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Der Flattermann AG Fledermausschutz Baden-Wür emberg e.V. AGF BW e.V. Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. Nr. 29 | 2017
Urkunde des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg über die Anerkennung der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. als Naturschutz- vereinigung nach §3 UmwRG. 2
AGF BW Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. AG Fledermausschutz Baden-Wür emberg e.V. Inhalt Grußwort ....................................................................................................................... Seite 4 Berichte ........................................................................................................................... Seite 5 Kurzberichte ................................................................................................................. Seite 32 Besprechungen............................................................................................................... Seite 48 Veranstaltungshinweise ............................................................................................... Seite 58 AGF News ..................................................................................................................... Seite 59 Fledermaus-Allerlei ..................................................................................................... Seite 62 Impressum...................................................................................................................... Seite 63 Wer wir sind, was wir tun ......................................................................................... Seite 64 Titelbild: Quartier einer Gruppe von Mopsfledermäusen (Barbastella barbastellus) unter der abgeplatzten Rinde eines Baumstammes (Foto: Christian DIETZ). 3
Grußwort Liebe Fledermausfreunde keitsveranstaltungen, Exkursionen, Koloniezählungen, beim Quartier- und Insektenschwund ist in aller Munde! Kastenputzen, der Begleitung von Eigentlich nichts Neues, nun aber wis- Baumaßnahmen, beim Schreiben von senschaftlich belegt. Verschwinden Stellungnahmen, der Betreuung von nun auch ihre nächtlichen Jäger, die Ehrenamtlichen, oder in der Pflege von Fledermäuse? Diese Frage wird mir auf Fundtieren. fast jeder Veranstaltung in letzter Zeit gestellt. Ja, manche Fledermausarten Vielen Dank, jeder kleine Puzzlestein gehen in ihren Beständen zurück, aber hilft dem Schutz der Fledermäuse. ist dies auf das Fehlen von Insekten zu- rückzuführen? Sicher nicht allein; es ist Die Arbeitsgemeinschaft Fledermaus- ein Zusammenspiel von vielen anderen schutz (AGF) Baden-Württemberg e.V. Faktoren. Welchen Anteil nimmt die sieht im nächsten Jahr ihrem 25-jäh- Windkraft oder die Zersiedlung und rigen Bestehen entgegen. Ich würde Versieglung der Landschaft ein? Wie ist mich freuen, wenn viele an unserer das mit der Zunahme bei anderen Fle- Jubiläumsveranstaltung im September dermausarten in Einklang zu bringen? teilnehmen würden; es wird ein inter- Wir wissen, dass wir nichts wissen essantes Programm geben. über komplexe Zusammenhänge in der Natur. Wir wissen nur, dass wir in un- Ich wünsche Euch/Ihnen geruhsame seren Bemühungen fortfahren müssen, und friedliche Feiertage und wünsche den einheimischen Fledermäusen eine mir fürs neue Jahr weiterhin eine gute gesicherte Zukunft zu garantieren. und konstruktive Zusammenarbeit mit Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Mitgliedern. allen bedanken, die dieses Jahr wie- der im Einsatz für den Schutz unserer Ingrid KAIPF Nachtjäger waren; ob bei Öffentlich- AGF Vorsitzende 4
AGF BW Berichte Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. AG Fledermausschutz Baden-Wür emberg e.V. Mausohren zählen! von Christian DIETZ Viele Mausohr-Wochenstuben in Baden- wie die aktuelle Bestandsentwicklung Württemberg werden seit Jahrzehnten verläuft. Eine ganze Reihe von Wochen- ehrenamtlich betreut. Dazu gehört auch, stuben wird aktuell nicht oder nur sehr dass die Kolonien bei Sanierungen öko- sporadisch betreut, aktuelle Zähldaten logisch begleitet oder im Sinne der Sym- liegen nicht vor. Andererseits werden Das landesweite Projekt pathiewerbung für Fledermäuse in der jedes Jahr neue ehrenamtliche Fleder- der AGF ist dringend auf Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden. maussachverständige ausgebildet, die die Mithilfe aller Mitglieder Mausohren haben damit einen ganz ent- gerne Aufgaben übernehmen würden. angewiesen! Für 2018 ist scheidenden Anteil an dem grundlegen- die Zählung in möglichst al- den Wandel in der öffentlichen Meinung Mit dem Projekt „Mausohren zählen“ len Mausohr-Wochenstu- über Fledermäuse: weg von „ekelig, gru- der AGF sollen für möglichst alle Maus- ben angedacht. Interessen- selig und bedenkenlos zu vernichten“ hin ohrwochenstuben QuartierbetreuerIn- ten melden sich bitte bei zu „faszinierend, interessant und schüt- nen gefunden und die Mausohren landes- den Regionalvertretern! zenswert“. weit gezählt werden. Dazu gehört auch die Vermittlung von derzeit unbetreuten In den bisherigen landesweiten Erfassun- Wochenstuben an interessierte Fleder- gen, die maßgeblich von AGF-Mitglie- maussachverständige. dern getragen wurden, ist eine Fülle von Daten zu Verbreitung und Quartieren In den Jahren 2016 und 2017 wurde in des Mausohrs zusammengetragen wor- einer ersten Phase versucht, das aktuelle den; der Kenntnisstand ist im Vergleich Wissen zusammenzutragen, eine Liste zu den anderen Fledermausarten sehr der Wochenstuben zu erstellen und die gut (u.a. Kulzer et al. 1987, Müller 1993, Zählbemühungen in den bereits betreu- Kulzer 2003). Dies liegt vor allem auch ten Wochenstuben zu intensivieren. Für daran, dass die Wochenstuben des Mau- das Jahr 2018 sollen möglichst alle Wo- sohrs relativ leicht zu erfassen sind. Als chenstuben gezählt und Betreuer gefun- strikte Kulturfolger bilden die Mausoh- den werden. Dazu soll die nachfolgende ren in Mitteleuropa fast ausschließlich in Zusammenstellung Anregungen bieten. Gebäuden ihre Kolonien. Meist hängen sie frei sichtbar in Dachstühlen öffentli- Warum ist es wichtig die cher Gebäude und Kirchen und können Wochenstuben zu kennen? dort relativ gut am Hangplatz gezählt Nur bekannte Wochenstuben können werden – ideale Grundvoraussetzungen bei Sanierungen, Taubenabwehrmaßnah- für ein Monitoring. men, oder der Planung von Beleuchtungs- einrichtungen effektiv geschützt werden. Dennoch kann derzeit niemand wirk- Nur für bekannte Wochenstuben kön- lich sagen, wie viele Mausohren es in nen Flugwege und die Verbindung in Jagd- Baden-Württemberg gibt, wie viele Wo- gebiete erhalten werden. Nur bekannte chenstuben noch vorhanden sind, oder Wochenstuben können gezählt werden. 5
