Der Flattermann - AG Fledermausschutz - Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz ...

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Der Flattermann - AG Fledermausschutz - Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz ...
Der Flattermann

    AG Fledermausschutz
          Baden-Wür emberg e.V.

AGF BW e.V.

Mitteilungen der
Arbeitsgemeinschaft
Fledermausschutz
Baden-Württemberg e.V.            Nr. 29 | 2017
Der Flattermann - AG Fledermausschutz - Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz ...
Urkunde des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg über die
Anerkennung der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. als Naturschutz-
vereinigung nach §3 UmwRG.

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AGF BW
                                      Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz
                                                  Baden-Württemberg e.V.
                                                                                                                      AG Fledermausschutz
                                                                                                                              Baden-Wür emberg e.V.

Inhalt
Grußwort ....................................................................................................................... Seite 4

Berichte ........................................................................................................................... Seite 5

Kurzberichte ................................................................................................................. Seite 32

Besprechungen............................................................................................................... Seite 48

Veranstaltungshinweise ............................................................................................... Seite 58

AGF News ..................................................................................................................... Seite 59

Fledermaus-Allerlei ..................................................................................................... Seite 62

Impressum...................................................................................................................... Seite 63

Wer wir sind, was wir tun ......................................................................................... Seite 64

Titelbild:
Quartier einer Gruppe von Mopsfledermäusen (Barbastella barbastellus) unter
der abgeplatzten Rinde eines Baumstammes (Foto: Christian DIETZ).

                                                                                                                                                      3
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Grußwort

    Liebe Fledermausfreunde                     keitsveranstaltungen,    Exkursionen,
                                                Koloniezählungen, beim Quartier- und
    Insektenschwund ist in aller Munde!         Kastenputzen, der Begleitung von
    Eigentlich nichts Neues, nun aber wis-      Baumaßnahmen, beim Schreiben von
    senschaftlich belegt. Verschwinden          Stellungnahmen, der Betreuung von
    nun auch ihre nächtlichen Jäger, die        Ehrenamtlichen, oder in der Pflege von
    Fledermäuse? Diese Frage wird mir auf       Fundtieren.
    fast jeder Veranstaltung in letzter Zeit
    gestellt. Ja, manche Fledermausarten        Vielen Dank, jeder kleine Puzzlestein
    gehen in ihren Beständen zurück, aber       hilft dem Schutz der Fledermäuse.
    ist dies auf das Fehlen von Insekten zu-
    rückzuführen? Sicher nicht allein; es ist   Die Arbeitsgemeinschaft Fledermaus-
    ein Zusammenspiel von vielen anderen        schutz (AGF) Baden-Württemberg e.V.
    Faktoren. Welchen Anteil nimmt die          sieht im nächsten Jahr ihrem 25-jäh-
    Windkraft oder die Zersiedlung und          rigen Bestehen entgegen. Ich würde
    Versieglung der Landschaft ein? Wie ist     mich freuen, wenn viele an unserer
    das mit der Zunahme bei anderen Fle-        Jubiläumsveranstaltung im September
    dermausarten in Einklang zu bringen?        teilnehmen würden; es wird ein inter-
    Wir wissen, dass wir nichts wissen          essantes Programm geben.
    über komplexe Zusammenhänge in der
    Natur. Wir wissen nur, dass wir in un-      Ich wünsche Euch/Ihnen geruhsame
    seren Bemühungen fortfahren müssen,         und friedliche Feiertage und wünsche
    den einheimischen Fledermäusen eine         mir fürs neue Jahr weiterhin eine gute
    gesicherte Zukunft zu garantieren.          und konstruktive Zusammenarbeit mit
    Ich möchte mich an dieser Stelle bei        allen Mitgliedern.
    allen bedanken, die dieses Jahr wie-
    der im Einsatz für den Schutz unserer       Ingrid KAIPF
    Nachtjäger waren; ob bei Öffentlich-        AGF Vorsitzende

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AGF BW

Berichte                                      Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz
                                                          Baden-Württemberg e.V.
                                                                                             AG Fledermausschutz
                                                                                                   Baden-Wür emberg e.V.

Mausohren zählen!
von Christian DIETZ

Viele Mausohr-Wochenstuben in Baden-         wie die aktuelle Bestandsentwicklung
Württemberg werden seit Jahrzehnten          verläuft. Eine ganze Reihe von Wochen-
ehrenamtlich betreut. Dazu gehört auch,      stuben wird aktuell nicht oder nur sehr
dass die Kolonien bei Sanierungen öko-       sporadisch betreut, aktuelle Zähldaten
logisch begleitet oder im Sinne der Sym-     liegen nicht vor. Andererseits werden       Das landesweite Projekt
pathiewerbung für Fledermäuse in der         jedes Jahr neue ehrenamtliche Fleder-       der AGF ist dringend auf
Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden.        maussachverständige ausgebildet, die        die Mithilfe aller Mitglieder
Mausohren haben damit einen ganz ent-        gerne Aufgaben übernehmen würden.           angewiesen! Für 2018 ist
scheidenden Anteil an dem grundlegen-                                                    die Zählung in möglichst al-
den Wandel in der öffentlichen Meinung       Mit dem Projekt „Mausohren zählen“          len Mausohr-Wochenstu-
über Fledermäuse: weg von „ekelig, gru-      der AGF sollen für möglichst alle Maus-     ben angedacht. Interessen-
selig und bedenkenlos zu vernichten“ hin     ohrwochenstuben QuartierbetreuerIn-         ten melden sich bitte bei
zu „faszinierend, interessant und schüt-     nen gefunden und die Mausohren landes-      den Regionalvertretern!
zenswert“.                                   weit gezählt werden. Dazu gehört auch
                                             die Vermittlung von derzeit unbetreuten
In den bisherigen landesweiten Erfassun-     Wochenstuben an interessierte Fleder-
gen, die maßgeblich von AGF-Mitglie-         maussachverständige.
dern getragen wurden, ist eine Fülle von
Daten zu Verbreitung und Quartieren          In den Jahren 2016 und 2017 wurde in
des Mausohrs zusammengetragen wor-           einer ersten Phase versucht, das aktuelle
den; der Kenntnisstand ist im Vergleich      Wissen zusammenzutragen, eine Liste
zu den anderen Fledermausarten sehr          der Wochenstuben zu erstellen und die
gut (u.a. Kulzer et al. 1987, Müller 1993,   Zählbemühungen in den bereits betreu-
Kulzer 2003). Dies liegt vor allem auch      ten Wochenstuben zu intensivieren. Für
daran, dass die Wochenstuben des Mau-        das Jahr 2018 sollen möglichst alle Wo-
sohrs relativ leicht zu erfassen sind. Als   chenstuben gezählt und Betreuer gefun-
strikte Kulturfolger bilden die Mausoh-      den werden. Dazu soll die nachfolgende
ren in Mitteleuropa fast ausschließlich in   Zusammenstellung Anregungen bieten.
Gebäuden ihre Kolonien. Meist hängen
sie frei sichtbar in Dachstühlen öffentli-   Warum ist es wichtig die
cher Gebäude und Kirchen und können          Wochenstuben zu kennen?
dort relativ gut am Hangplatz gezählt        Nur bekannte Wochenstuben können
werden – ideale Grundvoraussetzungen         bei Sanierungen, Taubenabwehrmaßnah-
für ein Monitoring.                          men, oder der Planung von Beleuchtungs-
                                             einrichtungen effektiv geschützt werden.
Dennoch kann derzeit niemand wirk-           Nur für bekannte Wochenstuben kön-
lich sagen, wie viele Mausohren es in        nen Flugwege und die Verbindung in Jagd-
Baden-Württemberg gibt, wie viele Wo-        gebiete erhalten werden. Nur bekannte
chenstuben noch vorhanden sind, oder         Wochenstuben können gezählt werden.

                                                                                                                           5
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Berichte

                 Abb.1:
    Die Mausohrkolo-
         nie in diesem
    Gebäudekomplex
     im Landkreis TÜ
    hat die Sanierung
    nur überstanden,
        weil sie zuvor
     bekannt war und
      intensiv betreut
          wurde (Foto:
    Christian DIETZ).

