Epidemiologisches Bulletin 35 2022 - GPK
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AKTUELLE DATEN UND INFORMATIONEN ZU INFEKTIONSKRANKHEITEN UND PUBLIC HEALTH 35 Epidemiologisches 2022 Bulletin 1. September 2022 Legionellen in der häuslichen Trinkwasser- Installation | SARS-CoV-2-Hygieneplan am Universitätsklinikum Frankfurt a. M.
Epidemiologisches Bulletin 35 | 2022 1. September 2022 2 Inhalt Einfluss der häuslichen Trinkwasser-Installation auf das Risiko, an Legionärskrankheit zu erkranken 3 Der Grad der Trinkwasserkontamination mit Legionellen ist ein guter Indikator für den technischen Zustand einer Trinkwasser-Installation. Allerdings ist unklar, ob er auch eine prädiktive Bedeutung für das Auftreten von Legionärskrankheit hat. Aus den Ergebnissen der Berliner LeTriWa-Studie ließ sich ableiten, dass bei dem größten Teil der Fälle von ambulant erworbener Legionärskrankheit häusliches Trinkwasser eine vermutliche oder wahrscheinliche Rolle spielt. Es wird nun untersucht, inwiefern Patientinnen und Patienten mit ambu- lant erworbener Legionärskrankheit von einer Trinkwasser-Installation versorgt werden, die nach Trinkwas- serverordnung untersuchungspflichtig ist, bzw. ob ihrer Erkrankung eine erhöhte Legionellenkonzentration im Trinkwasser vorausging. Zugriffszahlen auf den SARS-CoV-2-Hygieneplan am Universitätsklinikum Frankfurt am Main im Verlauf der COVID-19-Pandemie sowie Transmissionsraten und Ausbruchsgeschehen 18 Mit Beginn der COVID-19-Pandemie waren medizinische Einrichtungen in Deutschland vor das Problem ge- stellt, binnen kürzester Zeit spezifische SARS-CoV-2-Hygienepläne erstellen und in Kraft setzen zu müssen. Der Beitrag setzt den Zeitverlauf der Erstellung und die Frequenz der Änderungen des SARS-CoV-2-Hygiene- plans am Universitätsklinikum Frankfurt am Main sowie die Zugriffszahlen der Beschäftigten auf die Hygieneplandokumente in Korrelation mit den an das RKI übermittelten SARS-CoV-2-Fallzahlen in Deutsch- land. Ebenfalls werden die Transmissionsraten sowie die stattgehabten Ausbruchsgeschehen im Universitäts- klinikum im Zeitraum von Februar 2020 bis April 2022 dargestellt. Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten: 34. Woche 2022 25 Impressum Herausgeber Allgemeine Hinweise/Nachdruck Robert Koch-Institut Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung: Nordufer 20, 13353 Berlin www.rki.de/epidbull Telefon: 030 18754 – 0 E-Mail: EpiBull@rki.de Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise die Meinung des Robert Koch-Instituts wider. Redaktion Dr. med. Maren Winkler Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Dr. med. Jamela Seedat (derzeit nicht im Dienst) Namensnennung 4.0 International Lizenz. Heide Monning (Vertretung) Redaktionsassistenz Nadja Harendt Claudia Paape, Judith Petschelt (Vertretung) ISSN 2569-5266 Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Epidemiologisches Bulletin 35 | 2022 1. September 2022 3 Einfluss der häuslichen Trinkwasser-Installation auf das Risiko, an Legionärskrankheit zu erkranken Ergebnisse aus der Berliner LeTriWa-Studie und den bundesweiten Meldedaten Einleitung mit jeweils einem Inhalt von > 400 Litern oder Die Legionärskrankheit ist eine nach Infektions- einem Inhalt von > 3 Litern in mindestens einer schutzgesetz (IfSG) meldepflichtige Pneumonie, die Rohrleitung zwischen Abgang des Trinkwasserer- durch eine (laborbestätigte) Legionelleninfektion wärmers und Entnahmestelle.5,6 Beispielsweise hat verursacht wird. Die Letalität der Legionärsskrank- ein Rohrstück mit einem Innendurchmesser von heit liegt bei etwa 5 %.1 Legionellen sind wasserbür- 20 Millimetern und einer Länge von 10 Metern ei- tige Bakterien und kommen typischerweise in Was- nen Inhalt von 3,14 Litern. sersystemen oder in Biofilmen vor. Im Rahmen der Berliner LeTriWa-Studie („Legionellen in der Trink- Bei öffentlicher Nutzung (in der TrinkwV definiert wasser-Installation“) wurde geschätzt, dass mindes- als Abgabe von TW an einen unbestimmten Perso- tens die Hälfte der Fälle von ambulant erworbener nenkreis) besteht – soweit vom zuständigen Ge- Legionärskrankheit (AE-LK) auf häusliches Trink- sundheitsamt nicht anders festgelegt – eine jähr wasser (TW) zurückzuführen ist.2,3 liche Untersuchungspflicht, während bei gewerb- lich betriebenen Anlagen (z. B. in vermieteten Die Trinkwasserverordnung (TrinkwV4) regelt die Wohngebäuden) ein Untersuchungsintervall von Qualität von Wasser für den menschlichen Ge- 3 Jahren einzuhalten ist.7 Diese Vorgaben gelten brauch, um die „menschliche Gesundheit vor den unter der Voraussetzung, dass in den vorangegan- nachteiligen Einflüssen, die sich aus der Verunrei- genen Untersuchungen der technische Maßnah- nigung von Wasser ergeben, das für den menschli- menwert (TMW, s. u.) nicht überschritten wurde. chen Gebrauch bestimmt ist,“ zu schützen. Dabei Das Umweltbundesamt (UBA) hat umfassende besteht eine Untersuchungspflicht auf Legionellen Empfehlungen zur Untersuchung des hygienischen für Unternehmer oder sonstige Inhaber einer Trink- Zustands der untersuchungspflichtigen TWI her- wasser-Installation (TWI), ausgegeben.8 Eine TWI gilt als kontaminiert und ▶▶ in der TW im Rahmen einer öffentlichen (z. B. technisch zu überprüfen, wenn in mindestens einer in Kindergärten) oder gewerblichen (z. B. bei der Warmwasserproben nach Ablaufenlassen von Vermietung von Wohnungen) Tätigkeit abgege- 1 Liter (Zweck b-Probe) eine Legionellenkonzentra- ben wird und tion von 100 koloniebildenden Einheiten (KBE)/ ▶▶ die Duschen oder andere Einrichtungen enthal- 100 ml und damit der TMW überschritten wird. In ten, in denen es zu einer Vernebelung des TW diesem Fall besteht für das untersuchende Labor kommt (Handwaschbecken zählen nicht hier- eine Anzeigepflicht an das örtliche Gesundheits- zu) und amt, es ist „eine von der TWI ausgehende vermeid- ▶▶ die eine Großanlage zur Trinkwassererwär- bare Gesundheitsgefährdung zu besorgen“ und mung enthält (Ausnahme: Ein- und Zweifami- „Maßnahmen zur hygienisch-technischen Über- lienhäuser).5 prüfung der TWI im Sinne einer Gefährdungsana- lyse“ sind einzuleiten.4 Eine Gefährdungsanalyse Großanlagen im Sinne der TrinkwV sind Anlagen beinhaltet eine Ortsbesichtigung, Beschreibung (z. B. in Wohngebäuden, Hotels, Krankenhäusern) der Wasserversorgungsanlage, Feststellung von Ab- mit einem Speicher-Trinkwassererwärmer oder mit weichungen von den allgemein anerkannten Re- einem zentralen Durchfluss-Trinkwassererwärmer geln der Technik und eine sogenannte weitergehen-