Berichte Abb.1: Die Mausohrkolo- nie in diesem Gebäudekomplex im Landkreis TÜ hat die Sanierung nur überstanden, weil sie zuvor bekannt war und intensiv betreut wurde (Foto: Christian DIETZ). Warum ist die Anzahl der Limitierungen können manchmal mit Wochenstubentiere wichtig? überschaubarem Aufwand beseitigt Kleine Wochenstuben des Mausohrs werden, die verbesserte Situation sind entweder Satelliten großer Wo- kann eine positive Kolonieentwicklung chenstuben, oder sie sind durch einen ermöglichen. oder mehrere Faktoren limitiert. Limi- tierend kann die Qualität oder Entfer- Große Wochenstuben sind besonders nung des Jagdgebietes sein, aber auch schutzrelevant, da sie einen signifikan- scheinbare Kleinigkeiten wie z.B. un- ten Anteil der Landespopulation aus- geeignete Einflugöffnungen mit einer machen. Andererseits verursachen gro- erhöhten Verletzungsgefahr für Jung- ße Kolonien auch besondere Probleme: tiere, zu kurze Jagdzeiten wegen Au- große Kotmengen, erhebliche Geruchs- ßenbeleuchtung der Kirche, zu hoher belästigung und manchmal eine hohe Energieverbrauch zum Aufrechterhal- Parasitenbelastung. Bei Sanierungen ten der hohen Körpertemperatur bei sind umfangreiche Schutzvorkehrungen der Jungenaufzucht, oder eine erhöhte erforderlich. Mortalität durch Beutegreifer. Solche 6
AGF BW Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. AG Fledermausschutz Baden-Wür emberg e.V. Abb. 2: Große Mausohrkolonien produzieren viel Nachwuchs und sind für den langfristigen Erhalt der Art unabdingbar, Landkreis FDS (Foto: Christian DIETZ). Warum ist es wichtig möglichst viele sacht sein. Solche Effekte und vor allem Wochenstuben regelmäßig zu zäh- ein realer landesweiter Trend lassen len? sich nur durch die regelmäßige Zählung Die Zählung von Stichprobenquartie- vieler Quartiere erkennen. ren zur Ermittlung eines Trends birgt gerade beim Mausohr große Risiken: die Was ist bisher bekannt? – Landes- Tiere nutzen ihre Quartiere sehr tradi- kartierungen und Säugerbuch tionell, es kommt praktisch zu keinen In der ersten landesweiten Fleder- Wochenstuben-Neugründungen. Die mauskartierung 1980-1986 (Kulzer et Zunahme in einzelnen Quartieren kann al. 1987) wurde das Wissen um die damit reell sein, oder durch den Verlust damaligen Fledermausquartiere zusam- benachbarter (unbekannter) Quartiere mengetragen und ausgewertet. Dabei und den damit verbundenen Zuzug in wurde bereits eine ganze Reihe von die meist gut geschützten Monitoring- erloschenen Wochenstubenvorkom- quartiere bedingt sein. Ein scheinbar men des Mausohrs dokumentiert, u.a. stabiler Trend kann durch den Zuzug in einer Kirche in Esslingen mit ehemals aus überzähligen Jungtieren von Nach- über 500 Tieren. Bereits 1987 waren barquartieren, oder das Abwandern auf mindestens 24 Messtischblättern B eigenen Jungtierüberschüsse verur- der Mausohrwochenstuben verschwunden, 7
Berichte darunter auch einige Kolonien mit meh- ergriffen werden können. 2003 bei der reren Tausend Individuen (Kulzer 1987). Fachtagung in Braunschweig wurde Die zweite landesweite Kartierung dann konkret darüber entschieden in 1986-1992 (Müller 1993) ergab 115 Wo- ein bundesweites Mausohrmonitoring chenstuben des Mausohrs. In „Die Säu- einzusteigen. getiere Baden-Württembergs“ (Braun & Dieterlen 2003) werden im Kapitel An diesem bundesweiten Monitoring „Mausohr“ (Kulzer 2003) weitgehend zum Mausohr in den Jahren 2003-2005 die Ergebnisse der zweiten landeswei- beteiligte sich Baden-Württemberg mit ten Kartierung aufgegriffen und leicht Daten aus der AGF-Datenbank „bat- aktualisiert. Die Verbreitungskarte base“ und über Daten der LUBW von stellt den aktuellen Stand zu Beginn insgesamt 86 Wochenstuben aus den der 2000er-Jahre dar; den damaligen westlichen und nördlichen Landestei- Zielvorgaben für das Grundlagenwerk len. Südöstlich der Schwäbischen Alb entsprechend lassen sich konkrete Ko- waren so gut wie keine Quartiere ent- loniestandorte hieraus nicht ermitteln. halten. Dieses Monitoring zeigt dann aber im Verlauf, wie schwierig die Or- Was ist bisher bekannt? – bundes- ganisation eines solchen Verfahrens mit weites Mausohrmonitoring ehrenamtlich tätigen Fledermausschüt- Bereits 2001 wurde bei der 5. Fach- zern ist. Daher ist wohl auch die Be- tagung der BAGF darüber diskutiert, standserfassung in der damaligen Form ein Bestandsmonitoring des Großen eingeschlafen. Trotzdem konnten die Mausohrs zu initiieren. Grund war die Ergebnisse des bundesweiten Monito- Einsicht, dass nur über eine bessere ring veröffentlicht werden (Meschede E Datenbasis gezielte Schutzmaßnahmen 2012). Abb. 3: Koloniehang- plätze mit nur einer Flugöffnung lassen sich mit Lichtschranken lückenlos überwa- chen, Mausohr- wochenstube im Landkreis FDS (Foto: Christian DIETZ) 8
AGF BW Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. AG Fledermausschutz Baden-Wür emberg e.V. Was ist bisher bekannt? – vermerkt. Aufgrund von Mehrfachein- FFH-Stichprobenmonitoring gaben reduziert sich die Zahl auf 224 Im Rahmen der Fauna-Flora-Habitat Wochenstuben-Quartiere mit Zähl- (FFH)-Richtlinie haben sich die Mit- daten seit ca. 1980. Von diesen ist bei gliedsstaaten unter anderem verpflich- 11 Standorten der Status einer Wo- tet den Erhaltungszustand der FFH- chenstube unklar (geringe Tierzahlen, Arten, wozu alle Fledermäuse gehören, keine Jungtiernachweise, nur einmalige zu überwachen. In Deutschland haben Beobachtung, z.T. außerhalb der Wo- sich Bund und Länder auf ein einheit- chenstubenzeit), bei 8 Standorten lagen liches Stichprobenmonitoring geeinigt. fehlerhafte Artbestimmungen (Artver- Demnach werden pro biogeographi- wechslungen, Eingabefehler), oder eine scher Region (wir liegen in der konti- fehlerhafte Statuseinstufung (Wochen- nentalen Region) bundesweit 63 Stich- stubenstatus betrifft eine andere Art im proben bearbeitet, die anteilsmäßig auf Quartier, z. B. eine der Langohr-Arten) die Bundesländer verteilt wurden. Für vor. das Mausohr hat Baden-Württemberg 9 Stichproben zugewiesen bekommen. Damit verbleiben 205 gesicherte Wo- Die 9 Mausohr-Kolonien werden von chenstuben-Standorte. Von diesen den Quartierbetreuern der AGF im existieren aktuell (2012 bis 2017) noch Auftrag der LUBW regelmäßig - mög- 131 Mausohr-Wochenstuben. Bei 24 lichst alle 2 Jahre - gezählt. Der erste weiteren Standorten ist unklar, ob sie Durchgang erfolgte 2010 wobei die derzeit noch besetzt sind; in den letz- Quartiere zunächst innerhalb eines Jah- ten 10 Jahren fanden hier keine Kont- res einmal kontrolliert wurden. rollen oder Dateneingaben mehr statt. 