Arbeitskämpfe Luttes pour le travail - FemWiss
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Arbeitskämpfe Luttes pour le travail FemInfo 51/2019
Impressum Inhalt • Sommaire Inhalt • Sommaire FemInfo 51, April 2019 • FemInfo 51, avril 2019 Vorwort • Avant-propos 2 Die dienende Klasse der Frauen • Les femmes, la classe des servantes 4 Eine ökonomische Höchstleistung 4 Herausgeberin • Éditrice Cover • Couverture Verein Feministische Wissenschaft Schweiz Nora Ryser Une puissance économique 8 Association suisse Femmes Féminisme Recherche Zwischen Berufsidentität und Mutterschaft 12 Übersetzung • Traduction Die Verantwortung der Vereinbarkeit 12 Nationaler Vorstand • Comité national Alexandra Cinter Die grosse Ungerechtigkeitsmaschine • La machine à injustice 17 º Anna Rihs, Lilian Carpenter, Maggie Haab, Merjema Adilovic, Einkommens-GGAU der Frauen 17 Raissa Ruchti, Veronika Helk Druck Impression • L'écart global de revenus du travail 21 Das FemInfo wird auf Pro Futura – ein mit dem Blauen Engel Altersvorsorge 25 Geschäftsleiterin • Directrice générale ausgezeichnetes 100 % Recyclingpapier – in der Druckerei Mirjam Aggeler Reitschule in Bern gedruckt. Eine Feministische Perspektive 25 Care und Streik 28 Geschäftstelle • Secrétariat Auflage • Tirage Im postpatriarchalen Durch_einander 28 Verein Feministische Wissenschaft Schweiz 1100 Exemplare • 1100 Exemplaires Familienfreundlich? 31 Postfach Unternehmenspolitik im Neoliberalismus 31 CH-3001 Bern Erscheinen • Annonce Wenn Frauen* streiken • Quand les femmes* font la grève 34 PC 30-37698-6 3 Mal jährlich • 3 fois par année Eine historische Leerstelle 34 info@femwiss.ch Inserate • Annonce Un vide historique 38 www.femwiss.ch 1 Seite • 1 page CHF 250.– Rezension 42 1/2 Seite • 1/2 page CHF 130.– Im Vorzimmer der Macht ? 42 Redaktion • Édition Wer war sie ? 46 Katharina Pelzelmayer, Martina Amsler, Martina Bundi, Mirjam Manuskripte • Manuscrits Adelheid Popp 46 Aggeler, Nina Seiler, Saskia Kircali info@femwiss.ch Agenda 48 Layout • Graphisme Nächster Redaktionsschluss • Prochain délai de rédaction FemWiss Vollversammlung 48 Nora Ryser, Mirjam Aggeler 01.07.2019 Call for Papers 48
Vorwort Rubrik Avant-propos Rubrik Text: mirjam Aggeler texte : mirjam Aggeler º Gleichberechtigung. Punkt. Schluss! So das Motto Dies sind nicht die grossen Sprünge, von denen die L’égalité, un point c’est tout ! Tel est le mot d’ordre grâce à la ténacité des luttes féministes précédentes. des diesjährigen Frauen*streiks. Ja, der Gedulds- Aktivist*innen 1991 geträumt haben mögen. Aber es de la grève des femmes* de cette année. Car oui, Aujourd’hui aussi nous écrivons l’histoire, celle faden ist zum Zerreissen gespannt. Und das ist auch sind Meilensteine, die, wie schon jene aus vorange- notre patience est à bout, et c’est très bien. De nom- de 2019. Et bien que ce nombre sonne toujours à gut so. Denn noch immer sind viele der Forderungen gangenen feministischen Kämpfen, mit zäher Beharr- breuses revendications de la grève de 1991 n’ont tou- mes oreilles comme de la science-fiction, nous en von 1991 unerfüllt. Nichtsdestotrotz verhallte das lichkeit erstritten wurden. jours pas été satisfaites. Néanmoins, celle-ci a tout de sommes, pour ce qui est de l’égalité et en dépit de Echo des damaligen Streiks nicht gänzlich ungehört. Nun schreiben wir das Jahr 2019. Und obwohl sich même eu quelques effets positifs : la loi sur l’égalité a tous les progrès obtenus, sur bien des plans encore So passierte beispielsweise das Gleichstellungsge- diese Zahl für meine Ohren immer noch eher nach notamment été adoptée par les Chambres fédérales au Moyen Age. Faisons donc une fois de plus preuve setz Mitte der 90er-Jahre die eidgenössischen Räte Science-Fiction anhört, sieht es in puncto Gleichbe- au milieu des années 90, posant ainsi les bases léga- de persévérance et réclamons l’égalité, un point c’est und bildete damit die verbindliche Grundlage für die rechtigung aller bisherigen Errungenschaften zum les de l’application de l’article sur l’égalité. Un progrès tout ! Umsetzung des Gleichstellungsartikels in der Ver- Trotz in vielerlei Hinsicht nach wie vor eher mittelal- notable dans le climat de dérégulation euphorique de Fini les concessions, fini les petits pas, fini de sans fassung. Im Klima der damaligen Deregulierungseu- terlich aus. Bleiben wir also beharrlich, einmal mehr: l’époque. De même, les vives protestations autour cesse déplacer le problème alors que les structures phorie: ein bemerkenswerter Fortschritt. Auch der Gleichberechtigung. Punkt. Schluss! de la non-élection de Christiane Brunner, candidate ne changent pas ! Avec le thème des femmes et (de la lautstarke Protest um die Nichtwahl der SP-Bundes- Schluss mit Zugeständnissen, Schluss mit kleinen du PS au Conseil fédéral, et l’élection consécutive de confiscation) du travail, nous mettons ici l’accent, en ratskandidatin, Christiane Brunner, und die darauffol- Schritten, Schluss mit Problemverlagerung bei gleich- Ruth Dreifuss peuvent être attribuées à la mobilisati- prévision de la grève des femmes* 2019, sur la divi- gende Wahl von Ruth Dreifuss dürfen der politischen bleibenden Strukturen! Mit dem Thema Arbeitskämpfe on politique par la grève, et notamment aux réseaux sion du travail genrée – au sens large – et ses lourdes Mobilisierung durch den Frauenstreik von 1991 – und setzen wir im Vorfeld des Frauen*streiks 2019 deshalb qu’elle a créés. Sans oublier les succès plus tardifs conséquences tant économiques que sociales. nicht zuletzt den dadurch entstandenen Netzwerken den Fokus auf die geschlechtsspezifische Arbeits- tels que l’assurance maternité, enfin adoptée par le – zugeschrieben werden. Nicht zu vergessen sind teilung – im weitesten Sinn – und ihre schwerwiegen- peuple en 2004, après trois tentatives infructueu- auch nachgelagerte Erfolge, wie zum Beispiel die den wirtschaftlichen und damit auch sozialen Folgen. ses. Ces progrès ne sont pas les grandes avancées Mutterschaftsversicherung, die 2004 nach drei er- dont rêvaient probablement les activistes de 1991. folglosen Anläufen endlich eine Volksmehrheit fand. Mais ce sont des pas en avant, comme ceux faits 2 3
