Kultur der Aufmerksamkeit - für Weltoffenheit und Demokratie - Bistum Magdeburg
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Inhalt 05 VORWORT 12 GESPRÄCHE – DIE AUFGABE 22 HINSEHEN. HINHÖREN. 38 GEBETE, LIEDER UND Von Bischof Dr. Gerhard Feige DER KIRCHE HANDELN. GEDENKTAGE Über den Umgang mit unterschiedlichen Oft unterm Radar, aber hier mit der Kraft So holen wir die Kultur der Aufmerksamkeit Sichtweisen in christlichen Pfarreien und der Stimme: Menschen, die geholfen haben ins Hier und Jetzt 06 CHRISTSEIN IM ANGESICHT Gruppen DES ANDEREN Von Christine Böckmann 32 KLEINE METHODEN, 42 ANGEBOTE UND KONTAKTE Der Mensch baut auf und zerstört, doch im Angesicht des Anderen offenbart GROSSE WIRKUNG Bischöfliche Fachkommission, Flüchtlingshilfe, sich das Christsein 18 STRUKTUREN IN Gemeindeberatung, Katholische Erwachsenen- Zwei Tools, um auch bei strittigen Positionen bildung, Weltkirche – hier finden Sie Hilfe, Von Dr. Friederike Maier BEWEGUNG? miteinander ins Gespräch zu kommen – und Bildungsangebote und Beratung im Gespräch zu bleiben Über Zwänge und Widerstände auf dem Weg einer Beteiligungsförderung 10 EIN IMPULS AUS DER Von Susanne Brandes 46 PUBLIKATIONEN, PORTALE, 36 WAS TUN GEGEN MYSTIK PLATTFORMEN RECHTSEXTREMISMUS? Was wir alle von der Magdeburger Ausgewählte Bücher, Artikel, Mystikerin Mechthild lernen können Die 11 besten Antworten und Tipps – Download-Links und Internetseiten – eine Checkliste Von Prof. Dr. Hildegund Keul Tipps, um sich auf den Stand zu bringen 2 Kultur der Aufmerksamkeit Kultur der Aufmerksamkeit 3
Vorwort Von Bischof Dr. Gerhard Feige „In Deutschland hat sich eine neue rechte Bewe- gung etabliert“, so hieß es in der Einladung zu einer Tagung, die im Herbst 2017 in Magdeburg stattfand. Diese Bewegung greift die Stimmung all derer auf, denen die Zuwanderung von geflüchte- ten Menschen Angst macht und die sich vor einer angeblichen „Überfremdung“ unserer Kultur fürchten. In unserer Region spricht sie darüber hinaus auch all diejenigen an, die sich „abgehängt“, zu kurz gekommen und entwurzelt fühlen. Rechtspopulistische Positionen, in denen sich derzeit nicht wenige Menschen wiederfinden, stellen jedoch die grundlegenden Werte des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft in Frage. Erst recht sind sie mit dem christlichen Glauben unvereinbar. Gott ist weder ein Kulturgut noch ein Nationalgott. Und in der prophetischen Tradition des Alten und Neuen Testaments stehen gerade die Opfer rechtsextremistischer Gewalt im Mit- telpunkt: die Fremden und Verfolgten. Dies ist eine geradezu kopernikani- sche Wende in der Kulturgeschichte: Die Fremden soll man nicht nur nicht unterdrücken, sondern sogar lieben wie sich selbst. Die Absage gegenüber jeder Art von Fremdenfeindlichkeit ist deshalb für Christinnen und Christen nicht verhandelbar. Wir haben den Auftrag, zusammen mit anderen nach menschenfreundlichen und konstruktiven Lösungen zu suchen. Ich bin dankbar, dass wir im Bistum Magdeburg schon seit längerem auf diesem Weg sind. Seit vielen Jahren gibt es Initiativen, in denen Men- schen gegen rechtsextreme Tendenzen aufbegehren, unbürokratische Hilfe für Geflüchtete leisten, für die Menschenwürde und die Menschenrechte eintreten und die Demokratiefähigkeit der Menschen stärken. Einige Bei- spiele dieses Engagements finden sich in der vorliegenden Broschüre. Diese Broschüre will all diejenigen ermutigen und unterstützen, die sich in Pfarreien, Gruppen und als Einzelne für eine solidarische Zivil- gesellschaft und eine neue Kultur der Mitmenschlichkeit einsetzen. Dem dienen sowohl die einzelnen Artikel, in denen verschiedene Aspekte und Voraussetzungen eines solchen Engagements beleuchtet werden, als auch die zahlreichen praktischen Tipps und Hinweise am Ende der Broschüre. Ich danke allen, die diese anregende und hilfreiche Broschüre erarbei- tet und ermöglicht haben und wünsche ihr viele aufmerksame Leserinnen und Leser. Kultur der Aufmerksamkeit 5
„Was ist der Mensch, dass Du an ihn denkst, stündliche Entscheidung, dem Guten und Aufbauen- was ist das Kind eines Menschen, dass Du es den den Vorrang vor dem Zerstörerischen oder Trost- lieb hast? Du hast ihm fast die Würde eines losen zu geben. himmlischen Wesens gegeben. Mit Schönheit E Diese grundsätzliche Unberechenbarkeit des Men- und Adel hast Du ihn gekrönt.“ schen ist manchmal schwer auszuhalten, vor allem in Staunen liegt in diesem Psalmvers: ein wenn es um sein Gewaltpotenzial geht. Im alltägli- Staunen über die Größe und Würde, die chen Umgang aber sind die Achtung vor dem Nächsten Christsein dem Menschen gegeben ist, und ein Staunen und die Akzeptanz, dass er nie vollständig verfügbar über Gott, der dem Menschen solches Anse- oder berechenbar ist, die Voraussetzung für Liebe. „Du hen schenkt. Die besondere Würde des Menschen wird sollst dir kein Bild machen“ (Ex 20,4) – dieses Gebot auch an anderen Stellen in der Bibel betont. So wird ist auch für den mitmenschlichen Umgang wichtig, um im Angesicht sie in der ersten Schöpfungserzählung mit der Gott den anderen nicht einzuengen, zu überhöhen oder zu ebenbildlichkeit ausgedrückt: „Gott schuf also den unterdrücken. Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er So ist der Mit-Mensch nah und fern, vertraut und des Anderen ihn. Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27). Dieser geheimnisvoll zugleich. Eine tiefer gehende Begeg- bereits in der ägyptischen Königstheologie bekannte nung ist durch den gegenseitigen Anblick möglich. Topos der Ebenbildlichkeit ist hier von revolutionärer Das betont die Philosophin Edith Stein in ihrer phä- Kraft, da er für alle gilt: Jeder Mensch, egal welchen nomenologischen Untersuchung „Der Aufbau der Geschlechts oder welcher Herkunft, ist nach Gottes menschlichen Person“: „Wenn zwei Menschen einan- Bild geschaffen. Als Ebenbild ist er zugleich ein Gegen- der anblicken, dann stehen ein Ich und ein anderes Ich Der Mensch baut auf und zerstört. Doch über Gottes, von ihm geliebt und zur Liebe bestimmt. einander gegenüber. Es kann eine Begegnung vor den im Angesicht des Anderen, im Fremden Er existiert in Beziehung zu Gott und zu seinen Mit- Toren sein oder eine Begegnung im Innern. Wenn es menschen, ist mit Vernunft und Freiheit begabt und eine Begegnung im Innern ist, dann ist das andere Ich und Geheimnisvollen, offenbart sich dazu beauftragt, Verantwortung für sich, den anderen ein Du.