3 Wochenstuben sind vermutlich und Da bei einer einmaligen Zählung jedoch 47 Wochenstuben sicher erloschen. nur schwer Aussagen zum Reproduk- Dabei sind die vor 1980 erloschenen tionserfolg getroffen werden können, Wochenstuben nicht berücksichtigt wurden 2015 die Zählvorgaben für die- und auch die aktuelle Verlustquote se Quartiere gemäß den so genannten dürfte aufgrund einer hohen Dunkelzif- "Vilmer Kriterien" mit zwei Zählungen fer wesentlich größer sein. pro Jahr neu festgelegt (LUBW 2015). Von den 131 sicher noch existenten Die Zählung kann anhand von Quarti- Wochenstuben wurden 2016 bzw. 2017 erzählungen mit Fotodokumentation, 105 gezählt, das entspricht 80 %. Von von Ausflugzählungen oder durch Licht- den 131 Wochenstuben entfallen 28 schrankenerfassung erfolgen. auf Nordbaden, 41 auf Südbaden, 44 auf Nordwürttemberg und 18 auf Süd- Aktueller Stand – batportal württemberg. Aktuell (Stand 01.09.2017) sind im bat- portal, der Datenbank der AGF, 295 Mausohr-Wochenstuben und 2 Mau- sohr-Wochenstuben-Verdachtsfälle 9
Berichte Aktueller Stand – Verbreitung ü. NN. Die höchste Wochenstube mit Die Wochenstuben sind über ganz aktuellen Zahlen liegt in Bräunlingen- Baden-Württemberg verteilt, ausge- Döggingen (VS) auf 760 m ü. NN, ge- nommen sind die höheren Lagen von folgt von Waldshut-Tiengen, Ortsteil Schwarzwald und Schwäbischer Alb Waldkirch (WT), auf 690 m ü. NN. sowie eine auffallend geringe Dichte in Ebenfalls hoch liegen die südbadische Oberschwaben. Wochentuben ohne aktuelle Zähldaten in Sankt Peter (FR) auf 710 m ü. NN Die aktuell besetzten 131 Wochenstu- und die Einzelbeobachtung eines Weib- ben liegen zwischen 107 und 760 Me- chens mit Jungtier bei fraglichem Wo- tern über dem Meeresspiegel, im Mit- chenstuben-Status bei 820 m ü. NN aus tel auf 336 bzw. im Median bei 300 m Donaueschingen-Hubertshofen (VS). Abb. 4: Verbreitung aller dokumentierten Mausohr- Wochenstuben in Baden-Würt- temberg, Stand 26.09.2017 (Aus- wertung: Christian DIETZ, Grafik: Claude STECK) 10
AGF BW Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. AG Fledermausschutz Baden-Wür emberg e.V. Aktueller Stand – Größenverteilung Die Gesamtsumme der Weibchen in und Gesamtbestand den 2016 und 2017 gezählten Quar- Die aktuell besetzten 131 Wochenstu- tieren liegt bei ca. 25.000 Weibchen. ben umfassen zwischen 5 und 1.100 Nimmt man in grober Vereinfachung Weibchen, die Mittlere Wochenstu- für die aktuell nicht gezählten, aber bengröße liegt bei 194 Tieren, der auf- wohl noch existierenden Wochenstu- grund der Verteilung aussagekräftigere ben an, dass die jeweils letzte Zähler- Median bei 120 Tieren. Insgesamt fällt fassung auch heute noch gilt, lässt sich die Vielzahl kleiner Wochenstuben auf. für Baden-Württemberg ein Bestand Die beiden größten Wochenstuben be- von ca. 30.000 Weibchen ableiten. finden sich im Kloster Maulbronn (PF) und in der Kirche in Röttingen (AA) mit jeweils über 1.000 Weibchen. Abb. 5: Größenklassen der 2016 bzw. 2017 kontrol- lierten Mausohr- Wochenstuben in Baden-Würt- temberg, Stand 26.09.2017 (Aus- wertung: Christian DIETZ, Grafik: Claude STECK) 11
Berichte Aufgrund des ausgewogenen Ge- tieren (Weibchen und Jungen) je 100 schlechtsverhältnisses gibt es ebenso Quadratkilometern und liegt damit im viele Männchen. Mit dem Flüggewerden Bereich der bundesweit ermittelten erhöht sich die Gesamtzahl der Tiere Siedlungsdichten (Meschede 2012). Be- um ca. 1/3 (ca. 2/3 der Weibchen zie- zogen auf alle Mausohren entspricht hen ein Junges auf), was einen Gesamt- dies 2,24 Individuen je Quadratkilome- bestand von ca. 80.000 Tieren am Ende tern was im Bereich der für Bayern er- der Wochenstubenzeit ergeben würde. mittelten Gesamtdichte von 1,96 Indi- Diese zunächst schwer einzuordnende viduen je Quadratkilometern (Rudolph Zahl entspricht ca. 140 Wochenstuben- et al. 2004) liegt. Abb. 6: Verteilung der 205 dokumen- tierten Mausohr- Wochenstuben in Baden-Würt- temberg nach der Größenklasse (Anzahl repro- duzierender Weibchen), Stand 26.09.2017 (Auswertung und Grafik: Christian DIETZ) Aktueller Stand: Quartiertypen Lüftungsschacht vorhanden. Von den Von den 205 dokumentierten Mausohr- aktuell besetzten 131 Kolonien liegen Wochenstuben liegen 92 in Kirchen- damit 125 (95 %) in Dachräumen von dächern, 89 in Gebäudedächern, 17 in Kirchen, Kirchtürmen oder sonstigen Kirchtürmen, drei in Hohlkastenbrü- Gebäuden. cken, zwei in Heizungskellern, und je 86 Wochenstuben befinden sich in eine in einem Lüftungsschacht eines kirchlicher Obhut (73 Kirchen, 13 G Kellers und in einem Stollen. Hiervon kirchliche Gebäude), 25 in öffentlichen sind aktuell noch 59 in Kirchendächern, Gebäuden, 9 in Schlössern (privat und 53 in Gebäudedächern, 13 in Kirchtür- öffentlich), 8 in Privathäusern und drei men, drei in Hohlkastenbrücken, zwei in Brücken in Bundesverantwortung in Heizungskellern und eine in einem (2x Autobahn, 1x Bundesstraße). 12
AGF BW Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. AG Fledermausschutz Baden-Wür emberg e.V. Abb. 7: Verteilung der 205 dokumentierten Mausohr-Wochenstuben in Baden-Württem- berg auf die Quartiertypen, Stand 26.09.2017 (Auswertung und Grafik: Christian DIETZ) Ausnahmen von den typischen Dach- schen, kleingekammerte Bereiche, oder bodenquartieren der Mausohren sind eingebaute Fledermauskästen als Früh- relativ selten: Landesweit gibt es der- jahrshangplätze genutzt. Zumindest zeit drei Wochenstuben in Kellern, zu- zwei der Wochenstuben in Brücken mindest zwei waren dabei ursprünglich dürften nach dem Verlust nahegelege- in Dachräumen der Schlossanlagen ner Gebäudewochenstuben aus den zu- und sind im Zuge von Sanierungen bzw. vor bereits etablierten Männchen- und Holzschutzbehandlungen in die Keller- Paarungsquartieren entstanden sein. räume umgezogen. Die Kellerkolonie Besonders ungewöhnlich war die einzi- im Landkreis TÜ hängt vor allem in ge unterirdische Wochenstube in dem einem Lüftungsschacht, der in seinen Bergwerkskomplex Vulkan bei Haslach oberen Bereichen von der Sonne er- im Landkreis OG: hier sorgte die in wärmt wird. Die Kellerkolonie im Land- einem Steinbruch direkt über der Stol- kreis SHA hängt in einem Heizraum lenanlage befindliche Mülldeponie mit und die Wochenstube im Landkreis der abgegebenen Gärwärme für Tem- OG hing ursprünglich ebenfalls in dem peraturen von über 20° in einer dom- Heizraum einer Stuhlfabrik und wird artigen Erweiterung des Stollens. Mit heute künstlich warm gehalten. dem Abklingen der Abwärme aus der Landesweit gibt es derzeit drei Wo- stillgelegten Deponie (aktuell ist der chenstubenkolonien in Hohlkasten- Stollen wieder nahezu auf die Jahres- brücken (Landkreise ES, KN, TBB). Da durchschnittstemperatur abgekühlt) ist sich die Brückenhohlräume im Frühjahr die Wochenstube in den 2000er-Jahren relativ langsam erwärmen, werden Ni- wieder erloschen. 13
