Fürchte ich kein Unglück? - recke: in Das Magazin der Graf Recke Stiftung - recke:on
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Inhalt Wer wir 4 Kreuz & quer sind und was 6 Wissenschaft live Der Pandemiekoordinator der Graf Recke Stiftung im Interview wir tun 10 Chronologie einer Pandemie Die Graf Recke Stiftung ist eine der Wie die Graf Recke Stiftung mit der ältesten diakonischen Einrichtungen Ausbreitung des Coronavirus umging Deutschlands. 1822 gründete Graf von 14 Zusammenhalt statt Lagerkoller der Recke-Volmerstein ein »Rettungs- Wie aus einer 5-Tages-Gruppe eine 7-Tages-Gruppe wurde haus« für Straßenkinder in Düsselthal. 15 Großeinkauf in Coronazeiten Zur Kinder- und Jugendhilfe kamen die Warum Mitarbeitende der Stiftung in den Behindertenhilfe (1986) und die Alten- Verdacht des Hamsterns gerieten hilfe (1995) hinzu. Heute besteht die Stiftung aus den Geschäftsbereichen Graf 16 Die naive Frage Recke Erziehung & Bildung, Graf Recke Wie erklären Sie Ihren Kindern eigentlich das Coronavirus? Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik und 17 »Wir denken an euch« Graf Recke Wohnen & Pflege. Ebenfalls Wie Kitakinder und Erzieher in Coronazeiten Kontakt hielten zur Stiftung gehören die Graf Recke 18 Corona, Demenz und ein großer Umzug Pädagogik gGmbH, Grünau, in Bad Salz- Der erste Bauabschnitt im Ahorn-Karree wird fertig uflen, das Seniorenheim Haus Berlin gGmbH in Neumünster und die Dienst- 20 »Wir haben schon ganz andere Zeiten überlebt« leistungsgesellschaft DiFS GmbH. Wie erleben Menschen im Pflegezentrum die Zeit der Coronapandemie? Mehr Informationen und aktuelle News 22 Theologischer Impuls aus der Graf Recke Stiftung: Denn Du bist bei mir www.graf-recke-stiftung.de 24 Ein Werkstattbericht www.facebook.com/GrafReckeStiftung Organisationsentwicklung in der Graf Recke www.xing.de/companies/GrafReckeStiftung Erziehung & Bildung: ein Interview 26 Auf dem Weg zu einer resilienten Organisationskultur Ein Zwischenbericht 30 Auf Schatzsuche Was stärkt junge Menschen in schwierigen Zeiten? 32 Teilhabe ins Gegenteil verkehrt Corona ist für Menschen mit psychischen Erkrankungen eine hohe zusätzliche Belastung 36 Leitungskräfte als Schlüssel für starke Mitarbeitende Im Haus Berlin stärkt man nicht erst seit Corona die Widerstandskräfte der Mitarbeitenden 38 Individuell mit viel Kompetenz Zwischenbilanz zur sozialpädagogischen Einzelfallhilfe recke:in 39 recke:rückblick Das Magazin der Graf Recke Stiftung Fuß gefasst in einem fremden Land Ausgabe 2/2020 Herausgeber Vorstand der Graf Recke Stiftung 40 Engagiert mit Herz Einbrunger Straße 82, 40489 Düsseldorf »Dann spürt man die Begeisterung« Redaktion Referat Kommunikation, Kultur & Fundraising der Graf Recke Stiftung, Dr. Roelf Bleeker 42 Ihre Unterstützung Gestaltung Claudia Ott, Nils-Hendrik Zündorf Solidarität in Krisenzeiten Bildnachweis Claudio Testa/Unsplash, Dirk Bannert, privat, Adobe Stock, Ivector, Good Studio, Synchronize-Consult, Archiv, Dr. Roelf Bleeker Druckerei V+V Sofortdruck GmbH, 3.600 Exemplare Umweltschutz recke:in wird CO2-neutral gedruckt.
