichern, dass das Ge- gen Bergluft und der atemberauben- Compostela.
sen Augusttag durch die Reben auf lände entlang der Route des Crêtes den Ausblicke von den Höhen
die „Drei Egse“ wanderte (Elsass- keine Mitgliedschaft im Akademi- der Vogesen kommen. Denn für
Gazette Nr. 142) und 2019 schon schen Alpenclub Basel voraussetzt. das gemeinsame Mittagessen
zwölf Vereinsmitglieder im Juni in treffen sich beide Gruppen wie-
den nebelverhangenen Mittelvoge- Selbstverständlich gibt es für dieje- der in der „Ferme Auberge du
sen „fremd gingen“ (Elsass-Gazette nigen, die diese Wanderung von ca. Molkenrain“ auf 1050 m ü. M. Es
Nr. 145), werden wir dieses Jahr in 7 km mit einem Höhenunterschied liegt auf der Hand, dass uns da
den Hochvogesen herumkraxeln. von höchstens 400 m nicht mitmachen ein traditionelles Bergmenü mit
16 17
eindeutige
G l o r i fi z i e -
Neydorf, Neudorf, Village-Neuf
rung der
Grande Na- Les Maraîchers de Village-Neuf – eine Buchbesprechung (Teil 1)
tion im Art-
Déco -Stil,
„A Neyderfler wirsch du erscht wàrdà
dort das
Wenn du d’spàrsa kàsch fàhra“
moderne
„Neyderfler wirsch du erscht si
Museum als
Wenn du aü „Lauch“ kàsch sàga wie sie“
Symbol für
die Aussöh-
Von Ursula Schmitt
nung. Wir
w e r d e n Als letztes Glied einer Kette von fünf Belagerung der Festung im Winter
eine gute Generationen von Gemüsebauern 1813/1814 gab es schwere Schäden.
Stunde Zeit hat es sich Roland Hartmann zur Auf-
Die nahe Festung mit ihren Soldaten
haben, um gabe gemacht, die Geschichte der
und Offizieren wurde aber auch zu
die vielen Maraîchers und Maraîchères von Vil-
einer Abnahmequelle für Gemüse.
audiovisuel- lage-Neuf aufzuzeichnen. Entstan-
Die Bauern richteten sich nach den
Während des Ersten Weltkrieges len und historischen Ausstellungsstü- den ist eine interessante und lesens-
Wünschen der Garnisonskantine, die
verlief die Front ganz in der Nähe cke auf eigene Faust studieren zu werte Dokumentation über das uns
eine abwechslungsreichere Nahrung
von Thierenbach, und die deutsche können. Auch wenn wir in den letz- allen bekannte Neudorf, das 1684
wünschte, und begannen neben tra-
Armee hatte dort eine Batterie in ten Jahren zwischen 2014 und 2018 nach dem Bau der Festung Hüningen
ditionellen auch delikatere Gemüse-
Stellung gebracht, die von der fran- aus Anlass von 100-Jahre-Feiern zur gegründet wurde, um die Menschen
sorten anzupflanzen, so auch Spar-
zösischen Artillerie zwischen 1915 Genüge über die Geschehnisse im anzusiedeln, die darin keinen Platz
geln.
und 1918 mehrmals unter Beschuss Ersten Weltkrieg gelesen, gehört mehr hatten.
genommen wurde. und gesehen haben, lohnt sich ein Die Freilandproduktion auf kleinen
Die Umsiedler wurden für drei Jahre
Besuch dieser eindrücklichen Stätte Flächen musste durch Bewässerung
Wie stark die ganze Gegend vor über von allen Gebühren und Abgaben
allemal. und Dünger intensiviert werden. Um
hundert Jahren unter dem sinnlosen befreit. Ihre Familiennamen – u.a.
die Felder düngen zu können, wur-
Krieg gelitten hat, werden wir am Ich hoffe und bin guter Dinge, dass Spindler, Boulay, Mutz, Schmitter,
den die Kasernen von Mulhouse und
Nachmittag eindrücklich erleben kön- wir mit diesem abwechslungsreichen Striby oder Meisburger – sind zum
die Fuhrunternehmen in Basel um
nen. Wir besuchen Programm dieses Teil heute noch in Neudorf anzu-
ihre Unterstützung gebeten. Vor 1914
das 2017 eröffnete Jahr die Zahl der treffen. Sie wussten um die Frucht-
führten Schiffer mit Lastkähnen, die
Historial franco-alle- Wander freudigen barkeit des Schwemmlandes, und
von zwei Pferden gezogen wurden,
mand direkt bei der weiter steigern wer- in einem ständigen Kampf gegen
35 bis 46 Ladungen aus den Senkgru-
Nécropole nationale den. Von neun 2018 Überschwemmungen und Trocken-
ben (gemauerte Gruben zur Aufnah-
du Silberloch-Hart- über zwölf 2019 zu heit begannen sie das Land zu kul-
me von Fäkalien) auf dem Treidelpfad
mannswillerkopf aus fünfzehn oder gar tivieren, aus den Fischern wurden
entlang des Kanals nach Neudorf. Für
dem Jahre 1932. achtzehn Wande- Gemüsebauern.