Berichte Aktueller Stand: Quartierverlust Die Verluste an Wochenstuben nach Quartiertypen, abgeleitet an der je- weiligen Anzahl aller Standortmeldun- gen und der aktuell sicher besetzten 131 Standorte (Verlust insgesamt von 36 %) fällt mit 100 % bei Stollen (n=1), 40 % bei Gebäudedächern (n=89), 36 % bei Kirchendächern (n=92) und 24 % bei Kirchtürmen (n=17) sehr hoch aus. Keine Verluste gab es bei den nur vereinzelt vorkommenden Quartieren Abb. 8: Mausohrwochenstube in einer Hohlkas- in Lüftungsschächten, Heizungskellern tenbrücke im Landkreis ES, die Tiere nutzen im und Brücken. Inneren angebrachte Fledermauskästen oder die Nischen der Oberflächenentwässerung als Hang- Die Verluste an Wochenstubenquar- platz (Foto: Christian DIETZ) tieren anhand der Trägerschaft fallen insbesondere mit 56 % in Privathäusern (n=18), 47 % in Schlössern (n=17) und 38 % in öffentlichen Gebäuden (n=40) sehr hoch aus, in Kirchen (n=110) sind sie mit 34 % und in kirchlichen Gebäu- den (n=16) mit 19 % deutlich niedriger. Wochenstubenkolonien gehen haupt- sächlich durch Sanierungsmaßnahmen (Störung während der Jungenaufzucht, Verschluss der Einflugöffnungen, Tau- benabwehr, Beleuchtung) verloren, sinkende Quartiertemperaturen oder Abb. 9: Die ungewöhnlichste Mausohr-Wo- der Einfluss von Beutegreifern spielen chenstube in Baden-Württemberg befand nur ausnahmsweise eine Rolle für die sich in einem Stollensystem unter einer Quartieraufgabe. Allerdings könnten Mülldeponie im Landkreis OG, beheizt ungünstige Bedingungen für die Viel- durch die Gärwärme des Abfalls. Auf dem zahl der kleinen Wochenstuben ver- Foto ist der große Kotberg zu sehen (Foto: antwortlich sein. Christian DIETZ) G 14
AGF BW Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. AG Fledermausschutz Baden-Wür emberg e.V. Abb. 10: Taubenabwehr, Außenbeleuchtung und Gebäudesanierung sind die größten Gefährdungsursachen für Mausohrwochenstuben, beson- ders bedroht sind nicht regelmäßig betreute Quartiere, Landkreis BAD (Foto: Christian DIETZ) Abb. 11: Misslungene Taubenabwehr mit Hasengitter in einer Kirche im Landkreis BL: ein Mausohr hat sich verfangen und ist hier verendet und die Tauben brüten weiterhin außen vor dem Gitter (Foto: Christian DIETZ) 15
Berichte Eine „Mausohr zählen“ -Vision jährlich gezählt, Schutzmaßnahmen Mittelfristig wäre es wünschenswert, umgesetzt und öffentlichkeitswirksa- alle Mausohr-Wochenstuben vollstän- me Veranstaltungen durchgeführt. Für dig betreut und jährlich gezählt zu be- viele Quartiere besteht seit über 20 kommen. Damit ließen sich effektive Jahren eine lückenlose Populationser- Schutzmaßnahmen für die Quartiere fassung. Ähnlich umfassende Betreu- umsetzen und ein belastbarer Trend ungsprogramme gibt es z.B. in Bayern der Bestandsentwicklung ableiten. (Meschede & Rudolph 2010) oder Thü- Großes Vorbild hierzu ist das Projekt ringen (Tress 2012). „Mausohr-Wochenstuben“ der Stif- tung Fledermausschutz in der Schweiz. Dabei werden alle 100 Mausohr-Wo- chenstuben der Schweiz betreut und Abb. 12: Lage der seit dem Jahr 2010 nach- weislich besetzten Mausohr-Wo- chenstuben in Ba- den-Württemberg mit 15-km-Puffer als Einzugsgebiet, Stand 25.09.2017. Die Lücken stellen mit Ausnahme von Schwarzwald und Schwäbischer Alb Suchräume für unbekannte Mausohr- Wochenstuben dar (Auswertung: Christian DIETZ, Grafik: Claude STECK) 16
AGF BW Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. AG Fledermausschutz Baden-Wür emberg e.V. Was kann mit überschaubarem schloss (WN*), Backnang: Privathaus Aufwand erreicht werden? (WN), Hochdorf-Unteressenbach: Nach den intensivierten Zählbemühun- Kirche (BC), Ulm-Wiblingen: Schloss, gen 2016 und 2017 ist die AGF schon Bibliothek (UL). auf der Zielgeraden, eine vollständige *Anmerkung: Bereits betreute Quartiere Erfassung der Mausohr-Wochenstuben ohne Dateneingabe 2016 & 2017 bis zum hinzubekommen. Um eine vollständige Auswertedatum 26.09.2017. Erfassung zu erreichen, sind folgende Aufgaben zu erledigen: Überprüfung von 24 bekannten Koloniestandorten, bei denen un- Zählung in den 26 in den Jahren klar ist, ob sie noch existieren, da 2016 & 2017 nicht gezählten Wo- seit Langem keine Daten mehr er- chenstuben die es sicher noch gibt, hoben bzw. eingegeben wurden: bzw. Eingabe in das batportal, falls Freiamt-Reichenbach: Alte Schule (EM), die Quartiere doch gezählt wurden: Waldkirch: rk. Kirche (EM), Winden im Elzach-Yach: Kirche (EM), Emmendin- Elztal-Niederwinden: Privathaus (EM), gen: Markgrafenschule (EM), Glotter- Kirchzarten-Neuhäuser: Privathaus tal: Schwarzwaldklinik (FR), Oberried: (FR), St Peter: Kirche St.Ursula (FR), rk. Pfarrhaus (FR), Radolfzell-Markel- Öhningen: Klosterkirche (KN), Bibe- fingen: rk. Kirche St. Laurentius (KN), rach (Baden)-Prinzbach: Dörfle 6 (OG), Gengenbach: ehemaliges Kloster (OG), Hausach-Häuserbach: Privathaus (OG), Geisingen-Kirchen-Hausen: Alte Schule Hornberg: Volksschule, Hauptstraße (TUT), Rietheim-Weilheim-Weilheim: (OG), Lahr (Schwarzwald)-Kuhbach: rk. Kirche (TUT), Stühlingen-Weizen: Kirche (OG), Mühlenbach: kath. Kirche Kirche (WT), Stühlingen-Schwanin- (OG), Seelbach (Schutter): rk. Kirche gen: Gasthaus zum Schwanen (WT), (OG), Tuttlingen-Nendingen: Kirche Waldshut-Tiengen-Waldkirch: Pfarrkir- Petrus & Jakobus Maior (TUT), Stüh- che (WT), Wutöschingen-Schwerzen: lingen: Klosterkirche, (WT), Ühlingen: rk. Kirche (WT), Eberbach: Dr. Weiß- Vereinshaus, Nebengebäude Rathaus Grundschule (HD*), Eberbach-Rocke- (WT), Waldshut-Tiengen-Gurtweil: nau: Seniorenstift (HD*), Weisenbach: Marienkapelle (WT), Neckartenzlin- Kirche (RA*), Abtsgmünd-Hohenstadt: gen: Rathaus (ES), Untergruppenbach: Kirche (AA), Weil-der-Stadt: rk. Kirche ev. Kirche (HN), Tannheim: rk. Kirche (BB), Löwenstein-Rittelhof: Privathaus (BC), Warthausen: Schloss (BC), Ar- (HN), Möckmühl: Altes Rathaus (HN), genbühl-Eisenharz: rk. Pfarrhaus (RV), Dörzbach: ev. Kirche (KÜN), Ober- Baienfurt: rk. Kirche Maria Himmel- sontheim: Schloß Samariterstift (SHA), fahrt (RV), Ostrach-Habsthal: Kloster Lauda-Königshofen-Heckfeld: Muck- Habsthal, (SIG), Erbach (Donau): rk. bachbrücke (TBB), Schorndorf: Burg- Kirche (UL). 17
