FLEISCHATLAS KLIMA UND - ÖSTERREICHISCHE AUSGABE - Global 2000

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FLEISCHATLAS KLIMA UND - ÖSTERREICHISCHE AUSGABE - Global 2000
FLEISCHATLAS
Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel           2021

                                                   JUGEND,
                                                           D
                                                  KLIMA UN
                                                          NG
                                                  ERNÄHRU

                                        ÖSTERREICHISCHE AUSGABE
FLEISCHATLAS KLIMA UND - ÖSTERREICHISCHE AUSGABE - Global 2000
IMPRESSUM
Die österreichische Ausgabe des FLEISCHATLAS 2021 ist ein Kooperationsprojekt der Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin,
der Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 und der Tierschutzorganisation Vier Pfoten, beide WIen.

Inhaltliche Leitung:
Basisausgabe: Christine Chemnitz, Heinrich-Böll-Stiftung,
Katrin Wenz, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
Österreichische Beiträge: Dagmar Gordon, GLOBAL 2000

Projektmanagement, Grafikrecherche: Dietmar Bartz
Art-Direktion und Herstellung: Ellen Stockmar

Textchefin: Elisabeth Schmidt-Landenberger
Dokumentation und Schlussredaktion: Andreas Kaizik, Sandra Thiele (Infotext GbR)

Mit Originalbeiträgen von Reinhild Benning, Matthias Brümmer, Christine Chemnitz, Inka Dewitz,
Dagmar Gordon, Sabine Großhaupt, Astrid Häger, Carla Hoinkes, Heike Holdinghausen,
Kristin Jürkenbeck, Ilse Köhler-Rollefson, Silvie Lang, Jonas Luckmann, Bettina Müller,
Sarah Neuhuber, Elisabeth Penz, Lia Polotzek, Christian Rehmer, Julia Schmid, Maureen Schulze,
Shefali Sharma, Achim Spiller, Anna Steinacher, Lisa Tostado, Veronika Weissenböck, Katrin Wenz,
Sabine Wichmann, Stephanie Wunder, Anke Zühlsdorf

Die Beiträge geben nicht notwendig die Ansicht aller beteiligten Partnerorganisationen wieder. Die Flächenfarben der
Landkarten zeigen die Erhebungsgebiete der Statistik an und treffen keine Aussage über eine politische Zugehörigkeit.

Titel: Ellen Stockmar
Bildbearbeitung: Roland Koletzki

1. Auflage, Januar 2021

Österreichische Ausgabe:
Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000
Geschäftsführung Agnes Zauner und René Fischer
                                    UWZ_Vermerk_GmbH_4C_Umweltzeichen_Vermerk.qxd                 31.05.13 08:02 Seite 1

Druck: Druckerei Janetschek GmbH, 3860 Heidenreichstein. Ausgezeichnet
                                                  gedruckt                  mit„Druckerzeugnisse“
                                                           nach der Richtlinie   dem
Österreichischen Umweltzeichen „Schadstoffarme Druckerzeugnisse“,
                                                  des ÖsterreichischenUW-Nr.    637.
                                                                       Umweltzeichens
                                                  Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637
Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier.

                                                       gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ des
                                                       Österreichischen Umweltzeichens
                                                       Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637

Dieses Werk mit Ausnahme des Coverfotos steht unter    gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“
                                                          der Creative-Commons-Lizenz                  des
                                                                                              „Namensnennung     –
                                                       Österreichischen Umweltzeichens · Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637
4.0 international“ (CC BY 4.0). Der Text der Lizenz ist unter https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/legalcode abrufbar.
Eine Zusammenfassung (kein Ersatz) ist unter https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de nachzulesen.
Sie können die einzelnen Infografiken dieses Atlas für eigene
                                                         gedrucktZwecke
                                                                  nach dernutzen,
                                                                           Richtliniewenn der Urhebernachweis
Bartz/Stockmar, CC BY 4.0 in der Nähe der Grafik steht„Druckerzeugnisse“    des Bartz/Stockmar (M), CC BY 4.0.)
                                                           (bei Bearbeitungen:
                                                         Österreichischen Umweltzeichens
                                                         Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637

                                                          gedruckt nach
                                                          der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ des
                                                          Österreichischen Umweltzeichens
                                           Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637

Download: www.global2000.at/publikationen/fleischatlas
FLEISCHATLAS KLIMA UND - ÖSTERREICHISCHE AUSGABE - Global 2000
FLEISCHATLAS
  Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel

                      2021
FLEISCHATLAS KLIMA UND - ÖSTERREICHISCHE AUSGABE - Global 2000
INHALT                                                         Stallhaltung und der Schweinemast insgesamt.
                                                                   Biologische Haltung ermöglicht ein artgemäßeres
                                                                   Leben, aber der Marktanteil ist gering.

                                                                20 KÄLBER AUS ÖSTERREICH
                                                                   WIE DIE MILCHWIRTSCHAFT
    02 IMPRESSUM                                                   ZU TIEREXPORTEN FÜHRT
                                                                   Zehntausende lebende Kälber verlassen jedes Jahr
    06 VORWORT                                                     Österreich, um bei niedrigeren Tierschutzstandards
                                                                   gemästet zu werden. Eine Mangelernährung führt
    08 ZWÖLF KURZE LEKTIONEN                                       zum begehrten hellen Fleisch – das dann vielleicht
       ÜBER FLEISCH UND DIE WELT                                   wieder nach Österreich importiert wird.

    10 KONSUM                                                   22 FUTTER
       ALLTAGSESSEN UND LUXUSGUT                                   ERNTEN, BIS DER VIEHTROG VOLL IST
         Die globale Nachfrage nach Fleisch steigt durch           Über ein Drittel aller Feldfrüchte weltweit landet
         Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum                     in den Mägen von Nutztieren – allein eine
         weiter an, allerdings langsamer als noch vor              Milliarde Tonnen Soja und Mais jährlich. Die
         zehn Jahren. Geflügel macht dabei einen immer             Futtermittelindustrie und die Tierhalter wollen
         größeren Anteil aus. Die großen Unterschiede              das noch steigern.
         beim Pro-Kopf-Konsum zwischen Ländern und
         Bevölkerungsgruppen bestehen fort.                     24 KONZERNE
                                                                   DAS ZIEL IST MARKTMACHT – VOM
    12 KONSUM IN ÖSTERREICH                                        STALL BIS ZUM KÜHLREGAL
       AUF DIE TELLER DER REPUBLIK                                 Globale Fleischkonzerne spielen eine wichtige
         Die Österreicherinnen und Österreicher essen nicht        Rolle bei der Frage, wie Fleisch und Futtermittel
         mehr ganz so viel Fleisch wie noch vor zehn Jahren.       produziert, transportiert und gehandelt werden.
         Zugleich bedroht der Strukturwandel viele Höfe.           Ernährung ist lukrativ: Unter den 100 größten
         Dabei könnte eine extensivere Produktion Massentier-      Lebensmittel- und Getränkemultis der
         haltung vermeiden und die Natur besser schützen.          Welt finden sich auch die zehn umsatzstärksten
                                                                   Schlacht- und Weiterverarbeitungsbetriebe.
    14 HANDEL
       IN DIE FALSCHE RICHTUNG                                  26 WERTSCHÄTZUNG IN ÖSTERREICH
         Beim Assoziierungsabkommen zwischen der EU                DELIKATESSEN VON FRÜHER – UND HEUTE
         und vier Mercosur-Staaten geht es um viel Fleisch         Innereien galten lange als wenig attraktive Speisen.
         und Futtermittel, den Regenwald und das Klima.            Sie erfordern Fachwissen, Übung und Lust an der
         Aber die EU hat Angst vor billigen Importen,              Zubereitung und sind damit der schnellen Küche
         und der Widerstand wächst. Ob das Abkommen                unterlegen. Doch die „Nose to Tail“-Bewegung möchte
         in Kraft tritt, ist deshalb fraglich.                     wieder das ganze Tier als Nahrungsmittel betrachten.

    16 PRODUKTION                                               28 PASTORALISMUS
       EINE PROBLEMATISCHE NAHRUNG                                 KARGES LAND UND REICHER NUTZEN
       UND IHRE GROSSEN ERZEUGER                                   Mobile Hirtenvölker ziehen mit ihren Nutztieren noch
         Globalisierung und Reformen in vielen Ländern             über die abgelegensten Weiden. Diese Wirtschafts-
         Asiens und Osteuropas haben die Produktion                form, der Pastoralismus, ist ökonomisch bedeutend
         tierischer Erzeugnisse in den letzten Jahrzehnten         und klimafreundlich, aber auch stark bedroht.
         erhöht. Tierseuchen tragen dazu bei, dass
         die kleinbäuerlichen Betriebe verlieren.               30 KLIMA
                                                                   DER FUSSABDRUCK DER TIERE
    18 MASTSCHWEINE IN ÖSTERREICH                                  Der Anteil der Viehzucht an den globalen Treibhaus-
       EINE FRAGE DER HALTUNG                                      gasemissionen wird oft unterschätzt, doch in der
         Das meiste in Österreich verzehrte Fleisch                Klimarechnung hinterlassen die Nutztiere und ihr
         stammt vom Schwein. Massenproduktion und                  Futter deutliche Spuren. Es gibt Vorschläge, das zu
         Preisdruck sorgen für vielerlei Mängel bei der            ändern.

