Elsass-Gazette Nr. 144 April 2019 - Mitteilungsblatt Kulturverein Elsass-Freunde Basel - Kulturverein Elsass-Freunde-Basel
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Elsass-Gazette Nr. 144 April 2019 Mitteilungsblatt Kulturverein Elsass-Freunde Basel Association culturelle les amis de l’Alsace Bâle
Impressum Inhaltsverzeichnis Mitteilungsblatt Elsass-Gazette 2 Impressum Postadresse: Kulturverein Elsass-Freunde Basel, 3 Inhaltsverzeichnis Postfach 3405, CH 4002 Basel 4–5 Leitartikel Ursula Schmitt Internet: www.elsass-freunde-basel.ch Sekretariat: Sibyll Holinger 6 Friehlig Markus M. Jung Aeschenvorstadt 48, CH-4051 Basel Mobile: +41 (0)79 610 69 16 7 Joyeuses Pâques! Irma Brantschen E-Mail: sekretariat@elsass-freunde-basel.ch 8–11 Bericht „Zeitenwende“: Die schwierige Redaktion: redaktion@elsass-freunde-basel.ch Identität der Elsässer Ruedi Schenker Irma Brantschen (Leitung) 12–15 Die Spanische Grippe Peter Obrist Rudolfstrasse 22, CH-4054 Basel Tel: +41 (0) 61 273 64 21 16–18 Bericht Déjeuner Culinaire Felix Drechsler E-Mail: ibrantschen@bluewin.ch „Kultur und Essen“ Ruedi Schenker Peter Obrist (Leitung) Aeschenvorstadt 48. CH-4051 Basel 19–20 Bericht Konzert „Les Elles Symphoniques“ Tel: +41 (0) 61 261 54 31 in Guebwiller Irma Brantschen E-Mail: tsirbo@bluewin.ch 21–22 Glosse: Frauen haben ihre Tage Hans-Jörg Renk … und wir Männer? Peter Obrist Niederholzstrasse 45, CH-4125 Riehen Tel: +41 (0) 76 459 94 40 23–26 Ausschreibung Arbeit – Menschenwürde – E-Mail: hj.renk@sunrise.ch Kraftort 24. Mai 2019 Ursula Schmitt 27–29 Ausschreibung „FremdGEHEN“ Schützenmattstrassse 35, CH-4051 Basel im Pays Welche 22. Juni 2019 Tel. +41 (0) 61 274 02 47 E-Mail: uschmitt@bluewin.ch 30–31 Zum Rücktritt von Marianne Gloor Robert Heuss Gestaltung: Peter Birbaumer Fuchshagweg 22, CH-4103 Bottmingen 32–35 „Hösch, Saaltöff, bring mer non e Pfütze!“ Armin Faes Tel: +41 (0) 61 422 06 30 36–37 Das lebende Gedächtnis von Saint-Louis Hans-Jörg Renk E-Mail: peter@birbaumer.ch Druck: Dietrich AG 38–39 375 Kilometer rennen für die Elsässer Dialekte Hans-Jörg Renk Pfarrgasse 11, CH-4019 Basel 40 Buchbesprechung: Meine ersten tausend Auflage: 500 Exemplare Wörter auf Alemannisch Hans-Jörg Renk 41 Veranstaltungen Die nächste Ausgabe erscheint 42 Bildernachweis am 16. Juli 2019 Redaktionsschluss: 26. Juni 2019 43 Adressliste 2 3
Leitartikel „Essen ist ein Bedürfnis, geniessen ist eine Kunst“ François de la Rochefoucauld Dass die Elsass-Freunde einem ge- grosse Ehre. Gourmets kennen sicher fung erfolgte. Ist die klassische Kü- Weise glücklich werden und essen, nussvollen Essen nicht abgeneigt sein auch heute noch bekanntes Re- che, wie sie in Illhaeusern gepflegt was er will. Es ist gut, dass Vegetarier sind, zeigte sich erneut bei unserem zept für „Tournedos Rossini“. wird, nicht im Trend neben Chichi- und Veganer in der Mitte der Gesell- jährlichen Déjeuner culinaire. Köchen und hochgejubelten Pinzet- schaft angekommen sind. Doch es Auch in der Literatur spielen Essen ten – Künstlern? Wie setzt der neue darf nicht sein, dass sich Vegetaris- Essen ist nicht nur eine leibliche und damit verbundene Geselligkeit internationale Direktor des Michelin mus und Veganismus zu einer Welt- Notwendigkeit, sondern bedeutet eine Rolle. seine Prioritäten? errettungslehre überhöhen. Sie sind auch Lebensfreude und Geselligkeit, Bei Fontane – einem meiner Lieb- in erster Linie Ernährungsstile. das lässt sich an vielen Beispielen Es gibt neben genussvollem Kochen lingsschriftsteller – wird immer wie- zeigen: und Essen auch eine bedenkliche Ent- Neben der grassierenden Dogmati- der getafelt, Tischgespräche werden So war Henri de Toulouse-Lautrec wicklung, nämlich die Vertreibung sierung bedeutet auch die Zunahme geführt, Essen und Gespräch ergän- nicht nur ein grosser Maler, son- des gesunden Menschenverstandes eines kulinarischen Analphabetismus zen sich. dern auch ein ebenso passionierter aus Küche und Tisch. Zunehmend einen Angriff auf die Basis vernünf- Gourmet und Koch, der unter sei- Essen macht Freude und gutes Essen wird das Essen als Wurzel allen Übels tiger Ernährung. Nur ein Teil der Be- nen Freunden berühmt war für seine macht sehr viel Freude. Blickt man wahrgenommen, als Bedrohung für völkerung hält es für wichtig, Zeit spontanen Picknicks und exzellenten sich im kulinarischen Garten um, ent- unsere Gesundheit und Angriff auf und Geld in eine gute Ernährung zu Kochkünste. deckt man neben Sterne- und Hob- unser Wohlbefinden. Wir leben in ei- investieren. Fertignahrung und min- byköchen auch eine „kulinarische ner Welt kulinarischer Obsessionen, derwertiges Industriefutter sind im Dass Essen auch ein gesellschaftliches Bohème“, Quereinsteiger, geniale in der sich der klassische Geniesser Vormarsch. Ereignis ist, bezeugen zahlreiche Bil- Dilettanten, die das Kochen erst spät immer fremder fühlt. Das A und O des der von Malern wie Manet oder Mo- Deshalb meine ich: Lasst uns einfach für sich entdeckten und die Kunst des Essens ist nicht mehr der Geschmack, net, wie die Ende des 19. Jahrhun- gut essen, ohne schlechtes Gewissen, Essens zu ihrem Lebensinhalt mach- sondern Gesundheit, Dogma oder derts entstandenen Werke mit dem ohne Vorbehalte, ohne Verbote. Ge- ten. Moral. Freiheit bedeutet nicht mehr Thema „déjeuner sur l’herbe“. Essen, niesserinnen und Geniesser zählen Freiheit des Genusses, sondern die Geselligkeit, joie de vivre stehen da- Sie unterliegen nicht dem Druck stän- auf jeden Fall zu den angenehmsten Befreiung des Essens vom vermeint- bei im Vordergrund. diger Perfektion, dem Sterneköche Zeitgenossen. lich Bösen: von Eiweiss, Fett, Glukose, ausgeliefert sind. Zum Thema Sterne- Lactose, Fructose. Das Suffix „-frei“ Brillat-Savarin, ein Gastrosoph, des- Oder denken Sie an Gioachino Rossi- küche im Elsass gibt es eine traurige ist zum Glaubensbekenntnis einer sen Leidenschaft nicht seinem Beruf ni, den berühmten Opernkomponis- Nachricht: neuen Schicht von Wohlstandsaske- als Richter, sondern der Kochkunst ten, der sich nach einer triumphalen Die Auberge de L’Ill hat in der neus- ten geworden. Ein gutes Geschäft galt, schreibt: Karriere von der „aktiven“ Musik zu- ten Ausgabe des Guide Michelin ih- rückzog, um sich ganz seinem leibli- für die Lebensmittelindustrie, die mit ren dritten Stern verloren. Hinter „Feinschmeckerei ist keine Frage des chen Wohl zu widmen. Eine Einladung solcher Hysterie Geschäfte macht. dieser Auszeichnung liegen fünfzig Geldes, sondern der Kultur“. zu einem seiner vorzüglichen Dîners Jahre harte Arbeit und man hätte Wir sollten wieder zu einer gesunden Ursula Schmitt galt im Paris des Second Empire als gerne erfahren, warum diese Abstu- Mitte finden. Jeder darf auf seine 4 5