Editorial Petra Skodzig und Pfarrer Markus Eisele. Liebe wie sind Sie durch die letzten Wochen gekommen? Die Coronakrise fordert uns Als wir uns im letzten Jahr vornahmen, dieses Titelthema für die aktuelle recke:in Leserinnen alle heraus. Mitarbeitende der sozialen Berufe tragen im Moment eine besondere zu wählen, konnte niemand ahnen, wie sehr uns die Pandemie genau in diesem und Leser, Last, aber auch Bewohnerinnen und Punkt prüfen würde. Wir möchten Ihnen Klienten. Wie stark, widerstandsfähig und also von unseren Erfahrungen in den letz- gelassen antworten sie auf die Situation? ten Wochen berichten, aber auch davon, Bislang überwiegend sehr gut. Wie haben was wir grundsätzlich mit dem Thema ver- wir als diakonisches Unternehmen auf die binden, und schauen auf die unterschied- Lage reagiert? Frühzeitig haben wir Ver- lichen Initiativen bei uns. antwortlichkeiten und Abläufe geklärt. Wir Hilft Glaube in der Not? Davon sind haben aktiv und transparent kommuniziert wir überzeugt und verfolgen auch einen und so für Vertrauen gesorgt. Denn ein religions- und kultursensiblen Ansatz. sicherer, verlässlicher Rahmen ist wichtig, In diesen Tagen rufen wir mit einem damit man Krisen gut bewältigt. leicht abgewandelten biblischen Motto Schon seit einiger Zeit haben wir dazu auf: »Schütze Deinen Nächsten. Wie uns intensiv mit dem Thema »Resilienz« Dich selbst«. Und um diesen Satz haben wir befasst. Dabei geht es um Krisenfestigkeit. ein Herz gemalt. Weil Schutz und (Nächs- Der Begriff Resilienz entstammt ursprüng- ten-)Liebe für uns eng zusammengehören. lich der Physik und beschreibt die Fähig- Jenseits all der Sorge, der unendlich keit eines Werkstoffs, unbeschadet auf anstrengenden Regelungen und der Ein- Störungen zu reagieren, die von außen auf schränkungen gibt es im Moment genau ihn einwirken. Das lateinische Wort meint diese erlebbare Liebe unter den Menschen. in etwa: abprallen oder zurückfedern. Was Das ist kostbar. Diese Solidarität zerbricht, alles an einem abprallt, ist individuell sehr wenn statt »Wir-Sinn« der »Eigen-Sinn« verschieden … Zum Beispiel bei den Jugend- die Überhand gewinnt. Wir wollen diesen lichen, die in unseren Einrichtungen woh- »Wir-Sinn« stärken und zählen dabei auch nen. Viele haben schon Schlimmes erlebt. auf Sie! Kommen Sie wohlbehalten und Manche können mit den Widrigkeiten behütet durch diese Zeit. ihres Lebens sehr gut umgehen. Andere Eine interessante und fruchtbare brauchen mehr Unterstützung. Hilfreiche Lektüre wünschen Ihnen Resilienzkonzepte schauen genau hin, wel- che Bedingungen die Resilienz fördern, und Ihr Ihre versuchen das Ich der Kinder und Jugend- lichen zu stärken. Übrigens kommen diese Konzepte auch Mitarbeitenden zugute, damit sie möglichst lange gesund und Pfarrer Markus Eisele Petra Skodzig zufrieden in ihrem Beruf arbeiten können. Theologischer Vorstand Finanzvorstand E-STIF TUNG.DE/CORONAVIRUS NTER WWW.GRAF-RECK + A L L E A K T U E L L E N I N F OS RUND UM CORONA U I 2020 ++ IESER AUSGABE: 30. MA REDAKTIONSSCHLUSS D 2/2020 recke:in 3
KREUZ & QUER Kisten in der Krise »Einfach nur klasse!«, kommentierte ein Mitarbeiter des Seniorenheims Haus Berlin in Neumünster die Kisten, die er und seine Kolleginnen und Kollegen im Verlauf der Coronakrise von der Einrichtungsleitung erhielten. Als »Krisenkiste« stärkte sie die besonders beanspruchten Mitarbeitenden als, so Geschäftsführer Jürgen Büstrin, »eine Geste des Zusammenhalts«. In den ersten Kisten, die im Laufe der Pandemie mehrfach ausgeteilt wurden, fanden die Mitarbeitenden eine Menge Vitamine in Form von Obst, »ein paar Naschereien für die Seele« (Büstrin) und Becher mit der Aufschrift »Pause wirklich machen«, verbunden mit einem persönlichen schriftlichen Dank der Leitung an die engagierten Kolleginnen und Kollegen. Zeichen der Solidarität in Düsseldorf-Unter- rath: Das benachbarte Restaurant L’Osteria lie- ferte als Dankeschön für die Arbeit in Corona zeiten im Seniorenzentrum Zum Königshof Nachbarschaftliche Pizza für die Mitarbeitenden im Sozialen Dienst und im Nachtdienst. Eine Wohnbereichsleitung Solidarität in berichtet: »Die Mitarbeitenden waren total berührt von dieser Geste!