Epidemiologisches Bulletin 35 | 2022 1. September 2022 4 de Trinkwasseruntersuchung auf L egionellen (hö- pflicht und -ergebnissen der TWI von Fällen von here Probenanzahl, weitere Probenahmestellen). AE-LK zurückgegriffen werden. Über die Ergebnisse der Gefährdungsanalyse und ggf. der eingeleiteten Maßnahmen zum Gesund- Seit langem ist bekannt, dass der Grad der TW- heitsschutz der Verbrauchenden hat der Betreiber Kontamination mit Legionellen ein guter Indikator unverzüglich die betroffenen Verbraucher und das für den technischen Zustand von TWI ist. Aller- Gesundheitsamt zu informieren.5 dings ist unklar, ob er auch eine prädiktive Bedeu- tung für das Auftreten von Legionärskrankheit hat. Je nach Ausmaß der Kontamination und der techni- In diesem Beitrag wird anhand von fünf Fragestel- schen Mängel wird im entsprechenden Gutachten lungen untersucht, inwiefern Patientinnen und u. U. eine mehr oder weniger umfangreiche Sanie- Patienten mit AE-LK von TWI versorgt werden, die rung der TWI empfohlen. Das zuständige Gesund- nach TrinkwV untersuchungspflichtig sind, bzw. ob heitsamt leitet je nach Situation und ggf. auch schon ihrer Erkrankung eine erhöhte Legionellenkonzen- vor der Gefährdungsanalyse erste Maßnahmen zum tration im TW vorausging. Schutz der betroffenen Bewohnenden ein, wie z. B. das Aussprechen eines Duschverbots bei einer Legio Fragestellungen nellenkonzentration von > 10.000 KBE/100 ml.6 (1) Bundesweit: Wohnen Personen mit AE-LK häu- figer in Gebäuden mit untersuchungspflichti- Wenn Fälle von AE-LK zu großen Teilen in Gebäu- ger oder nicht-untersuchungspflichtiger TWI? den mit nach TrinkwV untersuchungspflichtiger (Datenquelle: Meldedaten) TWI wohnen bzw. wenn sich die TWI (gemäß des (2) Bundesweit: In welcher Art von Gebäuden leb- Konzepts der TrinkwV) in einem bekannten, aber ten Personen mit AE-LK, wenn die TWI nicht- noch nicht behobenem „Risikozustand“ befand, untersuchungspflichtig war? (Datenquelle: Mel- könnte dies darauf hinweisen, dass eine lückenlose dedaten) Implementierung der TrinkwV viele Fälle von AE- (3) Berlin: (a) Wie häufig werden Fälle von AE-LK, LK verhindern könnte. Zum Beispiel wäre es denk- die sich vermutlich oder wahrscheinlich über bar, dass bei einer routinemäßig durchgeführten häusliches TW angesteckt haben (LeTriWa-hTW- orientierenden Untersuchung in einer TWI eine Le- Fälle), von untersuchungspflichtigen TWI ver- gionellenkonzentration von 2.000 KBE/100 ml fest- sorgt im Vergleich zu Kontrollpersonen und gestellt wurde, es aber noch keine Gelegenheit gab, (b) unterscheidet sich die Art der Gebäude mit die Gefährdungsanalyse bzw. die vom Gutachter nicht-untersuchungspflichtigen TWI (z. B. Ein- empfohlenen Sanierungsmaßnahmen durchzufüh- familienhaus, Mehrfamilienhaus) bzw. Art der ren und in dieser Phase ereignet sich dann ein Fall Trinkwassererwärmung (z. B. Durchlauferhit- von AE-LK. Es ist auch möglich, dass die betreffen- zer) bei LeTriWa-hTW-Fällen von denen der Kon- de, untersuchungspflichtige TWI noch nie beprobt trollpersonen? (Datenquelle: LeTriWa-Studie) wurde. Im epidemiologischen Sinn würde die Be- (4) Bundesweit (Meldedaten) und Berlin (LeTriWa- deutung der Untersuchungspflicht einer TWI be- Studie): Bei wie vielen Fällen lag die Legionel- tont werden, wenn in einer Vergleichspopulation lenkonzentration bei der letzten Trinkwasserun- ohne bekannte Fälle mit AE-LK der Anteil der Per- tersuchung vor Auftreten dieses Falles oberhalb sonen, die von einer nach TrinkwV untersuchungs- des TMW? (Datenquelle: LeTriWa-Studie und pflichtigen TWI versorgt werden, signifikant niedri- Meldedaten) ger ist als in der Bevölkerung der Fallpersonen mit (5) Berlin: Inwieweit stimmt die Legionellenkon- AE-LK. In der vor kurzem abgeschlossenen Berliner zentration aus der Untersuchung vor Auftreten LeTriWa-Studie (s. u.) wurde neben den Fällen von des Falles mit der aus der anlassbezogenen Un- AE-LK auch eine derartige Kontrollgruppe rekrutiert tersuchung (nach Auftreten des Falls) aus dem und die für die Fragestellung benötigten Informa Badezimmer des Fall-Haushaltes überein? tionen systematisch erhoben. Daneben kann auch (Datenquelle: LeTriWa-Studie) auf erste Erkenntnisse aus den seit 2019 im Mel- desystem verfügbaren Angaben zur Untersuchungs-
Epidemiologisches Bulletin 35 | 2022 1. September 2022 5 Methoden kerung in einer geografischen Region in Gebäuden mit untersuchungspflichtiger oder nicht-untersu- Meldedaten zu AE-LK chungspflichtiger TWI wohnt. Wie exemplarisch in Datengrundlage für die Auswertungen der Melde- Abbildung 2A dargestellt, sollte dieser Anteil also daten sind die an das Robert Koch-Institut (RKI) ge- sehr hoch und – unabhängig von der Region in mäß IfSG übermittelten Fälle von Legionärskrank- Deutschland (Land-/Stadtkreis) – relativ konstant heit.9 Wir verwendeten die Daten aus den Jahren sein. Sollte diese Hypothese nicht zutreffen, dann 2019 bis 2021 mit Stichtag 20.02.2022. Neben kli- würden sich die Fälle von AE-LK homogen auf die nischen, labordiagnostischen und epidemiologi- Bevölkerung und damit auf die Gebäude (mit oder schen Informationen zur erkrankten Person kön- ohne untersuchungspflichtige TWI) verteilen. Wie nen seit 2019 auch folgende Angaben zur TWI und exemplarisch in Abbildung 2B dargestellt, wäre zu Ergebnissen von Wasseruntersuchungen der je- dann der Anteil der Fälle mit AE-LK, die in Gebäu- weiligen potenziellen Infektionsquelle übermittelt den mit untersuchungspflichtiger TWI wohnen, werden: umgekehrt proportional zum Anteil der Bevölke- ▶▶ Untersuchungspflicht der TWI rung, die NICHT in Gebäuden mit untersuchungs- ▶▶ bei nicht-untersuchungspflichtigen TWI: Grund pflichtiger TWI wohnen. Vice versa wäre der Anteil für die nicht bestehende Untersuchungspflicht der Fälle mit AE-LK, die in Gebäuden mit nicht- (Gebäudetyp) untersuchungspflichtiger TWI wohnen, proportio- ▶▶ bei untersuchungspflichtigen TWI: Ergebnisse nal zum Anteil in der Bevölkerung, die NICHT in von evtl. vorliegenden Wasseruntersuchungen, Gebäuden mit untersuchungspflichtiger TWI woh- die vor Auftreten des Erkrankungsfalls durch- nen (s. Abb. 2C). Zur Überprüfung dieser Hypothese geführt worden waren (s. Abb. 1) unterteilten wir die Land- und Stadtkreise zunächst ▶▶ Ergebnisse von anlassbezogen Wasserunter in vier Gruppen: (1) Landkreise, (2) Stadtkreise mit suchungen (d. h. nach Auftreten des Falles; s. bis zu 100.000 Einwohnern, (3) Großstädte mit Abb. 1). 100.000 oder mehr Einwohnern (ohne Berlin) und (4) Berlin, die mit rund 3,7 Millionen Einwohnern Wir berücksichtigten dabei nur die Fälle, die im RKI größte Stadt in Deutschland. Berlin wird zum einen nach Ausschluss einer Krankenhaus-, Pflegeheim- wegen seiner Größe separat betrachtet und zum an- oder Reiseexposition als „ambulant erworben“ kate- deren, weil dort von 2016 – 2020 die LeTriWa-Studie gorisiert und bei denen Angaben zur jeweiligen durchgeführt wurde, deren Ergebnisse ebenfalls in TWI übermittelt wurden. diesem Beitrag diskutiert werden. Wir untersuchten die Hypothese, ob Fälle von AE-LK Im zweiten Schritt unterteilten wir die Fälle von AE- vor allem in Gebäuden mit untersuchungspflichti- LK und den Anteil der Bevölkerung, der in einem gen TWI vorkommen. Sollte dies zutreffen, dann bestimmten Gebäudetyp wohnt, in die oben genann- müsste der Anteil der Fälle mit AE-LK, die in Gebäu- ten vier Gruppen. Der Anteil der Bevölkerung, der den mit untersuchungspflichtiger TWI wohnen, pro Region in einem bestimmten Gebäudetyp unabhängig davon sein, welcher Anteil der Bevöl wohnt, stammt aus dem Zensus von 2011.10 Dabei Art der TWI nach Trinkwasserverordnung: untersuchungspflichtig/nicht-untersuchungspflichtig Letzte TW-Untersuchung vor Auftreten des Falles Erkrankungsbeginn Anlassbezogene TW-Untersuchung (nur bei untersuchungspflichtigen TWI) des Falles mit AE-LK nach Auftreten des Falles Abb. 1 | Schema der zeitlichen Abfolge der Trinkwasseruntersuchungen und des Erkrankungsbeginns des Falles von ambulant erworbener Legionärskrankheit (AE-LK); TW = Trinkwasser; TWI = Trinkwasser-Installation.
