Forum NB 16 (EE F) Elektronische Edition - Bertolt Brecht

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Forum NB 16 (EE F)
Elektronische Edition
NB 16   1r–31r.12 Galgei \ 1) drei soldaten […] galgei regie Zu Arbeitsphase (1): Hanns
        Otto Münsterer erinnert sich mit falscher Datierung (Münsterer 1966, 154–156):

           um die Jahreswende ⟨1921/22 war⟩ die Arbeit an der schon früher begonnenen Komödie
           Geigei oder Galy Gay wieder intensiv aufgenommen worden. […] Beabsichtigt war […],
           einfach zu zeigen, wie ein Mann auszieht, um einen Fisch zu kaufen, wie der dann, weil
           er nicht nein sagen kann, in eine Sache verwickelt wird, die ihn gar nichts | angeht, und
           schließlich, als es keine Möglichkeit des Abspringens mehr gibt und der Finger bereits
           in der Kriegsmaschine steckt, im indischen Feldzug verschwindet. Ein Prolog warnte
           vor den Gefahren der Gutmütigkeit […]. Vollendet war bereits die Eingangsszene, in der
           sich Galy Gay zum Gang auf den Markt anschickt und sich vorher wie ein Held ⟨Karl⟩
           Valentins von seiner Frau genauestens über Größe und gewünschte Eigenschaften des zu
           erwerbenden Fischs unterrichten läßt. Auch die Vorgänge im Bonzentempel, der Ein-
           bruch, der vergebliche Befreiungsversuch und die Vorweisung des neuen Gottes, durch
           den der verarmte Inhaber der Gelbherrenpagode seinen dürftigen Einkünften wieder
           aufhelfen will, waren fertig; weniger ausgeführt dagegen die Geschehnisse im Baracken-
           lager. Neben der Begbick erschien als eine der eindrucksvollsten Figuren der Sergeant
           Bloody Five, der in den Entwürfen John-I-am-happy hieß. Im Gedächtnis ist mir noch
           eine Szene, bei der die Soldaten ein Spottlied auf diesen gefürchteten Burschen singen: |
           John-I-am-happy schlief in der Seehundsbar
           und spielte Poker und Can’t,
           und als seine Seele verpokert war,
           da wurde John Sergeant.
               John-I-am-happy,

        Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F)                         Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16          wer ist deine Mutter, hee?
               Es habt ihr schwarzen Schweine
               vor Gottes Thron einst keine,
               die für euch dort einsteh!
               Da sagte, rein wie Schnee,
               John-I-am-happy, seine
               sei die Mama Armee.
           Jedenfalls wird der Blutige Fünfer immer, wenn er in irgendeine scheinbar ausweglose
           Schwierigkeit geraten ist, durch eine unvermutete Beförderung vor dem Verhängnis be-
           wahrt; einmal wird er Korporal, schließlich sogar Kommissar. die Sicherheit, in der sich
           die drei Plünderer infolge der Einkleidung Galy Gays fühlen und aus der heraus sie ihr
           Spottlied anstimmen, erweist sich aber als zweifelhaft: Mitten in diesem Treiben zeichnet
           sich an der Zeltleinwand von außen her das Schattenbild des herumspionierenden Leu-
           teschinders ab, und der Gesang verstummt mitten im Satz.

           Zu Arbeitsphase (5): Im August 1924 dürfte auch der folgende Entwurf
        entstanden sein (Unterstreichungen mit Rotstift, Änderungen mit Bleistift;
        BBA 150/27):

           FÜR ZEITUNGEN

           verhängnisvoller spass dreier soldaten des worchesterregiments
           standort kankerdan ostindien

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verbrechen oder spass ?
NB 16
           der hafenarbeiter J[,]. galgei verwandelt sich hält sich für einen
           soldaten namens jerome jip

           saipong /    ganz vorderindien spricht über den unglaublichen fall
           des hafenpackers J.B galgei + ⟨siehe unten⟩ [drei]vier soldaten aus
           kankerdan die nach saipong ab[l]kommandiert waren [wo]mussten bei
           einem noch unaufgeklärtenverbrechen das sie begangen haben wol-
           len um whisky zu bekommen (!!!) einen der ihren zurücklassen um
           ihr verbrechen zu verheimlichen das durch das fehlen des vierten
           mannes aufgekommen wäre benützten sie die person des packers j.
           galgei sie veranlassten diesen der anfänglich lediglich aus mit-
           leid darauf einging [si]bei zwei apellen den vermissten vierten
           mann der jerome jip hiess zu spielen als er sich dan aber mit
           demhinweiss auf seine familie weigerte noch die restlichen zwei
           tage bis zum abmarsch weiter den gefälligen zu spielen machten
           sie ihn zumhauptaktor einer gerade zu leinwandgerechten kommödie
           sie überliessen ihm nämlich im komplott mit einer kantinenwirtin
           z[e]‌weifelhaftester natur ei[e]nen angeblichen elefanten der engli-
           schen armee völlig umsonst zum beliebigen weiterverkauf bei dem
           masslosen verbrauch von whisky dieser tage bemerkte galgei nicht
           die wahre beschaffenheit diese[r]s gefährlichen geschenkes eines
           sehr natürlich auftretenden elefanten der aus nichts anderem be-
           stand als aus einigen leinwandfetzen zeltbahnen und seinen gönnern
           den drei soldaten selbst wegen dieses "diebstahls" verhafteten

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NB 16      sie ih[m]‌n dann am "tatort" und erschossen ihn standrech[r]tlich
           unter den drei ['¿]sykomoren von saipong den dumpf und hilflos
           mittrott[r]enden der lange vor der natürlich nur scheinbare[b]‌n er-
           schiessung ohnmächtig wurde weckten sie mit dem ansinnen er habe
           einem eben erschossenen namens galgei die leichenrede zu halten
           alles dies und noch vieles andere machte der nun schon sehr ver-
           wirrte ohne nennenswerten widerstand mit        auch der tag darauf
           brachte dem packer der von nun an seiner eigenen person misstraute
           eigentümliche ahnungen die soldaten trieben ihr grausames spiel
           unter verwendung eines passes bis zumhöhepunkt galgeis verhal-
           ten gegen seine frau die ihn endlich als soldaten aufstöberte
           bewiess dass er zu diesem zeitpunkt über seine identität bereits
           im unklaren war als ihm die "humorbegabten" soldaten auch noch
           in der führung des namens jip schwierigkeiten zu machen anfingen
           stürzte er sich mit solcher wucht auf diesen namen dass sogar
           d[ie]as nunmehrige [ankunft]auftauchen des wirklichen jip ihn nicht
           mehr davon abbringen konnte dieser ganze vorfall sowie der fall
           des sergeanten Py der sich zu gleicher zeit aus wut darüber dass
           er seiner geschlechtlichen hemmungslosigkeit wegen nicht herr
           seiner selbst war selber mit eigener hand ­  kastrierte beweisst den
           oberflächlichen firnis des individualismus in unserer zeit

           + ⟨siehe oben⟩ in saipong [wurde]herrschte in diesen wochen ein grosses
           tohuwabohu von soldaten provianthyänen und dem im gefolge von mo-

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bilen armeeteilen unausbleiblichen gesindel durch die dreitägige
NB 16
           zusammenstellung der afghanischen division