“ Für Emmanuel Lévinas, ebenfalls Phänome- das Christsein, das das Böse nicht und die Welt zu übernehmen. nologe, offenbart sich die „Spur des Unendlichen“ im Doch zugleich weiß die Bibel um die Schattensei- Anblick des Anderen und macht diesen unendlich kost- ausblendet und sich am Guten erfreut – ten des Menschen: Als geschaffenes Wesen ist er auch bar. Das zwingt in eine strikte Verantwortung für ihn. und niemals aufhört zu staunen. abhängig, schwach, bedroht, und er kann für andere In seiner Schrift „Totalität und Unendlichkeit“ betont zur Gefahr werden. Am Beispiel des Sündenfalls, des er: „Ich sehe, dass er mich ansieht, und er sieht so auch Von Dr. Friederike Maier Brudermords von Kain an Abel, der Eifersucht Sarahs mich. In seinem ‚Antlitz‘ zeigt sich eine unendliche auf Hagar, des Verrats Jakobs an Esau und in vielen Fremdheit, aus der mich die ganze Menschheit anblickt anderen Erzählungen wird fast von Beginn an die Dra- und sagt: ‚Du wirst keinen Mord begehen.‘“ Fremd- matik des Menschseins dargestellt. Und so gesellt sich heit ist bei Levinas positiv konnotiert: Der Andere, der zum Staunen über die Schönheit des Menschen der Fremde, erinnert mich an das Unendliche, an Gott, an Schrecken über seine Abgründe. Auch wenn beides das Geheimnis. Daraus entsteht der Imperativ, dass ich kaum zusammenzubringen ist, liegt darin die Stärke dem anderen keine Gewalt antun darf und dass er – biblischer Erzählungen: Sie sind gesättigt von Erfah- wie ich – persönliche und soziale Grundrechte hat. rungen im Miteinander und verschweigen nur allzu Menschliches nicht. Bis heute besteht diese Spannung: Menschen IN UNSERER ZEIT haben verschiedene Seiten und können unterschiedli- WIRD OFT VERSUCHT, che Gesichter zeigen. Von außen ist oft nicht zu beur- teilen, was in einem Menschen vor sich geht. Personen, DAS FREMDE ZU für die man die Hand ins Feuer gelegt hätte, können (VER-)MEIDEN. Täter werden. Und Menschen, die argwöhnisch beäugt werden, weil sie irgendwie „anders“ sind, können Zum einen scheint es das Fremde durch Reisefrei- sich als Retter in der Not erweisen. Wer ehrlich mit heit, Globalisierung und Internet gar nicht mehr zu sich selbst ist, weiß um die eigenen Schattierungen geben. Bestimmte Marken setzen sich weltweit durch, der Gefühle und Stimmungen, kennt in sich Missmut, die unterschiedlichen Kulturen vermischen sich immer Aggression oder gar Hass ebenso wie Dankbarkeit mehr und die Möglichkeit, überall auf der Welt nach und ungetrübte Freude. Es ist eine tägliche, manchmal den eigenen Gewohnheiten zu leben, steigt. Zum 6 Kultur der Aufmerksamkeit Kultur der Aufmerksamkeit 7
anderen wird das Fremde, der mir fremde Mensch, neuen Herausforderungen lebt. Wichtig ist dabei, dass oft als Bedrohung empfunden, da er unsicher macht sich Menschen als wirkmächtig erfahren, die Umwelt und aus der Bequemlichkeit des Bekannten heraus- zu gestalten, und so Hoffnung und Offenheit für die holt. In der Folge werden Menschen abgewehrt statt Zukunft gewinnen. geachtet: Sie werden nicht als Individuum betrachtet, Für Christinnen und Christen ist das Handeln sondern eingruppiert, abgewertet, um auszugrenzen. Jesu Vorbild. Er sieht die Licht- und Schattenseiten der Das Fremde und Befremdliche, das diese Reaktionen Menschen, er erkennt ihre Not und verurteilt nicht, auslöst, kann in einer anderen Hautfarbe, Nationalität, sondern richtet auf. Er schenkt Vertrauen und Lebens- Kultur, Religion, Lebensform, sexuellen Orientierung mut. Jesus zielt – wie Papst Franziskus betont – nicht oder politischen Ansicht gesehen werden. auf Ausschluss, sondern auf Integration. Dabei ruft er Natürlich kann im Umgang mit Menschen Vor- im Umgang miteinander immer wieder zu Vergebung sicht geraten sein. Aber eine Vorsicht, die abwägen und Umkehr auf. „Kehrt um und glaubt an das Evan- und differenzieren kann; eine Vorsicht, die bereit ist, gelium!“, so lautet die Botschaft Jesu bei seinem ers- jedem Menschen das Gute zuzutrauen. Wo Differen- ten öffentlichen Auftreten in Galiläa (Mk 1,15). „Denkt zierung und Unterscheidung ver- darüber hinaus“, „denkt weiter“, loren gehen, entstehen pauschale könnte man das griechische Wort Urteile, wachsen Populismus, „Metanoeite“ wörtlicher übersetzen, Fundamentalismus und Extre- „und glaubt an die Frohe Botschaft“. mismus. Die wiederum können In einer schwierigen Situation tödlich sein. Unsere Gesellschaft gefangen, ohne Hoffnung auf eine braucht dagegen einen offenen Lösung, wütend oder mutlos, lohnt Dialog mit einer Diskussions- und es sich demnach innezuhalten. Was Streitkultur, die den anderen nicht treibt mich um? Was lässt mich unterdrückt, sondern in seinen nicht zur Ruhe kommen? Könnte unterschiedlichen Anschauungen Dr. Friederike Maier man die Situation auch anders respektiert. Zugleich benötigen betrachten? Der Ruf zur Umkehr wir eine gemeinsame Anstren- ist gebürtige Heidelbergerin, leitet seit ist ein Appell, sich in schweren gung, Meinungen durch den Dis- 2015 den Fachbereich „Pastoral in Kir- Zeiten zu erheben und nach neuen kurs, durch sachliche Informati- che und Gesellschaft“ im Bistum Mag- Wegen Ausschau zu halten, wei- onen und durch die Fähigkeit zur deburg. Davor war sie gut sieben Jahre ter, großherziger und umfassen- Empathie zu bilden. Wir brauchen als Pastoralreferentin an der Katholi- der zu denken. Dadurch vermeidet eine Wachsamkeit für Übergriffe schen Hochschulgemeinde in Karlsruhe der christliche Glaube Vorurteile, und Angriffe auf die Menschlich- tätig, als geistliche Mentorin in der gesteht jedem Menschen Ansehen keit und einen deutlichen Einsatz Kirchlichen Studienbegleitung sowie und einen unbedingten Wert zu gegen jede Form der Gewalt. Wir als geistliche Begleiterin bei Ferienaka- und fördert eine Aufmerksamkeit, brauchen eine Gesellschaft, die sich demien und Graduiertentagungen im die das Schwere nicht ausblendet, an ihre demokratischen Grund- Cusanuswerk. 2008 promovierte Dr. aber auch das Schöne wahrnimmt werte erinnert und sie auch in den Friederike Maier in Freiburg (Breisgau). und nicht aufhört zu staunen. ◆ ◆ ◆ 8 Kultur der Aufmerksamkeit
