Die Bibel 34 - 2021 Okt I Nov - Kirchengemeinde St. Konrad Plochingen
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Lebendige Gemeinden Ihre katholische Gemeinde in Altbach, Deizisau, Hochdorf, Lichtenwald, Plochingen und Reichenbach Die Bibel Okt I Nov 34 - 2021
In der Ausgabe 33/2021 haben wir dazu aufgerufen, uns Fotos mit persönlichen Einblicken in die sechs Kirchen unserer Kirchengemeinde zuzuschicken. Petra Wagner aus Reichenbach hat uns diese zwei beeindruckenden Fotos geschickt. Sie schreibt dazu: „Für 2-3 Tage im Frühling und im Herbst scheint die Sonne beim Untergehen auf die Kirche St. Michael so, dass sie durch das Fenster der Hlg. Cäcilia von Rom über der Orgel genau auf das Kreuz hinter dem Altar trifft. Im Frühling (26.04.) nur mit einem kleinen Sonnenfleck und im Herbst (04.09.) voll. Seit Jahren versuche ich es immer wieder fotografisch festzuhalten.“ Herzlichen Dank! Ihr Redaktionsteam
Inhalt 4 Grußwort 42 Katholikentag 2022 5 Wie lesen wir heute die Bibel? 44 Mariä Himmelfahrt 2021 10 Bibelübersetzungen - Übersicht 45 Sankt Martin 15 Wie die Bibel überliefert wurde 46 Sternsinger*innen-Aktion 2022 18 Warum vier Evangelien? Hätte eines in der Kirchengemeinde St. Konrad nicht genügt? 47 Glauben in herrschaftslosen, autori- tätsarmen Zeiten 24 Expedition zur Freiheit 25 Glauben und Leben teilen 49 Altbach|Deizisau beim Bibel-Teilen 50 Plochingen 26 Talk im Gewölbe – dienstagabends bei dir dahääm! 54 Reichenbach|Hochdorf| 27 Bibel Study - Bibelkreis in Südafrika Lichtenwald 28 Gabriela Benz stellt sich vor 58 Buchtipps 29 Aktion Hoffnung 2022 59 Impressum 30 Gottesdienste 60 Sonntag der Weltmission Oktober | November 2021 32 Tauftermine Oktober | November 2021 33 Trauercafé Regenbogen 33 Hospizgruppen begleiten am Lebensende 34 Termine 36 Firmung 2020 und 2021 39 Kommunion 2020 und 2021 Redaktionsschluss für die Ausgabe 35 - 2021 (Dezember | Januar): 18. Oktober 2021 Thema: Heilige Barbara. Beiträge bitte an: redaktion.gemeindebrief@gmx.de 3
Grußwort Text: Monika Siegel Liebe Leserinnen und Leser, für unsere inneren Sehnsüchte und gibt Hinweise die Bibel ist ein großer Schatz. Die Erfahrungen der darauf, wie ich mit mir selbst, meinem Leben, mei- Menschen mit Gott sind darin aufgeschrieben und nen Gefühlen und meinen Mitmenschen umgehen das in so vielfältiger Weise wie wir Menschen eben kann, um ein glücklicher und zufriedener Mensch zu sind. Manchmal ist uns der Wert dieses Buches gar werden. Die Bibel bedient sich dabei vieler verschie- nicht so bewusst, ist doch dieses dicke Buch alles dener Textarten: Geschichten, Gedichte, Weisheits- andere als lesefreundlich für die heutige Zeit: Es ist sprüche, Gebete und vielen mehr. Darin finden alle dick, sprachlich in vielen Fällen nicht mehr so, wie menschlichen Gefühle Ausdruck: Überschwängliche wir heute sprechen würden, und die Lebenswelt, von Freude, tiefe Trauer, Angst und Zweifel, Schuld und der ausgegangen wird, ist nicht mehr die Unsere. Und Vergebung, Sehnsucht und Hoffnung, Wut und Ra- doch gibt es Erfahrungen und Wahrheiten, die unab- chegedanken, Mut und Vertrauen. hängig sind von Zeitgeist und der Art zu leben. Diese In der Bibel werden Geschichten erzählt, die alt sind Erfahrungen und Wahrheiten übersehen wir oft in und von anderen Begebenheiten, als wir sie heute der Flut der Informationen, die über uns hereinbre- haben, ausgehen. Doch sie tragen eine innere Wahr- chen, unserer Geschäftigkeit und im Kreisen um uns heit in sich, die uns auch heute hilft, Hoffnung zu selbst. Die Bibel hat in unserer schnellen und ereig- haben und unsere Sehnsucht nährt, an einer fried- nisvollen Welt eine einfache Botschaft für uns. Eine vollen Welt Gottes mitzubauen. Ich denke da z. B. an Botschaft, die uns herausholen kann aus unserer Josef (Genesis 37-50). Josef passieren schreckliche Geschäftigkeit, unserer Selbstoptimierung, unserer Dinge, aber nur durch sie ist es möglich, dass das Zukunftsangst. Sie heißt (jetzt natürlich sehr knapp Volk Israel eine Hungersnot überlebt und auch Josef zusammengefasst): „Fürchtet Euch nicht!“ Das ist selbst zu einem weisen und einflussreichen Mann der Satz, der in der Bibel am häufigsten vorkommt wird. Wenn wir bei Unglück und Schicksalsschlägen (ca. 120x). Die Bibel ist ein Buch gegen die Angst, uns die Geschichte Josefs vor Augen halten, dann die uns Menschen in verschiedenen Formen beglei- nährt sie die Hoffnung, dass in vielem, was wir Unbe- tet und uns in ausgeprägter Form hindert, wirklich zu greifliches erleben und nicht verstehen können, sich „leben“. Die Bibel ist ein Buch für Hoffnung, Mut und doch etwas zum Guten wendet, meist so, wie wir es Sehnsucht. mit unserem eingeschränkten Horizont nie erwarten. Durch meinen Beruf habe ich das Glück, mich oft mit Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre dieses Gemein- der Bibel zu beschäftigen und sie ins Hier und Heute debriefes und eine innere Neugierde, die Bibel mal für uns zu übertragen, um Menschen in verschie- wieder in die Hand zu nehmen, um die Zusage Gottes denen Lebenssituationen oder auch im Alltag Mut „Fürchte dich nicht!“ in vielen Facetten sich zusagen und Hoffnung zu schenken. Dabei stelle ich immer zu lassen. wieder erstaunt fest, wie dieses alte Buch viel von Herzlich 4 dem aufgreift, was wir heute erleben. Es findet Worte
Wie lesen wir heute die Bibel? Text: Stephan Walter. Fotos: Seite 5 Stephan Walter; Seite 6 Michael Wiegand und Seite 9 Peter Weidemann. Jeweils in: Pfarrbriefservice.de Man könnte die Frage auch anders stellen: Lesen wir lesen, von Vergewaltigungen und davon, dass ande- heute echt noch die Bibel? Denn was hat ein so alter ren die Pest auf den Hals gewünscht wird. Es ist also Text, teils vor über zwei Jahrtausenden verfasst, mit zunächst wichtig zu überlegen, was dieses „heilig“ mir heute zu tun? Dieser auch unter Christ*innen auf bedeutet. Nur wenige Menschen sind wirklich so der ganzen Welt weit verbreiteten Meinung versuche nihilistisch, wie sie vorgeben zu sein. Den meisten ich mit ein paar Gedanken zu begegnen. Denn die ist irgendetwas heilig: Seien es das eigene Auto, das Kirche hält weiterhin daran fest, die Bibel als Heilige eigene Kind, ein Buch, das man zur Einschulung er- Schrift zu bezeichnen, und im Gottesdienst begegnet halten hat, der Teddy-Bär aus der Kindheit oder der sie uns sogar als Wort Gottes. Da werden hohe An- Stummel der letzten Zigarette, die der Großvater sprüche an einen Text gestellt, der doch am Schluss geraucht hat, bevor er verstarb. Diese Art von „hei- auch nur von Menschen geschrieben wurde. Was lig“ ist höchst persönlich und individuell. Doch auch fangen wir also damit an? einer Gruppe von Menschen, einem Verein, einer Gesellschaft oder einem Volk kann etwas heilig sein, Was macht die Bibel heilig? z. B. die eigene Verfassung oder auch ein Ball aus der Gründungszeit des Fußballvereins. Heilig sind in der Die Bibel als „heilig“ zu bezeichnen, führt bei vielen Regel Dinge, die unsere Identität ausmachen oder Zeitgenoss*innen zu großer Irritation. Es kann doch Teil unserer Gründungsgeschichte sind. nicht heilig sein, wenn wir von Mord und Totschlag 5