                          Warum ist die Anzahl der                 Limitierungen können manchmal mit
                          Wochenstubentiere wichtig?               überschaubarem Aufwand beseitigt
                          Kleine Wochenstuben des Mausohrs         werden, die verbesserte Situation
                          sind entweder Satelliten großer Wo-      kann eine positive Kolonieentwicklung
                          chenstuben, oder sie sind durch einen    ermöglichen.
                          oder mehrere Faktoren limitiert. Limi-
                          tierend kann die Qualität oder Entfer-   Große Wochenstuben sind besonders
                          nung des Jagdgebietes sein, aber auch    schutzrelevant, da sie einen signifikan-
                          scheinbare Kleinigkeiten wie z.B. un-    ten Anteil der Landespopulation aus-
                          geeignete Einflugöffnungen mit einer     machen. Andererseits verursachen gro-
                          erhöhten Verletzungsgefahr für Jung-     ße Kolonien auch besondere Probleme:
                          tiere, zu kurze Jagdzeiten wegen Au-     große Kotmengen, erhebliche Geruchs-
                          ßenbeleuchtung der Kirche, zu hoher      belästigung und manchmal eine hohe
                          Energieverbrauch zum Aufrechterhal-      Parasitenbelastung. Bei Sanierungen
                          ten der hohen Körpertemperatur bei       sind umfangreiche Schutzvorkehrungen
                          der Jungenaufzucht, oder eine erhöhte    erforderlich.
                          Mortalität durch Beutegreifer. Solche

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AGF BW
                                               Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz
                                                           Baden-Württemberg e.V.
                                                                                        AG Fledermausschutz
                                                                                              Baden-Wür emberg e.V.

Abb. 2: Große Mausohrkolonien produzieren viel Nachwuchs und sind für den
langfristigen Erhalt der Art unabdingbar, Landkreis FDS (Foto: Christian DIETZ).

Warum ist es wichtig möglichst viele         sacht sein. Solche Effekte und vor allem
Wochenstuben regelmäßig zu zäh-              ein realer landesweiter Trend lassen
len?                                         sich nur durch die regelmäßige Zählung
Die Zählung von Stichprobenquartie-          vieler Quartiere erkennen.
ren zur Ermittlung eines Trends birgt
gerade beim Mausohr große Risiken: die       Was ist bisher bekannt? – Landes-
Tiere nutzen ihre Quartiere sehr tradi-      kartierungen und Säugerbuch
tionell, es kommt praktisch zu keinen        In der ersten landesweiten Fleder-
Wochenstuben-Neugründungen. Die              mauskartierung 1980-1986 (Kulzer et
Zunahme in einzelnen Quartieren kann         al. 1987) wurde das Wissen um die
damit reell sein, oder durch den Verlust     damaligen Fledermausquartiere zusam-
benachbarter (unbekannter) Quartiere         mengetragen und ausgewertet. Dabei
und den damit verbundenen Zuzug in           wurde bereits eine ganze Reihe von
die meist gut geschützten Monitoring-        erloschenen      Wochenstubenvorkom-
quartiere bedingt sein. Ein scheinbar        men des Mausohrs dokumentiert, u.a.
stabiler Trend kann durch den Zuzug          in einer Kirche in Esslingen mit ehemals
aus überzähligen Jungtieren von Nach-        über 500 Tieren. Bereits 1987 waren
barquartieren, oder das Abwandern            auf mindestens 24 Messtischblättern
 B eigenen Jungtierüberschüsse verur-
der                                          Mausohrwochenstuben verschwunden,

                                                                                                                      7
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Berichte

                           darunter auch einige Kolonien mit meh-    ergriffen werden können. 2003 bei der
                           reren Tausend Individuen (Kulzer 1987).   Fachtagung in Braunschweig wurde
                           Die zweite landesweite Kartierung         dann konkret darüber entschieden in
                           1986-1992 (Müller 1993) ergab 115 Wo-     ein bundesweites Mausohrmonitoring
                           chenstuben des Mausohrs. In „Die Säu-     einzusteigen.
                           getiere Baden-Württembergs“ (Braun
                           & Dieterlen 2003) werden im Kapitel       An diesem bundesweiten Monitoring
                          „Mausohr“ (Kulzer 2003) weitgehend         zum Mausohr in den Jahren 2003-2005
                           die Ergebnisse der zweiten landeswei-     beteiligte sich Baden-Württemberg mit
                           ten Kartierung aufgegriffen und leicht    Daten aus der AGF-Datenbank „bat-
                           aktualisiert. Die Verbreitungskarte       base“ und über Daten der LUBW von
                           stellt den aktuellen Stand zu Beginn      insgesamt 86 Wochenstuben aus den
                           der 2000er-Jahre dar; den damaligen       westlichen und nördlichen Landestei-
                           Zielvorgaben für das Grundlagenwerk       len. Südöstlich der Schwäbischen Alb
                           entsprechend lassen sich konkrete Ko-     waren so gut wie keine Quartiere ent-
                           loniestandorte hieraus nicht ermitteln.   halten. Dieses Monitoring zeigt dann
                                                                     aber im Verlauf, wie schwierig die Or-
                          Was ist bisher bekannt? – bundes-          ganisation eines solchen Verfahrens mit
                          weites Mausohrmonitoring                   ehrenamtlich tätigen Fledermausschüt-
                          Bereits 2001 wurde bei der 5. Fach-        zern ist. Daher ist wohl auch die Be-
                          tagung der BAGF darüber diskutiert,        standserfassung in der damaligen Form
                          ein Bestandsmonitoring des Großen          eingeschlafen. Trotzdem konnten die
                          Mausohrs zu initiieren. Grund war die      Ergebnisse des bundesweiten Monito-
                          Einsicht, dass nur über eine bessere       ring veröffentlicht werden (Meschede
                           E
                          Datenbasis  gezielte Schutzmaßnahmen       2012).
                Abb. 3:
          Koloniehang-
         plätze mit nur
     einer Flugöffnung
        lassen sich mit
       Lichtschranken
    lückenlos überwa-
       chen, Mausohr-
      wochenstube im
        Landkreis FDS
       (Foto: Christian
                DIETZ)

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                                            Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz
                                                        Baden-Württemberg e.V.
                                                                                      AG Fledermausschutz
                                                                                            Baden-Wür emberg e.V.

Was ist bisher bekannt? –                  vermerkt. Aufgrund von Mehrfachein-
FFH-Stichprobenmonitoring                  gaben reduziert sich die Zahl auf 224
Im Rahmen der Fauna-Flora-Habitat          Wochenstuben-Quartiere mit Zähl-
(FFH)-Richtlinie haben sich die Mit-       daten seit ca. 1980. Von diesen ist bei
gliedsstaaten unter anderem verpflich-     11 Standorten der Status einer Wo-
tet den Erhaltungszustand der FFH-         chenstube unklar (geringe Tierzahlen,
Arten, wozu alle Fledermäuse gehören,      keine Jungtiernachweise, nur einmalige
zu überwachen. In Deutschland haben        Beobachtung, z.T. außerhalb der Wo-
sich Bund und Länder auf ein einheit-      chenstubenzeit), bei 8 Standorten lagen
liches Stichprobenmonitoring geeinigt.     fehlerhafte Artbestimmungen (Artver-
Demnach werden pro biogeographi-           wechslungen, Eingabefehler), oder eine
scher Region (wir liegen in der konti-     fehlerhafte Statuseinstufung (Wochen-
nentalen Region) bundesweit 63 Stich-      stubenstatus betrifft eine andere Art im
proben bearbeitet, die anteilsmäßig auf    Quartier, z. B. eine der Langohr-Arten)
die Bundesländer verteilt wurden. Für      vor.
das Mausohr hat Baden-Württemberg
9 Stichproben zugewiesen bekommen.         Damit verbleiben 205 gesicherte Wo-
Die 9 Mausohr-Kolonien werden von          chenstuben-Standorte. Von diesen
den Quartierbetreuern der AGF im           existieren aktuell (2012 bis 2017) noch
Auftrag der LUBW regelmäßig - mög-         131 Mausohr-Wochenstuben. Bei 24
lichst alle 2 Jahre - gezählt. Der erste   weiteren Standorten ist unklar, ob sie
Durchgang erfolgte 2010 wobei die          derzeit noch besetzt sind; in den letz-
Quartiere zunächst innerhalb eines Jah-    ten 10 Jahren fanden hier keine Kont-
res einmal kontrolliert wurden.            rollen oder Dateneingaben mehr statt.
                                           3 Wochenstuben sind vermutlich und
 Da bei einer einmaligen Zählung jedoch    47 Wochenstuben sicher erloschen.
 nur schwer Aussagen zum Reproduk-         Dabei sind die vor 1980 erloschenen
 tionserfolg getroffen werden können,      Wochenstuben nicht berücksichtigt
 wurden 2015 die Zählvorgaben für die-     und auch die aktuelle Verlustquote
 se Quartiere gemäß den so genannten       dürfte aufgrund einer hohen Dunkelzif-
"Vilmer Kriterien" mit zwei Zählungen      fer wesentlich größer sein.
 pro Jahr neu festgelegt (LUBW 2015).      Von den 131 sicher noch existenten
 Die Zählung kann anhand von Quarti-       Wochenstuben wurden 2016 bzw. 2017
 erzählungen mit Fotodokumentation,        105 gezählt, das entspricht 80 %. Von
 von Ausflugzählungen oder durch Licht-    den 131 Wochenstuben entfallen 28
 schrankenerfassung erfolgen.              auf Nordbaden, 41 auf Südbaden, 44
                                           auf Nordwürttemberg und 18 auf Süd-
Aktueller Stand – batportal                württemberg.
Aktuell (Stand 01.09.2017) sind im bat-
portal, der Datenbank der AGF, 295
Mausohr-Wochenstuben und 2 Mau-
sohr-Wochenstuben-Verdachtsfälle