Friehlig Joyeuses Pâques! Von Markus Manfred Jung Von Irma Brantschen S isch all Johr doch s Gliich. Grad git s Erdbeeri, Spargle, Chirsi un Säu- Sehnsüchtig wie jedes verstummen die Kir- wenn de meinsch, dä Chaibewinter dätschsalat. I chumm im Träume grad Jahr warten wir auf chenglocken, welche tät gar nümme lucklo, un de bisch langi Zäh über, aber s isch jo lang den Frühling, genies sich der Tradition nach en so leid, lueg, über Nacht isch de no nit so wiit. Wo d Sunne hinter sen das Wiedererwa- auf den Weg nach Friehlig do. E Rege putzt de Schnee, de Dinkelberg schlupft, wird s glii e chen der Natur zu neu- Rom machen, um den e warmis Windli leckt d Matte tro- Tschoobe chelter. I wach uf un s isch, em Leben, die ersten Segen des Papsts zu che, un scho hät s di erschte Paterli wie we mer ein e Speckschwärtli dur s wärmenden Sonnen- holen. Ostern ist vor un Chatzeäugli druf, un Hueflattich Muul zooge hett. De wirsch s verwar- strahlen, die längeren Tage und freu- allem auch ein religiöses Fest mit An- am Bördli noo. Uf de Wöschhängge- te chönne, denk i. De chasch halt in re en uns auf das erste grosse Frühling- dachten und Osterprozessionen. Und ne ringsum flattret d Bettwösch, d Chrott kei Hoor usrupfe. Un die sechs fest, Ostern. am Ostersonntag erklingen auch Fenschter stöhn sperrwaaglewiit uf. Wuche goht s jo numme no usiszue. wieder kraftvoll die Kirchenglocken, Ostern, die christliche Feier der Wie- Des goht gschwinder wie s Chinder- die zurückgekehrt sind, beladen mit Uf de Stroß sihsch nackigi Ärmli un derauferstehung, wird seit fast 2‘000 mache, wirsch seh, un scho isch Mai. Süssigkeiten, welche sie auf dem Bei, un endli chasch wider zueloo- Jahren gefeiert und ist heute das be- Heimflug verlieren und die von den se, wie de Nochber mit siinre Holde Friehlig. S isch all Johr doch s Gliich. deutendste Fest der Christen. Das Da- Kindern gesucht werden. Deshalb se- murren un schnure tuet. tum für den Ostersonntag ist jeweils hen wir in den Geschäften ausser den S Verschteckisschpil isch die erste Vollmondnacht nach dem Osterhasen und Ostereiern oft kunst- umme, jetz chennsch astronomischen Frühlingsanfang, volle Osterglocken aus Schokolade. d Lüt wider wie si sin. frühestens der 22. März, spätestens Rock un Hose verdecke der 25. April. Wer das traditionelle Oster-Lammala halt mängge Mose, wie (Agneau de Pâques) einmal probieren Auch im Elsass widmet man der An- mer im Markgröflerland möchte, hier das Rezept des Ecomu- kunft des Frühlings eine Vielzahl sait. Am Himmel zieht sée, Ungersheim: von Veranstaltungen, die zum ei- de Weih siini Chreis, un nen die Traditionen und Bräuche der 125 gr Zucker, 3 Eigelb, 2 Esslöffel kal- Schare vo Stare schnö- ren im Nussbaum hint- Osterzeit aufnehmen, aber auch das tes Wasser, 100 gr Mehl, Backpulver, 3 Wiedererwachen der Natur feiern. Eiweiss, Aroma: Vanille oder Zitronen- rem Hus. Mit offenem In vielen Städten finden Oster- und schale Verdeck wummere d Frühlingsmärkte statt mit elsässi- Cabrios vorbei, un uf Zucker mit Eigelb schaumig schlagen, schem Kunsthandwerk und kulinari- de Stroß lige di erschte schen Spezialitäten. Die Strassen sind 2 Esslöffel kaltes Wasser, Vanillepulver plattgfahrene Chrotte, oder Zitronenschale und das Mehl mit festlich geschmückt, phantasievolle un d Igel chömmen au ½ Teelöffel Backpulver beifügen, Eiweiss Osterdekorationen zieren die Häuser. bald dra. zu Schnee schlagen und unter die Masse Ostern beginnt mit der vorösterlichen heben. Den Teig in eine gebutterte, mit I lig in de Sunnen uf Karwoche am Palmsonntag. In den Mehl bestäubte Form geben, bei 190° de Dachterrasse duss. S Bäckereien duftet es nach „Lamma- wird mer so lenzemäßig ca. 45 Min. backen, mit Puderzucker la“, dem traditionellen Osterkuchen tubetänzig im Gmiet, bestäuben. in Form eines Osterlamms. Nach dem un i träum mi furt. Bal Glockengeläut am Gründonnerstag Frohe Ostern! 6 7
Die schwierige Identität der Elsässer ge entsteht ab 1904. Dieser enormen und hoffnungsvollen Entwicklung Birsfelden, Muttenz, Kleinhüningen wie auch der Bau des Grand Canal schlägt der Erste Weltkrieg grau- d`Alsace mit der Kembser Schleuse, Ausflug vom 24. Januar 2019: sam entgegen. Ein Nachkriegsplakat die den Zugang zum Basler Rheinha- Zeitenwende 1918/19 im Dreiland macht das deutlich: Vae victis ! Wehe fen erst richtig ermöglicht. den Besiegten, also den Verlierern, Mit dem Bus fahren wir dann nach dem Deutschen Reich. Lörrach zum Mittagessen ins Restau- Von Rudolf Schenker Im Versailler Vertrag wird Deutsch- rant AlHambra, gleich neben dem land zu Reparationszahlungen ver- Dreiländermuseum. Über das Essen Wetter kalt und wie üblich bei den allein bis zu 8000 km. Urs Vogel- urteilt, die das Land kaum oder nie habe ich nur Lobenswertes gehört Elsass-Freunden: Stimmung mit bach, der Spezialist in Sachen Rhein- bezahlen kann. Eine grausame Rache und auch die Bedienung war sehr zu- Schwung! Hugo Neuhaus und Hans- schifffahrt, schlägt zu Beginn seiner der Sieger. Deutschland muss Gebie- vorkommend. Jörg Renk haben ein Programm zu- Führung die Schiffsglocke, deren te im Osten und Westen abtreten, sammengestellt, das grosse Erwar- Klang die Bedeutung eines Gebets Das Nachmittagsprogramm führt uns u.a. Elsass-Lothringen. Urs Vogelbach tungen weckt. Die beiden Autoren habe: „Gute Fahrt im Namen Gottes. durch die Ausstellung „Zeitenwen- hat uns in seinem Vortrag lebendig der Ausschreibung haben ja bereits Amen“. de“. Markus Moehring, der Muse- und konkret viele Beispiele und Dé- Informationen und Gesichtspunkte umsleiter, kommentiert kompetent Unsere Fahrt – im Geiste der Ge- tails dargeboten: Schifffahrtstypen, zum Thema im Heft 142 dargelegt. die Bilder, Texte und Objekte in den schichte – ist der historische Blick: zu- Flaggenstreit, Flussbettverschiebun- Zeitenwende – also die Zeit im Plural. verschiedenen Räumen und stellt sie rück nach vorn. gen und Folgen, Umnationalisierun- Was wendet sich da nach dem Ersten in den entsprechenden historischen gen von Gebieten und daraus sich Weltkrieg ökonomisch, ideologisch, 1832 fährt das erste Dampfschiff Zusammenhang. Hauptgesichtspunkt ergebende komplizierte Familienge- gesellschaftlich, politisch, national, auf dem Rhein nach Basel, aber die ist die Wende der Zeiten oder man schichten. Anschliessend bestaunten sprachlich usw.? Schifffahrt erhält schon ein Jahrzehnt könnte auch von einer „Sattelzeit“ wir die Modelle der verschiedenen später eine scharfe Konkurrenz durch reden. Damit ist gemeint, dass die