April/1.Mai 2022 Vladimir Jurowski - Rundfunk ...
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2 BEETHOVEN – SINFONIE NR. 7 „Es ist eine merkwürdige Sache. Man kann sich zehn- tausendmal innerlich sagen: Sie haben es ja so gewollt, sie haben den Krieg angefangen, sie haben sechs Millionen Juden vergast – es hilft alles nichts: Wenn man die ersten zerschossenen Stadtteile sieht, überfällt einen der Ge- danke, was es für ein Wahnsinn ist, dass Menschen sich so etwas antun können, und ich habe wieder einmal heulen müssen. Nicht aus Mitleid, sondern aus Verzweiflung, dass 2000 Jahre nach der Bergpredigt so etwas immer noch möglich ist.“ Werner Richard Heymann, 1951, bei seiner Rückkehr aus dem Exil nach Deutschland
4 PROGRAMM 5 30. April 2022 Samstag, 20 Uhr Konzerthaus Berlin Marko Nikodijević 1. Mai 2022 (geb. 1980) „cvetić, kućica ... la lugubre gondola“ – Sonntag, 20 Uhr Trauermusik für Orchester nach Franz Liszt Philharmonie Berlin Jelena Firssowa Abo-Konzerte (geb. 1950) Konzert für Viola und Orchester op. 144 (Uraufführung) › Andante, rubato VLADIMIR JUROWSKI › Adagio Nils Mönkemeyer, Viola Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Pause Dmitri Schostakowitsch (1906 – 1975) Sinfonie Nr. 8 c-Moll op. 65 › Adagio › Allegretto › Allegro non troppo – attacca › Largo – attacca › Allegro marciale animato Konzert mit Übertragung am 1. Mai 2022, 20.03 Uhr. Europaweit. In Berlin auf UKW 89,6 MHz; Kabel 97,55; Digitalradio (DAB); Satellit; online und per App.
6 7 Steffen Georgi Gedenken und Weitertragen Am 7. Mai 2020, dem Vorabend Marko Nikodijević des 75. Jahrestages des Endes „cvetić, kućica ... la lugubre des Zweiten Weltkrieges, war ein gondola“ – Trauermusik für besonderes Konzert des Rund- Orchester nach Franz Liszt funk-Sinfonieorchesters Berlin in der Berliner Philharmonie Besetzung vorgesehen. Vladimir Jurowski 3 Flöten, 2 Oboen, 2 Klari sollte es dirigieren. Das Konzert netten, 2 Fagotte, 2 Hörner, konnte aufgrund der Pandemie 2 Trompeten, 2 Posaunen, nicht stattfinden. Wegen der Tuba, Pauken, Schlagzeug, Wichtigkeit des Anlasses kam Harfe, Klavier (verstärktes dem RSB Deutschlandfunk Kultur Pianino mit Supersordino), als Partner zu Hilfe und sendete Streicher das geplante Konzert dennoch – mit Hilfe von Archivaufnahmen. Dauer Auf dem Programm standen ca. 17 Minuten zwei der drei Werke, die heute Abend erklingen: Nikodijevićs Das RSB möchte mit dem heuti- Frieden ist Verlag Trauermusik und die Sinfonie Nr. gen Konzert ein starkes Zeichen das höchste Gut Boosey & Hawkes | Bote & 8 von Schostakowitsch. Im Falle dafür setzen, was Musik in Zeiten Bock | Sikorski | Anton J. der Sinfonie konnte auf einen des Krieges in den Köpfen und Im Moment der Konzipierung des Benjamin Livemitschnitt zurückgegriffen Herzen der Menschen zu be- heutigen Konzertes vor mehr als werden, der am 6. März 1998 wegen vermag. Das wäre auch drei Jahren war nicht absehbar, Entstanden entstanden war. Michail Jurowski, Michail Jurowski ein dringendes welch bestürzende Aktualität die 2009 der Vater von Vladimir Jurowski, Anliegen gewesen. Wir verneigen nun erklingenden Werke 77 Jahre leitete damals das RSB als Stän- uns vor ihm in ehrendem Ge- nach dem Ende des Zweiten Welt- Uraufführung diger Gastdirigent in einer unver- denken. krieges erneut haben würden. 12. September 2009; gesslichen Schostakowitsch-Auf- Russland führt seit 24. Februar Brandenburg an der Havel, führung. Nun ist Michail Jurowski 2022 Krieg gegen die Ukraine. Industriemuseum; Branden am 19. März 2022 im Alter von Wir müssen erkennen, wie fragil burger Symphoniker; 76 Jahren verstorben. der Frieden nach wie vor ist und Michael Helmrath, Dirigent Giacomo Puccini
8 MARKO NIKODIJEVIĆ – „CVETIĆ, KUĆICA ... LA LUGUBRE GONDOLA“ 9 dass es nicht nachlassender An- abgeworfen wurden. Werk, das im heutigen Konzert in der Freiheit, der den serbischen strengungen bedarf, ihn wieder Dass sich Kriege dennoch wie- Berlin erklingt: „cvetić, kućica … Künstler seine ungewöhnlichsten zu erreichen und zu bewahren. derholen, weiß der gebürtige Ser- / la lugubre gondola“. Vladimir Ideen generieren lässt. Er greift Unabdingbare Voraussetzung be Marko Nikodijević bereits seit Jurowski hat es 2014 in Brüssel dabei auf kleinste Keimzellen der dafür ist, dass die Menschen ihre 1998 aus eigener Erfahrung. Das und in London dirigiert und Musik oder auf von Computern derzeit grassierende Verrohung Werk „cvetić, kućica ... la lugubre daraufhin die Idee gefasst, mit erstellte Fragmentierungen, unverzüglich beenden, auch und gondola“ ist entstanden mit Marko Nikodijević enger zusam- Komprimierungen, Dehnungen gerade diejenigen die sich für Blick auf den Kosovo-Krieg von menzuarbeiten. und/oder Schichtungen zurück, zivilisiert halten und im Recht 1998/1999. Mit beklemmender Marko Nikodijević war in der die er zuvor aus Originalwerken glauben. Kultur kann dafür einen Intensität kann Musik von Trauer Spielzeit 2019/2020 Composer- förmlich herauspräpariert hat. wertvollen Beitrag leisten. künden. Möge eines Tages das in-Residence beim Rundfunk- Mit Hilfe von Computeralgorith- Vor dem Hintergrund wächst Gebot des Friedens unumkehrbar Sinfonieorchester Berlin. Er be- men, Anleihen bei elektronischer der Musik auch heute Abend werden. wundert Strawinsky und er wäre Tanzmusik und Volksmusik, eine eminente Aufgabe zu, weil Physiker geworden, wenn die dem Einsatz von Live-Elektronik es niemals unangemessen ist, Marko Nikodijević Musik ihn nicht derartig in ihren und opulentem Orchestersatz der Opfer von Krieg und Gewalt beim RSB Bann gezogen hätte. Dabei lässt „passieren“ ihm auratische zu gedenken. Der Serbe Marko sich der 42-Jährige nicht fest- Klangwelten, in