                                                                                                                    9
Der Flattermann - AG Fledermausschutz - Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz ...
Berichte

                           Aktueller Stand – Verbreitung             ü. NN. Die höchste Wochenstube mit
                           Die Wochenstuben sind über ganz           aktuellen Zahlen liegt in Bräunlingen-
                           Baden-Württemberg verteilt, ausge-        Döggingen (VS) auf 760 m ü. NN, ge-
                           nommen sind die höheren Lagen von         folgt von Waldshut-Tiengen, Ortsteil
                           Schwarzwald und Schwäbischer Alb          Waldkirch (WT), auf 690 m ü. NN.
                           sowie eine auffallend geringe Dichte in   Ebenfalls hoch liegen die südbadische
                           Oberschwaben.                             Wochentuben ohne aktuelle Zähldaten
                                                                     in Sankt Peter (FR) auf 710 m ü. NN
                           Die aktuell besetzten 131 Wochenstu-      und die Einzelbeobachtung eines Weib-
                           ben liegen zwischen 107 und 760 Me-       chens mit Jungtier bei fraglichem Wo-
                           tern über dem Meeresspiegel, im Mit-      chenstuben-Status bei 820 m ü. NN aus
                           tel auf 336 bzw. im Median bei 300 m      Donaueschingen-Hubertshofen (VS).

                Abb. 4:
       Verbreitung aller
        dokumentierten
              Mausohr-
         Wochenstuben
        in Baden-Würt-
        temberg, Stand
      26.09.2017 (Aus-
     wertung: Christian
         DIETZ, Grafik:
        Claude STECK)

10
AGF BW
                                           Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz
                                                       Baden-Württemberg e.V.
                                                                                         AG Fledermausschutz
                                                                                               Baden-Wür emberg e.V.

Aktueller Stand – Größenverteilung        Die Gesamtsumme der Weibchen in
und Gesamtbestand                         den 2016 und 2017 gezählten Quar-
Die aktuell besetzten 131 Wochenstu-      tieren liegt bei ca. 25.000 Weibchen.
ben umfassen zwischen 5 und 1.100         Nimmt man in grober Vereinfachung
Weibchen, die Mittlere Wochenstu-         für die aktuell nicht gezählten, aber
bengröße liegt bei 194 Tieren, der auf-   wohl noch existierenden Wochenstu-
grund der Verteilung aussagekräftigere    ben an, dass die jeweils letzte Zähler-
Median bei 120 Tieren. Insgesamt fällt    fassung auch heute noch gilt, lässt sich
die Vielzahl kleiner Wochenstuben auf.    für Baden-Württemberg ein Bestand
Die beiden größten Wochenstuben be-       von ca. 30.000 Weibchen ableiten.
finden sich im Kloster Maulbronn (PF)
und in der Kirche in Röttingen (AA)
mit jeweils über 1.000 Weibchen.
                                                                                     Abb. 5:
                                                                                     Größenklassen
                                                                                     der 2016 bzw.
                                                                                     2017 kontrol-
                                                                                     lierten Mausohr-
                                                                                     Wochenstuben
                                                                                     in Baden-Würt-
                                                                                     temberg, Stand
                                                                                     26.09.2017 (Aus-
                                                                                     wertung: Christian
                                                                                     DIETZ, Grafik:
                                                                                     Claude STECK)

                                                                                                                       11
Berichte

                           Aufgrund des ausgewogenen Ge-             tieren (Weibchen und Jungen) je 100
                           schlechtsverhältnisses gibt es ebenso     Quadratkilometern und liegt damit im
                           viele Männchen. Mit dem Flüggewerden      Bereich der bundesweit ermittelten
                           erhöht sich die Gesamtzahl der Tiere      Siedlungsdichten (Meschede 2012). Be-
                           um ca. 1/3 (ca. 2/3 der Weibchen zie-     zogen auf alle Mausohren entspricht
                           hen ein Junges auf), was einen Gesamt-    dies 2,24 Individuen je Quadratkilome-
                           bestand von ca. 80.000 Tieren am Ende     tern was im Bereich der für Bayern er-
                           der Wochenstubenzeit ergeben würde.       mittelten Gesamtdichte von 1,96 Indi-
                           Diese zunächst schwer einzuordnende       viduen je Quadratkilometern (Rudolph
                           Zahl entspricht ca. 140 Wochenstuben-     et al. 2004) liegt.

                 Abb. 6:
          Verteilung der
         205 dokumen-
      tierten Mausohr-
         Wochenstuben
        in Baden-Würt-
          temberg nach
     der Größenklasse
         (Anzahl repro-
            duzierender
     Weibchen), Stand
            26.09.2017
     (Auswertung und
      Grafik: Christian
                 DIETZ)

                           Aktueller Stand: Quartiertypen            Lüftungsschacht vorhanden. Von den
                           Von den 205 dokumentierten Mausohr-       aktuell besetzten 131 Kolonien liegen
                           Wochenstuben liegen 92 in Kirchen-        damit 125 (95 %) in Dachräumen von
                           dächern, 89 in Gebäudedächern, 17 in      Kirchen, Kirchtürmen oder sonstigen
                           Kirchtürmen, drei in Hohlkastenbrü-       Gebäuden.
                           cken, zwei in Heizungskellern, und je     86 Wochenstuben befinden sich in
                           eine in einem Lüftungsschacht eines       kirchlicher Obhut (73 Kirchen, 13
                            G
                           Kellers und in einem Stollen. Hiervon     kirchliche Gebäude), 25 in öffentlichen
                           sind aktuell noch 59 in Kirchendächern,   Gebäuden, 9 in Schlössern (privat und
                           53 in Gebäudedächern, 13 in Kirchtür-     öffentlich), 8 in Privathäusern und drei
                           men, drei in Hohlkastenbrücken, zwei      in Brücken in Bundesverantwortung
                           in Heizungskellern und eine in einem      (2x Autobahn, 1x Bundesstraße).

12
AGF BW
                                             Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz
                                                         Baden-Württemberg e.V.
                                                                                        AG Fledermausschutz
                                                                                              Baden-Wür emberg e.V.

Abb. 7: Verteilung der 205 dokumentierten Mausohr-Wochenstuben in Baden-Württem-
berg auf die Quartiertypen, Stand 26.09.2017 (Auswertung und Grafik: Christian DIETZ)

Ausnahmen von den typischen Dach-           schen, kleingekammerte Bereiche, oder
bodenquartieren der Mausohren sind          eingebaute Fledermauskästen als Früh-
relativ selten: Landesweit gibt es der-     jahrshangplätze genutzt. Zumindest
zeit drei Wochenstuben in Kellern, zu-      zwei der Wochenstuben in Brücken
mindest zwei waren dabei ursprünglich       dürften nach dem Verlust nahegelege-
in Dachräumen der Schlossanlagen            ner Gebäudewochenstuben aus den zu-
und sind im Zuge von Sanierungen bzw.       vor bereits etablierten Männchen- und
Holzschutzbehandlungen in die Keller-       Paarungsquartieren entstanden sein.
räume umgezogen. Die Kellerkolonie          Besonders ungewöhnlich war die einzi-
im Landkreis TÜ hängt vor allem in          ge unterirdische Wochenstube in dem
einem Lüftungsschacht, der in seinen        Bergwerkskomplex Vulkan bei Haslach
oberen Bereichen von der Sonne er-          im Landkreis OG: hier sorgte die in
wärmt wird. Die Kellerkolonie im Land-      einem Steinbruch direkt über der Stol-
kreis SHA hängt in einem Heizraum           lenanlage befindliche Mülldeponie mit
und die Wochenstube im Landkreis            der abgegebenen Gärwärme für Tem-
OG hing ursprünglich ebenfalls in dem       peraturen von über 20° in einer dom-
Heizraum einer Stuhlfabrik und wird         artigen Erweiterung des Stollens. Mit
heute künstlich warm gehalten.              dem Abklingen der Abwärme aus der
Landesweit gibt es derzeit drei Wo-         stillgelegten Deponie (aktuell ist der
chenstubenkolonien in Hohlkasten-           Stollen wieder nahezu auf die Jahres-
brücken (Landkreise ES, KN, TBB). Da        durchschnittstemperatur abgekühlt) ist
sich die Brückenhohlräume im Frühjahr       die Wochenstube in den 2000er-Jahren
relativ langsam erwärmen, werden Ni-        wieder erloschen.