Auf dieser Ebene können wir auch die Bibel als Samm- lung von Texten sehen: Die Bibel begründet die Iden- tität und das Wesen der Glaubensgemeinschaften, die sich auf sie berufen. Was in ihr niedergeschrie- ben ist, ist über Jahrhunderte und Jahrtausende ge- meinsam gelesen und diskutiert worden. Wer wir als Kirche sind, haben wir im Austausch miteinander, mit der Bibel und der Tradition festgelegt. Die Kirche ist also immer auch eine Auslegungsgemeinschaft. Die Gemeinschaft der Gläubigen liest die Bibel und legt sie gemeinsam aus. Heilig heißt hier also: Bedeutung haben. Woher kommt die Bedeutung? Diese Gedanken machen schon deutlich: Es kommt auf die Bedeutung des Textes an. Doch woher kommt die Bedeutung? Ist sie einfach da oder wie komme ich an sie heran? In den vergangenen ca. 150 Jahren wurde darüber in der Text- und Literaturwissenschaft heftig gestrit- ten und geforscht. Im 19. Jahrhundert kam die Idee auf, Bedeutung habe ein Text vor allem, weil ein*e Autor*in diese Bedeutung in den Text hineingelegt habe. Wir können einen Text also nur richtig verste- hen, wenn wir verstehen, was der*die Autor*in ur- sprünglich gemeint hat. Das führte in der Theologie zur Entwicklung der his- torisch-kritischen Methode, die inzwischen weit ver- breitet ist. Der Grundgedanke ist der, dass ein Text verschiedene Entstehungsschritte hinter sich hat. Wenn wir an die ursprüngliche Bedeutung des Tex- tes herankommen wollen, müssen wir also den ur- sprünglichen Text rekonstruieren. Manchmal steckt hier auch der Gedanke dahinter, dass es so etwas wie eine ursprüngliche Offenbarung des Textes, ge- wissermaßen ein Diktat Gottes an einen Schreiber 6 gegeben habe und man durch die Rekonstruktion
des Ur-Textes also direkt zur göttlichen Offenbarung beliebig? Es muss doch die eine und richtige Wahr- kommen kann. Die historisch-kritische Methode ist heit geben! Wenn ich die Bibel aufschlage, will ich stark am Verhältnis des*der Autors*in zum Text inte- dort nicht eine einfache und eindeutige Wahrheit ressiert. Wir alle haben vermutlich eine entsprechen- lesen? de Erinnerung an unseren Deutsch-Unterricht, wo es Doch so einfach funktioniert die Bibel nicht. Denn die darum ging, aus einem Gedicht herauszulesen, was Bibel ist zunächst ein Text und funktioniert dement- der*die Autor*in damit gemeint hat. Dieser Ansatz sprechend wie ein Text. Um den Text zu verstehen, ist heute stark umstritten. Denn im Laufe des 20. Jahrhunderts hat man begonnen, stärker auf die andere Seite des Textes zu schauen, also auf diejenigen, die die Texte lesen. Welche Rolle spielen die Leser*innen? Dabei wurde deutlich: Wir alle verstehen immer etwas, wenn wir einen Text lesen, denn wir bringen jeweils unseren eigenen Verstehenshorizont mit. Es geht also nicht mehr unbedingt darum, darauf zu schauen, was der*die Autor*in damit gemeint haben muss ich ihn lesen. Und um zu verstehen, was er könnte. Es geht auch nicht darum, ob die geschicht- bedeutet, muss ich mich mit anderen austauschen lichen Ereignisse in der Bibel wirklich passiert sind. und diskutieren. Manches muss ich vielleicht auch Um es deutlich zu sagen: Ob Israel historisch „wirk- nachlesen. Denn wie die Gesellschaft zur Zeit der Bi- lich“ aus Ägypten ausgezogen ist, ist für die „Wahr- bel funktioniert hat, weicht stark von heute ab. Oder heit“ der Bibel nicht entscheidend. manches Fachwissen muss ich mir vielleicht anle- sen, denn die Bibel ist zum Beispiel durchzogen von Es geht vielmehr darum, was wir als Lesende verste- landwirtschaftlichen Begriffen, die die meisten heute hen und warum wir das so verstehen. Die Leitfrage einfach nicht mehr kennen. lautet also nicht: „Was sagt mir der*die Autor*in?“, sondern: „Was sagt/bedeutet mir der Text?“ Leser*in Interessanterweise ist auch die kirchliche Lehre hier und Text treten also in einen Dialog miteinander. Wer offen: Göttliche Offenbarung ist ein andauerndes Ge- liest, bringt seine Welt mit dem Text in ein Gespräch. schehen. Die Offenbarung ist nicht dadurch zu Ende, Bedeutung liegt also nicht im Text, weil der*die dass die Bibel geschrieben wurde oder dass Jesus Autor*in sie da hineingelegt hat, sondern die Bedeu- in die Welt kam. Im Gegenteil: Es geht immer weiter. tung entsteht beim Lesen. Das heißt auch: Das Verständnis der Texte kann sich wandeln, bleibt aber trotzdem wahr. Denn jede Zeit Aber was ist denn dann wahr? stellt eigene Fragen an die Bibel und bringt ihr eige- nes Verständnis mit. Das heißt aber nicht, dass die Für viele religiöse Menschen ist dieser Gedanke Bibel einfach durch die Tradition abgeschafft werden erstmal irritierend: Wenn die Bedeutung beim Lesen könnte. Die Bibel bleibt immer das Maß aller Dinge, entsteht, ist sie dann nicht am Schluss vollkommen an dem sich die Tradition messen lassen muss. 7
Die Perspektive entscheidet Wenn wir als heutige Leser*innen die Bibel lesen, kommt uns einiges komisch vor. Geschlechterrollen wirken manchmal komisch, die Gesellschaftsform ist uns fremd und die Sprache wirkt mitunter gewalttätig und diskriminierend. Das darf ich hinterfragen, denn dadurch wird der Text nicht weniger heilig und weni- ger wahr. Wichtig ist nur, dass wir die Bibel überhaupt lesen. Denn dann entdecken wir an vielen Stellen, dass die Perspektive und die Bedeutung der Bibel gar nicht so eindeutig sind. Oft ist es nämlich eher die Auslegung der Kirche oder unserer Vorfahren, die kritisiert werden muss. Denn nur weil wir mitunter ge- walttätige Texte lesen, heißt das nicht, dass die Bibel diese Gewalt für gut befindet. Genauso finden wir in der Bibel nicht nur Texte, die scheinbar die Unterdrü- ckung der Frauen ermöglicht, sondern auch Texte von starken Frauen, die selbstbewusst Führungsrol- len übernehmen, egal ob in einer mächtigen Position (z. B. die Richterin Debora) oder aus absoluter Macht- losigkeit heraus (Noomi und Rut). Entscheidend bei der Lektüre ist also die Perspekti- Ein aktuelles Beispiel ist die Frage nach der Seg- ve. Auf der einen Seite die Perspektive der Lesenden: nung homosexueller Paare: In der Geschichte der Welche Fragen stelle ich an den Text? Was ist meine Kirche wurde auf der Grundlage von biblischen eigene Geschichte? In welcher Welt lebe ich? Was ist Argumenten Homosexualität abgelehnt. Dank wis- mein Weltbild? Auf der anderen Seite aber auch die senschaftlicher Bibelauslegung wissen wir heute Perspektive des Textes: Welche Welt erzählt mir der jedoch, dass die Bibel sich nicht benutzen lässt, Text? Auf welche Weise erzählt der Text? Wie blickt um gegen Homosexualität zu sein. In der Folge der Text auf das Geschehen? Unterstützt er, hinter- muss also die kirchliche Tradition hinterfragt wer- fragt er oder bleibt er neutral? den. Will die Kirche weiterhin an ihrer ablehnen- den Haltung gegenüber homosexuellen Paaren Irritation und Diskussion festhalten, braucht sie dafür andere Argumente, die sie außerhalb der Bibel finden muss – oder Neben der Perspektive ist aber auch die Erwartungs- sie muss eben ihre Haltung zur Homosexualität haltung wichtig: Erwarte ich einen Text, der sich lo- ändern. cker-flockig herunterlesen lässt? Einen Text, der mir 8 einfach gefällt? Der mich nicht hinterfragt? Der mir
