Forum NB 16 (EE F) Elektronische Edition - Bertolt Brecht
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Forum NB 16 (EE F) Elektronische Edition
NB 16 1r–31r.12 Galgei \ 1) drei soldaten […] galgei regie Zu Arbeitsphase (1): Hanns Otto Münsterer erinnert sich mit falscher Datierung (Münsterer 1966, 154–156): um die Jahreswende 〈1921/22 war〉 die Arbeit an der schon früher begonnenen Komödie Geigei oder Galy Gay wieder intensiv aufgenommen worden. […] Beabsichtigt war […], einfach zu zeigen, wie ein Mann auszieht, um einen Fisch zu kaufen, wie der dann, weil er nicht nein sagen kann, in eine Sache verwickelt wird, die ihn gar nichts | angeht, und schließlich, als es keine Möglichkeit des Abspringens mehr gibt und der Finger bereits in der Kriegsmaschine steckt, im indischen Feldzug verschwindet. Ein Prolog warnte vor den Gefahren der Gutmütigkeit […]. Vollendet war bereits die Eingangsszene, in der sich Galy Gay zum Gang auf den Markt anschickt und sich vorher wie ein Held 〈Karl〉 Valentins von seiner Frau genauestens über Größe und gewünschte Eigenschaften des zu erwerbenden Fischs unterrichten läßt. Auch die Vorgänge im Bonzentempel, der Ein- bruch, der vergebliche Befreiungsversuch und die Vorweisung des neuen Gottes, durch den der verarmte Inhaber der Gelbherrenpagode seinen dürftigen Einkünften wieder aufhelfen will, waren fertig; weniger ausgeführt dagegen die Geschehnisse im Baracken- lager. Neben der Begbick erschien als eine der eindrucksvollsten Figuren der Sergeant Bloody Five, der in den Entwürfen John-I-am-happy hieß. Im Gedächtnis ist mir noch eine Szene, bei der die Soldaten ein Spottlied auf diesen gefürchteten Burschen singen: | John-I-am-happy schlief in der Seehundsbar und spielte Poker und Can’t, und als seine Seele verpokert war, da wurde John Sergeant. John-I-am-happy, Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 wer ist deine Mutter, hee? Es habt ihr schwarzen Schweine vor Gottes Thron einst keine, die für euch dort einsteh! Da sagte, rein wie Schnee, John-I-am-happy, seine sei die Mama Armee. Jedenfalls wird der Blutige Fünfer immer, wenn er in irgendeine scheinbar ausweglose Schwierigkeit geraten ist, durch eine unvermutete Beförderung vor dem Verhängnis be- wahrt; einmal wird er Korporal, schließlich sogar Kommissar. die Sicherheit, in der sich die drei Plünderer infolge der Einkleidung Galy Gays fühlen und aus der heraus sie ihr Spottlied anstimmen, erweist sich aber als zweifelhaft: Mitten in diesem Treiben zeichnet sich an der Zeltleinwand von außen her das Schattenbild des herumspionierenden Leu- teschinders ab, und der Gesang verstummt mitten im Satz. Zu Arbeitsphase (5): Im August 1924 dürfte auch der folgende Entwurf entstanden sein (Unterstreichungen mit Rotstift, Änderungen mit Bleistift; BBA 150/27): FÜR ZEITUNGEN verhängnisvoller spass dreier soldaten des worchesterregiments standort kankerdan ostindien Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
verbrechen oder spass ? NB 16 der hafenarbeiter J[,]. galgei verwandelt sich hält sich für einen soldaten namens jerome jip saipong / ganz vorderindien spricht über den unglaublichen fall des hafenpackers J.B galgei + 〈siehe unten〉 [drei]vier soldaten aus kankerdan die nach saipong ab[l]kommandiert waren [wo]mussten bei einem noch unaufgeklärtenverbrechen das sie begangen haben wol- len um whisky zu bekommen (!!!) einen der ihren zurücklassen um ihr verbrechen zu verheimlichen das durch das fehlen des vierten mannes aufgekommen wäre benützten sie die person des packers j. galgei sie veranlassten diesen der anfänglich lediglich aus mit- leid darauf einging [si]bei zwei apellen den vermissten vierten mann der jerome jip hiess zu spielen als er sich dan aber mit demhinweiss auf seine familie weigerte noch die restlichen zwei tage bis zum abmarsch weiter den gefälligen zu spielen machten sie ihn zumhauptaktor einer gerade zu leinwandgerechten kommödie sie überliessen ihm nämlich im komplott mit einer kantinenwirtin z[e]weifelhaftester natur ei[e]nen angeblichen elefanten der engli- schen armee völlig umsonst zum beliebigen weiterverkauf bei dem masslosen verbrauch von whisky dieser tage bemerkte galgei nicht die wahre beschaffenheit diese[r]s gefährlichen geschenkes eines sehr natürlich auftretenden elefanten der aus nichts anderem be- stand als aus einigen leinwandfetzen zeltbahnen und seinen gönnern den drei soldaten selbst wegen dieses "diebstahls" verhafteten Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 sie ih[m]n dann am "tatort" und erschossen ihn standrech[r]tlich unter den drei ['¿]sykomoren von saipong den dumpf und hilflos mittrott[r]enden der lange vor der natürlich nur scheinbare[b]n er- schiessung ohnmächtig wurde weckten sie mit dem ansinnen er habe einem eben erschossenen namens galgei die leichenrede zu halten alles dies und noch vieles andere machte der nun schon sehr ver- wirrte ohne nennenswerten widerstand mit auch der tag darauf brachte dem packer der von nun an seiner eigenen person misstraute eigentümliche ahnungen die soldaten trieben ihr grausames spiel unter verwendung eines passes bis zumhöhepunkt galgeis verhal- ten gegen seine frau die ihn endlich als soldaten aufstöberte bewiess dass er zu diesem zeitpunkt über seine identität bereits im unklaren war als ihm die "humorbegabten" soldaten auch noch in der führung des namens jip schwierigkeiten zu machen anfingen stürzte er sich mit solcher wucht auf diesen namen dass sogar d[ie]as nunmehrige [ankunft]auftauchen des wirklichen jip ihn nicht mehr davon abbringen konnte dieser ganze vorfall sowie der fall des sergeanten Py der sich zu gleicher zeit aus wut darüber dass er seiner geschlechtlichen hemmungslosigkeit wegen nicht herr seiner selbst war selber mit eigener hand kastrierte beweisst den oberflächlichen firnis des individualismus in unserer zeit + 〈siehe oben〉 in saipong [wurde]herrschte in diesen wochen ein grosses tohuwabohu von soldaten provianthyänen und dem im gefolge von mo- Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