                                                                                                                      13
Berichte

     Aktueller Stand: Quartierverlust
     Die Verluste an Wochenstuben nach
     Quartiertypen, abgeleitet an der je-
     weiligen Anzahl aller Standortmeldun-
     gen und der aktuell sicher besetzten
     131 Standorte (Verlust insgesamt von
     36 %) fällt mit 100 % bei Stollen (n=1),
     40 % bei Gebäudedächern (n=89), 36
     % bei Kirchendächern (n=92) und 24
     % bei Kirchtürmen (n=17) sehr hoch
     aus. Keine Verluste gab es bei den nur
     vereinzelt vorkommenden Quartieren         Abb. 8: Mausohrwochenstube in einer Hohlkas-
     in Lüftungsschächten, Heizungskellern      tenbrücke im Landkreis ES, die Tiere nutzen im
     und Brücken.                               Inneren angebrachte Fledermauskästen oder die
                                                Nischen der Oberflächenentwässerung als Hang-
     Die Verluste an Wochenstubenquar-          platz (Foto: Christian DIETZ)
     tieren anhand der Trägerschaft fallen
     insbesondere mit 56 % in Privathäusern
     (n=18), 47 % in Schlössern (n=17) und
     38 % in öffentlichen Gebäuden (n=40)
     sehr hoch aus, in Kirchen (n=110) sind
     sie mit 34 % und in kirchlichen Gebäu-
     den (n=16) mit 19 % deutlich niedriger.
     Wochenstubenkolonien gehen haupt-
     sächlich durch Sanierungsmaßnahmen
     (Störung während der Jungenaufzucht,
     Verschluss der Einflugöffnungen, Tau-
     benabwehr, Beleuchtung) verloren,
     sinkende Quartiertemperaturen oder         Abb. 9: Die ungewöhnlichste Mausohr-Wo-
     der Einfluss von Beutegreifern spielen     chenstube in Baden-Württemberg befand
     nur ausnahmsweise eine Rolle für die       sich in einem Stollensystem unter einer
     Quartieraufgabe. Allerdings könnten        Mülldeponie im Landkreis OG, beheizt
     ungünstige Bedingungen für die Viel-       durch die Gärwärme des Abfalls. Auf dem
     zahl der kleinen Wochenstuben ver-         Foto ist der große Kotberg zu sehen (Foto:
     antwortlich sein.                          Christian DIETZ)

     G

14
AGF BW
                                              Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz
                                                          Baden-Württemberg e.V.
                                                                                     AG Fledermausschutz
                                                                                           Baden-Wür emberg e.V.

Abb. 10: Taubenabwehr, Außenbeleuchtung und Gebäudesanierung sind
die größten Gefährdungsursachen für Mausohrwochenstuben, beson-
ders bedroht sind nicht regelmäßig betreute Quartiere, Landkreis BAD
(Foto: Christian DIETZ)

Abb. 11: Misslungene Taubenabwehr mit Hasengitter in einer Kirche im
Landkreis BL: ein Mausohr hat sich verfangen und ist hier verendet und die
Tauben brüten weiterhin außen vor dem Gitter (Foto: Christian DIETZ)

                                                                                                                   15
Berichte

                           Eine „Mausohr zählen“ -Vision             jährlich gezählt, Schutzmaßnahmen
                           Mittelfristig wäre es wünschenswert,      umgesetzt und öffentlichkeitswirksa-
                           alle Mausohr-Wochenstuben vollstän-       me Veranstaltungen durchgeführt. Für
                           dig betreut und jährlich gezählt zu be-   viele Quartiere besteht seit über 20
                           kommen. Damit ließen sich effektive       Jahren eine lückenlose Populationser-
                           Schutzmaßnahmen für die Quartiere         fassung. Ähnlich umfassende Betreu-
                           umsetzen und ein belastbarer Trend        ungsprogramme gibt es z.B. in Bayern
                           der Bestandsentwicklung ableiten.         (Meschede & Rudolph 2010) oder Thü-
                           Großes Vorbild hierzu ist das Projekt     ringen (Tress 2012).
                          „Mausohr-Wochenstuben“ der Stif-
                           tung Fledermausschutz in der Schweiz.
                           Dabei werden alle 100 Mausohr-Wo-
                           chenstuben der Schweiz betreut und
               Abb. 12:
     Lage der seit dem
       Jahr 2010 nach-
     weislich besetzten
          Mausohr-Wo-
     chenstuben in Ba-
     den-Württemberg
      mit 15-km-Puffer
     als Einzugsgebiet,
     Stand 25.09.2017.
     Die Lücken stellen
         mit Ausnahme
      von Schwarzwald
     und Schwäbischer
        Alb Suchräume
        für unbekannte
              Mausohr-
         Wochenstuben
      dar (Auswertung:
      Christian DIETZ,
         Grafik: Claude
                STECK)

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AGF BW
                                         Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz
                                                     Baden-Württemberg e.V.
                                                                                 AG Fledermausschutz
                                                                                       Baden-Wür emberg e.V.

Was kann mit überschaubarem             schloss (WN*), Backnang: Privathaus
Aufwand erreicht werden?                (WN),       Hochdorf-Unteressenbach:
Nach den intensivierten Zählbemühun- Kirche (BC), Ulm-Wiblingen: Schloss,
gen 2016 und 2017 ist die AGF schon     Bibliothek (UL).
auf der Zielgeraden, eine vollständige *Anmerkung: Bereits betreute Quartiere
Erfassung der Mausohr-Wochenstuben      ohne Dateneingabe 2016 & 2017 bis zum
hinzubekommen. Um eine vollständige Auswertedatum 26.09.2017.
Erfassung zu erreichen, sind folgende
Aufgaben zu erledigen:                     Überprüfung von 24 bekannten
                                        Koloniestandorten, bei denen un-
   Zählung in den 26 in den Jahren      klar ist, ob sie noch existieren, da
2016 & 2017 nicht gezählten Wo- seit Langem keine Daten mehr er-
chenstuben die es sicher noch gibt, hoben bzw. eingegeben wurden:
bzw. Eingabe in das batportal, falls    Freiamt-Reichenbach: Alte Schule (EM),
die Quartiere doch gezählt wurden: Waldkirch: rk. Kirche (EM), Winden im
Elzach-Yach: Kirche (EM), Emmendin- Elztal-Niederwinden: Privathaus (EM),
gen: Markgrafenschule (EM), Glotter- Kirchzarten-Neuhäuser:         Privathaus
tal: Schwarzwaldklinik (FR), Oberried: (FR), St Peter: Kirche St.Ursula (FR),
rk. Pfarrhaus (FR), Radolfzell-Markel- Öhningen: Klosterkirche (KN), Bibe-
fingen: rk. Kirche St. Laurentius (KN), rach (Baden)-Prinzbach: Dörfle 6 (OG),
Gengenbach: ehemaliges Kloster (OG), Hausach-Häuserbach: Privathaus (OG),
Geisingen-Kirchen-Hausen: Alte Schule   Hornberg: Volksschule, Hauptstraße
(TUT), Rietheim-Weilheim-Weilheim: (OG), Lahr (Schwarzwald)-Kuhbach: rk.
Kirche (TUT), Stühlingen-Weizen: Kirche (OG), Mühlenbach: kath. Kirche
Kirche (WT), Stühlingen-Schwanin- (OG), Seelbach (Schutter): rk. Kirche
gen: Gasthaus zum Schwanen (WT), (OG), Tuttlingen-Nendingen: Kirche
Waldshut-Tiengen-Waldkirch: Pfarrkir- Petrus & Jakobus Maior (TUT), Stüh-
che (WT), Wutöschingen-Schwerzen:       lingen: Klosterkirche, (WT), Ühlingen:
rk. Kirche (WT), Eberbach: Dr. Weiß- Vereinshaus, Nebengebäude Rathaus
Grundschule (HD*), Eberbach-Rocke- (WT),           Waldshut-Tiengen-Gurtweil:
nau: Seniorenstift (HD*), Weisenbach: Marienkapelle (WT), Neckartenzlin-
Kirche (RA*), Abtsgmünd-Hohenstadt: gen: Rathaus (ES), Untergruppenbach:
Kirche (AA), Weil-der-Stadt: rk. Kirche ev. Kirche (HN), Tannheim: rk. Kirche
(BB), Löwenstein-Rittelhof: Privathaus (BC), Warthausen: Schloss (BC), Ar-
(HN), Möckmühl: Altes Rathaus (HN), genbühl-Eisenharz: rk. Pfarrhaus (RV),
Dörzbach: ev. Kirche (KÜN), Ober- Baienfurt: rk. Kirche Maria Himmel-
sontheim: Schloß Samariterstift (SHA), fahrt (RV), Ostrach-Habsthal: Kloster
Lauda-Königshofen-Heckfeld:       Muck- Habsthal, (SIG), Erbach (Donau): rk.
bachbrücke (TBB), Schorndorf: Burg- Kirche (UL).

