Wirtschaft ist Care Für ein gutes Leben für alle - Refbejuso
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N r . / N o 4 8 —— M a i / M a i 2 0 2 0 Das Magazin der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn Le Magazine des Eglises réformées Berne-Jura-Soleure Wirtschaft ist Care − Für ein gutes Leben für alle L’économie, c’est le soin – Pour une belle vie pour tous
I N H A L T 4 DOSSIER WIRTSCHAFT IST CARE 4 Eine Wirtschaft für die Menschen Une économie au service de l’humain 10 Welche Aufgabe hat die Wirtschaft? Quelle mission pour l’économie? 16 Le soin, source de résilience Die Fürsorge, eine Quelle der Kraft 18 Mehr als nur Nachbarschaftshilfe IM PRES S UM ENSEMBLE — Magazin für mitarbeitende, ehren 20 Un binôme souvent féminin amtliche und engagierte Mitglieder der Reformier ten Kirchen Bern-Jura-Solothurn / Magazine pour les membres engagés, collaborateurs et bénévoles 21 FOKUS des Eglises réformées Berne-Jura-Soleure — Herausgeberin / Editeur: Reformierte Kirchen Aktuelles aus Bern-Jura-Solothurn Bern-Jura-Solothurn / Eglises réformées Berne-Jura- Soleure / Altenbergstrasse 66, Postfach / Case postale, FOCUS Actualités de Berne-Jura-Soleure 3000 Bern 22, ENSEMBLE@refbejuso.ch (auch für Abobestellungen) 32 KREUZ UND QUER Erscheinungsweise / Parution: 10-mal pro Jahr / 10 fois par année — Auflage / Tirage: 8400 — Aus den Bezirken, Kirchgemeinden und dem Haus der Kirche Nächste Ausgabe / Prochaine parution: Ende Mai / fin mai DE LONG EN LARGE Régions, paroisses et Maison de l’Eglise Redaktion / Rédaction: Olivier Schmid (verantwort lich / responsable), Nathalie Ogi, Daria Lehmann, 35 KURZ UND BÜNDIG Gerlind Martin, Karin Freiburghaus (Kreisschreiben), Kirchliche Bibliotheken (Schaufenster), Tony Mar Kreisschreiben des Synodalrats chand (Cartoon), Ueli Frutiger (Layout) — Über setzungen / Traduct ions: André Carruzzo, Rolf EN BREF Circulaire du Conseil synodal Hubler, Nicolas Pache, Gabrielle R ivier, Nadya Rohr bach — Korrektorat / Corrections: Renate Kinzl — Titelbild / Image de couverture: Eine nachhaltige 39 SCHAUFENSTER Wirtschaft hat nicht nur den Profit im Blick / Une économie durable ne vise pas uniquement le profit. VITRINE Foto: iStock.com/patpitchaya Grafisches Konzept / Concept graphique: Neidhart Grafik, Klösterlistutz 18, 3013 Bern —Inhaltliches Konzept und Beratung / Concept du c ontenu et conseil: hpe Kommunikation, S ustenweg 64, 3014 Bern — Layout / Druck / Impression: Jost Druck AG, Stationsstrasse 5, Postfach 102, 3626 Hünibach Inhalt —– ENSEMBLE 2020/48
E D I T O R I A L LIEBE LESERINNEN UND LESER CHÈRE LECTRICE, CHER LECTEUR Das Coronavirus hält die Welt in Atem. Ob die Le coronavirus tient le monde en haleine. Au F «ausserordentliche Lage» in der Schweiz noch im moment de mettre sous presse, il n’était pas mer Bestand hat, wenn Sie dieses Magazin in den certain que cette situation extraordinaire perdure Händen halten, war bei Redaktionsschluss unge en Suisse jusqu’à ce que vous teniez ce magazine wiss. Klar ist hingegen: Krisenzeiten wie diese zei entre vos mains. Mais des périodes comme celle-ci gen auf, was wirklich zählt. Während das öffent nous r évèlent ce qui importe vraiment. Lorsque la liche Leben zum Stillstand kommt, sportliche, vie publique s’arrête, que les manifestations spor kulturelle und kirchliche Veranstaltungen abge tives, culturelles et religieuses sont annulées et sagt und Schulen, Kinos und Restaurants geschlos que les écoles, les cinémas, les restaurants ferment, sen werden, erhalten Lebensmittelgeschäfte, Apo les épiceries, les pharmacies et les hôpitaux main theken und Spitäler die Grundversorgung aufrecht. tiennent les services de base. Les gens applau Die Menschen applaudieren auf ihren Balkonen dissent le personnel soignant, s’occupent des en dem Pflegepersonal. Sie hüten Nachbarskinder und fants des voisins et font les courses pour les erledigen für ältere Menschen den Einkauf. Auch personnes âgées. Les paroisses font aussi leur part Kirchgemeinden leisten Unterstützung: Auf www. avec un site d’entraide: www.mobileboten.ch/fr mobileboten.ch finden Sie Hilfe auf einen Klick. Pendant ce temps, le gouvernement soutient Der Bund unterstützt derweil Betriebe und les entreprises et les indépendants à hauteur de Selbstständige mit Milliarden von Franken. Und milliards de francs. Les banques proposent des die Banken sprechen zinslose Überbrückungskre prêts-relais sans intérêt. On peut se demander dite. Doch warum wird Solidarität nur in Krisen pourquoi la solidarité ne se manifeste qu’en temps zeiten derart grossgeschrieben? Warum orientiert de crise? Pourquoi l’économie n’est pas axée sur le sich die Wirtschaft nicht an Fürsorge und Nach bien-être et la durabilité, mais sur la croissance et haltigkeit, sondern an Wachstum und Gewinn? le profit? Compte tenu des crises économiques ré Angesichts wiederkehrender Wirtschaftskrisen, currentes, du changement climatique et des iné des Klimawandels und zunehmender sozialer Un galités sociales croissantes, un changement de gleichheit ist ein Paradigmenwechsel nötig: Wir paradigme est nécessaire: nous avons besoin d’une brauchen eine Wirtschaft, die unsere grundlegen économie qui réponde à nos besoins fondamen den Bedürfnisse stillt – für ein gutes Leben für al taux, comme le montre le dossier «L’économie c’est le. Mehr dazu im Dossier «Wirtschaft ist Care». prendre soin». Solidarität ist auch mit den Geflüchteten an La solidarité est également plus que jamais Europas Grenzen gefragt – dringender denn je, wie nécessaire avec les réfugiés, comme le montre ce die Beiträge in diesem Heft zeigen. Angesichts der numéro. Face à la politique isolationniste de europäischen Abschottungspolitik, die das Recht l’Europe qui foule au pied le droit à des procédures auf faire Asylverfahren mit den Füssen tritt, und d’asile équitables, et face aux morts en masse en angesichts des Massensterbens auf dem Mittel Méditerranée, les appels à la solidarité internatio meer werden die Rufe nach internationaler Soli nale se font de plus en plus pressants. Il est vrai darität immer lauter. Zwar blieben die überfüllten que jusqu’ici, les camps de réfugiés surpeuplés aux Flüchtlingscamps an Europas Grenzen bis Redak frontières de l’Europe ont été épargnés par le co tionsschluss vom Coronavirus verschont. Doch ronavirus. Mais contrairement aux humains, les anders als Menschen kennen Viren keine Grenzen. virus ne connaissent pas de frontières. Wir wünschen Ihnen eine solidarische Lektüre! Nous vous souhaitons une lecture solidaire! Olivier Schmid, verantwortlicher Redaktor / rédacteur responsable ENSEMBLE 2020/48 —– Editorial 3
