Ff - Grundlagen und erste
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Osnabrücker Natunryissenschaft liche M itteilungen Band 2O/21,S. 275-337, 1995 ^ff Biozönotische Untersuchungen in Hudelandschaften Nordwestdeutschlands - Grundlagen und erste Ergebnisse -+ Thorsten Aßmann & Anselm Kratochwill unter Mitarbeit von Anja Niemann und Elke Vossel Kurzfassung: Hudelandschaften stellen im nordwestdeutschen Tiefland Lebensräume besonders hoher biologischer Diversität dar. Während einer über lange Zeiträume andauernden extensiven Bewirt- schaftung durch den Menschen entstand ein vielfältiges Mosaik unterschiedlicher Vegetationseinhei- ten. Die von geobotanischer Seite gut untersuchten Pflanzengesellschaften und Vegetationskomplexe bieten sich als Objekte biozönologischer Forschung an. Von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung ist das Studium von Reliktarten-Gemeinschaften alter Wälder. Unter den Carabiden, Chilopoden und Limaciden können Reliktarten benannt werden. Freilandexperimente zum Ausbreitungsverhalten und populationsgenetische Untersuchungen an Carabiden wurden durchgeführt, um Unterschiede zwi- schen einer Reliktart und einer weit verbreiteten Art untersuchen zu können. Strukturreiche, ehemalige Hudewälder besitzen im Vergleich zu den strukturarmen Wirtschaftshochwäldern unterschiedliche Artengemeinschaften an Chilopoden, Diplopoden und Carabiden. Die Hudelandschaften weisen eine Reihe von Teil-Lebensräumen auf, die heute landesweit hochgradig gefährdet sind. Hierzu gehören z.B. die Tot- und Altholzbestände, die durch besonders typische Zersetzer-Gemeinschaften unter den Arthropoden charakterisiert sind; auch diese sind Gegenstand unserer biozönologischen Untersuchun- gen. Ein Schwerpunkt unserer Forschung liegt in der Gharakterisierung einzelner Zoo-Taxozönosen (Coleoptera, Lepidoptera, Diptera, Orthoptera) auf der Basis des pflanzensoziologischen Rasters. lm Bereich der Ornithofauna haben wir uns bisher intensiver mit den Meisen-Gemeinschaften ausgewähl- ter Hudegebiete befaßt und die verschiedenen Bindungsgrade an spezifische Ressourcen der Stand- orte analysiert. lm Rahmen dieserArbeit wird gezeigt, daß die Erforschung von Biozönosen unter Land- schaftsbezug und unter Berücksichtigung von Pflanzengesellschaften und Vegetationskomplexen wichtige Ergebnisse liefert. lm Falle der Hudelandschaften kommt auch kulturgeschichilichen Zusam- menhängen eine große Bedeutung für das Verständnis des Aufbaues solcher Ökosysteme zu. Abstract tn North-West Germany grazed woodland landscapes represent ecosystem complexes of especially high biological diversity. Owing to a long-lasting extensive management, a diverse mosaic of different vegetation structures has developed. Plant communities and vegetation complexes which have been well investigated by geobotanists are suitable subjects for biocoenological research. The study of relic communities of ancient woodlands is of particular scientific importance. Among Carabi- dae, Chilopoda, and Limacidae, relic species can be named. Outdoor experiments concerning sprea- ding characteristics as well as population genetical investigations were performed to study differences between a relic species and a wide-spread species. Former grazed woodlands diverse in structures possess different coenoses in Chilopoda, Diplopoda, and Carabidae, contrary to the economically used high forests which are poor in structures (planted even-aged stands). The grazed woodland landsca- pes contain a number of species and biotopes which are today extremely endangered throughout the country. One example for this is the stock of dead and old wood which is characterized by particularly typical decomposing communities among the Arthropoda; this is also investigated by us. One main focus of our research lies in the characterisation of specific zoo-taxocoenoses (Coleoptera, Lepidopt- * Veröffentlichung der Arbeitsgemeinschaft für Biologisch-Ökologische Landeserforschung, ABöL, Nr. 109, Münster. Gefördert mit Forschungsmitteln des Landes Niedersachsen. 1 Meinem verehrten Lehrer Prof. Dr. G. Os+re, Freiburg gewidmet. 275
Thorsten Aßmann & Anselm Kratochwil Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 20121 1995 era, Diptera, Orthoptera) on the basis of the phytosociological system. ln the field of ornithofauna, we have dealt more intensively with the titmouse communities of selected grazed woodland areas and have analysed the different levels of binding to specific resources of the sites. ln the frame of this work we show that the analysis of biocoenoses - in view of the landscape, plant communities and vegeta- tion complexes - leads to important results. ln the case of woodland pasture landscapes, the histo- rico-cultural influences are highly important in order to comprehend the structure of such ecosystems. Key words: grazed woodland ecosystems, relation fauna,/vegetational complexes, research concept, ancient woodlands, relict fauna, Coleoptera, enclosure, power of dispersal, Chilopoda, Diplopoda, tit- mouses Autoren: Dr. Th. Aßmann, Prof. Dr. A. Kratochwil, Fachgebiet Ökologie, Fachbereich Biologie/Chemie, Universi- tät Osnabrück, Barbarastraße 1 1, D-49069 Osnabrück. lnhalt 1 Einleitung. ...277 2 Einige grundsätzliche Anmerkungen zur biozönologischen Arbeitsweise . . . 279 3 Vegetationskomplexe in den untersuchten Hudelandschaften . . . . 281 3.1 Die potentielle natürliche Vegetation und die hudebedingten Ersatzgesellschaften ...281 3.2 DerEichen:Birkenwald-Vegetationskomplex. ...282 3.3 DerBuchen-Eichenwald-Vegetationskomplex ....285 3.4 DerEichen-Hainbuchen-Vegetationskomplex.. ...286 3.5 Auen-Vegetationskomplexe. ......287 4 Fragestellung und Zielsetzung unserer Forschung in den HudelandschaftenNordwestdeutschlands ....287 5 Biozönologische Untersuchungen in Hudelandschaften . . . . 289 5.1 Reliktarten und Reliktarten-Gemeinschaften alter Wälder . . . 289 5.1.1 Beispiele für Reliktarten alter Wälder . . . . 289 5.1.2 Reliktarten-Gemeinschaften von Hudewald-Standorten im Vergleich zumWirtschaftshochwald . . . . .303 5.2 Coleopteren-Zönosen charakteristischer Landschafts-Strukturen . . 311 5.2.1 Xylobionten-Synusien . . . 311 5.2.2 Coleopteren-Zönosen unterschiedlicher Offenland-Standorte . . 312 5.3 Hudelandschaften, ihre Bedeutung für die Ornithofauna . . . . 315 5.3.1 Einführung ....315 5.3.2 Die Bindung der Weiden- und Schwanzmeise (Parus montanus, Aegithalos caudatus) an den Wacholder (Juniperus communis\ . . . . . 318 5.3.3 Die Bedeutung hudespezifischer Baumarten und -strukturen für Ganzhöhlenbrüter. ...323 5.3.4 Die unterschiedlichen Nahrungshabitate in verschiedenen Landschaften . . - 325 6 AusblickundDank.. ...329 Literatur. .---.330 276