Wir treffen uns gegen zehn Uhr im Rheinhäfen, die z.T. in mehreren Qua- das entstehende Eisenbahnnetz. Und Situation nach dem Ersten Weltkrieg Schifffahrtsmuseum in Kleinhünin- dratmetern Fläche dargestellt sind: das Problem der Schifffahrt ist der nicht mehr die ist, wie sie vor dem gen. Im Empfangssaal schauen wir schwankende Wasserstand. Dieses Krieg war: die Macht des Adels zer- uns wartend die zum Teil recht gros Problem besteht bis heute (vgl. heute fällt, das Frauenwahlrecht in Deutsch- sen und realistischen Reproduktio- die Ausbaggerung des Rheins in Ba- land wird eingeführt, Republiken nen aus Holz von Schiffen aus dem sel um 30 cm). Die Basler Hafenanla- und Demokratien entstehen, neue 17. und folgenden Kunstformen wie Jazz und Dadais- Jahrhunderten an. mus feiern sich. Die Wandschrift „Das Meer wächst Aber wie soll aus dem Chaos der Nach- ins Land“ verweist kriegszeit von 1918, das von Hunger, auf unser Thema. Grippewellen, Streiks, revolutionären Die Wasserstras Erhebungen, heimatlosen Soldaten, sen-Netze werden verarmten Bauern- und Arbeiterfa- infolge der Indust- milien geprägt wird, ein geordnetes rialisierung ausge- Staatswesen entstehen? Ist Lenin mit baut, in Frankreich seinem kommunistisch religiösen Ruf nach einem Menschen „neuen Typs“ Herr Vogelbach ist eine Hoffnung (vgl. Paulus` Idee vom in seinem Element 8 9
wollten weder Sündenfall noch Erlö- sungsbedürfnis, weder Ehe noch Eid anerkennen, sagten, die Menschen sollten sich ihres Wissens bewusst werden und entsprechend handeln. Warum sind diese Katharer ins Elsass eingewandert? Weil dort die Erde wasserreich und fruchtbar ist und weil, wer arbeitswillig und unabhän- gig (von Klerus und Adel) ist, es dort zu Wohlstand und Glück bringen kann. Solch freie Geister sind für hef- tige Ideologien nicht zu gebrauchen. Ist das ein möglicher Aspekt, um die sogenannte Identität des Elsass und der Elsässer zu charakterisieren? Aber beschwört denn der Begriff Wie aufheben oder neu gestalten, „Identität“ in der Politik nicht eher was Handwerk, Ausbildung, La- die Vergangenheit, weil die Zukunft denöffnung, Wasserverordnungen, Angst macht oder nicht gewusst Jagdrecht, Fischereirecht, Feiertage, wird, welche Zukunft wem wie zuge- Krankenkasse, Erbrecht, Gemeinde- mutet werden kann? neuen Adam)? In welcher Sprache beschreiben an sich ein schwieriges recht usw. betrifft? Steht da Lokal- sollen Ortsnamen gefasst werden, Unterfangen? Wie lassen sich kol- recht gegen nationales Recht? Lässt Zum Schluss möchte ich einige Fra- wenn die Orte in einen neuen an- lektive Vorstellungen oder Erwar- die Zentralmacht Lokalrecht gelten? gen stellen, die sich als Folge unse- derssprachigen Staat einverleibt wer- tungen charakterisieren? Die sog. Für Elsass-Lothringen, also seit 2015 res Ausflugs aufdrängen: Was ist Er- den? Sind die toten Soldaten Helden „Identität“ – hier der Elsässer – ist in den „Grand Est“ eingebunden, innerungskultur? Wozu? Wer will sie oder arme Betrogene? Wie soll die ein umstrittener Begriff. Was wenn gelten nach wie vorprovisorische und warum? Was wird ins Schweigen sog. Erinnerungskultur ausschauen? schlagartig, hier zum zweiten Mal, Sonderbestimmungen, die eigent- verbannt, wenn das Siegergedächt- Wie soll die Vertreibung von Volks- eine Gesellschaft in einen andern lich einen Verstoss gegen die Gleich- nis die Niederlagen vergisst? Gibt gruppen dargestellt werden? Was Staat integriert werden soll? Bei- heit oder Einheit des Gesetzes dar- es einen Schlussstrich unter die Ge- sind ethnische und geografische spiel: Der Grossvater Franzose, der stellen. Somit bleibt dieses Gebiet in schichte? Braucht Zukunft Herkunft? Grenzen? Inwiefern kann die Schweiz Sohn Deutscher, der Enkel wieder ständiger Defensivsituation. 80 bis Können wir uns einen Dialog unter ein Vorbild als „Willensnation“ sein, Franzose – und das als Soldat in je 90% der Bevölkerung seien für die Schwerhörigen leisten? Aus der Ge- da sie als Nation sich nicht durch eine verfeindeten Staaten! Was wenn provisorische Situation des Lokal- schichte lernen, muss gewollt wer- Sprache begründet? Strafrecht, Arbeitsrecht, allgemei- rechts, sagt unser Referent. den. ne Gesetze, Sozialversicherungen, Während des höchst interessanten Den verantwortlichen Planern, Hugo Der Vortrag von Jean-Marie Woehr- Wirtschaftsgesetze, Kirchenrecht, Vortrags von Herrn Woehrling kam Neuhaus und Hans-Jörg Renk, ge- ling auf Elsässisch zum Thema Lo- Grundbuch, Kataster, Berufstitel mir ständig jene Fraktion der Katha- bührt grosses Lob und Dank. Wir ha- kalrecht war anspruchsvoll und sehr usw. von einer anderen , nämlich rer in den Sinn, die im Elsass so um ben einen guten Tag erlebt und viel anregend – obwohl manchmal in einer neuen Macht diktiert werden? 1300 lebten – und dann ausgerottet erfahren und gelernt. Wie gesagt: Es der Diktion etwas kompliziert. Aber Einheimische oder „fremde Richter“ wurden. Sie nannten sich „ Brüder herrschte Stimmung mit Schwung! ist nicht die Eigenart des Elsass` zu (ein aktueller Begriff in der Schweiz)? und Schwestern vom freien Geist“, Gut so. 10 11
fast 25‘000 Menschen ihr Leben, die Herbst glaubte man das Schlimmste Mehrzahl der Opfer waren junge Leute überstanden zu haben. Die zweite zwischen 20 und 40 Jahren.“ 1 Welle im Herbst 1918 verlief aber für die meisten Angesteckten tödlich. Pandemien – weltweit verbreitete Wenn die Haut der Erkrankten von (Grippe-) Epidemien – waren keine einer rötlichen Färbung ins Bläuliche unbekannten Krankheiten; die letzte kippte, bedeutete das nichts Gutes. datierte aus dem Jahr 1889/90. Was Die meisten Patienten starben da- aber im Frühjahr 1918 auf die Men- nach innert weniger Tage oder sogar schen zukam, überstieg alle bisheri- Stunden an einem akuten Lungen- gen Vorstellungen. versagen. Woher die Grippe kam, ist nicht Die Grippe wütete vor allem dort, wo endgültig geklärt – aber bestimmt viele Menschen zusammenkamen. In nicht aus Spanien, das sich im Ers- Truppenunterkünften und Kriegsge- ten Weltkrieg neutral verhielt, keine fangenenlagern steckten sich auf ei- Pressezensur kannte und als erstes nen Schlag viele Menschen an. Wirk- Land von der neuen Seuche berich- Grippepatienten in Fort Riley, Kansas (1918) – wo vermutlich alles angefangen hat same Medikamente gab es keine, das tete. Als Ende Mai 1918 in Madrider Penicillin war noch nicht erfunden Zeitungen von massenhaften Er- und auch Antibiotika kannte man vor krankungen mit rätselhaften Symp- Die Spanische Grippe tomen zu lesen war, hatte sich aber hundert Jahren nicht. Scharlatane versuchten mit allerlei Wundermit- der Erreger „H1N1“ in den Schützen- teln Geschäfte zu machen, besonders Aufzeichnungen zum Referat von Andreas Tscherrig im gräben der Westfront schon längst gefragt waren Gurgelwasser und die eingenistet. Allerdings zensurierten Dreiländermuseum Lörrach, am 30. 