Ein Impuls SICH SELBST UND ANDEREN aus der Mystik REINEN WEIN EINZUSCHEN- wie es im Mittelhochdeutschen KEN, DAS HÄLT die Kinder gemeinsam die Schule Die Kultur der Aufmerksamkeit entdecken und entwickeln: heißt: vor Mangel und Gebrechen MECHTHILD FÜR besuchen, wo man shoppen geht Dafür können die Magdeburgerinnen und Magdeburger auf bis hin zum Zusammenbruch. BESONDERS oder Erholung sucht. Alle Tage Aber dieser Selbstschutz soll haben wir die Möglichkeit, eine ganz eigene Quellen zurückgreifen. Denn im 13. Jahrhundert in Verbindung stehen zu dem, WICHTIG. Kultur der Aufmerksamkeit zu hat hier die Mystikerin Mechthild (* 1207) gelebt, die als was man für andere Menschen initiieren. tut. Mechthild nennt die Aufmerksamkeit für andere Bedeutet das nun, dass das Vier-Augen-Gespräch einziger Mensch mit dem Beinamen „von Magdeburg“ „liebevoll“, denn hier kommt es auf die innere Hal- ausreicht und damit eine öffentliche Debatte nicht mehr weltberühmt wurde – eben weil sie sich für ihre Mitmenschen tung an. Natürlich kann man andere Menschen voller notwendig ist? Nach Mechthild keinesfalls. Das persön- Misstrauen beobachten, um herauszufinden, wo sie liche Gespräch, wo man sich reinen Wein einschenkt, ist stark machte. Schwächen haben und Fehler machen. Aus einer sol- ein Eckstein, aber nicht die ganze Kultur. Die Mystikerin chen Haltung heraus entsteht das Ressentiment: Man hat die öffentliche Wirksamkeit selbst praktiziert, als sie Von Prof. Dr. Hildegund Keul stellt die Schwächen der anderen groß raus, um selbst in ihrem Buch sehr deutlich Kritik an den Zuständen in gut dazustehen. In der Politik oder auch in vielen Talk- Kirche, Gesellschaft und Politik übte. Damals wollten ihr E shows herrscht ein solches Verhalten, das Misstrauen daraufhin einige Menschen den Mund verbieten und sie schürt und Menschen gegeneinander positioniert. Das zum Schweigen bringen. Mechthilds Antwort auf diese s war ihre Mystik, dank derer sich Mecht- In Zeiten des Postfaktischen und tiefer gesell- ist jedoch nicht Sache der Mystik. Attacken lautet: „Die Wahrheit kann niemand verbren- hild im Hochmittelalter sozial engagierte schaftlicher Gräben ist dieser Satz eine Provokation. Aber „liebevoll“ heißt auch nicht, dass man um des nen“ (FLG II, 26). ◆ ◆ ◆ und in öffentliche Belange einmischte. Aus Aufmerksam sein; wirklich hinschauen auf das, was lieben Friedens willen der Wahrheit ausweicht und eigener Erfahrung und aus den Gesprächen sich zeigt; sich den Veränderungen unserer Zeit stel- leichtsinnig über das hinwegschaut, was falsch läuft. mit ihren Mitmenschen kannte sie die Schwierigkeiten len, auch wenn sie uns nicht zupasskommen. Nur Vielmehr gilt es, offen zu benennen, wo Fehler pas- und Chancen des freiwilligen, heute würden wir sagen wenn man sich der Wirklichkeit stellt und die Wahr- sieren, wo verschwiegene Konflikte brodeln und wo „bürgerschaftlichen“ Engagements. Es ist nicht immer heit zu sagen versucht, kann man das Zusammenle- krasses Unrecht geschieht – „missetun“ heißt es im leicht, das richtige Maß zu finden und das zu tun, was ben friedlich und möglichst gerecht gestalten. Beides, Mittelhochdeutschen. Sich selbst und anderen reinen eine Gemeinschaft wirklich weiterführt. In ihrem Buch die Aufmerksamkeit für sich selbst und die für andere, Wein einzuschenken, das hält Mechthild für besonders „Das fließende Licht der Gottheit“ schreibt Mechthild: sind bei Mechthild untrennbar miteinander verbun- wichtig. Ein offenes Wort wagen – auch und gerade da, den. Niemandem ist geholfen, wenn man den Selbst- wo dies unerwünscht ist. Ingeborg Bachmann hat das „Eine heilige Aufmerksamkeit sollen wir für uns schutz vernachlässigt, sich jeder Gefahr aussetzt und in ihrem Gedicht „Alle Tage“ die „Tapferkeit vor dem selbst haben und zu allen Zeiten in uns tragen, sich überfordern lässt von all den Aufgaben, die die Freund“ genannt. Mit dieser Tapferkeit beginnt eine dass wir uns vor Gebrechen bewahren. Eine Gegenwart stellt. Aufmerksamkeit für uns selbst sol- Kultur der Aufmerksamkeit. Prof. Dr. Hildegund Keul liebevolle Aufmerksamkeit sollen wir für unsere len wir „zu allen Zeiten in uns tragen“. Das ist etwas Tatsächlich könnte man sich auch heute viel Mitmenschen haben. Wenn sie falsch handeln Aktives: Die Balance herstellen zwischen den Bedürf- unnütze Rede ersparen, vor allem in der Öffentlichkeit, leitet die Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Deutschen und Unrecht tun, sollen wir ihnen dies unter vier nissen, die ich selbst habe, und denjenigen, die andere wenn man die Auseinandersetzung unter vier Augen Bischofskonferenz. Sie ist zudem außerplanmäßige Professo- Augen und wohlmeinend sagen. So können wir zeigen. Wer sich selbst aus dem Blick verliert, kann nicht scheute. Denn es gibt zwar die tiefen Gräben rin für Fundamentaltheologie und vergleichende Religionswis- uns viel unnütze Rede ersparen. Amen.“ anderen nicht mehr lange dienen. Wer aber auf sich in unserer Gesellschaft. Es gibt aber auch unzählige senschaft an der Universität Würzburg. Ihr Themenschwer- (FLG II, 26 – Übersetzung HK) selbst achtet und sich im richtigen Moment vor Über- Möglichkeiten, Brücken zu bauen: wo man sich in der punkt: Verwundbarkeit – als Schlüsselthema in Kirche und forderung schützt, kann sich vor „gebresten“ bewahren, Straßenbahn oder sonst wo unterwegs begegnet, wo Gesellschaft. 10 Kultur der Aufmerksamkeit Kultur der Aufmerksamkeit 11
Die Ausgangslage: Wir alle sind Teil des auch vorhanden sind, wenn keine Gespräche darüber Problems – und der Lösung stattfinden. Menschenfeindliche, rechtsextreme und abwertende Daher wird oft argumentiert, dass gerade wir Chris- Einstellungen machen nicht vor Kirchentüren halt. tinnen und Christen mit allen das Gespräch suchen Wir müssen daher davon ausgehen, dass es in unse- und uns mit Ausgeschlossenen sowie Sünderinnen Gespräche – ren Pfarreien und Gremien Menschen gibt, die andere und Sündern an einen Tisch setzen sollten. An vielen abwerten, diskriminieren oder ausgrenzen – und auch Stellen und Orten wird das bereits versucht – jedoch wir selbst sind nicht frei von diesen Tendenzen. Rechts- mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen. Es lohnt, von extremismus und Rechtspopulismus sind also keine diesen Erfahrungen zu lernen und sich Gedanken zu die Aufgabe Phänomene außerhalb von uns, sondern wir Christin- machen, wie Gespräche über Grenzen hinweg gestaltet nen und Christen sowie unsere Pfarreien, Einrichtun- werden können, die allen Menschen gerecht werden gen und Organisationen sind Teil des Problems. Damit und dem christlichen Geist entsprechen. der Kirche können wir aber auch Teil der Lösung sein, wenn wir Zudem werden kirchliche Akteurinnen, Akteure uns aktiv dem Problem stellen und die Chancen nut- und Pfarreien in politischen Auseinandersetzungen zen, die sich uns bieten. und lokalen Konflikten oft als neutraler Boden wahr- In Pfarreien kommen unterschiedliche Menschen genommen, auf dem sich unterschiedliche Menschen zusammen: Sie haben unterschiedliche Herkünfte, treffen und Gespräche konstruktiv stattfinden können. Erfahrungen, Ressourcen und unterschiedliche poli- Daher werden z. B. oft auch Pfarrerinnen und Pfarrer Wie umgehen mit unterschiedlichen tische Einstellungen oder Meinungen zu Sachfragen. zur Moderation angefragt. Das ist eine große