nur das sagt, was ich immer schon wusste? Ich sage Einfach mal lesen es ganz klar: Wenn ich das will, logge ich mich bei Facebook ein und überlasse mich den Algorithmen. Mein Rat zum Abschluss: Nehmen Sie einfach mal Wenn ich große Literatur lese, erwarte ich, davon et- (öfter) die Bibel in die Hand. Sie müssen die Bibel was mitzunehmen. Ich erwarte, dass ich über einen ja nicht am Stück lesen, sondern können den Texten Text länger nachdenken muss. Ich erwarte, dass ich Stück für Stück begegnen und mit ihnen in Dialog beim Lesen ins Stocken gerate. Ich erwarte, dass ich treten. Im Anschluss können Sie dann nach weiteren irritiert werde und mein Weltbild hinterfragt wird. Informationen suchen, um den Text besser zu ver- stehen, wenn Sie das wollen. Oder Sie tauschen sich Wenn das der Fall ist, dann rede ich mit anderen mit anderen darüber aus. Ein Bibelkreis ist hier eine darüber. Komme mit ihnen in den Austausch und tolle Option, aber auch ein einfaches Telefonat unter diskutiere: Wie hast du den Text verstanden? Was Freund*innen kann so interessant werden. sagt er dir? Irritiert dich das gleiche wie mich? Wie gehst du mit dieser Irritation um? Vielleicht kann die Ich hoffe, mit meinen Gedanken weitergeholfen zu Irritation so zu einer Erweiterung des eigenen Selbst- haben. Letztlich kommt es aber nicht auf mich oder und Weltbildes beitragen. Nicht zuletzt aber auch: die Meinung anderer an, sondern allein auf Sie: Wie Wie versteht „die Kirche“ oder wie verstehen wissen- lesen Sie den Text? Wie verstehen Sie ihn? schaftliche Exeget*innen den Text? P.S.: Für die Fleißigen eine kurze Rechnung. Wenn Sie jeden Tag nur vier Seiten lesen, haben Sie die Bibel in 365 Tagen durch. 9
Bibelübersetzungen – Übersicht Text: Stephan Walter. Hintergrundfoto Seite 14: © Didgeman / cc0 – gemeinfrei / Quelle: pixabay.com Wer „die Bibel“ lesen möchte, kann das heutzutage gelernt hat. ganz einfach tun. In jeder Buchhandlung, in jeder Vor diesem Grundproblem steht jede Übersetzung, Bibliothek gibt es in der Regel mindestens eine Bi- egal ob es sich um die „einfachen“ Nachrichten des bel zu kaufen bzw. auszuleihen. Soweit eigentlich Tages handelt, einen Roman oder eben einen heiliger ganz einfach. Doch der zweite Blick offenbart, dass Text wie die Bibel. Bei jeder Übersetzung kommt es es ganz unterschiedliche Bibeln zu kaufen gibt. Da- zu Vereindeutigung, obwohl das Original mehrdeutig mit meine ich nicht nur in Form und Farbe, sondern ist. Sprachliche Bilder gehen verloren – dafür ent- vor allem die Übersetzung. Die Texte der Bibel sind stehen vielleicht sogar neue. Am schnellsten geht ursprünglich nämlich in Hebräisch, Aramäisch und Humor, vor allem Wortwitz verloren. Diese Schwierig- Griechisch verfasst. Durch die Tradition wurden sie keiten und viele mehr muss eine gute Übersetzung uns vor allem auf Griechisch und Latein überliefert. versuchen zu lösen. Wer also die Bibel lesen möchte, kann entweder die- Deshalb machen sich Übersetzer*innen vorher inten- se alten Sprachen lernen oder eine Übersetzung ins siv Gedanken darüber, wie sie vorgehen wollen und Deutsche kaufen. so entstehen sehr unterschiedliche Übersetzungen, die sich teilweise sehr weit vom Original entfernen. Die Qual der Wahl Das heißt jedoch nicht, dass sie deswegen „falsch“ würden: Manchmal muss ich mich beim Übersetzen Es gibt zahlreiche Bibelübersetzungen ins Deutsche. weit vom Original entfernen, um trotzdem den Sinn Das ist auf der einen Seite ein Luxus, auf der ande- transportieren zu können. Eine „authentische“ Über- ren Seite hat man aber die Qual der Wahl. Welche setzung ist also nicht automatisch die, die möglichst Bibel ist die richtige für mich? Sicher wäre es schön, wortgetreu ist. eine Bibel zu haben, die „richtig“ übersetzt ist. Doch das ist gar nicht so einfach: Was ist denn eine „rich- Vergleichen hilft tige“ Übersetzung? Jede Sprache funktioniert etwas anders, hat unterschiedliches Vokabular oder eine Im Folgenden möchte ich ein paar Übersetzungen andere Satzstruktur. Sogar die Zeitstruktur kann vorstellen. Dabei gehe ich auch ein auf die Aufgaben- fundamental anders sein. So gibt es die Zeitformen, stellung, die Zielgruppe und den Sprachstil. die es im Deutschen gibt, nicht im Hebräischen. Statt Dazu zwei Vorbemerkungen: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft „denkt“ das Hebräische in zeitlichen Aspekten, die das Gesagte ● Auch wenn es oft behauptet wird, lesen nicht mit dem Vorhergehenden verknüpft. Möchte man das alle Christ*innen dieselbe Bibel. Der Umfang eindeutig ins Deutsche übersetzen, kommt eine sehr variiert. Hintergrund dafür ist die unterschied- schwer lesbare Hilfskonstruktion heraus, die man liche Anerkennung des Alten Testaments als 10 eigentlich auch nur versteht, wenn man Hebräisch Teil des biblischen Kanons. In evangelischen