Die dienende Klasse der Frauen Die dienende Klasse der Rubrik Frauen Mirjam Aggeler, 1986 geboren, absolvierte eine Berufslehre als Bauspenglerin, studierte Design (BA) an der Zürcher Hochschule der Künste und anschliessend Literarisches Schreiben (MA) an der Hochschule der Künste Bern. Ihr feministisches Engagement lebt sie in aktivistischer Form wie auch in ihren Texten aus. Seit 2016 leitet sie die Ge- Eine ökonomische Höchstleistung schäftsstelle des Vereins Feministische Wissenschaft Schweiz. Text: mirjam Aggeler sich dadurch bis zu einem gewissen Grad ihre Unab- Die Reformation des frühen Kapitalismus im 20. Jahr- hängigkeit sichern. hundert hatte höhere Löhne und eine Regulierung des «Wild, frech, aufrührerisch und ungebärdig» 1 sind Dienstmägden. Jede Arbeit trug zum gemeinsamen Arbeitsmarkts zur Folge. Die Zeit der Arbeitskräfte nicht unbedingt Zuschreibungen, die heute als ty- Überleben bei: Jede Arbeit zählte, gerade weil es Stereotype im Dienste der Ordnung verschleissenden Geburtswehen des Kapitalismus, pisch weiblich gelten. Sehr wohl aber taten sie es noch keine Lohnarbeit gab, wie wir sie heute ken- Das anfänglich erwähnte Bild der Frau als unbändig, wie Karl Marx sie bezeichnete, schien überstanden im späten Mittelalter. Auch waren es die Frauen, die nen. Innerhalb dieser wirtschaftlichen Einheit waren wild und frivol wurde ab dem 17. Jahrhundert allmäh- – zumindest für die männlichen Lohnarbeiter. Diese als sexuell impulsiv und dauerhungrig galten – nicht, alle aufeinander angewiesen. «Dabei wurden unter- lich ersetzt durch das «Ideal der passiven, sanften Errungenschaft wäre jedoch nicht möglich gewesen, dass ihnen diese Zuschreibungen, die wir heute eher schiedlichste und komplementäre Formen der Ar- und freundlichen Ehefrau, Hausfrau und Mutter […]. hätten die Frauen nicht den Preis dafür bezahlt – und als stereotyp männlich einordnen würden, zu einer beitsteilung zwischen den Geschlechtern entwickelt, Von nun an brauchte die Unterordnung der Frauen zwar in Form ihrer kompletten ökonomischen Abhän- Vormachtstellung verholfen hätten. Im Gegenteil: Sie nur eine Form der Arbeitsteilung gab es nicht: die nicht mehr offen erzwungen werden, weil sie schon gigkeit durch die Institutionalisierung von unbezahlter dienten als Begründungen dafür, dass Frauen den zwischen bezahlter ausserhäuslicher Lohnarbeit des in einem normativ verankerten ‹Wesen der Frau› be- Haus- und Sorgearbeit. Barbara Duden und Gisela Männern untergeordnet seien. Mannes und unbezahlter Hausarbeit der Frau.» 2 gründet sein sollte.» 3 Die Domäne des Haushalts Bock fassen diese Entwicklung folgendermassen zu- Die Vorstellung von zwei sich diametral gegenüber- Ein solches Zusammenleben war nicht auf die konnte somit ohne Machtverlust den Frauen überlas- sammen: «[E]inerseits begann man, den Männern hö- stehenden Geschlechtern ist in ihrer hierarchischen dienstbare Hausfrau angewiesen, wohl aber auf die sen werden. here Löhne zu zahlen, gerade so hoch, dass sie eine Struktur auch Teil der ökonomischen Ordnung. Wenn Konstruktion einer charakterlichen und kognitiven Die Hierarchie der Geschlechter verschob sich in Frau in ökonomischer und sexueller Abhängigkeit wir einen kurzen Blick auf die Organisation des Zu- weiblichen Schwäche als Legitimationsgrund für die der neuen kapitalistischen Ordnung mitnichten, im halten konnten; andererseits machte die Unterwer- sammenlebens vor den Anfängen der Industrialisie- eingeschränkten Rechte und die unverhohlene physi- Gegenteil: Die ökonomische Abhängigkeit der Frauen fung der Frau und die Durchsetzung der Familie als rung werfen, fällt auf: Der Haushalt des mittelalter- sche Gewalt, mit welcher die patriarchale Hierarchie hat sich durch den Kapitalismus sogar verschärft. Die lichen Proletariats kannte die klare Teilung in eine erzwungen wurde. Es geht also nicht darum, das patriarchalen Strukturen, in denen wir heute leben, sind demnach keine blossen Überbleibsel aus dem 1 Duden, Barbara; Bock, Gisela: Arbeit aus Liebe – private und eine öffentliche Sphäre nicht. Er war als vorindustrielle Patriarchat zu idealisieren. Dennoch Liebe als Arbeit. Zur Entstehung der Hausarbeit im ökonomische Einheit organisiert und diente als Über- ist es wichtig festzuhalten: Frauen waren Teil der späten Mittelalter. Sie gehören zu den Grundbedin- Kapitalismus, in: Frauen und Wissenschaft: Bei- lebensgrundlage für alle Beteiligten – von den Ehe- Ökonomie, hatten Zugang zur öffentlichen Sphäre, gungen, die für die Entstehung des Kapitalismus träge zur Berliner Sommeruniversität für Frauen. leuten über die Kinder bis hin zu den Gesellen und beispielsweise in Form von Allmenden, und konnten genauso unabdingbar waren wie der Kolonialismus. Berlin, 1977. S. 135. 2 Duden; Bock. S. 126. 4 3 Duden; Bock. S. 150. 5
Die dienende Klasse der Frauen Die dienende Klasse der Rubrik Frauen 4 Duden; Bock. S. 177. 7 Woolf, Naomi: Der Mythos Schönheit. Reinbek bei Hamburg, 1993. 5 Zitat: Ebd. 8 analyse & kritik – Zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 629, 2017. Interview von Hannah Schultes mit Silvia 6 Duden; Bock. S. 178. Federici: Der schnellste Weg aus der Küche. Organisationsform unbezahlter Hausarbeit in der derungen der Arbeiter*innenklasse gewissermassen wie auch vom Patriarchat gekapert. Naomi Woolf alles haben, wenn du dich nur genügend anstrengst, Arbeiterklasse es möglich, den Arbeitern geringere die Frauen als persönliche Dienstbotinnen. Herauszu- bringt es in ihrem Buch Der Mythos Schönheit folgen- und wenn du scheiterst, hast du dich zu wenig ange- Löhne zu zahlen, als es die Klassenkämpfe bis zu den finden, wer bei diesem Deal leer ausging, bedarf kei- dermassen auf den Punkt: In dem Masse, wie sich strengt. Revolutionen von 1917/1919 erforderlich gemacht ner analytischen Höchstleistung. Was dadurch aber Frauen politische Rechte und Zugang zu freier Berufs- Mit anderen Worten: Die Erfolge der Frauenbewe- hätten.» 4 Der Wertverlust der Arbeitskraft geschah deutlich wird, ist Folgendes: «Die Frauen sind nicht wahl erkämpft haben, wurde Schönheit zum höchs- gungen hatten einen Preis. Und wir sollten nicht be- also nicht durch die sogenannte Schmutzkonkurrenz nur das ‹Herz der Familie›, sondern das Herz des Ka- ten Gut der Frau erhoben und das Schönheitsideal reit sein, ihn zu bezahlen. Denn die Feministinnen der Frauen, sondern durch die Ausbeutung der Frau- pitals. Es steht und fällt damit, sich ihrer Liebe, ihrer nicht nur unerreichbar, sondern in seiner Vollendung: der Generationen vor uns haben Egalität gefordert, en durch die Männer. Oder wie es der Wirtschafts- ‹Natur›, ihrer Arbeit umsonst bedienen zu können.» 6 tödlich. 