Epidemiologisches Bulletin 35 | 2022 1. September 2022 6 Anteil Fälle mit AE-LK, die in Gebäuden mit Anteil Fälle mit AE-LK, die in Gebäuden mit Anteil Fälle mit AE-LK, die in Gebäuden mit untersuchungspflichtiger TWI wohnen untersuchungspflichtiger TWI wohnen NICHT-untersuchungspflichtiger TWI wohnen 100 % 100 % 100 % A B C Anteil Menschen in einer Region oder Stadt, die nicht in Gebäuden mit untersuchungspflichtiger TWI wohnen Abb. 2 | Schematische Darstellung zur Prüfung der Hypothese, ob die meisten Erkrankungen mit ambulant erworbener Legio- närskrankheit (AE-LK) vor allem unter Menschen vorkommen, die in Gebäuden mit nach Trinkwasserverordnung untersuchungs- pflichtiger Trinkwasser-Installation (TWI) wohnen. A: Hypothese trifft zu, B und C: Hypothese trifft nicht zu; in C wurden die Werte der y-Achse umgekehrt. Für Erläuterungen: siehe Text. waren nur die Kategorien „Einfamilienhaus“ und ausführlich zu verschiedenen Expositionen, Vorer- „Zweifamilienhaus“ eindeutig als Gebäude mit krankungen etc. befragt (LeTriWa-Fälle). Im Bade- nicht-untersuchungspflichtiger TWI zu identifizie- zimmer der Fallperson wurden drei standardisierte ren, weil diese von der Untersuchungspflicht nach Haushaltswasserproben (SHH-Proben) vom Wasch- TrinkwV ausgenommen sind. Wir korrelierten da- becken (Zweck c* und Zweck b) sowie von der Du- her im letzten Schritt den Anteil der Gesamtbevölke- sche (Zweck c) genommen, welche im Labor des rung in den vier Wohnortkategorien, die in Ein- oder UBA auf die Legionellenkonzentration untersucht Zweifamilienhäusern wohnten, mit dem Anteil der und bei positivem Befund im KL typisiert wurden. Fallpersonen, die in Gebäuden mit nicht-untersu- Das Gesundheitsamt ergänzte Angaben zur Unter- chungspflichtiger TWI wohnten. Dabei wurden nur suchungspflicht der den Fall versorgenden TWI ge- diejenigen Land- oder Stadtkreise in die Auswertung mäß TrinkwV und ggf. zur zuletzt gemessenen einbezogen, zu denen auch Fälle von AE-LK mit den höchsten Legionellenkonzentration (vor Auftreten entsprechenden Angaben übermittelt wurden (164 des Falles) in der TWI. Somit konnten dieselben Pa- von 401 Land- bzw. Stadtkreisen, wobei Berlin als rameter wie bei den Meldedaten untersucht werden eine Einheit gezählt wird, da Berlin auch in den (s. Abb. 1). Im Unterschied zu den Meldedaten wur- Zensusdaten nicht in Bezirke unterteilt wird). den jedoch nur Studienteilnehmende berücksich- tigt, die sich vermutlich (nach Ausschluss anderer Daten aus der LeTriWa-Studie zu AE-LK, Infektionsquellen) bzw. wahrscheinlich (auf Evi- die sich vermutlich oder wahrscheinlich denzbasis) über das häusliche TW infiziert hatten über häusliches TW infiziert hatten (LeTriWa-hTW-Fälle). So wurden Fälle mit wahr- Die Methodik der Berliner LeTriWa-Studie wurde be- scheinlicher Infektionsquelle außerhalb des eigenen reits beschrieben und veröffentlicht.2,3,11 Daher soll Haushalts (z. B. Schwimmbad) ausgeschlossen. hier die Methodik nur zusammenfassend dargestellt Analog zu den Meldedaten wurden zudem Fälle aus- und auf die für die obigen Fragestellungen relevan- geschlossen, die in stationären Pflegeeinrichtungen ten Aspekte beschränkt werden. Die Studie dauerte wohnten. Pro LeTriWa-hTW-Fall wurden zusätzlich von Dezember 2016 bis Dezember 2020 und wurde auch zwei Kontrollpersonen aus derselben Alters- in Kooperation mit den 12 Berliner Gesundheitsäm- tern, insgesamt 15 Berliner Krankenhäusern, dem Konsiliarlabor für Legionellen (KL) und dem UBA * Bei einer Zweck c-Probe wird nach DIN EN ISO durchgeführt. Die an das RKI übermittelten Fälle 19458 eine Wasserprobe von einer Entnahmestelle von AE-LK, die in die Studienteilnahme einwilligten, entnommen, „so wie das Wasser verwendet wird“, wurden bei einem Hausbesuch mittels Fragebogen d. h. ohne vorheriges Ablaufenlassen.
Epidemiologisches Bulletin 35 | 2022 1. September 2022 7 gruppe (< 50, 50 – 74, > 74 Jahre) und mit Behand- In den Jahren 2019 bis 2021 wurden dem RKI ins- lung in demselben Krankenhaus wie die Fallperson gesamt 4.359 Fälle von Legionärskrankheit übermit- oder, falls das nicht möglich war, aus demselben Be- telt, davon wurden 3.413 (78 %) als AE-LK kategori- zirk rekrutiert. Auch hier schlossen wir für die Ana- siert. Angaben zur Untersuchungspflicht der TWI lysen die Kontrollpersonen aus, die in stationären der erkrankten Personen wurden dabei für 574 der Pflegeeinrichtungen lebten. Bei den Kontrollperso- 3.413 Fälle (17 %) übermittelt. Hier lag der Anteil im nen wurden ebenfalls die drei SHH-Proben im Ba- Jahr 2019, als die Erfassung der TWI-Daten in der dezimmer entnommen und untersucht. Zusätzlich Meldesoftware eingeführt wurde, bei 12 % (127 von wurden die Betreiber der TWI bei Kontrollpersonen, 1.082 Fällen) und hat sich im Jahr 2021 auf 20 % die von nach TrinkwV untersuchungspflichtigen (248 von 1.260 Fällen) erhöht. Da sich die Daten zur TWI versorgt wurden, nach dem letzten Wert der Le- Untersuchungspflicht der TWI zwischen 2019 und gionellenkonzentration (vor Rekrutierung) gefragt. 2021 nur gering unterschieden, wurden sie aggre- Dies gelang jedoch nur in einer Minderheit und ver- giert (gepoolt) ausgewertet. mutlich vor allem dann, wenn der TMW nicht über- schritten war. Wir betrachteten diese Information Bundesweit lag der Anteil der Fallpersonen mit AE- daher als nicht verlässlich. LK, die in Gebäuden mit untersuchungspflichtiger TWI wohnten, bei 37 % (s. Tab. 1) und schwankte je nach Bundesland zwischen 0 % (Saarland) und Ergebnisse 80 % (Bremen). Aus zwei Bundesländern (Ham- Fragestellung (1) Bundesweit: Wohnen Personen burg und Sachsen) wurden keine Daten zur Unter- mit AE-LK häufiger in Gebäuden mit untersu- suchungspflicht übermittelt. Der Anteil der Fallper- chungspflichtiger oder nicht-untersuchungspflich- sonen mit untersuchungspflichtiger TWI war mit tiger TWI? (Datenquelle: Meldedaten) 59 % in Berlin am höchsten. Bei Fallpersonen aus Landkreis Stadtkreis Großstadt Berlin Gesamt ohne Berlin Anzahl Prozent Anzahl Prozent Anzahl Prozent Anzahl Prozent Anzahl Prozent Ambulant erworbene Fälle (AE-LK) gesamt 2.081 100 % 93 100 % 952 100 % 287 100 % 3.413 100 % Mit Angaben zur Untersuchungspflicht 327 16 % 14 15 % 113 12 % 120 42 % 574 17 % ▶▶ Untersuchungspflichtige TWI nach 90 28 % 6 43 % 44 39 % 71 59 % 211 37 % TrinkwV ▶▶ Nicht-untersuchungsplichtige TWI 237 72 % 8 57 % 69 61 % 49 41 % 363 63 % davon mit Angabe zum Grund für keine 220 93 % 7 88 % 65 94 % 47 96 % 339 93 % Untersuchungspflicht darunter ▶▶ Einfamilienhaus 126 57 % 4 57 % 26 40 % 14 30 % 170 50 % ▶▶ Zweifamilienhaus 52 24 % 2 29 % 2 3% 0 0% 56 17 % ▶▶ Mehrfamilienhaus mit Durchlauferhitzer 25 11 % 1 14 % 27 42 % 26 55 % 79 23 % und Rohrvolumen < 3Liter ▶▶ Mehrfamilienhaus mit zentralem 3 1% 0 0% 5 8% 2 4% 10 3% Wasserspeicher < 400 Liter ▶▶ nicht gewerblich genutztes Mehr 6 3% 0 0% 0 0% 1 2% 7 2% familienhaus (keine Vermietung) ▶▶ andere/sonstige 8 4% 0 0% 5 8% 4 9% 17 5% ▶▶ Gesamt 220 100 % 7 100 % 65 100 % 47 100 % 339 100 % Tab. 1 | Anzahl der Meldefälle von ambulant erworbener Legionärskrankheit (AE-LK) sowie der Anteil der Fälle mit Information zur Untersuchungspflicht der Trinkwasser-Installation (TWI). Darunter Anteil der Fälle, die in einem Gebäude mit untersu- chungspflichtiger bzw. nicht-untersuchungspflichtiger TWI wohnten, stratifiziert nach Landkreis, Stadtkreis, Großstadt ohne Berlin und Berlin. Darunter: Häufigkeitsverteilung des bewohnten Gebäudetyps der Fallpersonen, die in einem Gebäude mit nicht-untersuchungspflichtiger TWI wohnten. Datenquelle: Meldedaten.