        Zu Arbeitsphase (31): Walther Georg Oschilewski erinnert sich (Oschilewski
        1962, 20f.) an die Zeitschrift,

           die V. O. Stomps »Der Fischzug«, Monatsblätter zur Förderung werdender Literatur,
           nannte. Das erste Heft erschien im März 1926. Ab Heft 2 (April 1926) übernahm ich die
           Redaktion, vom 3. Heft (Juni 1926) ab erhielt die Zeitschrift den Untertitel »Blätter für
           Kunst und Dichtung im jungen Deutschland«. V. O. Stomps war nunmehr Alleinheraus-
           geber.
           […]
           Um Brecht für den »Fischzug« als Mitarbeiter zu gewinnen, be|suchte ich ihn im Okto-
           ber oder November 1926 in seiner Atelierwohnung in der Spichernstraße 19, in der er seit
           seiner Übersiedlung von München nach Berlin inmitten von Bergen von Manuskripten,
           schmutziger Wäsche, Büchern und Journalen hauste. Er war beim ersten Eindruck ein
           etwas scheuer Mann, was mich wunderte, denn, so sagte ich mir in meiner jugendlichen
           Einfalt, wer so herausfordernd in der Zeit steht, müßte einem doch eigentlich mit Pau-
           ken und Trompeten entgegentreten. Aber er hatte etwas anderes, was mir imponierte:
           seine extreme, vielleicht auch etwas hochfahrende Art, die Dinge der Umwelt zu durch-
           schauen, sein »mönchischer« Zuschnitt, der sich auch in seinem äußeren Habitus bis
           zum Haarschnitt ausdrückte. Seinem eifernden Marxismus brachte ich, der um sechs
           Jahre Jüngere, einige Sympathie entgegen; das schine ihm zu gefallen, und so gab er mir

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NB 16      mit freundlicher Geste einige Manuskriptblätter zum Vorabdruck für die Dezemberaus-
           gabe des »Fischzugs«. Mit Brecht, Benn, Zech, Werckshagen, Gebser, Stomps, Liebmann
           u. a. war es das letzte Heft der Zeitschrift.

           Fünf Jahre später schreibt er über die gleiche Begegnung (Oschilewski 1967,
           124):

           Um Brecht für den »Fischzug« als Mitarbeiter zu gewinnen, besuchte ich ihn im Oktober
           oder November 1926 in seiner Atelierwohnung in der Spichernstraße 19, in der er seit
           seiner Übersiedlung von München nach Berlin inmitten von Bergen von Manuskripten,
           schmutziger Wäsche, Büchern und Journalen hauste. Er war beim ersten Eindruck ein
           etwas scheuer Mann, was mich wunderte, denn, so sagte ich mir in meiner jugendlichen
           Einfalt, wer so herausfordernd in der Zeit steht, müßte einem doch eigentlich mit Pau-
           ken und Trompeten entgegentreten. Aber er hatte etwas anderes, was mir, dem um sechs
           Jahre Jüngeren, von vornherein imponierte: seine extreme, vielleicht auch etwas hoch-
           fahrende Art, die Dinge der Umwelt zu durchschauen. Seine Freundschaft zu dem Boxer
           Paul Samson-Körner hatte es mir angetan und die schwarzen Zigarren, denen auch ich
           frühzeitig verfallen war. Ich erlebte ihn so, wie ihn Rudolf Schlichter 1928 gemalt hat, mit
           Lederjacke und und »mönchischem« Haarschnitt. Seinem eifernden Marxismus, zu dem
           ihn gerade um diese Zeit Fritz Sternberg, der große Soziologe, geführt hatte (siehe Fritz
           Sternberg, Der Dichter und die Ratio, Göttingen 1963), brachte ich einiges Verständnis
           entgegen; das schien ihm zu gefallen, und so gab er mir nach einigem Palaver über Gott
           und die Literatur – im Hintergrund von der bildhübschen Elisabeth Hauptmann, sei-
           ner langjährigen Mitarbeiterin und jetzigen Herausgeberin seiner Stücke und Gedichte,

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NB 16      beargwöhnt – einige Manuskriptblätter des Lustspiels Mann ist Mann zum Vorabdruck
           für das Dezemberheft 1926 des Fischzugs, wo sie dann auch erschienen sind. Merkwürdi-
           gerweise hat Walter Nubel (wenn ich nicht irre, identisch mit Walter Nübel, der Stomps
           in den späten dreißiger Jahren umsichtig beim Ausbau des Verlags Die Rabenpresse
           half) in seiner sonst so sorgsam erarbeiteten Bertolt-Brecht-Bibliographie, die als zweites
           Brecht- Sonderheft der ostdeutschen Zeitschrift Sinn und Form 1957 erschien, unter Zeit-
           schriftenbeiträgen diesen Vorabdruck nicht aufgeführt. Das Stück von der Verwandlung
           des Packers Galy Gay in den Militärbaracken von Kilkoa, ›Mann ist Mann‹.

        Im Erstdruck Brecht: Mann ist Mann 1926 ist die Szenenzählung fehlerhaft: Auf
        die 4. folgt die 6. Szene usw. Dafür wird die eigentlich 11. und letzte Szene als 10.
        gezählt.
            In Brecht: Mann ist Mann 1938, 162 ergänzte Brecht auf der Rückseite des Ti-
        telblatts: »Mitarbeiter \ S. Dudow, H. Emmel, E. Hauptmann, R. Kass, B. Reich«;
        dabei sind »H. Emmel« und »R. Kass« Pseudonyme für die nicht emigrierten
        Mitarbeiter Emil Hesse-Burri und Caspar Neher, um ihnen Schwierigkeiten in
        Deutschland zu ersparen.
            In Brecht: Mann ist Mann 1955, 170 steht an gleicher Stelle (mit falscher Ab-
        kürzung von Burris Vorname): »Mitarbeiter: F. Burri, S. Dudow, E. Hauptmann,
        C. Neher, B. Reich«.

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NB 16       Elisabeth Hauptmann erinnerte sich später unter dem Datum Oktober 1926
        (Hauptmann 1957, 243): »Nach der Aufführung von ›Mann ist Mann‹ beschafft
        sich Brecht Arbeiten über den Sozialismus und Marxismus«. Die Datierung ist
        falsch: Die Uraufführung von Mann ist Mann war am 25. September 1926 (→ zu
        NB 16, 1r–31r.12), Brecht beschäftigte sich aber schon spätestens ab August 1926
        mit sozialistischer Literatur (→ zu NB 18, 35r–53r).

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NB 16   1r.7–9 1) \ die mama ist das stärkste was es gibt Zur Bezeichnung der Armee
        als Mama: In einem Entwurf für das Stückprojekt Geschichte vom gelben Jack
        heißt es (BBA 459/28):

                     Cake:
           damals marschierten [wir]die mama in pandschabdelta herum um einigen shiks ⟨Sikhs⟩
           die elefantenschädel einzuhämmern […].

        Der Entwurf ist wohl angeregt durch Kiplings Ballade Cholera Camp (deutsch
        in: Kipling 1911), die Brecht später (März 1926) gemeinsam mit Elisabeth Haupt-
        mann neu übersetzte (Der Cholerakamp; Erstdruck: Erzählerkunst. Ein Alma-
        nach auf das Jahr 1927, hg. v. Hans Reisiger, Leipzig: Paul List 1927, 27–30; → zu
        NB 17, 46r.27–26; Tb H, 13. bis 24. März 1926).

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NB 16   1v.1–7 1) hundediebstahl […] güterbahnhof Der Güterbahnhof bildet im
        ausgeführten Theaterstück die Szenerie für den Elefantenbetrug (→ zu 4v). Falls
        der unabhängig von Z. 1 eingetragene Entwurf Z. 2–7 trotzdem für die hier kon-
        zipierte Eingangsszene »1) hundediebstahl« gedacht war, könnte hier noch ein
        Hunde- statt ein Elefantengeschäft geplant gewesen sein.