denen technische Nikodijević und der Russe Dmitri „Seit ich 2014 zum ersten Mal legen auf eine Epoche, ein Genre Raffinesse, zeitgenössische Aus- Schostakowitsch nehmen in ihren mit Vladimir Jurowski in Brüssel oder einen Stil. „Nikodijevićs druckslust und schier sentimen- Werken unmittelbar Bezug auf die und London gearbeitet habe, offensichtliche und weniger tale Romantik eine neue Authen- Gewalt zwischen den Menschen. wollte ich unbedingt ein Werk offensichtliche Verbindungen zur tizität erzeugen, die berührt und Und sie mahnen vor der Wieder- für ihn schreiben und es mit ihm technoiden Musikkultur betreffen erschüttert. „Ich habe Computer holung solch beschämender zur Uraufführung bringen. Diese neben strukturellen Aspekten sehr oft für algorithmische Pro- Gräueltaten, für die es zu keiner Komposition hatte nun lange Zeit ein viel grundlegenderes Phäno- zesse verwendet: zur Herstellung Zeit die geringste Rechtfertigung zu reifen und ich bin sehr glück- men, das in letzter Konsequenz fraktaler Schleifen oder für die geben kann. lich, dass wir das Projekt mit Richard Wagner, Claude Vivier automatisierte Transkription Vor 77 Jahren lag Berlin, lag dem RSB realisieren können, das und das Berghain gemeinsam von Audiofiles in Notenschrift. Europa in Trümmern. Der Frieden ich bereits in einigen Konzerten haben: das der Entgrenzung. Ein Ich kann zum Beispiel einen An- war – zumindest in Europa – zum hören konnte und sehr schätze.“ hypnotisches Abheben in trans- fangsakkord durch Intervallmulti- Greifen nah, am 8. Mai 1945 fand Marko Nikodijević erwähnt in zendente Bezirke des Hörens ist plikation immer neue Akkorde die bedingungslose Kapitulation diesem Zitat seine Komposition auch Nikodijevićs Kompositionen generieren lassen. Es gibt aber der deutschen Wehrmacht statt. „да исправится / gebetsraum mit zu eigen …“ (Dirk Wieschollek) sehr wenige Modelle, die nicht Der Zweite Weltkrieg hatte un- nachtwache“, welche das Rund- zu einer sehr schnellen Entropie ermessliches Leid über die Men- funk-Sinfonieorchester Berlin neigen. Computer machen eben schen in Europa gebracht – und unter der Leitung von Vladimir Mit dem Computer aus nur das, was man von ihnen ver- würde es in Fernost noch bringen Jurowski am 17. Januar 2020 ur- dem Herzen sprechen langt, sie stellen uns vor allem in Gestalt der beiden Atombom- aufgeführt hat. vor die Frage: Wie klar denken ben, die von den USA im Sommer Die Erwähnung der voraus- Es ist der geheimnisvolle Anta- wir?“ Diese Frage beantwortet 1945 über den japanischen gegangenen Zusammenarbeit gonismus aus äußerst strikten Marko Nikodijević gänzlich un- Städten Hiroshima und Nagasaki mit Vladimir Jurowski gilt jenem Regeln und maximal überborden- technisch auf eine sehr sinnliche
10 MARKO NIKODIJEVIĆ – „CVETIĆ, KUĆICA ... LA LUGUBRE GONDOLA“ 11 Weise: Er feilt und verbessert an Leben in den Tod, wie ihn etwa vielen seiner Kompositionen noch Franz Liszt 1883 in Töne gesetzt jahrelang nach deren ersten Auf- hat, als er den Weg von Richard führungen. Wagners Leichnam über die Kanäle von Venedig musikalisch beschrieb. „La lugubre gondola“ „kleine Blume, (Die Trauergondel) heißt das kleines Haus“ verhangene Klavierstück des gebürtigen Ungars, das Marko So lautet die Übersetzung Nikodijević auf eindringliche Wei- der serbokroatischen Be- se mit der Erinnerung an das tote griffe „cvetić, kućica“. Marko Mädchen aus der Donau in Ver- Nikodijević wählte sie als Titel bindung bringt. Die Melodie von für seine Komposition eingedenk Liszt erscheint in Nikodijevićs einer Kinderzeichnung, die 1999 Komposition ab dem zwölften in der Hand eines fünfjährigen Takt, wobei der serbische Künst- Mädchens gefunden worden war. ler Liszts Klaviersatz der (leisen) Das Mädchen starb im Laderaum Trompete und dem Englisch- eines kosovo-albanischen Kühl- horn anvertraut. Während die transporters, den die serbische Trompete etwa bei Gustav Mahler Miliz in der Donau versenkt hatte. oft die Aufgabe der Trauermusik- „Das Stück hebt an mit einer intonation übernimmt (an die sich scheinbar unendlich wie- Nikodijević hörbar erinnert), derholenden, gegeneinander kommt dem Englischhorn, dem verschobenen Linienführung tiefen Oboeninstrument mit der beiden Bratschen, die, als dem charakteristischen, nasalen flautato zu spielen, den Effekt Klang, traditionell in der Musikge- einer Panflöte erzeugen soll (wie schichte eine besondere Rolle als die Spielanweisung der Partitur Träger von Trauerbotschaften zu. lautet). … Klanglich wird mit der Die Möwenschrei-Glissandi bilden Panflötenallusion, die mehr einer „im letzten Drittel des Stückes Illusion gleicht, ein pastorales eine Klangfläche des trauernden Idyll am Flussufer heraufbe- Innehaltens, die mit ihren frakta- schworen.“ (Bernd Künzig) Ruhig len, selbstähnlichen Repetitionen zieht die Donau ihre Bahn, die dem Unendlichen und damit of- Idylle trügt darüber hinweg, dass fenen Ende entgegen strebt: eine sie ebenso ein Fluss ins Toten- Wasserfläche ohne begrenzenden reich sein kann. Für das Mädchen Horizont und eine Sinnlichkeit bildet sie noch nicht einmal den der Trauer ad infinitum“ (Bernd „Der Flötenbläser“, 1936 sanft gleitenden Übergang vom Künzig). Kleine Bronzeplastik von Ernst Barlach