Kirchen werden nur die Teile des Alten Testa- Bücher wurden komplett neu übersetzt (wie Jesus ments als „heilig“ erachtet, die auf Hebräisch Sirach oder die Psalmen), sondern meist nur überar- verfasst wurden. Dadurch „fehlen“ aus katho- beitet und auf den aktuellen wissenschaftlichen und lischer Sicht manche Bücher und Schriften sprachlichen Stand gebracht. in evangelischen Bibelausgaben. Manchmal Die Einheitsübersetzung findet in der allgemeinen Li- sind sie auch unter den sog. „Apokryphen“ turgie der katholischen Kirche Verwendung. Das hat oder „Spätschriften“ zu finden. zur Folge, dass bei manchen Teilen der Bibel auch ● Wenn man die Zeit und das Geld hat, lohnt auf die „Singbarkeit“ geachtet werden musste (wie sich die Anschaffung mehrerer Bibelausga- z. B. die Psalmen). ben. Durch die verschiedenen Sprachstile wird beim vergleichenden Lesen manches klarer. Der Sprachstil orientiert sich an „gehobenem Deutsch der Gegenwart“. Es wird also zum einen ver- Eine tolle und sehr umfangreiche Webseite ist: bib- sucht, heute verständliches Deutsch zu verwenden, leserver.com – hier finden sich zahlreiche Bibelüber- berücksichtigt zum anderen aber auch die beson- setzungen komplett zum Nachschlagen und Nachle- dere Stellung des Textes, was durch gehobene For- sen. Oft finden sich hier auch Zusatzinformationen mulierungen und Sprachbilder ausgedrückt werden oder Videos zu einzelnen Stellen. soll. Es gibt von Buch zu Buch kleinere bis größere Unterschiede, da die Übersetzung von zahlreichen Einheits- Professor*innen angefertigt wurde. übersetzung 2016 Die App des Katholischen Bibelwerks ist kostenlos. Die offizielle Überset- Gedruckte Ausgaben gibt es ab 10 €, aber auch sehr zung der katholischen aufwändige Ausgaben z. B. mit Bildern von Marc Kirche im deutsch- Chagall. Eine recht umfassende Übersicht bietet das sprachigen Raum ist Bibelwerk selbst: die sog. Einheitsüber- https://www.bibelwerkverlag.de/lesen-und-mehr/bibel setzung. „Einheit“ ist dabei nicht im öku- Lutherübersetzung menischen Sinn zu 2017 verstehen, sondern kommt daher, dass Mindestens genauso die erste Einheitsüber- verbreitet ist die Lu- setzung von 1980 die therübersetzung in erste deutsche Über- der Revision von 2017. setzung für den ganzen katholischen deutschspra- Fast zeitgleich erschie- chigen Raum war. nen ist es die offizielle Bibelübersetzung der Die Ausgabe von 2016 basiert zu großen Teilen auf Evangelischen Kirche der Übersetzung von 1980. Nur wenige biblische in Deutschland. Sie 11
versucht, wieder stärker an die von vielen Deutschen aus dem Jahre 2018. geliebte Übersetzung Luthers anzuknüpfen und hat Durch die ökumenische Verantwortung ist die Bibel dadurch einen altertümlicheren Stil als die Revision auch für Katholik*innen „komplett“, auch wenn die von 1984. entsprechenden Teile in der GNB als sogenannte „Spätschriften“ auftauchen. Zielgruppe der Übersetzung sind vor allem evangeli- sche Christ*innen, die mit der Lutherbibel vertraut Der Sprachstil orientiert sich an Menschen, die mit sind und entsprechende Bildung und ästhetische den kirchlichen und theologisch gewohnten Formu- Ansprüche mitbringen. lierungen oder dem gehobenen Deutsch fremdeln. Zu beachten ist an einigen Stellen des Neuen Testa- Für Katholik*innen zu beachten: Es handelt sich na- ments: Der freiere Sprachstil führt leider hier und da türlich um eine evangelische Bibel, der je nach Aus- zu Formulierungen, die als antijüdisch wahrgenom- gabe einige Bücher und Schriften fehlen, die zu einer men werden können. Das wurde zwar in der Revision katholischen Bibel gehören. Aber für die anderen von 2018 verbessert, taucht jedoch leider immer Teile kann es sich lohnen, einmal eine ganz andere noch hier und da auf. Sprachgestalt zu lesen. Vor allem in ökumenischen Haushalten darf diese Bibel nicht fehlen. BasisBibel Auch die App der Lutherübersetzung 2017 ist kosten- los. Auch hier gibt es verschiedene gedruckte Aus- Die BasisBibel ist gaben ab 10 €. Eine Übersicht bietet die Deutsche ein Projekt der Bibelgesellschaft: Deutschen Bibel- https://www.die-bibel.de/shop/ gesellschaft, das versucht, die Bi- Gute Nachricht Bibel bel in einer ein- (GNB) fachen Gegen- wartssprache zu Neben den offiziellen Bi- übersetzen. Tex- belübersetzungen gibt es te werden dabei noch die „Gute Nachricht auf ihre kurzen Bibel“, die durch ihre Sinneinheiten hin gegliedert und dementsprechend weite Verbreitung in der übersetzt. Sehr gut ist hier die digitale Darstellung, Jugendarbeit der letzten da bei der Übersetzungsarbeit und der Entwicklung 50 Jahre schon fast of- immer auch das digitale Nutzungsverhalten mitge- fiziellen Status erreicht dacht wurde. Zielgruppe sind Jugendliche und junge hat. Die Bibel ist ökume- Erwachsene, vor allem solche, die ins Bibellesen ein- nisch verantwortet von steigen wollen. Katholischem Bibelwerk und Deutscher Bibelgesellschaft. Die erste Version Es lohnt sich also ein Besuch auf www.basisbibel.de, 12 gab es 1967, die heute aktuelle Überarbeitung ist aber natürlich gibt es auch gedruckte Ausgaben.
Meine Lieblingsstelle in der Bibel Bibel in gerechter Beate Abele Sprache Johannes 15,1-17 … Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem Ein sehr umstrittenes ich bleibe, der bringt reiche Frucht Professor*innen-Pro- […] Wenn ihr in mir bleibt und wenn jekt, das aber durchaus meine Worte in euch bleiben, dann lesenswert ist. Die Über- bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten. Mein Vater wird setzung ist sehr unein- dadurch verherrlicht, dass ihr reiche heitlich, aber gerade Frucht bringt und meine Jünger wer- deshalb interessant für det. … alle „Bibel-Profis“ und alle Leser*innen, die sich ger- ne irritieren lassen. Der Gottesname taucht im Alten Testament gar nicht auf, sondern wird nach jüdischer Tradition mit Ersatzworten umschrieben. Geschlecht- liche Formulierungen werden aufgebrochen, manch- mal auch historisch verfälschend, abgesehen davon aber sprachlich sehr nah an den Originaltexten. Ist das Original unklar oder uneindeutig zu übersetzen, wird das durch verschiedene Übersetzung deutlich gemacht, z. B. Gen 1,1: „Bei Beginn/Als Anfang/Zu Die Schrift, verdeutscht von Martin Buber Anfang/Durch einen Anfang/Im Anfang/Zu Beginn/ gemeinsam mit Franz Rosenzweig Am Anfang hat Gott Himmel und Erde geschaffen.“ Keine komplette Bibel in christlichem Sinne, sondern Die Bibel in gerechter Sprache ist online lesbar (www. der Versuch, die jüdische heilige Schrift (TaNaCh) ins bibel-in-gerechter-sprache.de) und ansonsten ge- Deutsche zu übertragen. Die jüdischen Philosophen druckt für 35 € zu erwerben. und Schriftsteller Martin Buber und Franz Rosenzweig sind dabei sprachlich sehr kreativ. Denn zum einen wollen sie zwar sehr nah am Wortlaut und dem ori- ginalen Satzbau bleiben, auf der anderen Seite aber auch einen deutschen Text verfassen. Das Ergebnis ist eine sprachgewaltige poetische „Verdeutschung“ der jüdischen Bibel, die es auf eindrückliche Weise Meine Lieblingsstelle in der Bibel schafft, die sprachliche Schönheit des hebräischen Textes ins Deutsche zu übertragen. Meike Pollanka Psalm 91,11-12 Denn er befiehlt seinen Engeln, dich Eine digitale Version davon gibt es leider nicht (spä- zu behüten auf all deinen Wegen. testens aber 2035, da der Text dann gemeinfrei wird). Sie tragen dich auf Händen, damit Als gedruckte Bände gibt es „Die Schrift“ ab 59 €. dein Fuß nicht an einen Stein stößt. 13