Chance Sichtweisen in christlichen Pfarreien und Das ist eine große Chance, aber auch eine Herausfor- für die Kirchen, birgt allerdings auch Herausforde- derung oder gar Zerreißprobe, nämlich dann, wenn rungen, da die Neutralität im Konflikt mit einer men- Gruppen? Nun, es gibt unterschiedliche lokale politische Konflikte eskalieren und durch Pfar- schenfreundlichen und respektvollen Haltung bzw. der Wege und Lösungen – aber auch Hürden reien gehen. Solche Konflikte außen vor zu lassen, christlichen Ethik stehen kann. geht nur selten gut. Themen und Probleme, die die und unbequeme Tatsachen. Menschen und Gemeindemitglieder beschäftigen, soll- Das christliche Menschenbild: Die Gleichheit ten auch Platz im Zusammenleben der Pfarrei haben. aller Menschen „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der „Da alle Menschen eine geistige Seele haben Von Christine Böckmann Menschen von heute, besonders der Armen und nach Gottes Bild geschaffen sind, da und Bedrängten aller Art, sind auch Freude sie dieselbe Natur und denselben Ursprung und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger haben, da sie, als von Christus Erlöste, sich Christi.“ (Gaudium et Spes, 1) derselben göttlichen Berufung und Bestim- mung erfreuen, darum muss die grundlegende Christliche Pfarreien und Gruppen: Gleichheit aller Menschen immer mehr zur Orte für Dialog und gesellschaftliche Anerkennung gebracht werden.“ (Gaudium et Aushandlungsprozesse Spes, 29) Das Gespräch ist ein wichtiges Handlungsfeld von Die Gleichheit aller Menschen ist ein Fundament Christinnen und Christen und steht in der Tradition des christlichen Glaubens. Ihr sollten wir in allem, was Jesu, der sich bewusst mit Ausgeschlossenen sowie wir tun, gerecht werden. Wenn die Gleichheit aller Sünderinnen und Sündern an einen Tisch gesetzt hat. Menschen also in Frage gestellt oder negiert wird, soll- Gerade in einer Zeit, in der sich Gesellschaften frag- ten wir dem – aus unserem christlichen Glauben her- mentieren und wir uns aus einem breiten Angebot aus – deutlich widersprechen. In diesem Widerspruch von Medien und Nachrichten diejenigen aussuchen müssen wir allerdings bedenken: Auch denen, die die können, die unserem eigenen Weltbild entsprechen, ist Gleichheit in Frage stellen, sollte die gleiche Achtung es notwendig, dass wir mit Meinungen und Sichtwei- entgegengebracht werden. sen konfrontiert werden, die nicht den eigenen ent- sprechen. Es geht um Austausch und um die gemein- „Achtung und Liebe sind auch denen zu same Suche nach „der Stadt Bestem“ (Jer 29,7). Dazu gewähren, die in gesellschaftlichen, politi- gehört auch das Ansprechen schwieriger Fragen sowie schen oder auch religiösen Fragen anders die Begegnung mit problematischen Sichtweisen, die ja denken oder handeln als wir. Je mehr wir in 12 Kultur der Aufmerksamkeit Kultur der Aufmerksamkeit 13
WICHTIG IST, DASS EIN SCHRITT GETAN, EIN ANFANG Menschlichkeit und Liebe inneres Verständnis offen stehen, der dies wünscht. Ob man alle Menschen oft benutzt wird, um Ressentiments GEMACHT WIRD, aussprechen können. Gleichzeitig für ihr Denken aufbringen, desto leichter wird es für uns, mit ihnen ins Gespräch zu kom- bei einer öffentlichen Veranstaltung auf ein Podium setzt oder bei Veranstaltungen bestimmte Teilnehmer gegen Muslime zu schüren. Kontroverse Diskussionen OHNE DASS sollte daran gearbeitet werden, wie sich Ängste und Sorgen über- men.“ (Gaudium et Spes, 28) innen und Teilnehmer ausschließt, ist eine ganz andere machen dort Sinn, wo wir Hoff- ANSCHLIE- winden lassen, damit sie uns nicht Die Person achten und die Frage. Letzteres ist keine strikte Verweigerung eines Gesprächs an sich, sondern lediglich die Verweigerung nung haben, dass sich mit den Dis- kussionen Probleme lösen oder SSEND GLEICH lähmen (oder sie gar für politische Ziele instrumentalisiert werden) menschenverachtende Position ächten einer konkreten Form. Meinungen verändern lassen. Es DIE GESAMTE und wir der Botschaft der Engel „Diese Liebe und Güte dürfen uns aber keines- Wichtig bei allen öffentlichen Gesprächen ist, deutlich zu machen, auf welcher Grundlage sie statt- gibt Menschen und Organisatio- nen, denen es in Gesprächen und WELT GERET- „Fürchtet euch nicht!“ folgen kön- nen. Auch sollten wir im Gespräch wegs gegenüber der Wahrheit und dem Guten gleichgültig machen. Vielmehr drängt die finden: Ohne Achtung der Menschenwürde und der öffentlichen Diskussionen nicht TET SEIN MUSS. über Ängste und Sorgen darauf Menschenrechte kann es für uns keine Gespräche um ein sachliches und respektvol- achten, dass politische oder gesell- Liebe selbst die Jünger Christi, allen Menschen geben. Und das sollte nicht verhandelbar sein – die les Gespräch geht, sondern darum, uns zu beeinflussen schaftliche Entwicklungen bei unterschiedlichen Men- die Heilswahrheit zu verkünden. Man muss Religionsfreiheit zum Beispiel ist für uns laut Grund- und die eigene politische Agenda voranzutreiben. Wer schen sehr unterschiedliche Ängste und Sorgen aus- jedoch unterscheiden zwischen dem Irrtum, gesetz und laut katholischer Soziallehre bindend. Kön- aber nur politische Parolen äußert, Behauptungen auf- lösen. Diese verschiedenen Sichtweisen sollten Raum der immer zu verwerfen ist, und dem Irren- nen wir dann darüber verhandeln, ob einer Religion stellt oder sich dem fairen Austausch von Argumenten bekommen. Wer z. B. Angst vor „Überfremdung“ den, der seine Würde als Person stets behält, das Recht abgesprochen werden soll, Gotteshäuser zu verweigert, will nicht ergebnisoffen diskutieren, son- äußert, sollte die Perspektive derjenigen kennen- auch wenn ihn falsche oder weniger richtige bauen? Sehr wohl lässt sich darüber diskutieren, ob die dern seine eigene Position durchdrücken und andere lernen, denen dieses Aussprechen von „Ängsten vor religiöse Auffassungen belasten.