1. 2019 die Kriegsparteien sämtliche Nach- ersten Staubsauger zu sündhaft teu- ren Preisen. Die allgemeine Hilflosig- richten, die der Moral der Truppen keit unterstreicht ein Aufruf in der und der Zivilbevölkerung schaden Von Peter Obrist Schweizer Presse, Lindenblüten zu konnten. Obwohl sie weltweit mindestens 50 im 2009 erschienenen Schweizer Ge- sammeln und diese in die Soldaten- Als „Patient 0“ gilt allgemein der stuben zu bringen. Auch die nachste- Millionen Tote forderte, blieb die schichtsbuch, Band 3 beschäftigt sich Koch Albert Gitchell vom Army- hende Bastelanleitung vom Novem- „Spanische Grippe“ von 1918 und immerhin ein kurzer Abschnitt mit Stützpunkt Fort Riley in Kansas, der ber 1918 half nicht wirklich: 1919 ein Stiefkind der Geschichts- dieser grössten demographischen sich am 4. März 1918 mit Fieber krank schreibung. Seuchengeschichten wa- Katastrophe des 20. Jahrhunderts: „Die so wichtigen Schutzmasken kann meldete. Gegen Mittag gab es schon ren eben nie medienwirksam, daraus man sich selbst kostenlos machen, indem „Die dramatischen Ereignisse im Zusam- über 100 Fälle auf der Station. Fata- lassen sich keine Helden formen. Eine man ein angefeuchtetes Taschentuch zu menhang mit dem Kriegsende und dem lerweise wurden wenige Tage später breitere historische Aufarbeitung ist einem Dreieck doppelt zusammenlegt Landesstreik in der Schweiz hat spätere genau von diesem Stützpunkt ame- erst seit etwa 2000 im Gang, vieles und über den Nasenrücken, mit Knopf Generationen vielfach vergessen lassen, rikanische Truppen nach Europa ver- aber dürfte auch in Zukunft unge- nach hinten im Nacken und den Dreieck- dass für den Alltag und das Leben der legt, und Mitte April verzeichnete klärt bleiben. Menschen damals die Grippepandemie man hier die ersten Erkrankungen. 1 Band 3, Vom Beginn der Mo- Tatsächlich findet sich auch hierzu- der Jahre 1918 und 1919 von viel ein- Die erste Ansteckungswelle am Ende derne bis zum Ende des Zweiten lande in älteren Geschichtsbüchern schneidender Bedeutung gewesen ist. In des Krieges verlief vergleichsweise Weltkriegs, S. 220 (Cornelsen- wenig bis nichts zu diesem Thema; der Schweiz verloren aus diesem Grund harmlos. Nur wenige starben, und im Verlag, Berlin) 12 13
zipfel gegen das Kinn hin gerichtet, zu- Die einzelnen Kantone unternahmen sammenbindet.“ ganz unterschiedliche – und zumeist wirkungslose – Schritte gegen die Die Pandemie ging in drei Wellen um Ausbreitung der Seuche. Während die die Welt. In der Schweiz registrierte Stadt Basel vor allem an die Vernunft man zwei grössere Wellen, Basel- der Bürger appellierte, erliess der Stadt und Baselland verzeichneten Kanton Baselland klare Verordnun- die meisten Ansteckungen im Ok- gen und strenge Verbote. In erster Li- nie versuchte man, grosse Menschen- ansammlungen zu verhindern. Das traf natürlich die Wirte, denen über Monate das Tanzen und Musizieren in ihren Gaststätten untersagt wurde. Aber auch die Pfarrherren hatten die behördlichen Verfügungen zu befol- gen. So stand etwa im Amtsblatt der Gemeinde Sissach: „Der Gottesdienst liche Grippespitäler umfunktioniert, Eine der wenigen Erinnerungen an die ist möglichst zu kürzen, der Gesang und das Rote Kreuz suchte verzwei- Spanische Grippe: Das Soldatendenk- einzustellen, die Kirche ist regelmäs felt freiwilliges Personal. mal in Laufen. Die Inschrift stellt klar, sig gut zu lüften.“ Ein eigentliches dass die während der Aktivdienste Politikum wurde die wochenlange Die rund 11 Millionen Subventionen, 1914–1918 verstorbenen Soldaten Schliessung von Schulen: Gerade aus die der Bund Kantonen und Gemein- nicht gefallen, sondern Opfer der Spa- Basel gibt es schriftliche Zeugnisse den für die Grippebekämpfung aus- nischen Grippe geworden sind. von besorgten Eltern, die nicht nur bezahlte, waren bloss ein Tropfen auf Was die Spanische Grippe für das Zu- fürchteten, dass zu viel Schulstoff den heissen Stein. Auch wenn die Zahl sammenleben in der Familie und die verpasst wird, sondern auch, dass das der Toten mit knapp 0,1 Prozent der Arbeitswelt bedeutete, ist noch weit- „Gassenleben“ den Jungen schaden Bevölkerung vergleichsweise klein gehend unerforscht. Diesen volks- tober/November 1918. Auch hier in- würde. war, lag doch „die halbe Schweiz“ wirtschaftlichen Aspekt trotz spärli- fizierten sich besonders junge Män- wochenlang im Bett. Mancher, der cher Quellenlage zu untersuchen, ist ner und Frauen mit der Krankheit. Sehr passiv verhielt sich der Bun- wieder auf die Beine kam, litt danach das Ziel von Historikern wie Andreas Insgesamt 15‘000 Einwohner waren desrat: Weil die Grippe zuerst als für den Rest seines Lebens an einer Tscherrig. Nach über hundert Jahren betroffen; im Baselbiet zählte man harmlos eingestuft wurde, kam das eingeschränkten Lungenleistung. wird das auch langsam Zeit! rund 470 Grippetote, in der Stadt bestehende Epidemie-Gesetz nicht 760. zur Anwendung. Und auch gesamt- Neben den eigenen Aufzeichnungen waren die nachstehenden Beiträge schweizerische Beschlüsse wie etwa für meinen Artikel sehr hilfreich: Die Unterschiede von Region zu ein Versammlungsverbot oder die Region waren gross, grundsätzlich Anzeigepflicht sucht man in den Jah- Radio SRF 1: Sendung „Doppelpunkt“ vom 22. Mai 2018 erkrankten mehr Menschen in länd- ren 1918/19 vergeblich. Das Gesund- Die Spanische Grippe steckte 1918 die halbe Schweiz ins Bett lichen Gegenden. Die höchsten Opf- heitssystem war hoffnungslos über- https://www.srf.ch/sendungen/doppelpunkt/die-spanische-grippe-steckte- erzahlen kamen aus den Kantonen fordert: es gab zu wenig Ärzte, zu 1918-die-halbe-schweiz-ins-bett Bern und Zürich, im Verhältnis zur wenig Pflegepersonal und zu wenig Birsmagazin 4/2017, Autor: Fredy Heller Einwohnerzahl war der Kanton Ob- Pflegeplätze. Schulhäuser, Vereinslo- http://www.birsmagazin.ch/de/hefte/ausgabe-4-2017/spanische-grippe- walden am schlimmsten betroffen. kale und Kasernen wurden in eigent- die-todbringende-pandemie 14 15