die Einwohner Basels und Saint-Louis’
rern 2020?! In die-
Der Unterschied zwi Die Grenzlage und die Nähe zur Fes- wurden die Latrinen von Neudörf-
sem Sinne freue ich
schen den beiden tung waren verheerend. Das Dorf litt ler Bauern mit dem „Gellaschäpfer“
mich auf zahlreiche
Gedenkstätten ist unter den vielen deutsch-französi- leergeschöpft und mit einem von
Anmeldungen.
verblüffend. Hier die schen Kriegen, vor allem während der Pferd gezogenen „Gellefass“, einem
18 19hölzernen Tonnenfass, nach Neudorf dem Krieg wurde er in den Vorstand Der Winter brachte eine wohlver-
gebracht. des Landwirtschaftsvereins aufge- diente Ruhepause. Sie wurde ge-
Bedingt durch fortschrittlichere Hy- nommen und später, bis zur Auflö- nutzt, um Arbeitsgeräte in Ord-
giene und Anschluss an die Kanali- sung des Vereins 2006, deren Präsi- nung zu bringen oder Leiterwagen
sation versiegte die „Güllenquelle“ dent. zu flicken. War es jedoch sehr kalt
und später übernahmen chemische Der bald 93-jährige Camille Spindler und der „Quackery“ (bei der DSM-
Dünger ihre Aufgabe. ist in Neudorf Legende, eine sympa- Fabrik) zugefroren, begann die har-
thische und im Dorf geschätzte Per- te und gefährliche Arbeit mit dem
Die Jahre zwischen 1919 und 1939
sönlichkeit. Er ist hier aufgewachsen “Eisgeschäft“. Dicke Eisblöcke wur-
waren für die Maraîchers aus Neu-
und kennt „sein“ Dorf. Wenn er über den mit Axt und Schaufel aus der
dorf „das goldene Zeitalter“,
frühere Zeiten erzählt, wird aus bisher Eisfläche herausgebrochen und auf
denn die Nachfrage nach Gemü-
Gelesenem farbige Geschichte: Pferdewagen geladen. Die Eisblö-
se war sehr gross. Neben Basel war
cke wurden in die Brauereien von
auch Deutschland ein Abnehmer von „Die ersten Neudörflerinnen trugen
Basel und Saint-Louis transportiert
frischem Gemüse. Dazu stellten die ihre Körbe noch auf dem Kopf und
und verkauft. Daran kann ich mich
Bauern ihre Körbe an einem Sammel- boten ihre Ware an, indem sie ausru-
gut erinnern und ebenso an den tra-
platz im Dorfe bereit, wo diese dann fend von Tür zu Tür zogen. Das habe
gischen Tod eines Neudörflers, der
eingesammelt und nach Deutschland ich zwar selbst nicht erlebt, aber man
dabei ins Wasser fiel und unter die
transportiert wurden. hat mir oft davon erzählt. 1927 ver-
Eisdecke geriet. Die Pferde haben
kauften fast alle Neudörfler ihr Ge-
es auch nicht leicht gehabt, wenn
müse in Basel. Bis 1939 wurde es auf
sie die schweren Wagen nicht mehr
einem Pritschenwagen, “Bretschi-
vom Eis wegziehen wollten, hat man
wàga“, in den Quartieren zum Ver-
mit kleinen Messerstichen nachge-
kauf angeboten. Es gab damals noch
So pries die Neudörfler Gmiesere zu holfen.
etwa 170 Pferde im Dorf. Für Bauern,
die ein Pferd besassen, war dies recht Beginn des letzten Jahrhunderts ihr Nach dem Krieg herrschte in Basel
Ware an.