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NB 16   2r.1–9 feldwebel sieht gallgei […] feldwebel) Zu »kaugumi«: Im Entwurf
        BBA 150/73–74 (→ BBA 150/83–84) aus dem Konvolut »Mann = Mann« oder »Galy
        Gay« heißt es:

           GG
           ich habe bisher nicht             gekaut weil der gummi 2 pence kostet und
           man ihn ja doch wieder            ausspuckt
           Jesse
           bitte hier ist welcher            der nichts kostet den können sie auch so-
           fort wieder ausspucken            ohne dass ihr herz stehen bleibt
           […] | […]
           GG
           ich habe keine erfahrung aber mir scheint er schlecht zu schmec-
           ken
           Polly
           das ist so am anfang     wenn sie erst den innersten geschmack auf
           den lippen haben braucht ihre zunge diesen sport ebenso dringend
           wie ein boxer den seinen pun[j]chingball
           GG
           ja das glaube ich schon
           Jesse
           wir soldaten haben so unsere kleinen gewohnheiten
           Polly
           wie sie den gummi ausspucken das ist ganz äh[m]nlich wie ihn jip
           ausspuckte     nur ging der nach links

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NB 16      ⟨danach von Elisabeth Hauptmann mit Bleistift eingetragen:⟩ (hesse burri bis hierher; haupt-
           mann weiter.)

        Das Motiv des Spuckens verwendete Brecht auch im Szenenentwurf BBA 150/89–
        92:

           bungalow / später nachmittag
           die drei fetten das m g ⟨Maschinengewehr⟩ ein galy gay schläft auf
           seinem stuhl […] |
           galy gay ÖFFNET DIE AUGEN      galy gay es hängt mit dir an einem
           haar wenn du jetzt einschläfst machen sie dir was
           bak AUF IHN ZU wachst du jip sagen Sie wieviel m weit können
           sie spucken
           galy gay können sie es mir lernen +
           ⟨auf separatem Blatt ergänzt:⟩
           + wieviel m weit können sie spucken?
           Gg offen gestanden ich weiß es nicht
           bak was, das wissen Sie nicht? Sagen Sie das noch einmal
           Gg es ist gewiß ungewöhnlich aber ich käme in verlegenheit, wenn Sie das fragen
           bak ich frage mich, wo Sie Ihre erziehung genossen haben. können Sie 3 m weit spucken?
           Gg: [Ich]im tragen bin ich ziemlich kräftig meinen Sie, daß das etwas ausmacht?
           bak möglich. aber 2 m können Sie doch? |
           Gg können Sie denn          sehr weit?

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NB 16      bak mich dürfen Sie da nicht herbei ziehen wenn Sie was über spucken erfahren wollen.
           ich bin champion für indien. ich spucke 5 m.
           Gg das ist allerhand.
           bak ja. es ist natürlich viel übung nötig, aber im grund ist es angeboren.

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NB 16   4v II. Nacht \ 1) Sie können gehen, […] happy:             Konzept     Zu »geschäft mit
        elefant« (Z. 3/4; BBA 150/96; → BFA 2, 119):

           GG ⟨Galy Gay⟩
           elefant?      ein elefant das ist selbstverständlich eine goldgrube
           wenn sie einen elefanten haben da verrecken sie nicht im spital
           KAKE zu BAK
           wenn wir einen elefanten hätten

        bemerkte Elisabeth Hauptmann auf einem im Konvolut »Mann = Mann« oder
        »Galy Gay« davor eingelegten Zettel (ohne Archivsignatur):

           GG
           elefant?? Ein Elefant, das ist …
           das war mein erster wichtiger Einfall für ein Brechtstück!
           E.H

        Wie die vorliegende Notizbuchstelle zeigt, war ein Elefantengeschäft allerdings
        schon im Jahr vor Hauptmanns Zusammenarbeit mit Brecht vorgesehen. Ob sie
        sich hier falsch erinnert oder auf was genau sie sich bezieht, ist unklar.

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NB 16   7v–35v Mortimer Fleischhacker […] dieses wißt! Zu Arbeitsphase (4): Zwei
        Zeitungsmeldungen zu Kursschwankungen an der amerikanischen Börse in
        Brechts Nachlaß:

           ⟨BBA 678/37: Neues Wiener Journal, 10. März 1925; An-, Unterstreichungen und Ziffer 4
           mit Bleistift:⟩
           Das Getreide wird billiger.
           Der Preissturz in Amerika und der österreichische Markt.
           Seit einigen Tagen wird von den amerikanischen Getreidebörsen ein panikartiges Fallen
           der Getreidepreise gemeldet. In Chicago betrug der Rückzug des Weizenpreises 11.25, in
           New York 11.3 Cents. […]                  4
           Ueber die Ursachen der amerikanischen Weizenbaisse und deren Wirkungen auf unsere
           Märkte erhalten wir von fachmännischer Seite folgende Aufklärungen:
           »Die amerikanische Weizenhausse war bekanntlich ein Manöver der Barnes-Gruppe, die
           über fünfzig bis sechzig Millionen Bushel Getreide verfügt. Sie hat schon während der
           im vergangenen Monat eingetretenen Baisse große Verluste erlitten, es gelang ihr jedoch
           wieder, sich aufzuraffen. In der vorigen Woche wurde in New-York und Chicago die
           Nachricht verbreitet, Rußland hätte auf amerikanischen Märkten ungefähr dreihundert-
           tausend Tonnen Weizen und Mehl aufgekauft. Auf diese Nachricht hin erhöhte sich der
           Weizenpreis plötzlich um sieben Cents. Gleichzeitig hieß es auch, daß in Indien infolge
           der Dürre eine um dreißig Prozent niedrigere Ernte zu erwarten sei, als ursprünglich
           angenommen wurde. All diese Nachrichten wurden von der Haussegruppe ausgesprengt
           und bald dementiert. Die amerikanischen Kaufleute erhielten auch die Verständigung,

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NB 16      daß sich in Mitteleuropa die Ernteaussichten durch den Umschwung der Witterung we-
           sentlich gebessert hätten und daß die Geldknappheit die europäischen Firmen zwinge,
           ihren Bedarf möglichst einzuschränken. Es wurde von einzelnen europäischen Firmen
           die Uebernahme der eingetroffenen Weizentransporte verweigert. Dies bereitete dann
           der Weizenhausse ein jähes Ende. Sämtliche Kombinationen der Barnes-Gruppe gingen
           in Trümmer. Ihre Hoffnungen, im Mai Weizen zum Preise von 250 Cents per Bushel
           absetzen zu können, wurden vernichtet. […] Es entstand ein Kampf auf Tod und Leben
           der Barnes-Gruppen und den schon seit Monaten auf der Lauer befindlichen Baisse-
           gruppen, die nur über unwesentliche Vorräte verfügten, daher die großen Differenzen,
           die die Barnes-Gruppe nicht ertragen konnten, weniger fühlten. […]«

           ⟨BBA 524/63: National-Zeitung, 4. März 1926:⟩
           Wahnsinnszenen an der New-Yorker Börse
           Spezialbericht der United Preß.
                                                                           U. P. New York, 4. März
           Die Aktienverkäufe an der Börse erreichten die Rekordziffer von 3 837 700, während die
           bisherige Höchstziffer, die an dem »schwarzen« 10. November erreicht war, nur 3 427 oo0
           betrug. Die Baisse ist auf der ganzen Linie siegreich. Vor Schluß glich die Börse buch-
           stäblich einem Tollhause. Vor den Makierständen wurden Besucher in manchen Fällen
           handgemein, Kleider wurden zerrissen, Hüte unter die Füße getrampelt. Der Hauptan-
           griff richtete sich gegen Eisenbahnwerke. Von seiten der Banken wird die Kurseinbuße
           am Dienstag und Mittwoch auf eine Milliarde Dollar geschätzt. […]