Einheits Bibel Gute Nachricht übersetzung Luther 2017 BasisBibel in gerechter Bibel 2016 Sprache Ihr plagt euch mit Mt 11,28 den Geboten, die die So kommt doch alle Kommt alle zu mir, Kommt her zu mir, Kommt alle zu mir, Gesetzeslehrer euch zu mir, die ihr euch die ihr mühselig und alle, die ihr mühselig die ihr mühselig und auferlegt haben. abmüht und belastet beladen seid! Ich will und beladen seid; ich beladen seid! Ich will Kommt alle zu mir; seid: Ich will euch euch erquicken. will euch erquicken. euch erquicken. ich will euch die Last ausruhen lassen. abnehmen! Darauf sagte Rut: Rut antwortete: Aber Rut antwortete: Rut antwortete: Aber Rut antwortete: »Bedränge mich Bedränge mich »Dränge mich nicht, Dränge mich nicht, »Schick mich nicht doch nicht, dich zu nicht, dass ich dich dich zu verlassen. Ich dich zu verlassen und fort! Ich will dich verlassen, mich von verlassen und von dir kehre nicht um, ich umzukehren! Wohin nicht im Stich lassen. dir °abzuwenden. Rut 1,16 umkehren sollte. Wo lasse dich nicht al- du gehst, dahin gehe Ja, wohin du gehst, Denn wo auch immer du hingehst, da will lein. Wohin du gehst, auch ich, und wo du dahin gehe auch ich. du hingehst, da gehe ich auch hingehen; dorthin gehe ich bleibst, da bleibe Und wo du bleibst, da ich hin, und wo auch wo du bleibst, da auch; wo du bleibst, auch ich. Dein Volk bleibe auch ich. Dein immer du übernach- bleibe ich auch. Dein da bleibe ich auch. ist mein Volk und Volk ist mein Volk, test, da übernachte Volk ist mein Volk, Dein Volk ist mein dein Gott ist mein und dein Gott ist auch ich. Dein °Volk und dein Gott ist Volk und dein Gott ist Gott. mein Gott! ist mein Volk, dein mein Gott. mein Gott. °Gott ist mein Gott. Gebt dem Wort Raum, in dem Das Wort, in dem Christus bei euch Das Wort Christi Christus gegenwärtig Lasst das Wort Chris- gegenwärtig ist. Lasst Das °Wort Christi wohne mit seinem ist, wohne in reichem ti reichlich unter euch es seinen ganzen wohne reichlich ganzen Reichtum Maß bei euch. Lehrt wohnen: Lehrt und Reichtum unter euch unter euch. In aller bei euch. In aller einander und er- Kol 3,16 ermahnt einander entfalten. Unter- Weisheit lehrt und Weisheit belehrt und mahnt euch gegen- in aller Weisheit; mit weist und ermahnt lenkt einander mit ermahnt einander! seitig. Tut das in aller Psalmen, Lobgesän- einander mit aller Psalmen, Hymnen, Singt Gott Psal- Weisheit. Singt Gott gen und geistlichen Weisheit. Singt Gott geistgewirkten men, Hymnen und aus vollem Herzen Liedern singt Gott von ganzem Herzen Liedern. Mit °Anmut geistliche Lieder in Psalmen, Hymnen dankbar in euren Psalmen, Hymnen, singt in euren Herzen Dankbarkeit in euren und geistliche Lieder. Herzen. Loblieder, wie seine vor Gott. Herzen! Denn er hat euch Gnade sie schenkt Gnade geschenkt. und sein Geist sie euch eingibt. 14
Wie die Bibel überliefert wurde Text: Dr. Martin Bald Das Alte Testament neue Geschichten und Erzählungen hinzugefügt. Etwa 400 v. Chr. entstand eine Vorlage, die immer Viele Geschichten, die wir im Alten Testament finden, wieder von Thoraschreibern abgeschrieben wurde wie z. B. die Sintflut, Abraham und seine Familie, Ja- und so eine feste Grundlage darstellte. kobs Flucht nach Ägypten, wurden zuerst mündlich Etwa 90 v. Chr. legten jüdische Gelehrte einen Kanon überliefert, Etwa seit 1200 v. Christus wurden diese von 29 Büchern aus, die nun die feste schriftliche Erzählungen von verschiedenen Autoren aufgeschrie- Überlieferung zurzeit Jesu darstellte, aus der in den ben und es entstanden zuerst die Grundbestandteile jüdischen Synagogen vorgelesen wurde. Diese Zu- der Bücher Moses, die zusammen die Thora bilden, sammenstellung wurde immer wieder geändert bis in den ersten Teil der jüdischen Bibel und das Buch Jo- den Jahrhunderten nach der Eroberung Jerusalems sua. Etwas später entstehen das Buch Samuel und durch die Römer eine letztendliche auch heute noch die Psalmen. In den nächsten Jahrhunderten wurden gültige Fassung entstand („masoretischer Text“). Dieser wurde immer wieder abgeschrieben und so überliefert. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war die älteste vollständig überlieferte Fassung der soge- nannte Codex Leningradensis, der etwa 1000 n. Chr. entstanden ist und heute in der russischen National- bibliothek in St. Petersburg aufbewahrt wird. Die Schriftrollen vom Toten Meer („Qumran“) Eine archäologische Sensation war 1947 die Entde- ckung von Schriftrollen in Höhlen am Roten Meer durch Beduinen. Neueste Untersuchungen konnten die Entstehung auf etwa 300 v. Chr. bis 100 n. Chr. datieren. Die Schriftrollen enthalten aramäische, hebräische und griechische Texte aus der alttesta- mentarischen Bibel, bekannt v. a. die vollständige Abschrift des Buchs Jesaja. Damit handelt es sich um die ältesten direkt überlieferten Abschriften der Bi- bel. Man geht heute davon aus, dass die Handschrif- ten von einer besonderen jüdischen Gruppierung, den sogenannten „Essener“, angefertigt wurden, die In solchen Höhlen am Toten Meer wurden die Schriftrollen mit den ältesten Aufzeichnungen der Bibel gefunden. Bild: Martina Neugebauer-Renner. In: Pfarrbriefservice.de in der Nähe der Höhlen ein Kloster hatten. Teile der 15
Schriftrollen werden heute in einem in den 1960er Das Neue Testament Jahren angefertigten Anbau des Jüdischen Museums in Jerusalem gezeigt, dem „Schrein des Buches“, ei- Nach dem Ostergeschehen und der Himmelfahrt nem auch architektonisch sehr bedeutenden Gebäu- Jesu wurden die Erinnerungen an ihn erst einmal de und einer Hauptsehenswürdigkeit in Jerusalem. mündlich überliefert, da die Urgemeinde ja an eine Die Bedeutung der Schriftrollen besteht darin, dass schnelle Wiederkunft glaubte. Aus der Zeit um 50 n. man den Inhalt mit viel späteren Abschriften der heb- Chr. stammen dann die ersten Schriften, vor allem räischen Bibel vergleichen konnte. Man konnte dabei Briefe des Apostels Paulus. Etwa in gleicher Zeit ent- feststellen, dass der Originaltext im Laufe vieler Jahr- standen die ersten Niederschriften von Worten und hunderte sehr genau überliefert wurde. Taten Jesu, aus denen die Evangelien abstammen. In den ersten 1 – 2 Jahrhunderten wurden viele Erzäh- lungen, Briefe und andere Texte schriftlich niederge- legt. Es war deshalb an der Zeit, verbindliche Texte festzulegen, die allgemein anerkannt waren und als Grundlage der Verkündigung dienen sollten. In den Konzilien von Hippo und Karthago (393 bzw. 397 n. Chr.) wurde schließlich ein Kanon aus 77 Büchern festgelegt, die später als Altes und Neues Testament beschrieben wurden. Übersetzungen und Verbreitung der Texte Aus der bis dahin entstandenen hebräischen Vorlage entstand um 250 v. Chr. in Alexandria eine griechi- sche Übersetzung, die Septuaginta (italienisch für siebzig). Der Legende nach soll sie von 70 Gelehrten in 70 Tagen geschaffen worden sein. Diese wurde zur Grundlage für die weitere Verbreitung der Schrift. Etwa 400 n. Chr. übersetzte Hieronymus Teile der Bibel ins Lateinische, gefolgt von Ergänzungen ande- rer Übersetzer. Diese lateinische Übersetzung wur- de „Vulgata“ genannt und wurde Grundlage für die Verbreitung und den Gebrauch der Bibel. Im Mittel- alter schrieben Mönche in Klöstern die Texte ab und verzierten sie sehr kunstvoll. Einige dieser ältesten Schriften existieren noch heute. Marien-Abbildung aus dem „Book of Kells“, einer berühmten Anfang des 16. Jahrhunderts wurde die Bibel von illustrierten Bibelausgabe aus dem achten oder neunten Martin Luther erstmals ins Deutsche übersetzt, Jahrhundert. Sie ist zurzeit im Trinity College in Dublin ausge- 16 stellt. Foto: Public Domain - gemeinfrei, Quelle: Wikipedia wobei er für das Alte Testament aramäische und