Hudelandschaften, Biozönosen 1 Einleitung heute unter Naturschutz stehende Gebiete mit Hudelandschafts-Charakter (Pohl 1 975, lm nordwestdeutschen Tiefland zählen 1983, Runge 1992) ein Abbild und ein Zeug- Hudelandschaften zu den Lebensräumen nis der landschaftsgestaltenden Wirkung höchster biologischer Diversität, dies gilt dieser für Nordwestdeutschland kulturhisto- sowohl auf Artniveau (a-Diversität) als auch risch bedeutsamen Form der Landnutzung. auf Zönosen-Ebene (p-Diversität). lhre Ent- Das Landschaftsbild, wie es sich uns heu- stehung verdanken sie der langen, teilweise te zeigt, spiegelt die unterschiedliche Art über mehrere Jahrtausende währenden und Weise, Dauer und lntensität extensiver extensiven Bewirtschaftung durch den Men- Nutzung wider. Besonders typisch ist der schen, im wesentlichen seiner Weide- sich dem Besucher vermittelnde Eindruck (= Hude-) Wirtschaft. Nach pollenanaly- einer ,,Parklandschaft" (Abb. 1). Sie setzt tischen Befunden dürfte sich die Dauer der sich zusammen aus einem Mosaik vegeta- Waldhude allein über einen Zeitraum von ca. tionsfreier oder -armer Dünen, grasreicher 5000 Jahren erstreckt haben (Pott & Hüppe offener Triften, aus Staudensäumen, reich- 1991). Somit geben in ihrem besonderen gegliederten Waldmänteln, eingesprengt Strukturreichtum und ihrem charakteristi- sind dazwischen Einzelbäume und Baum- schen Pflanzen- und Tierartengefüge viele, gruppen unterschiedlicher Ausdehnung. Abb. 1: Die ,,Haselünner Kuhweide"erweckt in besonders bezeichnender Art und Weise den Charakter einer ,,Parklandschaft". Auf Querco-Ulmetum-Standorten finden sich heute großflächig Weide-Gesellschaften, ein- gesprengt sind Wacholder-Gebüsche, die in einigen Bereichen des Gebietes besonders großflächige Bestände bilden. Kulissenartig stocken lückige Eichenwäldchen, vorgelagert sind Strauchmäntel. Tiefer lie- gende lehmige und feuchte Flutmulden verzahnen sich hier mosaikartig mit höher gelegenen sandigen Ter- rassen. Foto Kratochwil. 277
Thorsten Aßmann & Anselm Kratochwil Osnabrücker Natunrviss. Mitt. 20121 1 995 o Hofgehölz Möhr i a (Wachendorfer Wacholderhain 50 km Abb. 2: Lage unserer Untersuchungsgebiete in Nordwestdeutschland Bezeichnend sind ferner lückige Waldgesell- landschaften Nordwestdeutschlands" leg- schaften mit einem hohen Anteil besonders ten Pott & Hüppe (1991)vor. Auf der Basis charakteristischer Baum-lndividuen, die einer solchen grundlegenden Analyse, wie häufig Zeichen und Merkmale der einstigen sie von geobotanischer Seite vorgenommen Hude tragen: Kappungsformen, Schneitel- wurde, kann auch eine edolgversprechende male, Verbißmarken und Verbißteller (s. Bur- biozönologische Forschung einsetzen. Wir richter 1984, Burrichter & Pott 1983, vgl. beschränken uns hierbei zunächst nur auf auch Kap. 5.1.2). Tiefland-Standorte und klammern die von Die große biologische Vielfalt der Hude- Pott & Hüppe (1991) randlich berücksichtig- landschaften Nordwestdeutschlands ist aus ten Mittelgebirgslagen (westfälische Hügel- geobotanischer und landschaftsökologi- und Berglandschaften, Ravensberger scher Sicht durch Untersuchungen von Bur- Hügelland, das Weser- und Wiehengebirge richter und seinen Schülern inhaltsreich sowie die Sand- und Kalkstein-Züge des dokumentiert worden (2.8. Burrichter 1970, Teutoburger Waldes und des Eggegebirges) 1977, 1988, Burrichter et al. 1980, Pott aus. Die von uns untersuchten und im Text 1983, 1990, Pott & Burrichter 1983). Eine erwähnten Gebiete sind in der Abb. 2 darge- umfassende Monographie über die ,,Hude- stellt. 278
Hudelandschaften, Biozönosen lm folgenden seien zunächst einige 2 Einige grundsätzliche Anmer- grundsätzliche Gesichtspunkte zur biozöno- kungen zur biozönologischen logischen Arbeitsweise vorangestellt. Da Arbeitsweise das Grundmuster der Vegetationszusam- (s. ausführlich bei Kratochwil 1987, 1991) mensetzung einschließlich ihres Entwick- lungspotentials durch die jeweils herrschen- Biozönosen setzen sich zusammen aus den Standoftsbedingungen vorgegeben ist, Phytozönosen, den Pflanzengesellschaften, bieten sich als Gliederungsschema oder aus Zoozönosen, den Tiergemeinschaften, Matrix für biozönologische Zusammen- und bestimmte, durch Pflanzen- oder Tier- hänge am besten die pflanzensoziologisch arten aufgebaute Synusien. Synusien sind charakterisierten Vegetationskomplexe an, ökologisch und symmorphologisch einan- die als eindeutig unterscheidbare Land- der nahestehende und unter annähernd schaftstypen präzise voneinander differen- gleichen kleinstandörtlichen Bedingungen ziert werden können (Kratochwil 1987, 1991 , lebende Artengruppen, z.B. Moos- oder Schwabe 1988, 1990). Sie sind der Schlüs- Flechtensynusien innerhalb von Pflanzenge- sel für viele biozönologische Gesetzmäßig- sellschaften. Sehr reichhaltig ist die Anzahl keiten, wie wir sie auch hier am Beispiel ein- der verschiedenen Tiersynusien, z.B. die zelner Zoozönosen in Hudelandschaften Zersetzergemeinschaft eines Holzstubbens zeigen möchten. Aus diesem Grund werden oder einer Tierleiche. zunächst in einem eigenen Kapitel diejeni- Die Basis für die Erfassung einer Biozö- gen Landschaftstypen vorgestellt, in denen nose sollte immer die pflanzensoziologische unsere biozönologischen Untersuchungen Charakterisierung des zu untersuchenden durchgeführt wurden. Lebensraumes sein. Hierdurch wird präzise ln Anschluß daran seien Fragestellungen die einheitliche Standortsbeschaffenheit ei- und Zielsetzungen unserer Forschung in nes Geländeausschnittes ausgedrückt. Hudelandschaften vorgestellt. Es folgen Besonders mit pflanzensoziologischen dann ausgewählte Beispiele zu den The- Methoden erfaßte Vegetationskomplexe men: sind für die Charakterisierung von Tierhabi- taten, sowohl auf der Ebene der Einzelart Reliktarten und Reliktarten-Gemeinschaf- (Schwabe & Mann 1990, Schwabe et al. ten unter ausgewählten Tiergruppen (Car- 1992), als auch auf der Ebene von Zoo- abidae, Chilopoda, Limacidae, Amphibia); Taxozönosen und Gilden besonders genaue Kap. 5.1.1. Bezugseinheiten (Kratochwil 1984, 1989a, Die Struktur von Hudewald-Standorten 1989b, Kratochwil & Klatt 1989, Schwabe & und ihr Einfluß auf die Zusammensetzung Kratochwil 1984). Hierbei werden Pflanzen- von Zönosen (Carabidae, Chilopoda, gesellschaften aufgrund ihres regelmäßigen Diplopoda); Kap. 5.1.2. gemeinsamen Vorkommens zu landschaft s- Coleopteren-Zönosen charakteristischer bezogenen Einheiten, eben den Vegeta- Hudewald-Strukturen (Xylobionten-Ge- tionskomplexen zusammengestellt. Vegeta- meinschaften, Käfergemeinschaften an tionskomplexe stellen - wie die Pflanzenge- Offenland-Standorten); Kap. 5.2. sellschaften auch - typisierbare Einheiten in Hudelandschaften, ihre Bedeutung für die ökologischer, struktureller, dynamischer, Ornithofauna (das Beispiel der Meisen); arealkundlicher und evolutionsbiologischer Kap.5.3. Sicht dar. 279