                                                                                                               17
Berichte

                 Abb. 13:
       Aktueller Erfas-
        sungsstand der
           seit dem Jahr
     2010 nachweislich
      besetzten Maus-
     ohr-Wochenstuben
       in Baden-Würt-
        temberg, Stand
            25.09.2017.
        Die gelben und
       grünen Standor-
         te sollten 2018
     bearbeitet werden
           (Auswertung:
      Christian DIETZ,
          Grafik: Claude
                  STECK)

                              Überprüfung von 3 vermutlich             Buchen-Götzingen: rk. Kirche (MOS),
                            erloschenen Koloniestandorten:             Fahrenbach: rk. Kirche (MOS), Lim-
                            Stegen-Eschbach: Pfarrhaus und ehe-        bach-Heidersbach: rk. Kirche (MOS),
                            maliges Kloster (FR), Engen: Kloster St.   Mudau-Steinbach: rk. Kirche (MOS),
                            Wolfgang (KN), Dornhan-Leinstetten:        Neunkirchen-Neckarkatzenbach: ev.
                            Schloss (RW).                              Kirche (MOS), Ravenstein-Unterwitt-
                            G                                          statt: rk. Kirche (MOS), Neresheim:
                              Überprüfung von 11 möglichen             Kloster (AA), Stimpfach-Rechenberg:
                            Wochenstuben-Standorten mit                Jugendherberge/Schloss (SHA), Blau-
                            unklarem Status:                           stein-Arnegg, Rathaus (UL).
                            Donaueschingen-Hubertshof: Kirche
                            (VS), Billigheim: rk. Kirche (MOS),

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AGF BW
                                             Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz
                                                         Baden-Württemberg e.V.
                                                                                          AG Fledermausschutz
                                                                                                Baden-Wür emberg e.V.

  Suche nach Wochenstuben in den               Oberschwaben bzw. Donau-Iller-
Suchräumen:                                 Lech-Platte v.a. rund um Bad Saulgau,
  Filder- und Neckargebiet zwischen         Bad Wurzach und Laupheim.
Stuttgart, Filderstadt und Esslingen.          Abfrage bei allen NABU, BUND-
  Schurwald, Welzheimer Wald und            und        Schwäbischen-Albvereins-
östliches Albvorland v.a. rund um           Gruppen ob weitere Mausohr-Wo-
Schwäbisch-Gmünd.                           chenstuben bekannt sind.
  Schwarzwald-Randplatten im Enz-              Vervollständigen der Quartierlis-
und Nagoldgebiet südlich Pforzheim.         te und ergänzen der aktuellen Quar-
  Tauberland und Hohenloher-Haller-         tierbetreuerInnen.
Ebene zwischen Bad Mergentheim,
Creglingen und Wallhausen.

 Wochenstuben-Betreuer gesucht!             Zählvorgaben
 Wichtigste Aufgabe der nächsten            Bei den bisherigen Zählungen ist es sehr
 Jahre sollte es sein, für alle Mausohr-    oft nicht möglich, zwischen Jung- und
 Wochenstuben Quartierbetreuer zu           Alttieren zu unterscheiden, oder die
 finden. Dabei sollte sichergestellt wer-   tatsächliche Koloniegröße zu bestim-
 den, dass durch diese mindestens eine      men, da außerhalb der eigentlichen Wo-
 Begehung pro Jahr im Quartier, eine        chenstubenzeit gezählt wurde. Hilfreich
 Bestandserfassung durch Hangplatz-         sind die Vilmer Kriterien (2002) aus
 oder Ausflugzählung und möglichst          dem bundesweiten Mausohrmonitoring
 auch die weitergehende Betreuung und       mit zwei Zählungen pro Jahr:
 Reinigung des Quartiers gewährleistet         Erste Zählung Mitte Mai bis Mitte
 werden kann (dazu auch der Artikel         Juni vor den ersten Geburten (= adulte
„Mausohren betreuen!“ in der nächsten       Weibchen),
 Ausgabe des „Flattermann“). Langjäh-          zweite Zählung Ende Juni bis Mitte
 rigen Quartierbetreuern, die in den        Juli bzw. 14 Tage nach Jungengeburt, vor
 nächsten Jahren aufhören wollen, oder      dem Flüggewerden (= adulte Weibchen
 aus Zeitgründen nur noch selten in die     + Jungtiere).
 Quartiere kommen, sollten Cobetreu-        Die Zählvorgaben für die Monitoring-
 er zur Seite gestellt werden. Wo immer     quartiere des LUBW-Stichproben-
 möglich empfiehlt es sich ortsnah woh-     monitorings entsprechen den Vilmer
 nende Quartierbetreuer zu etablieren,      Kirterien und wurden in LUBW (2015)
 da nur so die lokalen Kontakte gewähr-     festgelegt: 1. Zählung Anfang Juni kurz
 leistet sind und auf mögliche Störein-     vor Geburt der Jungtiere; 2. Zählung
 flüsse schnell reagiert werden kann.       Anfang Juli bevor die Jungtiere ausfliegen.
                                            Die Zählung kann anhand von Quarti-
                                            erzählungen mit Fotodokumentation,
                                            von Ausflugzählungen oder durch Licht-
                                            schrankenerfassung erfolgen.

                                                                                                                        19
Berichte

     Tabelle 1: Zeiträume in Mausohr-Wochenstuben: grün: Tiere sicher anwesend, gelb: Tiere
     nur zeitweise anwesend, grau: Tiere meist nicht anwesend, schwarz: empfohlene Zeiträume.

     Praxistipps um Mausohren zu               das Farbsehen notwendigen Zapfen-
     zählen – Ausflugzählung                   Zellen fehlen und Rotlicht die Stäbchen-
     Da Mausohren relativ spät ausfliegen, Zellen nur geringfügig erregt. Bereits
     ist es in manchen Situationen schwierig, günstige Rotlicht-LED-Lampen, wie die
     die Tiere sehen zu können und ein Bat- „CrazyFire Rotlicht LED Taschenlam-
     detektor reicht unter Umständen nicht     pe“, reichen aus, um die ausfliegenden
     aus, um gleichzeitig fliegende Tiere zäh- Fledermäuse nahezu störungsfrei für
     len zu können. Wenn man die Ausflug- uns sichtbar zu machen. Bei großen
     öffnung mit normalem Licht anleuchtet, Kolonien hilft eine Zähluhr (z.B. „LUFA
     fliegen die Tiere nicht mehr, oder sehr Handzähler“, „infactory Handzählgerät“
     verzögert aus. Sehr gut geeignet ist      oder „Tetra mechanischer Zähler“) um
     Rotlicht, da den Fledermäusen die für nicht den Überblick zu verlieren.