12 13 Lyrisches Drama Die Viola als Soloinstrument passt zu der Komponistin Jelena Jelena Firssowa Firssowa. Ihre Werke sind ge- Konzert für Viola und prägt von verhaltener Intensität. Orchester op. 144 Es dominiert das Pointierte, Komprimierte und bleibt dabei Besetzung stets behutsam und fragil. Fein 3 Flöten (3. auch Piccolo), ausgehörte Klangfarben und 2 Oboen, 2 Klarinetten, Fagott, deren differenzierter Einsatz 4 Hörner, 2 Trompeten, zeichnen ihre Musik aus, welche 3 Posaunen, Tuba, Pauken, auch im 21. Jahrhundert und in Schlagzeug, Harfe, Celesta, zeitgenössischer Diktion über Artjomow waren vorher aber vom ben und Arbeiten von Jelena Firs- Streicher eine poetische, ausdrucksvolle Generalsekretär des Sowjeti- sowa von Grund auf. Der allge- Schönheit verfügt. Von dem Dich- schen Komponistenverbandes, meine Wandel zu mehr Offenheit Dauer ter Ossip Mandelstam hat sie Tichon Chrennikow, gebrand- führte zu spürbaren Erleichterun- ca. 17 Minuten gelernt, „dass wir sehr ruhig über markt worden als „nicht typisch gen. Reisen und Aufführungen im die wichtigsten Dinge sprechen für das Schaffen der sowjeti- Ausland wurden möglich, so dass Verlag können und dass wir die tra- schen Komponisten“ und insofern Einkünfte erzielt werden konnten. Boosey & Hawkes | gischsten Ereignisse im Licht der nicht qualifiziert und würdig, die Auch in der Sowjetunion wurden Bote & Bock | Sikorski | Schönheit betrachten können.“ sowjetische Musik im Ausland ihre Werke inzwischen gespielt, Anton J. Benjamin Obgleich die Komponistin nie den zu vertreten. Freilich erhöhte u.a. auf dem „Moskauer Herbst“. politischen Konflikt suchte, war das eher das westliche Interesse 1990 gehörten Jelena Firssowa Entstehung es der Dissens zwischen ihrer an der Musik dieser Gruppe von und Dmitri Smirnow gemeinsam 2014 Musik und der spätsowjetischen „Chrennikows Sieben“, als dass mit Juri Kasparow zur Gründungs- Gesellschaft, dass sie in einen es deren Vaterlandsliebe beför- gruppe der neuen Assoziation für Uraufführung solchen Konflikt geriet. Ge- dert hätte. zeitgenössische Musik (ASM), 30. April 2022, Berlin meinsam mit Werken von Edison die zuvor schon einmal in den Vladimir Jurowki, Dirigent Denissow, Sofia Gubaidulina 1920er-Jahren bestanden hatte. Nils Mönkemeyer, Viola und solchen von Dmitri Smirnow Brentry Dennoch entschied sich das Rundfunk-Sinfonieorchester durften zwar auch ihre Komposi- Komponistenpaar Dmitri Smir- Berlin tionen 1979 auf einem Festival Der Zusammenbruch des Sowjet- now und Jelena Firssowa, nach in Köln erklingen. Alle vier und staates und die dramatischen England auszuwandern, was für außerdem Alexander Knaifel, Zustände in Russland Anfang der die beiden immer schon eine Viktor Suslin und Wjatscheslaw 1990er-Jahre veränderten das Le- Art Traumziel gewesen war. Die
14 JELENA FIRSSOWA – KONZERT FÜR VIOLA UND ORCHESTER 15 Kammeroper „Die Nachtigall Composer-in-Residence des und die Rose“ nach Oscar Wilde Rundfunk-Sinfonieorchesters entstand, auch wenn der Anfang Berlin (RSB). Seit November in der neuen Umgebung zunächst 2021 hat sie bereits mehrere von viel Unruhe geprägt war. Es große Erfolge in Berlin feiern galt, Unterkunft und Arbeit zu fin- können. Im Frühjahr 2023 steht den, was 1993 an der Universität noch die Erstaufführung ihres von Keele gelang. Bis 1997 unter- neuen Klavierkonzertes mit dem richteten Firssowa und Smirnow Solisten Yefim Bronfman und dem dort als Professoren für Kompo- RSB unter Leitung von Vladimir sition und waren als Composer- Jurowski bevor. in-Residence tätig. Von 1999 Das Konzert für Viola und Or- bis 2001 lehrte Jelena Firssowa chester entstand in zwei Phasen. DEUTSCHLANDS Komposition in Manchester am Zunächst begann Jelena Firssowa Royal Northern College of Music. Ende 2013 die Arbeit daran, weil Zwischen 1991 und 1993 kom- sich der Auftrag eines Orchesters BESTES KINO ponierte sie nicht weniger als 29 dafür abzeichnete. Dann lautete Werke, darunter einige für großes der Auftrag jedoch anders und Orchester, meist mit Vokalanteil, das Bratschenkonzert musste um Versen von William Blake und zurückstehen. Doch sobald wie vom geliebten Ossip Mandelstam möglich kam die Komponistin Raum zu geben. Die Orchester- darauf zurück. Zu nahe war ihr werke fanden Interpreten u.a. in der sonore Klang des Soloinst- den Orchestern der BBC, beim rumentes, als dass sie es hätte WDR, beim Moskauer Rundfunk beiseitelegen können. Noch im FÜR EIN KULTURELL HERAUSRAGENDES KINOPROGRAMM und im Wiener Musikverein. Jahr 2014 schloss sie die Partitur ab. Seitdem wartete das Werk auf die Uraufführung. „In diesem Erfolge mit dem zweisätzigen Konzert gehört der RSB in Berlin erste Satz der Soloviola allein – eine Betrachtung über die Das „Requiem“ nach dem Vergänglichkeit des Lebens. Der gleichnamigen Poem von Anna zweite und Hauptsatz besteht aus Achmatowa, eines der Haupt- Erinnerungen an dieses Leben werke Firssowas, wurde 2003 mit all seinen Leidenschaften, vom Rundfunk-Sinfonieorchester seinem Glück und seinen Katas- Berlin unter Leitung von Vassili trophen. Am Ende – der letzte Sinaiski im Berliner Konzert- Herzschlag.“ (Jelena Firssowa) haus uraufgeführt. In der Saison 2021/2022 ist Jelena Firssowa
16 17 Mensch, besinne dich „Dieses Werk spiegelt meine Dmitri Schostakowitsch Gedanken und Gefühle nach den Sinfonie Nr. 8 c-Moll op. 65 freudigen Meldungen über die ersten Siege der Roten Armee Besetzung wider. Ich versuchte darin, die 4 Flöten (3. und 4. auch nahe Zukunft der Nachkriegs- Piccolo), 2 Oboen, Englisch epoche wiederzugeben. Die horn, 3 Klarinetten (eine in Es), philosophische Konzeption dieser Bassklarinette, 3 Fagotte Sinfonie ist in wenigen Worten (3. auch Kontrafagott), ausgedrückt: Alles, was dunkel 4 Hörner, 3 Trompeten, und schändlich ist, wird zugrunde 3 Posaunen, Tuba, Pauken, gehen; alles was schön ist, wird früheren Sowjetunion, in beiden kostbare Erde, um die Frage des Schlagzeug, Streicher triumphieren.