bilen armeeteilen unausbleiblichen gesindel durch die dreitägige NB 16 zusammenstellung der afghanischen division Zu Arbeitsphase (31): Walther Georg Oschilewski erinnert sich (Oschilewski 1962, 20f.) an die Zeitschrift, die V. O. Stomps »Der Fischzug«, Monatsblätter zur Förderung werdender Literatur, nannte. Das erste Heft erschien im März 1926. Ab Heft 2 (April 1926) übernahm ich die Redaktion, vom 3. Heft (Juni 1926) ab erhielt die Zeitschrift den Untertitel »Blätter für Kunst und Dichtung im jungen Deutschland«. V. O. Stomps war nunmehr Alleinheraus- geber. […] Um Brecht für den »Fischzug« als Mitarbeiter zu gewinnen, be|suchte ich ihn im Okto- ber oder November 1926 in seiner Atelierwohnung in der Spichernstraße 19, in der er seit seiner Übersiedlung von München nach Berlin inmitten von Bergen von Manuskripten, schmutziger Wäsche, Büchern und Journalen hauste. Er war beim ersten Eindruck ein etwas scheuer Mann, was mich wunderte, denn, so sagte ich mir in meiner jugendlichen Einfalt, wer so herausfordernd in der Zeit steht, müßte einem doch eigentlich mit Pau- ken und Trompeten entgegentreten. Aber er hatte etwas anderes, was mir imponierte: seine extreme, vielleicht auch etwas hochfahrende Art, die Dinge der Umwelt zu durch- schauen, sein »mönchischer« Zuschnitt, der sich auch in seinem äußeren Habitus bis zum Haarschnitt ausdrückte. Seinem eifernden Marxismus brachte ich, der um sechs Jahre Jüngere, einige Sympathie entgegen; das schine ihm zu gefallen, und so gab er mir Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 mit freundlicher Geste einige Manuskriptblätter zum Vorabdruck für die Dezemberaus- gabe des »Fischzugs«. Mit Brecht, Benn, Zech, Werckshagen, Gebser, Stomps, Liebmann u. a. war es das letzte Heft der Zeitschrift. Fünf Jahre später schreibt er über die gleiche Begegnung (Oschilewski 1967, 124): Um Brecht für den »Fischzug« als Mitarbeiter zu gewinnen, besuchte ich ihn im Oktober oder November 1926 in seiner Atelierwohnung in der Spichernstraße 19, in der er seit seiner Übersiedlung von München nach Berlin inmitten von Bergen von Manuskripten, schmutziger Wäsche, Büchern und Journalen hauste. Er war beim ersten Eindruck ein etwas scheuer Mann, was mich wunderte, denn, so sagte ich mir in meiner jugendlichen Einfalt, wer so herausfordernd in der Zeit steht, müßte einem doch eigentlich mit Pau- ken und Trompeten entgegentreten. Aber er hatte etwas anderes, was mir, dem um sechs Jahre Jüngeren, von vornherein imponierte: seine extreme, vielleicht auch etwas hoch- fahrende Art, die Dinge der Umwelt zu durchschauen. Seine Freundschaft zu dem Boxer Paul Samson-Körner hatte es mir angetan und die schwarzen Zigarren, denen auch ich frühzeitig verfallen war. Ich erlebte ihn so, wie ihn Rudolf Schlichter 1928 gemalt hat, mit Lederjacke und und »mönchischem« Haarschnitt. Seinem eifernden Marxismus, zu dem ihn gerade um diese Zeit Fritz Sternberg, der große Soziologe, geführt hatte (siehe Fritz Sternberg, Der Dichter und die Ratio, Göttingen 1963), brachte ich einiges Verständnis entgegen; das schien ihm zu gefallen, und so gab er mir nach einigem Palaver über Gott und die Literatur – im Hintergrund von der bildhübschen Elisabeth Hauptmann, sei- ner langjährigen Mitarbeiterin und jetzigen Herausgeberin seiner Stücke und Gedichte, Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 beargwöhnt – einige Manuskriptblätter des Lustspiels Mann ist Mann zum Vorabdruck für das Dezemberheft 1926 des Fischzugs, wo sie dann auch erschienen sind. Merkwürdi- gerweise hat Walter Nubel (wenn ich nicht irre, identisch mit Walter Nübel, der Stomps in den späten dreißiger Jahren umsichtig beim Ausbau des Verlags Die Rabenpresse half) in seiner sonst so sorgsam erarbeiteten Bertolt-Brecht-Bibliographie, die als zweites Brecht- Sonderheft der ostdeutschen Zeitschrift Sinn und Form 1957 erschien, unter Zeit- schriftenbeiträgen diesen Vorabdruck nicht aufgeführt. Das Stück von der Verwandlung des Packers Galy Gay in den Militärbaracken von Kilkoa, ›Mann ist Mann‹. Im Erstdruck Brecht: Mann ist Mann 1926 ist die Szenenzählung fehlerhaft: Auf die 4. folgt die 6. Szene usw. Dafür wird die eigentlich 11. und letzte Szene als 10. gezählt. In Brecht: Mann ist Mann 1938, 162 ergänzte Brecht auf der Rückseite des Ti- telblatts: »Mitarbeiter \ S. Dudow, H. Emmel, E. Hauptmann, R. Kass, B. Reich«; dabei sind »H. Emmel« und »R. Kass« Pseudonyme für die nicht emigrierten Mitarbeiter Emil Hesse-Burri und Caspar Neher, um ihnen Schwierigkeiten in Deutschland zu ersparen. In Brecht: Mann ist Mann 1955, 170 steht an gleicher Stelle (mit falscher Ab- kürzung von Burris Vorname): »Mitarbeiter: F. Burri, S. Dudow, E. Hauptmann, C. Neher, B. Reich«. Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 Elisabeth Hauptmann erinnerte sich später unter dem Datum Oktober 1926 (Hauptmann 1957, 243): »Nach der Aufführung von ›Mann ist Mann‹ beschafft sich Brecht Arbeiten über den Sozialismus und Marxismus«. Die Datierung ist falsch: Die Uraufführung von Mann ist Mann war am 25. September 1926 (→ zu NB 16, 1r–31r.12), Brecht beschäftigte sich aber schon spätestens ab August 1926 mit sozialistischer Literatur (→ zu NB 18, 35r–53r). Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 1r.7–9 1) \ die mama ist das stärkste was es gibt Zur Bezeichnung der Armee als Mama: In einem Entwurf für das Stückprojekt Geschichte vom gelben Jack heißt es (BBA 459/28): Cake: damals marschierten [wir]die mama in pandschabdelta herum um einigen shiks 〈Sikhs〉 die elefantenschädel einzuhämmern […]. Der Entwurf ist wohl angeregt durch Kiplings Ballade Cholera Camp (deutsch in: Kipling 1911), die Brecht später (März 1926) gemeinsam mit Elisabeth Haupt- mann neu übersetzte (Der Cholerakamp; Erstdruck: Erzählerkunst. Ein Alma- nach auf das Jahr 1927, hg. v. Hans Reisiger, Leipzig: Paul List 1927, 27–30; → zu NB 17, 46r.27–26; Tb H, 13. bis 24. März 1926). Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 1v.1–7 1) hundediebstahl […] güterbahnhof Der Güterbahnhof bildet im ausgeführten Theaterstück die Szenerie für den Elefantenbetrug (→ zu 4v). Falls der unabhängig von Z. 1 eingetragene Entwurf Z. 2–7 trotzdem für die hier kon- zipierte Eingangsszene »1) hundediebstahl« gedacht war, könnte hier noch ein Hunde- statt ein Elefantengeschäft geplant gewesen sein. Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 2r.1–9 feldwebel sieht gallgei […] feldwebel) Zu »kaugumi«: Im Entwurf BBA 150/73–74 (→ BBA 150/83–84) aus dem Konvolut »Mann = Mann« oder »Galy Gay« heißt es: GG ich habe bisher nicht gekaut weil der gummi 2 pence kostet und man ihn ja doch wieder ausspuckt Jesse bitte hier ist welcher der nichts kostet den können sie auch so- fort wieder ausspucken ohne dass ihr herz stehen bleibt […] | […] GG ich habe keine erfahrung aber mir scheint er schlecht zu schmec- ken Polly das ist so am anfang wenn sie erst den innersten geschmack auf den lippen haben braucht ihre zunge diesen sport ebenso dringend wie ein boxer den seinen pun[j]chingball GG ja das glaube ich schon Jesse wir soldaten haben so unsere kleinen gewohnheiten Polly wie sie den gummi ausspucken das ist ganz äh[m]nlich wie ihn jip ausspuckte nur ging der nach links Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 〈danach von Elisabeth Hauptmann mit Bleistift eingetragen:〉 (hesse burri bis hierher; haupt- mann weiter.) Das Motiv des Spuckens verwendete Brecht auch im Szenenentwurf BBA 150/89– 92: bungalow / später nachmittag die drei fetten das m g 〈Maschinengewehr〉 ein galy gay schläft auf seinem stuhl […] | galy gay ÖFFNET DIE AUGEN galy gay es hängt mit dir an einem haar wenn du jetzt einschläfst machen sie dir was bak AUF IHN ZU wachst du jip sagen Sie wieviel m weit können sie spucken galy gay können sie es mir lernen + 〈auf separatem Blatt ergänzt:〉 + wieviel m weit können sie spucken? Gg offen gestanden ich weiß es nicht bak was, das wissen Sie nicht? Sagen Sie das noch einmal Gg es ist gewiß ungewöhnlich aber ich käme in verlegenheit, wenn Sie das fragen bak ich frage mich, wo Sie Ihre erziehung genossen haben. können Sie 3 m weit spucken? Gg: [Ich]im tragen bin ich ziemlich kräftig meinen Sie, daß das etwas ausmacht? bak möglich. aber 2 m können Sie doch? | Gg können Sie denn sehr weit? Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 bak mich dürfen Sie da nicht herbei ziehen wenn Sie was über spucken erfahren wollen. ich bin champion für indien. ich spucke 5 m. Gg das ist allerhand. bak ja. es ist natürlich viel übung nötig, aber im grund ist es angeboren. Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 4v II. Nacht \ 1) Sie können gehen, […] happy: Konzept Zu »geschäft mit elefant« (Z. 3/4; BBA 150/96; → BFA 2, 119): GG 〈Galy Gay〉 elefant? ein elefant das ist selbstverständlich eine goldgrube wenn sie einen elefanten haben da verrecken sie nicht im spital KAKE zu BAK wenn wir einen elefanten hätten bemerkte Elisabeth Hauptmann auf einem im Konvolut »Mann = Mann« oder »Galy Gay« davor eingelegten Zettel (ohne Archivsignatur): GG elefant?? Ein Elefant, das ist … das war mein erster wichtiger Einfall für ein Brechtstück! E.H Wie die vorliegende Notizbuchstelle zeigt, war ein Elefantengeschäft allerdings schon im Jahr vor Hauptmanns Zusammenarbeit mit Brecht vorgesehen. Ob sie sich hier falsch erinnert oder auf was genau sie sich bezieht, ist unklar. Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 7v–35v Mortimer Fleischhacker […] dieses wißt! Zu Arbeitsphase (4): Zwei Zeitungsmeldungen zu Kursschwankungen an der amerikanischen Börse in Brechts Nachlaß: 〈BBA 678/37: Neues Wiener Journal, 10. März 1925; An-, Unterstreichungen und Ziffer 4 mit Bleistift:〉 Das Getreide wird billiger. Der Preissturz in Amerika und der österreichische Markt. Seit einigen Tagen wird von den amerikanischen Getreidebörsen ein panikartiges Fallen der Getreidepreise gemeldet. In Chicago betrug der Rückzug des Weizenpreises 11.25, in New York 11.3 Cents. […] 4 Ueber die Ursachen der amerikanischen Weizenbaisse und deren Wirkungen auf unsere Märkte erhalten wir von fachmännischer Seite folgende Aufklärungen: »Die amerikanische Weizenhausse war bekanntlich ein Manöver der Barnes-Gruppe, die über fünfzig bis sechzig Millionen Bushel Getreide verfügt. Sie hat schon während der im vergangenen Monat eingetretenen Baisse große Verluste erlitten, es gelang ihr jedoch wieder, sich aufzuraffen. In der vorigen Woche wurde in New-York und Chicago die Nachricht verbreitet, Rußland hätte auf amerikanischen Märkten ungefähr dreihundert- tausend Tonnen Weizen und Mehl aufgekauft. Auf diese Nachricht hin erhöhte sich der Weizenpreis plötzlich um sieben Cents. Gleichzeitig hieß es auch, daß in Indien infolge der Dürre eine um dreißig Prozent niedrigere Ernte zu erwarten sei, als ursprünglich angenommen wurde. All diese Nachrichten wurden von der Haussegruppe ausgesprengt und bald dementiert. Die amerikanischen Kaufleute erhielten auch die Verständigung, Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 daß sich in Mitteleuropa die Ernteaussichten durch den Umschwung der Witterung we- sentlich gebessert hätten und daß die Geldknappheit die europäischen Firmen zwinge, ihren Bedarf möglichst einzuschränken. Es wurde von einzelnen europäischen Firmen die Uebernahme der eingetroffenen Weizentransporte verweigert. Dies bereitete dann der Weizenhausse ein jähes Ende. Sämtliche Kombinationen der Barnes-Gruppe gingen in Trümmer. Ihre Hoffnungen, im Mai Weizen zum Preise von 250 Cents per Bushel absetzen zu können, wurden vernichtet. […] Es entstand ein Kampf auf Tod und Leben der Barnes-Gruppen und den schon seit Monaten auf der Lauer befindlichen Baisse- gruppen, die nur über unwesentliche Vorräte verfügten, daher die großen Differenzen, die die Barnes-Gruppe nicht ertragen konnten, weniger fühlten. […]« 〈BBA 524/63: National-Zeitung, 4. März 1926:〉 Wahnsinnszenen an der New-Yorker Börse Spezialbericht der United Preß. U. P. New York, 4. März Die Aktienverkäufe an der Börse erreichten die Rekordziffer von 3 837 700, während die bisherige Höchstziffer, die an dem »schwarzen« 10. November erreicht war, nur 3 427 oo0 betrug. Die Baisse ist auf der ganzen Linie siegreich. Vor Schluß glich die Börse buch- stäblich einem Tollhause. Vor den Makierständen wurden Besucher in manchen Fällen handgemein, Kleider wurden zerrissen, Hüte unter die Füße getrampelt. Der Hauptan- griff richtete sich gegen Eisenbahnwerke. Von seiten der Banken wird die Kurseinbuße am Dienstag und Mittwoch auf eine Milliarde Dollar geschätzt. […] Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 