     Praxistipps um Mausohren zu                   mit Rotlicht meist nicht mehr möglich.
     zählen – Quartierzählung                      Vollständig einsehbare Koloniehangplät-
     Im Quartier kann man Jung- und Alttie-        ze lassen sich anhand eines oder meh-
     re bis Ende August gut anhand der Fär-        rerer Fotos auszählen. Einige geblitzte
     bung unterscheiden: Jungtiere haben ein       Fotos stellen in aller Regel eine geringe-
     graueres Rückenfell, eine hellere Un-         re Störung dar als langes Auszählen mit
     terseite, dunklere Schnauze und wirken        Weißlicht im Quartier. In einem Bild-
     zarter. Alttiere sind am Rücken braun         bearbeitungsprogramm kann man zur
     gefärbt, die Unterseite ist gelblich-beige,   besseren Zählbarkeit die Helligkeit des
     die Schnauze bräunlich und die Tiere          Bildes hochregeln und verschiedenfarbi-
     wirken robuster. Tiere bei denen man          ge Punkte für Jung- und Alttiere auf das
     sich nicht entscheiden kann sind meist        Bild setzen. Nur bei sehr großen Ko-
     einjährige Weibchen, die kein eigenes         lonien lohnt sich der Aufwand, die ge-
     Junges aufgezogen haben.                      setzten Punkte automatisch auszählen
     Rotlichtleuchten (s.o.) erlauben auch in      zu lassen (automatisch in „CorelDRAW
     der Kolonie eine störungsfreie Beob-          graphics suite“ möglich, diverse auch als
     achtung der Tiere: sie reagieren nicht        freeware erhältliche Zählprogramme
      G das Licht und zeigen ihr norma-
     auf                                           für manuell gesetzte Landmarken). Bei
     les Verhalten, man kann ganz in Ruhe          normalen Koloniegrößen kann man z.B.
     Tier für Tier durchzählen. Allerdings         je 100 fertig gesetzten Punkten eine
     kann man die Färbung der Tiere nicht          neue leere Grafikebene einblenden und
     erkennen, damit ist eine Unterschei-          verliert so nicht den Überblick.“
     dung in Jung- und Alttiere ab Ende Juli

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AGF BW
                                               Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz
                                                           Baden-Württemberg e.V.
                                                                                                AG Fledermausschutz
                                                                                                      Baden-Wür emberg e.V.

Abb. 15: Vergleich von sechs Zählmethoden im Quar-
tier (Kirche im Landkreis FDS): geblitztes Foto (a),
Ausleuchten mit weißem Licht (b), Ausleuchten mit
rotem Licht (c) Infrarotaufnahme ohne zusätzliche
Infrarot-Beleuchtung (d), Infrarotaufnahme mit Infra-
rotlicht (e) und Aufnahme mit Wärmebildkamera (f)
(Fotos: Christian DIETZ)

Abb. 14: Manche Kolonien lassen sich am Hangplatz       Abb. 16: Auszählung anhand eines Quartierfotos in
nicht auszählen, da die meisten Tiere versteckt hin-    einem Dach im Landkreis RA, je nach Perspektive
ter den Balken hängen, hier im Turm einer Kirche        sind nicht alle Tiere auf dem Foto erkennbar, dafür
im Landkreis RW. Ausflugzählungen sind dann die         lassen sich Alt- und Jungtiere gut unterscheiden (Foto:
einzige Möglichkeit die Koloniegröße zu bestimmen       Christian DIETZ)
(Foto: Christian DIETZ)

                                                                                                                              21
Berichte

     BITTE UM MITARBEIT

     Im Sommer 2018 sollen möglichst alle Wochenstuben des Mausohrs gezählt wer-
     den. Um einen vollständigen Überblick darüber zu bekommen, wer welche Kolo-
     nie zählt und betreut, wäre es hilfreich, wenn alle bisherigen Quartierbetreuer an
     den jeweiligen Regionalvertreter rückmelden, welche Wochenstuben bearbeitet
     werden und ob auch in Zukunft die Betreuung gewährleistet werden kann. Des-
     gleichen bitten wir, dass sich alle Neueinsteiger, die gerne eine Wochenstuben-
     betreuung und Zählung übernehmen würden, bei den Regionalvertretern melden.
     Bei den Zählungen wäre es toll, wenn die Zähltermine (vgl. „Zählvorgaben“) ein-
     gehalten werden könnten.
     Die Zähldaten 2018 sollten bitte bis 15. September 2018 direkt ins batportal ein-
     gegeben werden. Wer bisher keinen Zugang hat, kann diesen formlos per Email
     beantragen: ehensle@web.de. Dabei bitte den Landkreis der betreuten Kolonie
     mit angeben.

     Nach dem 15. September 2018 erfolgt die Auswertung der Daten und kann dann
     im Flattermann 2018 veröffentlicht werden.

     Dank
     Für die vielen Hinweise zum Text danke ich Monika Braun, Brigitte Heinz, Edmund
     Hensle, Alexandra Sproll und Isabel Dietz. Ganz herzlich möchte ich mich bei den
     Quartierbetreuern bedanken, die ich in ihre Wochenstuben begleiten durfte und
     die ihre Erfahrungen bereitwillig geteilt haben: Kerstin Bach, Roman Benzig, Moni-
     ka Braun, Daniela Dörr-Timmerberg, Ariane Friedrich, Birgit Fuggmann, Ina Hart-
     mann, Winfried Haug, Petra Hauser, Klaus Heck, Edmund Hensle, Ulrich Hartlieb,
     Ingrid Kaipf, Marion Kaspar, Joachim Kurz, Anja Lehmann, Jochen Lehmann, Ewald
     Müller, Jörg-Andreas Reihle, Simone Reusch, Annett Schaible, Hans-Martin Weiss-
     hap, Martina Wonner und Matthias Zizelmann. Ein großes Dankeschön gilt allen
     Datenmeldern der AGF; ohne deren Einsatz wäre die Auswertung nicht möglich
     gewesen! Besonderer Dank gilt Claude Steck für die GIS-Bearbeitung der Daten-
     auswertung. Für die Ergänzung der Quartierliste und die Meldung bislang fehlen-
     der Quartiere danke ich den Regionalbetreuern der AGF: Monika Braun, Birgit
     Fuggmann, Klaus Heck und Pia Wilhelm, sowie den Regionalkennern Ernst Auer,
     Edmund Hensle, Alfred Nagel und Alexandra Sproll. Für die Ergänzung zum Teil-
      G
     Monitoring   danke ich Sandra Schweizer. Für weitere Angaben danke ich der Ko-
     ordinationsstelle für Fledermausschutz Nordbaden mit Monika Braun und für die
     Möglichkeit auf die Quartierzusammenstellung in Nordbaden zugreifen zu können
     dem Referat 56 des Regierungspäsidiums Karlsruhe mit Kerstin Bach.

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AGF BW
                                            Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz
                                                        Baden-Württemberg e.V.
                                                                                      AG Fledermausschutz
                                                                                            Baden-Wür emberg e.V.

Literatur
Hensle, E. (1997): Fledermausschutz im Rahmen städtebaulicher Entwicklungs-
         maßnahmen, zwei Fallbeispiele: a) Ettenheim, Rettung einer Mausohr-
         Wochenstube; b) Flugplatz Lahr. – Der Flattermann 9: 18-20.

Hensle, E. (1998): Versuch der Umsiedlung einer Mausohr-Wochenstube
          (Myotis myotis) in der „Schwarzwald-Klinik“ Glottertal.
          – Der Flattermann 10: 15-17.
Krättli, H., K. Krähenbühl-Künzli & M. Manni-Joss (2006): Mausohr-Wochenstuben.
          – Stiftung Fledermausschutz, 87 Seiten; Zürich.
Kulzer, E. (1996): Chronik und Bilanz einer Mausohrwochenstube in der Stadt
          Reutlingen. – Der Flattermann (Deutschland) 16: 2-3.
Kulzer, E. (2003): Großes Mausohr Myotis myotis. – In: Braun, M. & F. Dieterlen
          (Hrsg.): Die Säugetiere Baden-Württembergs, Band 1: 357-377;
          Ulmer-Verlag, Stuttgart.
Kulzer, E., H.V. Bastian & M. Fiedler (1987): Fledermäuse in Baden-Württemberg.
          Ergebnisse einer Kartierung in den Jahren 1980-1986 der Arbeitsge-
          meinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg. – Beihefte zu den
          Veröffentlichungen für Naturschutz und Landschaftspflege in Baden-
          Württemberg 50: 152 Seiten; Karlsruhe.
Kulzer, E. & E. Müller (2007): Zwei Jahrzehnte Pflege und Kontrolle der Maus-
          ohrkolonie (Myotis myotis) in Entringen, Krs. Tübingen. – Der Flatter-
          mann 19(1): 9-16.
LUBW (2015): FFH-Stichprobenmonitoring AGF 2015. Vorgaben zur Erhebung
          des Parameters „Zustand der Population“. – Landesanstalt für Umwelt,
          Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, 12 Seiten; Karlsruhe.
          Unveröffentlicht.
Meschede, A. & B.-U. Rudolph (2010): 1985 – 2009: 25 Jahre Fledermausmonitoring
          in Bayern. – UmweltSpezial: 94 Seiten; Bayerisches Landesamt für Umwelt.
Meschede, A. (2012): Ergebnisse des bundesweiten Monitorings zum Großen
          Mausohr (Myotis myotis). – BfN-Skripten 325: 71 Seiten.
Müller, E. (1993): Fledermäuse in Baden-Württemberg II, Ergebnisse der zweiten
          Kartierung 1986-1992 der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz
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                                                                                                                    23
Berichte