praktisch. Jeder Maraîcher hatte sein die gleiche gute Atmosphäre wie vor-
Übrigens: „Storzenäri“ sind
Quartier, die Neudörfler nannten es Schwarzwurzeln. her, aber die Grenzkontrollen waren
„s Gaii“. strenger. Manchmal musste man den
als Elfjähriger vor dem Krieg ab und halben Camion zur Kontrolle abla-
Abends wurde stundenlang gear- zu auf ihrem Marktgang. Manchmal den.1946 oder 47 inspizierte ein miss-
beitet, denn das nach Basel auf den erhielt ich ein Stück Schokolade oder trauischer Zöllner ein Spargelfeld in
Markt gebrachte Gemüse musste andere Süssigkeiten von freundli- Village-Neuf, um sicher zu sein, dass
gerüstet und gewaschen sein. Die chen Kundinnen. die Spargeln auch wirklich aus dem
ganze Familie, von den Kindern bis Während des Krieges wurde die Fa- Grund und Boden des Gemüsebauern
zu den Grosseltern, war eingespannt milie nach Südfrankreich evakuiert. stammten, der sie in Basel verkaufen
und auch um nachbarliche Hilfe war Es war die schönste Zeit meiner Kind- wollte. Aufgrund des Vertrags von
Camille Spindler (93), Maraîcher aus man froh. Dabei wurde viel über Ver- heit. Ich durfte sogar mit zwei Och- 1938 war die zollfreie Einfuhr nur in
Neudorf gangenes, über aktuelle Probleme sen pflügen. Weniger schön war al- einem Umkreis von 10 km um Basel
und zukünftige Pläne geredet, die lerdings die Rückkehr nach Neudorf,
Herr Spindler war mit Leib und Seele gestattet.
Familie hielt zusammen. das Haus war geplündert und die
Maraîcher, auch gegenüber techni- Ich ging nur als Kind mit den Eltern nach
schen Neuerungen aufgeschlossen Meine Mutter verkaufte ihr Gemüse erste Zeit mussten wir alle auf dem Basel, ab 1952 nur noch auf die Märkte
und ein aktiver Mitdenker. Kurz nach in Binningen, und ich begleitete sie nackten Fussboden schlafen. von Saint-Louis und Mülhausen.“
20 21Um ihre finanziellen Probleme im bensak aus Basel verkauften ihr Die Kultur von Setzzwiebeln begann konnte. Bei heissem Wetter verwen-
Griff zu haben, liehen die Bauern bis Saatgut in Neudorf. L. Clause liefer- vor 1894 und endete etwa um 1960, als dete er die schwarze, bei weniger
1908 ihre Pferde, Ochsen oder Kühe te die Pflanzen zum Spargelanbau. durch neue Saatzwiebeln eine einjähri- Sonne die weisse Seite. Werner Gir-
von Viehhändlern. Vor allem war für die Neudörfler ge Zwiebelkultur möglich wurde. roy schaffte es sogar bis in die „New
der Anbau von Setzzwiebeln und York Times“, die einen Artikel mit
Die 1908 gegründete Caisse Mutuel- „Schpàrsa“: die Neudörfler pflanz-
Spargeln wichtig, sie bedeuteten die dem Titel „ Where the Noble White
le (Versicherungsgesellschaft) verlieh ten Spargel seit die Garnison der
grösste Einnahmequelle. Asparagus is King“ über den Sparge-
ihre ersten Darlehen ausschliesslich Festung von Hüningen „delikateres“
lanbau in Neudorf schrieb, samt Bild
für den Bau von Häusern und den „Setzzebala“: alte Neudörfler Marai- Gemüse gefordert hatte. Jeder Ma-
von Werner Girroy beim Spargelste-
Kauf von Land. Sie lieferte den ersten chers nannten sie „l’or jaune“. Dafür raîcher besass eine Parzelle, auf der
chen.
Mineraldünger an die Landwirte und gab es zwei Gründe: erstens wegen er Spargeln kultivierte. Sie brachten
Hier zeigt sich für mich einmal mehr,
verteilte auch als erste Taschenka- ihrer goldgelben Farbe und zweitens den kleinen und mittleren Familien-
wie innovativ, vielseitig und tüchtig
lender, in denen die Anwendung da- weil sie eine wertvolle Einnahmequel- betrieben ein willkommenes zusätz-
Elsässer sind.
für nachzulesen war. Ihre Nachfolge le, eben l’or, bedeuteten. Zwischen liches Einkommen. Diese Tradition
übernahm nach diversen Zwischen- den beiden Weltkriegen wurden sie blieb bis heute bestehen. 1985 wurde auf Initiative von And-
lösungen die 1948 gegründete Coo- auch nach Deutschland verkauft. Es 1936 nutzten 465 Maraîchers 250 ré-Paul Weber, dem im Juni 2016
pération Agricole de Neudorf, die gab Maraîchers, die während meh- Hektaren zum Anbau von Spargeln. verstorbenen Ehrenmitglied der
1985 234 Mitglieder umfasste, dazu reren Tagen unterwegs waren, um Diese wurden auf den Märkten von Elsass-Freunde, eine „Confrérie de
70 des Syndikats der Maraîchers. Sa- ihre Setzzwiebeln zu verkaufen. Sie Mülhausen, Belfort und vor allem in l’Asperge“ gegründet. Dank seiner
men Mauser aus Zürich und Hau- kamen dabei bis ins Vallée de Thann. Basel verkauft. Weitsicht wurde sie zu einem Instru-
ment, das einerseits dem Bewahren
Durch die grosse Abnahme der Ma-
einer alten Tradition galt, aber zu-
raîchers litt auch der Spargelanbau.
dem auch eine wirkungsvolle Wer-
Trotzdem blieb Neudorf die Hoch-
bung für die Region Trois Frontières
burg für Spargeln im Oberelsass. Im
bedeutete.