“ deutschen Staaten, in den USA, Überlebens an sich. Was muss Diese Sätze, abgedruckt in der in der ganzen Welt zäher Auf- einer erlitten haben, um sein Dauer Zeitschrift „Literatura i iskustwo“ klärungsarbeit über mehrere Leben lang auf dem haarscharfen ca. 65 Minuten am 18. Oktober 1943 unter dem Jahrzehnte, obwohl die musika- Grat zwischen Schmerz und Iro- Namen von Schostakowitsch, tun lischen Indizien im Grunde von nie, zwischen absurder Lüge und Verlag weh. Freudige Meldungen? Was vornherein für sich und damit für tiefer Wahrheit zu wandeln? Boosey & Hawkes | wird zugrunde gehen? Wer wird Schostakowitsch sprachen. Noch Bote & Bock | Sikorski | triumphieren? Antwort auf solche immer kommt es vor, dass die Anton J. Benjamin bohrenden Fragen geben nicht alten Klischees hervorgeholt und Kriegssinfonien die scheinbar klar formulierten die Ohren beharrlich verschlos- Entstehung und gerade deshalb kryptischen sen werden, um Schostakowitsch Am 8. Mai 1945 kapitulierte in 2. Juli – 9. September 1943 Textaussagen, Antwort gibt nur mit der Ost-West-Elle oder der Berlin die deutsche Wehrmacht. die Musik. Nur die Musik! Opportunisten-Dissidenten-Latte Die alliierte Antihitlerkoalition Uraufführung Aus dieser vagen Einsicht bei zu messen, wo doch längst ganz errang damit nach fast sechs 4. November 1943, Moskau der Annäherung an Dmitri andere Maßstäbe anzusetzen grauenhaften Kriegsjahren einen Staatliches Sinfonieorchester Schostakowitsch eine unabweis- wären. Denn es geht um nichts für das zukünftige Wohl der der UdSSR bare Erkenntnis werden zu weniger als um die Verantwor- Menschheit existentiell notwendi- Jewgeni Mrawinski, Dirigent lassen, dazu bedurfte es in der tung der ganzen Menschheit für gen Sieg. Maßgeblichen Anteil an sich selbst und für die unendlich diesem Sieg hatte die Armee der
18 DMITRI SCHOSTAKOWITSCH – SINFONIE NR. 8 19 Sowjetunion, sie trug die militä- sie 1941 im belagerten Lenin- dem unbändigen Schmerz über den Komponisten. Nur um die rische Hauptlast im Kampf gegen grad komponiert, und es fiel die Opfer jeglicher Gewalt und zentralen Themen hat er sichtlich die faschistischen Truppen, sie der sowjetischen Propaganda Tyrannei vehement Ausdruck. gerungen. Die Sinfonie dauert hinterließ die meisten Opfer auf nicht schwer, den ersten Satz Dieser Sachverhalt verursachte zirka 65 Minuten, allein der erste den Schlachtfeldern, sie bezahlte mit dem friedvollen Leben vor allenthalben Unbehagen, in der Satz beansprucht davon 27 – ihren Triumph über die Besatzer dem Krieg und den berühmten Sowjetunion, aber auch im Aus- Mahlersche Dimensionen. In der mit sechs Millionen Toten, vor Marsch mit der Invasion der land. Denn die Sinfonie wurde Achten lässt Schostakowitsch allem unter der Zivilbevölkerung. deutschen Faschisten gleichzu- geschrieben, als die Sowjetarmee seine abgrundtiefe Verzweif- Josef Wissarionowitsch Stalin war setzen. Mit Sicherheit kommt der bereits den Vormarsch des Fein- lung über alles Negative in der in diesen Jahren Generalsekretär Dirigent Jewgeni Mrawinski dem des zurückzudrängen begann. menschlichen Natur zu Musik des Zentralkomitees der Kom- Kern nahe, wenn er einschätzt, Man hätte von dem Musikpropa- werden. Wenn später die Sinfonie munistischen Partei der Sowjet- Schostakowitsch habe gerade gandisten Schostakowitsch etwas Nr. 15 und die letzten Streich- union und Oberbefehlshaber des in dem Marsch ein verallge- Zuversichtliches, Aufmunterndes quartette den jenseitigen Hauch Heeres. Die Zerschlagung des meinertes Bild der Dummheit erwartet. Stattdessen irritierte fahler Lakonik atmen, so verleiht Faschismus sah er als sein Werk und der krassen musikalischen er mit einem Riesengemälde aus Schostakowitsch mit der Achten an. Die ganze Welt bestärkte Geschmacklosigkeit niedergelegt. Kummer und Zerstörung. Vor der Trauer eine epische Stimme. ihn darin. Was die Welt nicht Mehrere tausend Mal wurde die dem Hintergrund des Krieges Insofern steht sie da als ein wusste, dass Stalins Diktatur Siebente während des Krieges ließ sich dies freilich gefahrlos tönendes Zeugnis sowohl für „die vor (und nach) dem Krieg nicht rund um die Welt aufgeführt, ein schildern, denn die Schuld lag furchtbare Tragödie des Krieges“ weniger grausam war als die- Symbol des Widerstandes und ja bei den Deutschen. Dass (Schostakowitsch, Sollertinski, jenige Hitlers, dass Tausende von des Siegeswillens. Für die mit aber ebenso der Schmerz um Assafjew und viele andere) als russischen Intellektuellen spurlos Spannung erwartete Achte zahlte die Tausenden Toten in Stalins auch für „die Schrecken des verschwanden, dass der Krieg die US-amerikanische Columbia Lagern, den berüchtigten Gulags, Lebens, ... das Leben eines Intel- Stalin half, seine eigenen Gräuel- Broadcasting Society 10.000 Schostakowitsch am Herzen lektuellen in der damaligen Zeit, taten zu verwischen und seine Dollar an den sowjetischen Staat lag, darüber durfte nicht nur der unter den damaligen Umständen“ Macht grenzenlos auszuweiten. und sicherte sich damit das Erst- Komponist bei Gefahr für Leib (Kurt Sanderling). Sie ist klingen- Dem Komponisten Dmitri Schos- aufführungsrecht im Ausland. und Leben kein Wort verlieren, de Philosophie, jeder simplen takowitsch war all dies ununter- sondern dies hatte noch am 27. Zeitbezogenheit enthoben. brochen schmerzhaft bewusst. Mai 1989 auch der Dramaturg Einer der ersten Zeitgenossen, Hatte er doch zahlreiche Freunde Ein Epos der Qual des Konzerthauses Berlin zu ver- die dies auf Anhieb verstanden wegen angeblichen Hochverrats schweigen. Ein andeutender Satz hatten, war der russische Schrift- an die Häscher verloren, war er Dmitri Schostakowitsch kom- im Programmheft führte damals steller Michail Prischwin (1873- selbst der Verhaftung mehrmals ponierte die Sinfonie Nr. 8 im zur Vernichtung der gesamten 1954). Neben seinen offiziell nur knapp entronnen. Sommer 1943 innerhalb von Auflage unmittelbar vor Konzert- veröffentlichten Werken führte Die Sinfonien Nr. 7 und 8 gingen nur 70 Tagen, wenige Monate beginn. er von 1905 bis 1954, mithin in die Geschichte ein als die nach der kriegsentscheidenden Die Partitur der Sinfonie Nr. 8 fast 50 Jahre lang, ein geheimes beiden Kriegssinfonien von Schlacht bei Stalingrad. Sie ist trägt Spuren äußerster Kon- Tagebuch. Seit 2018 ist es voll- Schostakowitsch. Die Siebente von ungleich größerer emotio- zentriertheit. Kaum Zweifel an ständig in russischer Sprache wurde weltberühmt als „Lenin- naler Tiefe als ihre Vorgängerin der Gültigkeit seiner nieder- verfügbar, 2022 erschien der grader“. Schostakowitsch hatte und verleiht zum ersten Mal geschriebenen Noten bremsen zweite Band der deutschen