« Und es gab weitere nachbarschaftliche Geschenke für die Bewoh- Unterrath ner des Seniorenzentrums Zum Königshof und deren Pflegerinnen und Pfleger: Blumensträuße vom Blumenhaus Am Hofgarten und Kaffee von einer Kaffeerösterei auf der Schwerinstraße. Nähe durch Nähen Abstand »Es gibt tolle neue Wege, Menschen zu erreichen und gegen die ihnen Freude zu machen«, sagt Birgit Kleekamp, Leiterin des Pflegezentrums Walter-Kobold-Haus in Wittlaer, über ihre Erfahrungen in Zeiten des Coronavirus. Hof- Mangelware konzerte und Open-Air-Gottesdienste schafften Nähe durch Abstand. So hatte Pfarrer Dietmar Redeker ein großes Bild im Gartenbereich des Walter-Kobold-Hauses Zu Anfang der Coronapandemie waren Mund-Nasen-Schutz- gemalt mit den Symbolen Kreuz, Herz und Anker für masken Mangelware im ganzen Land. Mitarbeitende des die christlichen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung – zu Sozialpsychiatrischen Verbunds in Düsseldorf gehörten zu den sehen und anzusehen auch mit Sicherheitsabstand oder Ersten, die in die Produktion gingen und selbst Masken nähten, von den Fenstern des Hauses aus. Bei allen Einschrän- andere folgten. Sandra Reinartz und ihre Schwester Sabrina kungen und Belastungen durch Corona findet Birgit Klee- Seehagen, beide arbeiten im Ahorn-Karree im Dorotheenviertel kamp angesichts solcher Aktionen: »Wir sehen gerade in Hilden, gehörten dazu. »Wir haben nur bald gemerkt, dass wir diesen Tagen so viel Positives, so vieles, was hilft.« für unsere drei Einrichtungen im Dorotheenviertel eine Riesen- menge benötigen würden«, so Pflegefachkraft Sandra Reinartz. Zu zweit nicht zu bewältigen – »wir saßen vier Stunden an sieben Masken«. Also startete die Solingerin einen Aufruf auf Facebook – und erhielt umgehend positive Rückmeldungen. »Und alle waren bereit, sie uns zu schenken, keiner wollte etwas dafür haben, nicht einmal die Versandkosten, wenn sie die Mas- ken per Post sendeten«, freut sich die 28-Jährige, die 2010 als FSJlerin zur Graf Recke Stiftung kam und 2015 ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft abschloss. Eine tolle Aktion – »um unsere Bewohner nicht zu gefährden und auch ein bisschen als psycho- logische Unterstützung«, sagt Sandra Reinartz. 4 recke:in 2/2020
KREUZ & QUER Mit einem mobilen Osterfeuer, einer Feuerschale auf einem Bollerwagen, besuchte Pfarrer Dietmar Unterwegs mit Redeker am Ostersamstag sieben Wohngruppen der Jugendhilfe der Graf Recke Stiftung in Düsseldorf- Wittlaer. Die großen Innenhöfe boten mit reich- dem Osterfeuer lich Abstand zu den benachbarten Gruppen ideale Voraussetzungen für kleine Gruppenaktionen in Zeiten der Coronaregeln. Die Kinder und Jugend- lichen hatten zusammen mit ihren Erzieherinnen und Erziehern trockene Stöckchen gesammelt, einige hatten auch einen Osterzopf oder Osterha- sen gebacken. Und dann erwarteten sie ungeduldig das »Osterfeuer 2 go«. Als es dann am Abend kam, hatte jede Gruppe rund eine halbe Stunde Zeit für ihr Gruppen-Osterfeuer. Dann war der gesammelte Stöckchenvorrat in Flammen aufgegangen und das Osterfeuer rollte zur nächsten Gruppe. Die Coronapandemie sprengt alle gewohn- ten Arbeitsabläufe. Wer früher von Sitzung zu Sitzung eilte, loggte sich mit Beginn der Kontaktbeschränkungen fast nur noch in Videokonferenzen ein. Oder aber die Sitzungen fanden in ausreichend großen Räumen statt. Im Ausnahmezustand haben die Kolleginnen und Kollegen der Graf Recke Erziehung & Bildung deshalb die Aula im Dorotheenviertel Hilden für ihre Montagskonferenz reserviert. Sicherheitskonferenz So blieben sie im Austausch, aber mit Schutz- maske und ganz viel Sicherheitsabstand. in der Aula Keine Schule, kein gemeinsames Draußenspielen in der Hochphase von Corona: Da sollte keine Langeweile aufkommen in den Wohngruppen der Graf Recke Erzie- hung & Bildung. Zu diesem Zweck starteten Mitarbei- tende eine »Challenge«, also eine Herausforderung. Jede Woche versendeten sie Aufgaben in die Gruppen, »um euch die Langeweile ein wenig zu vertreiben«. Zu gewinnen gab es eine Gruppenaktion oder einen Aus- flug im Wert von 200 Euro. Die erste Herausforderung: »Schickt uns euer Lieblingsrezept – malt, schreibt, fotografiert, dreht einen kleinen Film.« Die Resonanz war riesig: 55 Seiten füllt das daraus entstandene Koch- buch schon, es wurde tatsächlich geschrieben, foto- grafiert, gefilmt und gemalt. Besonders viel Spaß hatten alle Beteiligten aber mit einer späteren Herausforde- Eine andere Art der rung. Da lautete der Aufruf: »Schickt uns lustige Fotos! Nutzt dafür bitte Klopapier, Besen, Wischmöppe und sonstiges Putzmaterial.« Die Angesprochenen ließen sich nicht lange bitten – und verwandelten ihre Klos vorübergehend in lustige Mitbewohner. Herausforderung 2/2020 recke:in 5