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NB 16   Brechts Bruder Walter wurde am 15. April 1925 in Darmstadt zum Dr. der Ingen-
        nieurwissenschaften promoviert. Direkt im Anschluß ging er mit einem Stipen-
        dium der Augsburger Papierfabrik Haindl für ein Jahr zur Firma Hammermill
        Paper Co in Erie (Pennsylvania), bevor er als technischer Direktor bei Haindl in
        Augsburg angestellt wurde (→ Jürgen Schmid, Walter Brecht: Bruder des »Stüc-
        keschreibers« und Professor für Papiertechnologie, in: J. S., Brecht und Haindl.
        Berthold Friedrich Brechts »Chronik der G. Haindl’schen Papierfabrik Augsburg«
        von 1899. Kommentierte Edition, Augsburg: Wißner 1899, 233–244, hier 235f.).
            Zu Arbeitsphase (12): Das Gedicht Diese babilonische Verwirrung der Wör-
        ter … (BBA 1533/41; → BFA 13, 356–358) dürfte nicht »um 1926« (so BFA 13, 532)
        entstanden sein, sondern 1935, wie der Inhalt sowie die semantische und stilisti-
        sche Nähe zum Gedicht An die Nachgeborenen und zur Vorrede zu einer Lesung
        im Mai 1935 in Moskau Als ich schon jahrelang ein namhafter Schriftsteller war …
        (BBA 348/23–34; → BFA 22, 138–140) belegen.
            Zu Arbeitsphase (13): The Daily Worker, 31. Oktober 1935 (mit einer Porträt-
        fotografie und dem Text »Bert Brecht \ Author of ›Mother,‹, Theatre Union’s new
        play, opening Nov. 19.«), vollständiger Artikel:

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NB 16             Author of Theatre Union’s New Play Tells How He Found Worker Audience
           				By Martha Dreiblatt
           »I found that the thing which I was interested in presenting in the the theatre interested
           only the workers not the bourgeoisie. I found the workers by far the best audience for my
           plays. The bourgeoisie resent thinking in the theatre, the workers enjoy thinking. They
           are a much better public.«
           Bert Brecht, the noted German playwright, author of »Mother,« which the Theatre
           Union will present here on Nov. 19, was explanining how he finally came to concern
           himself entirely with writing plays for and about the working class.
           				Education of a Writer
           When he first started his career as a playwright, said Brecht, his general point of view was
           merely that all of life is absurd. He felt that the capitalists, workers and bougeoisie were
           universally stupid in swallowing theories fed to them, and acting as though they were
           true, though they had no relation to reality.
           And then he decided to write a play dealing with the Chicago grain exchange, »The Pit.«
           »I was a student of the theatre,« he said, »I knew its history and its methods thoroughly.
           Yet in all my research I found no technique which allowed for presenting great financial
           ›deals,‹ so as truly to picture them on the stage. The past experience of the theatre having
           failed me, I began to ask questions of the economists. I asked them the hows and whys of
           such deals – and they knew nothing. They told me nothing but phrases. I heared that a
           former chicago grain dealer lived in Vienna, and I visited him. He also knew nothing of
           the whys and wherefores of these complicated operations in which he took part.
           »Thus, step by step, I was brought to the study of Marx. For the middle-class intellectual,
           the study of Marx is very hard. In the first place, it does not spring from any direct neces-

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NB 16      sity in his life which teaches him quickly, as it does for the workers. In the second place,
           there were no schools in which to study Marxism in Germany at that time.
           »So I had to read books – and they were hard to get – and talk with people, with Socia-
           lists, with Communists, with workers generally. In this way I came to know of the wor-
           kers theatres in Germany. I became interested in them. I found that the workers audience
           was the audience for what I wanted to say in the theatre.«
           				Collaborates with Eisler
           Besides »Mother«, which he wrote in collaboration with Hanns Eisler, the noted compo-
           ser, Brecht has written such plays as »St. Joan of the Slaughterhouses,« which he descri-
           bes, ironically, as showing what the capitalists must do in order to exist, »Massnahme«
           (organ with Eisler) »Three-Penny Opera« for which Kurt Weil composed the music; and
           many »lehr-steucke,« or didactic plays to educate the public.
           All his plays received great attention in Germany, and most of them were played not only
           in Berlin, but in most of its major cities. He is known as an innovator in the theatre as
           well as a playwright, and for a number of years worked with Piscator, one of the geniuses
           of the revolutionary theatre.

        Eine Teilübersetzung findet sich in: Brecht in den USA, hg. v. James K. Lyon,
        Frankfurt/Main: Suhrkamp 1994, 20):

           Weil ich in der bisherigen Theaterpraxis keine Antwort gefunden hatte, begann ich,
           den Ökonomen Fragen zu stellen. Ich fragte sie nach dem Wie und Warum solcher
           Geschäfte – und sie wußten nichts. Sie gaben mir nur Phrasen zur Antwort. Ich hatte
           von einem früheren Chicagoer Getreidehändler gehört, der in Wien wohnte, und ich

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NB 16      besuchte ihn. Auch er wußte nichts von dem Warum und Weshalb dieser komplizierten
           Vorgänge, an denen er teilgenommen hatte.

        In Brechts Bibliothek findet sich von Frank Norris: A Deal in Wheat and Other
        Stories of the New and Old West. New York: Doubleday, Page & Company 1903
        und 1906 (Brecht-Bibliothek 1036f.) und The Pit. The Epic of the Wheat. A Story of
        Chicago, 2 Bde., Bd. 2, Leipzig: Bernhard Tauchnitz 1903 (Brecht-Bibliothek 1038).

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NB 16   7v.9–8v.10 die stadt wächst […] gute zeit an. BFA 10, 293 liest Z. 7v.17–18 fälsch-
        lich vereindeutigend »auch kann« (»kann auch« ist graphisch und syntaktisch
        ebenso möglich), setzt den Zeilenbruch Z. 8r.23–24 fälschlich »ab-\gewendet«
        statt »abge-\wendet« und liest Z. 8v.1 »Sprache, Sprache« statt korrekt »sprache,
        sprach«; Z. 8v.2 »welche, laut im Schrei, stammeln heißt« statt korrekt »welche
        beim mädchen stammeln heißt,«. Da die Zeilen fast durchgehend gefüllt sind,
        sind die Versumbrüche in der ganzen Passage fraglich.
            Wohl nach dem Typoskript BBA 524/42, aber vor dem handschriftlichen Kon-
        zept BBA 524/95 erstellte Brecht einen zweiten Typoskript-Entwurf (BBA 524/107):

                                                1

                                   WEIZENBÖRSE
           jae fleischhacker und vier bullen: table brown shaw becket                   bei
           fleischhacker milk und lewis mile

           jae         weil jetzt chikagos milckglasiges gesicht
                       auf uns jae fleischhacker gerichetet ist
                       gehorchen wir dem wunsch des ungeheuren chikago
                       uns zu verändern abzuschütteln
                       des schlachthofs rohen nackenschlag
                       auf solcher höh and tugend zuzunehmen und
                       uns zu prüfen eh wir weitersteigen wie