Bericht: Déjeuner Culinaire in Westhalten (21. Februar 2019) Von Felix Drechsler-Stohler Me het mr gsait, y muess nit dichte, Zum Glügg faart dr Chauffeur denn ych könni ganz prosaisch brichte nit eso, vom Déjeuner très Culinaire wien är s könnt us dr Karte vom ohni Guete Bonjour vom Maire. Rudi verstoo. So graad könnt nur e Flugi fliege, Es käm au nit en Adjoint au Maire, als Car muesch dy de Stroosse fiege. wo s gärn wurd gseh me wurd en versteh Ainewäg goot s schampar diffig, und in dr Gazette denn verzelle, bis dr Chauffeur cool und pfiffig was är uns Gscheits het sage welle. duet halte unmittelbar vor dr Beiz; so d Strooss glatt verspeere het franzö- Doch föön mer grad sische Reiz. Zum schottische Lachs git s en Au- neratione mol vorne aa xerrois drzue vo Koehler’s guet gfiert wird, das Wo unseri Marianne verglycht Frau und Dr Car entläärt sich Jetz blötzlig herrscht in däm Saal dät sich au loone; Maa schwupp di wupp inne Rueh. denn mit Liebi do sy und koche nur mit ihrer Lischte mit s stürmt alles an d Die nutzt denn au dr Chef s Bescht den Nääme vo dääne, Tisch und wartet uff zum verzelle läbhaft und bref, schafft treui Kunde und zfriideni d „soupe“. dass das Huus scho sit mängge Ge- Gescht, wo sich aagmäldet hänn und sich jetze numme stoot die gar sääne nit im Menu inne nach feynem Ässe ebesowenig wie-n-e und guetem Wy; feyne Terinne. aber numme nit gschpränggt, zerscht Aber s Amuse Bouche styge mer y. mit Crémant serviert, het Zunge und Gau- Dr Chauffeur schynt e guete z sy. me herrlig verfiert Är fahrt sehr rueig und bringt ys gly und d Luscht uff dr näggscht Gang grad no versterggt, dur d Stadt und über d Landesgränze wie my Nochber am Tisch ganz rich- zum gourmetmässig fülle d Ränze. tig bemerggt. 16 17
wo rundumme mergge, sy sinn ebbe doo „Les Elles Symphoniques“ im vo A – Z ghalte comme il faut. Dominikanerkloster Guebwiller (8. März 2019) Drum isch denn au s Reh us Vogese- wälder Ein Konzert „100% féminin“ am Tag der Frau und d Spätzli us Mähl vo Elsässer Fälder Von Irma Brantschen herrlig rosa, gschmackvoll und zart, Kurz vor 16 Uhr startet der bis auf für Besucher geschlossen ist, wird dr Pinot Noir drzue ganz Elsässer den letzten Platz belegte Bus mit es den Elsass-Freunden ermöglicht, Art. Elsass-Freundinnen und -Freunden einen grossen Teil der Sammlung Au s Dessert het niemerd anderscht Richtung Guebwiller. Die Vorfreude zu besichtigen und zu bestaunen, erwartet, ist gross, erwartet uns doch heute begleitet von interessanten Ausfüh- isch grossartig gsi, so wie s Menu als Höhepunkt ein exklusives Sinfo- rungen und amüsanten Anekdoten het gstartet. nie-Konzert des 1. Frauen-Sinfonie- – in perfektem Elsässisch vorgetra- S blibt no z dangge im Rudi für syni orchesters im Dreiland, „Les Elles gen von Jean-Marie Schelcher, einem Gly druff aabe hämmer miesse go Empfäälig; Symphoniques“. Für viele der Teil- so Déjeuner Culinaire mache my nehmenden nicht das erste Mal, dass Und Koehler’s und Westhalte leider säälig. sie mit den Elsass-Freunden dieses verlo. Orchester live erleben dürfen. Durch den Feierabendverkehr geht’s auf direktem Weg Richtung Gueb- Wo liegt der Ursprung der Kultur? willer, wo wir pünktlich eintreffen und vor dem in einem der Stifts- Von Rudolf Schenker herrenhäuser des 18. Jahrhunderts untergebrachten Musée Théodore Ja, wo liegt er wohl, der Ursprung ger als den Anfang der Kultur und die Deck & Florial schon von Jürg-Peter der Kultur? Natürlich beim Essen! Herausbildung der Zivilisation. Der Lienhard und Jean-Ma- Eine antike Erzählung aus dem Berichterstatter dieses Geschehens ehemaligen „Schuel- rie Schelcher erwartet 4. Jahrhundert v. Chr. und eine of- hat zwei Namen: Einmal Palaiphatos, meischter“ aus Gueb- werden. Hier befindet fenbar nicht erhaltene Komödie aus das heisst „der, der Altes erzählt“ willer. sich die bedeutendste dem 3. oder 2. Jahrhundert berich- (vermutlich das Pseudonym eines Fayence-Sammlung des Zügig geht’s an ten, dass ein namenloser Koch damit griechischen Schriftstellers im späten berühmten Keramikers schliessend zum kuli- begonnen habe, Tierfleisch derart 4. oder frühen 3. Jahrhundert v. Chr.) Théodore Deck, 1823 narischen Höhepunkt zuzubereiten und zu würzen, dass und einmal Theophrastos, das heisst in Guebwiller gebo- des Abends. In der den Menschen der Appetit auf Gat- „der, der Göttliches berichtet“ (grie- ren, berühmt für seine Taverne Vigneron- tungsgenossen vergangen sei. Die chischer Philosoph und Naturforscher Wiederentdeckung des ne, einer klassischen segensreiche Entdeckung des Kochs um 371 bis 287 v.Chr.). Also bei den persischen Blaus, auch Winstub im Herzen habe hinfort die Menschen davor Göttern: Ein Hoch auf den Koch! „Deck-Blau“ genannt. von Guebwiller, be- bewahrt, sich gegenseitig aufzufres- Obwohl das Museum grüsst uns der Bürger- sen…. Und das bedeutet nicht weni- PS: se non è vero, è ben trovato wegen Umbauarbeiten meister Francis Kleitz 18 19
persönlich und stellt uns seine Gemeinde mit Informationen Frauen haben ihre Tage … aus Vergangenheit, Gegen- und wir Männer? wart und Zukunft vor. Nach dem Apéro verwöhnt uns das freundliche Servicepersonal Eine kritische Betrachtung zum Tag der Frau (8. 3. 2019) mit einem ausgezeichneten Fondue Vigneronne, begleitet Von Peter Obrist von zahlreichen Beilagen. Dass ein rein weibliches Sympho- Schweiz. Unsere deutschen Nachbarn Und so gemütlich es wäre, nie-Orchester ein wichtiges Konzert versuchen zwar mit dem Vatertag noch länger die sympathische auf den Tag der Frau ansetzt, ist so- an Auffahrt dem schwach geworde- Ambiance der Taverne Vig- gar für mich als Mann absolut nach- nen starken Geschlecht auf die Beine neronne zu geniessen – der vollziehbar. Und dass ich den sympa- zu helfen, was aber wegen des tradi- Höhepunkt des Abends im thischen Musikerinnen den grossen tionell hohen Alkoholkonsums oft im ehemaligen Kloster des Domi- Erfolg an diesem Abend von Herzen Gegenteil endet. nikanerstifts von Guebwiller gönne, steht ausser Frage. steht bevor. Das Anfang des Trotzdem quält mich die Tatsache, 14. Jahrhunderts erbaute Klos- dass wir Männer gendermässig je ter beherbergt heute ein Kul- länger, je mehr ins Hintertreffen ge- turzentrum, das Kirchenschiff raten. Schuld daran ist nicht zuletzt der gotischen Kirche ist berühmt für aber auch ein Werk der Universalge- das Fehlen eines „eigenen Tages“. In seine Akustik, eine der besten in Eu- lehrten Hildegard von Bingen sowie einer Zeit, wo solche „Tage“ wie Pil- ropa. Beim Dezember-Ausflug haben – im Übergang zur Moderne – Stücke ze aus dem Boden schiessen, ist das die Elsass-Freunde das Kloster be- der Geschwister Lili und Nadia Bou- umso bitterer. sichtigt, und mancher wünschte sich, langer, Germaine Tailleferre sowie einmal diese Akustik geniessen zu der in Paris lebenden tschechischen Im Internet finden sich nämlich die dürfen. Et voilà: Heute Abend kön- Komponistin Hélène Blazy stehen skurrilsten internationalen Gedenk- nen wir in dieser einmaligen Umge- auf dem Programm. Zum