Thorsten Aßmann & Anselm Kratochwil Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 20121 1995 Der 1. Schritt einer biozönologischen voneinander zu unterscheiden, zum einen Bestandsanalyse muß immer die Charakte- die zönobionten (spezifischen) Arten, die risierung der räumlichen Strukturvielfalt sein ausschließlich oder nahezu ausschließlich in (Kratochwil 1987), wobei in der Regel ver- einer bestimmten Zönose vorkommen, zum schiedene Strukturtypen unterschieden anderen die zönophilen (präferenten) Arten, werden können, die jeweils auch eigene tie- die sich in einer bestimmten Zönose optimal rische, zum Teil aber auch pflanzliche Arten- entwickeln, aber auch in anderen vorkom- gruppen beherbergen. ln Anlehnung an men. Diese euzönen Arten stellen die Cha- Tischler (1947) sind 3 Strukturtypen, denen rakterarten einer Zönose dar. Keine Charak- eigene Zönosen zugeordnet werden kön- terarten sind die tychozönen, azönen und nen, voneinander abgrenzbar (s. Tab. 1). Für xenozönen Arlen.Zu den tychozönen Aden diese Bereiche können charakteristische gehören solche, die aufgrund ihrer großen Tiergruppen (Zoo-Taxozönosen) oder ökologischen Amplitude in vielen verschie- bestimmte ökologische Gilden ausgewählt denen Zönosen vorkommen können (eury- werden. öke Arten). Für die Charakterisierung von Der 2. Schritt besteht in der Festlegung Zoozönosen können tychozöne Arten eine von Charakterarten. Hierzu gehören nur die große Bedeutung als Differentialarten ha- euzönen Arten (stenöke Standorts-Speziali- ben. Azöne Arten (Ubiquisten) zeigen keine sten). lnnerhalb dieser Gruppe sind 2 Typen erkennbare Bindung an eine Zönose, zu den Tab. 1 : Die verschiedenen Raumstruktur-Typen innerhalb eines Biotops (in Anlehnung an Tischler 1947). TOPISCHE EINHEIT BIOTISCHE EINHEIT BEISPIELE STRATOTOP STRATOZÖNOSE horizontale Strukturen Kronenschicht Strauchschicht Krautschicht Streuschicht Krautschicht CHORIOTOP cHoRtozÖNosE eigenständi ge vertikale Baum Strukturen des gesamten Baumstumpf Raumes oder Teile des Strauch Stratotopes Tierleiche Exkremente Ameisenhaufen Vogelnest MEROTOP MEROZÖNOSE Struktur-Element inner- Blattbewohner halb eines Strato- oder Holzbewohner Choriotopes Rindenbewohner Blütenbewohner Blütenbesucher 280
Hudelandschaften, Biozönosen Ass.lV x o E- E voo C o (6 o o, o Ass. I I synta(o- nomische Ass.5 Einheiten Klasse 2 - Abb. 3: Unterschiedliche Bindungsgrade von Tierarten und Tierarten-Gruppen an verschiedene pflanzenso- ziologische Einheiten: a) Assoziations-spezifische Tierarten und Tierarten-Gruppen, b) Vegetationskomplex- spezifische Arten und Artengruppen, c) Verbands-, Ordnungs- oder Klassen-spezifische Arten- und Arten- gruppen. xenozönen Arten gehören zufällig in der xen vorhanden sind (Beispiele s. Kratochwil betreffenden Zönose auftretende Arten. Sol- 1991). che lrrgäste können unter Umständen Cha- Der 3. Schritt besteht in der Abgrenzung rakterarten anderer Zönosen sein. gemeinsam vergesellschafteter Artengrup- Tiere müssen keinesfalls wie im Falle a pen, in der Regelvon Stratotop-, Choriotop- des Diagramms (Abb.3), in dem auf der oder Merotop-spezifischen Zoo-Taxozöno- Abszisse verschiedene pflanzensoziolo- sen. gisch-syntaxonomische Einheiten, auf der Ordinate Vegetationskomplexe schemati- siert aufgetragen sind, nur an eine Assozia- 3 Vegetationskomplexe in den tion gebunden sein. Dies ist der seltenere untersuchten Hudelandschaften Fall. Für die meisten Tierarten ist ein Mosaik bestimmter Pflanzengesellschaften als 3.1 Die potentielle natürliche Vegetation Lebensraum notwendig (Fall b). Das Aufsu- und die hudebedingten Ersatzgesell- chen verschiedener Pflanzengesellschaften schaften bedeutet dabei nicht, daß solche Tierarten euryök sein müssen. Das Gegenteil ist häu- Maßgeblicher Faktor für die naturräumliche fig der Fall: Gerade bestimmte Requisiten Gliederung der Vegetation eines Gebietes und Ressourcen sind es, die in Kombination sind die verschiedenen Einflüsse der Aus- nur in ganz bestimmten Vegetationskomple- gangsgesteine und des Bodens. Neben die- 281
Thorsten Aßmann & Anselm Kratochwil Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 20121 1995 sen primären Faktoren und Faktorengrup- U lmen-Auenwald (Querco-Ulmetum) reprä- pen treten mit dem Menschen und seinen sentiert.2 Siedlungs- und Wirtschaftsweisen jedoch Mit Bezug zur lntensität des anthropo- sekundäre Faktoren und Faktorengruppen zoogenen Einflusses sind zwei Epochen hinzu, die mit besonderer Nachhaltigkeit das voneinander zu unterscheiden: ein erster Vegetationsbild einer Landschaft prägen Abschnitt, der von der vorgeschichtlichen können. Ausgehend von einer mehr oder Zeit über das Mittelalter bis zu Beginn der weniger geschlossenen Laubwald-Land- Neuzeit reicht (Epoche der Extensiv-Wirt- schaft hat der Mensch, so auch im nord- schaft), und ein 2. Abschnitt seit dem 18./19. westdeutschen Tiefland, seit dem Neolithi- Jahrhundert (Epoche der lntensiv-Wirt- kum (Atlantikum) den Wald zunehmend schaft) (Pott & Hüppe 1991). zurückgedrängt und für halbnatürliche bis Umfang und lntensität des anthropo-zoo- hin zu stark anthropogen bedingten Vegeta- genen Einflusses variieren. Zu alten Wald- tionseinheiten Lebensraum geschaffen. Die- standorten zählen die zu Beginn des 12. und ser bis heute andauernde Einfluß des Men- 13. Jahrhunderts und in darauffolgenden schen (und seiner Weidetiere) verläuft paral- Jahrhunderten in herrschaftlichen Bann ge- lel mit der