EINE WIRTSCHAFT FÜR DIE MENSCHEN ANNÄHERUNGEN AN EIN «GUTES LEBEN FÜR ALLE» UNE ÉCONOMIE AU SERVICE DE L’HUMAIN COMMENT SE RAPPROCHER D’UNE «VIE BONNE POUR TOUS LES HUMAINS»? Unser heutiges Wirtschaftsverständnis gesellschaftlicher Initiativen sind gegen die dreht sich vor allem um eines: den Markt. Schwerkraft des Marktes nur bedingt erfolgreich. Doch eine Wirtschaft für die Menschen Was genau hält das wirtschaftspolitische Denken und die Natur ist weit mehr. Ein Essay aus und Handeln in seinen heutigen Bahnen fest? Die transformationsökonomischer Perspektive. Beschäftigung mit einem dritten Begriff – dem «Wert» – bietet interessante Einsichten. Von Jürg Minsch* Ein eindimensionaler Wertbegriff Die Wertfrage war einst eine der zentralen Fragen Der Wirtschaftshistoriker Karl Polanyi nannte in der Wirtschaftswissenschaften und befeuerte lei «The Great Transformation» vier sich gegenseitig denschaftliche Diskussionen. Doch im Zeichen des verstärkende Ursachen für die erste industrielle sogenannten selbstregulierenden Marktes stellt Revolution: Der wissenschaftliche Fortschritt, der sich diese Frage nicht mehr. Der vielschichtige ungeahnte technische Möglichkeiten mit sich Begriff des «Wertes» wird mit dem Marktpreis brachte, eine entstehende Unternehmerschaft, die gleichgesetzt und der gesellschaftliche Wohlstand diese gewinnbringend nutzte, sowie sich aus auf das Sozialprodukt reduziert. Damit ist jeder differenzierende Märkte und sich formierende tiefergehenden Frage nach dem Sinn und Wert demokratische Rechtsstaaten, die diese Entwick eines Produktes oder des wirtschaftlichen Wachs lungen beschleunigten und absicherten. Eine tums die Legitimation entzogen. Geradezu unge D ynamik, die bis heute wirkt. hörig wäre es etwa zu fragen, ob all die Güter, die in den letzten Jahren auf den Markt kamen, es Im Kraftfeld des Marktes wirklich wert waren, produziert zu werden: Wel Im Zentrum dieser gesellschaftlichen und wirt chen Nutzen stiften sie? Und für wen? schaftlichen Entwicklung steht der Markt. Oder in Im dominierenden Wirtschaftsverständnis fin einem Bild gesprochen: So wie das Kraftfeld eines det Wertschöpfung nur auf dem Markt statt. Tätig mächtigen Himmelskörpers die Bahnen anderer keiten in anderen gesellschaftlichen Bereichen, Planeten beeinflusst, verschiebt der Markt die etwa nachbarschaftliche Kooperationen oder Bedeutung zentraler Begriffe der Gesellschaft – Dienstleistungen der öffentlichen Hand, geraten und reduziert facettenreiche, vieldimensionale aus dem Blick oder gelten gar als unproduktiv. Ideen auf wenige Funktionen: Der «Mensch» wird Oder sie werden als selbstverständlich vorausge auf seine Funktion als Arbeitskraft und Konsument setzt, etwa das Rechtswesen oder das Bildungs reduziert, die «Natur» zur blossen Ressource in system. Das Zentrum der wirtschaftlichen und einer eindimensionalen Verwertungslogik de gesellschaftlichen Entwicklung – der Markt – er gradiert. scheint als die Quelle der Wertschöpfung. Natürlich gibt es auch Versuche, den Menschen und der Natur wieder gerechter zu werden. Doch Eine veraltete Doktrin die Anstrengungen der Umwelt- und Sozialpolitik, Der eindimensionale Wertbegriff bestimmt auch der Entwicklungszusammenarbeit oder auch zivil die Wirtschaftspolitik. Mit dem Ziel, durch die Ver mehrung der vermarktbaren Güter die Wirtschaft * Jürg Minsch ist Ökonom und Lehrbeauftragter zum Florieren zu bringen, wird eine «Politik der für Ökologische Ökonomie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) billigen Zentralressourcen» verfolgt. Diese Doktrin 4 D oss i e r —– EN S EM B L E 2020/4 8
kam in den 1950er-Jahren auf – genau zu dem an Leuchtkraft verlieren. Der reduzierte Wertbe Zeitpunkt, als die Wertedebatte zu versiegen be griff ist zweitens mit einer Entfernung von der gann – und gilt heute noch immer. Doch galt es Natur verbunden: Die künstliche Verbilligung damals, die Mangelwirtschaft in Europa nach dem natürlicher Ressourcen bedeutet per se Gering Zweiten Weltkrieg zu überwinden und das Wohl schätzung derselben. Signalisiert wird: Achtsam standsversprechen der Moderne einzulösen, för keit, Sorgfalt, Sparsamkeit und intelligenter Um dert diese Doktrin heute eine Wirtschaft, die den gang sind fehl am Platz. Und drittens resultiert Zielen für nachhaltige Entwicklung entgegen aus der Fokussierung auf den Markt als alleinige steht. Der Internationale Währungsfonds beziffert Quelle der Wertschöpfung eine Entfernung von beispielsweise die Unterstützung der fossilen der Idee von Gesellschaft als insgesamt wertschöp Energieträger 2013 weltweit auf rund 1900 Milliar fendes System. den Dollar: eine kraftvolle Politik zur Beschleuni gung des Klimawandels – und ein Vielfaches der Abkehr und Rückbesinnung Mittel, welche die OECD-Staaten für Entwicklungs Das Kraftfeld des Marktes ist jedoch keine Natur zusammenarbeit einsetzen. Hinzu kommen wir konstante. Der Markt ist als «gesellschaftliche Ver kungsvolle Importbeschränkungen und Export anstaltung» gestaltbar. Die Ökonomie muss sich förderungen zulasten der Entwicklungschancen wieder die Wertfrage stellen. Und sich fragen, was der Länder des globalen Südens. sie beitragen kann zu einer «zivilisierten» Wirt Die Reduzierung des Wertbegriffs auf den Preis schaft, die sich nicht primär am Markt orientiert, ist