hebräische, für das Neue Testament griechische Vorlagen verwendete. Zur weiteren Verbreitung trug dann die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg bei. Das erste von ihm gedruckte Buch Die vollständige Bibel war die berühmte gibt es jetzt Gutenberg-Bibel in zwei Bänden, von der knapp 200 Exemplare hergestellt wurden. in 704 Sprachen Heute ist die Bibel das meistverbreitete Buch der Welt, sie wurde gesamt in mehr als 700 Sprachen Stuttgart übersetzt, einzelne Teile in mehr als 1000 Sprachen. Etwa 80 % der Weltbevölkerung können damit die Bibel in ihrer Muttersprache lesen. Rechts: Blatt mit dem Beginn der Genesis aus der Gutenberg- Bibel Von Original by Johannes Gutenberg (printer), Scan by Jossi - Facsimile of a page from 42-line Gutenberg Bible, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=38733061 Bibelübersetzungen in den Sprachen der Welt Quelle: Deutsche Bibelgesellschaft: UBS 2020 Bible Translation Statistics Martin Bald Meine Lieblingsstelle in der Bibel Lukas 2,10 „Seht, ich verkünde euch eine große Freude.“ Diese Freude, die aus dem christli- chen Glauben entspricht, würde ich gerne weitergeben. In der Bibel finde ich viele Textstellen, die mich in verschiedenen Phasen und Situationen meines Lebens an- sprechen, mich im Glauben stärken und mir Unterstützung geben. Mein Engagement für die Gemeinde steht dabei unter dem Ruf der Engel aus dem Weihnachtsevangelium. 17
Warum vier Evangelien? Hätte eines nicht genügt? Text: Bernhard Rudolf. Fotos: Seite 18, 20 und 21 Friedbert Simon; Seite 23 Rudi Berzl. Alle in Pfarrbriefservice.de Wenn in einem Kreuzworträtsel nach dem „Buch der Vorbemerkung Bücher“ gefragt wird, lautet ganz selbstverständlich die Antwort „Bibel“. Genauer gesehen ist dies aber Deshalb will ich mich in diesem Beitrag mit den für nur in Bezug auf die Wichtigkeit für die Kirche und die uns Christen wichtigsten Texten der Bibel beschäf- Geschichte richtig. In Beziehung auf den Inhalt der tigen, den vier Evangelien nach Matthäus, Markus, Bibel muss festgestellt werden, dass sie eben aus Lukas und Johannes. unterschiedlichen und vielfältigen Teilen besteht. Gerade diese sind der Grund für viele Diskussionen und Streitigkeiten in der exegetischen Wissenschaft, In der Bibel gibt es Erzählungen, Märchen, Sagen, weil sie schon immer die Grundlage des christlichen Legenden, Begründungen für Orte oder Gebräu- Glaubens bildeten. Streitpunkte waren (und sind) che, Gebete, Lieder, Gedichte, Prophezeiungen, besonders die Datierungen, wann und wo die Evan- Gesetzessammlungen, eine sogenannte Geheime gelien entstanden sind, und die Autorenschaft, wer Offenbarung, Briefe und last not least vier Evange- sie in welcher Umgebung geschrieben hat. Ich werde, lien – Frohbotschaft vom Leben und Wirken Jesu da wie gesagt kein Exeget, darauf nur kurz und allge- Christi. Über alle diese Teile zu schreiben würde den mein eingehen, ohne den Anspruch der vollständigen Umfang dieses Beitrages, ja des gesamten Gemein- Richtigkeit meines Beitrages. debriefes sprengen. Außerdem bin ich kein alt- oder neutestamentlicher Exeget, der sich wissenschaftlich Die Kirchenväter und die Evangelien mit den Texten der Bibel auseinander setzt, sondern mein Schwerpunkt im Theologiestudium war die Interessant ist natürlich auch die Frage, warum es Familienethik. gerade diese vier Evangelien in den Kanon des Neu- en Testaments geschafft haben, warum andere Teile oder Berichte über Jesu Wirken nicht, und wie schon 18
im Titel angesprochen, warum es vier Evangelien gibt Urheber des Weltalls, thronend über den Cherubinen und man nicht daraus ein einziges, allgemein gülti- und alles umfassend, als es den Menschen sich of- ges Evangelium gebaut hat. fenbarte, uns ein viergestaltiges Evangelium gab, das aber von einem Geiste zusammen gehalten wird.“ Es gab im 2. Jahrhundert Bemühungen, die vier Irenäus schreibt über die vier Gesichter der Cherubi- Evangelien zu harmonisieren und daraus ein einzi- ne (ähnlich einem Löwen – Markus – , einem jungen ges zu erstellen, was den Gebrauch im Gottesdienst Stiere – Lukas – , einem Menschen – Matthäus – , vereinfacht hätte. Gegen 170 n. Chr. schuf Tatian, einem fliegenden Adler – Johannes – „Viergestaltig ein christlicher Apologet ostsyrischer Herkunft, eine die Tiere, viergestaltig das Evangelium, viergestaltig solche Harmonie, Diatessaron (das Eine aus den die Heilsordnung des Herrn. […] Denn da Gott alles Vieren) genannt, indem er in den Rahmen des Jo- nach Maß und Zahl gemacht hat, so musste auch die hannesevangeliums den ganzen Stoff der übrigen Gestalt des Evangeliums wohl abgefasst und wohl akribisch einarbeitete. Diese Schrift wurde bis ins berechnet sein.“ (zitiert nach: Bibliothek der Kirchen- 5. Jahrhundert besonders im syrischen Raum noch väter, Kempten-München 1911ff) viel verwendet, dann aber mehr und mehr verdrängt. Denn die Kirchenväter, wie Irenäus von Lyon (ca 115 Wenn man die vier Evangelien nun betrachtet und – 202 n. Chr.), haben sich schon früh dahin gehend vergleicht, so fällt auf, dass viele Ereignisse von meh- festgelegt, dass die vier Evangelien das eine wahre reren oder allen berichtet – natürlich unter der jewei- Evangelium sind: „Denn es versteht sich, dass es we- ligen Blickrichtung des Autors – , andere nur von ei- der mehr, noch weniger als diese Evangelien geben nem der Evangelisten erzählt werden. Daraus wurde kann. Da es nämlich in der Welt, in der wir uns be- gefolgert, dass alle eine gemeinsame Quelle hatten finden, vier Gegenden und vier Hauptwindrichtungen – Berichte und Predigten von Augenzeugen der Ereig- gibt und die Kirche über die ganze Erde ausgesät ist, nisse wie die Apostel (und sie waren vielleicht selber das Evangelium aber die Säule und Grundfeste der Augenzeugen), aber auch jeder ein sogenanntes Son- Kirche und ihr Lebenshauch ist, so muss sie natur- dergut hatte, die sogenannte Zwei-Quellen-Theorie. gemäß auch vier Säulen haben, die von allen Seiten „Nach diesem Erklärungsmodell ergibt sich dann Unsterblichkeit aushauchen und die Menschen wie- etwa das folgende Bild des Überlieferungsprozesses derbeleben. Daraus ergibt sich, dass das Wort, als des synoptischen Evangelienstoffs: Mit dem Beginn 19