“ (Gaudium et Gestaltung eines konkreten Baus Zustimmung findet, Meinungen abwerten. Überfremdung“ Angst macht. Spes, 28) ob bei öffentlichen Bauvorhaben die Bevölkerung aus- Die Erfahrung zeigt: Ein öffentlicher Dialog mit In seinen Gesprächen mit Sünderinnen und Sün- reichend informiert wurde, wie man damit zusammen- rechtsextremistischen Kadern ist wenig sinnvoll, weil Probleme und Themen differenziert behandeln dern negiert auch Jesus nicht das Unrecht oder die hängende Probleme löst usw. es ihnen meist nur darum geht, eigene Themen und In vielen Diskussionen mit Konfliktstoff werden ver- Sünde. Basis seiner Gespräche bleibt die Nächstenliebe, Thesen in die Öffentlichkeit zu bringen – wodurch ein schiedene Themen oftmals gleichzeitig behandelt. die immer allen gilt und alle Menschen in den Blick Kein Gespräch um des Gesprächs willen führen wirklicher Austausch auf Augenhöhe und eine Achtung So wird z. B. in Diskussionen um die Aufnahme von nimmt – den Zöllner und diejenigen, die aufgrund Weil in gesellschaftlich fragmentierten Zeiten zusätz- der Würde aller nicht möglich sind. Je tiefer Menschen Geflüchteten oft gleichzeitig die Frage nach der sozi- des Handelns des Zöllners zu viel bezahlen mussten. liche Gesprächsangebote und „Dialoge über Grenzen in die rechte Szene eingestiegen sind, je gefestigter ihr alen Gerechtigkeit gestellt oder über mangelnde Inf- Wie lässt sich diese Haltung konkret umsetzen? In hinweg“ gefordert werden, sind manche versucht, diese rechtsextremistisches Weltbild ist, umso weniger offen rastruktur geklagt; die Rede von der Gefahr der „Isla- der Nächstenliebe sollten wir für alle Menschen offen Forderung umzusetzen, ohne nach Sinn und Zweck werden sie für einen fairen Dialog unter Gleichberech- misierung des christlichen Abendlandes“ ist nicht nur sein und niemanden vorweg verurteilen. Das bedeutet geschweige denn nach Zielen zu fragen. Wenn wir in tigten sein. eine Aussage über Muslime oder den Islam in Deutsch- aber nicht, dass alle Formen der Begegnung und des Dialog treten wollen, um gesellschaftliche Konflikte Allerdings kann es bei öffentlichen Veranstaltun- land, sondern auch eine über das Christentum. Hier ist Gesprächs geeignet sind, um in einer menschenfreund- zu lösen, dann sollten wir uns immer fragen, wen wir gen auch trotz aller Vorsicht und trotz eines (begrün- es wichtig, die verschiedenen Themen getrennt von- lichen Atmosphäre Konflikte zu besprechen. Wir soll- in diese Dialoge einbeziehen: Kommen die Betroffe- deten) Ausschlusses bestimmter Personenkreise zu einander zu betrachten und Sachverhalte differenziert ten daher genau überlegen, welche Methoden und For- nen zu Wort? Werden diejenigen gehört, die – oft aus Situationen kommen, in denen menschenverachtende zu behandeln. Die Frage nach der Sanierung maro- men des Gesprächs wir wählen. unterschiedlichen Gründen – marginalisiert werden? Positionen vertreten werden. Wir sollten uns also in der Schwimmbäder ist eine andere als die Gestaltung Und wie wirkt es auf Dritte, wenn wir bestimmte The- jedem Fall überlegen, wie wir in solchen Situationen einer menschenwürdigen Aufnahme von Geflüchteten. Unterschiedliche Gesprächsformen kennen men diskutieren, bestimmte Personen oder Organisa- damit umgehen wollen. Gerade weil wir alle dazu neigen, Themen miteinan- Entscheidend für Gespräche ist der Rahmen – und tionen zu uns einladen und ihnen ein Podium bieten, der zu vermischen und diese in den Medien zudem es ist ein großer Unterschied, ob Gespräche auf dem andere Perspektiven aber nicht zulassen? Wie würde Unterschiedliche Sichtweisen deutlich machen zugespitzt dargestellt werden, sollten wir uns darum Podium einer öffentlichen Veranstaltung oder in der es z. B. auf Muslime wirken, wenn wir über „Islami- Den Gefühlen der Menschen sollte auch in politisch bemühen, den Wahrheiten auf den Grund zu gehen Vertraulichkeit einer seelsorglichen Einzelsitzung statt- sierung“ reden? Sollten wir nicht vorher diskutieren, kontroversen Debatten Raum gegeben werden. Es ist und unterschiedliche Themen und Probleme auseinan- finden. Ein seelsorgliches Einzelgespräch sollte jedem ob wir diese Einschätzung teilen? Zumal der Begriff daher wichtig, dass Menschen ihre Ängste und Sorgen der zu halten. 14 Kultur der Aufmerksamkeit Kultur der Aufmerksamkeit 15
Die richtigen Gesprächspartner einladen -partner regelrecht auf einer „Bühne“. Sie reden nicht Was wollen wir in unseren Gesprächen erreichen? Wel- nur miteinander, sondern auch mit der Öffentlichkeit, che Themen wollen wir diskutieren? Wer ist für das in der sie ihr Gesicht wahren, sich profilieren sowie Thema Expertin, wer Experte? Wer kann wichtige Per- Anhängerinnen und Anhänger für ihre Sache gewin- Weitere Tipps zur Gestaltung von Gesprächen oder zu hier eine Grenze überschritten sehen – und warum. spektiven einbringen? Wenn wir gesellschaftlich kon- nen wollen. Ein öffentliches Gespräch entfaltet daher Methoden finden Sie in der Broschüre „Dialog? Dia- Das kann kurz und sachlich geschehen und sollte fliktreiche Probleme lösen und Gespräche ermöglichen immer eine eigene Dynamik, die eher zur Eskalation log! – Reden“ des Kulturbüro Sachsen. Scheuen Sie sich angemessen sein. Bauen Sie also eine Bemerkung am wollen, müssen wir nicht zwangsläufig denen Raum und Zuspitzung neigt. Wer also schwierige Themen auch nicht, externe Hilfe für die Moderation oder Pla- Rande nicht zum Skandal auf. Wichtig aber ist, dass Sie geben, die Minderheiten diskriminieren, nur weil sie ansprechen möchte, das Aussprechen ehrlicher Gefühle nung solcher Gespräche in Anspruch zu nehmen. reagieren. Denn für alle Umstehenden sollte deutlich dies lautstark oder in Parlamenten tun. Wenn wir die- und ehrliche Antworten wünscht, dem empfiehlt sich werden: Sie achten darauf, dass die Grenzen eines res- sen Menschen ein Podium bieten, grenzen wir damit eher das vertrauensvolle nicht-öffentliche Gespräch. Die Grenzen des eigenen Wissens akzeptieren – pektvollen Umgangs nicht überschritten werden. Diese Angehörige der Minderheiten aus. Das sollten wir bei und andere um Unterstützung bitten Handhabe gibt übrigens allen Umstehenden Sicherheit der Planung von Veranstaltungen berücksichtigen. Bestehende Gruppen nutzen – Bei vielen Diskussionen oder Fachfragen stoßen wir und ermutigt sie, ebenfalls so zu handeln. um Gespräche zu suchen und zu führen mit unserem Wissen an unsere Grenzen. Wir kön- Nicht alle Probleme an einem Abend Pfarreien bieten viele Möglichkeiten für Gespräche: nen über diese Themen zwar diskutieren, sollten uns „Oftmals wird gerade eine christliche Schau der lösen wollen Es gibt Gruppen, die sich regelmäßig treffen, Arbeits- dabei aber der Grenzen unseres Wissens bewusst sein. Dinge ihnen eine bestimmte Lösung in einer Ein Gesprächsabend kann nicht alle Probleme lösen, kreise, Gremien. Ein großer Vorteil dieser Gruppen: Das können wir auch ehrlich zuge- konkreten Situation nahelegen. allen Ärger aufnehmen, alle Ängste hören und über- Man kennt sich von anderen Begegnungen, das Set- ben. Und was wir nicht wissen, Aber andere Christen werden winden. Daher sollten wir nicht zu viel von einem ting ist vertraut, der Einstieg ins Gespräch leicht. Im können wir entweder nach einem vielleicht, wie es häufiger, und Gesprächsabend erwarten. Wichtig ist, dass ein Schritt Rahmen dieser Gruppen sind auch Gespräche zu poli- Gespräch