4   FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS KLIMA UND - ÖSTERREICHISCHE AUSGABE - Global 2000
32 PESTIZIDE                                              44 PRODUKTION IN DEUTSCHLAND
   IN DER EU VERBOTEN,                                       RABIATER STRUKTURWANDEL
   IN SÜDAMERIKA ERLAUBT                                    Die Zahl der Tierhaltungen in Deutschland sinkt
   Weltweit steigt die Verwendung von Pestiziden            seit Jahrzehnten – und zwar schnell. Finanzkräftige
   in der Landwirtschaft. Einige der gefährlichsten         Betriebe vergrößern dagegen ihre Bestände
   Stoffe wurden in der EU bereits verboten,                noch. Bei der Verteilung der Tiere und beim
   kommen in anderen Teilen der Welt aber im großen         Ökoanteil unterscheiden sich die Regionen stark.
   Stil zum Einsatz. Viele sind für den Anbau von Soja
   und Mais bestimmt, die meist im Futtertrog von         46 SCHLACHTHÖFE IN DEUTSCHLAND
   Nutztieren landen.                                        KLIMA DER ANGST
                                                            Die Corona-Infektionen haben ein grelles
34 WASSER                                                   Licht auf die schlechten Arbeitsverhältnisse
   DER UNSICHTBARE DURST DER                                in deutschen Schlachthöfen geworfen.
   TIERE – UND IHRES FUTTERS                                Es müsste, gegen den Trend, mehr staatliche
   In allen tierischen Produkten steckt auch ein            Kontrollen geben.
   Wasserfußabdruck. Dabei ist nicht die Gesamt-
   menge zu betrachten, sondern nach                      48 VERSCHWENDUNG IN DEUTSCHLAND
   Wasserkategorien zu unterscheiden. Grünes                 VIEL ZU WENIG WIRD VERMIEDEN
   Wasser gibt es genug – auf möglichst wenig blaues        Entlang der gesamten Wertschöpfungskette
   und graues Wasser kommt es an.                           verenden Tiere und werden Hunderttausende
                                                            Tonnen Fleisch vergeudet. Die Verschwendung
36 MOORE                                                    von Ressourcen für deren Produktion ist enorm.
   WIEDERVERNÄSSUNG ALS CHANCE
   In vielen Teilen Europas werden Rinder auf             50 KULTURWANDEL
   entwässerten Moorböden gehalten. Seit ihrer               VERHÄNGNISVOLLE SYMBOLIK
   Trockenlegung emittieren die Torfböden                   Kritik am Fleischverbrauch muss es mit vielem
   enorme Mengen an Treibhausgasen. Die                     aufnehmen: mit geschicktem Marketing,
   klimaverträgliche Nutzung dieser Flächen zu              gesellschaftlichen Werten und Traditionen. Für
   organisieren, wäre Aufgabe der Agrarpolitik.             einen reduzierten Fleischkonsum müssen sich
                                                            langfristig die sozialen Normen ändern.
38 ANTIBIOTIKA
   ZU VIEL DAVON IM TIERSTALL – UND                       52 ERSATZPRODUKTE
   EINE GEFAHR FÜR DIE MENSCHEN                              ÜBERALL WIRD EXPERIMENTIERT
   Antibiotika helfen bei vielen Erkrankungen.              Veganer und vegetarischer Ersatz für Fleisch
   Das große Problem: Erreger in Menschen und Tieren        und Wurst wird schnell beliebter – und für
   können gegen Antibiotika resistent werden, eine          Großkonzerne attraktiv. Als Nächstes entbrennt
   tödliche Gefahr. Doch in der Nutztierhaltung werden      wohl die Konkurrenz mit In-vitro-Fleisch.
   sie noch immer nicht sparsam genug eingesetzt.           Start-ups mit Produkten aus dem Labor sprießen
                                                            aus dem Boden.
40 PANDEMIEN
   GEFÄHRLICHE KONTAKTE                                   54 POLITIK
   Viehzucht und Fleischverzehr sind Ursachen                NÄCHSTE SCHRITTE
   für den Ausbruch von Krankheiten, die von                Längst haben zivilgesellschaftliche
   Wildtieren auf Menschen übergehen. Solche                Organisationen Vorschläge für eine klima-
   Zoonosen können katastrophal sein – wie im               und umweltfreundliche Tierhaltung
   Fall von Covid-19.                                       ausgearbeitet. Doch Fortschritte zeichnen
                                                            sich nur bei den Haltungssystemen ab.
42 JUGENDUMFRAGE
   WENIGER FLEISCH, MEHR FUTURE                           56 AUTORINNEN UND AUTOREN,
   Im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung ernähren           QUELLEN VON DATEN, KARTEN
   sich doppelt so viele 15- bis 29-Jährige vegetarisch      UND GRAFIKEN
   oder vegan. Für viele junge Erwachsene ist der
   Verzicht auf Fleisch ein politisches Statement.        58 ÜBER UNS

                                                                                                        FLEISCHATLAS 2021   5
VORWORT

    E
          s schien wie ein Weckruf, als im Sommer
          2020 Covid-19 in Deutschlands größtem
          Schlachthof ausbrach: Die erste Welle
                                                    „     Trotz Skandalen und
                                                          Corona – die Regierungen
                                                    wollen von einer „Fleischwende“
    der Pandemie verklang gerade, da meldeten       nichts mehr wissen.
    die Gesundheitsämter mehr als 1.500 in-
    fizierte Arbeiterinnen und Arbeiter in dem
    Mega-Schlachtbetrieb von Tönnies in Rheda-      an der Branche vorbeigezogen sind. Für uns
    Wiedenbrück. Dort, wo am Tag knapp 30.000       ist es kaum nachvollziehbar, wie wenig sich
    Schweine geschlachtet werden, musste we-        ändert – trotz der seit nun fast zehn Jahren
    gen der Pandemie alles stillgelegt werden.      anhaltenden öffentlichen Kritik und der vie-
    Infiziert waren vor allem Arbeiterinnen und     len Skandale.
    Arbeiter aus dem Ausland, die für wenig Geld        Uns hat in diesem Zusammenhang inter-
    in der Fabrik arbeiten und unter prekären       essiert, wie die jüngere Generation mit ihrem
    Bedingungen wohnen. Die Deutsche Agrar-         beeindruckenden Engagement gegen die
    ministerin Klöckner verkündete einen grund-     Klimakrise diese Beharrungskräfte der
    legenden Wandel in der Fleischindustrie,        Fleischindustrie erlebt. Daher haben wir
    sogar ein „Fleisch-Gipfel“ wurde organisiert.   eine repräsentative Umfrage in Auftrag ge-
    Endlich der Moment für einen grundlegen-        geben, in der Meinungsbilder von Menschen
    den Wandel? Leider nein. Durch den Kampf        zwischen 16 und 29 Jahren erhoben wurden.
    der Gewerkschaften endet nun die Zeit der

                                                    D
    Leiharbeit und der Werkverträge in den                 ie Ergebnisse zeigen, dass mehr als
    deutschen Schlachthöfen. Ein erster wichti-            zwei Drittel der jüngeren Generation
    ger Schritt. Doch weiter geht der Umbau der            die heutige Fleischindustrie ablehnen.
    deutschen Fleischindustrie nicht.               Sie sehen in der Fleischproduktion eine
       In Österreich ist die Situation nicht viel   Bedrohung für das Klima und ernähren sich
    besser: Die Corona-Ausbrüche in oberösterrei-   doppelt so oft vegetarisch und vegan wie der
    chischen Schlachthöfen im Juni zeigten ein-     Durchschnitt der gesamten Bevölkerung.
    mal mehr, dass das System der industriellen     Und sie sehen Handlungsbedarf beim Staat:
    Fleischproduktion an allen Ecken und Enden      Er soll Konsumentinnen und Konsumenten
    kracht. Es ist fast immer von extrem prekären   darin unterstützen, sich klimafreundlich zu
    und/oder gesundheitsgefährdenden Arbeits-       ernähren. Das sind interessante Ergebnisse,
    bedingungen geprägt. Es basiert auf Ausbeu-     denn im Gegensatz dazu proklamieren
    tung – nicht nur von Menschen, sondern auch     viele Politikerinnen und Politiker, dass
    von Tieren und der Natur. Die Auswirkungen      Ernährung eine persönliche Entscheidung
    auf die Umwelt, die eine industrielle Produk-   sei – und der Staat nichts gegen den Konsum
    tion von Fleisch anrichtet, sind verheerend,    von billigem Fleisch unternehmen könne.
    wenn wir nur an die Zerstörung der Biodiver-       Doch das ist falsch. So wie die Produk-
    sität, Wasservernichtung und Grundwasser-       tionsbedingungen kann der Staat auch den
    verschmutzung denken.                           Konsum beeinflussen. Ernährung ist zwar
       Die Corona-Aufregung erinnert an die vie-    individuell. Doch Gesetze und Regeln können
    len anderen Skandale, die in den letzten        unsere Konsumentscheidungen zugunsten
    Jahrzehnten ohne wirkliche Konsequenzen         von Nachhaltigkeit und Gesundheit steuern.