in Anlehnung an Karl Polanyi mit drei Arten sondern an den Menschen und einem Leben im von «Entfernungen» verbunden. Erstens mit einer Einklang mit der Natur. Entfernung vom Menschen: Die vom globalen Der Weg dazu führt über die Reintegration von Norden designte asymmetrische Welthandelsord Verantwortung und Haftung. Einst zentrale Pfeiler Im Bann des Aktienkurses: nung schnürt die Entwicklungsmöglichkeiten des der Marktwirtschaft, sind sie mit der Globalisie Nur der Markt- globalen Südens ein; dies ist letztlich eine Relati rung der Waren- und Finanzwelt in Vergessenheit preis zählt. vierung der Idee der Menschenrechte, zu deren geraten. Ein erster Schritt in Richtung eines funk Sous le charme du cours de l’action: Fürsprecher wir uns gerne aufspielen. Kein Wun tionierenden Systems, in dem die Preise die öko seul le prix du der, dass Marktwirtschaft und auch Demokratie logischen und sozialen Knappheiten möglichst marché compte. © Keystone / Westend61 / Andrew Brookes EN S EM B L E 2020/4 8 —– D oss i e r 5
© Eirik Solheim / Unsplash Brauchen wir das alles? Welchen Nutzen stiften sie? Für wen? Avons-nous besoin de tout cela? Quels sont les avantages? Pour qui? gut wiedergeben, ist die Abkehr von der Politik sprünglich gut gemeint, heute jedoch grund der billigen Zentralressourcen. Sie ist ein wir legend zu überdenken. Und Wachstum war – ge kungsmächtiger Treiber einer ökologisch und rade in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg – sozial falschen Entwicklungsrichtung, die sich lange ein wichtiges Mittel zur Befriedung von Ge über viele Jahrzehnte hinweg beinahe unbemerkt sellschaften. Doch diese Funktion erodiert a n- herausgebildet hat und ein wirtschaftspolitisches gesichts zunehmender Ungleichheiten. «Gewürz» ist, das in Form von Subventionen oder Ein «gutes Leben für alle» verlangt jedoch mehr Steuerbefreiungen in die verschiedensten Be als nur Reformen am marktwirtschaftlichen Set reiche der Politik gestreut wird. Dazu gehören ting und neue Formen des Wirtschaftens. Es nimmt auch militärische Interventionen im Dienste eines vielmehr sämtliche gesellschaftlichen B ereiche in gesicherten Ressourcenzugangs. Die heutige Ab den Blick. Sie alle können als Orte der Wertschöp hängigkeit von billigen Ressourcen ist für die fung – und Sinnstiftung – verstanden werden: Natur ebenso gefährlich wie für den Menschen Nachbarschaft, Quartier, Schule, Kirchgemeinde, und die Wirtschaft selbst. «Transition Town» und vieles mehr. Das, was ein Die Abkehr von künstlicher Verbilligung allein gelingendes Leben ausmacht, kann nur zu einem garantiert jedoch noch keinen korrekten Preis. Un geringen Teil von der Wirtschaft – im herkömm verzichtbar dafür bleibt der Einsatz geeigneter lichen Sinne verstanden – gewährleistet werden. Instrumente in der Klima-, Energie- und Verkehrs Doch was macht ein gutes Leben aus? Zwei politik. Diese Forderung ist natürlich nicht origi Leitideen scheinen mir diesbezüglich vielverspre nell, aber leider aktueller denn je. In vierzig Jahren chend: Resonanz und Care. Anders als bei Markt Umweltpolitik gelang es der Weltgemeinschaft beziehungen, wo sich Güter oder warenförmige nicht, auch nur einen einzigen existenziellen öko Dienstleistungen zwischen die Menschen schie logischen Belastungstrend zu brechen. Und es ben, zählt in der «Care Economy» die direkte per kommen dauernd neue hinzu. sönliche Beziehung. In den Wirtschaftswissen schaften ist die «Care Economy» inzwischen denn Resonanz und Care auch eine gut vernehmbare Stimme. Durch den im modernen Geld- und Kreditsystem angelegten systemischen Wachstumszwang Eine ausführlichere Fassung des Essays kann beim scheint aber jede Motivation zu einer Ökologisie Autor bestellt werden: xmns@zhaw.ch rung der Wirtschaft zu verfliegen. Dabei sind es vor allem die auf politische Entscheide zurückzu Literatur: führenden Wachstumsursachen, die ins Gewicht Hartmut Rosa (2019): Resonanz. Eine Soziologie fallen und hinterfragt werden sollten. Von der der Weltbeziehung. Suhrkamp, Berlin. Politik der billigen Zentralressourcen war schon Uwe Schneidewind (2018): Die Grosse Transfor die Rede. Hinzu kommt eine ganze Reihe von ge mation. Eine Einführung in die Kunst gesell sellschaftlichen Dienstleistungen, die rund ums schaftlichen Wandels. Fischer, Frankfurt am Wachstum aufgebaut sind und von ihm abhängen, Main. allen voran das Sozialversicherungssystem: ur 6 D oss i e r —– EN S EM B L E 2020/4 8
Aujourd’hui, notre compréhension de l’éco de consommateur; la «nature», quant à elle, est F nomie tourne surtout autour du marché. rabaissée au rang de simple ressource dans une Pourtant, une économie au service de l’humain logique d’exploitation univoque. et de la nature va bien au-delà du marché. C’est Bien sûr qu’il existe aussi des tentatives pour ce que défend Jürg Minsch, partisan d’une éco retrouver un rapport juste à l’humain et à la nature. nomie de la transformation, dans son dernier Cependant, face à la force de gravité exercée par essai. le marché, les efforts déployés – politiques envi ronnementales et sociales, coopération au déve loppement et initiatives citoyennes – semblent Par Jürg Minsch* couronnés d’un bien piètre succès. Qu’est-ce qui maintient la pensée et l’agir économiques sur Dans La Grande Transformation, l’historien de orbite? Un troisième concept, celui de «valeur», l’économie Karl Polanyi s’interroge sur les causes fournit un éclairage intéressant. de la première révolution industrielle et en iden tifie quatre, qui se renforcent mutuellement: le Une notion de valeur unidimensionnelle progrès scientifique débouchant sur des possibi La question de la valeur eut son heure de gloire: lités techniques insoupçonnées, exploitées par un les sciences économiques la plaçaient alors au entrepreneuriat naissant voulant créer du profit, centre et elle suscitait des débats enflammés. A évolution que les marchés et les démocraties l’heure de l’autorégulation du marché, elle ne se © Keystone / dapd / Steffi Loos Dans le champ de force du marché: le prix détermine la valeur. Im Kraftfeld des Marktes: Der Preis be- stimmt den Wert. émergentes de l’époque accélérèrent et stabili pose plus. Le concept complexe de «valeur» est sèrent. C’est toujours cette dynamique qui est à assimilé à la notion de prix du marché et la pros l’œuvre aujourd’hui. périté de la société est réduite au produit national, de sorte que toutes les questions plus profondes Dans le champ de force du marché relatives au sens et à la valeur d’un produit ou de Au centre de ce modèle de développement écono la croissance économique sont totalement délégi mique et social se trouve le marché. Pour le dire timées. Il semblerait par exemple tout à fait in de manière imagée, de même que le champ de convenant de se demander, au sujet du réel intérêt force d’un puissant corps céleste influence les or d’avoir produit tous les biens qui ont inondé le bites d’autres planètes, le marché déplace la signi marché ces dernières années: Qu’ont-ils apporté fication de certains concepts clés de la société, à qui? réduisant le prisme de ces idées multidimension Selon la conception dominante de l’économie, nelles à quelques fonctions restreintes: l’«humain» la création de valeur ne peut se produire que sur est réduit à sa fonction de force de travail et le marché. L’activité d’autres secteurs, telles que la coopération de proximité ou les prestations de * Jürg Minsch est économiste et chargé d’enseignement services publics, n’est pas prise en compte, est en économie écologique à la Haute école des sciences appliquées de Zurich (ZHAW) considérée comme improductive, ou au contraire EN S EM B L E 2020/4 8 —– D oss i e r 7
comme un dû – pensons au système juridique ou Karl Polanyi met en lien le fait de réduire la éducatif. C’est le marché, en tant que centre valeur au prix avec trois types d’«éloignements». névralgique du développement économique et Premièrement, on s’éloigne de l’être humain: social, qui est perçu comme la source de la créa l’ordre commercial mondial asymétrique conçu tion de valeur. par le Nord restreint les possibilités de développe ment du Sud; au fond, c’est une manière de rela Une doctrine désuète tiviser la notion de droits humains, dont nous nous La notion de valeur unidimensionnelle détermine faisons pourtant volontiers les défenseurs. Ce n’est également la politique économique. Si le but pas surprenant que l’économie de marché, et a ussi consiste à faire prospérer l’économie en accrois la démocratie, perdent de leur éclat. Deuxième sant le nombre de biens commercialisables, alors ment, on s’éloigne de la nature: la réduction arti on mène une «politique des ressources centrales ficielle du prix des ressources naturelles constitue bon marché». Cette doctrine, née dans les années en soi une forme de mépris. Le signal est le sui 1950, précisément au moment où le débat sur la vant: prudence, rigueur, parcimonie, et utilisation valeur commençait à faiblir, reste d’actualité. intelligente des ressources ne sont pas de mise. Cependant, alors qu’à la fin de la Seconde Guerre Troisièmement, la focalisation sur le marché en mondiale, le but était de sortir d’une économie tant que source unique de création de valeur du manque et d’accomplir la promesse de prospé éloigne du principe d’une société considérée rité des temps modernes, cette doctrine promeut comme système global de création de valeur. désormais une économie qui va à l’encontre des objectifs du développement durable. Le Fonds Renoncement et retour en arrière m onétaire international (FMI), par exemple, Cependant, le champ de force du marché n’est pas estime à plus ou moins 1900 milliards de dollars une constante naturelle. Le marché peut être le coût du soutien aux énergies fossiles en 2013 conçu comme une «manifestation sociale». L’éco Auf engstem dans le monde, ce qui illustre la force politique nomie doit se poser une nouvelle fois la question Raum zusammen- d’accélération du changement climatique, les de la valeur et se demander en quoi elle peut gepfercht – und doch völlig isoliert. moyens mis en œuvre étant par ailleurs plusieurs contribuer à une économie «civilisée», qui ne se Was macht ein fois supérieure aux engagements pris par l’OCDE concentre pas en premier sur le marché, mais gutes Leben aus? en faveur de la coopération au développement. A sur l’humain et sur une vie en harmonie avec la Entassés dans de petits espaces – cela s’ajoutent des restrictions à l’importation et nature. et pourtant com- des subventions à l’exportation efficaces, qui Pour aller dans ce sens, il faut passer par la plètement isolés. Qu’est-ce qui rend pèsent sur les possibilités de développement des réintégration de la responsabilité et de l’imputa la vie belle? pays du Sud. bilité, qui furent toutes deux un jour des piliers de l’économie de marché et qui sont tombées dans l’oubli avec la globalisation du monde des marchandises et de la finance. Renoncer à la politique des ressources cen trales bon marché constitue un premier pas en direction d’un système fonctionnel, c’est-à-dire d’un système au sein duquel les prix reflètent au mieux la rareté au niveau écologique et social. Une telle politique est compa rable à un pilote puissant allant dans la fausse direc tion écologique et sociale: pendant de nombreuses dé cennies, on a suivi cette voie presque sans s’en rendre compte, comme on aurait © Hugh Han / Unsplash assaisonné l’économie d’une «épice», sous forme de sub ventions ou d’exonérations fiscales dans les différents 8 D oss i e r —– EN S EM B L E 2020/4 8