Großklima-bedingten Sukzession legten, ehemaligen Allmend-Wälder, die z.T. der Vegetationsabfolge (M itteleuropäische seither ununterbrochen bei extensiver Hude- Grundfolge der Waldentwicklung), die eben- und Schneitelnutzung Wald tragen. Als Bei- falls einen besonders starken Einfluß auf die spiele seien der Bentheimer Wald, der Neu- Dynamik und Genese der Vegetationszu- enburger ,,Urwald" oder der,,Hasbruch" bei sammensetzung genommen hat (postglazi- Delmenhorst angeführt. Hierbei handelt es ale Wärmezeit, mittlere und späte Wärme- sich um ganz besonders wichtige biozöno- zeit, Atlantikum, Subboreal, Subatlantikum). logische Untersuchungsobjekte, wie wir noch Beide Prozesse zueinander in Beziehung zu sehen werden. lm folgenden werden die für setzen, ist ein Schlüssel zum Verständnis unsere Untersuchungen zugrundegelegten der heutigen potentiellen natürlichen Vege- Vegetationskomplexe detail ierter vorgestellt. I tation (Burrichter et a|.1988). Somit existiert die ursprüngliche natürliche Vegetation seit dem jüngeren Atlantikum im Gebiet nicht 3.2 Der Eichen-Birkenwald-Vegetations- mehr (Pott & Hüppe 1991). komplex (Abb.4, Tab. 2) Die potentielle natürliche Vegetation des näheren Untersuchungsgebietes (s. Abb. 2) lnnerhalb der bodensauren Eichen- bilden einerseits bodensaure Eichen- Mischwälder (Unterverband Quercenion Mischwälder (Quercion robori-petraeae) auf roboris), die artenarme, acidophytische Wäl- den Sandflächen, im Bereich der stau- und der umfassen, und die im wesentlichen eine grundwasserbeeinflußten Standorte mit an die Geest gebundene, nordwesteuropäi- Lehmböden Eichen-Hainbuchenwälder (Stel- sche Verbreitung besitzen, stockt auf reinen lario-Carpinetum). Hinzu treten auf nassen Quarzsanden, z.T. durch Podsolierungsvor- und zeitweise überstauten Böden Bruchwäl- gänge gekennzeichnet, der Eichen-Birken- der (im wesentlichen Carici elongatae-Alne- wald, das Betulo-Quercetum roboris. Unter tum und Betuletum pubescentis). Entlang größerer Fließgewässer wird die potentielle 2 Die pflanzensoziologischen Bezeichnungen fol- natürliche Vegetation durch den Eschen- gen im wesentlichen Pott (1992). 282
Hudelandschaften, Biozönosen Abb. 4: Eichen-Birkenwald-(Betulo-Quercetum-) Vegetationskomplex im ,,Wachendorfer Wacholderhain": Dicrano-Juniperetum und Genisto-Callunetum mit eingesprengten Birken (Betula pendula) als Relikte des Betulo-Quercetum. Foto Kratochwil. Waldweide lichtet sich der Bestand des Sandginster-Heiden (Genisto pilosae-Callu- Betulo-Quercetum auf und ein Wacholder- netum). Sie bilden häufig mosaik- und kulis- busch, das ,,anspruchslose" und Acidophy- senartige Komplexe mit dem Dicrano-Juni- ten-reiche Dicrano-Juniperetum communis peretum. Auf wechselfeuchten Quazsand- dringt als Weide-Gesellschaft in die böden können sich sekundär im Bereich des Bestände ein (s. auch Tüxen 1974). Unter Betulo-Quercetum molinietosum auch Eri- den hier behandelten Waldgesellschaften ist ca-Heiden entwickeln. Dort, wo offene Flug- die ,,Widerstandskraft" gerade des Betulo- sande anstehen, kommt als Pioniergesell- Quercetum gegen Beweidung am gering- schaft die Frühl n gsspark-Sil bergrasf u r, das i I sten. Schon Ellenberg (1954)wies daraufhin, Spergulo vernalis-Corynephoretum cane- daß das Betulo-Ouercetum besonders scentis, vor und bildet je nach Standortsdy- anfällig gegenüber Beweidung ist und eine namik recht unterschiedliche Ausbildungen. ,,Öffnung" des Waldes durch den anthropo- Auf zur Ruhe gekommenen, festgelegten, zoogenen Einfluß ohne Mühe erfolgte. Somit schwach humosen Sanden finden sich oft erklärt sich auch die Koinzidenz zwischen nur kleinflächig Kleinschmielenrasen, so z.B. Betulo-Quercetum-Gebiet und den Altsie- die Gesellschaft des Frühen Schmielenha- del-Landschaften (Ellenberg, ebd.). fers, das Airetum praecocis, auf sauren, lm Betulo-Quercetum-Gebiet finden wir stark verdichteten Gleypodsolen die Borst- als hudebedingte Ersatzgesellschaften grasrasen-Gesellschaft der Sparrigen Binse, 283
Thorsten Aßmann & Anselm Kratochwil Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 20121 1995 Tab.2: Übersichtstabelle: Betulo-Quercetum- und Lonicero-Fagetum-Vegetationskomplexe als Elemente der Quercenion roboris-Landschaft unter Berücksichtigung der hudebedingten Ersatzgesellschaften. Die Reihen- folge der Anordnung folgt der zunehmenden Öffnung des Waldes und der steigenden lntensität des mensch- lichen Einflusses. Quercenion roboris-Vegetationskomplex (Landschaft) Unterverband: Bodensaure Eichen-Mischwälder ,,Primärwald" Betulo-Quercetum roboris Lonicero-Fagetum (Eichen-Birkenwald) (Buchen-Eichenwald) ehemaliger beweidetes Betulo-Quercetum beweidetes Lonicero-Fagetum: Weidewald, z.T. im Komplex mit dem Fazies mit Pteridium aquilinum, llex heute z.T. Dicrano-Juniperetum aquifolium-Vorkommen, Komplex mit Bannwälder (Wacholder-Gebüsch) Sarothamnus scoparius-Gebüschen Hqdewaldreste und hudebedingte Ersatzgesellschaften im Gebiet des Quercenion roboris-Vegetationskomplexes: Wald- Betulo-Quercetum roboris Lonicero-Fagetum fragmente Hudewaldreste Hudewaldreste Heiden Genisto pilosae-Gallunetum reichere Calluna vulgaris (Sandginster-Heide) Bestände und Juniperus im Komplex mit dem communis-Gebüsche Dicrano-Juniperetum z.T. Erica tetralix- Heiden Vormäntel, Sarothamnus scoparius-Vormantel, Säume Teucrium scorodonia-Säume Sand- Spergulo-Gorynephoretum Diantho-Armerietum Trockenrasen (Frühlin gsspark-Silbergrasf lur) (Grasnelken-Flur) Pionierfluren Thero-Airion-Gesellschaft en : Thero-Airion-Gesel lschaft en: Airetum praecocis Filagini-Vulpietum myurus (Ges. d. Frühen Schmielenhafers) (Federschwingel-Rasen) Borstgras- Nardo-Juncetum squarrosi rasen (Ges. d. Sparrigen Binse) Grasland Lolio-Cynosuretum luzuletosum Lolio-Gynosuretum typicum 284