besseren und Aktionstage. So gibt es etwa bung dem Sinfoniekonzert der „Elles Verständnis der Werke begleiten den Tag der Blockflöte (12. Janu- Symphoniques“ beiwohnen. Portraitprojektionen und Tondo- ar), den Tag der Jogginghose und kumente die Aufführung. Eine ein- den Weltknuddeltag (beide am Das Symphonieorchester unter der drückliche, mitreissende Darbietung, 21. Januar, wahrscheinlich beson- Leitung der Gründerin Valérie Seiler musikalische Frauenpower pur. Mit ders erotisch in der Jogginghose), würdigt mit seinem Konzert „100 % Der Weltmännertag am 3. Novem- grossem Applaus werden Orchester den Tag des Regenwurms (15. Fe- féminin“ zum Internationalen Tag ber – ein Aktionstag zur Männerge- und Dirigentin für ihre Glanzleistung bruar) oder den Tag des Unkrauts der Frau verschiedene Komponistin- sundheit – hilft auch nicht wirklich belohnt. Magnifique, Bravo!!! (28. März). Da überrascht es denn nen aus mehreren Epochen, darunter weiter: Er schärft bloss unser Be- niemanden mehr, dass neben dem Clara Schumann, die im ehemaligen Kurz vor Mitternacht sind wir wieder wusstsein für die unterschiedliche Regenwurm auch der Eisbär, die Pin- Dominikanerkloster einige Konzerte in Basel, einmal mehr bleiben tolle Lebenserwartung von Mann und guine, die Hasen und die Affen zum gab und deren Klavierkonzert nun Erinnerungen an einen unvergessli- Frau. Dass wir Männer weltweit sie- Zug kommen. zum ersten Mal im Kirchenschiff er- chen Tag (der Frau). Dem Organisati- ben Jahre weniger lang auf diesem klingt. Ebenfalls spielt das Orchester onsteam Robert Heuss und Hermine Weit und breit aber nichts für den Planeten verweilen dürfen, hängt eine Komposition von Emilie Mayer, Hinz ein grosses Dankeschön. Mann – zumindest nicht in der logischerweise mit dem härteren Le- 20 21
ben zusammen, das uns seit Jahrtau- senden aufgebürdet wird. Die Bilanz fällt also niederschmet- ternd aus, und ich war schon bereit, Arbeit – Menschenwürde – Kraftort mich mit dem Tag des Jüngsten Ge- Da ist einem genau so wenig zum richts (undatiert) anzufreunden, als Durch den Sundgau nach Ronchamp Feiern zumute wie am 15. Septem- ich in der Sonntagszeitung vom 10. ber, dem Europäischen Prosta- Februar dieses Jahres auf einen inter- ta-Tag. Bleibt noch der Welt-Orgas- essanten Artikel stiess, der mich neue mus-Tag am 21. Dezember, von dem Ausschreibung von Hugo Neuhaus Hoffnung schöpfen liess. Die gute ich immerhin erwarte, dass er von Nachricht kommt natürlich einmal Datum: Freitag, 24. Mai 2019 beiden Geschlechtern gefeiert wer- mehr aus Amerika: Dort verabschie- Besammlung: 07:45 Uhr, Basel, Bahnhof Süd, Meret Oppenheim-Strasse den darf. dete das Erziehungsdepartement des Abfahrt: 08:00 Uhr, Fahrt nach Champagney mit Zwischenhalt in Ganz anders der Kalender für die US-Bundesstaates Delaware ein neu- Wittersdorf Frau: Sie wird nicht nur am eingangs es Diskriminierungsverbot für Schu- Besuch eins: 10:30 Uhr: Haus der Négritude und Menschenrechte in erwähnten 8. März geehrt und ge- len, worin festgehalten wird, „dass Champagney feiert, sondern seit über hundert jedes Kind sein Geschlecht frei wäh- Mittagessen: 12:00 Uhr: Ronchamp, Le Rhien, Carrer Hôtel-Restaurant Jahren auch am Muttertag (12. Mai len kann.“ Auch bei uns etabliert sich Besuch zwei: 14:00 Uhr: Musée des Mines de Ronchamp 2019). Zugegeben, nicht alle Frauen das dritte Geschlecht zumindest in der Abschluss: 15:30 Uhr: Kapelle Notre-Dame-du-Haut sind Mütter, aber da gibt es ja noch Korrespondenz mit dem neckischen ( von Le Corbusier) den Valentinstag mit den Blumen- Gender-Sternchen (zum Beispiel auf Rückfahrt: 16:45 Uhr geschäften und Confiserien, die uns Rückkehr: 18:30 Uhr, Basel, Meret Oppenheim-Strasse Männern Jahr für Jahr ein schlechtes Verantwortlich: Gérard Kielwasser und Hugo Neuhaus-Gétaz Gewissen einreden. Teilnehmerzahl: max. 58 Eine neuere Erfindung ist der Inter- Kosten: CHF 96.– nationale Mädchentag am 11. Ok- Besonderes: Museumspass mitnehmen tober, und wahrscheinlich ist auch Anmeldeschluss: Freitag, 3. Mai 2019 der Weltbienentag am 20. Mai bloss eine verkappte Bezeichnung für das der Homepage der Basler Basta-Politi- Unsere Fahrt führt uns am Morgen hinaus. 1871 wurde der äusserste vermeintlich schwache Geschlecht. kerin Tonja Zürcher: „Ausserdem liebe durch den Sundgau, von Basel zuerst Teil, das Territoire de Belfort, vom ich gemütliches Kochen und nach Wittersdorf bei Altkirch, wo wir Sundgau getrennt. Essen mit Freund*innen.“). den obligaten Kaffee im Gasthaus Als das Elsass 1871 zum Deutschen Kuenz einnehmen werden. Dann Reich geschlagen wurde, blieb das Das gibt der heranwachsen- geht die Fahrt weiter über Danne den Bubengeneration viel- Territoire de Belfort französisches marie nach Belfort und weiter bis Hoheitsgebiet und wurde nach dem leicht die Chance, über den nach Champagney bei Ronchamp. Transgender-Umweg doch Ersten Weltkrieg zu einem eigen- noch zu einem „Feiertag“ Im Mittelalter wurde das Gebiet des ständigen Département Frankreichs. zu kommen. Vom Datum her damaligen Elsass in zwei Gaue einge- Das ist bis heute so. würden sich der 21. März oder teilt, die „Nordgau“ („Unterelsass“) Im Mittelalter gehörte der Sundgau der 21. September anbieten: und „Südgau“ („Sundgau“, „Oberel- zum wirtschaftlichen Einflussgebiet die Tag- und Nachtgleiche ga- sass“) genannt wurden. Der Sundgau Basels, dessen kirchliche Institutio- rantiert immerhin die paritä- reichte unter habsburgischer Herr- nen dort über zahlreiche Güter und tische Korrektheit … schaft im Westen bis über Belfort Rechte verfügten. Die Region war 22 23
gewissermassen der „Brotkasten Ständen – Adel, Klerus und dritter der Negersklaven auseinanderzu- Kurz vor 12 Uhr besteigen wir erneut der Eidgenossenschaft“, da diese in Stand (Bauern/Bürger) – hatten sie setzen. So haben diese am 19. März den Bus und fahren zum Restaurant der frühen Neuzeit ihr Getreide aus seit 1614 nicht mehr zusammengefun- 1789, also kurz vor der Französischen „Le Rhien“, wo uns ein köstliches dem Sundgau bezog. Seit dem Be- den. Die Versammlung sollte im Mai Revolution, den König Louis XVI Menü erwartet. Wie gewohnt sind ginn des 20. Jahrhunderts rekrutiert 1789 beginnen, und als Vorbereitung um die Abschaffung der Sklaverei ge- Mineralwasser, Kaffee oder Tee im die Basler Industrie einen Teil ihrer wünschte Ludwig XVI, dass in jedem beten. „Gesamtpaket“ inbegriffen. Arbeitskräfte im Sundgau. Die Men- Dorf Eingaben abgefasst werden. Im Jahre 1971 wurde dieses „cahier Am Nachmittag sind wir dann um schen dort sind gut ausgebildet und Die aus Champagney ist typisch und de doléance“ von 1789 aus