6   FLEISCHATLAS 2021
Instrumente dafür gibt es zahlreiche:
fiskalische, informatorische und rechtliche.
   Vor allem aber bedarf es eines entschie-
                                                  „    Ernährung ist zwar
                                                       individuell. Doch Gesetze
                                                  und Regeln können unsere
denen politischen Willens zur Veränderung.        Konsumentscheidungen steuern.
Doch die Regierungen wollen von einer
„Fleischwende“ trotz der sichtbaren
Probleme offenbar nichts wissen. Das ist             Vor acht Jahren haben wir den ersten
auch im globalen Zusammenhang ein                 Fleischatlas veröffentlicht. Seitdem hat sich
dramatischer Irrweg, weil die ökologischen,       in Deutschland einiges verändert. In Gesell-
sozialen und gesundheitlichen Folgen der          schaft, Medien und Wissenschaft ist Fleisch
industriellen Fleischproduktion ignoriert         inzwischen als kritisches Thema etabliert.
werden: Ohne Kurswechsel wächst die               Konsumenten und Konsumentinnen greifen
Fleischproduktion bis zum Jahr 2029 noch          immer häufiger zu vegetarischen Produkten
einmal um 40 Millionen Tonnen auf dann            oder zu Fleisch aus besserer Haltung.
mehr als 360 Millionen Tonnen Fleisch pro

                                                  D
Jahr. Die Folgen kann man sich kaum                      aher soll dieser Atlas all diejenigen in
vorstellen, weil bereits jetzt die ökologischen          ihrer Arbeit und ihrem Engagement
Grenzen unseres Planeten überschritten                   unterstützen, die sich für Klimage-
werden und die Klima- und Biodiversitäts-         rechtigkeit einsetzen. Er beleuchtet die
krise für viele Menschen weltweit dramati-        Probleme, die aus der industriellen Fleisch-
sche Auswirkungen hat.                            produktion entstehen, und liefert neue
                                                  Daten und Fakten zu Themen, die wir auch

I
   m Jahr 2015 haben sich die Staats- und         zuvor schon aufgegriffen haben. Auch wenn
   Regierungschefs der Welt auf die globalen      es noch an positiven Trends mangelt – es
   Entwicklungsziele (SDGs) geeinigt. Der         wird deutlich, dass viele Menschen, die die
Schutz des Klimas, der Biodiversität, der         Machenschaften der Fleischindustrie nicht
Meere und allem voran das Ende von Hunger         mehr hinnehmen wollen, sich zunehmend
und absoluter Armut stehen auf der Liste          für Klima, Nachhaltigkeit, Tierwohl und
der 17 Ziele. Die Landwirtschaft ist eng mit      Ernährung interessieren und einsetzen.
dem Erfolg der Ziele verknüpft, doch steht        Das ist großartig. Darum möchten wir mit
gerade die industrielle Fleischproduktion         diesem Atlas vor allem ihr Engagement mit
dem im Weg. Sie befeuert die Klimakrise,          Informationen stärken.
Waldrodungen, Pestizideinsätze und
Biodiversitätsverluste, vertreibt Menschen
von ihrem Land.
   Die globalen Nachhaltigkeitsziele              Barbara Unmüßig
müssen wir in neun Jahren erreichen. Und          Heinrich-Böll-Stiftung
das bedeutet, dass die Industrieländer
                                                  Agnes Zauner
ihren hohen Fleischverbrauch auf Kosten
                                                  GLOBAL 2000
des Klimas, der Biodiversität, globaler
Gerechtigkeit und des Tierwohls um mindes-        Eva Rosenberg
tens fünfzig Prozent reduzieren müssen.           VIER PFOTEN

                                                                                        FLEISCHATLAS 2021   7
12 KURZE LEKTIONEN

           ÜBER FLEISCH UND DIE WELT
                        1   Die globale Fleischproduktion wächst. Doch KLIMA UND
                            BIODIVERSITÄT können nur geschützt werden, wenn
                            die Industrieländer ihren FLEISCHKONSUM HALBIEREN.

             2 Je mehr Wälder für FUTTERMITTEL gerodet werden, desto mehr schrumpfen die
               LEBENSRÄUME der Wildtiere. Der Kontakt zwischen Menschen und Tieren wird enger –
               das begünstigt die Übertragung von Viren und die Entstehung neuer PANDEMIEN.

                                        3   Der STRUKTURWANDEL in der Landwirtschaft geht
                                            weiter. Wenige Betriebe – die ihre Tiere unter
                                            industriellen Bedingungen halten – wachsen noch.

                        4 Der Einsatz von ANTIBIOTIKA IN DER TIERHALTUNG führt zu immer
                          mehr RESISTENTEN KEIMEN. Dies bedroht die Wirksamkeit
                          von Antibiotika, einem der wichtigsten Mittel der Humanmedizin.

             5 Die führenden Anbauländer von Futter-
               mitteln gehören zu den größten Anwendern
               von PESTIZIDEN – zum Schaden
               von Grundwasser und BIODIVERSITÄT.

                                        6   Die fünf größten FLEISCH- UND MILCHKONZERNE
                                            emittieren genauso viele KLIMASCHÄDLICHE GASE
                                            wie Exxon, der größte ÖLMULTI der Welt.

8   FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / STOCKMAR
7   Mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen EMISSIONEN stammen
    in Österreich aus der Nutztierhaltung. Der Anbau von Futtermitteln
    im In- und Ausland verschlingt enorme LANDFLÄCHEN.

                             8 Unsere GEWOHNHEITEN, Rollenbilder und
                               die Werbung sowie gesellschaftliche
                               Traditionen regen zum FLEISCHESSEN an. Die
                               Ernährungsindustrie profitiert vom Status quo.

                                                                                         |||||| SCHWEIN?
                                                        |||||| FREITAGS
                                                                                              GEHABT! ||||||   |||||| STOP!
                                                                     FÜRS KLIMA |||

                                                 ||||| INLANDSFLÜGE NUR FÜR INSEKTEN |||||           ||| GRÜNKOHL STATT BRAUNKOHLE

          9 Die konventionelle, intensive Schweinehaltung
            in Österreich ist in der Fleischindustrie mit
            MASSENPRODUKTION und PREISDRUCK begründet.

10 Junge Menschen ernähren sich doppelt so häufig VEGETARISCH UND VEGAN
   wie der Durchschnitt der Bevölkerung. Viele sehen Ernährung nicht nur
   als etwas Individuelles, sondern wollen, dass der Staat STÄRKER EINGREIFT.

                             11 Der Markt für FLEISCHERSATZPRODUKTE
                                wächst schnell. Ein großer Teil der jungen
                                Konsumentinnen und Konsumenten
                                findet, dass sie GUT SCHMECKEN.

    12 Trotz der globalen Auswirkungen hat kein
       Land der Welt eine STRATEGIE ZUR SENKUNG
       DES FLEISCHKONSUMS. Dabei können
       Regierungen durch GESETZE und finanzielle
       Anreize wichtige Beiträge dazu leisten.

                                                                                                                 FLEISCHATLAS 2021                            9
KONSUM

     ALLTAGSESSEN UND LUXUSGUT
     Die globale Nachfrage nach Fleisch steigt                                                                     son gegessen werden, sind es in den USA und Australien
     durch Wirtschafts- und Bevölkerungs-                                                                          mehr als 100 Kilogramm. Seit einigen Jahren sinkt die Nach-
     wachstum weiter an, allerdings langsamer                                                                      frage in einigen Industrieländern leicht, weil die Bedenken
                                                                                                                   bezüglich Gesundheit, Tierwohl und Umwelt zunehmen.
     als noch vor zehn Jahren. Geflügel
                                                                                                                       Das größte Wachstum des Fleischkonsums wird in den
     macht dabei einen immer größeren Anteil                                                                       Ländern des Südens stattfinden. Der Industrieländerorgani-
     aus. Die großen Unterschiede beim                                                                             sation OECD zufolge steigt die Nachfrage dort bis 2028 vier
     Pro-Kopf-Konsum zwischen Ländern und                                                                          Mal mehr als in den Industrieländern. Ausgehend von ei-
     Bevölkerungsgruppen bestehen fort.                                                                            nem viel geringeren Niveau, dafür aber mit deutlich größe-
                                                                                                                   rem Bevölkerungswachstum als in den Industrieländern, ist
                                                                                                                   der zusätzliche Konsum pro Person nicht sehr hoch. Auf dem

     D
            er weltweite Fleischkonsum hat sich in den vergange-                                                   afrikanischen Kontinent wird das besonders deutlich. Dort
            nen 20 Jahren mehr als verdoppelt und erreichte 2018                                                   wächst die Nachfrage insgesamt zwar besonders schnell,
            320 Millionen Tonnen. Die Bevölkerung ist gewach-                                                      aber pro Person steigt der Fleischkonsum in den nächsten
     sen, die Einkommen sind gestiegen – beide Faktoren haben                                                      zehn Jahren kaum – von 17 auf 17,5 Kilogramm.
     die Zunahme zu ungefähr gleichen Teilen verursacht. Die                                                           Auf die bevölkerungsreichste Nation der Welt, China,
     Prognosen für die Fleischindustrie waren ohnehin schon                                                        entfällt fast ein Drittel des gesamten heutigen Fleischkon-
     gut – bis 2028 wird der Fleischkonsum möglicherweise noch                                                     sums und ein Drittel des Wachstums der vergangenen 20
     einmal um 13 Prozent wachsen.                                                                                 Jahre, auch wenn der Pro-Kopf-Verbrauch immer noch bei
         Doch noch immer ist Fleisch für viele Menschen auf der                                                    weniger als der Hälfte des Verbrauchs in den USA liegt. Die
     Welt ein Luxusgut, dessen Konsum stark vom Einkommen                                                          Nachfrage nach Fleisch wird wohl auch in China weiter stei-
     abhängt. Durch die weltweite Wirtschaftskrise im Zusam-                                                       gen, das Wachstum jedoch deutlich geringer werden. Denn
     menhang mit Covid-19 sind die Einkommen vieler Men-                                                           die Sorge um Übergewicht wächst, und ab 2030 wird die Be-
     schen eingebrochen. Die Weltbank geht davon aus, dass bei                                                     völkerungszahl wieder zurückgehen.
     anhaltender Krise rund 150 Millionen Menschen unter die                                                           In Afrika und Asien wird der Fleischkonsum die Produk-
     Armutsgrenze rutschen werden und viele weitere Millionen                                                      tion überholen. Daher werden auch die Importe zunehmen,
     gravierende Ausfälle bei ihren Einkommen haben werden.                                                        besonders schnell in Subsahara-Afrika. Der Anstieg der
         Das gilt auch für China, den Staat mit dem größten                                                        Fleischimporte wird aber vom nichtchinesischen Asien an-
     Fleischkonsum weltweit. Zusammen mit dem Ausbruch                                                             getrieben. Auf die Region insgesamt werden bis 2029 rund
     eines anderen Virus, der Afrikanischen Schweinepest, ist                                                      56 Prozent des Welthandels entfallen.
     Covid-19 der maßgebliche Grund für den schwächeren Kon-                                                            Die globalen Großtrends treffen nicht auf alle Fleisch-
     sum von Schweinefleisch im Jahr 2020. Die Bekämpfung                                                          sorten in gleichem Maße zu. Während der Anteil von Rind
     von Covid-19 ließ die Wirtschaft in China im ersten Halbjahr
     2020 um über drei Prozent schrumpfen.
         In den meisten Industrienationen liegt der Fleischkon-                                                                                  Trotz einer mehr als fünfmal größeren
     sum seit Jahrzehnten relativ konstant auf hohem Niveau.                                                                         Bevölkerung verbrauchen die ärmeren Länder nicht
     Während in Deutschland 2019 fast 60 Kilogramm pro Per-                                                                              einmal doppelt so viel Fleisch wie die reicheren
                                                                                                                                                                                                         FLEISCHATLAS 2021 / OECD, FAO