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gesund wir sind und drum
NB 16
                       ZU MILK
                       hacken wir heut dich unsere rechte hand
                       heute noch nützlich einst ganz unentbehrlich
                       schmutzige hand aus trüber zeit jetzt ab
           shaw        sist was wir erwarten jae
           jae

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NB 16   9v.10–12 Eduard regie: […] an einer mauer Zu Arbeitsphase (1): Brecht sollte
        an den Münchener Kammerspielen zunächst Shakespeares Macbeth inszenie-
        ren. An die Suche nach einem anderen Stück im März 1923 erinnert sich Rudolf
        Frank (Frank 1960, 264–273, hier 268f.):

           Was sollten die beiden Augsburger ⟨Bertolt Brecht und Caspar Neher an den Münche-
           ner Kammerspielen⟩ inszenieren? Verschiedene Vorschläge tauchten auf. Von Haupt-
           manns Versunkener Glocke, die Brecht mit mir gemeinsam herausbringen wollte, hatte
           er eine apart entkitschende Auffassung. […] Aber dann wurde der Plan fallengelassen,
           denn ⟨der Leiter der Kammerspiele Otto⟩ Falkenberg war dagegen. […] ⟨Auch Brechts
           Vorschläge zur Inszenierung von Schillers »Die Jungfrau von Orleans« und »Wallenstein«
           wurden abgelehnt.⟩
           Es war der belesene Feuchtwanger, der für das damalige Spielplandilemma eine Lösung
           fand. Lächelnd nahte er mit einer deutschen Übersetzung des Königsdramas Edward the
           Second von Christopher Marlowe, schilderte dessen Vorzüge und machte darauf auf-
           merksam, dass der Titelheld am Ende erstickt wird. Im Schnee ⟨wie Brecht für Wallen-
           stein vorgesehen hatte; → zu NB 13, 20v.8–21r.7⟩? Nein, in einer Jauchegrube, was Berts
           skabrösem Geschmack noch besser entsprach.

           Carl Zuckmayer erinnert sich (Zuckmayer 1966, 378):

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NB 16      Einmal nahm er mich und Erich Engel zu Lion Feuchtwanger mit, mit dem er damals
           begonnen hatte, im Auftrag der »Kammerspiele« das »Leben Eduards des Zweiten« von
           Christopher Marlowe zu bearbeiten. Mit Feuchtwanger, der sehr viel vom Theater ver-
           stand und ein enormes literarisches Wissen hatte, besprach er die Möglichkeiten, die
           Hintergründe, die Konstruktion, die Szenenfolge, die geistige Grundlinie. Da ließ er sich
           gern beraten, sogar führen. Alles andere, die Formung, die sprachliche Gestalt, das At-
           mosphärische, die Dialoge kamen von ihm, und da war er absoluter Souverän. Seine poe-
           tischen und szenischen Einfälle waren unerschöpflich, und er produzierte sie mit der-
           selben Leichtigkeit, mit der er sie wieder verwarf. Ich erinnere mich an eine bestimmte
           Szene, von der Engel und Feuchtwanger meinten, hier müsse ein Monolog hinein. In
           fünf Minuten, während drei Leite rauchend und kaffeetrinkend um ihn herum saßen,
           hatte er den geschrieben und las ihn vor: man erfuhr in zwanzig Verszeilen den einblick
           in ein halbverwestes, lurchenhaftes, algenverstricktes Totenreich tief unter den Erdge-
           wässern, in dem ein Mensch die Unentrinnbarkeit seines Schicksals voraussieht. Wir
           fanden das großartig und ganz im Sinne der dramatischen Gestalt, aber Brecht steckte
           das Blatt in die Tasche, sagte, das sein fürs Theater viel zu lyrisch, er werde das für ein
           Gedicht verwenden, und schrieb einen neuen Text. Nie habe ich eine solch wuchernde,
           aus allen Wurzeln aufschießende und zugleich kritisch beherrschte Produktivität erlebt.

           Marta Feuchtwanger erinnert sich (Feuchtwanger 1983b, 113):

           da haben sie so gewissermaßen Rollen gespielt und sich gegenseitig die Worte zugerufen.

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NB 16      Ernst Schumacher schreibt (Schumacher 1955, 82, 90), wohl nach Gesprächen
        mit Brecht:

           Brecht war zu der Bearbeitung gekommen, weil er ein Jahr lang von den Kammerspielen
           München ein Gehalt bezogen hatte, mit dem die Verpflichtung verbunden war, Regie in
           einem Shakespeare-Stück zu führen, und zwar in Macbeth. Brecht traute sich an diese
           Aufgabe auf Grund der Warnungen älterer Kollegen nicht recht heran und zog es vor, ein
           unbekannteres Stück der Shakespearezeit neu zu bearbeite. […]
           Brechts Regie war gegen ein doppeltes spontanes Erlebnis gerichtet: gegen das der Zu-
           schauer und das der Schauspieler. […] Gegenüber dem falschen Pathos, der nur äußerli-
           chen Mimik, der bloßen Deklamatorik bestand Brecht auf einfaches Sprechen und ein-
           fache Gesten, vor allem aber auf Ensemble-Spiel.

           Zur Datierung des Beginns der Zusammenarbeit mit Feuchtwanger auf frü-
        hestens März 1923: Brecht antwortete auf eine Frage von Rudolf Frank nach Ma-
        rianne Zoff: »Die hat vorhin ein Kind bekommen.« (Frank 1960, 268f.) Hanne,
        das gemeinsame Kind von Zoff und Brecht, wurde am 22. März 1923 geboren.
           Reich 1960, 270 berichtet, Brecht habe ihm nach seiner Rückkehr aus Berlin,
        wohin er Anfang August 1923 gereist war, im September mitgeteilt,

           er solle vertragsgemäß König Eduard II inszenieren – die Premiere sei auf Dezember
           angesetzt.

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NB 16
           Anfang oder Mitte Oktober 1923 schrieb Brecht an die Direktion der Mün-
        chener Kammerspiele (undatiert; BBA E 34/26):

           da es scheint, daß die herrn der direktion mit einer inszenierung von marlowes ­edward II.
           durch mich einverstanden sind, bitte ich, nunmehr herrn faber ⟨→ zu NB 13, 34r.1⟩, der
           die hauptrolle spielen soll, fest zu verpflichten und mit dem nationaltheater ⟨München,
           wo er engagiert ist,⟩ ein festes abkommen zu treffen; herr faber muß auf 3 wochen zur
           verfügung gestellt werden. dieses zugeständnis des staatstheaters ist wahrscheinlich nur
           noch so lang schriftlich zu erreichen, als die proben zu makbeth nicht begonnen haben
           – sie beginnen am dienstag. nach meinen informationen ist es absolut möglich, herrn
           faber zu bekommen, wenn man davon abhängig macht, daß fräulein koppenhöfer ⟨die
           an den Kammerspielen engagiert ist⟩ am staatstheater spielt.
                                                                                         brecht

           Zu Arbeitsphase (2) Am 18. Oktober 1923 meldete der Berliner Börsen-
        Courier, am Berliner Schauspielertheater werde Marlowes Eduard II inszeniert.
        Brecht schrieb daraufhin an Heinrich Georges Berliner Schauspielertheater
        im Friedrich-Wilhelmstädter-Theater (undatiert; Mitte, Ende Oktober 1923;
        BBA Z 2/20):