Epidemiologisches Bulletin 35 | 2022 1. September 2022 8 Großstädten (ohne Berlin) war der Anteil mit 39 % chungspflichtigen TWI wohnten (s. Abb. 4). Der ähnlich hoch wie bei Fallpersonen aus Stadtkreisen Korrelationskoeffizient beträgt 0,93. (43 %) und mit 28 % war der Anteil in Landkreisen am niedrigsten (s. Abb. 3). Fragestellung (3) Berlin: (a) Werden Fälle von AE- LK, die sich vermutlich oder wahrscheinlich über Fragestellung (2) Bundesweit: In welcher Art von häusliches TW angesteckt haben (LeTriWa-hTW- Gebäuden lebten Personen mit AE-LK, wenn die Fälle), häufiger als Kontrollpersonen von einer un- TWI nicht-untersuchungspflichtig war? (Datenquel- tersuchungspflichtigen TWI versorgt und (b) unter- le: Meldedaten) scheidet sich die Art der Gebäude mit nicht-unter- suchungspflichtigen TWI (z. B. Einfamilienhaus, Fallpersonen mit AE-LK, die in Gebäuden mit nicht- Mehrfamilienhaus) bzw. die Art der Trinkwasserer- untersuchungspflichtiger TWI wohnten, wohnten wärmung (z. B. Durchlauferhitzer) bei LeTriWa- in Land- bzw. Stadtkreisen v. a. in Ein- oder Zwei hTW-Fällen bzw. Kontrollpersonen? (Datenquelle: familienhäusern (zusammen 81 % bzw. 86 %; LeTriWa-Studie) s. Tab. 1). In Großstädten (außer Berlin) bzw. in Ber- lin lebten die Fallpersonen v. a. in Mehrfamilienhäu- Die Daten aus der LeTriWa-Studie zeigen, dass die sern mit Durchlauferhitzer und Einfamilienhäu- Angaben zur Untersuchungspflicht bei LeTriWa- sern (zusammen 82 % bzw. 85 %), wobei der Anteil hTW-Fällen mit 99 % vollständiger ist als bei Kon in Mehrfamilienhäusern mit Durchlauferhitzer mit trollpersonen (90 %; s. Tab. 2). LeTriWa-hTW-Fälle 55 % in Berlin deutlich am höchsten war (s. Tab. 1). wohnten zu 56 % in einem Gebäude mit untersu- chungspflichtiger TWI, während es bei den Kon Unterteilt in die vier Kategorien Landkreis, Stadt- trollpersonen nur 43 % waren (Odds Ratio (OR) = kreis, Großstadt (ohne Berlin) und Berlin ist der An- 1,68; 95 % Konfidenzintervall (KI) 1,02 – 2,76; p- teil der Bevölkerung, die in Ein- oder Zweifamilien- Wert = 0,03). Die Information zur Untersuchungs- häusern wohnen, proportional zum Anteil der Fall- pflicht fehlt ausschließlich dann, wenn es sich bei personen, die in Gebäuden mit einer untersu- dem Gebäude um ein Mehrfamilienhaus ohne Anteil Fälle mit untersuchungspflichtiger Trinkwasser-Installation 70% 70 % untersuchungspflich�ger Trinkwasser- 60% 60 % 50% 50 % Anteil Fälle mit 40% Installa�on 40 % 30% 30 % 20% 20 % 10% 10 % 0% 0% Landkreis Stadtkreis Großstadt ohne Berlin Berlin Landkreis Stadtkreis Großstadt Berlin ohne Berlin Abb. 3 | Anteil der Fälle von ambulant erworbener Legionärskrankheit (AE-LK), die in einem Gebäude mit einer untersuchungspflichtigen Trinkwasser-Installation lebten, stratifiziert nach Wohnortkategorie. Datenquelle: Meldedaten.
Epidemiologisches Bulletin 35 | 2022 1. September 2022 9 Anteil Fälle mit NICHT-untersuchungspflichtiger TWI 80% 80 % 75% 75 % untersuchungspflichtiger TWI 70% Anteil Fälle mit NICHT 70 % Landkreis 65% 65 % Großstadt ohne Berlin 60% 60 % 55% 55 % Stadtkreis 50% 50 % 45% 45 % Berlin 40% 40 % 0% 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% Anteil Bevölkerung in Ein- und Zweifamilienhäusern (= NICHT-untersuchungspflichtig) Anteil Bevölkerung in Ein‐ und Zweifamilienhäusern Abb. 4 | Anteil der Fälle(=NICHT von ambulant erworbener Legionärskrankheit (AE-LK), die zwischen untersuchungspflichtig) 2019 und 2021 übermittelt wurden und in Gebäuden mit nicht-untersuchungspflichtiger Trinkwasser-Installation (TWI) wohnten (y-Achse) sowie Anteil der Bevölkerung, die in Ein- und Zweifamilienhäusern wohnten (nicht-untersuchungspflichtige TWI), in denjenigen Landkreisen/ Stadtkreisen/Großstädten (ohne Berlin) und Berlin, aus denen Gesundheitsämter die genannten Fälle von AE-LK übermittelt hatten (x-Achse). Korrelationskoeffizient = 0,93. Datenquelle: Meldedaten. Durchlauferhitzer/Gastherme handelt, so dass zwar Bei den LeTriWa-hTW-Fällen wurden 63 (56 %) von ein großer Trinkwasserspeicher das Gebäude mit 112 Fällen mit Angaben zur Untersuchungspflicht Warmwasser versorgt, dessen Volumen aber nicht von einer untersuchungspflichtigen TWI versorgt bekannt war. Unter der Annahme, dass der Trink- (s. Tab. 3 und Abb. 5). Bei 83 % (52/63) der Fälle mit wasserspeicher bei allen Personen mit fehlender untersuchungspflichtiger TWI lagen auch Informa- Angabe so groß war, dass daraus eine Untersu- tionen zur letzten dem Fall vorausgegangen Trink- chungspflicht resultierte, wäre das OR nur 1,36 wasseruntersuchung vor. Von diesen wurde bei ei- (95 % KI 0,84–2,21; p-Wert = 0,19). nem Fall (2 %; 1/52) die TWI noch nie zuvor beprobt. Bei den anderen 98 % (51/52) der Fälle mit Bepro- Bei der Häufigkeitsverteilung der Gebäude bzw. bung lag die zuletzt gemessene Legionellenkonzen- TWI unter den Fall- bzw. Kontrollpersonen, die von tration vor Auftreten des Falles bei 13 (25 %) der einer nicht-untersuchungspflichtigen TWI versorgt 51 Fälle über dem TMW (s. Abb. 5). wurden, sticht in beiden Gruppen besonders das Mehrfamilienhaus mit Durchlauferhitzer/Gasther- Unter der Annahme, dass im Zeitraum vor der In- me und einem Rohrvolumen vom Trinkwasserer- fektion sämtliche Anteile repräsentativ sind und nie wärmer zur Entnahmestelle von < 3 Liter hervor zuvor beprobte TWI oder TWI mit einer gemesse- (74 % bzw. 62 %) (s. Abb. 2). Der Unterschied zwi- nen Legionellenkonzentration oberhalb des TMW schen Fällen und Kontrollen ist statistisch nicht si- die Legionelleninfektion maßgeblich begünstigt ha- gnifikant (p-Wert = 0,21). ben, würde dies also 15 % (= 56 % × [2 % + 98 % × 25 %]) der AE-LK „erklären“ (s. Abb. 5). Bei diesen Fragestellung (4) Bundesweit und Berlin: Bei wie 15 % der Fälle mit untersuchungspflichtiger TWI vielen Fällen lag die Legionellenkonzentration in hätte die TrinkwV nach ihrem Sinn das Risiko vorab der letzten Trinkwasseruntersuchung vor Auftreten reduzieren können, oder umgekehrt formuliert: Für eines Falles oberhalb des TMW? (Datenquelle: 85 % waren die Vorgaben der TrinkwV nicht verletzt LeTriWa-Studie und Meldedaten) worden, so dass vorab eine Legionellenkontamina-