                         Juristisches Tauziehen um die Sauschwänzlebahn
                         von Friedrich KRETZSCHMAR

                         Die Eisenbahnstrecke von Waldshut      Höhenmeter überwunden werden.
                         nach Blumberg (und weiter nach Hint- Dafür wurde eine etwa 20 km lange
                         schingen im Donautal) wurde im Jahr Strecke mit geringer Steigung und ei-
                         1890 gebaut. Sie war von strategischer nigen Tunnels und Viadukten gebaut,
                         Bedeutung, da somit das schweizeri- welche die Geländemorphologie der
                         sche Gebiet des Kantons Schaffhau- Wutachschlucht und der Seitentäler
                         sen – durch den die Bahnstrecke von    geschickt ausnutzt. Zwei der insgesamt
                         Singen nach Waldshut verläuft – auf    sechs Tunnels wurden als Kehrtunnels
                         deutschem Territorium umfahren wer- mit 1.100 m und 1.200 m Länge kons-
                         den konnte. Von Stühlingen-Grimmels- truiert. Die auf Landkarten erkennba-
                         hofen (495 m ü. NN) im Wutachtal       ren „Kringel“ der Bahnlinie gaben der
                         bis Blumberg (702 m ü. NN) mussten     Strecke im Volksmund den Namen
                         auf knapp 7 km Luftlinie über 200 „Sauschwänzlebahn“ (s. Abb. 1).

               Abb. 1:
           Verlauf der
      „Sauschwänzle-
      bahn“ zwischen
      Stühlingen-Wei-
       zen (Landkreis
       Waldshut) und
       Blumberg-Zoll-
       haus (Schwarz-
     wald-Baar-Kreis)
     entlang des FFH-
       Gebiets „Blum-
        berger Pforte“
       und des Natur-
        schutzgebiets
      „Wutachflühen“

                          G in der Nachkriegszeit die Bahn ihre
                         Als                                      cke schließlich stillgelegt. Mit Planfest-
                         strategische Bedeutung verloren hat-     stellungsbeschluss vom 10. Januar 1978
                         te, ging der Verkehr deutlich zurück.    wurde auf Antrag der Stadt Blumberg
                         In den 1960er-Jahren sollen jährlich     jedoch eine Museumsbahn genehmigt.
                         nur noch zwei bis drei Züge verkehrt     Im Antrag für die Museumsbahn wur-
                         sein. Am 1. Mai 1976 wurde die Stre-     de von zwei bis drei Fahrten monatlich

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AGF BW
                                           Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz
                                                       Baden-Württemberg e.V.
                                                                                        AG Fledermausschutz
                                                                                              Baden-Wür emberg e.V.

im Zeitraum Mai bis Oktober ausge-        zelfunde aus Winterquartieren waren
gangen. Der Planfeststellungsbeschluss    noch bekannt, beantragte die Arbeits-
des Wirtschaftsministeriums macht         gemeinschaft Fledermausschutz 2002
dazu jedoch keine Ausführungen. Im        bei der Stiftung Naturschutzfonds
Jahr 1996 genehmigte das damalige         Baden-Württemberg ein Projekt zur
Ministerium für Umwelt und Verkehr        Erforschung der Lebensräume der
Baden­ -Württemberg den Betrieb ei-       Mopsfledermaus im Wutachgebiet.
ner sogenannten „nichtöffentlichen        Im Rahmen dieses Projekts (KRETZ-
Eisenbahninfrastruktur“. Durch das In-    SCHMAR 2004) und weiterer Pro-
nenministerium Baden-Württemberg          jekte (z. B. BRINKMANN et al. 2005)
erfolgte im Jahr 2006 die Genehmigung     bestätigte sich, dass sich im unteren
einer öffentlichen Eisenbahninfrastruk-   Wutachgebiet eine kleine Population
tur. Naturschutzaspekte wurden we-        der Mopsfledermaus gehalten oder
der bei der Planfeststellung noch bei     wieder neu entwickelt hatte. Als ein
den späteren Genehmigungen berück-        zentrales Element im Lebensraum der
sichtigt.                                 Mopsfledermäuse wurden die Tunnels
                                          der Sauschwänzlebahn – insbesondere
Die Naturhöhlen im Gebiet der             der „Weiler Kehrtunnel“ – ausgemacht.
Wutachschlucht sind seit Langem als       Die Fledermäuse nutzen die Tunnels als
wichtiges Winterquartier für Fleder-      Überwinterungsquartier, schwärmen
mäuse bekannt (V. HELVERSEN et al.        hier jedoch im Spätsommer nachts in
1987). Im Jahr 1997 wurden vom Autor      großer Zahl. Es ist davon auszugehen,
bei Netzfängen vor einer Höhle in den     dass solche Schwärmplätze eminent
Wutachflühen im Sommer Mopsfleder-        wichtig für den Zusammenhalt von Po-
mäuse gefangen. Da diese Art seit den     pulationen sind (ausführlich in KRETZ-
1980er-Jahren in Baden-Württemberg        SCHMAR 2014).
als ausgestorben galt, nur wenige Ein-

                                                                                   Abb. 2: Cluster von
                                                                                   218 Mopsfleder-
                                                                                   mäusen an der Tun-
                                                                                   neldecke des Weiler
                                                                                   Kehrtunnels am 10.
                                                                                   Januar 2017 (Foto:
                                                                                   Christian DIETZ)

                                                                                                                      25
Berichte

     Nachdem die große Bedeutung der          die Bahnbetriebe Blumberg jedoch auf
     Sauschwänzlebahn-Tunnels für den         ihrem Recht, die Tunnels zu durchfah-
     Fledermausschutz bekannt war, wur-       ren, bestehen. Es entwickelte sich ein
     de dem Landratsamt mitgeteilt, dass      mehrjähriges Tauziehen, dessen chro-
     Arbeiten an den Tunnels fortan fle-      nologischer Ablauf in dem Kasten am
     dermauskundlich begleitet werden         Ende des Textes dargestellt ist.
     müssen. Sanierungen der Tunnelver-
     kleidung und Arbeiten an den Portalen    Die tabellarische Aufzählung der bis-
     in den Jahren 2005 und 2006 erfolgten    herigen Verfahrensschritte und Ent-
     daher unter ökologischer Baubeglei-      scheidungen zeigt, wie komplex die
     tung durch eine Fledermausexpertin.      rechtlichen Sachverhalte sind. Für die
     Ein grundsätzlicher Konflikt zwischen    Mitarbeiter in den Naturschutzbehör-
     Bahnbetrieb und Fledermausschutz         den stand von Anfang an fest, dass es
     bestand nicht, da der Museumsbahnbe-     eine Möglichkeit geben muss, ein solch
     trieb nur von April bis Oktober läuft    bedeutsames Vorkommen einer euro-
     und auch das nächtliche Schwärmen        parechtlich geschützten Art (Anhän-
     der Tiere nicht mit dem Bahnbetrieb      ge II und IV der Fauna-Flora-Habitat-
     kollidiert. Im Herbst 2013 bekam die     [FFH]-Richtlinie, Tunnels liegen zum
     höhere Naturschutzbehörde im Regie-      Teil im FFH-Gebiet) zu erhalten. Da
     rungspräsidium Freiburg (RPF) von den    sich die Mopsfledermaus in einem un-
     Naturschutzverbänden den Hinweis,        günstigen Erhaltungszustand befindet,
     dass im Internet „Nikolausfahrten“ der   muss der Mitgliedsstaat Deutschland
     Sauschwänzlebahn beworben würden.        alles dafür unternehmen, Beeinträch-
     In einem Telefonat mit dem Bürger-       tigungen der Populationen zu vermei-
     meister der Stadt Blumberg (Aufsichts-   den. Es stand zu befürchten, dass es bei
     ratsvorsitzender der Museumsbahnge-      Verlust oder erheblicher Beeinträch-
     sellschaft) wurde daraufhin vom RPF      tigung des Winterquartiers zu einer
     erläutert, dass ein Winterbetrieb der    Beschwerde der Naturschutzverbän-
     Bahn die Lebensstätte der Fledermäu-     de bei der Europäischen Union kom-
     se zerstören oder zumindest erheblich    men würde. Es bleibt zu hoffen, dass
     beeinträchtigen würde. Es wurde da-      die nach Vorliegen der Ergebnisse des
     rum gebeten, auf die Winterfahrten       neuerlichen Gutachtens anzupassende
     zu verzichten. Die überwinternden        Teilaufhebung des Planfeststellungsbe-
     Fledermäuse – überwiegend Mops-          schlusses dann nach vier Jahren Ausei-
     fledermäuse (Barbastella barbastel-      nandersetzung endlich den Schutz der
     lus) – hängen frei an der Tunneldecke    Fledermausvorkommen gewährleisten
      G wären dem Lärm der Züge und
     und                                      wird.
     insbesondere dem heißen Dampf der
     Dampflokomotiven direkt ausgesetzt.      Fledermausnachweise ab 2013
     Nach anfänglichem Verständnis für        Das im Februar 2014 nach der Ver-
     den Schutz dieser seltenen und euro-     handlung vor dem Verwaltungsgericht
     parechtlich geschützten Arten wollten    (VG) Freiburg beauftragte Fachgut-