recherchieren, oder wir zwar legitim, der Fall ist, bei getan, ein Anfang gemacht wird, ohne dass anschlie- tischen Themen möglich. Manchmal muss man dazu laden Expertinnen und Experten gleicher Gewissenhaftigkeit in ßend gleich die gesamte Welt gerettet sein muss. Inso- den Rahmen etwas verändern. Ein Pfarrgemeinderat ein: Wissenschaftlerinnen und der gleichen Frage zu einem fern: Nehmen Sie sich für eine Veranstaltung nicht zu wird z. B. eine neue Asylunterkunft vielleicht nicht als Wissenschaftler, Zuständige aus anderen Urteil kommen. Wenn viel vor und begrenzen Sie das Thema. Wichtige The- eigenen Tagesordnungspunkt abhandeln können, aber Politik und Verwaltung oder auch dann die beiderseitigen Lösun- men, die zwar angesprochen, aber nicht behandelt möglicherweise als ergebnisoffene Gesprächsrunde im Engagierte aus der Zivilgesell- gen, auch gegen den Willen werden können, sollten Sie sichtbar notieren. Suchen Anschluss an die Tagesordnung. Ein weiterer Vorteil schaft sind oftmals gern bereit, ihr Christine Böckmann der Parteien, von vielen andern Sie einen geeigneten Ort, wo das Thema später wie- solcher Gruppen: Die Teilnehmerinnen und Teilneh- Wissen zu teilen und ihre Spezial sehr leicht als eindeutige der aufgenommen und bearbeitet wird. Wichtig bei mer können sich erneut begegnen. Man kann sich also themen zu diskutieren. ist Diplom-Theologin und Trainerin Folgerung aus der Botschaft solchen „Themenspeichern“: Die Menschen sollten auch vertagen, Themen nach und nach bearbeiten und für gewaltfreie Konfliktaustragung. des Evangeliums betrachtet erfahren, dass ihr Anliegen aufgenommen und nicht die Dinge auch mal „sacken lassen“. Aufmerksam sein – Ehrenamtlich engagiert sie sich in werden, so müßte doch klar bis zum „St. Nimmerleinstag“ verschoben wurde und auch im Alltag der Friedensarbeit. Seit 2004 ist sie bleiben, daß in solchen Fällen im Nirgendwo verschwindet. Denn das würde nur zu Gesprächsregeln definieren – Personen achten und menschen- auf Honorarbasis in der Kursleitung niemand das Recht hat, die weiteren Enttäuschungen führen. als Hilfe für faire Gespräche verachtende Positionen ächten: und Trainingsarbeit zu gewaltfreiem Autorität der Kirche aus- Um Gespräche respektvoll zu gestalten, gerade auch Im Alltag sind wir häufig gefor- Handeln und konstruktiver Konflik- schließlich für sich und seine Den Charakter öffentlicher und bei kontroversen Themen und im größeren Rahmen, dert, genau das umzusetzen, wenn taustragung bei gewaltfrei handeln eigene Meinung in Anspruch nicht-öffentlicher Gespräche verstehen empfiehlt es sich, Gesprächsregeln zu vereinbaren: der rassistische Spruch beim Kaf- e. V. tätig, dem ehemaligen „Oekume- zu nehmen. Immer aber sollen Öffentliche Veranstaltungen haben immer ihre eigene • Ich behandele andere Menschen mit Respekt und feetrinken ertönt, die abwertende nischer Dienst Schalomdiakonat“. Seit sie in einem offenen Dialog sich Dynamik: Man weiß nicht, wer kommt – unter Achtung – egal was sie sagen oder tun. Bemerkung an der Kirchentür, 2002 arbeitet sie hauptberuflich in der gegenseitig zur Klärung der Umständen möchte z. B. die lokale rechte Szene die • Ich höre anderen zu und lasse sie ausreden. die diskriminierende Beleidigung Bildungs- und Netzwerkarbeit im Verein Frage zu helfen suchen; dabei Veranstaltung für ihre „Wortergreifung“ nutzen; oft • Ich gehe achtsam mit der Zeit um und gebe anderen eines Kollegen. Hier ist es sinnvoll, „Miteinander – Netzwerk für Demokra- sollen sie die gegenseitige Liebe sind auch Medien präsent, die anschließend darüber den zeitlichen Raum, den sie benötigen. kurz und angemessen zu reagieren: tie und Weltoffenheit in Sachsen-An- bewahren und vor allem auf berichten, teils aber mit Interesse an einer Zuspitzung • Wir alle sind gemeinsam verantwortlich für unsere Sprechen Sie die Person, die die halt e. V.“ und seit 2011 in der Netz- das Gemeinwohl bedacht sein.“ der Diskussion. Hinzu kommt: Bei einer öffentlichen Gesprächsatmosphäre. Ich helfe daher, Beleidigun- Bemerkung geäußert hat, direkt an werkstelle Demokratisches Magdeburg (Gaudium et Spes, 43) ◆ ◆ ◆ Veranstaltung stehen alle Gesprächspartnerinnen und gen und Diskriminierungen eine Grenze zu setzen. und machen Sie deutlich, dass Sie bei Miteinander e. V. 16 Kultur der Aufmerksamkeit Kultur der Aufmerksamkeit 17
Strukturen WENN WIR VORURTEILE in Bewegung? REFLEKTIEREN, KANN ES PAS- SIEREN, DASS Die katholische Kirche und ihre Institutionen 1. Das Projekt „Kompetent für WIR MIT UNSE- zu können. Sie erlebten, dass es sinnvoll und wichtig ist, ihre Über- fördern zunehmend Beteiligungen. Doch der Demokratie“ Im Rahmen des Bundesprogramms REN EIGENEN zeugungen in die Gesellschaft zu Weg ist voller Zwänge und Widerstände. Eine „Zusammenhalt durch Teilhabe“ VORURTEILEN tragen und die Gesellschaft zu konnte die Katholische Erwachse- bewegen. Die Strukturen der Kir- Bestandsaufnahme. nenbildung im Land Sachsen-An- KONFRONTIERT chen Sachsen-Anhalts (und der Von Susanne Brandes halt e. V., kurz KEB, seit 2013 mit dem Projekt „Kompetent für WERDEN. anderen „Neuen Länder“) sind infolgedessen geprägt von einer Demokratie. Partizipation in kirch- historisch wie geografisch einzig- lichen Verbänden und Gemeinden“ wertvolle neue artigen Ausgangslage, die es im Projekt „Kompetent Erkenntnisse gewinnen. Diese bereichern die langjäh- für Demokratie“ stets zu berücksichtigen galt. rigen Erfahrungen in der politischen Bildungsarbeit. Die Struktur der katholischen Kirche steht insge- Das Bundesprogramm zielt auf eine Reflexion, Stär- samt im Spannungsfeld von Communio – Kirche als kung und Demokratisierung der zivilgesellschaftlichen Gemeinschaft – und Hierarchie. Es offenbarte sich eine Verbände. Das Projekt wiederum sensibilisierte für Struktur voller Widersprüche, die in der Förderung von Beteiligungsmöglichkeiten, Ausschlussmechanismen Partizipation zugleich Chance und Grenze ist. und Vorurteile im Bistum Magdeburg. Im Fokus des Projekts stand die Stärkung der kirchlichen Instituti- 3. Gelingensbedingungen onen und Verbände als Teil einer demokratischen und Engagement bringt Strukturen in Bewegung offenen Gesellschaft, die sich jeder Form von Hass und In vielen Pfarreien und Verbänden findet viel hauptamt- Gewalt entgegenstellt. liches, ehrenamtliches und freiwilliges Engagement statt. Dadurch entstehen vielerorts Beteiligungsstruk- 2. Katholikinnen und Katholiken in der turen, die vertikale Grenzen und Zuständigkeiten „doppelten Diaspora“ in Bewegung bringen. Engagierte Frauen und Män- Zum Bistum Magdeburg gehören 44 Pfarreien und ner organisieren