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lieber alexander granach,
NB 16
           ich schreibe das Ihnen weil ich Ihnen am nächsten stehe aber es
           ist für euer theater
           ich lese im börsenkourier plötzlich dass ihr den edward aufführt
           den ich seit drei wochen bearbeite weil ich ihn hier an den kam-
           merspielen aufführen will
           es ist ein gutes stück aber ihr werdet euch verdammt hart tun
           mit d der mitte sie hat m[i]einer mutter sohn ein saures stück
           arbeit gekostet u[d]nd euch wird sie mehr schweiss kosten als ihr
           irgendwo habt verlasst euch drauf
           das lyrische ist grossartig aber das andere ist sehr alt und das
           werdet ihr bald merken
           also seid nette leute und lasst den [¿¿¿]armen edward mir über denn
           ich will ihn selber gern inscenieren hier und in berlin es ist
           ein ganz neues stück und ich schlage euch damit an die wand mit
           eurer alten übersetzung so sicher als ich lebendiger bin als Dein
           urgrossvater alexander gegen den ich sonst nichts sagen will
           um das manuscript braucht ihr mir allerdings nicht zu schreiben
           wenn ich es nicht selber inscenieren kann            das werdet ihr mir
           nachfühlen können ich gebe es dann nicht her
           hoffentlich seh[r]t ihr auch ein dass dieser brief und vorschlag
           nicht gegen ⟨den Regisseur Karl-Heinz⟩ martin gerichtet ist keineswegs
           und damit grüsse ich Sie herzlich und brüderlich
                                                                     Ihr brecht

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NB 16      Zu Arbeitsphase (3): Ende Dezember 1923 schrieb Brecht aus München an
        Helene Weigel (undatiert; BBA E 12/71):

           ich habe kontraktlich zwei stücke ⟨»Eduard der Zweite von England« und »Im
           Dickicht der Städte« oder »Gösta Berling« für den Kiepenheuer Verlag⟩ druckreif zu
           machen bis mitte januar, mit dem deutschen theater zu verhandeln
           in berlin ⟨über seine Anstellung als Dramaturg und/oder die Inszenierung von »Im
           Dickicht der Städte«⟩ selbst die edwardinscenierung hier ⟨an den Münchener
           Kammerspielen⟩ vorzubereiten für 20. januar u s w u s w

           Zu Arbeitsphase (5): Frank 1960, 269 erinnert sich:

           Während der vielen Proben dichtete Brecht immerzu um und neu, diktierte mitten in
           der Szene der Direktionssekretärin Domker neue Passagen.

           Reich 1966, 4 erinnert sich:

           Da war aber noch der junge Eduard zu besetzen. Diese Rolle mußte ein junger Bursch
           spielen. Weit und breit war kein passender Schauspieler zu sichten. Also eine junge
           Schauspielerin. Im Theater gab’s einige davon, sie waren niedlich und piepsten. Ein
           niedlicher, piepsiger Eduard, der den Liebhaber seiner Mutter in den Tower bringt und
           die eigne Mutter verschickt – undenkbar. Da schlug Brecht vor, Anna Lazis möge die

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NB 16      Rolle versuchen. Sie gab zu bedenken, daß ihr Deutsch einen stark lettischen Akzent
           habe. »Das macht nichts,« meinte Brecht kategorisch. »Deutsch mit Akzent, aber die Ge-
           stalt bringe, ist besser als ein falscher Darsteller, der ein tadelloses Bühnendeutsch spricht.
           Schließlich probieren wir bloß aus, ob Ihnen die Rolle liegt.« Die Lazis sprach einige Verse
           vor. Brecht: »Sie haben die nötige Härte und Schärfe. Das fremdartige Deutsch ist sogar
           nützlich.«

        Rudolf Frank war strikt gegen diese Besetzung (Frank 1960, 272):

           Ich versuchte das Äußerste, beleidigte die Dame derart, daß jede andere uns das Röll-
           chen vor die Füße geschmissen hätte. An ihrer Elefantenhaut prallte alles ab, als ich sie
           Kuh, Katastrophe, Kammerspiel-Ruin nannte.

        Lacis fiel bei der Uraufführung durch und wurde in den folgenden Aufführun-
        gen durch Marianne Oswald ersetzt (→ Weisstein 1970, 199f. unter Berufung auf
        Allgemeine Zeitung, 22. März 1924).
           Asja Lacis erinnert sich (Lacis 1976, 41f.):

           Er erzählte von seinem Inszenierungsplan für »Eduard II.« und sprach über die Solda-
           tenszenen. Ich meinte – man müsse alle Soldaten weiß schminken, und sie müßten unter
           Kriegstrommeln mechanisch marschieren wie Marionetten. Das gefiel Brecht sehr gut,
           und er machte mir sofort den Antrag, bei ihm als Assistent mitzuarbeiten. Ich probierte

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NB 16      die Massenszenen. Ich habe versucht, die Statisten in einen festen Rhythmus zu brin-
           gen. Ihre Gesichter sollten unbewegt und gedankenlos sein. Sie wußten nicht, warum
           sie schießen und wohin sie gehen. Das war meine Konzeption. Doch fehlte etwas an
           den Soldatenszenen. Valentin, der einer Probe beiwohnte, meinte: »Blaß sind’s. – Furcht
           haben’s.« Brecht setzte noch hinzu: »Müde sind’s.« Jetzt war alles in Ordnung – die Sze-
           nen bekamen eine Farbe mehr. Brecht führte merkwürdig Regie. Er arbeitete ungewöhn-
           lich genau, einen Tonfall und eine Bewegung, die ihm wichtig schienen, konnte er un-
           endlich oft wiederholen – er blieb dabei immer höflich und geduldig, pöbelte niemals
           die kleinen Schauspieler an. Er wollte, daß sich in jeder Bewegung der ganze Charakter
           aussage: Er formte Dialog und Vers anders, als die Schauspieler es gewohnt waren. Er
           wollte ihnen das Verschwommene, Nebelhafte, das Allgemeine abgewöhnen. Das war
           schon der Anfang des gestischen Sprechens. Für die Schauspieler war die Arbeit mit ihm
           schwer, weil Brecht immer etwas Neues vorschlug und ihnen sogar während der Gene-
           ralprobe | neue Texte zusteckte. Aber seine schöpferische Kraft überwältigte sie, und sie
           arbeiteten interessiert und geduldig. Er gab mir den jungen Prinzen Eduard zu spielen.
           Ich erinnere mich, wie er mit mir die Stelle »Gott gebe ihnen Erlaß zu dieser Stunde …«
           durcharbeitete. Ich sollte ganz monoton mit langsamem Crescendo sprechen und nach
           dem höchsten Punkt plötzlich abfallen.
           Ich habe noch nie auf der Bühne Geschichtsdramen in einem so betont einfachen Stil ge-
           sehen. Mit Caspar Neher baute Bert eine Dekoration ohne opernhaften Prunk, auch die
           Kostüme des Königs und der Lords waren aus einfacher Sackleinwand, und die Schau-
           spieler sollten ohne das Pathos der offiziellen Personen sprechen. An Brecht, dem Regis-
           seur, gefiel mir seine Fähigkeit, kollektiv zu arbeiten. In München bildete sich um Brecht
           eine Arbeitsgruppe: Feuchtwanger, Caspar Neher, Reich und ich, mit der er systematisch
           die Ergebnisse der laufenden und die Aufgaben der kommenden Proben beriet.

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NB 16      Brecht war eine auffallende Erscheinung unter den Theaterleuten. Äußerlich hatte er
           nichts von einem ›Artisten‹ – er trug einen grauen Sportanzug ohne Krawatte und nie-
           mals einen Hut, sondern eine Schirmmütze. Er kannte keine glatten weltmännischen
           Manieren – manchmal war er ungeschickt und sogar verlegen. Er sprach leise, sehr sel-
           ten schrie er, aber wenn – dann schrie er so schrill, daß es einem durch Mark und Bein
           ging.