© Keystone / dapd / David Hecker La «politique des ressources princi pales bon marché» favorise une écono- mie qui va à l’en contre des objectifs du développement durable. Die «Politik der billigen Zentral ressourcen» fördert eine Wirtschaft, die den Zielen für nachhaltige Ent- wicklung entgegen- steht. omaines de la politique. On peut également d en Europe après la Seconde Guerre mondiale, a mettre dans le lot les interventions militaires au longtemps constitué un moyen important de service d’un accès sécurisé aux ressources. La pacification des sociétés. Néanmoins, face aux dépendance actuelle à l’égard des ressources bon inégalités croissantes, cette fonction s’érode. marché est aussi dangereuse pour la nature que Toutefois, une «vie bonne pour tous» réclame pour les humains et l’économie elle-même. bien plus que de simples réformes au sein de l’éco Cependant, renoncer à la réduction artificielle nomie de marché et exige de nouveaux modes des prix ne garantit toujours pas que le prix pra d’activité économique. Une vie bonne pour tous tiqué soit correct. Pour parvenir au prix correct, il prend en compte les multiples facettes de la est indispensable de recourir aux instruments société, qui peuvent être comprises comme des appropriés en matière de politique climatique, lieux créateurs de valeur et de sens: voisinage, énergétique et des transports. Certes, cette exi quartier, école, paroisse, «ville en transition», etc. gence ne remonte pas aux origines, mais malheu Tout ce qui concourt à une vie réussie ne peut être reusement elle est plus actuelle que jamais. En garanti que dans une moindre mesure par l’éco quarante ans de politique climatique, la commu nomie, au sens classique du terme. nauté internationale n’a pas réussi à enrayer une Quels sont les ingrédients d’une vie bonne? seule des tendances écologiques néfastes et Deux notions clés me semblent très prometteuses: nuisibles à la vie. Et ces tendances ne cessent de la résonance et le soin. Contrairement aux rap s’amplifier. ports qui règnent sur le marché, où des biens et des prestations de service sous forme de marchan Résonance et soin dises sont échangés entre les personnes, c’est la Pourtant, en raison de la contrainte systémique à relation interpersonnelle immédiate qui compte la croissance inhérente au système moderne de la dans la «care economy». D’ailleurs, dans les monnaie et du crédit, toute bonne intention de sciences économiques, la voix de cette «care eco verdir l’économie semble s’envoler. Il faudrait nomy» est devenue tout à fait audible. avant tout interroger les causes de la croissance imputables aux décisions politiques. Il a déjà été question de la politique des ressources centrales bon marché. A cette politique s’ajoutent une série de prestations de services sociaux, qui reposent sur la croissance et en dépendent, comme le sys tème de sécurité sociale: bien pensé à l’origine, il doit être totalement revu. La croissance, surtout EN S EM B L E 2020/4 8 —– D oss i e r 9
WELCHE AUFGABE HAT DIE WIRTSCHAFT? ZWEI ÖKONOMINNEN – ZWEI ANTWORTEN QUELLE MISSION POUR L’ÉCONOMIE? DEUX ÉCONOMISTES, DEUX RÉPONSES «Wir brauchen eine Wirtschaft, die mensch- Was ist die Aufgabe der Wirtschaft? Geht es um liche Bedürfnisse befriedigt», sagt Samira die Befriedigung der Grundbedürfnisse oder um Marti, Nationalrätin und Vizepräsidentin der Profitmaximierung? SP Baselland. «Ein Unternehmen muss Marti: Dazu braucht es erst einmal eine Be gewinnorientiert arbeiten», sagt Franziska griffsklärung. Wirtschaft und Unternehmen wer Hügli, Vizepräsidentin der FDP Kanton Bern. den oft gleichgesetzt. Die Wirtschaft sind aber wir Ein Streitgespräch. alle, auch Arbeitnehmer und Konsumentinnen. Wir alle brauchen eine Wirtschaftsweise, die menschliche Bedürfnisse befriedigt. Laut einer Von Mathias Tanner* neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung besetzt die Schweiz den Spitzenplatz, wenn es darum geht, Laut dem Konzept «Wirtschaft ist Care» soll die andere Länder von einer nachhaltigen Entwick Wirtschaft die menschlichen Grundbedürfnisse lung abzuhalten. Schuld daran ist vor allem unse befriedigen. Dazu gehören frische Luft, sauberes re Finanz- und Wirtschaftspolitik. Wir nehmen Wasser, Nahrung, Kleidung und Sicherheit, aber Ländern im globalen Süden Steuersubstrat weg, auch medizinische Versorgung, Zuwendung und das dort für eine gute Gesundheitsversorgung, Beschäftigung. Gelingt das der Wirtschaft? öffentliche Güter oder wirksamen Klimaschutz Marti: Nein. Die heutige Wirtschaftsweise dringend gebraucht würde. funktioniert lediglich über Preismechanismen und Eigentumsverhältnisse. Dabei geht es nicht darum, was die Menschen zum Leben brauchen, sondern welche Investitionen möglichst viel Ge winn bringen. Ein gutes Beispiel ist die Rüstungs industrie: Während der Eskalation zwischen den USA und dem Iran Anfang Jahr machten die In vestoren dank der steigenden Aktienkurse der Rüstungsunternehmen Millionengewinne – übri gens auch die Schweizerische Nationalbank. Ob wohl kriegerische Auseinandersetzungen den menschlichen Grundbedürfnissen fundamental widersprechen. Hügli: Ja, absolut. Wirtschaft ist, wenn die Men schen, egal ob in einem privaten Unternehmen oder beim Staat, mit den ihnen zur Verfügung ste henden Ressourcen Produkte und Dienstleistungen herstellen, die einem Bedürfnis entsprechen. In © zVg dem die Menschen diese Bedürfnisse nachfragen, entstehen ein Angebot und ein Markt. Das Schmier Samira Marti: mittel für diesen Markt ist Geld. Damit können die Menschen ihre Grundbedürfnisse befriedigen. «Jede sinnhafte Arbeit soll * Mitarbeiter Bereich OeME-Migration der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn bezahlt werden.» 10 D oss i e r —– EN S EM B L E 2020/4 8