Durchschnitt werden pro Jahr 50
Tonnen gestochen. Das ist zwei gros
sen Anbauern zu verdanken: Werner
Girroy und Bernard Poor.
Werner Girroy gilt als Pionier des
Spargelanbaus. Er beschäftige sich
intensiv mit der Materie, und als er
sich genügend fachliches und techni-
sches Wissen angeeignet hatte, ver-
zichtete er 1985 ganz auf den Anbau
von anderem Gemüse und nutzte
seine 4 Hektaren ausschliesslich für
den Spargelanbau. Er war der erste,
der eine zweifarbige Plane einführ-
te, die er je nach Witterung mit einer
am Traktor angebrachten speziellen
Dérouleuse/Enrouleuse über sei- Der zweite Teil unserer „Gmieser-Ge-
auf dem Basler Marktplatz, 1923 ner Spargelkultur ab- und aufrollen schichte“ erscheint in Gazette Nr. 149
22 23Alleluija Die Basler, die in Milhüsa ja nicht von Rohr formulierte es in einem
als Schwizger angesehen werden, Zeitungsartikel in der Baselland-
haben sich nicht lumpen lassen und schaftlichen Zeitung einmal so: „Der
Uff Bsuech am dradizionelle Herre-n-Owe sind grossenteils im dunklen Anzug Herre-n-Owe in Mulhouse ist nicht
erschienen, sogar ein waschechter irgendein Herrenabend. Es ist ein
Von Jürg Burkhardt 40-jähriger Smoking wurde gesich- Freudenfest auf Elsässisch“.
Der Herre-n-Owe z’Milhüsa feiert in tes diesen Abend verbringen muss- tet! Als zusätzli-
diesem Jahr seinen 110. Geburtstag. ten, waren diesmal im Saal selber che Überraschung
Diese im Oberelsass bestens veran- festlich gedeckte Tische vorbereitet. wurden wir alle
kerte Institution als Vorfasnachts- Damit dies möglich wurde, hat man mit einem schwar-
Veranstaltung kann somit auf ein eine Beschränkung auf 140 Plätze zen Schmätzgi be-
erstaunliches Leben zurückblicken eingeführt. Und um diesem speziel- schenkt. Damit
und seine Macher haben den Mumm, len Umstand auch optisch Rechnung waren die Voraus-
noch manch weiteres Jahr damit fort- zu tragen, wurden wir gebeten, doch setzungen für einen
zufahren. für einmal in einer etwas festlicheren gelungenen Abend
Aaleegi zu erscheinen. gegeben.
Am 7. Februar 2020 sind unter der
Leitung von Felix Rudolf von Rohr Den Auftakt mach-
– unserem noch immer sehr regen te ein opulentes Es-
ehemaligen Obmann des Basler Fas- sen aus der elsässi-
nachts-Comités – wie allewyyl 100 schen Küche. Nach
Basler zu diesem Anlass nach Mül- einem Amuse-bou- Wein, „Weib“ und Gesang – die Stimmung könnte
hausen gefahren und sie hatten es che wurde nämlich nicht besser sein!
nicht zu bereuen! ein feiner Baecke-
Da die Basler Frind vom Herre-n- offe serviert, begleitet von ex- Man mag darüber urteilen, wie man
Owe selber heuer zum 25. Mal dort zellenten Elsässer Weinen, einem will: Die einen finden die Sketches
im Saal an der „Sinne“ aufkreuzten, Éclair und Café avec. „unter der Gürtellinie“, andere ha-
lief alles etwas anders ab als normal. ben einfach ihre Freude an den at-
Und dann ging’s los: ……
Statt dass 200 Männer den Abend – traktiven weiblichen Darstellern,
nach einem im externen Restaurant Aber: Den Herre-n-Owe muss man die selbstverständlich ebenfalls von
servierten Abendessen – unter In- selbst erlebt haben, beschreiben Männern gespielt werden. Aber
kaufnahme eines ausserordentlich kann man die satirische Bühnen- über allem stehen die pure Lebens-
beengenden nachbarlichen Kontak- schau eigentlich nicht. Felix Rudolf freude und die Liebe zur Heimat und
Felix Rudolf von Rohr, der Organisator
24 25deren Sprache, die ja vom zentralis-
tischen Frankreich regelmässig und
Elsass du besch dàss scheene Lànd, Gueti alti Zittig
mer gan dech niemols üs der Hànd,
nachhaltig bekämpft wird. Gut, gibt
denn du besch un blisch unser
es das TAM, das Théâtre Alsacien de
Paradis.