Epidemiologisches Bulletin 35 | 2022 1. September 2022 10 LeTriWa-hTW-Fälle Kontrollen Anzahl Prozent Anzahl Prozent Anzahl LeTriWa-hTW-Fälle bzw. Kontrollen 113 100 % 210 100 % Mit Angaben zur Untersuchungspflicht nach TrinkwV 112 99 % 189 90 % ▶▶ untersuchungspflichtige TWI 63 56 % 82 43 % ▶▶ nicht-untersuchungspflichtige TWI 49 44 % 107 57 % davon mit Angabe zum Grund für fehlende Untersuchungspflicht 49 100 % 107 100 % darunter ▶▶ Einfamilienhaus 9 18 % 36 34 % ▶▶ Zweifamilienhaus 1 2,0 % 3 2,8 % ▶▶ Mehrfamilienhaus mit Durchlauferhitzer/ Gastherme und Rohrvolumen < 3 Liter 36 74 % 67 62 % ▶▶ Mehrfamilienhaus mit zentralem Wasserspeicher < 400 Liter 3 6,1 % 1 0,9 % Tab. 2 | Untersuchungspflicht der häuslichen Trinkwasser-Installation (TWI) nach Trinkwasserverordnung (TrinkwV) von Fällen, die sich vermutlich oder wahrscheinlich über das häusliche Trinkwasser infiziert haben (LeTriWa-hTW-Fälle) und Kontrollen. Datenquelle: LeTriWa-Studie. LeTriWa-hTW-Fälle AE-LK (Meldedaten) Anzahl Fälle 113 3.413 Mit Angabe zur Untersuchungspflicht 112 (99 %) 100 % 574 (17 %) 100 % ▶▶ nicht-untersuchungspflichtig 49 44 % 363 63 % ▶▶ untersuchungspflichtig 63 56 % 211 37 % Bei untersuchungspflichtigen TWI: Mit Angabe zur letzten Trinkwasseruntersuchung 52 (83 %) 100 % 173 (82 %) 100 % ▶▶ nie beprobt 1 1,9 % 23 13 % ▶▶ beprobt 51 98 % 150 87 % Tab. 3 | Angaben zur Untersuchungspflicht und zur letzten Trinkwasseruntersuchung vor Auftreten des Falles von ambulant erworbener Legionärskrankheit (AE-LK) für Fälle, die in Gebäuden mit untersuchungspflichtiger Trinkwasser-Installation (TWI) lebten. Datenquelle: LeTriWa-Studie und Meldedaten. tion über die Umsetzung der TrinkwV hätte erkannt weiten Meldedaten ein geschätzter Anteil von 21 % und beseitigt werden können. an Fällen, die von einer TWI versorgt wurden, bei denen das Risiko vor Auftreten des Falles gemäß Im Rahmen der bundesweiten Meldedaten hatten TrinkwV hätte reduziert werden können. 37 % der Fälle eine untersuchungspflichtige TWI (s. Tab. 3), von diesen waren 13 % noch nie zuvor be- Fragestellung (5) Berlin: Inwieweit stimmt die Legio probt worden. Bei den 87 % der Fälle mit vorausge- nellenkonzentration aus der Untersuchung vor Auf- gangener Trinkwasseruntersuchung lag die höchste treten des Falles mit der aus der anlassbezogenen zuletzt gemessene Legionellenkonzentration bei Untersuchung (nach Auftreten des Falls) aus dem 50 % der Fälle mit Nachweis einer Legionellenkon- Badezimmer des Fall-Haushaltes überein? (Daten- tamination oberhalb des TMW. Dieser Anteil ist quelle: LeTriWa-Studie) nicht direkt vergleichbar mit dem der LeTriWa- Daten, da hierbei die Fälle nicht berücksichtig wer- Von den 51 LeTriWa-hTW-Fällen mit Angaben zum den, bei denen in der letzten Trinkwasseruntersu- letzten Wert wurde bei 50 Fällen auch die SHH-Pro- chung keine Legionellen identifiziert werden konn- ben genommen. Für die Beantwortung der Frage- ten. Nach der gleichen Rechnung wie in Abbil- stellung teilten wir die 50 Fälle in zwei Gruppen ein: dung 5 dargestellt ergibt sich anhand der bundes-
Epidemiologisches Bulletin 35 | 2022 1. September 2022 11 (1) die Legionellenkonzentration lag vor Auftreten b-Probe am Waschbecken nach Auftreten des Falles des Falles unterhalb oder gleich dem des TMW oberhalb von 100 KBE/100 ml. Davon waren bei vier (38/50 = 76 %; s. Abb. 6), und Fällen zwischen Probenahme, die dem letzten Wert (2) die Legionellenkonzentration lag vor Auftreten vor Auftreten des Falles zugrunde lag, und dem Er- des Falles oberhalb des TMW (12/50 = 24 % der krankungsbeginn 0,5 bis 2,5 Jahre vergangen, bei Fälle; s. Abb. 6). einem Fall 4,3 Jahre. In der zweiten Gruppe (letzter Kreis non-upfl 44% Balken 1 upfl 56% Wert > TMW) lag die Legionellenkonzentration der < TMW 73% > TMW In der ersten Gruppe (letzter Wert ≤ TMW) wurde 25% anlassbezogenen SHH-Proben bei 58 % der Fälle nie zuvor bepr bei etwa der Hälfte der Fälle (55 %) auch bei den an- 2% oberhalb von 100 KBE/100 ml, bei einem Fall (8 %; Balken 2 < TMW 75% > TMW lassbezogenen SHH-Proben eine Legionellenkon- 25% 1/12) konnte die erhöhte Legionellenkonzentration zentration von ≤ 100 KBE/100 ml gemessen. Bei auch in der Zweck b-Probe nachgewiesen werden (s. 13 % (5/38) der Fälle lag jedoch (u. a.) die Zweck Abb. 6). 73% 73% 75% 75% 98% TMW TMW 98% 56% 56% (mit letztem Wert) TMW TMW (mit letztem Wert) TMW 25% 25% 25% 25% >> TMW TMW > TMW 2% 2%2% nie zuvor beprobt nie zuvor beprobt nie zuvor beprobt Untersuchungspflicht TW-Untersuchung letzter Wert vor Auftreten des Falls vor Auftreten des Falls Untersuchungspflicht hung TW-Untersuch letzterhung Wert letzter Wert es Falls vor Au�reten deFalls es vor Auftreten des Falls Gesamt = 56 % × (2 % + (98 %des vor Auftreten x 25 Falls %)) = 15 % Abb. 5 | Geschätzter Gesamt Anteil % * 25 %)) = 15 = 56 % * (2 %bei der%Fallpersonen, + (98 %% denen häusliches * 25 Trinkwasser (TW) als %)) = 15 % verursachend für die Legionärskrankheit zugeschrieben wurde, die von einer untersuchungs- pflichtigen Trinkwasser-Installation versorgt wurden, die entweder noch nie beprobt wurde oder deren letzte gemessene Legionellenkonzentration oberhalb des technischen Maßnah- menwerts (TMW) lag. Datenquelle: LeTriWa-Studie. Anzahl Fälle Zweck c und b nur Zweck c nur Zweck b 25 25 Zweck c und b nur Zweck c nur Zweck b 20 20 25 ANZAHL FÄLLE 15 15 20 ANZAHL FÄLLE 10 10 15 55 10 5 00 SHH ≤ TMW SHH > TMW SHH ≤ TMW SHH > TMW 0 letzter Wert ≤ TMW SHH ≤ TMW let>ztTMW SHH er Wert > TMW SHH ≤ TMW SHH > TMW letzter Wert ≤ TMW letzter Wert > TMW Abb. 6 | Vergleich der Legionellenkonzentration vom höchsten zuletzt gemessen Wert vor Auftreten des Falles (unterhalb/gleich (n = 38) bzw. oberhalb des technischen Maßnahmen- werts, TWM (n = 12)) und dem höchsten Wert der drei Standard-Haushaltswasserproben (SHH) bei der anlassbezogenen Untersuchung (nach Auftreten des Falles). Datenquelle: LeTriWa-Studie. „Fall“ in diesem Kontext = vermutlich bzw. wahrscheinlich über das häusliche Trinkwasser infizierter Fall.