20 DMITRI SCHOSTAKOWITSCH – SINFONIE NR. 8 21 ganze Hölle des Lebens in sich äußerstem Pianissimo und „sul und Es-Klarinette. Die beiden aufgenommen hat und mit dem tasto“, das heißt am Griffbrett, höchsten Holzblasinstrumente Traum von der Erreichbarkeit des mit körperlosem Ton. Jedes ein- färben die Musik bei Schostako- Paradieses zu verbinden sucht. zelne Intervall wird nachgerade witsch in markanten Situationen. Dem Publikum, so scheint es, bewusst gesetzt, charakteristisch Ihnen stehen Kontrafagott und hat die Sinfonie nicht besonders sind leere Quinten (Beethoven Bassklarinette gegenüber, wobei gefallen, es hat vielleicht noch IX, 1. Satz!) und lapidare Sekund- der Klangraum dazwischen oft nichts davon begriffen und war schritte. Die Punktierungen aus leer bleibt. befremdet. Aber was wird sein, der Einleitung sind noch da, aber Ein zweites Thema verdichtet den wenn die Menschen aufwachen!“ sie klingen gedämpft, weniger Ausdruck unsagbaren Schmerzes „Dmitri Schostakowitsch … hat scharf. Freilich droht latent das in einer weiteren Dimension. eine tiefe Spur in unser aller Potential zu eiskalter Verschär- Über pochendem, monotonem Leben hinterlassen. Er hat uns fung, zu aufschäumender Laut- Bassrhythmus, der alle tiefen viel Glück und Freude gegeben, stärke. Schostakowitsch bewegt Streicher vereint, erhebt sich obwohl uns die Kraft seiner sich ohrenscheinlich im Dur-Moll- eine neue Klagemelodie, die – Tragik oft niederschmetterte. System, bedient sich aber einer nun ohne Punktierungen – zum „Pietà“, 1932, Es ist unmöglich, alles, was mit freien, archaischen Harmonik, die erschütternden Gesang wird, der Entwurf zu einem von den Nationalsozialisten verhinderten einem so großen Phänomen wie von den klassisch-romantischen allmählich in Schreien übergeht Ehrenmal in Stralsund von Ernst Barlach Schostakowitsch in Verbindung Regeln wie abgeschnitten wirkt. und schließlich in einen mar- (1870–1938) steht, zu beurteilen und zu ver- Der Eindruck der Benennung von tialischen Marsch mündet. Seit stehen. Für mich ist die Sinfonie Urängsten, Urinstinkten, Urge- Haydns, Mozarts und Beethovens Übersetzung. Prischwin schätzte Nr. 8 das wichtigste Werk seines walten wird noch verstärkt durch „alla turca“ finden sich solche selbst das Tagebuch so ein, dass Lebens.“ (Swjatoslaw Richter, eine strenge Polyphonie, deren Rohheiten in der Kunstmusik. Ein er „für jede Zeile zehn Jahre lang 1978) herber Gestus das Brandzeichen markantes Posaunenmotiv ruft erschossen“ worden wäre. Zum fataler Unentrinnbarkeit trägt. die Erinnerung an die Sinfonie Nr. Jahr 1943 hat Vladimir Jurowski Die Klangdramaturgie schafft der 7 auf. Hier berühren sich Denken folgenden Eintrag in Michail Spielarten des Todes Komponist mit Hilfe der Instru- und Fühlen der Menschen und Prischwins Tagebuch gefunden: mentation. Alle Orchesterinstru- die brutale Realität des Krieges „Über Schostakowitschs 8. Das Das Adagio-Portal der Sinfonie mente erhalten charakteristische und des Tötens. Schostako- ist ein musikalisches Gleichnis Nr. 8 meißelt scharfe Punktie- Aufgaben. Violinen und Flöten witsch kommt nicht umhin, einen über den gegenwärtigen Krieg, rungen in bleiern breite Klang- fungieren als Melodieträger, aber Allegro-Marsch einzufügen, der alles echt, nichts abgekürzt, flächen. Diese Einleitung währt auch als hysterisch skandierende an peinlicher Primitivität kaum nichts ausgedehnt. … nach der nur neun Takte, aber sie zwingt Gruppe. Freund Hein, Gevatter zu überbieten ist. Die Szene Sinfonie kam ich erfrischt nach mit atemberaubender Eindring- Tod als Fiddler, spielt auf zum kippt nach schier unerträglicher Hause, wie nach einer Nacht- lichkeit die Seele des Hörers in Tanz wie bei Gustav Mahler. Die Steigerung in einen bitterbösen wache. Schostakowitsch selbst Hochspannung für die folgenden tiefen Streicher bellen ruppige Tusch. Wie im Zirkus kündigt ein ist ein kleiner Mann, sieht von 60 Minuten. Jetzt ist der Boden Bassfundamente, um kurz darauf Trommelwirbel den Höhepunkt Ferne aus wie ein Sechstklässler bereitet für eine weite, erhabene intensive Kantilenen à la Tschai- an. Der aber entpuppt sich als vom Gymnasium, ein kapriziöses Melodie des grenzenlosen Leides, kowsky zu formen. Besonders gigantische Hinrichtung! Kind der Gegenwart, das die vorgetragen von den Violinen in hervorzuheben sind Piccoloflöte Vom hitzigen Tremolo des gesam-