Berichte Abb. 13: Aktueller Erfas- sungsstand der seit dem Jahr 2010 nachweislich besetzten Maus- ohr-Wochenstuben in Baden-Würt- temberg, Stand 25.09.2017. Die gelben und grünen Standor- te sollten 2018 bearbeitet werden (Auswertung: Christian DIETZ, Grafik: Claude STECK) Überprüfung von 3 vermutlich Buchen-Götzingen: rk. Kirche (MOS), erloschenen Koloniestandorten: Fahrenbach: rk. Kirche (MOS), Lim- Stegen-Eschbach: Pfarrhaus und ehe- bach-Heidersbach: rk. Kirche (MOS), maliges Kloster (FR), Engen: Kloster St. Mudau-Steinbach: rk. Kirche (MOS), Wolfgang (KN), Dornhan-Leinstetten: Neunkirchen-Neckarkatzenbach: ev. Schloss (RW). Kirche (MOS), Ravenstein-Unterwitt- G statt: rk. Kirche (MOS), Neresheim: Überprüfung von 11 möglichen Kloster (AA), Stimpfach-Rechenberg: Wochenstuben-Standorten mit Jugendherberge/Schloss (SHA), Blau- unklarem Status: stein-Arnegg, Rathaus (UL). Donaueschingen-Hubertshof: Kirche (VS), Billigheim: rk. Kirche (MOS), 18
AGF BW Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. AG Fledermausschutz Baden-Wür emberg e.V. Suche nach Wochenstuben in den Oberschwaben bzw. Donau-Iller- Suchräumen: Lech-Platte v.a. rund um Bad Saulgau, Filder- und Neckargebiet zwischen Bad Wurzach und Laupheim. Stuttgart, Filderstadt und Esslingen. Abfrage bei allen NABU, BUND- Schurwald, Welzheimer Wald und und Schwäbischen-Albvereins- östliches Albvorland v.a. rund um Gruppen ob weitere Mausohr-Wo- Schwäbisch-Gmünd. chenstuben bekannt sind. Schwarzwald-Randplatten im Enz- Vervollständigen der Quartierlis- und Nagoldgebiet südlich Pforzheim. te und ergänzen der aktuellen Quar- Tauberland und Hohenloher-Haller- tierbetreuerInnen. Ebene zwischen Bad Mergentheim, Creglingen und Wallhausen. Wochenstuben-Betreuer gesucht! Zählvorgaben Wichtigste Aufgabe der nächsten Bei den bisherigen Zählungen ist es sehr Jahre sollte es sein, für alle Mausohr- oft nicht möglich, zwischen Jung- und Wochenstuben Quartierbetreuer zu Alttieren zu unterscheiden, oder die finden. Dabei sollte sichergestellt wer- tatsächliche Koloniegröße zu bestim- den, dass durch diese mindestens eine men, da außerhalb der eigentlichen Wo- Begehung pro Jahr im Quartier, eine chenstubenzeit gezählt wurde. Hilfreich Bestandserfassung durch Hangplatz- sind die Vilmer Kriterien (2002) aus oder Ausflugzählung und möglichst dem bundesweiten Mausohrmonitoring auch die weitergehende Betreuung und mit zwei Zählungen pro Jahr: Reinigung des Quartiers gewährleistet Erste Zählung Mitte Mai bis Mitte werden kann (dazu auch der Artikel Juni vor den ersten Geburten (= adulte „Mausohren betreuen!“ in der nächsten Weibchen), Ausgabe des „Flattermann“). Langjäh- zweite Zählung Ende Juni bis Mitte rigen Quartierbetreuern, die in den Juli bzw. 14 Tage nach Jungengeburt, vor nächsten Jahren aufhören wollen, oder dem Flüggewerden (= adulte Weibchen aus Zeitgründen nur noch selten in die + Jungtiere). Quartiere kommen, sollten Cobetreu- Die Zählvorgaben für die Monitoring- er zur Seite gestellt werden. Wo immer quartiere des LUBW-Stichproben- möglich empfiehlt es sich ortsnah woh- monitorings entsprechen den Vilmer nende Quartierbetreuer zu etablieren, Kirterien und wurden in LUBW (2015) da nur so die lokalen Kontakte gewähr- festgelegt: 1. Zählung Anfang Juni kurz leistet sind und auf mögliche Störein- vor Geburt der Jungtiere; 2. Zählung flüsse schnell reagiert werden kann. Anfang Juli bevor die Jungtiere ausfliegen. Die Zählung kann anhand von Quarti- erzählungen mit Fotodokumentation, von Ausflugzählungen oder durch Licht- schrankenerfassung erfolgen. 19
Berichte Tabelle 1: Zeiträume in Mausohr-Wochenstuben: grün: Tiere sicher anwesend, gelb: Tiere nur zeitweise anwesend, grau: Tiere meist nicht anwesend, schwarz: empfohlene Zeiträume. Praxistipps um Mausohren zu das Farbsehen notwendigen Zapfen- zählen – Ausflugzählung Zellen fehlen und Rotlicht die Stäbchen- Da Mausohren relativ spät ausfliegen, Zellen nur geringfügig erregt. Bereits ist es in manchen Situationen schwierig, günstige Rotlicht-LED-Lampen, wie die die Tiere sehen zu können und ein Bat- „CrazyFire Rotlicht LED Taschenlam- detektor reicht unter Umständen nicht pe“, reichen aus, um die ausfliegenden aus, um gleichzeitig fliegende Tiere zäh- Fledermäuse nahezu störungsfrei für len zu können. Wenn man die Ausflug- uns sichtbar zu machen. Bei großen öffnung mit normalem Licht anleuchtet, Kolonien hilft eine Zähluhr (z.B. „LUFA fliegen die Tiere nicht mehr, oder sehr Handzähler“, „infactory Handzählgerät“ verzögert aus. Sehr gut geeignet ist oder „Tetra mechanischer Zähler“) um Rotlicht, da den Fledermäusen die für nicht den Überblick zu verlieren. Praxistipps um Mausohren zu mit Rotlicht meist nicht mehr möglich. zählen – Quartierzählung Vollständig einsehbare Koloniehangplät- Im Quartier kann man Jung- und Alttie- ze lassen sich anhand eines oder meh- re bis Ende August gut anhand der Fär- rerer Fotos auszählen. Einige geblitzte bung unterscheiden: Jungtiere haben ein Fotos stellen in aller Regel eine geringe- graueres Rückenfell, eine hellere Un- re Störung dar als langes Auszählen mit terseite, dunklere Schnauze und wirken Weißlicht im Quartier. In einem Bild- zarter. Alttiere sind am Rücken braun bearbeitungsprogramm kann man zur gefärbt, die Unterseite ist gelblich-beige, besseren Zählbarkeit die Helligkeit des die Schnauze bräunlich und die Tiere Bildes hochregeln und verschiedenfarbi- wirken robuster. Tiere bei denen man ge Punkte für Jung- und Alttiere auf das sich nicht entscheiden kann sind meist Bild setzen. Nur bei sehr großen Ko- einjährige Weibchen, die kein eigenes lonien lohnt sich der Aufwand, die ge- Junges aufgezogen haben. setzten Punkte automatisch auszählen Rotlichtleuchten (s.o.) erlauben auch in zu lassen (automatisch in „CorelDRAW der Kolonie eine störungsfreie Beob- graphics suite“ möglich, diverse auch als achtung der Tiere: sie reagieren nicht freeware erhältliche Zählprogramme G das Licht und zeigen ihr norma- auf für manuell gesetzte Landmarken). Bei les Verhalten, man kann ganz in Ruhe normalen Koloniegrößen kann man z.B. Tier für Tier durchzählen. Allerdings je 100 fertig gesetzten Punkten eine kann man die Färbung der Tiere nicht neue leere Grafikebene einblenden und erkennen, damit ist eine Unterschei- verliert so nicht den Überblick.“ dung in Jung- und Alttiere ab Ende Juli 20