dem Ar- 14 Uhr im „Musée des Mines“ im tüchtig, sodass sie als Arbeitskräfte in ihrer Gesamtheit gemässigt. Aber chiv hervorgeholt. Aus Ehrerbietung Ortszentrum von Ronchamp. begehrt sind. Allerdings ist die Zahl man findet dort einen erstaunlichen gegenüber den damaligen Bürgern der Grenzgänger aus dem Sundgau Artikel, die Nummer 29, der dringend Im 19. Jahrhundert entwickelte sich von Champagney wurde ein Ort des in den letzten Jahren rückläufig, um die Abschaffung der Negerskla- in unserer Region, im Dreiland, eine Gedenkens geschaffen. weil immer weniger potentielle Ar- verei bittet. Er wurde zweifellos von Industrie, die neben Arbeitskräften beitskräfte alemannisch oder hoch- Jacques Antoine Priqueler angeregt, Im ersten Teil des kleinen Museums auch viel Energie brauchte. In der deutsch sprechen. einem Offizier der königlichen Gar- wird die Sklaverei in Bild und Text Schweiz bildete die Steinkohle 1850- präsentiert. Dann wird die Négri- 1955 unsere Hauptenergiequelle und tude, die Eigenart und Reichhaltig- löste im 19. Jh. die Holzkohle und das keit der schwarzafrikanischen Kultur, Holz ab. Bis zum Aufkommen der Ei- in Form von Objekten dargestellt, senbahn stammte sie aus einheimi- die von afrikanischen Künstlern re- schem Abbau und wurde danach im- alisiert wurden. Der Rassismus, die portiert. Ein Teil des Imports kam aus moderne Sklaverei, sowie Fragen der Ronchamp, wo man seit 1744 Kohle Menschenrechte werden am Ende abbaute. Mitte des 19. Jahrhunderts thematisiert. nahm die Industrialisierung mit der Dampfmaschine Fahrt auf, so dass der Bedarf an Kohle überall rasch zu- nahm. Im Jahre 1810 wurde in Ronchamp der erste Förderschacht gebaut (135 m Tiefe). Bis 1892 wurden 25 weitere gegraben. Der letzte erreichte eine Tiefe von 1010 m und war bis 1954 In Champagney besuchen wir das de, damals auf Urlaub in Champa- in Betrieb. Am Ende des 19. Jahrhun- „Haus der Négritude und der Men- gney, seinem Geburtsort. Aus Paris derts hatte sich eine wahre Industrie schenrechte“. Hier einige Vorinfor- kommend, sind ihm die Ideen der entwickelt, die über 1500 Menschen mationen zu dieser besonderen Aus- Abschaffung (Abolition) bekannt, beschäftigte und jährlich 200’000 stellung: die sich dank philosophischer Schrif- Tonnen Kohle förderte. ten zu entwickeln beginnen. Zum Im Jahr 1788/89 gab es im König- delegierten Wahlmann der Bauern Der Begriff ‚Négritude‘ wird in An- Neben den einheimischen Arbeits- reich Frankreich zahlreiche Schwie- Champagneys gewählt, nahm er die erkennung an den Dichter und Prä- kräften waren auch Migranten aus rigkeiten, die den König Ludwig XVI Abfassung des „cahier de doléance“ sidenten des Senegals Leopold Seng- anderen Ländern im Einsatz (Polen, zur Einberufung der Generalstände in die Hand. Er musste die Bewohner hor benutzt, der dem Haus seine Italiener und Nordafrikaner). Immer zwangen. Zusammengesetzt aus drei dazu bringen, sich mit dem Schicksal Schirmherrschaft gewährte. wieder kam es zu Konflikten mit 24 25
den Arbeitgebern und zu Streiks. Die Lebensqualität der arbeitenden Architekten Le Corbusier. Im Jahr 1955 an der Stelle einer alten Kapelle „FremdGEHEN“ im Pays Welche Bevölkerung war, wie an vielen an- errichtet, überragt sie die Stadt Ron- deren Orten, schlecht. Das Musée champ. Eine dreistündige Vogesenwanderung oder des Mines gibt uns einen Einblick in Die weltweit bekannte Kapelle hat zwei aussergewöhnliche Museen die Welt der Minenarbeiter und de- die Kirchenarchitektur des 20. Jahr- ren Familien. Und ganz automatisch hunderts revolutioniert. Der im mo- Ausschreibung von Peter Obrist stellt sich die Frage, wie es unter sol- dernen Stil errichtete Bau besteht chen Arbeitsbedingungen mit der aus einer geschwungenen, zweitei- Datum: Samstag, 22. Juni 2019 – und nicht: Samstag, 15. Juni Menschenwürde bestellt war. ligen Betonmuschel, die mit einem (wie im Jahresprogramm vermerkt) den Kirchenrumpf nicht berühren- 07:45 Uhr Besammlung Basel, Bahnhof Süd, Meret Oppenheim-Strasse den Dach bedeckt ist. Diese erstaun- 08:00 Uhr Abfahrt liche Architektur wird ergänzt durch 10 Uhr ca. Kaffee und Gipfeli am Lac Blanc; das Farbenspiel der Glasfenster und Wanderer starten anschliessend eine raffinierte Führung des Lichts, 11 Uhr ca. Führung im „Maison du Pays Welche“ in Fréland das durch den zwischen dem Gewöl- 13 Uhr Mittagessen in der Auberge Kébespré oberhalb von be und den Betonmauern freigelas- Lapoutroie senen Raum dringt. 15:30 Uhr Weiterfahrt nach Labaroche ins „Musée du Bois et du Patrimoine“ Der Bus führt uns bis zum Empfangs- 17:30 Uhr spätestens: Abfahrt nach Basel In beiden Museen begegnen wir haus, das von Renzo Piano erbaut 18:30 Uhr ca. Ankunft in Basel, Meret Oppenheim-Strasse Menschen als Sklaven und Menschen wurde. Dann geht es knapp zehn Mi- verantwortlich: Regula Adam, Peter Obrist als Arbeitskräften. Den Reichtum, nuten zu Fuss hinauf zur Kapelle, die Teilnehmerzahl: maximal 45 Personen der im Laufe der letzten Jahrhunder- auf dem höchsten Punkt der Anhöhe Kosten: CHF 98.– te in unserer Region geschaffen wur- steht. Die Lichtung öffnet sich in alle Besonderes: Wanderer denken an gute Schuhe, Windjacke, de, verdanken wir auch diesen vielen vier Himmelsrichtungen und bietet Stöcke und Trinkflasche Menschen, die ausgebeutet wurden, einen grossartigen Panoramablick Anmeldeschluss: Samstag, 1. Juni 2019 die unten durch muss- auf die umliegende ten, die unbezahlt Landschaft. Einverstanden: Die letztjährige Wan- mit wenig Höhenunterschieden nicht oder unterbezahlt viel arbeiten mussten. Der Ort lädt zur Stil- derung auf die „drei Egse“ als Alter- mitmachen kann oder will, muss des- le und Andacht ein. native zum Besuch des Hansi-Muse- wegen aber nicht zuhause bleiben. Manche von ihnen Wir verzichten dar- ums in Riquewihr1 war kein wirklich Es gibt ein Alternativprogramm mit schöpften ihre Kraft um bewusst auf eine durchschlagender Erfolg. Aber im- dem Besuch eines besonderen Muse- im Glauben. Damit Führung mit vielen merhin fand sie statt, und das ermu- ums in Fréland. schliessen wir den Bo- Erklärungen, sondern tigt uns, auch diesen Sommer ein sol- gen: Die in Ronchamp „Pays Welche“ – was ist denn das für geben uns Zeit eigene ches Ausflugsprojekt vorzuschlagen. auf dem Hügel Bour- eine besondere Gegend? Der Kanton Eindrücke von diesem Weil es ja unter den Elsass-Freunden lémont gelegene, seit Lapoutroie – oder eben der Canton Kraftort zu erleben. doch eine Handvoll Mitglieder gibt, 1967 als Historisches welche – umfasst fünf Dörfer west- die noch nicht Rentner sind, haben Monument klassifi- Nach einem letzten lich von Colmar, in denen ein franzö- wir als Wochentag einen Samstag zierte Kapelle Notre- gemeinsamen Kaffee sisches Patois gesprochen wird, das ausgewählt und freuen uns darauf, Dame-du-Haut ist ein geht es dann auf den eng mit dem Lothringischen oder neue Gesichter kennenzulernen. Wer Werk des berühmten Heimweg. diese Wanderung von rund 10 km 1 siehe Elsass-Gazette Nr. 142, S. 7–10 26 27