        INDUSTRIELÄNDER SIND KEIN VORBILD
        Fleischkonsum entwickelter und sich entwickelnder Länder, nach Fleischarten, Jahresdurchschnitt 2017–19, in 1.000 Tonnen

                                                                                   Rind und Kalb              Geflügel                                              Pro-Kopf-Verzehr

                                                                                                                                   68,6
                                                                                   Schwein                    Schaf                                                 (Einzelhandelsgewicht),
                                                                                                                                                                    Kilogramm pro Jahr

                        29.300                            41.200                                    48.400                2.700
            entwickelte Länder*                                                                                                    gesamt: 121.600               26,6
                             40.200                                                 75.100                                                                 76.000                               12.300
            sich entwickelnde Länder            *
                                                                                                                                                                                     gesamt: 203.600

        *
            nach der bis heute üblichen Einteilung der FAO, entwickelt: Kanada, USA, Europa, GUS, Japan, Israel, Südafrika, Australien, Neuseeland; sich entwickelnd: alle anderen

10   FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / OWID
  LANDSCHAFT, WIRTSCHAFT, TRADITIONEN
  Fleischverbrauch nach Ländern und Wirtschaftsleistung, pro Kopf, 2017
                                                                                     Kilogramm pro Jahr
   140                                                                                  bis unter 20
    kg                                                                                  20 bis unter 40
                                                                                        40 bis unter 60                                            USA
                                                                                        60 bis unter 80
   120                                                                                  80 bis unter 100
                                                                                        über 100

   100
                                                                                                       Brasilien
                                                                                                                                               Deutschland
                                                                                                                             Italien
                                                                                                                 Frankreich
   80
                                                                                                                                          Großbritannien
             Länder mit über 50 Millionen Einwohnerinnen und                                          Russland
             Einwohnern nach Wirtschaftsleistung in US-Dollar                                                                          Südkorea
                                                                          Vietnam
             und Fleischverbrauch in Kilogramm pro Jahr, 2017                                                           Mexiko
   60

                                                                                  Südafrika            China
                                                           Myanmar
                                                                                                                                        Japan
                                                                          Philippinen
   40                                                                                                 Iran
                                                                                                                          Türkei
                                                                                  Ägypten
                                                           Pakistan                                          Thailand
   20                                        Kenia

                          Äthiopien Tansania                                                     Indonesien
                                                       Nigeria          Indien
    Dem. Rep. Kongo (k. A.)
    0
                                             Bangladesch
         0        1.000              2.000                      5.000             10.000                     20.000                       50.000               100.000
                                                                                                                                                               US-Dollar

                                                                                                               Generell gilt: Je reicher, um so mehr Fleisch
und Schaf am Gesamtkonsum abnimmt, essen die Men-                                                             wird konsumiert. Aber viele weitere Faktoren
schen immer mehr Schwein und Geflügel. Geflügel allein                                                               beeinflussen den Pro-Kopf-Verbrauch
wird rund die Hälfte des globalen Zuwachses in den kom-
menden zehn Jahren ausmachen. In den USA zum Beispiel
ist der Pro-Kopf-Konsum von Rindfleisch in den vergange-                         USA – wo die Ernährung generell fleischlastig ist – sind es
nen 30 Jahren um etwa ein Drittel zurückgegangen, wäh-                           immer noch rund fünfzig Prozent mehr. In ärmeren Regio-
rend sich der von Geflügel mehr als verdoppelte. Das liegt                       nen der Welt sind die Einkommen extrem unterschiedlich,
unter anderem am Preisvorteil und dem niedrigeren Fett-                          was sich auch im Pro-Kopf-Fleischkonsum widerspiegelt.
anteil. Auf Schweinefleisch entfallen rund 28 Prozent des                        Die Oberschicht kommt dabei auf Werte, die denen in den
Wachstums in den kommenden zehn Jahren, angetrieben                              OECD-Ländern ähneln, wohingegen für die viel größere Un-
vor allem durch den steigenden Konsum im asiatischen                             ter- und untere Mittelschicht Fleisch ein seltener Luxus ist.
Raum. In vielen asiatischen und afrikanischen Ländern es-                        Auch deswegen bleibt es für viele ein Statussymbol.
sen die Menschen allerdings kaum Schweinefleisch, weil
der Verzehr für große Teile der Bevölkerung aus religiösen
Gründen nicht infrage kommt.
                                                                                                                                                                           FLEISCHATLAS 2021 / OWID

                                                                                    GEFLÜGEL DOMINIERT
    Die Daten zur Gesamtnachfrage und dem durchschnitt-
                                                                                    Zunahme des Weltverbrauchs nach Fleischarten,
lichen Konsum in einzelnen Ländern geben nur ein unvoll-                            mit Knochen, in Millionen Tonnen
ständiges Bild ab, denn auch innerhalb der Länder ist die                                                                                                       10,5
                                                                                    350                                                                         15,8
Nachfrage mit Blick auf die sozioökonomischen Strukturen
                                                                                                                                                                71,6
sehr unterschiedlich. In den industrialisierten Regionen                            300                     Schafe und Ziegen
nimmt der Fleischkonsum pro Kopf tendenziell mit höhe-                                                      Rinder und Büffel
                                                                                    250                                                                         120,9
                                                                                                            Schwein
rer Bildung und höherem Einkommen ab. Auch Frauen und
                                                                                    200                     Geflügel
Jugendliche essen weniger Fleisch als Männer. In Deutsch-                                                   andere
land zum Beispiel verzehren Männer im Durchschnitt etwa                             150
doppelt so viel Fleisch und Wurst pro Tag wie Frauen. In den                                                                                                    127,3
                                                                                    100

                                                                                     50

                  Der Fleischkonsum hat enorm zugenommen.                             0
         Inzwischen ist als Ursache der zunehmende Wohlstand                              1961       1970        1980       1990        2000       2010      2018

          kaum weniger wichtig als das Bevölkerungswachstum

                                                                                                                                                          FLEISCHATLAS 2021                           11
KONSUM IN ÖSTERREICH

     AUF DIE TELLER DER REPUBLIK
     Die Österreicherinnen und Österreicher                                                                                          le liegt Geflügel mit 12,4 Kilogramm pro Kopf, gefolgt von
     essen nicht mehr ganz so viel Fleisch wie                                                                                       Rind und Kalb mit durchschnittlich 11,9 Kilogramm pro
     noch vor zehn Jahren. Zugleich bedroht der                                                                                      Kopf. Schaf und Ziege mit 0,8 Kilogramm und Innereinen
                                                                                                                                     mit 0,3 Kilogramm pro Person landen weniger häufig auf
     Strukturwandel viele Höfe. Dabei könnte eine
                                                                                                                                     dem Teller. Zusätzlich werden diverse andere Fleischsorten
     extensivere Produktion Massentierhaltung                                                                                        gegessen, etwa Wild mit 0,7 Kilogramm pro Kopf.
     vermeiden und die Natur besser schützen.                                                                                             Insgesamt blieb der jüngste Fleischkonsum in Öster-
                                                                                                                                     reich über 30 Jahre lang eher stabil, erst in den vergangenen