Hudelandschaften, Biozönosen Abb. 5: Das Lonicero-Fagetum als Element des Buchen-Eichenwald-Vegetationskomplexes; etwa 200 Jahre alter Buchenbestand im Gebiet des ,,Wachendorfer Wacholderhains". Foto Niemann. das Nardo-Juncetum squarrosi. Eine die aufgrund bestimmter lnhaltsstoffe ge- magere Ausbildung der Weidelgras-Weiß- mieden werden, z.B. der Adlerfarn (Pteri- klee-Weide (Lolio-Cynosuretum luzuleto- dium aquilinum), andererseits die bewehrten sum)schließt bei intensiverer Beweidung in Arten, z.B. die Hülse (llex aquifolium) und der Vegetationsentwicklung an. der Besenginster (Sarotha mnus scoparius). Die Ersatzgesellschaften des Lonicero- Fagetum vermitteln von der Physiognomie 3.3 Der Buchen-Eichenwald-Vegeta- und vom Artenspektrum her ein anderes Bild tionskomplex (Abb. 5, Tab. 2) als die des Betulo-Quercetum. Analog treten hier Heiden mit Calluna vulgaris, ebenso Ebenfalls zu den bodensauren Eichen- Wacholderbüsche (Juniperus communis) Mischwäldern (Unterverband Quercenion auf. Die wüchsigeren Standorte bieten je- roboris) zählt der im Vergleich zum Betulo- doch im Vergleich zum Betulo-Quercetum Quercetum auf nährstoffreicheren, anleh- eine,,Lizenz" für reichstrukturiertere Stand- migen Sandböden vorkommende Buchen- orte. Als Relikt des lichten Hudewaldes bildet Eichenwald, das Lonicero-Fagetum (früher der Besenginster (Saroth amnus scoparius) als Fago-Quercetum bezeichnet). lm Loni- Vormantel-Gesellschaften aus, davor wach- cero-Fagetum förden Weidetiere die Verbiß- sen Saum-Gesellschaften, u.a. mit dem Sal- toleranten Pflanzenarten, einerseits solche, bei-Gamand er (Teu criu m scorodonia). 285
Thorsten Aßmann & Anselm Kratochwil Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 20121 1995 Ein bezeichnendes Element ist die Gras- 3.4 Der Eichen-Hainbuchenwald- Kom- nelken-Flur (Diantho deltoidis-Armerietum plex (Abb. 6, Tab. 3) elongatae) auf leicht anlehmigen trockenen Sandböden, dichte blumenbunte Rasen mit Die zweite große Hudewald-Landschaft, hier einem für die Region hohen Anteil an sub- als Carpinion-Landschaft bezeichnet, wird mediterran (2.8. Ranunculus bulbosus) und durch den Eichen-Hainbuchenwald-Vegeta- subkontinental verbreiteten Pflanzenarten tionskomplex geprägt. Das Stellario-Carpi- (2.8. Veronica spicatal. Standörllich vikariiert netum stockt hier als azonale Vegetation auf zu dem Airetum praecocis des Betulo-Quer- nährstoffreichen und stau- und grundwas- cetum-Vegetationskomplexes im Lonicero- serfeuchten vergleyten Lehmböden. Die Fagetum-Vegetationskomplex der Feder- Hudewälder sind auch hier besonders schwingelrasen, das Filagini-Vulpietum strauchreich mit bewehrten Arten, so z.B. myurus, analog wird das Lolio-Cynosuretum mit der Hülse (//ex aquifolium). Ebenso exi- luzuletosum durch das Lolio-Cynosuretum stieren auch hier - hudebedingt - Ersatzge- typicum, letzteres auf stärker humosen, sellschaften. Kennzeichnend ist z.B. das nur anlehmigen Standorten ersetzt. auf anspruchsvolleren Standorten vorkom- Tab. 3: Ubersichtstabelle: Carpinion-Vegetationskomplex unter Berücksichtigung der hudebedingten Ersatz- gesellschaften. Die Reihenfolge der Anordnung folgt der zunehmenden Öffnung des Waldes und der stei- genden lntensität des menschlichen Einflusses. Garpinion-Vegetationskomplex (Landschaft) (Eichen-Hainbuchenwälder) ,,Primärwald" Stellario-Garpinetum (Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald) ehemaliger Stellario-Carpinetum Hudewald llex aquifolium- und Strauch-reich Hudewaldreste und hudebedingte Ersatzgesellschaften im Gebiet des Carpinion-Vegetationskomplexes: Hudewald-Reste Stellario-Carpinetum Heiden Roso-Juniperetum (Rosen-Wacholderbusch) Mantel-Gesellschaften Gorno-Prunetum (Prunetalia) (Schlehenbusch) Hochstauden-Gesellschaft Artemisietea Alliarion Grasland Lolio-Gynosuretum typicum 286
Hudelandschaften, Biozönosen Abb. 6: Stellario-Carpinetum als Element des Eichen-Hainbuchenwald-Komplexes. Das Stellario-Carpinetum (hier: periclymenetosum) ist hudebedingt reich an Hülse (//ex aqu ifolium). Die Hainbuchen (Carpinus betulus) tragen Zeichen ehemaliger Schneitelnutzung, heute sind einzelne Stämme aus den ehemaligen Schneitelbe- reichen des Baumes ausgewachsen (Bentheimer Wald). Foto: Kratochwil. mende Roso-Juniperetum (s. dazu Barkman schwemmungsbereich Auenwälder (Quer- 1968). Besonders ausgeprägt sind Mantel- co-Ulmetum), die Anklänge an das Stellario- Gesellschaften, z.B. das Corno-Prunetum. Carpinetum zeigen flrautmann & Lohmeyer Diese Wuchsorte des Stellario-Carpinetum 1962, Pott & Hüppe 1991), und Galeriewäl- sind besonders reich an anspruchsvolleren der des Pruno-Fraxinetum. Die hudebeding- Dornensträuchern, so z.B. der Schlehe (Pru- ten Ersatzgesellschaften entsprechen denen nus spinosa). Reichhaltig vertreten sind der Carpinion-Landschaft (Corno-Prune- auch nitrophytische Saumgesellschaften tum, Roso-Juniperetum). und Staudensäume der Artemisietea oder Säume des Alliarion. Letztlich schließt auch hier unter Beweidung das Lolio-Cynosure- 4 Fragestellung und Zielsetzung tum typicum an. unserer Forschung in den Hude- landschaften Nordwestdeutsch- lands 3.5 Auen-Vegetationskomplexe Extensive und seit dem Neolithikum prakti- ln den z.T. übersandeten Talbereichen der zierte Formen der Landnutzung haben zu Ems finden sich im periodischen Über- einer starken parklandschaftsartigen Dif- 287
Thorsten Aßmann & Anselm Kratochwil Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 20121 1995 ferenzierung der ehemals von Wäldern und ren Gemeinschaften geworden. Aber auch Mooren beherrschten Naturlandschaft in diesen Landschaftstypen blieben Verän- Nordwestdeutschlands geführt. Ein so ent- derungen nicht aus. So haben während der standenes Mosaik unterschiedlichster vergangenen Jahre eine Aufgabe tradierter anth ropo-zoogen-bed ingter Vegetationssta- Nutzungsformen sowie der Einfluß einer dien von Offenland bis hin zu Waldstandor- intensiven Agrar- und Forstwirtschaft auch ten stellt einen Lebensraum von hoher klein- in Hudegebieten zum sukzessiven Umbau räumlicher und zeitlicher Variabilität dar. Er bezeichnender Biozönosen geführt, z.B. weist im Vergleich zur Urlandschaft bezogen über Strukturnivellierung, Eutrophierung, auf eine bestimmte Raumeinheit eine weit- Ruderalisierung u.a. Ein langfristiger Schutz aus größere Faunen- und Florenmannigfal- dieser Lebensräume und Lebensgemein- tigkeit auf. schaften ist deshalb nur möglich, wenn Die Landschaftsgenese folgt dem Prinzip umfassende Kenntnisse über Phyto- und der ,,variety in space" (hoher Grad des stän- Zoozönosen in ihrem ,,biozönotischen Mit- digen räumlichen Wechsels der Faktoren- einander", d.h. in ihrer funktionalen Verknüp- Konstellationen, s. v. Leuwen 1966); somit fung, vorliegen, und wenn Wirkungsweisen entstehen Ökosysteme, die sich durch hohe und -mechanismen gegenwär.tiger Störgrö- Kontinuität in der Erhaltung des Mosaik- ßen und Stressoren auf die bezeichnenden