7 Zum einen muss die Arbeit am eigenen Kör- nicht nach einem faulen Handel gefragt. Daran soll- wissenschaftler John Kenneth Galbraith 1973 unter per, die nie genügen kann, immerzu geleistet werden ten wir denken, wenn wir uns um Reformen inner- dem Einfluss der Frauenbewegung formulierte: «Die Errungenschaften der Frauenbewegung und kostet Zeit und Geld; zum anderen kostet sie halb dieses Systems bemühen: Irgendwer wird dafür Umwandlung der Frauen in eine auf unsichtbare Wei- So gesehen ist es keine Überraschung, dass die er- Selbstwertgefühl und lenkt den strafenden Blick statt bezahlen. Denn im Kapitalismus ist nichts umsonst. se dienende Klasse war eine ökonomische Leistung kämpfte ökonomische Teilhabe der Frauen durch Zu- in die Welt auf den eigenen (mangelhaften) Körper. Das heisst nicht, dass alle bisherigen Emanzipations- ersten Ranges. Dienstboten für gesellschaftlich unter- gang zur Lohnarbeit nicht die erhofften Folgen hatte. Ein Phänomen, das sich bei vielen feministischen For- bemühungen umsonst waren. Aber es ist Zeit, dass bewertete Arbeiten standen einst nur einer Minder- Die Lohnarbeitskraft der Frauen wurde mit Handkuss derungen abzeichnet: Ihr wollt sexuelle Befreiung? wir uns nicht länger an ein System anzupassen ver- heit der vorindustriellen Bevölkerung zur Verfügung; willkommen geheissen, solange sie nicht an den wirt- Bitte schön: Werdet Sexobjekte. Ihr wollt die Ge- suchen, das auf Ausbeutung beruht. Es ist Zeit, das die dienstbare Hausfrau steht jedoch heute auf ganz schaftlichen und sozialen Machtpositionen der Män- schlechterrollen infrage stellen? Bitte schön: Werdet soziale und ökonomische Zusammenspiel zwischen demokratische Weise fast der gesamten männlichen ner kratzte, und das liess und lässt sich bekanntlich wie Männer. Das heisst: sofern ihr die Energie habt, Hierarchien – von denen das Verhältnis der Ge- Bevölkerung zur Verfügung.» 5 verhindern; die unbezahlte Haus- und Sorgearbeit euch permanent zu beweisen, euch permanent infra- schlechter nur eine ist – und einer gesellschaftlichen Kurz: Die Unternehmen und der Staat profitierten für ist bis heute vorwiegend bei den Frauen – und da- ge gestellt zu sehen und dafür nicht dieselbe Aner- Organisationsform, die im Endeffekt in erster Linie einen bezahlten Lohn von zwei Arbeitskräften – von mit auch deren ökonomische Unabhängigkeit auf der kennung zu erwarten, während ihr es indes nicht ver- dem Kapital selbst zugutekommt, als Ganzes zu hin- den männlichen Lohnarbeitern und den die Arbeiter Strecke geblieben. Der Versuch, den in den 60er- und säumt, euren weiblichen Pflichten nachzukommen. terfragen. Oder, um es mit Silvia Federicis Worten reproduzierenden Haus- und Ehefrauen. Die Männer 70er-Jahren scheinbar augenfälligsten Ungleichheiten Alles in allem schlicht ein Gewinn für den Neolibera- zu sagen: «Es geht deshalb heute um die Wege, die erhielten als Kompensation für die eigentlichen For- entgegenzuwirken, wurde sowohl vom Kapitalismus lismus, der uns nützlicherweise auch lehrt: Du kannst nicht gegangen wurden.» 8 6 7
Les femmes, la classe des servantes Les femmes, la classe des servantes Rubrik Mirjam Aggeler est née en 1986. Après un apprentissage de plombière-zingueuse, elle étudie le design (BA) à la Zürcher Hochschule der Künste, puis l’écriture littéraire (MA) à la Hochschule der Künste de Berne. Son engagement féministe passe aussi bien par son activisme que par ses textes. Depuis 2016, elle dirige le secrétariat général de Une puissance économique l‘Association suisse Femmes Féminisme Recherche. texte : mirjam Aggeler º Stéréotypes au service de l’ordre 2 des salaires et la régulation du marché du travail. L’image évoquée plus haut d’une femme indomp- L’ère d’un capitalisme naissant usant et épuisant la « Sauvage, insolente, indisciplinée et rebelle » 1 ne comptait, précisément parce qu’il n’y avait pas en- table, sauvage et frivole a été peu à peu remplacée force de travail, selon la formule de Marx, semblait sont pas forcément des attributs qui de nos jours core de travail salarié tel que nous le connaissons au- à partir du 17ème siècle par « l’idéal de l’épouse, de la désormais révolue, du moins pour les travailleurs passent pour typiquement féminins. Pourtant, c’était jourd’hui. Au sein de cette unité économique, chacun mère et de la ménagère passive, douce et aimable masculins. Mais cette avancée n’aurait guère été bel et bien le cas au Bas Moyen Age. Ces attributs, dépendait des autres. « Ce faisant, différentes formes […]. A partir de cette époque, la soumission des possible si les femmes n’en avaient payé le prix, aujourd’hui plutôt qualifiés de masculins en vertu des complémentaires de répartition des tâches entre les femmes n’avait plus besoin d’être obtenue par la vio- celui du complet abandon de leur indépendance stéréotypes en vigueur, n’ont pourtant pas permis sexes se sont développées. Seule l’une d’entre elles lence ouverte, parce qu’elle s’imposait probablement économique, réalisé par l’institutionnalisation du d’assoir le pouvoir des femmes, soi-disant animées n’existait pas : celle attribuant aux hommes un travail désormais par l’idée normative et bien ancrée d’une travail domestique et des soins. Barbara Duden et de pulsions sexuelles insatiables. Au contraire : ils ont à l’extérieur du foyer et rémunéré, et aux femmes un ‹ essence féminine › ». 3 La sphère domestique pouvait Gisela Bock résument cette évolution de la façon servi à légitimer leur domination par les hommes. travail domestique non rémunéré ». 2 ainsi être laissée aux mains des femmes sans qu’il y suivante: « […] D’un côté, on s’est mis à augmenter Or, de par sa structure hiérarchique, la représenta- Si cette vie commune ne reposait pas encore sur ait perte de pouvoir. le salaire des hommes, assez pour qu’ils puissent tion binaire consistant à opposer diamétralement deux la femme au foyer serviable, elle s’appuyait sur l’idée La hiérarchie des genres n’a aucunement été re- maintenir une femme dans la dépendance écono- sexes, fait partie de l’ordre économique. Si on examine d’une faiblesse de caractère et d’esprit des femmes, mise en cause par le nouvel ordre capitaliste, bien au mique et sexuelle; d’un autre côté, la soumission de l’organisation de la vie commune avant le début de ce afin de légitimer la restriction de leurs droits et contraire : ce dernier a même renforcé la dépendance la femme et l’imposition de la famille comme forme l’industrialisation, on constate que l'unité économique la violence physique manifeste avec lesquelles le économique des femmes. Les structures patriarcales que constituait un ménage des classes populaires au patriarcat établissait sa domination. Il ne s’agit donc dans lesquelles nous vivons aujourd’hui ne sont par 1 Duden, Barbara ; Bock, Gisela : Arbeit aus Liebe – Moyen Âge ne connaissait pas de séparation claire pas d’idéaliser le patriarcat de l’ère préindustrielle. conséquent pas de simples vestiges du Bas Moyen Liebe als Arbeit : Zur Entstehung der Hausarbeit im entre sphère privée et sphère publique. Il servait de Mais il est important de souligner que les femmes Age. Tout comme le colonialisme, elles font partie Kapitalismus, in : Frauen und Wissenschaft : Bei- träge zur Berliner Sommeruniversität für Frauen. base à la survie de toutes les personnes impliquées, avaient une place dans l’économie, avaient accès à des conditions qui ont permis l’émergence du capi- Berlin, 1977. P. 135. [Nous traduisons] des époux aux enfants, en passant par les compa- l’espace public, par exemple grâce à un système de talisme. 2 Duden ; Bock. P. 126. [Nous traduisons] gnons et les servantes. Chacune des tâches contri- biens communs, et pouvaient ainsi jusqu’à un certain La réforme au 20ème siècle de ce système capi- 3 Duden ; Bock. P. 150. [Nous traduisons] buait à la survie de la communauté : chaque travail point garantir leur indépendance. taliste des premiers temps a engendré une hausse 8 9