Hilfsaktionen, Bildungsprozesse, etwa 84.000 Katholikinnen und Katholiken – in etwa Demonstrationen und Feste. In den Gemeinden vor auf der Fläche Sachsen-Anhalts. Der Anteil der katho- Ort ist – bedingt durch die Überlastung der Hauptamt- lischen Gläubigen liegt im Land bei lediglich knapp lichen – eine zuverlässige Beteiligungsstruktur beson- 4 % der Gesamtbevölkerung und damit noch deutlich ders wichtig, um das Gemeindeleben aufrechtzuerhal- unter dem Anteil der evangelischen Gläubigen, der ten. Gemeindemitglieder erhalten hier die Chance, die etwa 14 % umfasst. Diese „doppelte Diaspora“ erzeugt Gemeinde in vielen Bereichen eigenverantwortlich zu ein für Minderheiten typisches Phänomen: einen star- gestalten. Im Rahmen des Projekts „Kompetent für ken Zusammenhalt nach innen, der beizeiten mit einer Demokratie“ haben wir kontinuierlich Bildungs- und geringen Durchlässigkeit nach außen einhergeht. Beratungsangebote für diese Ehrenamtlichen und Verstärkt wird dieser Effekt durch die Erfahrung der Freiwilligen in den Gemeinden bereitgehalten. Christinnen und Christen in der DDR, dass Religi- onszugehörigkeit ein Grund für Benachteiligung und Ein starker Antrieb: Nächstenliebe Ausgrenzung war. Gläubige in der DDR erfuhren die Einrichtungen der Caritas kümmern sich haupt- und nicht-kirchliche Gesellschaft eher als feindselig und ehrenamtlich um Hilfsbedürftige, um kranke oder infolgedessen bot eine Fokussierung auf die eigene alte Menschen, um Menschen mit Behinderungen und Gemeinde Schutz und Sicherheit. Gleichzeitig mach- um Menschen in materieller und seelischer Not. Das ten einige Katholikinnen und Katholiken 1989 die christliche Gebot der Nächstenliebe spiegelt sich hierin Erfahrung, eine Gesellschaft fundamental verändern wider. Als in Folge der weltweiten Fluchtbewegungen Kultur der Aufmerksamkeit 19
Demgegenüber jedoch sind die Themen Geschlech- für Demokratie“ schnell mit einer Vielzahl an wider- tergerechtigkeit und Homosexualität sehr umstritten. sprüchlichen Erwartungen, Anforderungen und Reak- eine nennenswerte Zahl Geflüchteter Sachsen-Anhalt 4. Stolpersteine Einerseits gibt es viele Menschen, die sich für eine tionen umzugehen lernen. Diese reichten von will- erreichte, war die Hilfsbereitschaft in vielen Gemein- Die Bedeutung der Amtsträger Gleichbehandlung der Geschlechter und für ein Ende kommener Unterstützung bis zu offener Ablehnung. den und Verbänden spontan sehr groß – und sie ist Als wir im Herbst 2013 begannen, unser Projekt „Kom- der Diskriminierung von Homosexualität einsetzen, Um unsere begrenzten Möglichkeiten wissend ent- es noch. Handlungsleitend für viele Helferinnen und petent für Demokratie“ in den Pfarreien vorzustellen, andererseits fällt es vielen Menschen schwer, insbe- schieden wir, diejenigen Kräfte im Bistum zu stärken, Helfer ist dabei deren Selbstverständnis als Christin entgegneten einige Pfarrer ganz offen, an einer Stär- sondere Homosexualität als Normalität anzusehen. die sich für Offenheit, Gerechtigkeit und Respekt ein- und Christ: kung von Beteiligung kein Interesse zu haben. Ihrer Die naturrechtliche Perspektive auf das Geschlechter- setzen, und nur mit denjenigen zu kooperieren, die Wahrnehmung nach hätten sie nur zu verlieren, wenn verhältnis steht zudem in einem Widerspruch zu dem eine Stärkung von Partizipation anstrebten. „Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu die Kirche partizipativer würde. Hierin offenbarte sich Diskurs um die Bedeutung sozialer Konstruktionen Dennoch mussten wir erfahren, dass auch dieser essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir früh, was uns dreieinhalb Jahre lang begleiten würde: von Geschlecht. Weg schwierig ist. Denn Beteiligungsprozesse grund- zu trinken gegeben; ich war fremd und obdach- Die Strukturen der katholischen Kirche sind in vielen sätzlich zu begrüßen, bedeutet offensichtlich nicht los und ihr habt mich aufgenommen (…).“ Belangen in langer Tradition vertikal organisiert. In Die Herausforderung personenbezogener automatisch, auch die Konsequenzen gut aushalten (Matthäus 25,35) der Projektumsetzung begegneten uns infolgedessen Bildung zu können. Wenn wir Menschen beteiligen, kann es Doch die Helferinnen und Helfer sind dabei in verschiedene Dichotomien, die häufig auch konfliktbe- Eine weitere Herausforderung stellte unser Bildungs- sein, dass sie etwas anderes wünschen als wir. Wenn mehrfacher Hinsicht Widersprüchen ausgesetzt: Sie lastet waren und nach wie vor sind: Geistliche vs. Laien, verständnis dar, das die eigene Person stets in einen wir Vorurteile reflektieren, kann es passieren, dass wir erfahren für ihr Engagement soziale Anerkennung und Hauptamtliche vs. Ehrenamtliche, Männer vs. Frauen. inhaltlichen und emotionalen Zusammenhang zum mit unseren eigenen Vorurteilen konfrontiert werden. soziale Ausgrenzung zugleich, und sie sind vielfach mit Mit Arbeitskreisen und einer Beraterinnenausbildung Bildungsgegenstand stellt: Wenn wir zum Beispiel So wurden Prozesse, die zunächst klar und einfach eigenen Unsicherheiten und Vorbehalten konfrontiert. haben wir uns gezielt an katholische Frauen gerichtet. zum Thema „Gruppenbezogene Menschenfeindlich- erschienen, zunehmend komplex und schwierig. Die Die polarisierte, hassgeleitete Form der Auseinander- Dabei wurde deutlich: Insbesondere die Tatsache, dass keit“ arbeiten, blicken wir nicht nur auf gewaltbereite, Fähigkeit, Widersprüche auszuhalten, wurde für alle setzung um geflüchtete Menschen hat die große Belas- Frauen in der katholischen Kirche nicht die gleichen männliche Jugendliche, sondern suchen den Ausgangs- Projektbeteiligten zur Schlüsselqualifikation. Diese tung vieler Freiwilliger noch verschärft und bei vielen Rechte haben wie Männer, dass sie keinen Zugang zu punkt in den Teilnehmerinnen und Teilnehmern und Fähigkeit zur Ambiguitätstoleranz ist die Vorausset- Menschen zu vollständiger Sprachlosigkeit geführt. den Weiheämtern Diakonat und Priesteramt haben, in uns: Welche Vorbehalte bringen zung für eine gelingende gesell- Unser Projektmodul „Flucht und Asyl“ hat diese frei- stellt für viele Frauen eine schwierige und verletzende wir selbst mit? Welche Ausgren- schaftliche Mitwirkung. willig Engagierten gezielt durch Bildungs- und Bera- Situation dar. zungsstrukturen begegnen uns in tungsprozesse unterstützt. unseren Einrichtungen? etc. Inso- 6. Perspektiven im Projekt Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit fern kann ein Bildungsprozess in Im Rahmen des Projekts „Kompe- Demokratische Elemente In dem Modell gruppenbezogener Menschenfeind- einer Einrichtung durchaus eine tent für Demokratie. Beratung