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                                             Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz
                                                         Baden-Württemberg e.V.
                                                                                               AG Fledermausschutz
                                                                                                     Baden-Wür emberg e.V.

achten zur Bedeutung der Tunnels als       nels, diese jedoch in deutlich gerin-
Lebensraum für Fledermäuse (BRINK-         gerer Zahl (vgl. Tabelle 1). Erfreulich
MANN et al. 2015) sowie die ersten         war der Fund einer überwinternden
Zwischenergebnisse eines weiteren im       Großen Hufeisennase (Rhinolophus
November 2016 beauftragten Gutach-         ferrumequinum) am 03.12.2014, einer
tens bestätigten eindrücklich die bis      in Baden-Württemberg als ausgestor-
dahin bekannte Funktion. Regelmäßige       ben geltenden Art, die hier mehrere
Winterkontrollen alle zwei Wochen          Wochen nachweisbar war. Da die Tun-
zeigten, dass sich die Überwinterungs-     nelauskleidung zahlreiche schlecht ein-
gesellschaft der Mopsfledermaus im         sehbare Fugen aufweist, ist davon aus-
November entwickelt, Ende Januar           zugehen, dass zahlreiche weitere Tiere
bis Ende Februar einen Höhepunkt er-       der anderen Fledermausarten nicht
reicht und dann bis Ende März wieder       zählbar in den Tunnels überwintern.
abbaut. Die meisten Mopsfledermäuse        Aufgrund der gerichtlichen Entschei-
befinden sich im Weiler Kehrtunnel         dung des Verwaltungsgerichtshofes
(max. 357 am 27.01.2015 und 516 am         (VHG) in Mannheim vom 29.11.2016,
10.01.2017). Hier hängen die Mopsfle-      welche die Sperrung der kleinen Tun-
dermäuse überwiegend in ein bis zwei       nels infrage gestellt hat, werden zurzeit
großen Clustern (s. Abb. 2), die bis       auch die beiden nördlichen Tunnels auf
über 200 Tiere umfassen. Zahlreiche        Fledermausbesatz untersucht. Nach
weitere Tiere hängen jedoch einzeln        ersten Erkenntnissen scheint zumin-
über den gesamten Tunnel verteilt. Im      dest auch der Tunnel am Achdorfer
zweiten Kreiskehrtunnel wurden max.        Weg ein bedeutendes Winterquartier
21 Mopsfledermäuse überwinternd            für die Mopsfledermaus zu sein, es
festgestellt. Neben den Mopsfleder-        wurden bis zu neun überwinternde
mäusen überwintern verschiedene            Tiere gezählt.
weitere Fledermausarten in den Tun-

Tabelle: Maximalzahlen der in den Tunnels bisher überwinternd festgestellten Fledermausarten
Quelle: Gutachten

                                                                                                                             27
Berichte

     Um neben der Zählung überwintern-           ganzjährig nutzen (s. Abb. 3). Allerdings
     der Tiere auch Aussagen über die            beschränkt sich die Nutzung im Som-
     ganzjährige Nutzung der Tunnels zu          mer weitestgehend auf die Nacht. Hier
     erhalten, erfolgte im Rahmen des Gut-       fliegen also nachts Tiere in die Tunnels
     achtens auch eine akustische Erfassung      ein und schwärmen hier. Nur weni-
     der Quartiernutzung in den beiden           ge Tiere scheinen die Tunnels als Ta-
     Kehrtunnels, ab Dezember 2016 zu-           gesquartiere zu nutzen. Zwar stammt
     sätzlich auch in den beiden nördlichen      der allergrößte Teil der Aufnahmen
     Tunnels. Dabei werden die Rufe der          von der Mopsfledermaus, doch wur-
     Fledermäuse mittels fest installierten      den auch zahlreiche Aufnahmen der
     Anabat-SD2-Detektoren kontinuier-           Zwergfledermaus, der Gattung Myotis,
     lich über ein Jahr aufgenommen. Die         und der Gruppe Eptesicus/Nyctalus/
     Lautaufnahmen können ausgelesen und         Vespertilio aufgenommen. Besonders
     nach Artzugehörigkeit ausgewertet           interessant war, dass in beiden Kehr-
     werden, teilweise ist jedoch nur die        tunnels auch Aufnahmen der Großen
     Bestimmung der Gattung oder der Art-        Hufeisennase aufgezeichnet wurden.
     gruppe möglich. Die Auswertung von          Diese seit Langem im Wutachgebiet als
     über 300.000 Rufen zeigte, dass die         ausgestorben geltende Art scheint sich
     Fledermäuse grundsätzlich die Tunnels       hier also wieder einzufinden.

     Abb. 3: Akustische Aktivität aller Fledermausarten am Haupthangplatz der Mopsfledermäuse
     im Weiler Kehrtunnel. Es ist deutlich erkennbar, dass die akustische Aktivität – das bedeutet
     fliegende Tiere – im Sommer auf die Nacht beschränkt ist, während sie im Winter gleichmäßig
     über 24 Stunden verteilt ist. Im Sommer fliegen offenbar nachts Tiere in den Tunnel ein, um
     dort soziale Kontakte zu haben. Die Winteraktivität ist damit zu erklären, dass bei hunderten
     über­winternder Tiere immer einzelne Tiere aufwachen und den Platz wechseln.

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                                           Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz
                                                       Baden-Württemberg e.V.
                                                                                     AG Fledermausschutz
                                                                                           Baden-Wür emberg e.V.

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KRETZSCHMAR, F. (2014): Die Fledermäuse des Wutachgebietes. –
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Chronologie des juristischen Tauziehens um den Schutz der zweitgrößten
Überwinterungspopulation der Mopsfledermaus in Deutschland:

Ende Oktober 2013 Das Regierungspräsidium Freiburg (RPF) erhält Kenntnis von
der Ankündigung, dass auf der Strecke der Sauschwänzlebahn Winterbetrieb (vier
Nikolausfahrten) angeboten werden soll.

05.11.2013 Gespräch mit dem Bürgermeister der Stadt Blumberg mit dem Wunsch,
dass auf die Winterfahrten verzichtet werden solle.

07.11.2013 Die Bahnbetriebe Blumberg teilen mit, dass sie nach § 4 Allgemeines
Eisenbahngesetz verpflichtet sind, die Strecke jederzeit offen zu halten und daher
auch an den Winterfahrten festhalten werden. Angeboten wird, den Dampfregler
im Bereich der Hangplätze zu drosseln.

08.11.2013.Das RPF teilt den Bahnbetrieben mit, dass die angebotene Drosselung
der Dampfregler das Quartier nicht wirksam schützen kann und rechtlich geprüft
werde, wie das Quartier geschützt werden könne.

19.11.2013 Das RPF schreibt an das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur
Baden-Württemberg (MVI) als zuständige eisenbahnrechtliche Aufsichtsbehörde
mit der Bitte, den Winterbetrieb der Bahn zu untersagen.

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