Les femmes, la classe des servantes Les femmes, la classe des servantes Rubrik 4 Duden ; Bock. P. 177. [Nous traduisons] 7 Woolf, Naomi : Der Mythos Schönheit. Reinbek bei Hamburg, 1993. [Nous traduisons] 5 Ibid. [Nous traduisons] 8 analyse & kritik – Zeitung für linke Debatte und Praxis, no. 629, 2017. Interview von Hannah Schultes mit Silvia 6 Duden ; Bock. P. 178. [Nous traduisons] Federici : Der schnellste Weg aus der Küche. [Nous traduisons] d’organisation du travail domestique non rémunéré les hommes ont pour ainsi dire hérité d’une femme, 60 et 70 ont été détournées aussi bien par le capita- pas d’accomplir vos devoirs de femmes. En somme, dans la classe ouvrière ont permis que soient payés c’est-à-dire d’une domestique personnelle. Pas be- lisme que par le patriarcat. Dans son livre Der Mythos un pur gain pour le néolibéralisme, qui nous enseigne aux travailleurs des salaires moins élevés que ceux soin de mener une analyse poussée pour déterminer Schönheit, Naomi Woolf résume ainsi le problème: également très à propos : tu peux tout avoir, il suffit obtenus au cours des luttes de classes jusqu’à la ré- qui dans ce marché a perdu au change. Ce qui ressort Du moment que les femmes ont obtenu des droits que tu fasses assez d’efforts; et si tu échoues, c’est volution de 1917/19 ». 4 La perte de valeur de la force également très clairement, c’est que « les femmes politiques et l’accès au libre choix de leur profession, que tu n’en as pas fait assez. de travail n’a donc pas été causée par la soi-disant ne sont pas seulement le ‹cœur de la famille›, elles la beauté a été élevée au rang de principal atout fémi- En d’autres termes : les conquêtes du féminisme concurrence déloyale des femmes, mais par l’exploi- sont aussi le cœur du capital. C’est ainsi qu’on peut nin, et l’idéal de beauté rendu non seulement inattei- ont eu un prix, que nous ne devrions pas accepter tation des femmes par les hommes. Ou comme le se servir gratuitement de leur amour, de leur ‹nature›, gnable, mais, dans sa forme la plus achevée, mortel. 7 de payer. Car les féministes des générations précé- formulait en 1973 l’économiste John Kenneth Gal- de leur travail. » 6 D’un côté, nous sommes contraintes de poursuivre dentes demandaient l’égalité, non un compromis braith, influencé par le mouvement féministe: « La sur notre propre corps ce travail qui n’est jamais suffi- douteux. Nous devrions avoir cela à l’esprit quand transformation invisible des femmes en une classe Conquêtes féministes sant, ce qui coûte du temps et de l’argent; de l’autre, nous cherchons à obtenir des réformes au sein du de servantes fut une performance économique de Vu sous cet angle, il n’est pas étonnant que la parti- cela grève notre estime de nous-mêmes et détourne système : quelqu’un paiera pour ça. Car dans le capita- premier ordre. A l’ère préindustrielle, seule une mino- cipation des femmes à l’économie, acquise de haute notre regard du monde pour le porter, réprobateur, lisme, rien n’est gratuit. Cela ne veut pas pour autant rité de la population disposait de domestiques pour lutte, et l’accès au travail salarié n’aient pas eu les sur notre propre corps (imparfait). Un phénomène dire que les efforts d’émancipation entrepris jusqu’ici s’acquitter des travaux sous-évalués par la société; résultats escomptés. Le travail salarié des femmes a qui transparaît dans plusieurs revendications fémi- n’ont servi à rien. Mais il est temps que nous cessions aujourd’hui, la ménagère corvéable est pourtant, de été accueilli à bras ouvert, tant qu’il n’a pas porté at- nistes. Vous voulez la libération sexuelle ? Pas de pro- d’essayer de nous adapter à un système qui repose manière parfaitement démocratique, à disposition de teinte au pouvoir économique et social des hommes, blème : vous serez des objets sexuels. Vous voulez sur l’exploitation. Il est temps de questionner dans presque toute la population masculine. » 5 ce qui a été soigneusement évité et continue de remettre en question la répartition des rôles ? Pas de son ensemble le jeu économique et social des hiérar- Pour faire court : les entreprises et l’Etat ont profité l’être. Le travail domestique et les soins non rému- problème : faites comme les hommes. Comprenez : chies – dont les rapports de genre ne sont qu’un des de deux forces de travail pour un seul salaire, soit des nérés pénalisent aujourd’hui encore majoritairement tant que vous avez l’énergie de faire constamment aspects – et une forme d‘organisation sociale qui, au salariés masculins et des ménagères reproductrices les femmes, compromettant ainsi également leur vos preuves, de vous voir constamment remises en final, ne profite qu’au capital. Ou, pour le dire avec qui fournissaient des travailleurs. En compensation indépendance économique. Les tentatives de contrer question et de ne pas en tirer la même reconnais- les mots de Silvia Federici: « Il s’agit aujourd’hui d’em- des véritables revendications de la classe ouvrière, les inégalités qui sautaient aux yeux dans les années sance que les hommes, tout ceci en ne manquant prunter des chemins qui ne l’ont pas encore été. » 8 10 11