Anteil Fälle/Kontrollen mit Werten > TM 70% 60% Epidemiologisches Bulletin 35 | 2022 50% 1. September 2022 12 40% 30% 20% 10% Anteil Fälle/Kontrollen mit Werten > TMW 0% Letzter Wert > TMW Zweck c bei SHH > TMW Zweck b bei SHH > TMW 80% 80 % Anteil Fälle/Kontrollen mit Werten > TMW LeTriWa-hTW-Fälle Kontrollen 70% 70 % 60% 60 % 80% 80% 80% Anteil Fälle/Kontrollen mit Werten > TMW Anteil Fälle/Kontrollen mit Werten > TMW Anteil Fälle/Kontrollen mit Werten > TMW 50% 50 % 70% 70% 70% 60% 60% 60% 40% 40 % 50% 50% 50% 30% Kontrollen: unbekannt 30 % 40% 40% 40% 20 % 30% 20% 30% 30% 20% 20% 20% 10% 10 % 10% 10% 10% 0% 0% 0% 0% 0% LetzterWert Letzter Wert Letzter >>TMW Wert Letzter TMW > Zweck TMW Wertc>bei ZweckZweck TMWSHH c cbei >bei Zweck TMW SHHcZweck SHH >bei >TMW SHH b bei TMW Zweck > TMW SHH b >bei Zweck ZweckTMWSHH b bbei >bei TMWSHH SHH> TMW > TMW LeTriWa-hTW-Fälle Abb. 7 | Anteil der Fälle mit LeTriWa-hTW-Fälle LeTriWa-hTW-Fälle Kontrollen untersuchungspflichtiger Kontrollen Kontrollen Trinkwasser-Installation, bei denen der letzte Wert VOR AuftretenLeTriWa-hTW-Fälle Kontrollen des Falls bzw. die nach Auftreten des Falls durchgeführten anlassbe- zogenen Zweck c- und Zweck b-Proben im Badezimmer (Standard-Haushaltswasserproben, SHH) eine Legionellenkonzentration von > 100 KBE/100 ml aufwies. Zum Vergleich sind für die Werte der anlassbezogenen Untersuchung auch die Werte bei den Kontrollpersonen angegeben. Bei Kontrollpersonen konnte der letzte Wert (vor Rekrutierung der Kontrollperson) nicht verlässlich erhoben werden („unbekannt“). Datenquelle: LeTriWa-Studie. LeTriWa-hTW- Fall = vermutlich bzw. wahrscheinlich über das häusliche Trinkwasser infizierter Fall; TMW = technischer Maßnahmenwert. Werden die 50 Fälle aus der ersten und zweiten wasserversorgung (Durchlauferhitzer/Gastherme) Gruppe zusammen betrachtet, so lag der Anteil der wohnten. Während beispielsweise das Bundes- Fall-Haushalte, bei denen in einer der Zweck c- baublatt angibt, dass man mit dezentralen Trink- Proben eine Legionellenkonzentration von mehr als wassererwärmern „auf der sicheren Seite“ sei,12 um 100 KBE/100 ml gemessen wurde, bei 46 % (23/50) ein Risiko für Legionärskrankheit zu vermeiden, und der Anteil mit einer Zweck b-Probe oberhalb weisen diese Daten darauf hin, dass es auch bei von 100 KBE/100 ml bei 12 % (6/50) (s. Abb. 7; Nutzung von dezentralen Trinkwassererwärmern dunkelblaue Balken). Dabei gab es keinen Unter- zu Fällen von Legionärskrankheit kommen kann schied zu den Befunden aus den Kontroll-Haushal- und die TWI beim Auftreten von Fällen untersucht ten (s. Abb. 7; hellblaue Balken). werden sollten. Wäre das Risiko, an Legionärs- krankheit zu erkranken für Personen, die von un- tersuchungspflichtigen TWI versorgt werden, um Diskussion ein Vielfaches höher als für Personen, die von nicht- Die Mehrheit der Fälle mit AE-LK (63 %), die dem untersuchungspflichtigen TWI versorgt werden, RKI im Rahmen der allgemeinen Meldepflicht in dann müsste auch der Anteil der Fälle, die von un- den Jahren 2019 – 2021 übermittelt wurden, lebte tersuchungspflichtigen TWI versorgt werden, weit- nicht in Gebäuden, deren TWI nach TrinkwV un- gehend unabhängig von der Gebäudestruktur in ei- tersuchungspflichtig war. Eine fehlende Untersu- nem Land- oder Stadtkreis sein. Der Anteil der Fälle chungspflicht der TWI ging in Land- und Stadtkrei- mit nicht-untersuchungspflichtiger TWI ist jedoch sen vor allem auf Fallpersonen zurück, die in Ein- proportional zum Anteil der Bevölkerung in einem bzw. Zweifamilienhäusern wohnten, und bei Groß- Kreis, der in (nicht-untersuchungspflichtigen) Ein- städten vor allem auf Fallpersonen, die in Ein- oder Zweifamilienhäusern lebt (s. Abb. 4). Dies bzw. Mehrfamilienhäusern mit dezentraler Trink- spricht eher dafür, dass das Auftreten von AE-LK zu-
Epidemiologisches Bulletin 35 | 2022 1. September 2022 13 mindest für die untersuchten Jahre (2019 – 2021) untersuchungspflichtigen TWI Legionellen vor- wenig davon beeinflusst wird, in welcher Art von kommen können und diese eine ursächliche Rolle Gebäuden die Bevölkerung wohnt bzw. von welcher für den Erwerb der Legionärskrankheit spielen kön- Art der TWI (untersuchungspflichtig oder nicht nen.3 Bei einem gegebenen Fall sollte die Bepro- untersuchungspflichtig) sie versorgt wird. Aller- bung des Haushalts/Wohngebäudes deshalb nicht dings ist es möglich, dass die beobachtete Häufig- von der Untersuchungspflicht der TWI abhängen keitsverteilung eine Folge der eingeführten Unter- (s. Kasten, Fall 1). suchungspflicht gemäß der TrinkwV seit 2011 ist. Dann hätten sich vor bzw. zum Zeitpunkt des In- Bei Fällen, die von einer untersuchungspflichtigen krafttretens die Fälle noch so verteilt, wie in Abbil- TWI versorgt wurden, interessierte vor allem auch, dung 2A dargestellt, und sich erst nach und nach ob diese TWI zuvor schon einmal untersucht wor- dem jetzigen Stand, ähnlich wie in Abbildung 2B den war. Dies traf bei 2 % der LeTriWa-hTW-Fälle bzw. Abbildung 2C, angenähert. Die Bestätigung und bei 13 % der bundesweiten Meldefälle nicht zu. dieser Hypothese könnte allerdings nur durch eine Bei den übrigen 98 % bzw. 87 % waren vor Auftre- retrospektive Zusammenstellung der entsprechen- ten des Falles bereits Untersuchungen erfolgt (was den Falldaten untersucht werden. Dies scheint aber für eine gute Umsetzung der TrinkwV spricht). Bei – wenn überhaupt – nur in bestimmten Bundeslän- den LeTriWa-hTW-Fällen mit Angabe zum letzten dern möglich zu sein, denn zumindest für Berlin Wert wurde bei 25 % der Fälle eine vorherige Über- stehen diese Daten aus Datenschutzgründen nicht schreitung des TMW angegeben. Im Produkt der mehr so weit zurückliegend zur Verfügung. verschiedenen Anteile bedeutet dies, dass bei 15 % der LeTriWa-hTW-Fälle durch vollständige und kor- Zwar wurden in der Berliner LeTriWa-Studie Fälle, rekte Umsetzung der TrinkwV die TWI hätte dekon- deren Erkrankung mit häuslichem TW assoziiert taminiert werden können, um den Fall von AE-LK war, häufiger von einer untersuchungspflichtigen zu verhindern. Anhand der bundesweiten Melde TWI versorgt als die Kontrollpersonen, jedoch gilt daten ermittelten wir mit 21 % einen leicht höheren diese Assoziation nur, wenn bei der Berechnung le- Wert, wobei dieser aufgrund fehlender Informatio- diglich die Personen mit Angaben zur Untersu- nen nicht direkt mit den Ergebnissen aus der LeTri- chungspflicht eingeschlossen werden. Gerade bei Wa-Studie vergleichbar ist und möglicherweise zu Kontrollpersonen war es schwieriger, diese Infor- hoch geschätzt wird. Weiterhin ist zu beachten, dass mation zu erhalten, da die Unternehmer oder sons- beiden Berechnungen