        Auf Brechts Leben Eduard des Zweiten von England ging Ihering in zwei Thea-
        terkritiken ein; in Eduard der Zweite. Eröffnung des Schauspielertheaters (über
        Marlowes Eduard II., in Berliner Börsen-Courier, 3. November 1923; zit. nach:
        Ihering 1958, 1, 352):

           (Es wäre nicht schwer, auf innere Zusammenhänge zwischen Marlowe und Brecht hin-
           zuweisen. Es ist kein Zufall, daß Brecht »Eduard II.« bearbeitet.)

        und in Toller und Brecht. Zu zwei Leipziger Aufführungen (über Brechts Baal;
        Berliner Börsen-Courier, 10., 11. Dezember 1923; zit. nach: Ihering 1958, 1, 359f.)

           Brecht entzündet sich an Marlowes »Eduard II.« – und ist doch in jedem Zug schöpfe-
           risch. […] Und wie Brecht in »Leben Eduards II.« aus dem Tragödienbündel von Mar-
           lowe die eine Tragödie gewinnt, wie er aus dem einen Motiv, der Liebe Eduards zu Gave-
           ston, das Schicksal des Königs sich erfüllen läßt, wie der Kampf immer weitere Kreise

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NB 16      zieht, wie er »in den Lüften weitergeht«, wie aus der Gaveston-Handlung Mortimer
           und die Königin als Hauptgestalten und Träger der Gegenaktion hervorwachsen und
           unmerkbar die Gedanken des Königs zu dem schon toten Gaveston zurückgetrieben
           werden – das zeugt von einer wachsenden dramaturgischen Einsicht, die nur auf Grund
           des zentralen Erlebnisses gewonnen werden konnte.

        Zu Arbeitsphase (4) und (5): Wohl im Januar oder Februar 1924 schickte Brecht
        eine erste Druckvorlage an den Gustav Kiepenheuer-Verlag in Potsdam, die von
        der endgültigen Fassung noch deutlich abwich (→ Weisstein 1970, 200–210).
            Im dieser Zeit kam es zwischen Brecht und Feuchtwanger zu einem Streit
        über die Benennung von dessen Mitarbeit, in dem sich Ihering als Vermitt-
        ler engagierte. Nach einigem Widerstand (→ Brecht an Ihering, undatiert,
        BBA Z 2/147; Mitte Februar 1924) akzeptierte Feuchtwanger Brechts Vorschlag,
        den dieser Ihering Ende Februar, Anfang März in einem undatierten Brief mit-
        teilte (BFA 28, 210):

           ich danke Ihnen für die Briefe an Feuchtwanger
           Auf dem Titelblatt wird nur mein Name stehen, auch auf Theaterzetteln
           Auf der zweiten Buchseite aber:
           »Dieses Stück schrieb ich mit Lion Feuchtwanger. b.b.«
           Das ist gut, wie?

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NB 16   Im Berliner Börsen-Courier erschienen am 2. März 1924 Auszüge aus dem Thea-
        terstück.
            Zu Arbeitsphase (8): Der Erstdruck weicht von der ersten Fassung und den
        Vorabdrucken (Arbeitsphasen 3 und 4) deutlich ab. Er enthielt auf einer eigenen
        Seite den Hinweis, auf den sich Brecht und Feuchtwanger Ende Februar, Anfang
        März geeinigt hatten (→ oben zu Arbeitsphasen [4] und [5]).
            Aus Anlaß der Aufführung des Theaterstücks in Köln (Premiere: 20. Mai
        1926; Regie: Ernst Hardt) schrieb Brecht am 30. Mai 1926 an Herbert Ihering
        (BBA Z 2/151–152):

           lieber herr ihering,
           wenn es Ihnen irgend möglich ist, dann bringen Sie bitte diese Zeilen so hervorstechend
           wie möglich. es ist außerordentlich wichtig, daß die wenigen Leute, die im Reich für
           uns arbeiten, wenn Sie gut arbeiten, gerade im Börsen Courier gewürdigt werden. Die
           Aufführung unter Hardt war, obgleich mir nicht gemäßem Stil in einem mir vielleicht zu
           monumentalen Stil eine der besten und möglichsten Aufführungen, die ich je von 1 mei-
           ner Stücke gesehen habe, ⟨Lothar⟩ Müthel vollkommen erstaunlich!!! ein Fressen für Sie!
                                        Mit besten Grüßen
                                                          Ihr
                                                              bert brecht
           ich schreibe dies im zug nach paris!

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NB 16   Die folgende, dem Brief beiliegende Selbstkritik Brechts wurde nicht publi-
        ziert:

           Angesichts der babylonischen Stilverwirrung des zeitgenössischen Theaters sollte es dem
           dramatischen Schriftsteller, ebenso wie dem Ingenieur, der in Fachschriften über techni-
           sche Auswertungen seiner Arbeiten berichtet, erlaubt sein, auf wesentliche Aufführun-
           gen seiner Stücke hinzuweisen. In der 2 1/4 stündigen, die geistige Struktur des Stückes
           vorbildlichen ausleuchtenden musischen Inszenierung der Historie „Leben Edwards II
           von England“ durch den Dichter Ernst Hardt in Köln wurde, keineswegs unerwartet, die
           eminente Bedeutung des Schauspielers Lothar Müthel für die zeitgenössische Dramatik
           deutlich sichtbar. Vollkommen sachlich, Seine großartige schauspielerische Anmut ge-
           stattet ihm, vollkommene Sachlichkeit und, in jedem Augenblick kontrollierbar, führte
           er die schwer übersehbare Lebenskurve de[r]s Titelfigur Edward schwer übersehbar in
           aller Deutlichkeit, beinahe physikalisch arbeitend, vor. Die Sterbeszene von elfenbeiner-
           ner Majestät . .
                                                                               Bert Brecht

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NB 16   10r–11v.8 ermahnung an unsern sohn k. k. […] können. BFA 21, 105f. bzw.
        630 liest 10r.1 fälschlich »Verweisung« bzw. »Anweisung« statt »ermahnung«,
        10v.9 »fest« statt »schlau«, 10v.10–11 »stinktriefend« statt »tintetriefend«, 10v.18–19
        »Ihre« bzw. »der« statt »deine«, 10v.20 »Kraus, ruhen lassen.« statt »kraus ohne
        ß« und 11r.2 »Sie es« statt »es Sie«.

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NB 16   12v.1–6 sie haben mir weiber ins bett […] mich BFA 13, 283 faßt die allenfalls
        zum Teil lyrischen Notate mit der Eintragung auf der Folgeseite fälschlich zu
        einem Gedichtentwurf zusammen.

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NB 16   16v wenn er nicht ruhe gibt, […] vernunft annehmen. Trotz ähnlicher For-
        mulierungen – 16v.3–4 »die zeiten des mitleids und der du⟨l⟩dung«; → 17r.2 »in
        diesen zeiten« – besteht wohl kein Zusammenhang mit dem Entwurf für Galgei/
        Mann ist Mann auf der gegenüberliegenden Seite.

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NB 16   18v.10–4 die sterne stehn am firmament […] hüben   BFA 13, 283 liest Z. 8
        fälschlich »den er« statt »den es«.