Zwischen Berufsidentität und Mutterschaft Zwischen Berufsidentität und Mutterschaft Rubrik Die Verantwortung der Vereinbarkeit Text: Andrea Maihofer und Diana Baumgarten bildenden oder allgemeinbildenden Ausbildungsgänge einhergehen. Typische Frauenberufe in den Bereichen der Sekundarstufe II sind die Jugendlichen erst 15 bis 1 Der Artikel basiert auf den Ergebnissen der vom Erziehung, Betreuung, Kosmetik oder Zahnpflege, Im europäischen Vergleich verlaufen Ausbildungs- 16 Jahre alt. In dieser Lebensphase orientieren sich Schweizerischen Nationalfonds SNF im Rahmen die mit Aufgaben der privaten Care- und Hausarbeit des Nationalen Forschungsprogramms 60 fi- und Berufsbiografien in der Schweiz besonders aus- die meisten von ihnen stark an Geschlechterstereo- verwandt sind, haben ein geringes gesellschaftliches nanzierten Studie «Persistenz und Wandel von geprägt in geschlechtstypischen Bahnen. Auch heute typen und wagen es eher selten, Geschlechtergren- Geschlechterungleichheiten in Ausbildungs- und Ansehen und sind als typische Frauenberufe schlecht noch werden Frauen* hierzulande selten Informa- zen zu überschreiten. Vorhandene Wünsche nach ei- Berufsverläufen» sowie dem ebenfalls vom SNF bezahlt. Diese Lohnunterschiede zeigen sich bereits tikerinnen und nur wenige Männer* lassen sich zu nem «untypischen» Beruf werden oftmals aus Angst finanzierten Projekt «Antizipierte Elternschaft und in der Lehre und vergrössern sich im weiteren Berufs- Pflegefachmännern ausbilden. Zwar streben Frauen* vor Stigmatisierungen nicht umgesetzt. Zudem ist Berufstätigkeit. Zur Wechselbeziehung von Familien- verlauf stetig. Da das Lohnniveau in Frauenberufen und Berufsvorstellungen junger Erwachsener». häufiger geschlechtsuntypische Ausbildungswege an das Spektrum der Berufe, die Jugendliche vor Augen deutlich tiefer ist als in neutralen und männertypi- Informationen zu beiden Projekten sowie daraus als Männer*. Es gelingt ihnen jedoch seltener, sich in haben, überraschend eng. Wenn sie beginnen, sich entstandene Artikel sind auf der Website des Zen- schen Berufen, sind Frauen* in der Schweiz über- diesen Berufsfeldern auch tatsächlich zu etablieren. mit möglichen Berufen auseinanderzusetzen, ist ihr trums Gender Studies, Universität Basel, unter durchschnittlich von prekären Lebenslagen betroffen. Ausserdem hat sich gezeigt 1, dass die berufliche Ge- Blick daher häufig bereits auf geschlechtstypische www.bit.ly/2TawJSQ zu finden. schlechtersegregation effektiv noch stärker ausfällt Berufsfelder eingeengt. Kurz: Die Mehrheit der jun- Berufsidentität als statistisch nachweisbar. So finden sich Männer* gen Frauen* und Männer* wünscht sich im Alter von Anders als früher, ist jedoch inzwischen für junge in frauentypischen Berufen oft in «Männernischen» 15 Jahren einen geschlechtstypischen Beruf und be- junger Männer* ist dagegen breiter. So wählt die Frauen* absolut klar, dass sie einen Beruf erlernen (z.B. nicht in der Pflege am Bett, sondern als Berufs- findet sich drei Jahre später auch in einem solchen. Mehrheit der Männer* aus immerhin 36 von über 200 und diesen auch ausüben wollen. Dieser wird von ih- bildner) und Frauen in männertypischen Berufen in Das führt dazu, dass sie ihre Begabungen und Mög- Berufen aus. Besonders beliebt ist auch hier die kauf- nen auch nicht (mehr) als blosse Übergangsbeschäf- «Frauennischen» (z.B. im Sekretariat der Baufirma) lichkeiten oft gar nicht erst kennenlernen. männische Ausbildung, gefolgt von Berufen in den tigung bis zur baldigen Familiengründung angesehen. wieder. So wählt eine grosse Mehrheit der Frauen* aus nur Bereichen Technik und Bauwesen. Im Gegenteil, sie schätzen ihren Beruf und die damit Eine Ursache für diese ausgeprägte Segregation 14 von über 200 verschiedenen Lehrberufen aus. Be- Diese Berufsentscheidungen haben je nach Ge- verbundene Möglichkeit, dadurch gesellschaftliche liegt an dem vergleichsweise frühen Zeitpunkt der sonders häufig werden die Ausbildung zur Kauffrau schlecht unterschiedliche Folgen, die insbesondere Teilhabe und Anerkennung zu erfahren. Die Selbstver- beruflichen Weichenstellung in der Schweiz. Beim sowie Berufe in den Bereichen Gesundheit, Soziales Frauen oft gar nicht bewusst sind: Etwa, dass mit der ständlichkeit, mit der auch Frauen* heute eine eigene Übergang von der obligatorischen Schule in die berufs- und Detailhandel gewählt. Das Berufswahlspektrum Berufswahl branchenabhängige Lohnentwicklungen Berufsidentität entwickeln, ist Teil eines Wandels 12 13
Zwischen Berufsidentität und Mutterschaft Zwischen Berufsidentität und Mutterschaft Prof. Dr. Andrea Maihofer, Professorin für Geschlechterforschung und Leiterin des Zentrums Gender Studies, Universität Basel, arbeitet seit vie- len Jahren zu Wandel und Persistenz der Geschlechterverhältnisse, ge- schlechtsspezifischer Sozialisation und Sexualität. Ein weiterer Schwer- punkt liegt in der Familienforschung, insbesondere auf Arrangements von Familie und Beruf, Familienkonstellationen sowie Wandel von Vaterschaft und Mutterschaft. antwortung, hauptsächlich alleine für die ökonomi- in die sie lange Ausbildungsjahre investiert haben und Angesichts ihrer Vorstellungen, die, wie sie wissen, Dr. Diana Baumgarten, assoziierte Forscherin am Zentrum Gender Stu- sche Absicherung der Familie zuständig zu sein. die in ihrem bisherigen Leben sowie für ihr Selbst- von einem Normalarbeitsverhältnis abweichen, neh- dies, Universität Basel, und Projektkoordinatorin am Institut für Soziologie Genau diese frühe Antizipation der späteren Fami- verständnis inzwischen eine so wichtige Rolle spielt. men sie eine berufliche Disqualifizierung und geringe der TU Dortmund, hat in verschiedensten Forschungsprojekten zu den liengründung und ihr Einfluss auf die Berufsentschei- Sie stehen daher noch immer vor der Notwendigkeit, Karriereperspektive meist schon vorweg. Dies bringt Themen Familie, Vaterschaft, Mutterschaft und Männlichkeit gearbei- dungen von jungen Frauen* sind unserer Ansicht sich entscheiden zu müssen – wenn auch nicht mehr Frauen* in die Defensive, hängt die Möglichkeit zur tet. Derzeit beschäftigt sie sich im Rahmen eines Forschungsprojektes nach ein zentraler Mechanismus dafür, dass die Se- grundsätzlich zwischen Berufsarbeit und Familie, so (Teilzeit-)Berufstätigkeit doch zentral von betriebli- zu «Männlichkeit und Erwerbsarbeit» intensiv mit Fragen der kritischen Männlichkeitenforschung. gregation und Geschlechterhierarchie in der Berufs- doch zwischen Familie und einer vollzeitnahen, öko- chem Entgegenkommen ab. Hierbei spielt die konkre- welt fast ungebrochen weiter fortbesteht. nomisch einträglichen Erwerbsarbeit. Ein berufliches te Berufsbranche eine wichtige Rolle: In eher frauen- Engagement, berufliche Weiterentwicklungen und typischen Berufen wie Pfleger*in oder Psycholog*in in den Geschlechterverhältnissen, der noch vor drei Mit der Mutterschaft kommt die berufliche Un- Kinder zu haben – dies schliesst sich in ihrer Vorstel- gilt Teilzeitarbeit als selbstverständlicher. Was nicht Jahrzehnten nicht in gleichem Masse zu beobachten gewissheit lung oftmals aus. heisst, dass stets jedes Wunschpensum möglich ist. war. Für viele Frauen* bedeutet der Übergang zur Mut- Zudem sehen sich Frauen* in vielen Branchen mit Im Gegenteil, lange Zeit übliche «Kleinstpensen» Während Männer* jedoch weitgehend unhinterfragt terschaft eine grosse Ungewissheit – und vor allem einem Arbeitsmarkt konfrontiert, der sich am männli- werden vermehrt gar abgeschafft. von einer ununterbrochenen Berufstätigkeit ausge- ein Dilemma: So wird diese von ihnen als eine sehr chen Vollzeitideal von Erwerbsarbeit orientiert: Dazu Hinzu kommt die