     I
        m europäischen Vergleich liegt Österreich beim Fleisch-                                                                      5 Jahren ist ein leichter Trend zu einem reduzierten Fleisch-
        konsum im Spitzenfeld. 2019 lag der Verbrauch pro Kopf                                                                       verzehr erkennbar. Dieser lag im Jahr 2014 noch bei 65 Ki-
        bei durchschnittlich 93,8 Kilogramm. Verzehrt wurden                                                                         logramm pro Kopf und ist seither um 3,7 Prozent gesunken.
     davon 62,6 Kilogramm, der Rest sind Schlachtabfälle wie                                                                         Allerdings gibt es je nach Fleischart große Unterschiede. Der
     Knochen und Sehnen, oder er wird zum Beispiel als Tierfut-                                                                      Genuss von Schweinefleisch nimmt ab, bei Geflügel wird es
     ter verwendet.                                                                                                                  eher mehr. Zusätzlich landeten bei den Österreicherinnen
         Am beliebtesten bei den Österreicherinnen und Öster-                                                                        und Österreichern durchschnittlich 7,9 Kilogramm Fisch
     reichern ist das Schweinefleisch. Hiervon aßen sie 2019                                                                         auf dem Tisch. Auch Umfragen zeigen einen Trend, der sich
     im Durchschnitt 36,4 Kilogramm pro Person. Gerichte mit                                                                         weg von Schwein und Innereien hin zu Fisch, Geflügel und
     Schweinefleisch haben in der österreichischen Küche eine                                                                        Wild bewegt.
     lange Tradition und sind von vielen schwer wegzudenken –                                                                             Insgesamt verspeist jede Österreicherin und jeder Öster-
     besonders beliebt ist das Schweineschnitzel. An zweiter Stel-                                                                   reicher also mehr als 70 Kilogramm Fleisch, inklusive Fisch,
                                                                                                                                     pro Jahr. Tatsächlich ist es bei einem durchschnittlichen Er-
                                                                                                                                     wachsenen wohl noch mehr, da zum Beispiel Kinder und
                                                                                                                                     Menschen, die überhaupt kein Fleisch essen, in der Berech-
         JUNGE MÄNNER AN DEN FLEISCHTÖPFEN
                                                                                                                                     nung nicht gesondert berücksichtigt wurden. Ein Drittel
         Häufigkeit von Fleisch- und Wurstkonsum in Österreich nach Alters-
         gruppen und Geschlecht, Gesundheitsumfrage 2019, in Prozent                                                                 der befragten Einwohnerinnen und Einwohner geben einer
                                                                                                                                     Studie zufolge an, mindestens einmal täglich Fleisch- oder
               nie         seltener     1 bis 4 Mal wöchentlich          täglich                                                     Wurstprodukte zu konsumieren. Weitere 40 Prozent essen
                                                                                                                                     drei bis vier Mal pro Woche Fleisch oder Wurst.
               15- bis           30- bis        45- bis            60- bis                                                                Der Anteil von Fleisch und Geflügel aus biologischer
              unter 30-         unter 45-      unter 60-          unter 75-                                                          Tierhaltung liegt im ersten Halbjahr 2020 bei 5,6 Prozent –
               Jährige           Jährige        Jährige            Jährige
                                                                                                                                     das ist ein Anstieg von etwa 1 Prozent seit 2018. Der Bioan-
              1,8               1,6            0,7                0,7      1,9                                                       teil bei Wurst und Schinken bleibt mit 3,2 Prozent stabil.
              1,9               2,9    4,1     1,2    3,8         2,2
                     7,4                                                   4,6                                                       Verglichen mit einem Anteil an Biomilch von mehr als 25
                                       3,6            4,8
                     5,0                                                                                                             Prozent sind diese Zahlen ernüchternd. Im Supermarkt fällt
                                                                                                                                     die Entscheidung auf kostengünstigere Produkte aus kon-
                                                                                                                                     ventioneller Landwirtschaft.
             38,4                                                                                                                         Im Jahr 2019 wurden in Österreich 90,7 Millionen Hüh-
                                47,6                                                                                                 ner, mehr als 5 Millionen Schweine, 680.000 Rinder und Käl-
                                               55,0
                                                                                                                                     ber, 342.000 Schafe und Lämmer, 53.800 Ziegen und Kitze
                                                                  65,2                                                               und 564 Pferde, Fohlen und sonstige Einhufer geschlachtet,
                     59,1              65,4                                                                                          das sind jede Sekunde circa 3 Tiere. Zählt man die Menge des
             58,0                                     72,7                75,7
                                                                                                                                     erzeugten Fleisches zusammen, ist der Bedarf der Österrei-
                                                                                                                                     cher und Österreicherinnen zwar um 109 Prozent gedeckt.
                               48,0
                                                                                                                                     Doch auch hier zeigen sich Unterschiede bei den jeweiligen
                                               43,1
                                                                                                                                     Tierarten.
                                                                                                                                          Bei Hühnern überstiegen die Schlachtungen 2019 die
                                                                                   FLEISCHATLAS 2021 / STATISTA, STATISTIK AUSTRIA

                                                                  32,0                                                               des Vorjahres um 5,8 Prozent. Der Selbstversorgungsgrad
                     28,4
                                       26,9                                                                                          liegt bei Geflügel dennoch nur bei 72 Prozent, was zusätz-
                                                                                                                                     liche Importe erfordert. Anders ist das Verhältnis bei Rind-
                                                      18,6                 17,7                                                      und Kalbfleisch: Hier werden 142 Prozent des Eigenbedarfs

                                                                                                                                     Männer essen deutlich mehr Fleisch
                                                                                                                                     als Frauen. Auch die Zahl der Vegetarierinnen
                                                                                                                                     ist viel höher als die der Vegetarier

12   FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / STATISTIK AUSTRIA
  WO DAS TIER ZUR NAHRUNG WIRD
  Erfasste Schlachtungen in Österreich, 2019, Auswahl, Zahl der Tiere

      Ziegen
                            13.000
                                                                                        Schweine

                                           173.000

                                                              5.063.000
                                                                                                                                     Hühner

                                      Schafe

               680.000

                             Rinder
                                                                              90.702.000
                                                                                   Vom Schlachten zum Verbrauch: Zu den im Inland
produziert. Bei Schweinefleisch wäre der Bedarf gedeckt,                 geschlachteten Hühnern sind bei 72 Prozent Selbstversorgung
trotzdem werden mehrere Hunderttausend Tonnen impor-                                noch mehr als ein Viertel Importe hinzuzuzählen
tiert und exportiert. Der größte Überschuss herrscht bei den
Innereinen, wo mehr als das Sechsfache des Bedarfs produ-
ziert wird. Die österreichische Fischproduktion kann nur 6              gas, die massiv zum Klimawandel beitragen. Mehr als die
Prozent des heimischen Bedarfs bedienen.                                Hälfte der landwirtschaftlichen Emissionen gehen in Öster-
    Vegetarisch ernähren sich Umfragen zufolge etwa 4 Pro-              reich auf das Konto der Nutztierhaltung. Die Erzeugung von
zent der österreichischen Bevölkerung, vegan zirka 1 bis                Futtermitteln verschlingt enorme Landflächen, zusätzlich
2 Prozent. Daran hat sich in den vergangenen fünf Jahren                ist Österreich auf den Import eiweißreicher Nahrung für
kaum etwas geändert. Der wirtschaftliche Anteil pflanz-                 seine Tiere angewiesen. Eine ökologisch vertretbare Vieh-
licher Fleischersatzprodukte liegt bei rund einem Prozent               wirtschaft erfordert, dass Österreicherinnen und Österrei-
des Gesamtumsatzes an Fleisch. Häufig wird die Massen-                  cher den Fleischkonsum reduzieren. Das brächte mit großer
tierhaltung als Motiv für eine fleischlose Ernährungsweise              Wahrscheinlichkeit auch Vorteile für die Gesundheit mit
erwähnt.                                                                sich. Im Jahr 2019 standen Herz-Kreislauf-Erkrankungen an
    Die österreichische Landwirtschaft ist zwar im Vergleich            oberster Stelle der Todesursachen, gefolgt von Krebs.
zu anderen europäischen Ländern noch eher kleinstruktu-
riert, dennoch gab es etwa im Jahr 1993 im Durchschnitt
noch weniger als 20 Rinder pro Betrieb, während es 2018
                                                                          DOMINANTE SCHWEINE
bereits mehr als 30 Tiere waren. Ein noch deutlicheres Bild
                                                                          Entwicklung des Fleischverzehrs in Österreich,
zeigt sich in der Schweinehaltung: Während 1993 auf jeden                 in Kilogramm pro Kopf und Jahr
Schweinehalter durchschnittlich knapp über 30 Tiere ka-
                                                                                      Rind     Schwein        Huhn          gesamt
men, lag diese Zahl 2018 bei mehr als 125 Schweinen.
    Dabei brächte eine extensive Viehwirtschaft nicht nur                         66,0             66,5          65,0            62,6
einen ethischen, sondern auch einen Vorteil für den Natur-
schutz mit sich. Denn während zum einen stickstoffhaltige                         40,3             40,0          39,2
Ausscheidungen der Tiere zu Überdüngungen von Wiesen,                                                                            36,4
Äckern und Weiden führen und Gewässer belasten, gehen
zum anderen extensive Weideflächen verloren – und mit
                                                                                                                                                  FLEISCHATLAS 2021 / STATISTIK ÖSTERREICH

ihnen zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, die auf diese Le-
bensräume angewiesen sind. Dazu kommen Kohlendioxid
und weitere potente Treibhausgase wie Methan und Lach-
                                                                               11,8     11,5   12,3   11,9    11,5   12,4     11,9     12,4

                            Der Fleischverzehr in Österreich ist
                                    leicht rückläufig. Vor allem                   2004            2009           2014           2019

                      Schweinefleisch wird weniger nachgefragt

                                                                                                                                     FLEISCHATLAS 2021                                       13
HANDEL

     IN DIE FALSCHE RICHTUNG
     Beim Assoziierungsabkommen zwischen                                                                                      Regierung rechnet in einer eigenen Untersuchung damit,
     der EU und vier Mercosur-Staaten geht                                                                                    dass allein der erleichterte Marktzugang für Rindfleisch aus
     es um viel Fleisch und Futtermittel,                                                                                     dem Mercosur die Abholzung im südamerikanischen Wirt-
                                                                                                                              schaftsblock über sechs Jahre hinweg um mindestens 5 Pro-
     den Regenwald und das Klima. Aber die
                                                                                                                              zent pro Jahr steigern könnte. Das sind weitreichende Fol-
     EU hat Angst vor billigen Importen, und                                                                                  gen, obwohl der Anteil der Mercosur-Rindfleischexporte in
     der Widerstand wächst. Ob das Abkommen                                                                                   die EU im Verhältnis zur gesamten Produktion dort – mehr
     in Kraft tritt, ist deshalb fraglich.                                                                                    als 11 Millionen Tonnen Lebend- und 7,8 Millionen Tonnen
                                                                                                                              Schlachtgewicht – gering ist.
                                                                                                                                   Rindfleisch ist heute schon einer der Haupttreiber von