AGF BW Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. AG Fledermausschutz Baden-Wür emberg e.V. Abb. 15: Vergleich von sechs Zählmethoden im Quar- tier (Kirche im Landkreis FDS): geblitztes Foto (a), Ausleuchten mit weißem Licht (b), Ausleuchten mit rotem Licht (c) Infrarotaufnahme ohne zusätzliche Infrarot-Beleuchtung (d), Infrarotaufnahme mit Infra- rotlicht (e) und Aufnahme mit Wärmebildkamera (f) (Fotos: Christian DIETZ) Abb. 14: Manche Kolonien lassen sich am Hangplatz Abb. 16: Auszählung anhand eines Quartierfotos in nicht auszählen, da die meisten Tiere versteckt hin- einem Dach im Landkreis RA, je nach Perspektive ter den Balken hängen, hier im Turm einer Kirche sind nicht alle Tiere auf dem Foto erkennbar, dafür im Landkreis RW. Ausflugzählungen sind dann die lassen sich Alt- und Jungtiere gut unterscheiden (Foto: einzige Möglichkeit die Koloniegröße zu bestimmen Christian DIETZ) (Foto: Christian DIETZ) 21
Berichte BITTE UM MITARBEIT Im Sommer 2018 sollen möglichst alle Wochenstuben des Mausohrs gezählt wer- den. Um einen vollständigen Überblick darüber zu bekommen, wer welche Kolo- nie zählt und betreut, wäre es hilfreich, wenn alle bisherigen Quartierbetreuer an den jeweiligen Regionalvertreter rückmelden, welche Wochenstuben bearbeitet werden und ob auch in Zukunft die Betreuung gewährleistet werden kann. Des- gleichen bitten wir, dass sich alle Neueinsteiger, die gerne eine Wochenstuben- betreuung und Zählung übernehmen würden, bei den Regionalvertretern melden. Bei den Zählungen wäre es toll, wenn die Zähltermine (vgl. „Zählvorgaben“) ein- gehalten werden könnten. Die Zähldaten 2018 sollten bitte bis 15. September 2018 direkt ins batportal ein- gegeben werden. Wer bisher keinen Zugang hat, kann diesen formlos per Email beantragen: ehensle@web.de. Dabei bitte den Landkreis der betreuten Kolonie mit angeben. Nach dem 15. September 2018 erfolgt die Auswertung der Daten und kann dann im Flattermann 2018 veröffentlicht werden. Dank Für die vielen Hinweise zum Text danke ich Monika Braun, Brigitte Heinz, Edmund Hensle, Alexandra Sproll und Isabel Dietz. Ganz herzlich möchte ich mich bei den Quartierbetreuern bedanken, die ich in ihre Wochenstuben begleiten durfte und die ihre Erfahrungen bereitwillig geteilt haben: Kerstin Bach, Roman Benzig, Moni- ka Braun, Daniela Dörr-Timmerberg, Ariane Friedrich, Birgit Fuggmann, Ina Hart- mann, Winfried Haug, Petra Hauser, Klaus Heck, Edmund Hensle, Ulrich Hartlieb, Ingrid Kaipf, Marion Kaspar, Joachim Kurz, Anja Lehmann, Jochen Lehmann, Ewald Müller, Jörg-Andreas Reihle, Simone Reusch, Annett Schaible, Hans-Martin Weiss- hap, Martina Wonner und Matthias Zizelmann. Ein großes Dankeschön gilt allen Datenmeldern der AGF; ohne deren Einsatz wäre die Auswertung nicht möglich gewesen! Besonderer Dank gilt Claude Steck für die GIS-Bearbeitung der Daten- auswertung. Für die Ergänzung der Quartierliste und die Meldung bislang fehlen- der Quartiere danke ich den Regionalbetreuern der AGF: Monika Braun, Birgit Fuggmann, Klaus Heck und Pia Wilhelm, sowie den Regionalkennern Ernst Auer, Edmund Hensle, Alfred Nagel und Alexandra Sproll. Für die Ergänzung zum Teil- G Monitoring danke ich Sandra Schweizer. Für weitere Angaben danke ich der Ko- ordinationsstelle für Fledermausschutz Nordbaden mit Monika Braun und für die Möglichkeit auf die Quartierzusammenstellung in Nordbaden zugreifen zu können dem Referat 56 des Regierungspäsidiums Karlsruhe mit Kerstin Bach. 22
AGF BW Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. AG Fledermausschutz Baden-Wür emberg e.V. Literatur Hensle, E. (1997): Fledermausschutz im Rahmen städtebaulicher Entwicklungs- maßnahmen, zwei Fallbeispiele: a) Ettenheim, Rettung einer Mausohr- Wochenstube; b) Flugplatz Lahr. – Der Flattermann 9: 18-20. Hensle, E. (1998): Versuch der Umsiedlung einer Mausohr-Wochenstube (Myotis myotis) in der „Schwarzwald-Klinik“ Glottertal. – Der Flattermann 10: 15-17. Krättli, H., K. Krähenbühl-Künzli & M. Manni-Joss (2006): Mausohr-Wochenstuben. – Stiftung Fledermausschutz, 87 Seiten; Zürich. Kulzer, E. (1996): Chronik und Bilanz einer Mausohrwochenstube in der Stadt Reutlingen. – Der Flattermann (Deutschland) 16: 2-3. Kulzer, E. (2003): Großes Mausohr Myotis myotis. – In: Braun, M. & F. Dieterlen (Hrsg.): Die Säugetiere Baden-Württembergs, Band 1: 357-377; Ulmer-Verlag, Stuttgart. Kulzer, E., H.V. Bastian & M. Fiedler (1987): Fledermäuse in Baden-Württemberg. Ergebnisse einer Kartierung in den Jahren 1980-1986 der Arbeitsge- meinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg. – Beihefte zu den Veröffentlichungen für Naturschutz und Landschaftspflege in Baden- Württemberg 50: 152 Seiten; Karlsruhe. Kulzer, E. & E. Müller (2007): Zwei Jahrzehnte Pflege und Kontrolle der Maus- ohrkolonie (Myotis myotis) in Entringen, Krs. Tübingen. – Der Flatter- mann 19(1): 9-16. LUBW (2015): FFH-Stichprobenmonitoring AGF 2015. Vorgaben zur Erhebung des Parameters „Zustand der Population“. – Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, 12 Seiten; Karlsruhe. Unveröffentlicht. Meschede, A. & B.-U. Rudolph (2010): 1985 – 2009: 25 Jahre Fledermausmonitoring in Bayern. – UmweltSpezial: 94 Seiten; Bayerisches Landesamt für Umwelt. Meschede, A. (2012): Ergebnisse des bundesweiten Monitorings zum Großen Mausohr (Myotis myotis). – BfN-Skripten 325: 71 Seiten. Müller, E. (1993): Fledermäuse in Baden-Württemberg II, Ergebnisse der zweiten Kartierung 1986-1992 der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg. – Beihefte zu den Veröffentlichungen für Natur- schutz und Landschaftspflege in Baden-Württemberg 75: 160 Seiten; Karlsruhe. Rudolph, B.-U., A. Zahn & A. Liegl (2004): Mausohr Myotis myotis. – In: Meschede, A. & B.-U. Rudolph (Hrsg.): Fledermäuse in Bayern: 203-231; Ulmer-Verlag, Stuttgart. Tress, C. (2012): Mausohr Myotis myotis. – In: J. Tress et al. (Hrsg.): Fledermäuse in Thüringen – Naturschutzreport 27: 233-350. Zoldahn, B. (2012): „Neuentdeckte“ Mausohr-Wochenstube in Lauterstein / Nenningen (Kreis Göppingen). – Der Flattermann 24: 17-19. 23