Frage der Kinderbetreuung. Die hen, haben viele Frauen* nach wie vor – und zwar lan- wichtige Aufgabe wahrgenommen und sie sehen gehören ein intensiver zeitlicher Aufwand, ungeteilte meisten Deutschschweizer Männer* und Frauen* ge vor einer tatsächlichen Familiengründung – eine fa- die Zuständigkeit für das Wohlbefinden und gesunde Verfügbarkeit und eine kontinuierliche Erwerbsbio- präferieren noch immer eine private Betreuung der milienbedingte Unterbrechung ihrer Erwerbsbiografie Aufwachsen eines Kindes grösstenteils bei sich. grafie ohne Unterbruch. Demgegenüber wünschen eigenen Kinder – am liebsten durch die Eltern selbst oder zumindest eine deutliche Reduktion der Erwerbs- Gleichzeitig wollen sie keineswegs mehr ausschlies- sich die Frauen* als Mütter, ihrem Beruf in einem (und damit vor allem durch die Mütter) oder durch die tätigkeit vor Augen. Aber auch bei Männern* haben slich Hausfrau und Mutter sein und ihre Berufsidenti- überschaubaren Rahmen und mit hoher Flexibilität Grosseltern (bzw. Grossmütter) oder andere (weibli- die familialen Zukunftspläne Folgen für ihre berufli- tät verlieren. Dies scheint für viele keine Option mehr nachgehen zu können. Entsprechend entwerfen sie che) Verwandte. Institutionelle familienergänzende chen Entscheidungen. So fragen sie sich, ob ihr Lohn zu sein. ihre Berufstätigkeit als Ergänzung zum Familienalltag Betreuung wird eher skeptisch gesehen und kommt ausreicht, um später eine Familie ernähren zu können, So tun sich Frauen* vielfach schwer mit der Unge- in Teilzeitpensen zwischen 20 und 40 Prozent; in Aus- oft allenfalls für ein bis maximal drei Tage infrage. Hin- und sehen sich damit schon zu dieser Zeit in der Ver- wissheit bzw. fürchten den Verlust ihrer Berufsarbeit, nahmen 60 Prozent. zu kommen hier (kantonal unterschiedlich ausfallende) 14 15
Zwischen Berufsidentität und Mutterschaft Die grosse Ungerechtigkeitsmaschine Einkommens-GGAU der Frauen finanzielle Aspekte, inwiefern sich die Wiederauf- Vorstellung, jede Familie müsse ihre Vereinbarkeits- text: Mascha Madörin nahme einer Erwerbstätigkeit durch die Frau* «lohnt», probleme allein lösen, lässt sich bei vielen Frauen* wenn die Kinderbetreuung entsprechend teuer ist. (und Männern*) finden. Diese Haltung entspricht der Neuerdings berechnet Eurostat einen Prozentsatz, Die Grössenordnung Schwierig ist auch, dass der berufliche Wieder- neoliberalen Logik des stets selbstverantwortlichen welcher die gesamte Einkommenslücke aus Er- Österreich mit 44.9, die Schweiz mit 44.5 und einstieg vielfach zeitlich unstrukturiert ist bzw. nicht Subjekts, das individuell die richtige Lösung finden werbsarbeit von Frauen im Vergleich zu Männern Deutschland mit 45.2 GOEG-Prozenten (im Jahr zu den antizipierten Bedürfnissen des Kindes passt. muss. Ausgeblendet wird, dass es für die persönliche ausdrücken soll. Dabei ist nicht nur das Einkommens- 2014) liegen relativ nahe beieinander. In der Schweiz Eine Rückkehr nach 14 Wochen Mutterschaftsurlaub Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit immer auch gefälle pro gearbeitete Stunde (Gender Pay Gap) arbeiten Frauen im Erwerbsalter bezahlt und unbe- können sich jedenfalls nur wenige Frauen* vorstellen entsprechende gesellschaftlich-kulturelle Lebens- zwischen Männern und Frauen, sondern auch der zahlt ungefähr gleich viele Stunden wie Männer. Und – und wenn, dann oft nicht im gleichen Stellenpen- und Arbeitsbedingungen braucht, die diese über- unterschiedliche Beschäftigungsgrad enthalten. Die- trotzdem verfügen sie nur über etwas mehr als die sum wie zuvor. Infolge dieser Entscheidung kommt haupt ermöglichen. se Geschlechterspezifische Gesamteinkommensun- Hälfte der Einkommen der Männer. Grob auf das Ar- den Männern* die Hauptverantwortung für die öko- terschiede (GGAU!) 1 zeigen schockierende Resultate beitnehmer*innen-Entgelt 2 des Jahres 2014 umge- nomische Absicherung der Familie zu, da die Teilzeit- – aus zwei Gründen: rechnet, verdienten Frauen in der Schweiz geschätzte Erwerbsarbeit der Frauen* nicht existenzsichernd ist. 110 Milliarden Franken weniger als Männer. Ein riesi- Mit der Aufgabe ihrer finanziellen Autonomie nehmen ger Geldbetrag, der den Frauen auf ihren Lohnkonti Frauen* zudem das Risiko eines sozialen Abstiegs 1. Sie sind skandalös hoch, insbesondere in Ländern und bei den Gutschriften der AHV und Pensionskas- im Falle einer Trennung bzw. das Risiko einer nicht- wie der Schweiz, Österreich und Deutschland, sen fehlt. Jedes Jahr! Er entspricht dem fünfeinhalb- existenzsichernden Rente im Pensionsalter in Kauf. den Niederlanden und Grossbritannien. fachen der Einnahmen aus den direkten Steuern der Trotz des geschilderten Dilemmas lassen sich Unternehmen oder einem Drittel der Konsumausga- 2. Obwohl bedeutend tiefer, weisen die Einkom- allerdings Erwartungen hinsichtlich mehr staatlicher menslücken in skandinavischen Ländern und in ben der Haushalte. Das ist ungeheuerlich viel. Dazu Unterstützung oder beispielsweise der Einführung Frankreich immer noch beunruhigend hohe Indi- kommen noch die Einkommenslücken bei den Ren- einer Elternzeit vor dem Hintergrund eines inzwi- katoren aus. ten. Die GGAU-Einkommenslücken ist entscheidend schen neoliberal reduzierten Sozialstaates, wie er in für die niedrigen Renten der Frauen. Während durch der Schweiz existiert, nur schwer formulieren. Die die Betreuungsgutschriften der AHV die AHV-Renten 16 17
Die Rubrik grosse Ungerechtigkeitsmaschine Die grosse Ungerechtigkeitsmaschine Rubrik Mascha Madörin ist Ökonomin und arbeitet seit über 10 Jahren zur politischen und sozialen Ökonomie der Sorge- 1 In Englisch Gender Overall Earnings Gap (GOEG). Beim GGAU handelt und Versorgungswirtschaft. Sie versucht vor allem die ökonomischen Dynamiken dieses Wirtschaftssektors im es sich um einen Mischindex, der je nach Land sehr unterschiedlich Zusammenhang mit der ganzen Wirtschaft zu verstehen und tauscht sich darüber in einer AG für feministische zusammengesetzt sein kann. Eurostat hat die Zahlen für die GGAU Makroökonomie (D, AT, CH) aus. in der Schweiz revidiert, das hat frühere Frankenberechnungen leicht erhöht: www.bit.ly/2THgNg5. 