     Ü
            ber 20 Jahre hat es gedauert, bis die EU und die Merco-                                                           Entwaldung. Sie führt zu einer Zerstörung der Lebens-
            sur-Länder Argentinien, Brasilien, Uruguay und Para-                                                              grundlage indigener und kleinbäuerlicher Gemeinden. Im
            guay ein Assoziierungsabkommen für ihre beiden                                                                    Amazonas grasen auf 63 Prozent aller entwaldeten Flächen
     Wirtschaftsräume ausgehandelt haben. Es sieht vor, bei 92                                                                Rinder. Zwischen 70 und 80 Prozent aller Rindfleischimpor-
     Prozent der Importe aus dem Mercosur in die EU und bei 91                                                                te in die EU kommen aus den Mercosur-Ländern. 50 Prozent
     Prozent in Gegenrichtung die Zölle nach einer Übergangs-                                                                 der aus Brasilien in die EU gelieferten landwirtschaftlichen
     frist abzuschaffen. Dadurch wird der Export von Agrarpro-                                                                Produkte sind auf Abholzung zurückzuführen, vor allem
     dukten wie Ethanol, Soja und Rindfleisch aus Südamerika                                                                  Soja, Rindfleisch und Kaffee.
     und im Gegenzug der Export europäischer Produkte wie                                                                         Auch die Exporte von Geflügel- und Schweinefleisch
     Autos, Maschinen oder Chemieprodukte in die Mercosur-                                                                    würden mit dem Abkommen steigen. 180.000 Tonnen Ge-
     Staaten enorm erleichtert. Wenn das Abkommen im EU-                                                                      flügelfleisch sollen zollfrei importiert werden dürfen, zu-
     Ministerrat angenommen wird, müssen anschließend das                                                                     sätzlich zu den bereits eingeführten 392.000 Tonnen. Bei
     EU-Parlament und die Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten                                                                  Schweinefleisch kämen 25.000 Tonnen zu einem geringen
     sowie die Parlamente und Regierungen der Mercosur-Län-                                                                   Zollsatz hinzu. Dies entspräche fast einer Verdoppelung der
     der zustimmen.                                                                                                           Schweinefleischimporte aus dem Mercosur in die EU, die
          Das Abkommen würde die Fleischexporte aus dem Mer-                                                                  derzeit bei 33.000 Tonnen liegen.
     cosur ausweiten. Zu den 200.000 Tonnen Rindfleisch, die                                                                       Ähnlich sehen die Prognosen für Soja aus, das zu einem
     bereits von dort in die EU gelangen, könnten weitere 99.000                                                              großen Teil als Tierfutter für die europäische Fleischindus-
     Tonnen ohne oder mit geringen Zöllen importiert werden.                                                                  trie dient. Brasilien ist der größte Exporteur von Sojapro-
     Die im Juli 2020 von der EU publizierte Nachhaltigkeitsfol-                                                              dukten weltweit. Das SIA-Dokument der EU geht davon aus,
     genabschätzung (Sustainability Impact Assessment, SIA)                                                                   dass der Import von Ölsaaten aus dem Mercosur um bis zu
     erwartet nach den Einzelbestimmungen einen Anstieg der                                                                   5,9 Prozent ansteigen könnte und gravierende ökologische
     Rindfleischimporte um 30 bis 64 Prozent. Die französische                                                                Folgen hätte. Einer Studie von 2019 zufolge werden fast
                                                                                                                              zwei Drittel aller verkauften Pestizide in Brasilien im Anbau
                                                                                                                              von Soja und Zuckerrohr eingesetzt. Mit dem Abkommen
                                                                                                                              würden die Einfuhrzölle auf Pestizide in den Mercosur abge-
                                                                                              FLEISCHATLAS 2021 / BLOOMBERG

        SOJA VOR DEN ZEITEN DER STRAFZÖLLE
                                                                                                                              schafft, die derzeit bei bis zu 14 Prozent liegen. Der Handel
        Die wichtigsten Handelsströme der Sojabohnen, 2017,
        in Millionen Tonnen                                                                                                   mit Pestiziden würde gestärkt, was der EU- und vor allem der
                                                                                                                              deutschen Chemieindustrie zugute käme.
                                                                                                                                   Das EU-Mercosur-Abkommen würde sich nicht nur ne-
                                                               37,5                                                           gativ auf die Waldbestände und die Biodiversität in Teilen
                                   5,0                                                                                        Südamerikas auswirken. Auch das Klima würde in Mitlei-
                                                EU-28
            USA                                                                   China                                       denschaft gezogen. Die zusätzlichen CO2-Emissionen ent-
                             9,5                                                                                              stünden wegen weiterer Entwaldung, stärkerer Produk-
                                              13,5         48,0                                                               tion und zunehmendem Transport. Die Folgeabschätzung
                                                                                        8,8                                   Frankreichs hat sogar ergeben, dass unter diesen Bedingun-
                           Brasilien                                                                                          gen die Produktion eines Kilos Rindfleisch in Lateinamerika
                                                          20,5                                                                mit viermal höheren Treibhausgasemissionen verbunden
                                            22,5                         andere                                               wäre als eine Produktion in Europa. Dass das Abkommen in
          Argentinien                                                                                                         Kraft tritt, ist noch nicht ausgemacht.

                         Als 2018 die USA Strafzölle gegen China verhängten, kaufte China
                         weniger in den USA und mehr in Südamerika. Die starken                                               Zwischen den drei weltgrößten Sojahändlern – den USA,
                         Schwankungen seither lassen derzeit keine Aussagen über Trends zu.
                                                                                                                              Brasilien und, als Kunde, China – ist die EU eher unbedeutend.
                                                                                                                              Scheitert das Handelsabkommen, bleibt es dabei

14   FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / OECD, FAO
  ZENTREN DES FLEISCHHANDELS                                                                                                                           3,1
  Staaten mit mehr als fünf Millionen Tonnen Fleischkonsum und/oder mehr als einer Million Tonnen                                   3,9
  Im- oder Exporte, Jahresdurchschnitt 2017–19, in Millionen Tonnen
                                                                                                               0,8
       2,0                                                       1,8

                                         0,7                                           1,6
                                                                                                                     Russland

                                                           Großbritannien                                      0,3
                               Kanada
                                                                                                                                                             Japan
             USA       2,0                                                                                                                             0,0
                                                                            EU-28
                                                       0,0                                                                  China                              1,4
                                         2,0                    0,8

                                                                                                                                    0,6
                                                                                                               0,0                                                     Korea
                              Mexiko                                                                                 Indien                                    0,0
                                                                                                                                                 1,5
                       0,4                                                                                                            0,0
                                                                                                               1,6        Thailand                     Vietnam
                                                                                                                                                 0,0
                                                                                                                                      1,2
                                               Brasilien
                                                                                                                                           0,3
                                   0,1                                                                                                            Australien
                    Argentinien                                                                                                                                         0,1
                                                                                                                 Importe                               Neuseeland
                                                                                       6,7                       Exporte
                                   0,7                 6,1
                                                                                                                                                                         1,1
       7,5                                                                                                                                 2,2

                                                                                                                Auf drei etwa gleich große Exporteure – die USA,
    Zu groß ist die Kritik. Landwirtinnen und Landwirte in                                                                  die EU und Brasilien – entfallen fast
Europa befürchten, aufgrund sinkender Preise nicht mit-                                                        60 Prozent aller internationalen Fleischverkäufe
halten zu können. Nichtregierungsorganisationen kritisie-
ren die Vergünstigung von Pestizidexporten und die Folgen
für das Klima. Immer mehr EU-Mitgliedsstaaten zeigen sich                                       In nicht bindender Abstimmung votierte das EU-Parla-
ebenfalls skeptisch bis kritisch. In Frankreich, den Nieder-                                 ment für Änderungen. EU-Handelskommissar Valdis Dom-
landen, Belgien, Irland, Luxemburg und Österreich sind sich                                  brovskis hat allerdings betont, dass das Abkommen nicht
Regierungen oder Parlamente einig, dass das Abkommen in                                      erneut aufgemacht und nachverhandelt werde. Nachbes-
seiner derzeitigen Form nicht ratifiziert werden kann. Auch                                  serungen würden sich auf Protokollanhänge, Fahrpläne
die deutsche Bundeskanzlerin äußerte Bedenken.                                               oder Ähnliches beschränken. So ist es auch aus anderen
                                                                                             EU-Abkommen bekannt. Der Ratifizierungsprozess hat sich
                                                                                             bereits in das Jahr 2021 verschoben. Auf Eis gelegt, wie es
Fleisch und Soja gegen Autos und Maschinen –                                                 Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses des EU-
das Mercosur-Abkommen trägt dazu bei, eine                                                   Parlamentes, forderte, ist das Abkommen damit allerdings
solche Handelsstruktur aufrechtzuerhalten                                                    keinesfalls.
                                                                                                                                                                                  FLEISCHATLAS 2021 / AFP

  DAS ABKOMMEN IM ÜBERBLICK
  Außenhandel im Mercosur-EU-Wirtschaftsraum,                Mercosur        EU              EU    Mercosur
  in Milliarden Euro, 2018
                                                                              insgesamt
                                         42,5                                                                                 44,9

                                                                             nach Ländern
                                31,7                               8,4      1,7   0,7                                33,6                                      9,3        1,4 0,6

                                                     Brasilien           Argentinien          Uruguay          Paraguay

                                                                          nach Warengruppen
                14,6                   12,2                       15,7                                  19,0                        11,7                      14,3

                                  Nahrungsmittel           Rohstoffe          Maschinen, Fahrzeuge              chemische Produkte                sonstiges
  Differenzen durch Rundung