vergleichsweise kleine Zah- tige Inhaber der TWI nicht immer erfolgreich vom len zugrunde liegen. Umgekehrt geht aus den Ana- Studienteam kontaktiert werden konnten. Bei den lysen der LeTriWa-Studie hervor, dass bei 45 % der Kontrollpersonen mit fehlender Angabe zur Unter- Fälle, bei denen der letzte Wert vor Auftreten des suchungspflicht handelt es sich ausschließlich um Falles unterhalb des TMW lag, eine der anlassbezo- Mehrfamilienhäuser mit zentraler Trinkwasser genen (Zweck b- oder Zweck c-)Proben aus dem erwärmung und unbekannter Größe des Warmwas- Haushalt oberhalb von 100 KBE/100 ml lag (s. serspeichers. Vermutlich würde der größere Teil der Abb. 6). Vergleiche mit Kontrollhaushalten zeigten Trinkwassererwärmer eine Speicherkapazität von allerdings, dass die Anteile der SHH-Proben, die > 400 Liter bzw. ein Rohrvolumen vom Trinkwasser 100 KBE/100 ml überstiegen, bei Fällen und Kon erwärmer bis zur Entnahmestelle von > 3 Liter haben trollen ähnlich hoch waren. Auch dieser Befund und wäre somit untersuchungspflichtig. Würde spricht insgesamt nicht dafür, dass die Legionellen- man bei Fällen und Kontrollen, bei denen die Un- konzentration von 100 KBE/100 ml ein guter prädik- tersuchungspflicht unbekannt war und die in Mehr- tiver Parameter für das Auftreten von AE-LK ist. familienhäusern mit zentraler Trinkwassererwär- Weitere, hier nicht dargestellte Auswertungen aus mung wohnten, davon ausgehen, dass sie von einer der LeTriWa-Studie zeigten, dass der eigentliche untersuchungspflichtigen TWI versorgt wurden, Unterschied im TW zwischen Fall- und Kontroll- läge eine signifikante Assoziation von AE-LK und Haushalten darin bestand, dass in den SHH-Proben Untersuchungspflicht nicht mehr vor. Wir konnten im Fall-Haushalt signifikant häufiger Legionellen in der LeTriWa-Studie zeigen, dass auch in nicht- gefunden wurden, die dem monoklonalem Antikör-
Epidemiologisches Bulletin 35 | 2022 1. September 2022 14 Anhand von zwei Fallbeispielen aus der LeTriWa-Studie sollen verschiedene Facetten der Infektionsquellensu- chen aufgezeigt werden, die im Artikel angesprochen werden. Fall 1 Fall 2 Der Patient wurde in einem Berliner Krankenhaus im Bei der erkrankten Person (Fall A) kamen nach der Rahmen eines elektiven Eingriffs aufgenommen. Befragung zur Exposition möglicher Infektionsquel- Drei Tage später erkrankte die Person an der len sowohl der Haushalt als auch eine externe Quelle Legionärskrankheit mit einem schweren Verlauf (öffentliche Einrichtung mit Dusche) in Frage. Die (beatmungspflichtig). Beim Patienten wurde ein Beprobung des Haushalts ergab in der Zweck MAb 3/1-positiver Stamm mit dem Subtyp Knoxville c-Probe der Dusche eine Legionellenkonzentration und dem Sequenztyp (ST) 182 nachgewiesen. Im von 2.600 KBE/100 ml, allerdings nicht in Überein- Rahmen der Infektionsquellensuche wurde sowohl stimmung mit dem Patientenstamm: Während beim der Haushalt als auch das Krankenhaus beprobt. Patienten ein MAb 3/1-positiver Stamm identifiziert Dabei wurde im Haushalt ebenfalls der MAb 3/1- wurde (der MAb-Subtyp war wegen Mangel an positive Subtyp Knoxville mit dem ST182 identifi- Material nicht identifizierbar), wurde in der Dusche ziert. Alle Umweltproben aus dem Krankenhaus im Fall-Haushalt ein MAb 3/1-negativer Stamm waren negativ auf Legionellen getestet worden. nachgewiesen. In der Zweck b-Probe vom Wasch Darüber hinaus wurde eine Gefährdungsanalyse im becken konnten keine Legionellen nachgewiesen Wohngebäude des Erkrankten durchgeführt. Es werden (0 KBE/100 ml). Innerhalb der Einrichtung, handelte sich um ein kleines dreistöckiges Dreifami- die er regelmäßig besucht, gab es einen konkreten lienhaus mit einer dezentralen Trinkwassererwär- Hinweis auf einen möglichen Expositionsort. Dort mung (Gastherme auf jeder Etage). Aufgrund des konnte in einer Zweck c-Probe eine Legionellenkon- ermittelten Rohrleitungsvolumens von der Gasther- zentration von 3 KBE/100 ml sowie ein MAb 3/1- me bis zur Dusche im Badezimmer von 2,5 Liter positiver Stamm mit dem Subtyp Knoxville nachge- handelt es sich bei dem Gebäude aus technischer wiesen werden. Etwa sieben Monate nachdem Fall A Sicht nicht um eine untersuchungspflichtige Großan- erkrankt war, trat ein weiterer Fall von Legionärs- lage. Die Dusche wurde nur unregelmäßig benutzt. krankheit (Fall B) auf, der während der Inkubations- Die höchsten Legionellenkonzentrationen wurden in zeit dieselbe Einrichtung besucht hatte. Die Einrich- den Proben vom Waschbecken des Badezimmers tung wurde daraufhin anlassbezogen erneut beprobt. nachgewiesen (Nachweis von > 40.000 KBE/100 ml Die höchsten Legionellenkonzentrationen wurden in einer Zweck c-Probe und 11.700 KBE/100 ml in mit 12.000 KBE/100 ml in einer nach Zweck c einer Zweck b-Probe). genommenen Kaltwasserprobe und mit 3.300 KBE/ 100 ml in einer nach Zweck b genommenen Warm- Bewertung: Obwohl der Patient erst nach Kranken- wasserprobe gefunden. Bei der Warmwasserprobe hausaufnahme an der Legionärskrankheit erkrankte, konnte – in Übereinstimmung mit dem Patienten- wird angesichts der Identifikation eines MAb stamm – ein MAb 3/1-positiver Stamm nachgewie- 3/1-positiven Stammes vom MAb-Subtyp Knoxville, sen werden. ST182 sowohl beim Patienten als auch im Trinkwas- ser des Haushalts die Infektion im eigenen Wohn- Bewertung: Obwohl bei Fall A in der Zweck c-Probe haus als wahrscheinlicher angesehen, zumal die der Dusche im Fall-Haushalt mit 2.600 KBE/100 ml untersuchten Proben im Krankenhaus alle negativ eine höhere Legionellenkonzentration nachgewiesen waren. Der Fall verdeutlicht zum einen, dass die werden konnte als in der Dusche der Einrichtung Beprobung des Haushalts/Wohngebäudes im (3 KBE/100 ml), spricht die Übereinstimmung des Rahmen der Infektionsquellensuche nicht von der MAb-Typs (3/1-positiv) aus der fraglichen Einrich- Untersuchungspflicht der Trinkwasser-Installation tung und des Patienten sowie das Auftreten eines (TWI) abhängig gemacht werden sollte, da auch in weiteren Falles mit derselben potenziellen Infektions- nicht-untersuchungspflichtigen TWI (pathogene) quelle (Fall B, ebenfalls mit Übereinstimmung des Legionellen vorkommen können. Zum anderen zeigt Patienten- und Umweltstamms) für eine Infektion das Fallbeispiel, dass es trotz Reise- oder Kranken- durch die Dusche der Einrichtung. Der Fall A hausexposition sinnvoll ist, das häusliche Trinkwas- verdeutlicht, dass bei der Infektionsquellensuche ser zu untersuchen, wenn hierdurch innerhalb der unabhängig von der Höhe der gemessenen Legio Inkubationszeit vor Erkrankungsbeginn ebenfalls nellenkonzentration die Art der nachgewiesenen eine Exposition vorgelegen hat. Legionellen von Bedeutung ist.