22 DMITRI SCHOSTAKOWITSCH – SINFONIE NR. 8 23 ten, gleichsam nach Blut krei- scharfes, die Ohren penetrieren- niederreißenden Tutti-Sturm. schenden Orchesters bleibt ein des Geräusch und gibt zugleich Tusch, Tremolo, Explosion. In heftig rumorendes Tremolo der einer piepsigen Ohnmacht Ton. voller Fahrt entgleist der gesamte tiefen Streicher übrig. Auf dieses Die Instrumentenkombinationen Tross im stockschwarzen Tunnel unglaubliche musikalische Schar- wecken Assoziationen an Militär- und rast gegen die Wand. nier antwortet ein gottverlasse- pfeifen (Mahler!), an Zirkus und nes Englischhornsolo, zutiefst an unschuldige Kindermusik. O mütterlich, zutiefst menschlich, wie lustig kann der Tod sein! Ein Anfang im Ende völlig unsentimental. Tatsächlich Marcatissimo und unisono, mit- gelingt es dem Englischhorn, hin uniform, stürmt der stoische Vierter Satz, Largo. Zusammen- ganz behutsam, so etwas wie Geschwindmarsch des dritten bruch. Leere. Hoffnungslosig- die Ahnung von neuem Leben zu Satzes, Allegro non troppo, los. keit. Trauer. Tödlich versehrte säen. Aus sich selbst heraus, in Dümmlich keifende Einwürfe der Seelen, so schweben Violinen „Die Klage“, 1938–1941 suchendem 5/4-Takt, erheben Bläser klingen wie (zu späte) über bodenlosem Bassabgrund. Bronze von Käthe Kollwitz (1867–1945) einige Individuen den Kopf. Noch Versuche, auf das galoppierende Erst Minuten später finden sich einmal erwacht (Trompete) der Pferd aufzuspringen, oder aber ein einsames Horn, ein zarter gefährliche Adagio-Drache des es mit Stichen in die Seite zur Piccolohauch, ein herzzerrei- Gegenteil der barocken Intention Anfangs. Dann findet der Satz Raserei zu treiben. Der Marsch ßendes Klarinettenmelisma, ein von Fuge als „Flucht“. Nein, keine endlich Ruhe. ist eine einzige Ausgeburt des irres Flötenflattern hinzu. Die und keiner flieht, sondern ein Primitiven, Rohen, Brutalen. Ein Sinfonie zieht sich in die Sphäre Individuum nach dem anderen feistes, selbstgefällig schmet- der Kammermusik zurück. überwindet Leid, Trauer, Wut, Stupide Raserei terndes Trompetenmotiv lässt Schostakowitsch, dessen Spät- Verzweiflung, Leere und Stupidi- die Situation überkochen. Der werk zunehmend den kleinen tät, fasst mit an, trägt einen Zwei absurde Scherzi schließen Marsch stockt. Nur die Bratschen Besetzungen, den reduzierten kleinen Teil bei zur Erneuerung. sich an wie in mancher Mahler- stapfen trotzig weiter. Ihre sono- Klängen, den Einzeltönen, ja der Ein maßvolles, kluges, sorgfältig Sinfonie. Das erste, Allegretto, ist re Klangfarbe, für derlei Brutalität Stille gelten wird, hier deutet er gefügtes Orchestercrescendo ein hinkender Marsch in Des-Dur. im Grunde völlig ungeeignet, an, was er mit Worten niemals mündet nach gewaltigen zehn Seine mutwillige Fröhlichkeit wird ändert tatsächlich den Charakter ausgesprochen hätte. Falls es Minuten Steigerung zum ersten zur blindwütigen Rechthaberei. des Marsches. Die Bratschen überhaupt noch Hoffnung für die Mal nicht in die Grimasse des Dahinter steht dieselbe Peitsche demonstrieren die Sinnlosigkeit Menschheit gibt, dann speist sie Tuschs, sondern gibt Raum für wie hinter dem nächsten Satz, des Marschierens, wandeln das sich aus den verborgenen Kräften ein überraschend zuversichtli- einem gnadenlosen Geschwind- stupide Stampfen zur leerlau- einer tapferen Minderheit, aus ches Leggiero der Soloklarinette, marsch. Zunächst aber trium- fenden Verzweiflung. Als auch dem von Grund auf geläuterten der Solovioline, des Solocellos. phiert noch der tränenüberström- noch die Bratschen verstummen, Mut von Einzelnen. Mit Kammermusik klingt die Sin- te Clown in einem trioähnlichen schlägt die Pauke allein den Drei Fagotte allein eröffnen den fonie aus. Bescheiden, positiv, Mittelteil mit frecher Piccoloflöte Marsch weiter. Nun aber greift fünften Satz, Allegretto. Sie kla- intelligent. Ein Anfang. und Kontrafagott sowie Es-Klari- Instrumentengruppe für Instru- gen nicht, sie triumphieren nicht. nette und Bassklarinette. Wie oft mentengruppe die ursprünglich Sie krempeln nicht die Ärmel auf. auch bei Mahler verursacht der keifenden Bläsereinwürfe auf. Die Sie leben nur. Und bitten: Schaut schrille Ton der Piccoloflöte ein Einwürfe schwellen an zum alles her! Helft! Eine Fuge beginnt, das
25 zum Ersten Gastdirigenten des ter Berlin ist er 2021/2022 bei London Philharmonic Orchestra mehreren Konzerten in Bukarest, ernannt und war von 2007 bis Spanien, Ungarn und Österreich Sommer 2021 dessen Principal zu erleben. Conductor. Ebenfalls bis Sommer Die erste gemeinsame CD von 2021 war er Künstlerischer Leiter Vladimir Jurowski und dem RSB des Staatlichen Akademischen aus dem Jahre 2015 wurde Sinfonieorchesters „Jewgeni sogleich zu einem Meilenstein. Swetlanow“ der Russischen Alfred Schnittkes Sinfonie Nr. 3 Föderation und Principal Artist folgten 2017 eine Strauss-Mah- des Orchestra of the Age of ler-Aufnahme und Violinkonzerte Enlightenment in Großbritannien, von Britten und Hindemith mit außerdem Künstlerischer Leiter Arabella Steinbacher und dem Vladimir Jurowski des Internationalen George-Enes- cu-Festivals in Bukarest. Er arbei- RSB. 2020 erschien eine von der Kritik hochgelobte Einspielung tet regelmäßig mit dem Chamber von Gustav Mahlers „Das Lied Orchestra of Europe und dem von der Erde“, im August 2021 ensemble unitedberlin. Richard Strauss‘ „Eine Alpensin- Vladimir Jurowski ist rund um die fonie“. Vladimir Jurowski ist seit 2017 Ausgebildet zunächst an der Welt als Gastdirigent gefragt. Er Vladimir Jurowski wurde vielfach Chefdirigent und Künstlerischer Musikhochschule des Konserva- hat Konzerte der bedeutendsten für seine Leistungen ausgezeich- Leiter des Rundfunk-Sinfonie- toriums in Moskau, kam Vladimir Orchester Europas und Nord- net, darunter mit zahlreichen orchesters Berlin (RSB). Der Jurowski 1990 nach Deutsch- amerikas geleitet, darunter die internationalen Schallplatten- Dirigent, Pianist und Musikwis- land, wo er sein Studium an den Berliner, Wiener und New Yorker preisen. 2018 kürte ihn die Jury senschaftler stellt sich allen mu- Musikhochschulen in Dresden Philharmoniker, das Königliche der Royal Philharmonic Society sikgeschichtlichen, stilistischen und Berlin fortsetzte – Dirigieren Concertgebouworchester Amster- Music Awards zum Dirigenten oder dirigiertechnischen Heraus- bei Rolf Reuter, Korrepetition und dam, das Cleveland und das des Jahres. 