Mulhouse, welches die elsässische E Lob un e Corona
Kultur mit viel Herzblut gegen alle Wer dech garn hàt, da esch do
Widerstände aus Paris verteidigt und d’heim.
pflegt. do druff màche mer unser Reim, Von Markus Manfred Jung
Zum Beispiel mit dem folgenden Lied mer vertrauia der – Alleluija
Wie isch mer nit froh in däne Zitte, Zum Glück un Troscht darf mer
aus dem diesjährigen Programm, zur Es wird noch làng so wiedertge, wo mer so ganz ällei däheim hockt, no in d Natur. Dört cha mer tief
Melodie von Leonhard Cohens be- mer warre emmer zu der steh. iikvarantänelet, dass mer scho dureschnuufe, Sunne tanke, sich
rühmtem Song „Halleluja“: Elsàss besch unsre Heimet, unser früeihj am Morge si Zittig kriegt, an de Tirli un Pflanze freue, gue-
Alleluija Schàtz, direkt in s Hus. Mer trinkt si Kaffi, ti Iidrück un Gedanke hamschtere
hockt ämend scho duss im früsche un muess nit go Klopapiir poschte
Das Laendle esch unser Paradis Mer han sa garn dine àlte Fràtz,
Morgewind un list, wie s mit dem us luter Angscht, s chönnti jo… Jo
Rot un Wiss esch unsere Devise. mer sinn so stolz uf dech, Elsàss, Chaibe-Virus wiiter goht, wie s Lebe was eigentli? Hette mer nit lau-
Am Rhi entlàng, met Reewe un Weid. du màchsch uns soviel Spàss – all enger wird um eim umme, sich uf warmis Wasser un die linki Hand
mer liewe dech, màchsch uns viel Alleluija. s Wesentlichi beschränkt. Mer list, un däno Seipfi oder gar Sagro-
Freid. (Text: Christian Ketterlin) was mer tue soll un was mer no tue tan? Un vor allem, hä mer nit zum
darf un haltet sich gern dra, well s Glück no d Zittig, wo mer amig wie
Du treijht fer uns di scheenste Kleid,Dass die Busse mit den wohlgelaun- eim un de andere jo hilft. früehner…?
du legsch uns am Hàrz – Alleluija ten Baslern erst in den frühen Mor-
genstunden wieder Mi bildigsmässigi Kar-
unsere Stadt erreich- riere hät doch agfange
ten, überrascht wohl mit uf e Zimmermanns-
niemanden. Unsere nagel gschpiisste, zue
Damen waren jeden- Achteli verrissene Zit-
falls alle schon im tigsbletter uf em Ab-
Bett. Der Gerechtig- tritt duss bi de Omi z
keit halber sei hier Zell hinte. Gueti alti
aber noch erwähnt, Zit? Gueti alti Zittig uf
dass es seit 2002 jede Fall! Ihre e Lob un
auch einen Dame-n- e Corona!
Owe gibt, wo Män-
ner keinen Zutritt
haben. Und was dort
über das andere
Geschlecht erzählt
wird, wissen wir
nicht, soll aber auch Honoré Daumier:
nicht immer ganz ju- der Zeitungsleser
zwei alte Geniesser: Paul Wyss und Jürg Schärer gendfrei sein!
26 27Jonas Breitenstein und sein Vorbild daraus ausgestrahlt. Und die habe
ich mir besorgt. Was für eine Freude
Der grösste Teil der Ausstellung sind
Banner, die das Dreiländermuseum
Johann Peter Hebel es doch ist, den Stimmen von Remi- in Lörrach für eine Ausstellung im
gius Suter und Sebastian Mattmüller Hebelsaal 2018 angefertigt und dazu
zuzuhören, wenn sie, einerseits in ein Lörracher Heft herausgeben hat.