2 Die Daten des hier verwendeten Arbeitnehmer*innen-Entgelts sind der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung entnommen. Das Ar- von Frauen und Männern fast gleich hoch sind, be- Franken der GGAU aus. Von den grob berechneten 28 Bezahlung allein dieser Mehrarbeit der Frauen dazu beitnehmer*innen-Entgelt enthält die Einkommen von selbständig trägt die Rentendifferenz bei der zweiten Säule über Mrd. Franken gelten rund 12 Mrd. Franken als nicht führen, dass rund die drei Viertel der Einkommens- Erwerbenden (nicht aber z.B. Stundenlöhne für Putzfrauen oder 60 Prozent! erklärte Lohnunterschiede. Dabei handelt es sich um lücke verschwinden würden, die nicht auf den Gender z.B. Stundenhonorare, also auch von nicht fest Angestellten). Der Lohnunterschiede, die mit ökonomischen Faktoren Pay Gap zurückzuführen sind. GGAU-Frankenbetrag ist also zu tief geschätzt. Gleichzeitig enthält die Nur der kleinste Teil ist ein Politikum nicht erklärbar sind, jedenfalls statistisch nicht. Sie Schätzung der GGAU-Einkommenslücke auch das Arbeitnehmer*innen- Entgelt von über 65-Jährigen. Das heisst, dieser Teil ist zu hoch ge- In der Schweiz ist diese GGAU-Statistik kein Thema. machen in der Schweiz rund 11 Prozent der gesamten Grenzen der bisherigen Gleichstellungspolitik? schätzt. Die beiden Berechnungsfehler kompensieren sich, aber wie Die entsprechende Statistik findet sich bei Eurostat Einkommenslücke aus. Sie gelten als Annäherung der Die übliche wirtschaftspolitische Antwort auf die Ein- stark ist unklar. (code teqges01), nicht beim Bundesamt für Statistik, Quantifizierung der juristisch definierten «Lohndiskri- kommenslücke lautet, dass mehr öffentlich finanzier- 3 Der Gender Pay Gap (unadjusted), der unbereinigte Lohnunterschied, obwohl dieses über die Grunddaten dazu ebenfalls minierung». te Kindertagesstätten zur Verfügung gestellt werden berechnet sich aus dem Unterschied zwischen durchschnittlichen verfügen würde. Hingegen ist, wie in anderen euro- Der grösste Teil der gesamten Einkommenslücke – müssten, ebenso wesentlich bessere und öffentlich Stundenlöhnen von Männern und Frauen. 4 Berechnet vom schweizerischen Bundesamt für Statistik: www.bit. päischen Ländern, der durchschnittliche Gender Pay im Fall der Schweiz rund 83 Mrd. Franken (2014) – finanzierte Pflege zuhause. Das würde den Frauen ly/2Jiq8pP. Gap (GPG, unbereinigter Lohnunterschied) 3 ein The- muss auf die Unterschiede bei der Beschäftigungs- erlauben, mehr Erwerbsarbeit zu leisten – falls es ma von Frauenorganisationen. Es handelt sich um ei- quote von Männern und Frauen zurückgeführt wer- genügend Arbeitsplätze gibt. Bisher unbezahlte Ar- nen Indikator (Schweiz 2014: 19.5 Prozent), aufgrund den, respektive auf die Verteilung der bezahlten und beit würde bezahlt. Es wäre ein Riesenerfolg für die Arbeitnehmer*innenentgelt der Schweiz würde sich dessen das Datum des Equal Pay Day festgelegt unbezahlten Arbeit. In der Schweiz liegt der monetäre Gleichstellung der Frauen in der Schweiz, würden wir die Einkommenslücke auf 57 Mrd. Franken belaufen. wird. Der Indikator berechnet sich aus dem prozen- Wert 4 der unbezahlten Care-Arbeit (Hausarbeit, Be- auf diese Weise die Einkommenslücke von Schweden Diese Summe ist immer noch sehr gross. Sie bedarf tualen Unterschied zwischen dem durchschnittlichen treuung und Unterstützung von Kindern und Kranken, erreichen. Schweden hat ein gut ausgebautes öffent- einer Erklärung, die es noch nicht gibt. Schweden Stundenlohn der Frauen verglichen mit demjenigen Unterstützung in anderen Haushalten), die Frauen liches Netz für Kinderbetreuung, Pflege und Unter- zeigt auch, dass der GPG seit den 1980er-Jahren auf der Männer, während in den GGAU auch die Unter- mehr leisten als Männer ziemlich genau bei dieser stützung zuhause. Ebenso ist die Erwerbsarbeit von einem vergleichsweise tiefen Niveau stagnierte und schiede beim Grad der Erwerbstätigkeit mit einge- Einkommenslücke. Das schweizerische Bundesamt Frauen gesellschaftlich anerkannt und erwünscht. seit zehn Jahren um 3 Prozentpunkte auf 13.3 Pro- rechnet sind. für Statistik berechnet den monetären Wert der Care- Aber der Fall Schweden mit einem GGAU-Index zent stabil bleibt. In Frankreich, mit einer ähnlich gut Der Gender Pay Gap zwischen Männern und Frauen Arbeit zu den marktüblichen Arbeitskosten, also zu von 26.2 Prozent zeigt auch die Grenzen der bishe- ausgebauten Care-Infrastruktur wie Schweden und macht in der Schweiz rund ein Viertel der 110 Milliarden relativ niedrigen Ansätzen. Und trotzdem würde eine rigen Gleichstellungspolitik. Umgerechnet auf das zudem einer 35-Stunden-Woche, ist der GGAU-Index 18 19
Die grosse Ungerechtigkeitsmaschine La machine à injustice L'écart global de revenus du travail sogar noch etwas grösser als für Schweden, näm- Lohndiskriminierung, also ein Zehntel der tatsächli- texte : Mascha Madörin º lich 31 Prozent. Ebenso bemerkenswert sind die chen Einkommenslücke. Aber selbst da ist von der Niederlande mit einem enorm grossen GGAU-Index volkswirtschaftlichen Bedeutung der Lohndiskrimi- Dernièrement, Eurostat a calculé un pourcentage L’ampleur du phénomène von 47.5 Prozent. Die Niederlande verfolgen seit den nierung nicht die Rede, bei niemandem. Prozentzah- exprimant l’écart global de revenu existant entre les Les résultats de l’Autriche, de la Suisse et de l’Allema- 1990er-Jahren eine Arbeitspolitik, die Teilzeitarbeit len klingen harmloser als Frankenbeträge – das ist femmes et les hommes dans le cadre d’un travail gne sont relativement proches, avec respectivement von Vätern aktiv – auch mit Gesetzen – unterstützt. offensichtlich. rémunéré. Ce calcul prend en compte la différence 44.9, 44.5 et 45.2 pour cent d’EGRT (en 2014). En Väter haben ein Recht auf Teilzeit. Aber trotzdem ist Kurzum, es fehlen Analysen volkswirtschaftlicher de revenu (gender pay gap), par heure de travail, ent- Suisse, les femmes en âge de travailler effectuent die Einkommenslücke in den Niederlanden grösser als Zusammenhänge und wirtschaftspolitische Debatten re les hommes et les femmes, mais également la à peu près le même nombre d’heures que les hom- in der Schweiz. Zwar hat die Zahl der erwerbstätigen über die gesamte Einkommenslücke. 5 Sie wären für différence de taux d’activité. Les résultats relatifs à mes, payées et non payées. Pourtant, elles ne dispo- Frauen in den Niederlanden seit den 1990er-Jahren eine ernsthafte Politik der Angleichung der Einkom- cet écart global de revenus du travail en fonction du sent que d’un revenu à peine supérieur à la moitié enorm zugenommen. Aber mit der Umverteilung von men von Frauen und Männern von grosser Bedeutung. genre (EGRT) 1 sont choquants, ce pour deux raisons : du revenu des hommes. Si on prend comme base de bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Männern calcul la rémunération des salarié-e*-s 2 en 2014, les und Frauen hat es trotzdem kaum geklappt. Es wäre femmes gagnent en Suisse approximativement 110 an der Zeit, die letzten rund dreissig Jahre Erfahrung 5 Mehr Argumente dazu finden sich in: Madörin, 1. Ils sont scandaleusement hauts, en particulier milliards de francs de moins que les hommes. Une mit Gleichstellungspolitik verschiedener Länder zu Mascha: Die kleingerechnete Ungerechtigkeit. dans des pays comme la Suisse, l’Autriche et somme colossale, qui manque au compte de salai- vergleichen und zu versuchen, die unterschiedlichen Neue Zahlen zu den Einkommenslücken zwischen l’Allemagne ou les Pays-Bas et le Royaume-Uni. re, au crédit de l’AVS et de la caisse de pension des Entwicklungen der Gleichstellungspolitik und ihre den Geschlechtern, in: Widerspruch 71, Zürich 2018. femmes, et ce chaque année ! Elle équivaut à cinq S. 117-128. 