Epidemiologisches Bulletin 35 | 2022 1. September 2022 15 per(MAb)-Typ angehören und zu den MAb 3/1-posi- suchungspflichtigen TWI der Fallpersonen bereits tiven Stämmen zählen.3,11 Während also für die Be- nach Maßgabe der TrinkwV untersucht worden zu urteilung der technisch-hygienischen Integrität ei- sein, was für eine recht umfassende Umsetzung der ner TWI die gemessene Höhe einer Legionellenkon- TrinkwV spricht. Insgesamt wurde die Mehrheit der zentration von hohem Wert ist,13 scheint bezüglich Fallpersonen von einer nicht-untersuchungspflich- des Risikos für das Auftreten von AE-LK vielmehr tigen TWI versorgt, wobei die Häufigkeit von unter- der Legionellentyp von Bedeutung zu sein, der die suchungspflichtigen oder nicht-untersuchungs- TWI besiedelt. Für die Infektionsquellensuche be- pflichtigen TWI unter Fallpersonen der Häufigkeit deutet dies, dass bei Identifikation eines MAb 3/1- in der Gesamtbevölkerung zu ähneln scheint. Die in positiven Stammes z. B. in einer externen Infek der LeTriWa-Studie beobachtete Assoziation von tionsquelle diese (auch bei niedriger Legionellen- AE-LK mit der Untersuchungspflicht der TWI be- konzentration) als auslösende Infektionsquelle in stand nicht mehr, wenn angenommen wurde, dass Betracht gezogen werden sollte, auch wenn zeit- bei Personen ohne Angabe die TWI untersuchungs- gleich im häuslichen TW eine Legionellenkonzen pflichtig war. Selbst bei den Fallpersonen, die in Ge- tration oberhalb von 100 KBE/100 ml gemessen bäuden mit untersuchungspflichtigen TWI wohn- wurde, dort aber kein MAb 3/1-positiver Stamm ten, lag vor Auftreten des Falles nur in 15 % (z. B. we- nachgewiesen wurde oder die MAb-Zugehörigkeit gen erhöhtem TMW) eine Konstellation vor, bei der nicht bekannt ist (s. Kasten, Fall 2A). Für die Er- die TrinkwV ein Eingreifen vorgeschrieben hätte. mittlung der Infektionsquelle eines Falles hat sich Daher scheint der Grad der Legionellenkontamina- aufgrund der Erfahrungen aus der LeTriWa-Studie tion (mit jeglichen Legionellen) oberhalb des TMW die Entnahme von Zweck c-Proben als wertvoll er- zwar ein guter Indikator für den technischen Zu- wiesen.3 stand der TWI zu sein, erlaubte in unserer Untersu- chung aber keine gute Vorhersage für das Auftreten Die vorliegende Untersuchung hat folgende Limi von Fällen von AE-LK. Dieses Ergebnis unterstützt tationen: Es ist möglich, dass die bundesweiten Mel- die im Epidemiologischen Bulletin 28/2022 aus der defälle, die hier als AE-LK kategorisiert wurden, Analyse der im Fall-Kontroll-Ansatz gewonnenen u. U. auch Fälle beinhalten, deren Quelle im außer- Erkenntnisse, dass es für das Auftreten von AE-LK häuslichen Bereich liegt (z. B. in einem besuchten weniger auf die Höhe der gemessenen Legionellen- Schwimmbad) oder deren Infektion durch eine kontamination ankommt, sondern auf das Vorkom- häusliche Nicht-Trinkwasserquelle verursacht wur- men besonders pathogener Stämme im TW der Fall de, z. B. einen Luftbefeuchter. In der LeTriWa-Studie person. betrug der Anteil der beiden Gruppen bei den Stu- dienteilnehmenden zusammen 22 %. Darüber hin- aus ist die Datengrundlage der Meldedaten noch nicht vollständig, jedoch haben wir insgesamt auch aufgrund des Vergleichs mit den LeTriWa-Daten keine Hinweise, dass diese implausibel sind. So ist z. B. der Anteil der Berliner Fälle mit untersu- chungspflichtiger TWI mit 59 % in den Meldedaten sehr ähnlich zu den 56 % bei den LeTriWa-Daten. Fazit Aus den schon veröffentlichten Ergebnissen der LeTriWa-Studie ließ sich ableiten, dass bei dem größten Teil der Fälle von AE-LK (in der Studie: 78 %) häusliches TW eine vermutliche oder wahr- scheinliche Rolle spielt. Auf Grundlage der vorlie- genden Untersuchung scheinen ca. 90 % der unter-
Epidemiologisches Bulletin 35 | 2022 1. September 2022 16 Literatur ordnung/Stammtext_TrinkwV_und_Legionel- 1 Brodhun B, Buchholz U. Epidemiologie der Legio- len_250418.pdf 2018. närskrankheit in Deutschland – Entwicklungen in 6 Deutscher Verein des Gas- und Wasserfachs. den Jahren 2010 bis 2020. Epid Bull. 2021;42:3-17. DVGW-Arbeitsblatt W 551 (04/2006): 2 Buchholz U, Lehfeld AS, Jahn HJ, Brodhun B, Trinkwassererwärmungs- und Leitungsanlagen; Lewandowsky MM, Reber F, Adler K, Bochmann J, Technische Maßnahmen zur Verminderung des Förster C, Koch M, Schreiner Y, Stemmler F, Gagell Legionellenwachstums (zu beziehen über Wirt- C, Harbich E, Petzold M, Bärwolff S, Schilling B, schafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser Beyer A, Schmidt S, Geuß-Fosu U, Hänel M, mbH, Postfach 14 01 51, 53056 Bonn). Larscheid P, Schumacher J, Murajda L, Savaskan N, 7 RKI/UBA. Primärprävention von Legionellosen. Morawski K, Peters U, Hinzmann A, Pitzing R, aufgerufen am: 13.03.2022. Verfügbar unter: Bednarz E, Siedentopf T, Widders G, Abdelgawad I, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/L/Legionello- Wischnewski N, Zuschneid I, Atmowihardjo I, se/OEGD/Primaerpraevention_Legionellosen.html. Arastéh K, Behrens S, Creutz P, Elias J, Gregor M, Kahl S, Kahnert H, Kimmel V, Lehmke J, Migaud P, 8 Umweltbundesamt. Systemische Untersuchungen Mikolajewska A, Moos V, Naumann MB, Pankow von Trinkwasser-Installationen auf Legionellen nach W, Scherübl H, Schmidt B, Schneider T, Stocker H, Trinkwasserverordnung - Probennahme, Untersu- Suttorp N, Thiemig D, Gollnisch C, Mannschatz U, chungsgang und Angabe des Ergebnisses; Haas W, Schaefer B, C L. Infektionsquellensuche 02.01.2019. Aufgerufen am: 13.03.2022. Verfügbar bei ambulant erworbenen Fällen von Legionärs- unter: https://www.umweltbundesamt.de/doku- krankheit – Ergebnisse der LeTriWa-Studie; Berlin, ment/systemische-untersuchungen-von-trinkwas- 2016 – 2020 – Teil 1 (Studienmethodik). Epidemiolo- ser. Bad Elster: Umweltbundesamt (UBA); 2019. gisches Bulletin. 2022;27:13-22. 9 Infektionsschutzgesetz https://www.gesetze-im-in- 3 Lehfeld AS BU, Jahn HJ, Brodhun B, Lewandowsky ternet.de/ifsg/IfSG.pdf (abgerufen am 4.2.2019). MM, Reber F, Adler K, Bochmann J, Förster C, Koch 2000. M, Schreiner Y, Stemmler F, Gagell C, Harbich E, Petzold M, Bärwolff S, Schilling B, Beyer A, Schmidt 10 Statistische Ämter des Bundes und der Länder. S, Geuß-Fosu U, Hänel M, Larscheid P, Schumacher Zensusdatenbank. aufgerufen am: 13.03.2022. J, Murajda L, Savaskan N, Morawski K, Peters U, Verfügbar unter: https://ergebnisse2011. Hinzmann A, Pitzing R, Bednarz E, Siedentopf T, zensus2022.de/datenbank/online/. 2011. Widders G, Abdelgawad I, Wischnewski N, 11 Buchholz U, Jahn HJ, Brodhun B, Lehfeld AS, Zuschneid I, Atmowihardjo I, Arastéh K, Behrens S, Lewandowsky MM, Reber F, et al. Source attributi- Creutz P, Elias J, Gregor M, Kahl S, Kahnert H, on of community-acquired cases of Legionnaires’ Kimmel V, Lehmke J, Migaud P, Mikolajewska A, disease-results from the German LeTriWa study; Moos V, Naumann MB, Pankow W, Scherübl H, Berlin, 2016-2019. PLoS One. 2020;15(11):e0241724. Schmidt B, Schneider T, Stocker H, Suttorp N, Thiemig D, Gollnisch C, Mannschatz U, Haas W, 12 Bundesbaublatt. WÄRME+ empfiehlt dezentrale Schaefer B, Lück C. Infektionsquellensuche bei am- Versorgung mit elektronischen Durchlauferhitzern. bulant erworbenen Fällen von Legionärskrankheit – Verfügbar unter: https://www.bundesbaublatt.de/ Ergebnisse der LeTriWa-Studie; Berlin, 2016–2020 – artikel/bbb_Trinkwasser_ist_mit_gefaehrlichen_ Teil 2 (Ergebnisse und Diskussion). Epidemiologi- Bakterien_belastet_2232691.html. Aufgerufen am: sches Bulletin. 2022;28:3-16. 27.03.2022. 4 Bundesministerium der Justiz. Verordnung über die 13 Hentschel W, Heudorf U. Allgemein anerkannte Qualität von Wasser für den menschlichen Ge- Regeln der Technik und Legionellen im Trinkwasser. brauch (Trinkwasserverordnung – TrinkwV). Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – https://www.gesetze-im-internet.de/trinkwv_2001/ Gesundheitsschutz. 2011;54(6):717-23. TrinkwV.pdf . Aufgerufen am 13.03.2022. 2001. 5 BMG. Trinkwasserverordnung und Legionellen. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fi- leadmin/Dateien/3_Downloads/T/Trinkwasserver-
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