Zeitzeugen und Pioniere der Mundartdichtung breitem Oberbaselbieterisch, ande- Diese Banner sind wie immer sehr
rerseits in spitzem Stadtbasler Dia- schön und informativ gestaltet und
Von Serge Iseli lekt „Das Idyll aus Basel und dem Ba- berichten ausführlich über Hebels
Vor ein paar Wochen stolperte ich eine Gedenktafel, aber sonst? Also selbiet in alemannischer Mundart“ Schweizerreise, die ihn 1805 mit den
über eine kurze Notiz in der BZ, in der nehme ich mir vor, mehr über diesen vorlesen. Das ist der Untertitel von Sprösslingen des Freiherrn von Men-
diese Sonderausstellung im Dichter- „ersten Dialektdichter im Baselbiet“ „Der Her Ehrli“, den Breitenstein zingen von Karlsruhe nach Schaff-
und Stadtmuseum Liestal erwähnt zu erfahren und trage den Sonntag, wohl als Reverenz an den alemanni- hausen, Luzern, ins Berner Oberland,
wurde. Mein Vorschlag, darüber ei- 15. März rot in meine Agenda ein. schen Dichterübervater so gewählt über den Jura und Basel nach Röt-
nen Artikel zu schreiben, gefiel der Dann gibt es eine Führung mit dem hat. Wahrscheinlich lernte der jun- teln und wieder zurück nach Karlsru-
Redaktion, aber mit dem Hinweis des Historiker und Leiter des Museums, ge Breitenstein die Werke von He- he geführt hat. Sein Reisetagebuch
Chefredaktors, ich solle mehr über Stefan Hess, mit dem ich vor über bel bereits in früher Kindheit durch gibt für uns zwar bemerkenswerte
Breitenstein schreiben, Hebel wäre dreissig Jahren an der Universität Ba- seinen Vater kennen. Dieser zitiert Einblicke in die Zeit Napoleons, ent-
in der Gazette immer wieder präsent. sel studiert habe. nämlich in Briefen an seinen Sohn hält aber vorwiegend trockene Auf-
Da konnte ich nur zustimmen. Wer aus Hebels „Alemannischen Gedich- zählungen und ist als Rapport an die
Zwischenzeitlich stellte ich fest, dass ten“. Und die erste Gedichtsamm- daheimgebliebenen Eltern seiner
kennt schon den Namen Jonas Brei-
das Ortsmuseum Binningen eben- lung trägt den Titel „Jurablüthen. Schützlinge gedacht.
tenstein? Gut, in Binningen gibt es
falls eine Breitenstein-Sammlung Oder Versuch neuer alemannischer
eine Strasse, die seinen Namen trägt, Nicht so die Briefe, die im zweiten
hat und in den letzten Jahren sehr Gedichte“.
und in Ziefen hängt an einem behä- Teil der Ausstellung im Original prä-
viel unternahm, diesen in Verges-
bigen Haus mit grossem Scheunentor So freue ich mich also auf diesen sentiert werden und als grosse Zita-
senheit geratenen Dichterpfarrer
wieder ins Gedächtnis zu rufen. Bin- 15. März. Aber oha, da brauen sich te im Treppenhaus des Museums an
ningen deshalb, weil Jonas Breiten- schon schwarze Wolken am Himmel den Wänden prangen. Diese Briefe
stein von 1852 bis 1870 im Margare- zusammen. Der Bundesrat schränkt schrieb Jonas Breitenstein von sei-
thenkirchli Dorfpfarrer war. Eine im Wochentakt unsere Bewegungs- nen Reisen nach Deutschland 50
Gruppe engagierter Binninger hat freiheit ein. Dürfen Museen über- Jahre später. Sie sind sehr lebendig
vor mehreren Jahren die Edition der haupt noch öffnen? Wie gross wird und mit einem ethnografischen Blick
Schriften Breitensteins mit Sorgfalt das Interesse an einer Führung sein? geschrieben. Das Erstaunliche daran
und Beharrlichkeit, immer in Koope- Verunsichert schreibe ich eine E-Mail ist, dass er seine Erlebnisse je nach
ration mit dem Dichter- und Stadt- an das Museum, aber zum Glück fin- Adressat ganz anders darstellt. Das
museum in Liestal, herausgegeben. det die Führung statt. Das Wetter ist Dichter- und Stadtmuseum Liestal ist
So entstanden neben einem 800-sei- herrlich, das Stedtli allerdings völ- in der glücklichen Lage, von Rudolf
tigen Band mit seinen Briefen und lig ausgestorben, und im Foyer des Suter, dem Verfasser des legendären
drei Sammelbänden mit Geschich- Museums kleben über allen Veran- Baseldeutsch-Wörterbuchs, 1991 den
ten und Dichtungen auch zwei Hör- staltungs-Plakaten Kleber mit der gesamten Familiennachlass seines
bücher, allesamt im Eigenverlag des Aufschrift „ABGESAGT“. So sind wir Urgrossvaters geschenkt bekommen
Ortsmuseum Binningen. In der Sen- drei Unverdrossene, die mehr über zu haben. Aus diesem Grund sind in
dereihe „Schnabelweid“ von SRF 1 Dichtkunst in unserer Region erfah- den Vitrinen Zeugnisse, Dokumente,
wurden 2014 und 2015 Ausschnitte ren wollen. Manuskripte und Zeichnungen aus
28 29Universität Göt- rin abgedruckt ist: „Baselfahrt – Eine zerischen Idiotikon“ immer wieder
tingen prangt Erzählung aus dem Baselbiet. Vom als Referenz herangezogen.
eine königliche Verfasser des Liestaler Herbstmäret“.