Berichte Juristisches Tauziehen um die Sauschwänzlebahn von Friedrich KRETZSCHMAR Die Eisenbahnstrecke von Waldshut Höhenmeter überwunden werden. nach Blumberg (und weiter nach Hint- Dafür wurde eine etwa 20 km lange schingen im Donautal) wurde im Jahr Strecke mit geringer Steigung und ei- 1890 gebaut. Sie war von strategischer nigen Tunnels und Viadukten gebaut, Bedeutung, da somit das schweizeri- welche die Geländemorphologie der sche Gebiet des Kantons Schaffhau- Wutachschlucht und der Seitentäler sen – durch den die Bahnstrecke von geschickt ausnutzt. Zwei der insgesamt Singen nach Waldshut verläuft – auf sechs Tunnels wurden als Kehrtunnels deutschem Territorium umfahren wer- mit 1.100 m und 1.200 m Länge kons- den konnte. Von Stühlingen-Grimmels- truiert. Die auf Landkarten erkennba- hofen (495 m ü. NN) im Wutachtal ren „Kringel“ der Bahnlinie gaben der bis Blumberg (702 m ü. NN) mussten Strecke im Volksmund den Namen auf knapp 7 km Luftlinie über 200 „Sauschwänzlebahn“ (s. Abb. 1). Abb. 1: Verlauf der „Sauschwänzle- bahn“ zwischen Stühlingen-Wei- zen (Landkreis Waldshut) und Blumberg-Zoll- haus (Schwarz- wald-Baar-Kreis) entlang des FFH- Gebiets „Blum- berger Pforte“ und des Natur- schutzgebiets „Wutachflühen“ G in der Nachkriegszeit die Bahn ihre Als cke schließlich stillgelegt. Mit Planfest- strategische Bedeutung verloren hat- stellungsbeschluss vom 10. Januar 1978 te, ging der Verkehr deutlich zurück. wurde auf Antrag der Stadt Blumberg In den 1960er-Jahren sollen jährlich jedoch eine Museumsbahn genehmigt. nur noch zwei bis drei Züge verkehrt Im Antrag für die Museumsbahn wur- sein. Am 1. Mai 1976 wurde die Stre- de von zwei bis drei Fahrten monatlich 24
AGF BW Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. AG Fledermausschutz Baden-Wür emberg e.V. im Zeitraum Mai bis Oktober ausge- zelfunde aus Winterquartieren waren gangen. Der Planfeststellungsbeschluss noch bekannt, beantragte die Arbeits- des Wirtschaftsministeriums macht gemeinschaft Fledermausschutz 2002 dazu jedoch keine Ausführungen. Im bei der Stiftung Naturschutzfonds Jahr 1996 genehmigte das damalige Baden-Württemberg ein Projekt zur Ministerium für Umwelt und Verkehr Erforschung der Lebensräume der Baden -Württemberg den Betrieb ei- Mopsfledermaus im Wutachgebiet. ner sogenannten „nichtöffentlichen Im Rahmen dieses Projekts (KRETZ- Eisenbahninfrastruktur“. Durch das In- SCHMAR 2004) und weiterer Pro- nenministerium Baden-Württemberg jekte (z. B. BRINKMANN et al. 2005) erfolgte im Jahr 2006 die Genehmigung bestätigte sich, dass sich im unteren einer öffentlichen Eisenbahninfrastruk- Wutachgebiet eine kleine Population tur. Naturschutzaspekte wurden we- der Mopsfledermaus gehalten oder der bei der Planfeststellung noch bei wieder neu entwickelt hatte. Als ein den späteren Genehmigungen berück- zentrales Element im Lebensraum der sichtigt. Mopsfledermäuse wurden die Tunnels der Sauschwänzlebahn – insbesondere Die Naturhöhlen im Gebiet der der „Weiler Kehrtunnel“ – ausgemacht. Wutachschlucht sind seit Langem als Die Fledermäuse nutzen die Tunnels als wichtiges Winterquartier für Fleder- Überwinterungsquartier, schwärmen mäuse bekannt (V. HELVERSEN et al. hier jedoch im Spätsommer nachts in 1987). Im Jahr 1997 wurden vom Autor großer Zahl. Es ist davon auszugehen, bei Netzfängen vor einer Höhle in den dass solche Schwärmplätze eminent Wutachflühen im Sommer Mopsfleder- wichtig für den Zusammenhalt von Po- mäuse gefangen. Da diese Art seit den pulationen sind (ausführlich in KRETZ- 1980er-Jahren in Baden-Württemberg SCHMAR 2014). als ausgestorben galt, nur wenige Ein- Abb. 2: Cluster von 218 Mopsfleder- mäusen an der Tun- neldecke des Weiler Kehrtunnels am 10. Januar 2017 (Foto: Christian DIETZ) 25
Berichte Nachdem die große Bedeutung der die Bahnbetriebe Blumberg jedoch auf Sauschwänzlebahn-Tunnels für den ihrem Recht, die Tunnels zu durchfah- Fledermausschutz bekannt war, wur- ren, bestehen. Es entwickelte sich ein de dem Landratsamt mitgeteilt, dass mehrjähriges Tauziehen, dessen chro- Arbeiten an den Tunnels fortan fle- nologischer Ablauf in dem Kasten am dermauskundlich begleitet werden Ende des Textes dargestellt ist. müssen. Sanierungen der Tunnelver- kleidung und Arbeiten an den Portalen Die tabellarische Aufzählung der bis- in den Jahren 2005 und 2006 erfolgten herigen Verfahrensschritte und Ent- daher unter ökologischer Baubeglei- scheidungen zeigt, wie komplex die tung durch eine Fledermausexpertin. rechtlichen Sachverhalte sind. Für die Ein grundsätzlicher Konflikt zwischen Mitarbeiter in den Naturschutzbehör- Bahnbetrieb und Fledermausschutz den stand von Anfang an fest, dass es bestand nicht, da der Museumsbahnbe- eine Möglichkeit geben muss, ein solch trieb nur von April bis Oktober läuft bedeutsames Vorkommen einer euro- und auch das nächtliche Schwärmen parechtlich geschützten Art (Anhän- der Tiere nicht mit dem Bahnbetrieb ge II und IV der Fauna-Flora-Habitat- kollidiert. Im Herbst 2013 bekam die [FFH]-Richtlinie, Tunnels liegen zum höhere Naturschutzbehörde im Regie- Teil im FFH-Gebiet) zu erhalten. Da rungspräsidium Freiburg (RPF) von den sich die Mopsfledermaus in einem un- Naturschutzverbänden den Hinweis, günstigen Erhaltungszustand befindet, dass im Internet „Nikolausfahrten“ der muss der Mitgliedsstaat Deutschland Sauschwänzlebahn beworben würden. alles dafür unternehmen, Beeinträch- In einem Telefonat mit dem Bürger- tigungen der Populationen zu vermei- meister der Stadt Blumberg (Aufsichts- den. Es stand zu befürchten, dass es bei ratsvorsitzender der Museumsbahnge- Verlust oder erheblicher Beeinträch- sellschaft) wurde daraufhin vom RPF tigung des Winterquartiers zu einer erläutert, dass ein Winterbetrieb der Beschwerde der Naturschutzverbän- Bahn die Lebensstätte der Fledermäu- de bei der Europäischen Union kom- se zerstören oder zumindest erheblich men würde. Es bleibt zu hoffen, dass beeinträchtigen würde. Es wurde da- die nach Vorliegen der Ergebnisse des rum gebeten, auf die Winterfahrten neuerlichen Gutachtens anzupassende zu verzichten. Die überwinternden Teilaufhebung des Planfeststellungsbe- Fledermäuse – überwiegend Mops- schlusses dann nach vier Jahren Ausei- fledermäuse (Barbastella barbastel- nandersetzung endlich den Schutz der lus) – hängen frei an der Tunneldecke Fledermausvorkommen gewährleisten G wären dem Lärm der Züge und und wird. insbesondere dem heißen Dampf der Dampflokomotiven direkt ausgesetzt. Fledermausnachweise ab 2013 Nach anfänglichem Verständnis für Das im Februar 2014 nach der Ver- den Schutz dieser seltenen und euro- handlung vor dem Verwaltungsgericht parechtlich geschützten Arten wollten (VG) Freiburg beauftragte Fachgut- 26