Brechts Bruder Walter wurde am 15. April 1925 in Darmstadt zum Dr. der Ingen- nieurwissenschaften promoviert. Direkt im Anschluß ging er mit einem Stipen- dium der Augsburger Papierfabrik Haindl für ein Jahr zur Firma Hammermill Paper Co in Erie (Pennsylvania), bevor er als technischer Direktor bei Haindl in Augsburg angestellt wurde (→ Jürgen Schmid, Walter Brecht: Bruder des »Stüc- keschreibers« und Professor für Papiertechnologie, in: J. S., Brecht und Haindl. Berthold Friedrich Brechts »Chronik der G. Haindl’schen Papierfabrik Augsburg« von 1899. Kommentierte Edition, Augsburg: Wißner 1899, 233–244, hier 235f.). Zu Arbeitsphase (12): Das Gedicht Diese babilonische Verwirrung der Wör- ter … (BBA 1533/41; → BFA 13, 356–358) dürfte nicht »um 1926« (so BFA 13, 532) entstanden sein, sondern 1935, wie der Inhalt sowie die semantische und stilisti- sche Nähe zum Gedicht An die Nachgeborenen und zur Vorrede zu einer Lesung im Mai 1935 in Moskau Als ich schon jahrelang ein namhafter Schriftsteller war … (BBA 348/23–34; → BFA 22, 138–140) belegen. Zu Arbeitsphase (13): The Daily Worker, 31. Oktober 1935 (mit einer Porträt- fotografie und dem Text »Bert Brecht \ Author of ›Mother,‹, Theatre Union’s new play, opening Nov. 19.«), vollständiger Artikel: Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 Author of Theatre Union’s New Play Tells How He Found Worker Audience By Martha Dreiblatt »I found that the thing which I was interested in presenting in the the theatre interested only the workers not the bourgeoisie. I found the workers by far the best audience for my plays. The bourgeoisie resent thinking in the theatre, the workers enjoy thinking. They are a much better public.« Bert Brecht, the noted German playwright, author of »Mother,« which the Theatre Union will present here on Nov. 19, was explanining how he finally came to concern himself entirely with writing plays for and about the working class. Education of a Writer When he first started his career as a playwright, said Brecht, his general point of view was merely that all of life is absurd. He felt that the capitalists, workers and bougeoisie were universally stupid in swallowing theories fed to them, and acting as though they were true, though they had no relation to reality. And then he decided to write a play dealing with the Chicago grain exchange, »The Pit.« »I was a student of the theatre,« he said, »I knew its history and its methods thoroughly. Yet in all my research I found no technique which allowed for presenting great financial ›deals,‹ so as truly to picture them on the stage. The past experience of the theatre having failed me, I began to ask questions of the economists. I asked them the hows and whys of such deals – and they knew nothing. They told me nothing but phrases. I heared that a former chicago grain dealer lived in Vienna, and I visited him. He also knew nothing of the whys and wherefores of these complicated operations in which he took part. »Thus, step by step, I was brought to the study of Marx. For the middle-class intellectual, the study of Marx is very hard. In the first place, it does not spring from any direct neces- Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 sity in his life which teaches him quickly, as it does for the workers. In the second place, there were no schools in which to study Marxism in Germany at that time. »So I had to read books – and they were hard to get – and talk with people, with Socia- lists, with Communists, with workers generally. In this way I came to know of the wor- kers theatres in Germany. I became interested in them. I found that the workers audience was the audience for what I wanted to say in the theatre.« Collaborates with Eisler Besides »Mother«, which he wrote in collaboration with Hanns Eisler, the noted compo- ser, Brecht has written such plays as »St. Joan of the Slaughterhouses,« which he descri- bes, ironically, as showing what the capitalists must do in order to exist, »Massnahme« (organ with Eisler) »Three-Penny Opera« for which Kurt Weil composed the music; and many »lehr-steucke,« or didactic plays to educate the public. All his plays received great attention in Germany, and most of them were played not only in Berlin, but in most of its major cities. He is known as an innovator in the theatre as well as a playwright, and for a number of years worked with Piscator, one of the geniuses of the revolutionary theatre. Eine Teilübersetzung findet sich in: Brecht in den USA, hg. v. James K. Lyon, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1994, 20): Weil ich in der bisherigen Theaterpraxis keine Antwort gefunden hatte, begann ich, den Ökonomen Fragen zu stellen. Ich fragte sie nach dem Wie und Warum solcher Geschäfte – und sie wußten nichts. Sie gaben mir nur Phrasen zur Antwort. Ich hatte von einem früheren Chicagoer Getreidehändler gehört, der in Wien wohnte, und ich Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 besuchte ihn. Auch er wußte nichts von dem Warum und Weshalb dieser komplizierten Vorgänge, an denen er teilgenommen hatte. In Brechts Bibliothek findet sich von Frank Norris: A Deal in Wheat and Other Stories of the New and Old West. New York: Doubleday, Page & Company 1903 und 1906 (Brecht-Bibliothek 1036f.) und The Pit. The Epic of the Wheat. A Story of Chicago, 2 Bde., Bd. 2, Leipzig: Bernhard Tauchnitz 1903 (Brecht-Bibliothek 1038). Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 7v.9–8v.10 die stadt wächst […] gute zeit an. BFA 10, 293 liest Z. 7v.17–18 fälsch- lich vereindeutigend »auch kann« (»kann auch« ist graphisch und syntaktisch ebenso möglich), setzt den Zeilenbruch Z. 8r.23–24 fälschlich »ab-\gewendet« statt »abge-\wendet« und liest Z. 8v.1 »Sprache, Sprache« statt korrekt »sprache, sprach«; Z. 8v.2 »welche, laut im Schrei, stammeln heißt« statt korrekt »welche beim mädchen stammeln heißt,«. Da die Zeilen fast durchgehend gefüllt sind, sind die Versumbrüche in der ganzen Passage fraglich. Wohl nach dem Typoskript BBA 524/42, aber vor dem handschriftlichen Kon- zept BBA 524/95 erstellte Brecht einen zweiten Typoskript-Entwurf (BBA 524/107): 1 WEIZENBÖRSE jae fleischhacker und vier bullen: table brown shaw becket bei fleischhacker milk und lewis mile jae weil jetzt chikagos milckglasiges gesicht auf uns jae fleischhacker gerichetet ist gehorchen wir dem wunsch des ungeheuren chikago uns zu verändern abzuschütteln des schlachthofs rohen nackenschlag auf solcher höh and tugend zuzunehmen und uns zu prüfen eh wir weitersteigen wie Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