Hügli: Beim «Wirtschaften» an sich geht es pri mär darum, in einem funktionierenden System Angebote bereitzustellen, die zur Bedürfnisbefrie digung nachgefragt werden. Das können existen zielle Bedürfnisse wie Nahrung oder ein Dach über dem Kopf sein. Aber in einer entwickelten, von Wohlstand geprägten und nach Selbstverwirk lichung strebenden Gesellschaft kann ein Bedürfnis auch ein teures Auto oder eine Ferienwohnung sein. Ein Unternehmen muss unbedingt gewinn orientiert arbeiten. Wenn am Ende kein Gewinn übrigbleibt, kann sich ein Unternehmen nicht wei terentwickeln – und auch keine Arbeitsplätze schaffen. Ohne Gewinn kann ein Unternehmen auch die Kapitalgeber nicht entschädigen, ohne die ein Unternehmen nicht wirtschaften kann. Einige Arbeitsleistungen werden schlecht oder gar nicht entschädigt, etwa in der Landwirtschaft, © zVg aber auch die Betreuung von Kindern und Älteren oder die Hausarbeit. Warum ist das so? Franziska Hügli: Marti: Weil wir heute den Wert der Arbeit über ihre finanzielle Profitabilität definieren. Repro duktive Tätigkeiten wie Care-Arbeit schneiden in «Sinnstiftende unentgeltliche dieser Logik schlecht ab – trotz ihrem gesellschaft Arbeit macht glücklich.» lichen Wert. Die Coronakrise zeigt uns in aller Deutlichkeit, welche Arbeiten sogenannt «system einer gewünschten Qualität erbringen. Es ist für relevant» sind: Es sind die Krankenpfleger, die mich selbstverständlich, dass Arbeiten, denen die Altenpflegerinnen und das Verkaufspersonal, die Gesellschaft einen Preis gibt, auch fair entschädigt dafür sorgen, dass wir diese Krise überstehen. Die werden. Aber ich finde es ebenso selbstverständ se Berufe werden grossmehrheitlich von Frauen lich, dass jedes Individuum in einer Gesellschaft ausgeübt und viel zu schlecht bezahlt. Sobald wir ehrenamtliche Tätigkeiten übernimmt. Sie sind die Coronakrise überstanden haben, müssen wir unendlich wertvoll, auch wenn sie nicht entlohnt daraus die Lehren ziehen und ihnen mehr An werden. Dennoch sind jene, die sie ausführen, erkennung zollen: Ihre Löhne müssen erhöht, ihre glücklich, weil sie einen sinnstiftenden Beitrag zu Arbeitsbedingungen verbessert werden. einem grösseren Ganzen leisten. Hügli: Der Wert eines Angebots wird durch die Nachfrage bestimmt. Darüber hinaus definiert Welche alternativen Formen der Anerkennung und jede Gesellschaft auch entlang ihres Wertesystems Entschädigung von unbezahlter (Care-)Arbeit und ihres Entwicklungsstadiums den Wert eines könnten etabliert werden? Produkts oder einer Dienstleistung. Diese verlan Marti: Heute übernehmen Frauen den aller gen je nach Wert auch eine entsprechende Quali grössten Teil dieser Arbeit. Dafür verzichten sie fikation der Menschen, deren Leistung ihren Preis auf Einkommen. Die Folgen sind tiefere Löhne und hat. Und so gibt es ganz viele Berufsgruppen, die Renten und weniger Zeit und Anerkennung. Nur etwas anbieten, mit dem wir unsere Grundbedürf mit einer radikalen Reduktion der Erwerbsarbeits nisse decken können und die gleichwohl in der zeit wird eine Umverteilung der Care-Arbeit hin Lohnskala nicht weit oben sind. Allerdings gibt es zu den Männern möglich sein. Einige negative viele Berufsgattungen, die ebenfalls sehr direkt Folgen der unbezahlten Care-Arbeit würden damit die Grundbedürfnisse decken und gut entschädigt erheblich reduziert. Aber am Schluss müssen wir werden: etwa Ärzte, Ingenieure, Psychologinnen uns fragen, welche Rolle Care-Arbeit in unserer oder Pensionskassenangestellte. Gesellschaft einnehmen soll. Für mich ist klar: eine zentrale. Welche Arbeiten sollen bezahlt werden? Hügli: Aus der Forschung wissen wir, dass sinn Marti: Jede sinnhafte Arbeit soll bezahlt stiftende unentgeltliche Arbeit glücklich macht. werden. Und wir wissen auch, dass deren Bezahlung das Hügli: Das bestimmt wiederum das Wertever Glücksgefühl und die Motivation für diese Tätig ständnis einer Gesellschaft und die Verfügbarkeit keit schmälert, weil dann die ökonomischen Ver jener, die eine nachgefragte Arbeitsleistung in gleichsmassstäbe gelten. In der Coronakrise helfen EN S EM B L E 2020/4 8 —– D oss i e r 11
ganz viele junge Leute den älteren beim Einkau fen. Und sie machen es gerne. Ihr Lohn ist die Dankbarkeit dieser Menschen. Diese eigenverant wortliche Motivation hilft uns in vielen Bereichen des Lebens, in denen wir tausend kleine und manchmal auch grössere Dinge unentgeltlich tun, den Lohn nicht in Geld, sondern in Wertschät zung, Anerkennung und Dankbarkeit zu suchen und zu finden. Das Konzept «Wirtschaft ist Care» fordert auch einen nachhaltigen Umgang mit natürlichen Res- sourcen. Wie schätzen Sie die Lage ein? Marti: Die Klimakrise deckt das totale Versagen des real existierenden Kapitalismus auf. Wir wis sen seit fünfzig Jahren, dass unendliches Wachs tum und das Erdölzeitalter existenzielle Probleme mit sich bringen werden. Doch geändert hat sich nichts. Das ist kein Zufall. Von den zehn grössten Unternehmen der Welt sind deren sechs fossile Energiekonzerne, dazu kommen zwei Autoher steller. Sie sind es, die «unsere Zivilisation opfern, damit eine kleine Gruppe Menschen extrem viel Geld verdienen kann», wie es Greta Thunberg treffend formulierte. Solange wenige reiche Men schen ihren politischen und wirtschaftlichen Ein fluss absichern, wird sich daran nichts grund legend ändern. Hügli: Wirtschaften an sich bedeutet ja, mit meist knappen Ressourcen eine von der Gesell © Keystone / Martin Glauser schaft nachgefragte Arbeitsleistung zu erzielen. Eine funktionierende Wirtschaft wird sich darum immer nach Alternativen umsehen, wenn eine Ressource knapp wird. Wir sehen das zum Beispiel bei der Mobilität. Weil fossile Brennstoffe zur Neige gehen, boomen die Elektroautos. Aber da hinter steckt ein immenser Forschungsaufwand Hügli: Selbstverständlich soll die Politik diesen der Autohersteller und Zulieferer. Diesen Aufwand Prozess begleiten. Indem sie alles daran setzt, die müssen sich die Unternehmen leisten können. Forschung voranzutreiben und auch den Unter Und die Bevölkerung muss es sich leisten können, nehmen ermöglicht, in ihre Weiterentwicklung ein funktionierendes Dieselauto durch ein Elektro zu investieren. Sie kann beispielsweise steuerliche auto zu ersetzen. Deshalb ist das beste Rezept für Anreize schaffen, um diesen Prozess hin zu einem die nötige Transformation hin zu einem nachhal nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen voranzu tigeren Umgang mit natürlichen Ressourcen eine treiben. Und sie darf auch da und dort für die funktionierende Wirtschaft. grossen