2. Bien qu’ils soient significativement plus bas, les (Miss-)Erfolge zu verstehen. indicateurs mesurant l’écart de revenu dans les fois et demie le revenu de l’impôt direct des entre- pays scandinaves ainsi qu’en France affichent tou- prises ou à un tiers des dépenses de consommation Das Ganze anders und neu diskutieren jours un niveau préoccupant. des ménages. C’est une somme énorme. A celle-ci Während Frauenorganisationen in der Schweiz vor s’ajoutent encore les pertes de revenu au niveau des allem den Gender Pay Gap öffentlich anprangern, rentes vieillesse. L’EGRT a un impact déterminant sur thematisieren Parteien, falls überhaupt, vor allem die les rentes des femmes, lesquelles sont très modes- 20 21
La machine à injustice La machine à injustice Mascha Madörin est économiste et travaille depuis plus de 10 ans sur l’économie politique et sociale du care. Elle 1 En anglais Gender Overall Earnings Gap. Il s’agit d’un index synthé- s’intéresse principalement aux dynamiques de ce secteur économique, dans ses liens à l’économie globale. Elle par- tique, qui peut être constitué de manière très différente selon les pays. tage ses recherches dans le cadre d’un groupe de travail pour la macroéconomie féministe (D, AT, CH). Eurostat a revu les chiffres pour l’EGRT de la Suisse, ce qui a abouti à un résultat en francs légèrement plus haut que précédemment : www.bit.ly/2THgNg5. 2 Les données de la rémunération des salarié-e-s calculée ici proviennent des comptes nationaux. La rémunération des salarié-e-s comprend tes. Si les bonifications pour tâches éducatives font francs de l’EGRT. Sur ces quelque 28 milliards, environ de ce travail supplémentaire effectué par les femmes également le revenu des personnes indépendantes (mais pas par ex. que les rentes AVS des femmes et des hommes sont 12 sont considérés comme des différences salaria- permettrait de réduire d’environ trois quarts les écarts les salaires horaires des femmes de ménages ou les salaires payés à à peu près égales, la perte essuyée par les femmes les inexpliquées. Il s’agit en réalité de différences de de revenus qui ne sont pas dus au Gender Pay Gap. l’heure, donc les salaires qui ne sont pas liés à un emploi fixe). Le mon- au niveau des rentes du deuxième pilier se monte à salaire qui ne sont pas explicables par des facteurs tant en francs de l’EGRT est donc sous-estimé. D’un autre côté, l’esti- plus de 60 pour cent ! économiques, du moins du point de vue statistique. Limites de la politique de l’égalité pratiquée jus- mation de l’EGRT comprend aussi la rémunération des salarié-e*-s de plus de 65 ans. Ce qui veut dire que cette partie du calcul est sures- Elles représentent en Suisse environ 11 pour cent de qu’ici? timée. Ces deux erreurs dans l’estimation se compensent mutuelle- Seule la plus petite part est un sujet politique l’écart global de revenu. Elles sont considérées com- La réponse politique habituelle aux écarts de re- ment, mais il est difficile de dire jusqu’à quel point. En Suisse, on ne parle pas de cette statistique sur me une forme de traduction quantitative de la notion venus est de dire qu’il faut plus de crèches financées 3 Le Gender Pay Gap (unadjusted), la différence salariale non ajustée l’EGRT. Celle-ci est publiée par Eurostat (code teq- juridique de «discrimination salariale». par l’Etat, de même qu’un meilleur service de soins à est calculée à partir de la différence entre le salaire horaire moyen des ges01), et non par l’Office fédéral de la statistique, La majeure partie de l’écart global de revenu – en- domicile, également financé par les pouvoirs publics. hommes et des femmes. 4 Etablie par l’Office fédéral de la statistique : www.bit.ly/2Jiq8pP. alors que ce dernier aurait les données de base néces- viron 83 milliards de francs pour la Suisse en 2014 Cela permettrait aux femmes d’effectuer davantage saires pour le faire. En revanche, comme dans d’au- – doit être attribuée aux différences de taux d’occu- d’activités rémunérées – s’il y a assez d’emplois. Le tres pays européens, le Gender Pay Gap moyen (GPG, pation des hommes et des femmes, soit à la réparti- travail non rémunéré serait dès lors rémunéré. Ce différence de salaire non ajustée) 3 est une question tion du travail rémunéré et non rémunéré. En Suisse, serait un progrès immense pour l’égalité des fem- base de la rémunération des employé-e*-s de Suisse, abordée par les organisations de femmes. Il s’agit la valeur monétaire 4 du travail de care non rémunéré mes en Suisse, nous atteindrions ainsi le niveau de la l’écart de revenu équivaudrait à 57 milliards de francs. d’un indicateur (Suisse 2014 : 19.5 pour cent), sur la (tâches domestiques, prise en charge des enfants Suède en matière d’écart de revenu. Ce pays dispose Ce résultat reste très élevé et on ne parvient pas en- base duquel est déterminée la date de l’Equal Pay et assistance aux malades, assistance dans d’autres en effet d’un réseau public de structures d’accueil et core à l’expliquer. La Suède affiche également un GPG Day. Il est calculé à partir de la différence en pourcen- foyers), que les femmes effectuent davantage que de soins à domicile bien développé. L’activité profes- relativement bas et stable depuis les années 1980, tage entre le salaire horaire moyen des femmes com- les hommes, équivaut d’assez près à cette perte de sionnelle des femmes y est socialement reconnue et lequel a diminué de 3 pour cent au cours des dix der- paré à celui des hommes, alors que dans l’EGRT, la revenu. L’Office fédéral de la statistique calcule la encouragée. nières années, passant à 13.3 pour cent. En France, différence de taux d’activité rémunérée est intégrée. valeur monétaire du travail de care en se basant sur Mais le cas de la Suède, avec un index d’EGRT de où les infrastructures du care sont dans l’ensemble Le Gender Pay Gap entre hommes et femmes repré- les coûts du travail du marché, donc sur des taux re- 26.2 pour cent, montre également les limites de la aussi bien développées et où la semaine est pourtant sente en Suisse environ un quart des 110 milliards de lativement faibles. Et pourtant, la seule rémunération politique de l’égalité menée jusqu’ici. Calculé sur la de 35 heures, l’index d’EGRT est même un peu plus 22 23
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