GRAF RECKE STIFTUNG Wissenschaft live Am 9. März richtete die Graf Recke Stiftung einen Pandemie-Projektstab ein. Seitdem arbeitet Marek Leczycki, in seinem eigentlichen Beruf Leiter des Seniorenzentrums Zum Königshof in Düsseldorf-Unterrath, als Pandemiekoordinator mit seinen Kolleginnen und Kollegen unentwegt daran, der Ausbreitung des Coronavirus in der Graf Recke Stiftung entgegenzutreten. Warum die Graf Recke Stiftung so früh energisch auf die Bremse trat, weshalb er inzwischen empfiehlt, der Politik bewusst ein paar Schritte hinterher zu sein, und wie er die vergangenen Monate erlebt hat, erzählt Marek Leczycki im Videogespräch mit dem Leiter der Kommunikation der Graf Recke Stiftung, Dr. Roelf Bleeker. 6 recke:in 2/2020
GRAF RECKE STIFTUNG Lassen Sie mich mit einem ganz Epidemien eine Pandemie wird. Und ins- ein paar Kilometer von Heinsberg entfernt, persönlichen Eindruck starten, besondere der Ausbruch im Iran Mitte Feb- wo wir schon damals einen Coronahotspot Herr Leczycki: Als ich am 9. März ruar hat mich stutzig gemacht: Das Virus ist hatten. Am 19. Februar fand in Mailand erfuhr, dass ich meine Dienstreise über die Grenze Chinas gekommen, obwohl das sogenannte »Spiel null« statt mit über vier Tage später nach Neumünster China sehr stark isoliert hat. Und gerade 40.000 Zuschauern, es kamen Fans aus nicht antreten könne wegen des im Iran hat es sich gezeigt, welche Wucht Bergamo und anderen Städten dahin, die Coronavirus, da war ich einigermaßen das Virus hat. Da fing ich an zu recher- später zu Coronahotspots in Italien erklärt verblüfft und hielt das zunächst chieren. Aber es gab damals keine Fakten, wurden, und es kamen auch Gästefans aus für übertrieben. Sind Ihnen solche keine Studien, die ganze Nachrichtenlage Valencia. Ich gehe davon aus, dass das Spiel, Reaktionen anfangs häufig begegnet? war undurchsichtig. Das hat mir schon Sor- wenn alles vorbei ist, genauer betrachtet LECZYCKI Mir war klar, dass ich mir mit solchen gen gemacht. Und wenn ich mal auf die werden muss im Hinblick auf seine Aus- Maßnahmen keine Freunde mache. Aber Schweinegrippe von 2009 zurückkomme – wirkungen in Italien und Spanien. ich war mir sicher, dass diese Maßnahmen ja, beim H1N1-Virus gab es einen gewaltigen Früchte tragen werden. Meine Kolleginnen Unterschied zur heutigen Lage: Damals hat- Erst am 31. März meldete die Graf Recke und Kollegen im Pandemiestab und ich ten wir sehr schnell einen Impfstoff und Stiftung einen ersten positiv auf das wurden teilweise belächelt, aber die andere eine pharmazeutische Antwort. Ich habe Virus getesteten Mitarbeitenden. Eine Seite der Medaille war, dass wir von vielen mir den Verlauf noch mal rausgesucht: 2009 Folge der früh ergriffenen Maßnahmen? Mitarbeitenden in unseren Entscheidungen hatten wir in Mexiko im Frühjahr die ersten Ja, wir hatten unsere »Premiere« erst am gestärkt wurden. Und dafür möchte ich Fälle und wir hatten schon im Spätsommer 31. März, als eine Kollegin aus dem Urlaub mich hier auf diesem Weg auch bedanken. einen Impfstoff; und zwar einen, den man aus einem Risikogebiet kam. Aber seit dem Es dauerte auch nicht lange, ungefähr eine sehr schnell produzieren konnte. Deshalb 12. März galt für die Stiftung die allgemeine Woche, da haben viele gesehen: Das, was war es eine komplett andere Lage. Anweisung für Reiserückkehrer aus Risiko- wir gemacht haben, war richtig und wichtig. gebieten, und zum Glück hat die erkrankte Wir haben schon sehr viel früher mit den Kollegin dann auch nach ihrer Rückkehr Abstandsmaßnahmen angefangen als die gar nicht erst ihren Dienst aufgenommen. Politik – das ist ja auch klar, ein Bundesland Dieser Fall zeigt, dass wir auch da frühzeitig braucht natürlich viel mehr Vorlauf als eine aufgestellt waren. Ich vermute, dass wir Stiftung. Lassen Sie mich jedoch sagen: Es infolge der frühzeitigen Maßnahmen einen wäre mir viel lieber, wenn das Virus an der unkontrollierten Ausbruch verhindern Grenze Halt gemacht