Sünder mit gewissen Abgaben einen ne gativen Anreiz schaffen. Die grösste Aufgabe ha Welche konkreten Massnahmen schlagen Sie vor? ben aber wir als Zivilgesellschaft. Jeder einzelne Marti: Wir müssen als Erstes den Schweizer von uns kann der Umwelt Sorge tragen, das Thema Finanzplatz zurückbinden. Es braucht ein Verbot im Freundeskreis ansprechen, Ideen von anderen von Investitionen in fossile Rohstoffe, Lenkungs aufgreifen. Das erzielt eine viel nachhaltigere Wir abgaben auf Kapitaleinkommen, eine grüne staat kung als irgendwelche Verbote oder Vorschriften. liche Investitionsbank, die zinsfreie Kredite für Weil wir dann eigenverantwortlich und aus Über Projekte zur Reduktion von CO2-Emissionen ver zeugung handeln und nicht, weil es uns jemand gibt, kurz: Wir müssen die gesellschaftliche In vorschreibt. vestitionsfunktion zurückerobern, damit wir wie der als Gesellschaft darüber entscheiden, wofür das Kapital gebraucht werden soll, und nicht nur www.wirtschaft-ist-care.org eine kleine Gruppe von Reichen. 12 D oss i e r —– EN S EM B L E 2020/4 8
Care-Arbeit: Unverzichtbar und dennoch schlecht oder gar nicht bezahlt. Le travail dans les soins: indispensable et pourtant mal ou pas du tout rémunéré. «Nous avons besoin d’une économie qui tion des besoins des gens, mais des investisse F subvienne aux besoins des gens», dit Sami ments qui rapportent le plus d’argent. Voyez l’in ra Marti, conseillère nationale et vice-présidente dustrie de l’armement: durant l’escalade entre les du parti socialiste de Bâle-Campagne. «Une en Etats-Unis et l’Iran en début d’année, les investis treprise doit dégager des bénéfices», lui répond seurs ont engrangé des millions grâce à la hausse Franziska Hügli, vice-présidente du parti libé des cours des actions d’entreprises d’armement ral-radical du canton de Berne. Débat. – d’ailleurs la Banque nationale suisse en a aussi profité. Pourtant, les conflits contredisent fonda mentalement les besoins de base des êtres hu Par Mathias Tanner* mains. Hügli: Oui, absolument. L’économie, ce sont les «L’économie prend soin des gens.» Selon ce concept, êtres humains qui créent, avec les ressources dont l’économie doit subvenir aux besoins fondamen- ils disposent, des produits et des services qui taux des êtres humains: un air pur, de l’eau p otable, répondent à des besoins, que ce soit au sein d’une de la nourriture, des vêtements et la sécurité, mais entreprise privée ou d’un Etat. Lorsqu’une de aussi des soins médicaux, le réconfort et l’emploi. mande existe pour ces besoins, une offre et un Est-ce qu’elle y parvient? marché apparaissent. L’argent sert de lubrifiant à Marti: Non. Aujourd’hui, l’économie producti ce marché. Il permet aux gens de subvenir à leurs viste fonctionne uniquement via les mécanismes besoins fondamentaux. de prix et le concept de propriété. Il n’est pas ques Quelle est la mission de l’économie? Satisfaire nos * Collaborateur du secteur ŒTN-Migration des Eglises réformées Berne-Jura-Soleure besoins fondamentaux ou maximiser les profits? EN S EM B L E 2020/4 8 —– D oss i e r 13
Marti: Il faut d’abord préciser de quoi on parle. Franziska Hügli: On confond souvent l’économie et les entreprises. Mais nous sommes tous l’économie, travailleurs «Un travail utile non rémunéré et consommateurs y compris. Nous avons tous be rend heureux.» soin d’une économie de production qui satisfasse les besoins fondamentaux. Selon une nouvelle étude de la fondation Bertelsmann, la Suisse arrive d’un produit ou d’un service selon son système de en tête des pays qui freinent le développement valeurs et son stade de développement. Ces pro durable d’autres pays. La faute en revient avant duits et ces services nécessitent aussi, selon leur tout à notre politique financière et économique. valeur, que des personnes soient adéquatement Partout dans les pays du Sud, nous détournons le qualifiées. Et les prestations de ces personnes ont substrat fiscal, censé être utilisé sur place de toute leur prix. Il existe ainsi de nombreux corps de mé urgence pour des services de santé de bonne qua tiers qui offrent un service répondant à nos be lité, des biens publics ou des mesures efficaces en soins fondamentaux et qui ne sont toutefois pas faveur du climat. tout en haut de l’échelle salariale. Mais il y a beau Hügli: Lorsqu’on parle d’activités économiques, coup de professions qui répondent aussi aux be il s’agit avant tout, dans un système fonctionnel, soins fondamentaux tout en étant bien rémuné de fournir des offres répondant à une demande qui rées: les médecins, les ingénieurs, les psychologues elle satisfait des besoins. Cela peut concerner des ou les employés des caisses de pension. besoins existentiels, comme l’alimentation ou le logement. Mais dans une société développée, mar Quelles activités devraient être rémunérées? quée par la croissance et qui tend vers l’épanouis Marti: Tout travail qui a du sens mérite salaire. sement personnel, une voiture chère ou un appar Hügli: Ceci est dicté une nouvelle fois par le tement de vacances peuvent aussi représenter un système de valeurs d’une société, ainsi que par la besoin. Une entreprise doit absolument travailler disponibilité des personnes fournissant une pres pour réaliser des bénéfices. Sans bénéfices, une tation demandée au niveau de qualité souhaité. entreprise ne peut pas se développer, ni créer de Pour moi, il est évident que chaque travail auquel places de travail. Sans bénéfices, une entreprise ne la société accorde un prix doit être rémunéré peut pas non plus rétribuer les bailleurs de fonds, équitablement. Mais je trouve aussi normal que sans qui elle ne peut pas fonctionner. chaque individu assume des activités bénévoles au sein d’une société. Ces activités sont infiniment Certaines prestations ne sont que peu ou pas du précieuses, même sans être rémunérées. Celles et tout rémunérées, par exemple dans l’agriculture, ceux qui s’en acquittent sont heureux, car ils mais aussi dans la garde