2016 erhielt er aus forderungen. Liedbegleitung bei Semion Ski- Philadelphia Orchestra, die Sin- den Händen von Prince Charles Seit Beginn der Saison 2021/2022 gin. 1995 debütierte er auf inter- fonieorchester von Boston und die Ehrendoktorwürde des Ro- ist Vladimir Jurowski – parallel nationaler Ebene beim britischen Chicago, das Tonhalle-Orchester yal College of Music in London. zu seinem Engagement beim Wexford Festival mit Rimski-Kor- Zürich, die Sächsische Staatska- 2020 wurde Vladimir Jurowski Rundfunk-Sinfonieorchester Ber- sakows „Mainacht“ und im selben pelle Dresden und das Gewand- in Anerkennung seiner Tätigkeit lin – Generalmusikdirektor der Jahr am Royal Opera House hausorchester Leipzig. Er gastiert als Künstlerischer Leiter des Bayerischen Staatsoper in Mün- Covent Garden mit „Nabucco“. zudem regelmäßig bei den BBC George-Enescu-Festivals vom chen und bekleidet damit eine Anschließend war er u.a. Erster Proms, dem Musikfest Berlin Rumänischen Präsidenten mit der renommiertesten Positionen Kapellmeister der Komischen sowie bei den Musikfestivals in dem Kulturverdienstorden aus- im deutschen und internationalen Oper Berlin (1997– 2001) und Dresden, Luzern, Schleswig-Hol- gezeichnet. Musikleben. Musikdirektor der Glyndebourne stein und Grafenegg sowie beim Festival Opera (2001–2013). Rostropowitsch-Festival. Mit 2003 wurde Vladimir Jurowski dem Rundfunk-Sinfonieorches-
26 SOLIST 27 Nils Mönkemeyer Nils Mönkemeyer, 1978 in Carydis, Nicholas Collon, Rein- Bremen geboren, verhalf der hard Goebel, Elias Grandy, Pietari Bratsche als Soloinstrument zu Inkinen, Vladimir Jurowski, Joana enormer Popularität. In seinen Mallwitz, Andrew Manze, Cor- Programmen spannt er den nelius Meister, Mark Minkowski, Bogen von Entdeckungen und Kent Nagano, Markus Poschner, Ersteinspielungen originärer Kristiina Poska, Michael Sander- Bratschenliteratur des 18. Jahr- ling, Clemens Schuldt, Markus hunderts bis hin zur Moderne und Stenz, Mario Venzago oder Si- zu Eigenbearbeitungen. Bereits mone Young zusammen und kon- während des Studiums bei Hariolf zertiert als Solist mit Orchestern Schlichtig in München begann in Zürich, Helsinki, Paris, Wien, seine Konzertkarriere. 2006 Bern, Lausanne, Berlin, Dresden, gewann er den 1. Preis beim Hamburg, Frankfurt, Stuttgart, Internationalen Yuri-Bashmet- Leipzig, Hannover, Bremen und Wettbewerb in Moskau sowie den München. Beim RSB war er erst- Preis des Deutschen Musikwett- mals 2012 mit dem Bratschen- beim Heidelberger Frühling und sind. Dafür hat er zusammen mit bewerbes, 2009 zusammen mit konzert von Bartók zu hören. beim Mozartfest Würzburg. Höhe- der Caritas Bonn im Jahr 2016 Nicholas Rimmer den renommier- Die laufende Saison 2021/2022 punkte der Saison sind Tourneen das Kammermusikfestival „Klas- ten Parkhouse Award in London. führt Nils Mönkemeyer zum Lon- mit Sabine Meyer und William sik für Alle“ ins Leben gerufen. In den letzten Jahren brachte er don Philharmonic Orchestra, dem Youn sowie mit dem Julia-Fischer- Seit 2011 ist Nils Mönkemeyer bei Sony zahlreiche Alben heraus, Tokyo Symphony Orchestra, dem Quartett. Professor an seiner früheren Aus- die von der Presse hoch gelobt Orquesta Sinfónica de Galicia, Nils Mönkemeyer geht darüber bildungsstätte, der Hochschule und mit Preisen ausgezeichnet dem Symfonieorkest Vlaanderen hinaus als Musiker einem Her- für Musik und Theater München. wurden. (mit Kristiina Poska auf BeNeLux- zenswunsch nach: Er möchte mit Nils Mönkemeyer spielt auf einer Nils Mönkemeyer arbeitet mit und Estland-Tournee). Er gastiert Musik Brücken bauen und sie Bratsche von Philipp Augustin. Dirigenten wie Andrej Boreyko, bei der Schubertiade, bei den denjenigen zugänglich zu ma- Sylvain Cambreling, Constantinos Niedersächsischen Musiktagen, chen, die im Leben benachteiligt
28 RUNDFUNK-SINFONIEORCHESTER BERLIN 29 Rundfunk- Sinfonieorchester Berlin Die erste „Funk-Stunde Berlin“ im formten einen Klangkörper, der in und Dirigenten der internationa- chester und -Chöre gGmbH Berlin Oktober 1923 war die Geburts- besonderer Weise die Wechsel- len Musikszene finden es reizvoll, (ROC) rege nach, wenn es zusätz- stunde des Rundfunk-Sinfonie- fälle der deutschen Geschichte ihr jeweiliges Berlin-Debüt mit lich zu den Konzertübertragungen orchesters Berlin (RSB). Immer im 20. Jahrhundert durchlebt hat. dem RSB zu absolvieren: Andris durch Deutschlandfunk Kultur, auch im Bewusstsein seiner bald Bedeutende Komponisten traten Nelsons, Yannick Nézet-Sé- Deutschlandfunk, rbbKultur und 100-jährigen Tradition arbeitet es selbst ans Pult des Orchesters guin, Vasily Petrenko, Jakub European Broadcasting Union seit 2017 mit dem Chefdirigenten oder führten als Solisten eigene Hrůša, Alain Altinoglu, Omer zahlreiche Studioproduktionen und Künstlerischen Leiter Vla- Werke auf: Paul Hindemith, Meir Wellber, Michael Francis, realisiert, oft mit vergessenen dimir Jurowski, der im Sommer Sergei Prokofjew, Richard Lahav Shani, Karina Canellakis, oder verdrängten Repertoire- 2021 seinen Vertrag bis 2027 Strauss, Arnold Schönberg, Igor Thomas Søndergård, Antonello raritäten. Nach den großen verlängert hat. An seiner Seite ist Strawinsky, Kurt Weill, Alexander Manacorda, Ariane Matiakh, Wagner- und Henze-Editionen mit Karina Canellakis seit 2019 Erste Zemlinsky sowie in jüngerer Edward Gardner, Nicholas Carter. Marek Janowski hat mit Vladimir Gastdirigentin des RSB. Zeit Krzysztof Penderecki, Peter Frank Strobel sorgt weiterhin für Jurowski ein neues Kapitel der Von 2002 bis 2016 stand Marek Ruzicka, Jörg Widmann, Matthias exemplarische Filmmusik-Konzer- Aufnahmetätigkeit begonnen. Janowski an der Spitze des RSB. Pintscher, Berthold Goldschmidt, te. Zahlreiche Orchestermitglie- Seit mehr als 50 Jahren gastiert Unter den ehemaligen Chef- Siegfried Matthus, Heinz Holliger, der engagieren sich mit großem das RSB regelmäßig in Japan und dirigenten finden sich Namen Thomas Adès, Brett Dean und persönlichem Einsatz für die Korea sowie bei deutschen und wie Sergiu Celibidache, Eugen Marko Nikodijević. 2021/2022 Heranwachsenden. europäischen Festivals und in Jochum, Hermann Abendroth, ist Jelena Firssowa „Composer in Seinen medialen Aufgaben Musikzentren weltweit. Rolf Kleinert, Heinz Rögner und Residence“ des Orchesters. kommt das RSB als Ensemble der Rafael Frühbeck de Burgos, sie Aufstrebende junge Dirigentinnen 1994 gegründeten Rundfunk-Or-