hätte und Sie nach konnten, wenn ich es auch nicht beweisen Neumünster hätten fahren können. kann. Das ist das »Präventionsparadox«, wenn Menschen nicht sehen, welche Krise Ende Januar 2020 wurde der erste hätte entstehen können, wenn man nicht Infektionsfall in Deutschland bekannt. präventiv gehandelt hätte, und deshalb Ein Mann aus Bayern habe sich infiziert, ihren Unmut über die eingeführten Maß- meldete das Bundesgesundheitsamt und nahmen zeigen. Im Pandemiestab arbeiten hielt das Risiko für die Ausbreitung des Am 4. März tagte erstmals eine Pandemie- wir unermüdlich daran, einen Ausbruch zu Virus damals für »nach wie vor gering«. Projektgruppe, innerhalb weniger Tage verhindern. Wir professionalisieren ständig Ich war damals auch wenig beunruhigt. wurde dann der Projektstab unter Ihrer die Maßnahmen, machen Fallverfolgungen, 2009 war ich schon Teil der Pandemie- Leitung und Beteiligung verschiedener um das Infektionsgeschehen zu steuern. Wir Projektgruppe der Graf Recke Stiftung, Geschäftsbereichsvertreter eingerichtet. können die Ansteckung nicht verhindern, als die Schweinegrippe aufkam – wir Schon in der darauffolgenden Woche wir können die Ausbreitung nur mini- haben nur wenige Male getagt, dann war wurden reihenweise Veranstaltungen mieren. Unsere Pandemiepläne isolieren der Spuk schon wieder vorbei. Ich ging in der Graf Recke Stiftung abgesagt schon im Vorfeld, trennen die Bereiche für davon aus, dass es dieses Mal ähnlich und alle Kontakte minimiert. Zu diesem Bewohner und Personal, schaffen Korridore laufen würde. Können Sie sich erinnern, Zeitpunkt wurde zum Beispiel in Leipzig für die Schichtwechsel. Wir wissen nicht, wann Sie im Laufe der Coronavirus- am 10. März noch vor über 42.000 wann und wo eine Infektion auftritt, aber Ausbreitung gemerkt haben: Hier kommt Zuschauern im ausverkauften Stadion wenn, dann möchten wir vorbereitet sein. etwas viel Gewaltigeres auf uns zu? ein »Champions League«-Fußballspiel Ich hatte ja keine Glaskugel, aber ja, das ausgetragen. Warum war die Graf Recke Als die Regierungschefs nach Ostern einige Risiko wurde in Deutschland als gering ein- Stiftung mit ihren Einschränkungen zu Lockerungen beschlossen, haben Sie im geschätzt. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt diesem Zeitpunkt schon so weit vorn? Pandemie-Mittagsmeeting mit Vorstand einen epidemischen Ausbruch; man muss Aus Italien kamen zu der Zeit schon und Geschäftsbereichsleitern gewarnt: genau zwischen einer örtlichen Epidemie erschreckende Bilder und Nachrichten, die »Bis jetzt waren wir der Bundes- und den und einer weitverbreiteten Pandemie unter- wir im Pandemiestab als aktuelle Alarm- Landesregierungen bei den Maßnahmen scheiden. Die Epidemie kam von China in zeichen interpretiert haben. Und deshalb immer einen Schritt voraus. Jetzt empfehle den Iran, nach Südkorea und auch auf ein konnte ich auch nicht verstehen, warum ich, immer einen Schritt hinter den Kreuzfahrtschiff, die Diamond Princess. in dieser Situation in der Nähe von Heins- Maßnahmen zu bleiben.« Warum? Später war das Virus in Italien und damit berg das Fußballspiel zwischen Borussia Wir sind in Deutschland in einer guten in Europa. Und das hat mir gezeigt, dass es Mönchengladbach und Borussia Dortmund Situation, weil wir mit den Distanzierungs nur eine Frage der Zeit ist, bis aus örtlichen am 7. März stattfinden konnte. Das war nur maßnahmen so früh angefangen haben. In 2/2020 recke:in 7
GRAF RECKE STIFTUNG v ielen Ländern begannen diese Maßnahmen INFO erst, als schon Todesfälle bekannt waren, Am 25. Mai begann die Graf Recke Stiftung und erst als es davon immer mehr gab, hat in Zusammenarbeit mit dem Düsseldorfer man das Geschehen ernst genommen. Man muss ja berücksichtigen: Die Todesfälle »Der Faktor Zeit Gesundheitsamt mit Reihentests. Als erstes wurden 250 Personen in den Unterrather haben eine Verzögerung von einem Monat saß uns immer Senioreneinrichtungen getestet. Das Ergeb- gegenüber der Infektion. In Deutschland im Nacken.