Auch die letzte Etappe seines Le-
Urkunde mit im-
Breitensteins vielfältige Begabung bens ab 1870, als er erster Sekretär
posantem Stem-
zeigen neben wunderschönen Farb- der Freiwilligen Armenpflege der
pel des König-
stiftzeichnungen auch ein paar Stadt Basel und Religionslehrer am
reichs Hannover
Gymnasium ist, wird
an der Wand.
in der Ausstellung mit
Nach dem theolo- eindrücklichen Doku-
gischen Schluss- menten aufgezeigt.
examen und der Die feine Ausstellung
Heirat 1852 mit in Liestal hat meine
allen Lebensstationen Breitensteins einer Wirtstochter aus Ziefen bewirbt Begeisterung für das
ausgestellt. sich Jonas Breitenstein in zwei Basel- Leben und Werk des
So etwa ein Taufzettel, den seine bieter Gemeinden für die Pfarrerstelle. „Baselbieter Hebels“
Gotte ihm zur Geburt gewidmet In Buus und in Binningen-Bottmingen. neu entfacht. Wenn
hat. Er wurde am 22. August 1822 in Bekommen hätte er beide, aber wie auch sie Jonas Breiten-
Ziefen geboren. Sein Vater war hier Stefan Hess verrät, kam die Zusage aus stein entdecken wol-
Primarschullehrer und seine Mutter dem Birsigtal etwas früher als die aus len, können Sie das auf
die Tochter des Dorfarztes. Oder das dem Oberbaselbieter Winzerdorf. Die verschiedenste Weise
Zeugnis vom Herbst 1846, als Breiten- Stelle vor den Toren Basels hatte er 18 Notizblätter mit Dialektwort- und tun. Sei es zu Hause mit einem Buch
stein als einer der ersten Baselbieter Jahre inne. Seine Frau gebar acht Kin- Sprichwörterlisten. Diese hatte er oder als Hörbuch, aber hoffentlich
nach der Kantonstrennung ans Päd- der. Wenn sie im Wochenbett oder zur mit sprachpflegerischen Absichten auch bald wieder „vor Ort“ in Liestal
agogium in Basel geschickt wurde. Kur war, kümmerte sich Jonas Breiten- für seine literarische Tätigkeit ange- und in Binningen. Die Liestaler Son-
Dass er nach dem ersten Semester an stein um die Kinder. Das war für ihn so legt, und nicht wie der zweite grosse derausstellung „Zeitzeugen und Pi-
der Oberstufe des Gymnasiums nur selbstverständlich wie die Errichtung Baselbieter Mundartdichter Trau- oniere der Mundartdichtung. Jonas
ein mittelmässiger Schüler war, lag von wohltätigen Institutionen in sei- gott Meyer mit wissenschaftlichen Breitenstein und sein Vorbild Johann
an seiner lückenhaften Vorbildung ner Gemeinde. So gründete er eine Absichten. Beide werden im ersten Peter Hebel“ läuft bis zum 14. Juni
von der Bezirksschule in Liestal, wo Suppenküche sowie eine Kleinkinder- Basler Wörterbuch und im „Schwei- 2020 (ohne Gewähr).
geeignetes Lehrpersonal fehlte. So schule und wurde Schulinspektor für Hörbücher:
musste er Latein und Griechisch von die Bezirksschulen im Kanton. Auch
Jonas Breitenstein. „S’Vreneli us der Bluemmatt“, gelesen von Remigius Suter
Grund auf lernen. Bis zur Matura ar- der Frauenverein wurde von ihm ins
und Sebastian Mattmüller. ISBN 978-3-033-06985-5
beitete er sich aber bis zum „Premium Leben gerufen, und er verfasste die
populärwissenschaftlichen „Monats- Jonas Breitenstein. „Der Her Ehrli“, gelesen von Remigius Suter und Sebastian
omnium“ empor. Auch von seinem
blätter für Frauenvereine“. Geschrie- Mattmüller. ISBN 978-3-033-06986-2
Theologiestudium 1849–1851 an der
Universität Basel gibt es ein Doku- ben hatte er nachts, weil er schlecht Werkausgabe:
ment zu sehen: die Vorlesungsbestä- schlafen konnte. Seine Erzählungen, Jonas Breitenstein. Geschichten und Dichtungen, Band 1–3. ISBN 978-3-033-
tigung mit der Unterschrift des spä- die er alle zwischen 1860 und 1868 04272-8, ISBN 978-3-033-04647-4, ISBN 978-3-033-05238-3
ter berühmten Jacob Burckhardt, bei verfasste, wurden in Zeitungen abge- Jonas Breitenstein. Ein Leben in Briefen und Dokumenten. Briefe 1846–1885.