und In allen Pfarreien ist die Wahl von Pfarrgemeinderäten lichkeit nach Wilhelm Heitmeyer werden vielfältige unerwünschte Dynamik entfalten, Bildung für eine offene Kirche“ und Kirchenvorständen vorgesehen. Diese beiden Gre- Dimensionen gruppenbezogener Diskriminierung wenn plötzlich eigene Strukturen bietet die KEB bis 2019 modulare mien verfügen über weitreichende Einflussmöglichkei- entfaltet. Dabei konnten Heitmeyer und sein For- und Kommunikationsformen kri- Weiterbildungen zum Erwerb von ten, die Pfarreien zu gestalten: So besteht die Aufgabe schungsteam feststellen, dass Menschen mehrheitlich tisch reflektiert oder als nicht-par- Susanne Brandes „Grundkompetenzen im Umgang der Pfarrgemeinderäte unter anderem in der Mitge- dazu neigen, nicht nur einzelne Gruppen abzuwerten, tizipationsfördernd identifiziert mit Rechtspopulismus“ an und bil- staltung des Gemeindelebens und in der Anbindung sondern ihre Einstellungen insgesamt aus der Grund werden. In Vorgesprächen themati- ist Erziehungswissenschaftlerin / det Beraterinnen und Berater aus, der Kirchengemeinde an die kommunale Struktur. annahme der Ungleichwertigkeit von Menschen resul- sierten wir diese Möglichkeit, und Diplom-Pädagogin, Stellvertretende die Konflikte im Kontext gruppen- Die Aufgaben des Kirchenvorstands hingegen umfas- tieren. Wer also Muslime ablehnt, wertet infolgedes- dennoch hat es im Projekt mehr- Geschäftsführerin und Erwachsenenbil- bezogener Menschenfeindlichkeit sen insbesondere die Vermögensverwaltung und die sen auch andere Gruppe ab. Im Projekt „Kompetent fach zu Unzufriedenheit geführt. dungsreferentin für partizipationsför- unterstützend begleiten. Insofern: Erstellung von Haushaltsplänen. Beide Gremien sind für Demokratie“ haben wir verschiedene Bildungsfor- Dies gilt es künftig im Vorhinein dernde Bildungsarbeit der Katholischen Die KEB sieht sich auch weiterhin miteinander vernetzt und schaffen viele Gestaltungs- mate zur Sensibilisierung für gruppenbezogene Men- noch deutlicher herauszuarbeiten. Erwachsenenbildung im Land Sach- in der Verantwortung, durch sen- räume, die in vielen Pfarreien ausgefüllt werden. Die schenfeindlichkeit durchgeführt. Dabei konnten wir sen-Anhalt e. V. Im Bundesprogramm sibilisierende Bildungs- und Bera- Ehrenamtlichen dieser Gremien erhielten im Rahmen feststellen, dass uns manche Dimensionen gruppen- 5. Eine Struktur der „Zusammenhalt durch Teilhabe“ leitet tungsmaßnahmen einen Beitrag des Projekts „Kompetent für Demokratie“ Bildungs- bezogener Menschenfeindlichkeit nicht begegneten, Widersprüche sie das Projekt „Kompetent für Demo- zu einem respektvollen Miteinan- und Beratungsangebote, um ihre Handlungskompe- wie bspw. die Abwertung von Menschen mit Behinde- Aufgrund der genannten Punkte kratie. Partizipation in kirchlichen Ver- der in einer offenen Gesellschaft zu tenzen zu stärken. rung, von Obdachlosen und anderen Hilfesuchenden. musste das Projekt „Kompetent bänden und Gemeinden“. leisten. ◆ ◆ ◆ 20 Kultur der Aufmerksamkeit Kultur der Aufmerksamkeit 21
Hinsehen. Hinhören. Handeln. Unser Bistum ist voller Lösungen. Auch wenn viele dieser Lösungen unterhalb des Radars der öffentlichen Wahrnehmung stattfinden: lokales Aufbegehren gegen rechtsextreme Tendenzen, unbürokratische Hilfe in Notsituationen, das Eintreten für Religionsfreiheit für alle. Hier einige Beispiele dieses beherzten Engagements:
Dorothea Kotzian, Pastorale Mitarbeiterin in Weißenfels HOHENMÖL SEN: Impulse für den Nachwuchs HALLE (SA ALE): „Im November 2010 veranstalteten die Kirchen gemeinsam mit ande- ren Akteurinnen und Akteuren in Hohenmölsen im Protest gegen einen Bunt, fröhlich und auf Augenhöhe NPD-Bundesparteitag ein Bürgerfest unter dem Motto ‚BUNTE STA(D)TT „‚Welcome-Treff‘, so steht es in Halle über der Tür des Waisenhausring BRAUNE‘. Daraufhin kam der Bürgermeister der Stadt auf die Kirchen zu 1b. Dieser Treffpunkt möchte besonders alle neuen oder seit kurzer Zeit mit der Bitte, ein offenes Angebot für Kinder im Bürgerhaus der Stadt zu in Halle lebenden Geflüchteten willkommen heißen. Vor einem guten gestalten. Seitdem findet einmal im Jahr am ersten Märzwochenende mit Jahr, als die Zahl der zu uns flüchtenden Menschen hoch war, wurde die- dem Material vom WELTGEBETSTAG der Frauen ein Wochenende für ser Treffpunkt als eine Initiative der Freiwilligenagentur in Zusammenar- Kinder statt, das am Sonntag jeweils mit einem ökumenischen Familien- beit mit der Stadt Halle geschaffen. An jedem Werktag ist dort ein frohes gottesdienst seinen Abschluss findet.“ Leben und Treiben festzustellen. Am Eingang finden alle Interessierten einen Wochenplan in verschiedenen Sprachen: Deutsch, Arabisch, Eng- lisch, damit alle, die Kontakte suchen, sich kundig machen können. Was zieht die noch nicht oder kaum integrierten Menschen an diesen Ort? Auf diesem Wochenplan finden sich Angebote zum Erwerb der deut- schen Sprache, aber auch der englischen wie der arabischen Sprache, letz- tere besonders für Deutsche. So kann auf Augenhöhe miteinander gelernt Haben auch Sie Lust, die Ärmel Maria Faber, werden. Ferner gibt es Angebote für Kinder, wie Lernhilfen, Bastelange- hochzukrempeln? Haben Sie Lust Fachbereich Pastoral bote und Lese- bzw. Vorlesestunden. Es ist aber auch möglich, nur zum mitzuhelfen? In jedem Ort finden in Kirche und Gesellschaft, Kaffee- oder Teetrinken hereinzukommen und Konversation zu betrei- sich viele Möglichkeiten für beherz- missio e. V. / Weltkirche ben. Ehrenamtliche Willkommenspaten und andere Ehrenamtliche aus tes Engagement. Die Kontakt der Geflüchtetenarbeit treffen sich dort, um Erfahrungen auszutauschen, adressen finden Sie auf Seite 42–44 Probleme zu besprechen, sich selbst beraten oder weiterbilden zu lassen. in dieser Broschüre. So hat sich dieser Treffpunkt in einem reichlichen Jahr zu einem wichtigen Ort im Zentrum der Stadt entwickelt.“ MAGDEBURG: Gedenkzeit für die Todesopfer Brigitte Schmeja, ehrenamtliche Unterstützerin, rechter Gewalt Welcome-Treff, „Die Todesopfer rechter Gewalt haben ein Gesicht, eine Geschichte, eine Mitglied in der Bischöflichen Würde. Manche Todesopfer aus Sachsen-Anhalt sind bundesweit bekannt, Kommission „Gerechtigkeit, andere scheinen seit Jahren vergessen. Im Rahmen der Gedenkzeit ‚Hei- Frieden, Bewahrung der lige Aufmerksamkeit‘ wird ihre Geschichte verlesen, ein Licht angezündet, Schöpfung“ gemeinsam geschwiegen und gebetet. Diese Gedenkzeit wird seit 2012 von einem ökumenischen Frauenteam in der Kathedrale St. Sebastian vor- bereitet und gestaltet.“ 24 Kultur der Aufmerksamkeit Kultur der Aufmerksamkeit 25
Sie können auch lesen