« nis: Acht Mitarbeitende erhielten positive haben wir diesen Monat, der da vergeht, Testergebnisse, davon sieben in der statio- nicht vergeudet, weil man hier sehr früh und nären Einrichtung Zum Königshof, sowie MAREK LECZYCKI fünf Bewohner des Seniorenzentrums. Sie in der Breite mit der Diagnostik begonnen hat. Kliniken und niedergelassene Labore alle zeigten und zeigen keinerlei Symptome. waren schon Mitte Februar in der Lage, Für den Pandemiekoordinator der Graf Recke Stiftung, Marek Leczycki, ein deutli- weitflächig zu diagnostizieren, und haben cher Hinweis auf eine signifikante Dunkel- komplett auf die Coronatestung umgestellt. ziffer auch in der gesamten Gesellschaft. Über den März haben sie die Kapazitäten Weitere Ergebnisse und Erkenntnisse unter weiter erhöht. So haben wir in den Zei- www.graf-recke-stiftung.de/coronavirus ten nach Karneval nicht nur sehr schnell über die importierten Fälle, etwa aus Ischgl, Bescheid gewusst, sondern hatten zu die- sem Zeitpunkt bereits Zufallsbefunde, weil Im Pandemiestab koordinieren wir komplexe Eigentlich schlafe ich meist ganz gut, denn die Labore neben der normalen Influenza- Themen, denn die Graf Recke Stiftung betreut nach einem solch anstrengenden Tag bin testung auch SARS-CoV-2-Testungen mit- ja ganz verschiedene Menschen: Senioren, ich einfach todmüde. Ich muss aber ehrlich laufen ließen. Da entstand schon ein ganz Kinder, Menschen mit Behinderung, psy- gestehen, dass ich am Anfang im März schon anderer Eindruck, weil wir gesehen haben, chisch Erkrankte – wir haben eine ganz bunte sehr angespannt war. Da wurde mir eine Auf- dass das Virus im Land zirkuliert. Und des- Mischung an Menschen mit sehr individu- gabe übertragen, die mir kolossal erschien halb macht es mir Sorge, wenn ich mir ellen Bedürfnissen. Das Thema der Isolation und vor der ich bis heute einen sehr großen die Lockerungen anschaue und dass wir und der inneren Isolation haben wir frühzeitig Respekt habe. Jedoch konnte ich mich mit gerade dabei sind, unseren Vorsprung in aufgegriffen und uns da auch mit den Kollegen vielen engagierten Kolleginnen und Kollegen Deutschland vielleicht komplett zu ver- vor Ort in den Einrichtungen und Gruppen gut aufstellen. Wir haben uns anfangs mit spielen. Diese Meinung vertreten ja auch zusammengetan. Im Pandemiestab geben wir dem Pandemiestab eingeschlossen und ein unsere führenden Virologen. Wenn wir von einen Handlungsrahmen, in dem sich dann Verfahren nach dem anderen erarbeitet, wir der ersten Welle sprechen, da hatten wir ein auch die Einrichtungen und Gruppen ent- haben alle möglichen Szenarien erdacht. Wir örtliches Infektionsgeschehen. Wenn wir sprechend bewegen. Das heißt, dass die Kol- wussten ja überhaupt nicht: Wann kommt eine zweite Welle bekommen sollten, dann legen vor Ort auch kreativ sind. Zum Beispiel das Infektionsgeschehen in unsere Städte wäre es eine wirkliche pandemische Welle, die Fensterbesuche von Angehörigen in unse- und die Landkreise, in denen sich unsere Ein- denn wir hätten dann nicht nur ein örtliches ren Pflegeeinrichtungen, die sind nur möglich richtungen befinden? Der Faktor Zeit saß uns Infektionsgeschehen wie in Heinsberg oder unter Einhaltung der Vorgaben und in engem immer im Nacken. Es hätte ja sein können, Tirschenreuth. Im Moment haben wir ein Austausch mit den Mitarbeitenden vor Ort. dass es erst in ein paar Wochen geschieht oder ortsverteiltes Geschehen. Das sieht man, Und auch die Videobesuche kurz vor Ostern auch schon in ein paar Tagen … Diese Woche, wenn man auf die Landkarte guckt, das sind haben wir aus dem Stand heraus gemeinsam in der wir uns hier eingeschlossen haben, schon drastische Unterschiede bei den Fall- umgesetzt, damit Bewohner zu Ostern auch das wurde mir auch von meinem Pandemies- zahlen zwischen den Bundesländern. Aber Kontakt mit ihren Lieben aufnehmen konn- tab so rückgemeldet, war eine besondere dieser Anfangseffekt wird sich immer weiter ten. Das war eine ganz tolle Zusammenarbeit Woche, da haben wir viele Erfahrungen verwischen. Das lässt sich an der Spani- mit den Mitarbeitenden vor Ort. sammeln können und es hat uns auch sehr schen Grippe von 1918 nachvollziehen, die zusammengeschweißt. Die Sache mit den gut dokumentiert ist. Damals gab es örtliche Wir sehen uns ja täglich in der Schutzmaterialien hat mir schon Sorgen epidemische Fälle im Frühjahr, über den Videokonferenz der Steuerungsgruppe, gemacht, vor allem im März. Mittlerweile Sommer hat sich das Influenzavirus ver- dem sogenannten Mittagsmeeting mit konnten wir uns gut aufstellen, weil die