Charakters auszeichnen. Der Stabilisator Zönosen und ihre Einzelglieder bekannt und systemerhaltende Faktor sind in diesem sind. Falle nicht die von Remmert (1991) für Wald- Die von uns durchgeführten und auch in ökosysteme postulierten natürlichen Fakto- Zukunft geplanten Untersuchungen haben ren, sondern gerade die anthropo-zoogenen daher zum Ziel, anhand ausgewählter Bei- Einflüsse, zumal sich diese seit dem Neo- spiele typische Biozönose-Umwelt-Bezie- lithikum auf die Vegetationsentwicklung und hungen in Hudelandschaften beschreiben natürlich auch auf die Tierwelt ausgewirkt und erklären zu können. Sie verstehen sich haben. Ziel unserer Forschung muß es vor somit einerseits als Beitrag zum Schutz von allem sein, solche Extensiv-Biozönosen in wissenschaftlich besonders bedeutsamen ihrem Mosaik-Charaktel in ihrer Dynamik Ökosystem-Typen, andererseits als Beitrag (Wechsel von Degradations- und Regenera- zur Erhaltung aus der Sicht des Natur- und tionskomplexen, s. Pott & Hüppe 1991), in Kulturschutzes besonders wertvoller Le- ihrer landschaftsräumlichen Bindung und bensgemeinschaften. Vor dem skizzierten gesetzmäßig wiederkehrenden Artenkombi- Hintergrund gehören aufbauend auf den nation und Vergesellschaftung zu erfassen vorliegenden geobotanischen und land- und zu typisieren. schaftsökologischen Untersuchungen bio- Die in den vergangenen Jahrzehnten zönologische Fragen zu den wesentlichen durch land- und forstwirtschaftliche lntensi- Forschungszielen: vierung erfolgten Landschaftsveränderun- gen haben ein Überleben ,,extensiver" . eine Erfassung einzelner und für Hude- Lebensgemeinschaften nur noch an weni- landschaften besonders bezeichnender gen Standorten, so z.B. in solchen Hude- Zoozönosen (Schutzwürdigkeit); landschaften ermöglicht. Somit sind sie zu . eine Analyse der Strukturpräferenzen und besonders wichtigen Refugialräumen der Strukturbindung bestimmter Zoozö- bedrohter Tier- und Pflanzenarten sowie de- nosen; 288
Hudelandschaften, Biozönosen . eine Analyse und Bewertung ehemaliger Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts nah- und gegenwärtiger Einflußgrößen auf Bio- men Wälder nur einen Bruchteil ihres poten- zönosen der Hudelandschaften ; tiellen Wuchsgebietes ein (Brüning 1961, r Untersuchungen zum lndikatorwert be- Hesmer & Schroeder 1963). Diese Situation stimmter Organismengruppen; wird für das Weser-Ems-Gebiet auch durch r Analysen zum Flächenbedarf einzelner Kadenmaterial belegt, das unter Leitung des Zoozönosen im Hinblick auf deren Stabi- preußischen Generalmajors von LeOoq lität und den Möglichkeiten ihres Schut- (1797-1813) erstellt wurde (von LeCoq zes unter gegenwärtig wirksamen Einfluß- 1805). Für das östliche Niedersachsen ist größen (Schutzfähigkeit). eine frühere kartographische Aufnahme ver- Daraus lassen sich Pflege-Empfehlungen fügbar (Kurhannoversche Landesaufnahme sowie Forderungen an eine Naturschutzpla- 1 7 64-1 786). Die Abb . 7 zeigt beispiethaft für nung ableiten (s. auch Pott & Hüppe 1994). die nördliche Ankumer Höhe einen Vergleich lm folgenden werden nun unter der Berück- der zu Zeilen von LeCoq vorhandenen sichtigung der unterschiedlichen Land- Waldgebiete sowie die heutige Situation. schaftstypen (Betu lo-Quercetum-Landschaft , Das Ausmaß der historischen Wddverwü- Lonicero-Fagetum-Landschaft , Carpinion- stung hatte im nordwestdeutschen Tiefland Landschaft , Querco-Ulmetum-Landschaft) ein unterschiedliches Ausmaß: Während im ausgewählte biozönologische Fragestellun- Weser-Ems-Gebiet nur wenige, kleine gen behandelt. Reliktwälder erhalten blieben, war im Weser- Elbe-Gebiet der relative Anteil an Wald erheblich größer. lm Hügelland und in den 5 Biozönologische Untersuchun- Mittelgebirgen Niedersachsens entsprach gen in Hudelandschaften vor ca. 200 Jahren die Ausdehnung der Waldfläche fast dem aktuellen Zustand. 5. 1 Reliktarten und Reliktarten-Gemein- Die verbliebenen Waldflächen wurden auf schaften alter Wälder vielfältige Weise genutzt. Nicht allein durch Holzgewinnung, sondern vor allem durch 5.1.1 Beispiele für Relikarten alter Wälder andere Nutzungsformen (Waldhude, Schneitel-, Fallaub- und Plaggenwirlschaft) Von besonderer Bedeutung für die Wissen- kam es zu einer drastischen Veränderung schaft und den Naturschutz sind die zu und oft Übernutzung der Wälder. ln diesen Beginn des 12. und 13. Jahrhunderts und in aufgelichteten Beständen waren die der Folgezeit mit einem herrschaftlichen Lebensbedingungen für viele Wddarlen Bann belegten Wälder. Zwar wurden auch sicherlich viel ungünstiger als in geschlosse- sie stets genutzt, dennoch tragen sie in vie- nen Hochwäldern. Man sollte deshalb len Fällen mindestens seither, z. T. wahr- erwarten, daß viele Reliktarten alter Wälder scheinlich aber ununterbrochen seit dem nur lokal bis in die Zeiten mit planmäßiger Postglazial Wald. Damit stellen sie ,,Relikt- forstlicher Nutzung überleben konnten. Dies standorte" für Pflanzen und Tiere dar. Unter könnte eine Erklärung für die spärliche Ver- anthropo-zoogenem Einfluß haben sich dort breitung vieler Reliktarten sein. Biozönosen primärer Waldstandorte auch in ihrem Artengefüge erhalten können. 289
Thorsten Aßmann & Anselm Kratochwil Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 20121 1995 Abb. 7: Ausschnitt der nördlichen Ankumer Höhe mit dem Stift Börstel. Abb. 7a: Um 1800 (von LeCoqsche Landesaufnahme), die Endmoräne ist fast völlig entwaldet und trägt überwiegend eine Heidevegetation, nur in der Umgebung des Stiftes ist ein Hudewald erhalten geblieben. lm Norden dehnt sich das Hahnenmoor aus. Kartengrundlage: Vergrößerung der Karte von Nordwestdeutschland von v. LeOoq (1797-1813), Sec- tion lX. Vervielfältigt mit Erlaubnis des Niedersächsischen Landesverwaltungsamtes - Landesvermessung - 85-664/95. 290
Hudelandschaften, Biozönosen Abb. 7b: Heutige Situation (Ausschnitt aus den TK 50 3312 Berge und 341 2 Fürstenau, ungefähr um 1/3 ver- kleinert), die ehemaligen Heideflächen sind durch Aufforstungen völlig verschwunden. Das Hahnenmoor ist weitgehend entwässert und zumindest im östlichen Teil (Hahlener Moor) überwiegend von einem Birkenbruch bedeckt. Kartengrundlage: Verkleinerung der Topographischen Karte 1 : 50 OOO, L 3312 (1994), L 3512 (1994). Vervielfältigt mit Erlaubnis des Niedersächsischen Landesverwaltungsamtes - Landesvermessung - 85- 664/95.