30 Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin – Abendbesetzung 30. April/1. Mai 2022 Kontrabass Trompete Marvin Wagner / Solokontrabassist Florian Dörpholz / Solotrompeter Stefanie Rau / Vorspielerin Benjamin Plagg / Verdopplung Violine I Sophia Maiwald * Georg Schwärsky Solotrompete ** Erez Ofer / Erster Konzertmeister Elena Schwalbe * Axel Buschmann Jörg Niemand Susanne Herzog / Cathy Heidt * Iris Ahrens Simone Gruppe stellv. Konzertmeisterin Nhassim Gazale Kosuke Yoshikawa / Vorspieler Viola Fridtjof Ruppert Posaune Marina Bondas Alejandro Regueira Caumel / Jakub Zon * Hannes Hölzl / Soloposaunist Philipp Beckert Solobratschist Paul Wheatly ** Edgar Manyak / Verdopplung Franziska Drechsel Gernot Adrion / stellv. Solobratschist Soloposaune Karin Kynast Christiane Silber / Vorspielerin Flöte Dominik Hauer Steffen Tast Elizaveta Zolotova / Vorspielerin Ulf-Dieter Schaaff / Soloflötist Jörg Lehmann Bettina Sitte Emilia Markowski Rudolf Döbler / stellv. Soloflötist Maria Pflüger Jana Drop Franziska Dallmann Tuba Anna Morgunowa Alexey Doubovikov Markus Schreiter / Piccoloflötist Fabian Neckermann Anne Feltz Carolina Montes Richard Polle Lucia Ortiz Oboe Pauken Susanne Behrens Iris Icellioglu Mariano Esteban Barco / Solooboist Arndt Wahlich / Solopaukist Ferdinand Ries * Isabel Kreuzpointner * Florian Grube / stellv. Solooboist Eva Wetzel * Daniel Burmeister * Thomas Herzog / Englischhornist Schlagzeug David Marquard * Anton Loginov ** Tobias Schweda / stellv. Solopaukist Antoine Guillier * Mikhail Balan-Dorfman ** Klarinette Frank Tackmann Anatasia Maschkowski ** Oliver Link / Soloklarinettist Tobias Hegele ** Violine II Peter Pfeifer / Es-Klarinettist Hanno Vehling ** Nadine Contini / Stimmführerin Violoncello Ann-Kathrin Zacharias Konstantin Thiersch ** Ji Sanghee ** Konstanze von Gutzeit / Christoph Korn / Bass-Klarinettist Kim Jeongwhan ** Maximilian Simon / Solocellistin stellv. Stimmführer Ringela Riemke / stellv. Solocellistin Fagott Harfe Sylvia Petzold / Vorspielerin Jörg Breuninger / Vorspieler Sung Kwon You / Solofagottist Maud Edenwald Anne-Kathrin Seidel Volkmar Weiche / Vorspieler Thomas Gkesios ** Brigitte Draganov Peter Albrecht Clemens Königstedt / Kontrafagottist Klavier / Celesta Martin Eßmann Georg Boge Heike Gneiting Maciej Buczkowski Andreas Weigle Horn Juliane Manyak Christian Bard Martin Kühner / Solohornist Neela Hetzel de Fonseka Andreas Kipp Ingo Klinkhammer / * Orchesterakademie Rodrigo Bauzá Romane Montoux-Mie * stellv. Solohornist ** Gäste Ania Bara Uschik Choi ** Anne Mentzen Enrico Palascino Christian Raudzus ** Frank Stephan
32 VORSCHAU 12. Mai 2022 10. Juni 2022 Donnerstag, 19.30 Uhr Freitag, 19.30 Uhr silent green Haus des Rundfunks Kammerkonzert Konzert Mitglieder und Gäste des RSB „Mensch, Musik!“ # 4: Wanderer – Eine sinfonische Collage Pjotr Tschaikowsky „Souvenir de Florence“ op. 70 Kevin John Edusei Olivier Messiaen Katrien Baerts, Sopran Aus Opernhäusern, Quatuor pour la fin du temps Seth Carico, Bassbariton Philharmonien Marion Brasch, Textauswahl und Konzertsälen. und -rezitation Neil Barry Moss, Szenische Einrichtung 17. Mai 2022 Werke von Mahler, Schubert, Clyne, Dienstag, 20 Uhr Vivier, Mendelssohn Bartholdy, Konzerthaus Berlin RAMMSTEIN/Rasch, Edusei 18. Mai 2022 Mittwoch, 20 Uhr Philharmonie Berlin Abo-Konzerte Sir Andrew Davis Julia Hagen, Violoncello Konzerte, jeden Abend. Michael Tippett Kleine Musik für Streichorchester Edward Elgar Jederzeit. Konzert für Violoncello und Orchester e-Moll op. 85 Ralph Vaughan Williams Sinfonie Nr. 5 D-Dur Konzert mit In der Dlf Audiothek App, im Radio über DAB+ und UKW deutschlandfunkkultur.de/ konzerte
34 DEINE Impressum OHREN D E N Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Bildnachweise: W ER (RSB) S. 7 Aleksandar Stanojevic S. 11, 20 Ernst-Barlach-Siftung Chefdirigent und Künstlerischer Leiter Güstrow Vladimir Jurowski S. 13 Peter Meisel S. 17 Sikorski Musikverlage Orchesterdirektorin S. 23 Käthe-Kollwitz-Museum Köln AUGEN Clara Marrero S. 24 Robert Niemeyer S. 27 Irene Zandel Ein Ensemble der Rundfunk- S. 28/29 Simon Pauly Orchester und -Chöre gGmbH Berlin Gestaltung und Realisierung Geschäftsführer GRACO GmbH & Co. KG N . Anselm Rose CH E MADIO, TV, WEB. Druck Kuratoriumsvorsitzender H. Heenemann GmbH & Co, Berlin Ernst Elitz Redaktionsschluss Gesellschafter 26. April 2022 Deutschlandradio, Bundesrepublik Deutschland, Land Berlin, Ton- und Filmaufnahmen sind Rundfunk Berlin-Brandenburg nicht gestattet. Programm- und IM RA Besetzungsänderungen vorbehalten! Text und Redaktion Steffen Georgi © Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Steffen Georgi
Besucherservice des RSB Charlottenstraße 56. 10117 Berlin Montag bis Freitag 9 bis 18 Uhr T 030 202 987 15 F 030 202 987 29 tickets@rsb-online.de www.rsb-online.de ein Ensemble der
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