ver- breitet, aber erst in der zweiten Welle im Vorstand und Geschäftsbereichsleitern. sprochenen Lieferungen nach und nach ein- Herbst und Winter ging es richtig los. Dort tragen Sie mit großer Gelassenheit gegangen sind, aber auch durch die engagier- Dramatisches vor. Wochenlang haben ten Ehrenamtlichen und Mitarbeitenden, die Die Maßnahmen zur Eindämmung Sie und Ihre Mitstreiter vor Engpässen selbst Masken genäht haben. des Virus haben aber auch erhebliche bei der Schutzausrüstung gewarnt, von Auswirkungen auf die Menschen in horrenden Preisen für Desinfektionsmittel Als Pflegewissenschaftler und -experte der Graf Recke Stiftung. Ihnen droht und beschlagnahmten Lieferungen sind Sie auf dem Gebiet einer Pandemie Vereinsamung und viele können, etwa von Schutzmasken an den Grenzen deutlich kompetenter als die meisten. Weil aufgrund von einer geistigen Behinderung berichtet. Konnten Sie in diesen Zeiten die Pandemie seit Monaten Tagesthema oder Demenz, auch kaum nachvollziehen, eigentlich ruhig schlafen oder von ist, scheint aber inzwischen nicht nur jeder was passiert und warum. Wie können etwas anderem träumen als davon, eine Meinung dazu zu haben, sondern wir als soziales Unternehmen bei allen dass die versprochene Anlieferung auch gleich viel Wissen. Wie empfinden Sie harten Maßnahmen menschlich bleiben? von Schutzkleidung endlich erfolgt? die Debatten in Zeiten des Coronavirus? 8 recke:in 2/2020
GRAF RECKE STIFTUNG Der Pandemiestab mit Vertretern aus allen Bereichen tagt regelmäßig – natürlich mit Abstand. Von links: Jesse Büstrin, Sylvia Smajgert, Thorsten Banna, Marek Leczycki und Verena Würz. Ich informiere mich selten über die gän- jemanden, der wissenschaftlich interessiert Diskussionen. Es ist an der Zeit, einen küh- gigen Medien. Da werden die Dinge doch ist, ist es eine sehr spannende Zeit. Wir len Kopf zu bewahren und darauf zu hören, sehr aus dem Kontext genommen. Ich erleben im Moment Wissenschaft live. was seriöse Quellen publizieren. lese viele wissenschaftliche Publikationen Ich kenne das Gefühl von Fußball- Schon vor einigen Wochen haben Sie mir und höre, was unsere Virologen und Epi- Weltmeisterschaften: Plötzlich werden gesagt, dies seien die anstrengendsten demiologen zu sagen haben. Wir haben alle zu Bundestrainern und großen Zeiten Ihres Lebens. Dabei strahlen in Deutschland das Glück, mit Professor Fußballexperten. Mir scheint, Ihnen Sie aber selbst eine große Ruhe und Drosten, dem Direktor an der Berliner muss es dieser Tage beim Thema Bedachtsamkeit aus. Schauen Sie Charité, einen der führenden Virologen zu Pandemie so ergehen – vermeiden Sie optimistisch auf die weiteren Coronazeiten haben. Es ist sehr spannend, einen Exper- es im privaten Kreis, über die Pandemie und das, was danach kommt? ten in unserer Sprache zu hören, der uns zu sprechen, um sich nicht mit zu Ich kam ja zu diesem Job wie die Jungfrau die wissenschaftlichen Expertisen näher- viel Halbwissen herumschlagen zu zum Kinde, aber ich weiß, dass ich irgend- bringt. Ich bin auch sehr gespannt auf die müssen? Oder geht Ihr Bemühen um wann auch einfach wieder Einrichtungs- Ergebnisse der Heinsberg-Studie, aus der Aufklärung und Beratung dort weiter? leiter sein darf. Das heißt: Ich bin mir sicher, wir wahrscheinlich neue Erkenntnisse über Ich ärgere mich, wenn ich fragwürdige dass es eine Zeit nach Corona geben wird. // die Kontaktinfektion erhalten werden, Thesen oder Verschwörungstheorien höre. Das Interview wurde Anfang Mai geführt. früher sagte man dazu Schmierinfektion. Aber ich verstricke mich nicht in sinnlose Seitdem hat sich schon wieder vieles Über die Zwischenergebnisse, die sonst nur verändert. Laufend aktuell informiert auf Fachtagungen diskutiert werden, wird die Graf Recke Stiftung unter nun in aller Öffentlichkeit gesprochen. Für www.graf-recke-stiftung.de/coronavirus 2/2020 recke:in 9