                                                                                                                                                                     FLEISCHATLAS 2021                            15
PRODUKTION

     EINE PROBLEMATISCHE NAHRUNG
     UND IHRE GROSSEN ERZEUGER
     Globalisierung und Reformen in vielen                                                                  zent – mehr Fleisch importiert als im Vorjahr. Am meisten
     Ländern Asiens und Osteuropas haben die                                                                profitiert haben die brasilianischen Erzeugerkonzerne, die
     Produktion tierischer Erzeugnisse in den                                                               Rekordmengen von Geflügel- und Schweinefleisch nach
                                                                                                            China lieferten. Aber auch die EU hat ihre Ausfuhren ausge-
     letzten Jahrzehnten erhöht. Tierseuchen
                                                                                                            baut. Im ersten Halbjahr 2020 wuchsen die Schweinefleisch-
     tragen dazu bei, dass die kleinbäuerlichen                                                             exporte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 15 Pro-
     Betriebe verlieren.                                                                                    zent. Die Lieferungen nach China verdoppelten sich. Als die
                                                                                                            ASP im Spätsommer 2020 Deutschland erreichte, stoppten

     D
            ie globale Fleischproduktion ist im Jahr 2019 das ers-                                          Importländer wie China, Südkorea und Japan die Einfuhren
            te Mal seit 1961 nicht gewachsen, sondern um zwei                                               aus Deutschland. Daraufhin revidierte die EU-Kommission
            Prozent auf 325 Millionen Tonnen gesunken. Hierfür                                              ihre positive Exportschätzung für das Jahr 2020 und sagte
     ist die Afrikanische Schweinepest (ASP) und nicht ein rück-                                            für 2021 ein Minus von 10 Prozent voraus. Ein Zeichen für
     gängiger Konsum der Hauptgrund. So hat die ASP in China                                                Verwerfungen auf dem Weltmarkt ist das aber nicht: Insge-
     dazu geführt, dass die Produktion von Fleisch insgesamt um                                             samt werden noch immer nur etwa 11 Prozent des weltweit
     10 Prozent, von Schweinefleisch sogar um mehr als 20 Pro-                                              produzierten Fleisches international gehandelt.
     zent eingebrochen ist. Mitte 2019 waren mit 150 bis 200 Mil-                                               Rückblickend betrachtet ist die globale Fleischproduk-
     lionen Schweinen mindestens 30 Prozent der chinesischen                                                tion in den vergangenen Jahrzehnten rasant gewachsen. In
     Schweinepopulation infiziert und die Produktion auf dem                                                den 1970er-Jahren betrug sie gerade mal ein Drittel der heu-
     niedrigsten Niveau seit 2003. Vor der ASP-Epidemie war die                                             tigen Menge. Die OECD geht davon aus, dass sie – etwas ver-
     Schweinefleischproduktion des Landes doppelt so groß wie                                               langsamt bis 2029, also fast bis zum Referenzjahr 2030 der
     die der EU und betrug mehr als das Fünffache der US-Menge.                                             globalen Entwicklungsziele – um weitere 40 Millionen Ton-
     Trotz der jüngsten Einbrüche bleibt China aber mit 80 Mil-                                             nen steigen wird. Dann wäre, wenn vorher nicht politisch
     lionen Tonnen Fleischproduktion neben den USA, Brasilien,                                              umgesteuert wird, eine Produktion von etwa 366 Millionen
     Russland und Deutschland eines der wichtigsten fleischpro-                                             Tonnen pro Jahr erreicht.
     duzierenden Länder der Welt.
         Auch der globale Handel mit Fleisch war und ist deut-
     lich vom Ausbruch der Schweinepest beeinflusst. Insgesamt                                                                           In vielen Gegenden der Welt nimmt die
     wurden etwa 6,8 Prozent mehr Fleisch gehandelt. Allein                                                                   Fleischproduktion weitherin zu. In der EU ist dieser
     China hat im Jahr 2019 zwei Millionen Tonnen – also 37 Pro-                                                                        Trend seit etwa 20 Jahren abgeschwächt

        BOOM-BUSINESS
        Entwicklung der Fleischproduktion in wichtigen Erzeugerländern und in der EU sowie in deren Mitgliedsstaaten, Auswahl*,
        in Millionen Tonnen
            90                                                                                                  9

            80                                                        China                                     8                           Deutschland
                                                                                                                                                                                     Spanien
            70                                                                                                  7

            60                                                                                                  6

            50                                                                                                  5                             Frankreich                               Polen

            40                      EU-28                                                                       4                    Italien

            30                                                                                                  3

            20                                           Brasilien                                              2
                                                                                                                                                                      Niederlande
                          USA                                                 Russland
                                                                                                                                                                                               FLEISCHATLAS 2021 / OWID

            10                                                                                                  1
                                                                                                  Indien
                                                                                                                            Großbritannien
             0                                                                         Argentinien              0
                 1961    1970          1980          1990         2000          2010       2018                     1961    1970         1980          1990         2000      2010     2018
        *
            zum Erhebungszeitpunkt noch mit Großbritannien. Deutschland vor 1990: mit DDR. Rückgang der ostdeutschen Fleischproduktion nach dem Beitritt der DDR zur BRD

16   FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / OECD, FAO
  OSTEN IM ZENTRUM
  Größte Produzentenländer für die wichtigsten tierischen Produkte, Jahresdurchschnitt 2017–19,                                   50.500
  in 1.000 Tonnen
                                                                          23.100
                         21.800                                                                              5.000
                                                                                                        3.700
                                                                                                     1.600
                                                                                                                  230

                                                                               13.200                   Russland
                    11.900

                11.800
                                                                       7.300
                                                                                                                        China
                                                  13.800                            650
                                70

                        USA                                                 EU-27
                                          9.100                                                              3.700
                                                                                                     2.500
                                                                                                        300       740                   20.400

                                            4.000                                                        Indien
                                                      120

                                             Brasilien

                      2.900
                               2.100
                              600    50
                         Argentinien                                                                                            6.500
                                                                                                                                           4.800
                                                              Rind       Schwein          Geflügel       Schaf
  EU-27 ohne Großbritannien

                                                                                                          Wo Fleisch und Milch hergestellt werden,
    80 Prozent des Wachstums dürfte in den Ländern des                                               entstehen nicht nur Nahrungsmittel, sondern
Südens stattfinden. Die größten Produktionsländer bleiben                                                 auch Belastungen für Mensch und Natur
China, Brasilien, die USA und die Mitgliedsstaaten der EU.
Gemeinsam könnten sie 2029 noch 60 Prozent des weltwei-
ten Fleisches produzieren.                                                         Mittelbare Auswirkungen der ASP gibt es auch in
    Geflügelfleisch bleibt der Bereich mit dem stärksten                       Deutschland. Die Preise für Schweinefleisch sind infolge der
Wachstum in der Fleischbranche. Fast die Hälfte der gesam-                     Exportverbote und des großen Angebots auf dem Inlands-
ten Zuwächse in der Fleischproduktion in den kommenden                         markt deutlich gesunken. Dies setzt besonders kleinere Be-
zehn Jahren soll im Geflügelsektor stattfinden. Niedrige Pro-                  triebe, die etwas teurer produzieren, unter Druck.
duktionskosten, ein kurzer Produktionszyklus und damit                             Viele Bereiche der Tierhaltung haben Erfahrungen mit
auch niedrige Verkaufspreise tragen dazu bei, dass Geflügel                    Seuchen gemacht. Bei Rindern war es BSE, bei Geflügel
zum Fleisch der Wahl sowohl für Produzentinnen und Pro-                        die Vogelgrippe, und nun ist auch die Schweinepest aus-
duzenten als auch Verbraucherinnen und Verbraucher ge-                         gebrochen. Aber die Pandemien sind nur ein Faktor des
worden ist.                                                                    Strukturwandels, den die Fleischproduktion seit Jahren
    Die Afrikanische Schweinepest hat den Strukturwandel                       durchläuft.
in der Fleischindustrie Chinas stark beschleunigt, heißt es in                     Die Tierhaltung hat sich in den vergangenen 50 Jahren
einer Analyse. Ihr zufolge werden kleinere Betriebe die Fol-                   grundlegend geändert. Immer weniger Tiere werden auf
gen der Notschlachtungen wirtschaftlich schlechter über-                       der Weide gehalten. Der größte Teil des Fleisches kommt
stehen und mehr als 55 Prozent die Schweinezucht nach der                      aus Stallhaltung oder der Haltung aus sogenannten „Feed-
Tötung ihrer Tiere nicht wieder aufnehmen können. Im Jahr                      lots“, in denen die Tiere unter freiem Himmel auf ähnlich
2003 seien etwa 70 Prozent der chinesischen Schweinepro-                       kleiner Fläche gehalten werden. Die konzentrierte Haltung
duktion aus Betrieben mit bis zu 49 Tieren pro Jahr gekom-                     und die wachsende Zahl der Nutztiere erfordern immer
men und nur 3 Prozent aus Betrieben mit 10.000 oder mehr                       mehr Futtermittel aus Getreide oder Ölsaaten. Das wieder-
Tieren. Im Jahr 2022 hingegen würden etwa 42 Prozent der                       um bedeutet, dass Landflächen wie Wälder oder Wiesen in
gesamten Produktion von Betrieben mit mehr als 10.000                          Äcker umgewandelt werden. Aufgrund all der negativen
Tieren stammen, während Betriebe mit unter 50 Tieren nur                       Auswirkungen auf Klima und Umwelt ist Fleisch zu einem
noch mit etwa 3 Prozent dabei seien – und diese Erwartun-                      der besonders problematischen Konsumgüter unserer
gen stammen noch aus der Zeit vor dem ASP-Ausbruch.                            Welt geworden.