AGF BW Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. AG Fledermausschutz Baden-Wür emberg e.V. achten zur Bedeutung der Tunnels als nels, diese jedoch in deutlich gerin- Lebensraum für Fledermäuse (BRINK- gerer Zahl (vgl. Tabelle 1). Erfreulich MANN et al. 2015) sowie die ersten war der Fund einer überwinternden Zwischenergebnisse eines weiteren im Großen Hufeisennase (Rhinolophus November 2016 beauftragten Gutach- ferrumequinum) am 03.12.2014, einer tens bestätigten eindrücklich die bis in Baden-Württemberg als ausgestor- dahin bekannte Funktion. Regelmäßige ben geltenden Art, die hier mehrere Winterkontrollen alle zwei Wochen Wochen nachweisbar war. Da die Tun- zeigten, dass sich die Überwinterungs- nelauskleidung zahlreiche schlecht ein- gesellschaft der Mopsfledermaus im sehbare Fugen aufweist, ist davon aus- November entwickelt, Ende Januar zugehen, dass zahlreiche weitere Tiere bis Ende Februar einen Höhepunkt er- der anderen Fledermausarten nicht reicht und dann bis Ende März wieder zählbar in den Tunnels überwintern. abbaut. Die meisten Mopsfledermäuse Aufgrund der gerichtlichen Entschei- befinden sich im Weiler Kehrtunnel dung des Verwaltungsgerichtshofes (max. 357 am 27.01.2015 und 516 am (VHG) in Mannheim vom 29.11.2016, 10.01.2017). Hier hängen die Mopsfle- welche die Sperrung der kleinen Tun- dermäuse überwiegend in ein bis zwei nels infrage gestellt hat, werden zurzeit großen Clustern (s. Abb. 2), die bis auch die beiden nördlichen Tunnels auf über 200 Tiere umfassen. Zahlreiche Fledermausbesatz untersucht. Nach weitere Tiere hängen jedoch einzeln ersten Erkenntnissen scheint zumin- über den gesamten Tunnel verteilt. Im dest auch der Tunnel am Achdorfer zweiten Kreiskehrtunnel wurden max. Weg ein bedeutendes Winterquartier 21 Mopsfledermäuse überwinternd für die Mopsfledermaus zu sein, es festgestellt. Neben den Mopsfleder- wurden bis zu neun überwinternde mäusen überwintern verschiedene Tiere gezählt. weitere Fledermausarten in den Tun- Tabelle: Maximalzahlen der in den Tunnels bisher überwinternd festgestellten Fledermausarten Quelle: Gutachten 27
Berichte Um neben der Zählung überwintern- ganzjährig nutzen (s. Abb. 3). Allerdings der Tiere auch Aussagen über die beschränkt sich die Nutzung im Som- ganzjährige Nutzung der Tunnels zu mer weitestgehend auf die Nacht. Hier erhalten, erfolgte im Rahmen des Gut- fliegen also nachts Tiere in die Tunnels achtens auch eine akustische Erfassung ein und schwärmen hier. Nur weni- der Quartiernutzung in den beiden ge Tiere scheinen die Tunnels als Ta- Kehrtunnels, ab Dezember 2016 zu- gesquartiere zu nutzen. Zwar stammt sätzlich auch in den beiden nördlichen der allergrößte Teil der Aufnahmen Tunnels. Dabei werden die Rufe der von der Mopsfledermaus, doch wur- Fledermäuse mittels fest installierten den auch zahlreiche Aufnahmen der Anabat-SD2-Detektoren kontinuier- Zwergfledermaus, der Gattung Myotis, lich über ein Jahr aufgenommen. Die und der Gruppe Eptesicus/Nyctalus/ Lautaufnahmen können ausgelesen und Vespertilio aufgenommen. Besonders nach Artzugehörigkeit ausgewertet interessant war, dass in beiden Kehr- werden, teilweise ist jedoch nur die tunnels auch Aufnahmen der Großen Bestimmung der Gattung oder der Art- Hufeisennase aufgezeichnet wurden. gruppe möglich. Die Auswertung von Diese seit Langem im Wutachgebiet als über 300.000 Rufen zeigte, dass die ausgestorben geltende Art scheint sich Fledermäuse grundsätzlich die Tunnels hier also wieder einzufinden. Abb. 3: Akustische Aktivität aller Fledermausarten am Haupthangplatz der Mopsfledermäuse im Weiler Kehrtunnel. Es ist deutlich erkennbar, dass die akustische Aktivität – das bedeutet fliegende Tiere – im Sommer auf die Nacht beschränkt ist, während sie im Winter gleichmäßig über 24 Stunden verteilt ist. Im Sommer fliegen offenbar nachts Tiere in den Tunnel ein, um dort soziale Kontakte zu haben. Die Winteraktivität ist damit zu erklären, dass bei hunderten überwinternder Tiere immer einzelne Tiere aufwachen und den Platz wechseln. 28
AGF BW Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. AG Fledermausschutz Baden-Wür emberg e.V. Literatur BRINKMANN, R., I. NIERMANN, C. STECK & H. SCHAUER-WEISSHAHN (2005): Umsetzung und Kontrolle von Maßnahmen zur Erhaltung der Wochen- stubenkolonie der Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) in Stühlingen (LK Waldshut). – Gutachten im Auftrag des Regierungspräsidiums Freiburg. BRINKMANN, R. (2015): Fledermauserfassung in den Tunneln der „Sauschwänz- lebahn“. – Gutachten im Auftrag des Regierungspräsidiums Freiburg. V. HELVERSEN, O., M. ESCHE, F. KRETZSCHMAR & M. BOSCHERT (1987): Die Fledermäuse Südbadens. – Mitt. bad. Landesverein f. Naturk. u. Natursch. N.F. 14: 409–475. KRETZSCHMAR, F. (2004): Untersuchungen zu den Lebensraumansprüchen der Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) im FFH-Gebiet „Wutach“ (8016-301). – Abschlussbericht zu einem Projekt im Auftrag der Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg. KRETZSCHMAR, F. (2014): Die Fledermäuse des Wutachgebietes. – In: Die Wutach. – Thorbecke, Ostfildern. Chronologie des juristischen Tauziehens um den Schutz der zweitgrößten Überwinterungspopulation der Mopsfledermaus in Deutschland: Ende Oktober 2013 Das Regierungspräsidium Freiburg (RPF) erhält Kenntnis von der Ankündigung, dass auf der Strecke der Sauschwänzlebahn Winterbetrieb (vier Nikolausfahrten) angeboten werden soll. 05.11.2013 Gespräch mit dem Bürgermeister der Stadt Blumberg mit dem Wunsch, dass auf die Winterfahrten verzichtet werden solle. 07.11.2013 Die Bahnbetriebe Blumberg teilen mit, dass sie nach § 4 Allgemeines Eisenbahngesetz verpflichtet sind, die Strecke jederzeit offen zu halten und daher auch an den Winterfahrten festhalten werden. Angeboten wird, den Dampfregler im Bereich der Hangplätze zu drosseln. 08.11.2013.Das RPF teilt den Bahnbetrieben mit, dass die angebotene Drosselung der Dampfregler das Quartier nicht wirksam schützen kann und rechtlich geprüft werde, wie das Quartier geschützt werden könne. 19.11.2013 Das RPF schreibt an das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg (MVI) als zuständige eisenbahnrechtliche Aufsichtsbehörde mit der Bitte, den Winterbetrieb der Bahn zu untersagen. 29
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