d’enfants et les soins aux apportent une contribution qui a du sens à un personnes âgées, ou le travail ménager. Pourquoi? ensemble plus vaste. Marti: Nous définissons aujourd’hui la valeur du travail par sa rentabilité financière. Les activi Quelles formes alternatives de reconnaissance et tés de type «care» s’insèrent mal dans cette de rémunération pourrait-on imaginer pour le logique, malgré leur valeur sociale. La crise du t ravail bénévole? coronavirus nous montre clairement quels métiers Marti: Actuellement, les femmes se partagent la plus grande partie de ce travail, pour lequel Samira Marti: elles ne touchent pas de revenu. Avec pour consé quence des salaires et des retraites moins élevés, «Tout travail utile devrait ainsi que moins de temps et de reconnaissance. être rémunéré.» Seule une réduction radicale du temps de travail permettra de redistribuer les activités de «care» sont d’importance systémique: les infirmières et aux hommes. Certaines conséquences négatives les infirmiers, les soignants pour personnes âgées du travail bénévole seraient ainsi largement et le personnel de la vente, qui veillent à ce que réduites. Au final, nous devons nous demander nous surmontions cette crise. Ces emplois sont quelle place accorder au travail de «care» dans majoritairement occupés par des femmes et trop notre société. Pour moi, c’est clair: elle doit être mal payés. Dès que nous serons sortis de cette centrale. crise, nous devons en tirer les leçons et leur témoi Hügli: Grâce à la recherche, nous savons que gner davantage de reconnaissance: leurs salaires le travail non rémunéré et qui a un sens rend les doivent être augmentés, et leurs conditions de gens heureux. Et nous savons aussi que rémunérer travail améliorées. ce travail réduit le sentiment de bonheur et la mo Hügli: La valeur d’une offre est dictée par la tivation d’effectuer ces tâches, car les normes de demande. Chaque société définit en outre le prix comparaison économiques prennent alors le des 14 D oss i e r —– EN S EM B L E 2020/4 8
sus. On voit avec la crise du coronavirus que de permettre cet effort. Et la population doit pouvoir nombreux jeunes aident volontiers les aînés pour s’offrir une voiture électrique à la place d’une die faire les courses. Leur récompense, c’est la recon sel qui fonctionne. La meilleure recette pour naissance des personnes âgées. Cette motivation effectuer la transition nécessaire vers un usage responsable nous aide à rechercher et trouver durable des ressources naturelles, c’est donc une notre salaire non pas sous forme d’argent, mais économie qui fonctionne. d’estime, de reconnaissance et de gratitude. Et ce dans de nombreux domaines de la vie, dans Quelles mesures concrètes préconisez-vous? l’accomplissement désintéressé de milliers de Marti: Nous devons avant toute chose recadrer petites et parfois de plus grandes choses. la place financière suisse: interdire les investisse ments dans les matières premières fossiles, instau Le concept d’économie des soins exige aussi rer des taxes incitatives sur les revenus du capital, de traiter les ressources naturelles de manière une banque d’investissement verte et étatique qui d urable. Comment voyez-vous la situation? alloue des crédits pour des projets de réduction Marti: La crise du climat révèle l’échec total des émissions de C02. En deux mots: nous devons du capitalisme réel existant. Nous savons depuis reconquérir la fonction d’investissement de la so cinquante ans que la croissance infinie et l’ère du ciété, afin que nous décidions, en tant que société, pétrole amèneront des problèmes. Pourtant, rien dans quel but le capital doit être utilisé, et pas n’a changé. Ce n’est pas un hasard. Parmi les dix seulement un petit groupe de nantis. plus grandes entreprises du monde, on trouve six Hügli: Naturellement, le politique doit accom compagnies d’énergies fossiles, et deux construc pagner ce processus, en mettant tout en œuvre teurs automobiles. Ce sont eux, qui «sacrifient notre afin de faire avancer la recherche et de permettre civilisation afin qu’un petit groupe de gens puissent aux entreprises d’investir dans leur développe gagner énormément d’argent», comme l’a si bien ment. Il peut ainsi créer des incitations fiscales, formulé Greta Thunberg. Aussi longtemps que afin de soutenir la transition vers un usage durable quelques riches s’assureront une influence poli des ressources. Et il peut aussi, ici et là, décourager tique et économique, rien ne changera fondamen les gros pollueurs responsables de certaines émis talement. sions. Mais la plus grande tâche nous revient, à Hügli: Avoir des activités économiques, cela nous la société civile. Chacune et chacun d’entre veut bien dire accomplir une des prestations que nous peut veiller sur l’environnement, aborder ce la société réclame, avec des ressources en général thème dans son cercle d’amis, adopter des idées limitées. Lorsqu’une ressource devient rare, une d’autres gens. Cela aura un effet bien plus durable économie qui fonctionne est donc toujours à la que des interdictions et des règlements. Parce que recherche d’alternatives. On le voit par exemple nous agissons ainsi de façon responsable et par avec la mobilité. Les voitures électriques ont le conviction, et non pas sur prescription. vent en poupe car les carburants fossiles s’épuisent. Mais un immense effort de recherche pour les www.wirtschaft-ist-care.org constructeurs automobiles et les fournisseurs se (site en allemand pour l’instant) cache derrière. Les entreprises doivent pouvoir se © Keystone / EQ Images / Moritz Hager La demande déter- mine l’offre – également dans l’industrie de la défense: le canon d’un char Leopard dans les halls de production de RUAG. Die Nachfrage bestimmt das Ange- bot – auch in der Rüstungsindustrie: Das Geschützrohr eines Leopard- Panzers in den Produktionshallen der RUAG. EN S EM B L E 2020/4 8 —– D oss i e r 15
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