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NB 16   20r.1–18 5 \ gebt acht der nächste todesfall […] leid BFA 13, 284 liest Z. 16–18
        fälschlich vereindeutigend »er sagt, sie tut ihm leid«: Die zuerst eingetragene
        Änderung »da schweigt der neid« ist nicht gestrichen. Von den verschiedenen
        Eintragungen auf Bl. 19v gibt BFA 13, 504 unausgewiesen nur Z. 5 »eine frau ver-
        schwindet« (ohne das zugehörige »sie« in Z. 6) wieder und spekuliert, daß diese
        als »Überschrift für das geplante (ganze) Gedicht« gedacht gewesen sein könnte;
        das ist ebenso auszuschließen wie die Behauptung, Brecht habe »nur diese bei-
        den Strophen ausgeführt«; die Strophen 1, 2, 4 und ggf. der Titel waren auf den
        zwischen Bl. 19v und 20r herausgeschnittenen Blättern enthalten.

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NB 16   21r–20v.9 Roman \ 1 \ abends sieben uhr […] und xx. BFA 17, 418 liest 21r.9
        fälschlich »sieben« statt »2«, 21r.7 »heruntereilend« statt »herunter reitend«, 21r.1
        »Ton« statt »tone« und 20v.11 »Lareuve« statt »Laveuve« sowie in BBA 10414/11r
        fälschlich »Plans« statt »glacis.«
            Historischer Hintergrund sind die drei Feldzüge Karls des Kühnen zur Er-
        weiterung seines Machtbereichs, bei denen er allesamt verheerende Niederlagen
        erlitt: zunächst bei Grandson (2. März 1476) und Murten (22. Juni), ehe er bei
        Nancy selbst ums Leben kam (5. Januar 1477). Die Benennung Karl (der Kühne)
        von Anjou (21r.16–15; BBA 10424/11) ist historisch nicht korrekt: Zwar war Karl
        der Kühne in erster Ehe mit Katharina von Valois, einer Tochter Karl VII. und
        Marie von Anjou, verheiratet, trug aber nicht den Titel Graf von Anjou. Ein Be-
        zug auf einen anderen Karl, z. B. Karl I. von Valois, Graf von Anjou und Maine,
        läßt sich ausschließen.

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NB 16   21v ich freue mich, […] würdig ist. BFA 21, 106 liest 21v.7 »uns« statt »uns«
        (der als Unterstreichung von »uns« gelesene Strich ist der verrutschte Strich des
        zweiten »t« von Z. 8 »theater«).

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NB 16   22r–22v.4 alexander und seine soldaten […] gab. BFA 10, 319 liest 22v.3 fälsch-
        lich »es« statt »er« und faßt die beiden separaten Eintragungen 22r.9–20 und
        22v.1–4 zu einer zusammen; BFA 10, 319f. verteilt im weitgehend (nicht, wie BFA
        10, 1085 schreibt, vollständig) interpunktionslosen Typoskript BBA 520/33 will-
        kürlich Satzzeichen und liest fälschlich »knochener« statt »knochenloser« so-
        wie »Aufstehns« statt »aufstehens«; die Emendation »unserer hand« zu »unsere
        Hand«, die Änderung der Ordinalzahlen »1.«, »2.«, »3.« in die Kardinalzahlen
        »1«, »2«, »3« und die Streichung von »2.« vor der abschließenden Versrede Alex-
        anders erfolgen unausgewiesen.

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NB 16   25v–30r.2 ist geht er schneller. […] jetzt wo es schlecht ist Die Erläuterung in
        BFA 10, 1089, der Entwurf enthalte »mehrere Umstellungsmarkierungen, die
        nicht in allen Fällen zweifelsfrei nachvollziehbar sind und deshalb unberück-
        sichtigt bleiben«, ist falsch: Der Entwurf enthält nur zwei Umstellungsmarkie-
        rungen, von denen die eine (28v.16) eindeutig ist und in BFA 10, 322 auch berück-
        sichtigt wurde; die zweite (25v.11–6) ist deutbar, die zugehörige Eintragung 25v.10
        jedoch eindeutig nicht zum 4. Akt gehörig, dem sie BFA 10, 323 unausgewiesen
        zuweist. Die Zusammenfügung des Aktkonzepts (28v.10–25v.14) mit den übrigen
        Entwürfen (26v–28v.9) zu einem einzigen ist falsch, die direkte oder indirekte
        Verbindung der Entwürfe untereinander (durch Setzung von oder Verzicht auf
        Leerzeilen) willkürlich. Die Textkonstitution von 26v.17–20 »er sitzt auf dem
        elektrischen Stuhl und stirbt im Frühjahr \ Er bittet Gott, er möge den Mann
        […] erinnern« ist falsch: »im frühjahr« ist nach »den mann« über der Zeile ein-
        gefügt. Die Textkonstitution von 27r.11 »Ist der Wald jetzt gelb« ist falsch: Brecht
        schrieb zuerst »halte ein! ist der wald ge« und korrigierte dann zu »halte ein!
        wie ist der wa⟨l⟩d? \ der wald ist gelb«. BFA 10, 324 liest 28v.4 fälschlich »müßte«
        statt »mußte« und übersieht den Punkt nach 29v »manhattan«. An Stelle der
        unausgewiesen weggelassenen Formulierungsvariante 30v.1–2 bringt BFA 10, 323
        entgegen der eigenen sonstigen Gepflogenheiten die frühere Version (25v.12–14).

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NB 16   29r.1–8 Hindemith \ – 1. sept. […] große rittergasse 118 Zur Datierung des
        Briefs an Marianne Zoff (BBA E 20/156): Der Brief wurde wohl nicht erst im
        Januar oder Februar 1925 verschickt (so BFA 28, 220), sondern nach Mitte Sep-
        tember 1924. Brechts Mitteilung: »du bekommst vom ersten geld, das das theater
        mir gibt«, bezieht sich wohl auf Brechts Anstellung als Dramaturg am Deut-
        schen Theater Berlin Anfang September 1924. Wann er von dort Geld erhielt,
        ist unklar.

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NB 16   26r sie: \ und teilen tisch und bett […] bestimmen. Für die Einordnung des
        Entwurfs in die Entstehungsgeschichte des Stückprojekts Eine Familie in der
        Savannah sprechen die Gesprächssituation (eine Frau spricht mit ihrem Mann
        über ihre Ehe), Stil und die freie Versstruktur. Für die Einordnung als erster
        Beleg spricht, daß die Figur hier noch namenlos ist, für die Nicht-Zugehörig-
        keit zum Fleischhacker-Projekt im gleichen Notizbuch, in dem es ebenfalls um
        Marktmechanismen geht, spricht, daß Brecht den Entwurf bei umgedrehtem
        Notizbuch eintrug.

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NB 16   30r.10–3 engel gewichtsverteilung, klärung […] kontrapunkt Über Engels
        Inszenierung von Shakespeares Coriolan (Deutsches Theater, Berlin; Premiere:
        27. Februar 1924) schrieb Brecht wohl 1927 (BBA 156/17–18; → BFA 21, 196f.):

           D e r     P i s k a t o r s c h e   V e r s u c h.

               Ausser in Engels entscheidend wichtiger Coriolaninszenierung
           wurden die Versuche zum epischen Theater nur vom Drama her un-
           ternommen.[…] |
                                            2
           Hier hat Engel für das epische Theater Punkte gesammelt. Er gab
           die Geschichte des Coriolan so, dass jede Szene für sich stand
           und nur ihr Ergebnis für das Ganze benützt wurde. Im Gegensatz zum
           dramatischen Theater, ¿¿¿¿ wo alles auf eine Katastrophe hinsaust,
           also fast das Ganze einleitenden Charakter hat, stand hier die
           Totalität, unbewegt, in jeder Szene.

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