Thorsten Aßmann & Anselm Kratochwil Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 20121 1995 lnsbesondere während der Höhepunkte sondern versucht ausschließlich über die der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Artenzahl in unterschiedlich alten Wäldern Waldverwüstungsphasen stellten Bannwäl- die Zönosen zu beschreiben. Dabei stellt er der lnseln in einer ansonsten vom Men- fest, daß alte Wälder sich durch eine höhere schen fast völlig entwaldeten Landschaft Artenzahl an Carabidenarten von jungen dar (s. Darstellungen bei Pott 1993, 1994). Wäldern unterscheiden. Eine Nennung von Viel kleinflächiger waren die intensiver Reliktarten unterbleibt leider. genutzten Hofgehölze und Bauernwäldern. ln Mitteleuropa blieben entsprechende Heute ist der lnselcharakter dieser Wälder Fragestellungen lange unberücksichtigt. Nur oftmals durch die nach 1800 er{olgten Auf- wenige ältere Arbeiten liegen von Botani- forstungen verloren gegangen. Besonders kern vor (2. B. Runge 1959). Sporadisch fin- häufig erfolgten die Aufforstungen auf Hei- den sich auch in der malakozoologischen deflächen. Durch die zusätzliche Anlage von Literatur Hinweise auf Reliktarten alter Wäl- Hecken führte man damit - aus der Sicht der (2. B. Ant 1963). Erst in den letzten Jah- des heutigen Naturschutzes - schon vor lan- ren erlangten diese Themen auch bei uns ger Zeil eine ,,Biotopvernetzung" durch. vermehrt Beachtung (für die Botanik: Pott Alte Wälder sind hervorragende Objekte 1994, Wulf & Kelm 1994,Zacharias 1994, für für ökologische und evolutionsbiologische die Zoologie:Aßmann 1994, 1995). Studien an Reliktarten und Relikt-Biozöno- Seit 1981 wurden von einem der Autoren sen. Erste grundlegende Untersuchungen Laufkäfer im nordwestdeutschen Raum so- hierzu fanden auf den Britischen lnseln statt, wohl in alten (29 Lokalitäten) als auch in jun- wo aufgrund der günstigen urkundlichen gen Wäldern (32 Lokalitäten)mit jeweils min- Situation die kontinuierliche Präsenz von destens 10 Barber-Fallen pro Fangstelle (3 x Wäldern oft bis ins 16. Jahrhundeft zurÜck- für ca. 20 Tage/Jahr oder Ganzjahresfallen) verfolgt werden kann. Floristische und vege- untersucht (Aßmann 1994). Diese Unter- tationsökologische Fragen bearbeiteten suchungen zeigen, daß unter den Carabiden besonders Peterken (1977, 1993) und Peter- einige Arten nur lokal und dabei fast aus- ken & Game (1981 , 1984). Erste zoologische schließlich an alten Waldstandorten auf- Untersuchungen erfolgten bereits in der treten: ersten Hälfte dieses Jahrhunderts (Boycott 1934). Viele der von Boycott (1.c.) für alte Arten mit einer Präferenz für alte Wälder Wälder angeführten Mollusken gelten auch vom Typ des Lonicero-Fagetum heute als charakteristische Arten von ,,an- Abax ovalis (Col., Carabidae) - Verbrei- cient woodlands" und können z. T. als tungskarte bei Aßmann (1994) Reliktarten auch für das niedersächsische Abax ovalis besiedelt in Norddeutschland Tiefland bestätigt werden. Weitere Angaben unterschiedlichste Waldtypen, die vom über Mollusken und Chilopoden finden sich Carici-Fagetum bis zu humusreichen bei Paul (1975, 1978) und Barber & Keay Buchenwäldern der Endmoränen reichen. (1988). Epigäische Coleopteren wurden in lm Norddeutschen Tiefland werden aus- England bisher wenig bei entsprechenden schließlich wasserzügige, sandige Böden Untersuchungen berücksichtigt. Nur Terrell- bewohnt. Gleichzeitig kommt die Art nicht Nield (1990) beschäftigte sich mit vergleich- nur in Laubwäldern, sondern auch in Coni- baren Fragestellungen wie die anderen feren-Forsten von Abax ovalrs ist zwar nicht Autoren. Allerdings nennt er keine Arten, nur, aber vorwiegend auf alte Wälder 292
Hudelandschaften, Biozönosen beschränkt und kann somit als ,,Reliktart" Limax cinereoniger und Malacolimax eingestuft werden. Von den 15 bekannten tenellus (Mollusca, Limacidae) Fundpunkten im niedersächsischen Tiefland Auf die bemerkenswerte Standortstreue liegen 13 in alten Wäldern. Auch die Verbrei- und den ausgeprägten Reliktarten-Charak- tungsangaben aus den Niederlanden lassen ter vieler Mollusken haben bereits englische dort ein ähnliches Verhalten der Art vermu- Malakozoologen hingewiesen (2. B. Boycott ten fiurin et al. 1977, Turin & Heijermann 1934, Paul 1975, 1978). Die Schnegel-Arten 1e88). Limax cinereoniger und Malacolimax tenel- Carabus glabrafus (Col., Carabidae) - Ver- /us zeigen vermutlich auch in Norddeutsch- breitungskarte bei Aßmann (199a) land eine reliktäre Verbreitung in alten Wäl- Wälder und Forsten unterschiedlicher dern. Erste von uns im Naturschutzgebiet Ausprägung (Buchen- und Eichenbestände, ,,Lüneburger Heide" durchgeführte Untersu- Fichten-, Kiefern- und Lärchenforsten) sind chungen ergaben ausschließlich Funde in die Lebensräume von Carabus glabratus im Bannwäldern (2. B. ,,Hainköpen" bei Wil- Norddeutschen Tiefland. lm nördlichen sede) und in einem kleinen, aber alten Hof- Europa und in den Hochlagen der Mittelge- gehölz (Hof Möhr bei Schneverdingen), das birge werden auch baumfreie Lebensräume auch auf der ersten kartographischen Bear- besiedelt ffundren, z. T. mit Permafrostbö- beitung bereits verzeichnet ist (Kurhanno- den, Hochheiden). Die Vorkommen in der versche Landesaufnahme 1 764-1 786). niedersächsischen Tiefebene beschränken sich weitgehend auf alte Wälder. Populatio- Arten mit einer Präferenz für alte Wälder nen außerhalb alter Wälder sind aus dem vom Typ des Carpinion Naturschutzgebiet ,,Lüneburger Heide" Abax parallelus (Col., Carabidae) - Ver- bekannt, wo alte Wälder heute in kontinuier- breitungskarte bei Aßmann (1 994) lich aufgeforsteten, angrenzenden Berei- Diese stenotope Art ist auf feuchte Wälder chen liegen. Gebiete, die an alte Wälder beschränkt, im Norddeutschen Tiefland sind grenzen, konnten in den letzten 200 Jahren 21 Populationen bekannt. lm Norddeut- von Carabus g/abratus wieder besiedelt schen Tiefland werden überwiegend Stella- werden. Einen erst jetzt bekannt geworde- rio-Carpineten besiedelt (2. B. ,,Urwald Has- nen Fundpunkt stellt ein Wald südlich von bruch",,,Urwald Herrenholz", Bentheimer Ankum (Ldkr. Osnabrück) dar: das ,,Rüsse- Wald, ,,Clemenswerther Gehölz"). Die ler Holz". Dieses Waldgebiet wird bei den bereits von Barner (1954) hervorgehobene kartographischen Aufnahmen von LeOoq Bevorzugung lehmiger Böden hängt viel- zwar nicht aufgeführt, allerdings ist auch hier leicht mit der Brutfürsorge der Weibchen ein langfristiges Überdauern möglich, da zusammen: Wenige Tage vor der Eiablage das angrenzende Gut ,,Starten" vermutlich wird eine Brutkammer im Boden angelegt. in historischer Zeil über ein Hofgehölz ver- Das Weibchen bleibt in diesem Hohlraum, fügt haben dürfte. ln Hofgehölzen der Lüne- bis die Larven geschlüpft sind (Löser 1970, burger Heide konnten Reliktarten überleben Brandmayr 1977). Die Anlage solcher Brut- (s. unten). Noch nicht bei Aßmann (1994) kammern ist nur dort möglich, wo Lehmbö- wurde ein Reliktvorkommen im nördlichen den existieren. Bereich der Ankumer Höhe (Stiftswald bei Börstel) angeführt. Auf dieses Beispiel wird später noch intensiver eingegangen. 293