dem er Vorlesungen über christliche druckt, wie ein Originalblatt der „Wö- Literarisches aus dem Nachlass. ISBN 978-3-033-06820-9
Kirchenarchäologie besuchte. Und chentlichen Blätter zur Unterhaltung
Über Hebels Schweizerreise gibt es in der Elsasss-Gazette Nr. 141 einen aus-
von seinem Auslandsemester an der und Belehrung“ von 1859 beweist. Da-
führlichen Bericht von Hans-Jörg Renk.
30 31„Ankommen in Laufenburg“ die sich mit seinen Mundarttexten
beschäftigen, gut vorbereitet durch
te „Wehmut“ aus dem Leben des
Burgschreibers zeigt das, die von
ihre anregenden Lehrer. Er schreibt der Mutter verlassene Tochter wird
Der Buchschreiber Markus Manfred Jung als Burgschreiber meistens hochdeutsch, dann und vom Vater getröstet: „Etwas steigt
Von Walter Dellers
Der bekannte Mundartdicher aus Mundart war dieselbe: Alemannisch.
dem Kleinen Wiesental war 2019 Nach zweihundert Jahren Trennung
drei Monate als Burgschreiber in der finden die beiden Städte wieder zu-
„Doppelstadt Laufenburg“ – wie er einander, was der Burgschreiber er-
sie nennt – beamtet. Beide Laufen- freut feststellt. Die Sprache im Norden
burg waren einmal eine einzige Stadt ist Niederalemannisch, angereichert
auf beiden Seiten des Rheins. Napo- durch einiges Hotzenwälderische, im
leon zog einen Strich durch Vorder Süden ebenfalls Niederalemannisch,
österreich – den Rhein –, und so kam durch Zuzüger aus dem Gau um die
der nördliche Teil der Stadt zum neu Aare südlich der Jurakette mit rauen
gegründeten Grossherzogtum Ba- Kehllauten aus dem Hochalemanni-
den, der südliche zum neu gegründe- schen durchsetzt. In Deutschland ist
ten Kanton Aargau, bestätigt durch auch ein alemannisch angehauchtes
den Wiener Kongress 1815. Auch die Hochdeutsch zu hören.
Der Burgschreiber
kommt von allen
Richtungen her in wann auch in seiner alemannischen von tief innen in die Augen und
Laufenburg an, zu Muttersprache. Zuweilen erscheint macht mich glücklich, traurig glück-
Wasser, zu Fuss, zu auch ein Gedicht in Mundart, was lich. Wehmut, der ich viel Lebensmut
Rad, im Auto, mit ja seine Stärke ausmacht: mit wenig verdanke.“
der Bahn, sogar mit Worten viel sagen.
Viele Menschen lernt er kennen, mit
dem Flieger, der tief
Sogar der spätmittelalterliche Dich- vielen kommt er ins Gespräch, die
über den Dächern
ter Heinrich Louffenberg kommt zu Doppelstadt belebt sich, wird be-
zur Landung auf dem
Wort: „Alde welt! Got gsegn dich, ich wohnt, durchlebt, durchlitten, Gene-
Zürcher Flughafen
var do hin gen himelrich.“ Aber der rationen kommen und gehen. So viel
ansetzt.
heutige Dichter findet einen Anflug Geschichte, so viel Gegenwart, so viel
Er schildert Atmo- von Himmelreich unter den Men- Zukunft.
sphäre, bringt ge- schen: „im stedtli unterwegs / mer
Am Turm der Burgruine stösst der
schichtliche Anekdo- grüesst / mer wird grüesst / uf beed-
Burgschreiber auf Inschriften, die ihn
ten, unterhält sich ne site / vom Rhii ...mer luegt eim / in
anregen. Von David Hume übernimmt
mit allerlei Men- d`auge / aachoo.“
er das Motto: „No one can teach you
schen, wird auch in
Das irdische Leben ist gemischt, how to love yourself. There`s not just
beiden Städten zu
nicht vollkommen, dennoch span- one single way. You have to make
Schülern eingeladen,
nend und schön. Die Geschich- your own.“ „How? With experiences.
32 33Sie können auch lesen