                                                                                                                                           FLEISCHATLAS 2021                            17
MASTSCHWEINE IN ÖSTERREICH

     EINE FRAGE DER HALTUNG
     Das meiste in Österreich verzehrte Fleisch                                      rial ist zwar vorgeschrieben, wird aber nicht oder nicht in
     stammt vom Schwein. Massenproduktion                                            ausreichender Qualität oder Quantität bereitgestellt. Einem
     und Preisdruck sorgen für vielerlei                                             Mastschwein bis 110 Kilogramm müssen 0,7 Quadratmeter,
                                                                                     ab einem Gewicht von 110 Kilogramm ein Quadratmeter
     Mängel bei der Stallhaltung und der
                                                                                     zur Verfügung gestellt werden. Das entspricht ungefähr der
     Schweinemast insgesamt. Biologische                                             Größe einer Duschkabine.
     Haltung ermöglicht ein artgemäßeres                                                 Aus Tierschutzsicht ist das alles selbstverständlich völlig
     Leben, aber der Marktanteil ist gering.                                         ungenügend. Denn hier werden die Tiere dem Haltungssys-
                                                                                     tem angepasst, sie müssen dafür sogar körperliche Eingriffe

     M
              it einem Fleischkonsum von durchschnittlich 62,6                       über sich ergehen lassen. Es sollte aber genau umgekehrt
              Kilogramm pro Person jährlich, davon 36,4 Kilo-                        sein: Eine moderne, tierschutzkonforme Haltung sollte den
              gramm Schweinefleisch, liegt Österreich weltweit                       Bedürfnissen der Tiere angepasst sein.
     im Spitzenfeld und deutlich über wissenschaftlichen Emp-                            57 Prozent der in Österreich gehaltenen Schweine fris-
     fehlungen zu einer ausgewogenen Ernährung. Die Gesund-                          ten ihr Leben auf Vollspaltenböden. Das bedeutet für die
     heit ist allerdings nicht das einzige Problem.                                  reinlichen Tiere ein Leben über ihren eigenen Fäkalien.
         Mehr als 97 Prozent des in Österreich produzierten                          Durch den harten und kalten Boden leiden sie unter Ge-
     Schweinefleischs stammen aus konventioneller Tierhal-                           lenksentzündungen, Lungenkrankheiten, ausgelöst durch
     tung. Sie erlaubt sogenannte Vollspaltenböden, also Beton-                      die Ammoniakdämpfe, sowie Verhaltensstörungen. Ein Bo-
     böden mit eingelassenen Spalten, durch die der Schweine-                        den mit naturnaher, weicher Einstreu fördert nicht nur die
     kot nach unten fällt. Ebenso erlaubt ist die Ferkelkastration                   Gesundheit und das Wohlbefinden von Schweinen, sondern
     ohne Betäubung, und die Ringelschwänze werden trotz Ver-
     bot routinemäßig kupiert. Zuchtsauen werden im qualvol-
     len Kastenstand und damit praktisch in einem Käfig gehal-                                       An vielen Stellen reichen die Vorschriften nicht
     ten. Eine Einstreu für die Tiere ist nicht verpflichtend, ebenso                             aus, um Tierhaltung deutlich stärker am Tierwohl
     wenig ein Außenbereich. Adäquates Beschäftigungsmate-                                                auszurichten. Viele Schritte sind möglich

        EIN SCHWEINESTALL MIT ZUKUNFT
        Elemente einer Schweinehaltung, die sich am Tierwohl ausrichtet, Schaubild

                                       Angebote zum Spielen,
                                          Fressen, Putzen

                                                                               verschiedene
                                                                               Bodenbeläge

                                                                    genügend
                                                                      Platz

                    qualifizierteres                                                                                          Klimawechsel,
                      Personal                                                                                            vorzugsweise ins Freie
                                                                                                                                                   FLEISCHATLAS 2021 / WBA, STOCKMAR

                                           keine                         keine Kastrierung                    weniger
                                        Amputationen                      ohne Betäubung                    Medikamente

18   FLEISCHATLAS 2021
SCHWEIN GEHABT
  Bestand an Zuchtsauen, Ferkeln und Mastschweinen in Österreich und nach Bundesländern
  sowie Abnahme des Bestandes und der Zahl der Betriebe seit 1995                       -8,0 %
                                                                                                                          Niederösterreich 769.200
      Zahl der Tiere, 2019                                                Oberösterreich 1.085.700
         700.000 bis 1,1 Millionen                                                                                    -29,5 %
         40.000 bis 120.000
         unter 10.000
                                                                                     -64,0 %                                             -67,1 %
          Abnahme seit 1995
                                       -74,7 %
          in Prozent                                           -77,2 %                                          -27,7 %
                                                                         Salzburg 9.600                                                Burgenland 41.300
                            Vorarlberg 4.700
                                                                                                    -42,6 %
                                                                  Tirol 9.990                                          Steiermark 739.400

          Gesamtbestand, Anzahl in Millionen                                            Kärnten 113.300
          Zahl der Betriebe, in 1.000

         3,7 107
                            3,4
                                            3,2          3,1             3,2             3,2
                                  83                                                                     3,0                2,9               2,8

                                                                                                                                                                FLEISCHATLAS 2021 / STATISTIK AUSTRIA
                                                    61
                                                                53
                                                                                46
                                                                                               38
                                                                                                                 30                26
                                                                                                                                                      21

            1995              1999               2003     2005             2007            2010               2013              2016               2019

  Bundesländer: ohne Wien

                                                                                              Schweinehaltung findet in Österreich vor allem in
reduziert auch die Ausstöße von Methan. Laut aktuellen Stu-                               drei Bundesländern statt. Zentrum ist Oberösterreich,
dien wird bei der Haltung auf Vollspaltenböden doppelt so                                   wo auch der Bestandsrückgang am niedrigsten war
viel Methan ausgestoßen wie in derjenigen auf Stroh.
    Pro Jahr werden so gut wie alle 2,7 Millionen männlichen
Ferkel in Österreich in den ersten Tagen ihres Lebens ohne Be-                    stammen von gentechnisch veränderten Sojabohnen aus
täubung kastriert, um das minimale Risiko des Ebergeruchs                         Südamerika. Um sie anzubauen, werden dort Regenwälder
beim Schweinefleisch zu vermeiden. Die Tiere leiden dabei er-                     und anderer wertvoller Lebensraum vernichtet.
hebliche akute und länger andauernde Schmerzen sowie gro-                             Der Grund für die weitgehend konventionelle und damit
ßen Stress. In Ländern wie Norwegen, der Schweiz und Schwe-                       intensive Schweinehaltung in Österreich liegt im System
den ist die betäubungslose Ferkelkastration bereits verboten.                     Fleischindustrie, das sich vor allem auf Massenproduktion
In Großbritannien und Irland kastrieren Landwirtinnen und                         und Preisdruck stützt. Der Lebensmitteleinzelhandel und
Landwirte die Ferkel nicht, da das gesamte Produktionssystem                      die Gastronomie befeuern dies zusätzlich mit zahlreichen
schon vor vielen Jahrzehnten auf Ebermast umgestellt wurde.                       Lockangeboten und Sonderaktionen für Fleisch. Der Preis-
Neben der Ebermast gibt es mit der Immunokastration – die                         kampf zerstört nicht nur die Wertigkeit von Fleisch und er-
die Bildung von Geschlechtshormonen immunologisch ver-                            höht den Druck auf Umwelt und Landwirtschaft, er zemen-
hindert – oder der Kastration unter Narkose oder durch Gabe                       tiert auch schlechte Standards bei der Haltung der Tiere.
von Schmerzmitteln andere praktikable Alternativen.                               Ein Verzicht auf Billigfleisch-Rabatte wäre daher ein erster
    Die biologische Haltung garantiert dem Schwein ein et-                        Schritt, um den Druck auf die Landwirtschaft zu verringern
was artgemäßeres Leben. Allerdings kommen in Österreich                           und angemessene Erzeugerpreise zu fördern.
nur 2,7 Prozent der Tiere in diesen Genuss. Vollspaltenbö-                            Neben einer Förderung artgerechterer Haltungssyste-
den sind hier – wie auch bei speziellen Tierwohlprogram-                          me wäre eine bessere Kennzeichnung auch Teil der Lösung.
men – verboten. Einem Schwein steht doppelt so viel Platz                         Während bei Frischfleisch in Österreich über die Herkunft
zu wie in konventioneller Haltung und ein Außenbereich.                           informiert werden muss, gibt es bei verarbeiteten Produkten
Die betäubungslose Ferkelkastration ist allerdings nicht                          wie Grillwürsten, die in der Regel vor allem aus Schweine-
einmal in der biologischen Haltung ausdrücklich verbo-                            fleisch bestehen, oder mariniertem Fleisch keine verpflich-
ten. Auch unterscheiden sich weder der Transport noch die                         tenden, flächendeckenden Angaben dazu. Sie allein greifen
Schlachtung von den konventionellen Standards. Allerdings                         allerdings aus Sicht des Tier- und Konsumentenschutzes
garantieren die biologische Haltung sowie auch die meisten                        ebenfalls zu kurz. Nur eine zusätzliche Information über die
gängigen Tierschutz-Gütesiegel eine zu 100 Prozent gen-                           Haltungsform schafft die nötige Transparenz, Verbrauche-
technikfreie Fütterung. Denn 80 Prozent des für die konven-                       rinnen und Verbrauchern bewusste Kaufentscheidungen zu
tionelle Tierhaltung importierten Sojaschrots in Österreich                       ermöglichen.

                                                                                                                                                   FLEISCHATLAS 2021                                    19
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