Thorsten Aßmann & Anselm Kratochwil Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 20121 1995 Lith o bi u s cu tti pes (Lithobiomorpha, Litho- nis bestätigt werden (Feldmann 1981). Am biidae) Nordwestrand des Verbreitungsgebietes im Der Chilopode Lithobius curtipes kann mit Weser-Ems-Gebiet ist Salamand ra salaman- hoher Wahrscheinlichkeit als Charakterart dra noch spärlicher verbreitet als im Westfä- alter Wälder angesehen werden, wie bereits lischen Tiefland. Viele Fundpunkte sind Barber & Keay (1988) für die Britischen bereits seit langem bekannt und liegen alle lnseln hervorheben. Vossel (1994) konnte L' in alten Wäldern (2. B. ,,Urwald Hasbruch", curtipes im Bentheimer Wald nachweisen. vgl. Borcherding 1887). Trotzdem wurden in Außerdem tritt die Art im Herrenholz bei den letzten Jahren auch noch bisher unbe- Vechta auf. Jeekel (1964) nennt noch eine kannte Populationen entdeckt, die aus- weitere Population aus dem ,,Forst Beimoor" schließlich mit alten Wäldern in Beziehung in Schleswig-Holstein.,,Forst Beimoor" stellt stehen (2. B. zwei Populationen in der einen alten Waldstandort dar, der bei der Umgebung des ,,Hasbruches" bei Delmen- ,,Varendorf-Kartierung" (Landesaufnahme horst, Stegink mdl. Mitt.). Während die des Herzogtums Holstein 1789-1796) und Oldenburger und Zevener Geest besiedelt bei der,,Preußischen Landesaufnahme" von sind, fehlt die Art in der von Moor- und Fluß- 1878, die während der maximalen Waldver- niederungen eingeschlossenen Osterholzer wüstung in Schleswig-Holstein durchgefühtt Geest. Offenbar hat S. sa/amandra wie auch wurde, verzeichnet ist. der Bergmolch (Iriturus a/pestns) diese Vermutlich kommen nicht nur im Nord- Gebiete postglazial nicht erreicht (Nettmann deutschen Tiefland, sondern auch in ande- 1991). lm südwestlichen Niedersachsen ist ren Regionen Reliktarten alter Wälder vor. der Feuersalamander ausgesprochen sel- Ant et al. (1984) konnten für den ,,Hamba- ten. Eine Überprüfung von faunistischen cher Forst" (Niederrhein) Trichotichnus lae- Nachweisen aus dem Tiefland ergab auch vicollis und Abax ovalrs als Reliktvorkommen hier eine Kongruenz mit alten Waldstandor- feststellen. Der Reliktcharakter dieser Vor- ten (2. B. ,,Stiftswald" bei Börstel, Ldkr. kommen wird auch dadurch gestützt, daß Osnabrück, vgl. Schreiber & Wellinghorst beide Arten in der betreffenden Faunistik fÜr 1e91). den Niederrhein nicht aufgeführt werden (Koch 1968). Das gleiche gilt auch für Cara- Kausalanalytische U ntersuchungen zur F rage bus glabratus, der vor wenigen Jahren durch der Reliktvorkommen von Carabiden Scharf (mündl. Mitt.) in einem Wald am Nie- Während sich die oben vorgestellten Cara- derrhein (,,Diersfordter Forst") nachgewie- bidenarten nicht oder nur unwesentlich in sen wurde. Hier konnte bisher Abax ovalis den letzten 200 Jahren ausgebreitet haben, nicht gefunden werden. sind andere Arten heute in Wäldern weit ver- Salamandra salamandra (Amphibia' breitet. Als Beispiel möge an dieser Stelle Salamandridae) der Vergleich der Verbreitung von Carabus Der Feuersalamander stellt im Norddeut- glabratus und Carabus problematicus im schen Tiefland ebenfalls eine ,,exklusive" nördlichen Teil der Ankumer Höhe dienen Charakterart alter Wälder dar. FÜr die West- (Abb. I und 9). Dieses Gebiet wurde hin- fälische Bucht wurde das ausschließliche sichtlich seiner Waldentwrcklung von der Auftreten in alten Wäldern bereits von West- ersten kartographischen Bearbeitung (um hoff (1893) erkannt. Auch bei neueren groß- 1800) bis heute bereits in Abb. 7 vorgestellt. flächigen Kartierungen konnte dieses Ergeb- Deutlich ist zu erkennen, daß sich Carabus 294
Hudelandschaften, Biozönosen glabratus praktisch nicht ausgebreitet hat findet sich auch im südlichen Hümmling (- und heute noch im ,,Stiftswald" vorkommt, Aßmann 1994). während Carabus problematicus auch in Angesichts der Unterschiede im Verbrei- jungen Wäldern weit verbreitet ist (Abb. 9). tungsbild beider Arten stellt sich die Frage, Eine ähnliche Verteilung der beiden Arten warum Carabus glabratus nur Reliktvorkom- NNs\ .N \ I zKM I STIFT "\ S '\t N s \\....\ Abb. 8: Verbreitung von Carabus glabratus im nördlichen Teil der Ankumer Höhe (vgl. auch Abb. 7). Kreuz- schraffiert sind alte Waldgebiete, einfach schraffiert neuzeitliche Aufforstungen und Birkenbestände auf ent- wässertem Hochmoorboden. Gefüllte Kreise kennzeichnen Nachweise, offene Kreise Fangstellen, an denen die Art nicht nachgewiesen werden konnte. 295
Thorsten Aßmann & Anselm Kratochwil Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 2Ol21 1995 men aufweist, während Carabus problema- Erklärung unterschiedlicher Verbreitungsbil- ticus sich in Norddeutschland nach den der angeführt (vgt. Endter'1982): Wiederaufforstungen großflächig ausbreiten 1) ökologische Gründe: Aufgrund einer spe- konnte. ln der modernen Biogeographie zifischen Habitatbindung ist das Vorkom- werden zwei alternative Hypothesen zur men an alte Wälder gebunden. Außerhalb \ \**Nt N N s,N" SN STIFT s\ \ Abb' 9: Verbreitung von Carabus problematicus im nördlichen Teil der Ankumer Höhe (vgl. auch Abb. 7). Kreuzschraffiert sind alte waldgebiete, einfach schraffiert neuzeitliche Aufforstungen und Birkenbestände auf entwässertem Hochmoorboden. Gefüllte Kreise kennzeichnen Nachweise, offLne Kreise Fangstellen, an denen die Art nicht nachgewiesen werden konnte. 296
Hudelandschaft en, Biozönosen Abb. 10: Rund,,enclosure" im Hofgehölz Möhr (Lüneburger Heide bei Schneverdingen). Foto Aßmann. solcher Habitate kann Carabus glabratus Gebieten, die zuvor nicht von dieser Art nicht überleben. besiedelt waren, Tiere in einem solchen 2)historische Gründe: Carabus glabratus ,,Gehege" ausgesetzt werden. lm Verlauf kann außerhalb alter Wälder leben, hat von mehreren Jahren kann die Populations- junge Wälder aber noch nicht erreicht. dynamik dieser Tiere dann verglichen wer- zu 1) ökologische Gründe den mit derjenigen im natürlichen Habitat. Ökologische Gründe können in der Regel zu 2) historische Gründe nur für solche Arten als verbreitungsbestim- Falls Carabus glabratus aufgrund der Um- mend angenommen werden, bei denen Hin- weltparameter auch in jungen Wäldern vor- weise auf eine enge Habitatbindung vodie- kommen kann, liegt die Annahme nahe, daß gen; bei zahlreichen Carabiden sind ökolo- das Ausbreitungspotential der Art, verglichen gische Gründe wahrscheinlich für ihre mit dem von Carabus problematicus, gering Verbreitungen (vgl. Angaben zur Bindung an ist. Diese Annahme läßt sich u. a. durch biotische und abiotische Parameter beiThiele Orientierungsversuche in Rund,,enclosures" 1977). Auch für Abax paral/e/us können öko- (Rundgehegen), andererseits durch Radar- logische Gründe bestimmend für die lokalen untersuchungen überprüfen. Vorkommen in alten Wäldern sein. Bei einer lm Hofgehölz Möhr (östlich von Schnever- so eurytopen Art wie Carabus glabratus er- dingen, Lüneburger Heide) konnte ein scheinen diese unwahrscheinlich, wenn sie Rund,,enclosure" errichtet werden (Durch- auch bei aktuellem Kenntnisstand nicht mit messer 20 m, Folie 40 cm tief in den Wald- letzter Sicherheit ausschließbar sind. Auf- boden eingegraben, ca. 50 cm über den schluß können zu diesem Faktor nur,,enclo- Boden emporragend) (Abb. 10). ln einem sure"-Versuche mit ausgesetzten Carabus Abstand von 10 m befanden sich an der glabratus-Gruppen geben. Dazu müssen in lnnenseite der Folie ebenerdig eingegra- 297
Sie können auch lesen