gesund wir sind und drum NB 16 ZU MILK hacken wir heut dich unsere rechte hand heute noch nützlich einst ganz unentbehrlich schmutzige hand aus trüber zeit jetzt ab shaw sist was wir erwarten jae jae Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 9v.10–12 Eduard regie: […] an einer mauer Zu Arbeitsphase (1): Brecht sollte an den Münchener Kammerspielen zunächst Shakespeares Macbeth inszenie- ren. An die Suche nach einem anderen Stück im März 1923 erinnert sich Rudolf Frank (Frank 1960, 264–273, hier 268f.): Was sollten die beiden Augsburger 〈Bertolt Brecht und Caspar Neher an den Münche- ner Kammerspielen〉 inszenieren? Verschiedene Vorschläge tauchten auf. Von Haupt- manns Versunkener Glocke, die Brecht mit mir gemeinsam herausbringen wollte, hatte er eine apart entkitschende Auffassung. […] Aber dann wurde der Plan fallengelassen, denn 〈der Leiter der Kammerspiele Otto〉 Falkenberg war dagegen. […] 〈Auch Brechts Vorschläge zur Inszenierung von Schillers »Die Jungfrau von Orleans« und »Wallenstein« wurden abgelehnt.〉 Es war der belesene Feuchtwanger, der für das damalige Spielplandilemma eine Lösung fand. Lächelnd nahte er mit einer deutschen Übersetzung des Königsdramas Edward the Second von Christopher Marlowe, schilderte dessen Vorzüge und machte darauf auf- merksam, dass der Titelheld am Ende erstickt wird. Im Schnee 〈wie Brecht für Wallen- stein vorgesehen hatte; → zu NB 13, 20v.8–21r.7〉? Nein, in einer Jauchegrube, was Berts skabrösem Geschmack noch besser entsprach. Carl Zuckmayer erinnert sich (Zuckmayer 1966, 378): Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 Einmal nahm er mich und Erich Engel zu Lion Feuchtwanger mit, mit dem er damals begonnen hatte, im Auftrag der »Kammerspiele« das »Leben Eduards des Zweiten« von Christopher Marlowe zu bearbeiten. Mit Feuchtwanger, der sehr viel vom Theater ver- stand und ein enormes literarisches Wissen hatte, besprach er die Möglichkeiten, die Hintergründe, die Konstruktion, die Szenenfolge, die geistige Grundlinie. Da ließ er sich gern beraten, sogar führen. Alles andere, die Formung, die sprachliche Gestalt, das At- mosphärische, die Dialoge kamen von ihm, und da war er absoluter Souverän. Seine poe- tischen und szenischen Einfälle waren unerschöpflich, und er produzierte sie mit der- selben Leichtigkeit, mit der er sie wieder verwarf. Ich erinnere mich an eine bestimmte Szene, von der Engel und Feuchtwanger meinten, hier müsse ein Monolog hinein. In fünf Minuten, während drei Leite rauchend und kaffeetrinkend um ihn herum saßen, hatte er den geschrieben und las ihn vor: man erfuhr in zwanzig Verszeilen den einblick in ein halbverwestes, lurchenhaftes, algenverstricktes Totenreich tief unter den Erdge- wässern, in dem ein Mensch die Unentrinnbarkeit seines Schicksals voraussieht. Wir fanden das großartig und ganz im Sinne der dramatischen Gestalt, aber Brecht steckte das Blatt in die Tasche, sagte, das sein fürs Theater viel zu lyrisch, er werde das für ein Gedicht verwenden, und schrieb einen neuen Text. Nie habe ich eine solch wuchernde, aus allen Wurzeln aufschießende und zugleich kritisch beherrschte Produktivität erlebt. Marta Feuchtwanger erinnert sich (Feuchtwanger 1983b, 113): da haben sie so gewissermaßen Rollen gespielt und sich gegenseitig die Worte zugerufen. Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 Ernst Schumacher schreibt (Schumacher 1955, 82, 90), wohl nach Gesprächen mit Brecht: Brecht war zu der Bearbeitung gekommen, weil er ein Jahr lang von den Kammerspielen München ein Gehalt bezogen hatte, mit dem die Verpflichtung verbunden war, Regie in einem Shakespeare-Stück zu führen, und zwar in Macbeth. Brecht traute sich an diese Aufgabe auf Grund der Warnungen älterer Kollegen nicht recht heran und zog es vor, ein unbekannteres Stück der Shakespearezeit neu zu bearbeite. […] Brechts Regie war gegen ein doppeltes spontanes Erlebnis gerichtet: gegen das der Zu- schauer und das der Schauspieler. […] Gegenüber dem falschen Pathos, der nur äußerli- chen Mimik, der bloßen Deklamatorik bestand Brecht auf einfaches Sprechen und ein- fache Gesten, vor allem aber auf Ensemble-Spiel. Zur Datierung des Beginns der Zusammenarbeit mit Feuchtwanger auf frü- hestens März 1923: Brecht antwortete auf eine Frage von Rudolf Frank nach Ma- rianne Zoff: »Die hat vorhin ein Kind bekommen.« (Frank 1960, 268f.) Hanne, das gemeinsame Kind von Zoff und Brecht, wurde am 22. März 1923 geboren. Reich 1960, 270 berichtet, Brecht habe ihm nach seiner Rückkehr aus Berlin, wohin er Anfang August 1923 gereist war, im September mitgeteilt, er solle vertragsgemäß König Eduard II inszenieren – die Premiere sei auf Dezember angesetzt. Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 Anfang oder Mitte Oktober 1923 schrieb Brecht an die Direktion der Mün- chener Kammerspiele (undatiert; BBA E 34/26): da es scheint, daß die herrn der direktion mit einer inszenierung von marlowes edward II. durch mich einverstanden sind, bitte ich, nunmehr herrn faber 〈→ zu NB 13, 34r.1〉, der die hauptrolle spielen soll, fest zu verpflichten und mit dem nationaltheater 〈München, wo er engagiert ist,〉 ein festes abkommen zu treffen; herr faber muß auf 3 wochen zur verfügung gestellt werden. dieses zugeständnis des staatstheaters ist wahrscheinlich nur noch so lang schriftlich zu erreichen, als die proben zu makbeth nicht begonnen haben – sie beginnen am dienstag. nach meinen informationen ist es absolut möglich, herrn faber zu bekommen, wenn man davon abhängig macht, daß fräulein koppenhöfer 〈die an den Kammerspielen engagiert ist〉 am staatstheater spielt. brecht Zu Arbeitsphase (2) Am 18. Oktober 1923 meldete der Berliner Börsen- Courier, am Berliner Schauspielertheater werde Marlowes Eduard II inszeniert. Brecht schrieb daraufhin an Heinrich Georges Berliner Schauspielertheater im Friedrich-Wilhelmstädter-Theater (undatiert; Mitte, Ende Oktober 1923; BBA Z 2/20): Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