christlicher Mission wurde da und dort das mündliche Tod hatte sich das Christentum durch das Wirken der Überlieferungsgut, die Erzählungen über Jesus, sei- verschiedensten Missionare und Apostel weit verbrei- ne Worte, gesammelt und nach und nach schriftlich tet.“ (Wälchli, S. 275) festgehalten, zunächst wohl in aramäischer Sprache Aus einer zuerst nur regionalen Abspaltung vom Ju- der Urgemeinde und Jesu, sehr bald aber auch im dentum entstand ein Heidenchristentum, das sich Griechischen der Gemeinden rund ums Mittelmeer.“ im ganzen Imperium Romanum ausbreitete. Auch die (Stefan Wälchli, S. 178, siehe Literaturhinweis) endgültige Trennung von Judentum und Christentum Die einzelnen Evangelien heben verschiedene As- in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts als Fol- pekte der Person Christi und seiner Botschaft hervor ge des jüdischen Krieges (Aufstand gegen die römi- und ergänzen sich gegenseitig. schen Besatzer 66 – 70 n. Chr.) und der Zerstörung Insbesondere der schon erwähnte Irenäus von Lyon des Jerusalemer Tempels beschleunigte die Bildung hat die Einteilung in die vier Evangelien in seinem einer eigenständigen, vom Judentum unabhängigen Buch „Adversus Haereses“ („Gegen die Häresien“) Religion. Erst recht, da es seine Führungsgestalten hervorgehoben. Über die folgenden Kirchenväter, der ersten Generation wie Paulus, Petrus und Jako- durch die Jahrhunderte bis zum II. Vatikanischen bus inzwischen verloren hatte. „Fragen warf auch Konzil blieb es, trotz mancher Diskussion und Ausein- auf, dass die von den ersten Christen als unmittelbar andersetzung, trotz neu gefundener Dokumente (be- bevorstehend erwartete Wiederkunft Christi immer sonders in Qumran), trotz einiger anderer, sogenann- länger auf sich warten ließ. […] Es erstaunt daher ter apokrypher Evangelien bei dieser Einteilung. Die nicht, dass vor diesem Hintergrund ein Prozess der dogmatische Konstitution Dei verbum des Konzils Sammlung der Jesus-Überlieferungen einsetzte, der beschäftigt sich in Artikel 18 mit dem Ursprung der letztlich die Evangelien hervorbrachte.“ (Wälchli, S. Evangelien: „Dass die vier Evangelien apostolischen 177) Ursprung haben, hielt und hält die Kirche immer und Die Evangelien nach Markus, Matthäus und Lukas überall fest. Denn was die Apostel nach Christi Ge- (die sogenannten synoptischen) sind in dieser Epo- bot gepredigt haben, das haben später unter dem che entstanden. „Man nennt sie synoptisch, weil Anhauch des göttlichen Geistes sie selbst und apo- sie in vielem parallel laufende und zum Teil wörtlich stolische Männer uns als Fundament des Glaubens gleiche Texte enthalten, die man nebeneinander ab- schriftlich überliefert, nämlich das viergestaltige drucken kann.“ (Wälchli, S. 177). (Synopse aus dem Evangelium nach Matthäus, Markus, Lukas und Jo- Griechischen = Zusammenschau). Betrachten wir hannes.“ (DH 4225). nun die Enstehungsgeschichte der vier Evangelien genauer. Allgemein zur Entstehung der Evangelien Das Markusevangelium „Die Quellen für die Geschichte des Christentums nach Paulus (die Zeit der Entstehung der Evangelien) Der Verfasser des Markusevangeliums, laut der Tra- sind sehr spärlich. Ausser einigen abfälligen Bemer- dition ein Begleiter des Petrus, der seinen Bericht kungen römischer Geschichtsschreiber und wenigen anhand der Predigten des Apostels abfasste, hat Hinweisen im Neuen Testament selbst gibt es keine aus ihm bekanntem Material, mündlichen Überlie- 20 eigentlichen Quellen. […] In den Jahren nach Christi ferungen wie auch einzelnen Schriftstücken eine Art
Jesus-Erzählung erarbeitet, die das Wirken, Leiden, der Autor war, lässt sich Sterben und die Auferstehung Jesu schildert. nicht mehr beweisen, „Wer dieser Verfasser genau war, wissen wir nicht. obwohl einige Hinwei- Die christliche Legende hat ihm den Namen Markus se im Evangelium gegeben. Gewiss hat er nicht zu den Augenzeugen selbst das vermuten gehört, sondern entstammte einer späteren Gene- lassen. So hat allein ration. Sein Werk dürfte, nach dieses Evangelium dem Gleichnis von den bösen dem Namen Matthäus Winzern Mk 12,1-12, das die wenig ehrenhafte in V. 9 die Katastrophe Bezeichnung „der Zöllner“ der Zerstörung Jerusa- beigefügt (Mt 10,3), wohl ein lems apostrophiert, und Zeichen der Demut und Selbsterniedrigung. nach der Legende vom Zerreissen des Vorhangs Das Matthäusevangelium hat einen anderen Cha- im Tempel Mk 15,28 zu rakter als das Markusevangelium, vor allem benutzt schliessen, kurz nach dem der Autor viele Zitate aus dem Alten Testament, die Ende des jüdischen Krieges durch Jesus als erfüllt benannt werden. „Diese Erfül- im Jahr 70 entstanden sein.“ lung der Schrift belegt Matthäus immer und immer (Wälchli, S. 178f). wieder, und er betont zugleich die Erfüllung des Ge- Die Sprache des Markusevangeliums ist griechisch, bots der Nächstenliebe auch in der Tat. Die Erfüllung er übersetzt teilweise aramäische Worte und erklärt der Schrift durch Jesus findet so ihr Spiegelbild in der jüdische Sitten, was folgern lässt, dass er sich an ein Erfüllung des Gebots der Nächstenliebe im Tun der hellenistisch geprägtes Publikum, wohl überwiegend Christusgläubigen.“ (Wälchli, S. 181) Heidenchristen, wendet. Zudem lässt sich vermuten, Es lässt sich deshalb vermuten, dass Matthäus für dass er Palästina nicht selber kannte, seine geogra- eine judenchristlich geprägte Gemeinde schrieb. phischen Angaben sind teilweise unrealistisch. „Die Leistung des Markus, der die Gattung des Evan- Das Lukasevangelium geliums geschaffen hat, ist nicht zu verkennen, denn sie wurde auch zur Grundlage für Matthäus und Lu- Der Legende nach war Lu- kas.“ (Wälchli, S.180) kas, der Verfasser auch der Apostelgeschichte, Das Matthäusevangelium Arzt und ein Gefährte des Paulus auf des- Nach dem traditionellen Verständnis ist der ehema- sen Missionsreisen. lige Zöllner Matthäus, einer der zwölf Apostel, der „Dies lässt sich al- Verfasser dieses Evangeliums. lerdings keineswegs Es wurde nach dem Markusevangelium so um ca belegen, im Gegenteil 80 n. Chr. in hebräischer oder aramäischer Spra- gibt es doch gerade auch che geschrieben. Ob der Apostel Matthäus wirklich zwischen den Briefen des 21