Wallonischen verwandt ist. Oder Das „Maison du Pays Welche“ ist in forderung meistert, erlebt der andere eher: Gesprochen wurde, denn wie einem geschichtsträchtigen Gebäude Teil eine fahrtechnische Meisterleis- viele ursprüngliche Sprachen Frank- untergebracht: Im hohen Mittelalter tung des Buschauffeurs. Denn die ist reichs ist auch das Welche vom Aus- ein Dinghof, wo die Untertanen ihre nötig für die 350 m Höhendifferenz sterben bedroht. Fréland als eine Abgaben entrichteten, wurde das zwischen dem Ort Lapoutroie und der dieser fünf Gemeinden beherbergt Gebäude im späten 17. Jahrhundert Auberge, wo sich die zwei Gruppen seit 1989 ein kleines, aber feines Mu- zu einem „maison curiale“ erweitert, wieder treffen. seum, das sich mit dem Alltag und in dem katholische Geistliche lebten Am Nachmittag fahren wir alle ge- den Traditionen der „Welche“ be- und arbeiteten. Die alte Bausubstanz meinsam weiter im „Welschland“ und schäftigt. konnte erhalten werden, und so kom- erreichen via Orbey die grosse Streu- men die unzähligen Ausstellungsob- siedlung Labaroche, die sich mit ih- Wie es zu dieser sprachlichen Enklave jekte in dieser Umgebung besonders ren bloss 2200 Einwohnern über eine mit rund 10‘000 Einwohnern gekom- gut zur Geltung. Angeschrieben sind Fläche von über 13 Quadratkilometer men ist, kann nicht mit Sicherheit sie jeweils in Französisch und Wel- erstreckt. Dort steht mit dem „Espace belegt werden. Vermutlich gab es in che, was interessante Sprachverglei- des métiers du Bois et du Patrimoi- dieser abgeschiedenen Gegend seit che erlaubt. Ausserdem wissen eh- ne“ ein einzigartiges Museum, das den Tagen Karls des Grossen eine gal- renamtliche Guides aus Fréland und sich dem Holz und seiner Verarbei- loromanische Bevölkerung, die ihren Umgebung eine Menge interessante tung widmet. Die rund einstündige ursprünglichen Sprachstand wahren Geschichten zu erzählen. Führung bringt uns alte Berufe und konnte. Unterdessen machen sich die Wande- Techniken näher, die nur noch wenige rer vom Lac Blanc auf den Weg zur Handwerker beherrschen. Auberge Kébespré, die vielen Elsass- Auch wenn das Elsässische zu kurz Freunden wegen des sagenhafen kommt und wir sprachlich für einmal „Baeckeoffe“ noch in bester Erinne- fremdgehen, wartet ein interessanter rung ist. Fünf Jahre später haben wir Ausflug auf uns. Wenn Sie ihn mitma- Ziel in diesem sympathischen Familien- chen wollen, überlegen Sie sich aber betrieb dasselbe Menü noch einmal bitte gut, ob Sie sich die Wanderung bestellt. Während der eine Teil der zumuten oder lieber die Variante „Mai- Elsass-Freunde eine sportliche Heraus- son du Pays Welche“ wählen wollen. Start 28 29
Zum Rücktritt von Marianne Gloor stellen, was ihr zumeist gelang. Ma- rend 18 Monaten für einen Sprach- rianne sorgte aber – mit einem von aufenthalt in England und arbeitete ihr eingesetzten Verpackungsteam dann bei Baumeler-Wanderferien in – auch dafür, dass die frisch gedruck- Luzern. 1972 kam sie nach Basel, wo An der Generalversammlung von sich um unsere Mitglieder geküm- ten Elsass-Gazetten zu den über 400 sie sich bald wohlfühlte. Einige Jahre letzter Woche ist unsere Sekretärin mert, hat Neumitglieder eingeführt, Adressaten gelangten, auch das eine arbeitete sie in der Speditionsbran- und Mitgliedsbetreuerin Marianne Jubilarinnen und Jubilare beglück- Arbeit, die sie zuverlässig und ohne che und in einer Reederei, bis die Gloor auf ihren eigenen Wunsch wünscht, vor allem aber die ganze grosses Aufheben erledigte. Schiffe verkauft wurden und sie sich aus dem Vorstand verabschiedet Administration unserer Ausflüge und nach einer anderen Beschäftigung Marianne erlebte einen kometen- worden. Während 13 Jahren hat sie Anlässe sichergestellt. Pro Jahr wa- umsehen musste. Sie arbeitete an- haften Aufstieg bei den Elsass- ren es mindestens schliessend neun Jahre beim Gewäs- Freunden, indem sie mit ihrem Bei- zehn, insgesamt serschutzamt Basel-Stadt, wechselte tritt an der GV vom 17. März 2006 also über 130 An- dann aber auf eine Stelle mit mehr direkt in den Vorstand gewählt lässe, bei denen menschlichem Kontakt: Sie wurde und zur Sekretärin erkoren wurde. sie die Anmeldun- Sachbearbeiterin bei der Sozialhil- Und das kam so: Die Frau meines gen entgegen- fe der Stadt Basel. Der Umgang mit Vorgängers als Präsident, von Jürg nahm, schriftlich Menschen in teilweise sehr schwie- Burkhardt also, belauschte bei ei- bestätigte und rigen Lebenssituationen hat sie nem Besuch im Hallenbad in Mut- am Anlass die Teil- sehr befriedigt, oftmals aber auch tenz zwei Frauen, von denen sie die nehmenden be- bedrückt. Mit 60 Jahren konnte sie eine sagen hörte, sie werde bald treute. Das hört sich pensionieren lassen. Die Elsass- pensioniert und müsse sich nach ei- sich leicht an, war Freunde hatten das Glück, davon ner sinnvollen Betätigung umsehen. aber mit vielen profitieren zu können. Die Präsidentenfrau Beatrix dachte Telefonaten und sofort an die Vakanz im Vorstand Marianne wird aber auch nach ih- Mails verbunden, der Elsass-Freunde und sprach die rem Rücktritt ihre Frau stellen: Den mit verspäteten ihr unbekannte Frau an. Und daraus Versand der Gazette wird sie auch Anmeldungen, wurden 13 Jahre Vorstandstätigkeit! in Zukunft betreuen, die Jubilarin- Wartelisten und nen und Jubilare werden auch in Absagen in letz- Auf ihre Sekretariats-Arbeit war Zukunft von ihr eine Glückwunsch- ter Minute, was Marianne durch ihre beruflichen karte erhalten. Dafür und für die manchmal Ma- Erfahrungen optimal vorbereitet: vielen Jahre zuverlässiger Mitarbeit riannes Nerven 1946 in Luzern geboren, wuchs sie im Vorstand danke ich Marianne arg strapazierte. als älteste von sechs Geschwistern im Namen aller Elsass-Freunde sehr Trotzdem blieb auf, absolvierte nach der obligatori- herzlich und wünsche ihr für die sie ruhig, freund- schen Schulzeit ein Welschlandjahr, Zukunft weiterhin gute Gesundheit lich und bewahr- besuchte dann die Handelsschule und viel Freude bei all ihren Tätig- te den Überblick. und arbeitete während zwei Jahren keiten. Ihr Ziel war es, bei der Aufzügefabrik Schindler in alle zufrieden zu Ebikon/LU. Danach weilte sie wäh- Robert Heuss, Präsident 30 31
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