lieber alexander granach, NB 16 ich schreibe das Ihnen weil ich Ihnen am nächsten stehe aber es ist für euer theater ich lese im börsenkourier plötzlich dass ihr den edward aufführt den ich seit drei wochen bearbeite weil ich ihn hier an den kam- merspielen aufführen will es ist ein gutes stück aber ihr werdet euch verdammt hart tun mit d der mitte sie hat m[i]einer mutter sohn ein saures stück arbeit gekostet u[d]nd euch wird sie mehr schweiss kosten als ihr irgendwo habt verlasst euch drauf das lyrische ist grossartig aber das andere ist sehr alt und das werdet ihr bald merken also seid nette leute und lasst den [¿¿¿]armen edward mir über denn ich will ihn selber gern inscenieren hier und in berlin es ist ein ganz neues stück und ich schlage euch damit an die wand mit eurer alten übersetzung so sicher als ich lebendiger bin als Dein urgrossvater alexander gegen den ich sonst nichts sagen will um das manuscript braucht ihr mir allerdings nicht zu schreiben wenn ich es nicht selber inscenieren kann das werdet ihr mir nachfühlen können ich gebe es dann nicht her hoffentlich seh[r]t ihr auch ein dass dieser brief und vorschlag nicht gegen 〈den Regisseur Karl-Heinz〉 martin gerichtet ist keineswegs und damit grüsse ich Sie herzlich und brüderlich Ihr brecht Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 Zu Arbeitsphase (3): Ende Dezember 1923 schrieb Brecht aus München an Helene Weigel (undatiert; BBA E 12/71): ich habe kontraktlich zwei stücke 〈»Eduard der Zweite von England« und »Im Dickicht der Städte« oder »Gösta Berling« für den Kiepenheuer Verlag〉 druckreif zu machen bis mitte januar, mit dem deutschen theater zu verhandeln in berlin 〈über seine Anstellung als Dramaturg und/oder die Inszenierung von »Im Dickicht der Städte«〉 selbst die edwardinscenierung hier 〈an den Münchener Kammerspielen〉 vorzubereiten für 20. januar u s w u s w Zu Arbeitsphase (5): Frank 1960, 269 erinnert sich: Während der vielen Proben dichtete Brecht immerzu um und neu, diktierte mitten in der Szene der Direktionssekretärin Domker neue Passagen. Reich 1966, 4 erinnert sich: Da war aber noch der junge Eduard zu besetzen. Diese Rolle mußte ein junger Bursch spielen. Weit und breit war kein passender Schauspieler zu sichten. Also eine junge Schauspielerin. Im Theater gab’s einige davon, sie waren niedlich und piepsten. Ein niedlicher, piepsiger Eduard, der den Liebhaber seiner Mutter in den Tower bringt und die eigne Mutter verschickt – undenkbar. Da schlug Brecht vor, Anna Lazis möge die Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 Rolle versuchen. Sie gab zu bedenken, daß ihr Deutsch einen stark lettischen Akzent habe. »Das macht nichts,« meinte Brecht kategorisch. »Deutsch mit Akzent, aber die Ge- stalt bringe, ist besser als ein falscher Darsteller, der ein tadelloses Bühnendeutsch spricht. Schließlich probieren wir bloß aus, ob Ihnen die Rolle liegt.« Die Lazis sprach einige Verse vor. Brecht: »Sie haben die nötige Härte und Schärfe. Das fremdartige Deutsch ist sogar nützlich.« Rudolf Frank war strikt gegen diese Besetzung (Frank 1960, 272): Ich versuchte das Äußerste, beleidigte die Dame derart, daß jede andere uns das Röll- chen vor die Füße geschmissen hätte. An ihrer Elefantenhaut prallte alles ab, als ich sie Kuh, Katastrophe, Kammerspiel-Ruin nannte. Lacis fiel bei der Uraufführung durch und wurde in den folgenden Aufführun- gen durch Marianne Oswald ersetzt (→ Weisstein 1970, 199f. unter Berufung auf Allgemeine Zeitung, 22. März 1924). Asja Lacis erinnert sich (Lacis 1976, 41f.): Er erzählte von seinem Inszenierungsplan für »Eduard II.« und sprach über die Solda- tenszenen. Ich meinte – man müsse alle Soldaten weiß schminken, und sie müßten unter Kriegstrommeln mechanisch marschieren wie Marionetten. Das gefiel Brecht sehr gut, und er machte mir sofort den Antrag, bei ihm als Assistent mitzuarbeiten. Ich probierte Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 die Massenszenen. Ich habe versucht, die Statisten in einen festen Rhythmus zu brin- gen. Ihre Gesichter sollten unbewegt und gedankenlos sein. Sie wußten nicht, warum sie schießen und wohin sie gehen. Das war meine Konzeption. Doch fehlte etwas an den Soldatenszenen. Valentin, der einer Probe beiwohnte, meinte: »Blaß sind’s. – Furcht haben’s.« Brecht setzte noch hinzu: »Müde sind’s.« Jetzt war alles in Ordnung – die Sze- nen bekamen eine Farbe mehr. Brecht führte merkwürdig Regie. Er arbeitete ungewöhn- lich genau, einen Tonfall und eine Bewegung, die ihm wichtig schienen, konnte er un- endlich oft wiederholen – er blieb dabei immer höflich und geduldig, pöbelte niemals die kleinen Schauspieler an. Er wollte, daß sich in jeder Bewegung der ganze Charakter aussage: Er formte Dialog und Vers anders, als die Schauspieler es gewohnt waren. Er wollte ihnen das Verschwommene, Nebelhafte, das Allgemeine abgewöhnen. Das war schon der Anfang des gestischen Sprechens. Für die Schauspieler war die Arbeit mit ihm schwer, weil Brecht immer etwas Neues vorschlug und ihnen sogar während der Gene- ralprobe | neue Texte zusteckte. Aber seine schöpferische Kraft überwältigte sie, und sie arbeiteten interessiert und geduldig. Er gab mir den jungen Prinzen Eduard zu spielen. Ich erinnere mich, wie er mit mir die Stelle »Gott gebe ihnen Erlaß zu dieser Stunde …« durcharbeitete. Ich sollte ganz monoton mit langsamem Crescendo sprechen und nach dem höchsten Punkt plötzlich abfallen. Ich habe noch nie auf der Bühne Geschichtsdramen in einem so betont einfachen Stil ge- sehen. Mit Caspar Neher baute Bert eine Dekoration ohne opernhaften Prunk, auch die Kostüme des Königs und der Lords waren aus einfacher Sackleinwand, und die Schau- spieler sollten ohne das Pathos der offiziellen Personen sprechen. An Brecht, dem Regis- seur, gefiel mir seine Fähigkeit, kollektiv zu arbeiten. In München bildete sich um Brecht eine Arbeitsgruppe: Feuchtwanger, Caspar Neher, Reich und ich, mit der er systematisch die Ergebnisse der laufenden und die Aufgaben der kommenden Proben beriet. Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 Brecht war eine auffallende Erscheinung unter den Theaterleuten. Äußerlich hatte er nichts von einem ›Artisten‹ – er trug einen grauen Sportanzug ohne Krawatte und nie- mals einen Hut, sondern eine Schirmmütze. Er kannte keine glatten weltmännischen Manieren – manchmal war er ungeschickt und sogar verlegen. Er sprach leise, sehr sel- ten schrie er, aber wenn – dann schrie er so schrill, daß es einem durch Mark und Bein ging. Auf Brechts Leben Eduard des Zweiten von England ging Ihering in zwei Thea- terkritiken ein; in Eduard der Zweite. Eröffnung des Schauspielertheaters (über Marlowes Eduard II., in Berliner Börsen-Courier, 3. November 1923; zit. nach: Ihering 1958, 1, 352): (Es wäre nicht schwer, auf innere Zusammenhänge zwischen Marlowe und Brecht hin- zuweisen. Es ist kein Zufall, daß Brecht »Eduard II.« bearbeitet.) und in Toller und Brecht. Zu zwei Leipziger Aufführungen (über Brechts Baal; Berliner Börsen-Courier, 10., 11. Dezember 1923; zit. nach: Ihering 1958, 1, 359f.) Brecht entzündet sich an Marlowes »Eduard II.« – und ist doch in jedem Zug schöpfe- risch. […] Und wie Brecht in »Leben Eduards II.« aus dem Tragödienbündel von Mar- lowe die eine Tragödie gewinnt, wie er aus dem einen Motiv, der Liebe Eduards zu Gave- ston, das Schicksal des Königs sich erfüllen läßt, wie der Kampf immer weitere Kreise Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 zieht, wie er »in den Lüften weitergeht«, wie aus der Gaveston-Handlung Mortimer und die Königin als Hauptgestalten und Träger der Gegenaktion hervorwachsen und unmerkbar die Gedanken des Königs zu dem schon toten Gaveston zurückgetrieben werden – das zeugt von einer wachsenden dramaturgischen Einsicht, die nur auf Grund des zentralen Erlebnisses gewonnen werden konnte. Zu Arbeitsphase (4) und (5): Wohl im Januar oder Februar 1924 schickte Brecht eine erste Druckvorlage an den Gustav Kiepenheuer-Verlag in Potsdam, die von der endgültigen Fassung noch deutlich abwich (→ Weisstein 1970, 200–210). Im dieser Zeit kam es zwischen Brecht und Feuchtwanger zu einem Streit über die Benennung von dessen Mitarbeit, in dem sich Ihering als Vermitt- ler engagierte. Nach einigem Widerstand (→ Brecht an Ihering, undatiert, BBA Z 2/147; Mitte Februar 1924) akzeptierte Feuchtwanger Brechts Vorschlag, den dieser Ihering Ende Februar, Anfang März in einem undatierten Brief mit- teilte (BFA 28, 210): ich danke Ihnen für die Briefe an Feuchtwanger Auf dem Titelblatt wird nur mein Name stehen, auch auf Theaterzetteln Auf der zweiten Buchseite aber: »Dieses Stück schrieb ich mit Lion Feuchtwanger. b.b.« Das ist gut, wie? Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 Im Berliner Börsen-Courier erschienen am 2. März 1924 Auszüge aus dem Thea- terstück. Zu Arbeitsphase (8): Der Erstdruck weicht von der ersten Fassung und den Vorabdrucken (Arbeitsphasen 3 und 4) deutlich ab. Er enthielt auf einer eigenen Seite den Hinweis, auf den sich Brecht und Feuchtwanger Ende Februar, Anfang März geeinigt hatten (→ oben zu Arbeitsphasen [4] und [5]). Aus Anlaß der Aufführung des Theaterstücks in Köln (Premiere: 20. Mai 1926; Regie: Ernst Hardt) schrieb Brecht am 30. Mai 1926 an Herbert Ihering (BBA Z 2/151–152): lieber herr ihering, wenn es Ihnen irgend möglich ist, dann bringen Sie bitte diese Zeilen so hervorstechend wie möglich. es ist außerordentlich wichtig, daß die wenigen Leute, die im Reich für uns arbeiten, wenn Sie gut arbeiten, gerade im Börsen Courier gewürdigt werden. Die Aufführung unter Hardt war, obgleich mir nicht gemäßem Stil in einem mir vielleicht zu monumentalen Stil eine der besten und möglichsten Aufführungen, die ich je von 1 mei- ner Stücke gesehen habe, 〈Lothar〉 Müthel vollkommen erstaunlich!!! ein Fressen für Sie! Mit besten Grüßen Ihr bert brecht ich schreibe dies im zug nach paris! Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 Die folgende, dem Brief beiliegende Selbstkritik Brechts wurde nicht publi- ziert: Angesichts der babylonischen Stilverwirrung des zeitgenössischen Theaters sollte es dem dramatischen Schriftsteller, ebenso wie dem Ingenieur, der in Fachschriften über techni- sche Auswertungen seiner Arbeiten berichtet, erlaubt sein, auf wesentliche Aufführun- gen seiner Stücke hinzuweisen. In der 2 1/4 stündigen, die geistige Struktur des Stückes vorbildlichen ausleuchtenden musischen Inszenierung der Historie „Leben Edwards II von England“ durch den Dichter Ernst Hardt in Köln wurde, keineswegs unerwartet, die eminente Bedeutung des Schauspielers Lothar Müthel für die zeitgenössische Dramatik deutlich sichtbar. Vollkommen sachlich, Seine großartige schauspielerische Anmut ge- stattet ihm, vollkommene Sachlichkeit und, in jedem Augenblick kontrollierbar, führte er die schwer übersehbare Lebenskurve de[r]s Titelfigur Edward schwer übersehbar in aller Deutlichkeit, beinahe physikalisch arbeitend, vor. Die Sterbeszene von elfenbeiner- ner Majestät . . Bert Brecht Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 10r–11v.8 ermahnung an unsern sohn k. k. […] können. BFA 21, 105f. bzw. 630 liest 10r.1 fälschlich »Verweisung« bzw. »Anweisung« statt »ermahnung«, 10v.9 »fest« statt »schlau«, 10v.10–11 »stinktriefend« statt »tintetriefend«, 10v.18–19 »Ihre« bzw. »der« statt »deine«, 10v.20 »Kraus, ruhen lassen.« statt »kraus ohne ß« und 11r.2 »Sie es« statt »es Sie«. Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 12v.1–6 sie haben mir weiber ins bett […] mich BFA 13, 283 faßt die allenfalls zum Teil lyrischen Notate mit der Eintragung auf der Folgeseite fälschlich zu einem Gedichtentwurf zusammen. Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 16v wenn er nicht ruhe gibt, […] vernunft annehmen. Trotz ähnlicher For- mulierungen – 16v.3–4 »die zeiten des mitleids und der du〈l〉dung«; → 17r.2 »in diesen zeiten« – besteht wohl kein Zusammenhang mit dem Entwurf für Galgei/ Mann ist Mann auf der gegenüberliegenden Seite. Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 18v.10–4 die sterne stehn am firmament […] hüben BFA 13, 283 liest Z. 8 fälschlich »den er« statt »den es«. Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 20r.1–18 5 \ gebt acht der nächste todesfall […] leid BFA 13, 284 liest Z. 16–18 fälschlich vereindeutigend »er sagt, sie tut ihm leid«: Die zuerst eingetragene Änderung »da schweigt der neid« ist nicht gestrichen. Von den verschiedenen Eintragungen auf Bl. 19v gibt BFA 13, 504 unausgewiesen nur Z. 5 »eine frau ver- schwindet« (ohne das zugehörige »sie« in Z. 6) wieder und spekuliert, daß diese als »Überschrift für das geplante (ganze) Gedicht« gedacht gewesen sein könnte; das ist ebenso auszuschließen wie die Behauptung, Brecht habe »nur diese bei- den Strophen ausgeführt«; die Strophen 1, 2, 4 und ggf. der Titel waren auf den zwischen Bl. 19v und 20r herausgeschnittenen Blättern enthalten. Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 21r–20v.9 Roman \ 1 \ abends sieben uhr […] und xx. BFA 17, 418 liest 21r.9 fälschlich »sieben« statt »2«, 21r.7 »heruntereilend« statt »herunter reitend«, 21r.1 »Ton« statt »tone« und 20v.11 »Lareuve« statt »Laveuve« sowie in BBA 10414/11r fälschlich »Plans« statt »glacis.« Historischer Hintergrund sind die drei Feldzüge Karls des Kühnen zur Er- weiterung seines Machtbereichs, bei denen er allesamt verheerende Niederlagen erlitt: zunächst bei Grandson (2. März 1476) und Murten (22. Juni), ehe er bei Nancy selbst ums Leben kam (5. Januar 1477). Die Benennung Karl (der Kühne) von Anjou (21r.16–15; BBA 10424/11) ist historisch nicht korrekt: Zwar war Karl der Kühne in erster Ehe mit Katharina von Valois, einer Tochter Karl VII. und Marie von Anjou, verheiratet, trug aber nicht den Titel Graf von Anjou. Ein Be- zug auf einen anderen Karl, z. B. Karl I. von Valois, Graf von Anjou und Maine, läßt sich ausschließen. Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 21v ich freue mich, […] würdig ist. BFA 21, 106 liest 21v.7 »uns« statt »uns« (der als Unterstreichung von »uns« gelesene Strich ist der verrutschte Strich des zweiten »t« von Z. 8 »theater«). Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 22r–22v.4 alexander und seine soldaten […] gab. BFA 10, 319 liest 22v.3 fälsch- lich »es« statt »er« und faßt die beiden separaten Eintragungen 22r.9–20 und 22v.1–4 zu einer zusammen; BFA 10, 319f. verteilt im weitgehend (nicht, wie BFA 10, 1085 schreibt, vollständig) interpunktionslosen Typoskript BBA 520/33 will- kürlich Satzzeichen und liest fälschlich »knochener« statt »knochenloser« so- wie »Aufstehns« statt »aufstehens«; die Emendation »unserer hand« zu »unsere Hand«, die Änderung der Ordinalzahlen »1.«, »2.«, »3.« in die Kardinalzahlen »1«, »2«, »3« und die Streichung von »2.« vor der abschließenden Versrede Alex- anders erfolgen unausgewiesen. Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 25v–30r.2 ist geht er schneller. […] jetzt wo es schlecht ist Die Erläuterung in BFA 10, 1089, der Entwurf enthalte »mehrere Umstellungsmarkierungen, die nicht in allen Fällen zweifelsfrei nachvollziehbar sind und deshalb unberück- sichtigt bleiben«, ist falsch: Der Entwurf enthält nur zwei Umstellungsmarkie- rungen, von denen die eine (28v.16) eindeutig ist und in BFA 10, 322 auch berück- sichtigt wurde; die zweite (25v.11–6) ist deutbar, die zugehörige Eintragung 25v.10 jedoch eindeutig nicht zum 4. Akt gehörig, dem sie BFA 10, 323 unausgewiesen zuweist. Die Zusammenfügung des Aktkonzepts (28v.10–25v.14) mit den übrigen Entwürfen (26v–28v.9) zu einem einzigen ist falsch, die direkte oder indirekte Verbindung der Entwürfe untereinander (durch Setzung von oder Verzicht auf Leerzeilen) willkürlich. Die Textkonstitution von 26v.17–20 »er sitzt auf dem elektrischen Stuhl und stirbt im Frühjahr \ Er bittet Gott, er möge den Mann […] erinnern« ist falsch: »im frühjahr« ist nach »den mann« über der Zeile ein- gefügt. Die Textkonstitution von 27r.11 »Ist der Wald jetzt gelb« ist falsch: Brecht schrieb zuerst »halte ein! ist der wald ge« und korrigierte dann zu »halte ein! wie ist der wa〈l〉d? \ der wald ist gelb«. BFA 10, 324 liest 28v.4 fälschlich »müßte« statt »mußte« und übersieht den Punkt nach 29v »manhattan«. An Stelle der unausgewiesen weggelassenen Formulierungsvariante 30v.1–2 bringt BFA 10, 323 entgegen der eigenen sonstigen Gepflogenheiten die frühere Version (25v.12–14). Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 29r.1–8 Hindemith \ – 1. sept. […] große rittergasse 118 Zur Datierung des Briefs an Marianne Zoff (BBA E 20/156): Der Brief wurde wohl nicht erst im Januar oder Februar 1925 verschickt (so BFA 28, 220), sondern nach Mitte Sep- tember 1924. Brechts Mitteilung: »du bekommst vom ersten geld, das das theater mir gibt«, bezieht sich wohl auf Brechts Anstellung als Dramaturg am Deut- schen Theater Berlin Anfang September 1924. Wann er von dort Geld erhielt, ist unklar. Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 26r sie: \ und teilen tisch und bett […] bestimmen. Für die Einordnung des Entwurfs in die Entstehungsgeschichte des Stückprojekts Eine Familie in der Savannah sprechen die Gesprächssituation (eine Frau spricht mit ihrem Mann über ihre Ehe), Stil und die freie Versstruktur. Für die Einordnung als erster Beleg spricht, daß die Figur hier noch namenlos ist, für die Nicht-Zugehörig- keit zum Fleischhacker-Projekt im gleichen Notizbuch, in dem es ebenfalls um Marktmechanismen geht, spricht, daß Brecht den Entwurf bei umgedrehtem Notizbuch eintrug. Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
NB 16 30r.10–3 engel gewichtsverteilung, klärung […] kontrapunkt Über Engels Inszenierung von Shakespeares Coriolan (Deutsches Theater, Berlin; Premiere: 27. Februar 1924) schrieb Brecht wohl 1927 (BBA 156/17–18; → BFA 21, 196f.): D e r P i s k a t o r s c h e V e r s u c h. Ausser in Engels entscheidend wichtiger Coriolaninszenierung wurden die Versuche zum epischen Theater nur vom Drama her un- ternommen.[…] | 2 Hier hat Engel für das epische Theater Punkte gesammelt. Er gab die Geschichte des Coriolan so, dass jede Szene für sich stand und nur ihr Ergebnis für das Ganze benützt wurde. Im Gegensatz zum dramatischen Theater, ¿¿¿¿ wo alles auf eine Katastrophe hinsaust, also fast das Ganze einleitenden Charakter hat, stand hier die Totalität, unbewegt, in jeder Szene. Bertolt Brecht, Notizbücher (EE F) Letzte Änderung: 13. August 2021
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