Paulus und der Apostelgeschichte etliche Differen- anderen Autorenschaft ausging, aber es ist heute zen.“ (Wälchli, S. 181) unmöglich, genaue Beweise dafür oder dagegen zu finden. Jedenfalls weisen das Evangelium selbst, Es ist unbekannt, wo das Evangelium entstanden ist. sowie einige Angaben darin auf einen Judenchristen Lukas hat nach Markus geschrieben, wohl etwa um und Augenzeugen hin. 80 – 90 n. Chr. und seine Schrift war wohl an eine Zu- Das Johannesevangelium ist auf jeden Fall das zeit- hörerschaft gerichtet, die griechisch-römisch geprägt lich jüngste und wahrscheinlich Ende des 1. Jahrhun- war. Wahrscheinlich war Lukas gebürtiger Grieche, derts entstanden, laut Tradition durch den greisen der eine gute Bildung erworben hatte und sich in den Johannes nach seiner Rückkehr aus der Verbannung Formen seiner Zeit auszudrücken verstand. „Er such- auf die Insel Patmos (unter Kaiser Domitian, 81 – 96 te, aus der Fülle der Überlieferungen die zuverlässige n. Chr.) Christusgeschichte zu erarbeiten, letztlich in der Art „Im Vergleich zu den synoptischen Evangelien fällt eines griechischen Historikers.“ (Wälchli, S. 181). sein deutlich anders gearteter Charakter auf, und Deshalb auch seine „genauen“ geschichtlichen An- dies beginnt schon mit dem berühmten Anfang (Joh 1). Das Johannesevange- lium bietet nun weniger Erzählungen über das Leben Für Lukas ist die Geschichte Jesu als Heilsgeschichte Jesu, sondern breite Reflexionen darüber, wer Jesus für alle Menschen zu verstehen und er legt großen denn ist.“ (Wälchli, S. 188) Johannes stellt Jesus als Wert (in der Apostelgeschichte) auf die Ausbreitung den von Gott gesandten Erlöser dar und untermauert des Christentums unter den Heiden. „Das christliche das mit den berühmten Reden Jesu als dem Licht der Ethos ist für ihn bestimmt durch das Doppelgebot der Welt (Joh 8,12ff), dem guten Hirten (Joh 10,1ff) oder Liebe und die besondere Sorge um Frauen, Kinder, dem Weinstock (Joh 15,1ff). Zugleich wird im Evan- Arme und alle Vernachlässigten der Gesellschaft.“ gelium auch eine verschärfte Auseinandersetzung (Wälchli, S. 182) mit dem Judentum sichtbar, was auf die vollzogene Abgrenzung der christlichen Bewegung zum Juden- Das Johannesevangelium tum hinweist. „Von daher ist zu vermuten, dass das Johannesevangelium etwa um 100 n.Chr. in Paläs- Nach dem Vers Joh 21,24 ist tina entstand und ein Christentum vertritt, das sich der Lieblingsjünger Jesu, sowohl schmerzhaft vom Judentum gelöst hatte, als Johannes, derjenige, der sich auch gegen frühe gnostische Strömungen ab- alles bezeugt und nie- grenzte, das dabei aber die Hoffnung auf Jesus als dergeschrieben hat. den von Gott gesandten Erlöser wach erhielt und sich vom Geist als Tröster getragen wusste (Joh 16,5ff).“ Aber auch bei diesem (Wälchli, S. 189) Evangelium, genau wie bei den anderen, Schluss gab es – vor allem Mitte des 19. Jahrhunderts – Es hat zwei Jahrhunderte gedauert, bis das Neue 22 Abhandlungen, die von einer Testament in seinen Grundzügen entstanden ist. Es
gab viele mündliche Überlieferungen, die nach und nach schriftlich niedergelegt wurden, es gab Briefe, vor allem von Paulus, es gab die Apostelgeschichte, die geheime Offenbarung und die vier mit der Zeit von allen anerkannten Evangelien. Die Gemeinden tauschten die Schriften untereinander aus und bald entwickelte sich ein Grundstock von Schriften, der für alle Verbindlichkeit gewann. „Nach allem, was wir wissen, bildete der Kanon sich nicht von einem Tag auf den anderen. Dennoch scheint er in seinen Grundzügen – den vier Evangeli- en, der Apostelgeschichte und den sogenannten apo- stolischen Briefen – gegen Ende des 2. Jahrhunderts umrissen gewesen zu sein. In diesem Kanon bildet sich eine grosse Breite an theologischen Auffassun- gen und geschichtlichen Entwicklungen ab. Damit steht das Christentum immer wieder neu vor der Auf- gabe, seine Gegenwart im Bezug zu den kanonischen Schriften zu bedenken, ohne dass ihm eine einzige gültige Form vorgegeben wäre.“ (Wälchli, S. 190) Literaturhinweise: Hengel, Martin: Die vier Evangelien und das eine Evangelium von Jesus Christus. Studien zu ihrer Sammlung und Meine Lieblingsstelle in der Bibel Entstehung. Bernhard Rudolf Tübingen 2011. 1 Kor 13,1-13 Spräche ich in allen Sprachen der ISBN 978-3-16-151032-8 Menschen, sänge ich in den Tönen Lohfink, Gerhard: Jetzt verstehe ich die Bibel. Ein der Engel und liebte nicht, ich gliche Sachbuch zur Formkritik. Stuttgart, einer dumpfen Glocke oder einer 5. Auflage 1975. klingenden Schelle. [...] Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, ISBN 3-460-30632-7 diese drei. Aber die größte unter ih- Wälchli, Stefan: Glaubenswelten der Bibel. Eine nen ist die Liebe. kleine Geschichte des biblischen Glaubens und der Entstehung der Das ist für mich nicht so einfach, weil Bibel. es viele schöne Stellen in der Bibel gibt. Eine davon ist auf jeden Fall Zürich, 2. Auflage 2011. 1 Kor 13,1-13 das Hohelied der Liebe, ISBN 978-3-290-17419-4 besonders in der ergreifenden Über- setzung von Jörg Zink. 23
Expedition zur Freiheit Text und Foto: Christina Bauer …so hieß das Motto zu einem 40-tägigen Glaubens- Wir gehören unterschiedlichen Konfessionen an, was kurs, der im Lutherjahr 2017 von der evangelischen den Austausch nur umso lebendiger macht. Kirchengemeinde in Reichenbach beworben und an- Manchmal gibt uns eine Bibelstelle den Impuls zu geleitet wurde. unseren Gesprächen, manchmal sind es tagespoliti- sche Geschehnisse, die Anregungen geben. Man fand sich in Kleingruppen Wir sind offen für neue, interessierte zusammen, nahm sich täglich 20 Personen. Wenn wir dein Interesse Minuten persönlich Zeit, um mit geweckt haben, dann melde dich einem Begleitbuch und einem Ta- unverbindlich bei mir, um kommen- gebuch ausgestattet „in 40 Tagen de Termine und den Zoom-Link zu durch die Reformation“ zu reisen. erfahren. Einmal wöchentlich traf sich dann Wir freuen uns auf dich! die Kleingruppe, um ihre Erfahrung der vergangenen Tage miteinander Christina Bauer zu teilen und sich auszutauschen. Kontakt: Tel.: 0177 5106794 oder Aus diesem Impuls heraus, hat sich christina-bauer@t-online.de eine Gruppe von jungen Erwach- senen weiterhin einmal im Monat (jeden ersten Dienstag im Monat) zum Bibellesen getroffen. Vor der Pandemie noch reihum bei den ein- zelnen Teilnehmer*innen im Wohn- zimmer oder im Garten zum Früh- stück, seit der Pandemie treffen wir uns abends (um 20 Uhr) online per Zoom, was auch weiter weg leben- den Interessierten die Möglichkeit gab, sich uns anzuschließen. Meine Lieblingsstelle in der Bibel Christina Bauer Wir sind junge Männer und Frauen, die Freude dar- Johannes 3,16 an haben, gemeinsam in der Bibel zu lesen und sich Denn so sehr hat Gott die Welt ge- über das Christsein im Alltag auszutauschen und uns liebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn gegenseitig im Glauben zu bestärken. glaubt, nicht verlorengeht, sondern 24 ewiges Leben hat.
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