GRAF RECKE STIFTUNG Chronologie einer Pandemie Ende November 2019 treten in der chinesischen »Ich vermute, dass wir infolge unserer frühzeitigen Stadt Wuhan erste Fälle einer unbekannten Maßnahmen einen unkontrollierten Ausbruch ver- Lungenerkrankung auf. Wohl kaum jemand konnte hindern konnten«, sagte Pandemiekoordinator sich zu diesem Zeitpunkt vorstellen, welche Aus- Marek Leczycki Anfang Mai, »wenn ich es auch wirkungen dieses Ereignis weltweit haben würde. nicht beweisen kann.« Dies sei das »Präventions- In einer Chronologie der Ereignisse rekapitulieren paradox, wenn Menschen nicht sehen, welche Krise wir hier die Entwicklung in der Graf Recke Stif- hätte entstehen können, wenn man nicht präventiv tung vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage. gehandelt hätte«. Das Coronavirus hat Deutschland 27. Januar erreicht: Das Bundes- gesundheitsamt meldet einen bestätigten Fall aus Bayern und stuft das Risiko für die Ausbreitung des Virus als »nach wie vor gering« ein. Bundesgesundheits- und 27. Februar Bundesinnenministerium setzen den im Pandemieplan des Bundes vorgesehenen Krisenstab ein. 28. Februar Allgemeine Lage Die Graf Recke Stiftung eröffnet eine zentrale Infoplattform zum Thema Coronapandemie und bildet eine Projektgruppe. Das Robert Koch-Institut schätzt das Risiko für die Bevölkerung als »mäßig« ein. 2. März 4. März In ihrer ersten Sitzung beschließt die Projektgruppe die Einrichtung eines Pandemiestabs und ernennt Marek Leczycki, Leiter der Senioreneinrichtung Zum Königshof, zum Pandemiekoordinator sowie Joachim Köhn, Geschäftsbereichsleitung des Geschäftsbereichs Graf Recke Wohnen & Pflege, zum stellvertre- tenden Pandemiekoordinator. 10 recke:in 2/2020
GRAF RECKE STIFTUNG Graf Recke Stiftung Das 17. März Robert Koch-Institut passt seine Ri- sikoeinschätzung den erhöhten Infekti- onsraten an und spricht nun von einem »hohen« Risiko für die Bevölkerung. 16. März Auf Weisung des NRW-Gesund- Die Schließung der Schulen und Kitas betrifft über 900 der gut 1.000 heitsministeriums schließen alle Inklusionsbegleiterinnen und -begleiter des Familien unterstützen- Kindertageseinrichtungen und Schulen den Dienstes. Auch die Schulen und Kitas der Stiftung schließen ab dem 16. März. Angehörigen solcher und bieten gleichzeitig eine Notbetreuung für Angehörige der Berufsgruppen, deren Tätigkeit der Aufrecht- sogenannten »Schlüsselpersonen« an. erhaltung zentraler Funktionen des öffentlichen Lebens dient, werden Notbetreuungen geboten. 13. März Die NRW-Landesregierung verhängt ein Besuchsverbot für Einrichtungen der Pflege und der Eingliederungshilfe. 11. März Die Pandemiepläne der Graf Recke Stiftung Bundesgesundheitsminister Spahn ruft wiederholt dazu auf, treten in Kraft. roßveranstaltungen mit mehr als 1.000 Besuchern abzusagen. G Derweil finden in der »UEFA Champions League« in Leipzig und Liverpool internationale Spiele mit über 40.000 Zuschauern statt. 9. März Hygienemaßnahmen bei Verdacht auf SARS-CoV-2 treten in der Graf Recke Stiftung in Kraft. 8. März Der erste Todesfall infolge des Virus in Deutschland wird gemeldet. 7. März Nach und nach werden in der Stiftung alle Dienstreisen und Veranstaltungen abge- sagt, unter anderem auch die Mitarbeitervoll- versammlungen an verschiedenen Standorten. Fortsetzung » 2/2020 recke:in 11
GRAF RECKE STIFTUNG 18. März Die Tagespflege im Quartiershaus Am Röttchen in Düsseldorf-Unterrath sowie die Arbeits- therapie und die Praxis für Ergotherapie der Graf Recke Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik müssen schließen. 19. März »Unsere präventiven Maßnahmen dienen dazu, den Alltagsbetrieb in den kritischen Infrastrukturen wie Pflege und Betreuung, aber auch in unserer Verwaltung aufrechtzuerhalten und handlungsfähig zu bleiben«, sagt Finanzvorstand Petra Skodzig. Bund und Län- 22. März der einigen sich auf strenge Aus- gangs- und Kontakt- beschränkungen. 26. März Eine Spende der Bürgerstiftung Düsseldorf: Mit Tablets können Bewohnerinnen und Bewohner der Senioreneinrichtungen mit ihren Angehörigen in Kontakt treten. 31. März Ende März sind nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität weltweit Eine erste Mitarbeiterin der Graf Recke Stiftung wird positiv auf das Virus über 800.000 Menschen infiziert. getestet. »Der Kollegin geht es sehr gut«, betont Pandemiekoordinator Marek Fast 40.000 Menschen sind demnach an Leczycki. Sie habe nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub keinerlei Kontakt Allgemeine Lage Covid-19 gestorben. Rund 172.000 Menschen zu anderen Mitarbeitenden oder Klienten gehabt. Die Maßnahmen der gelten als geheilt. Für Deutschland melden die Stiftung hätten gut gegriffen. Pandemiekoordinator Leczycki empfiehlt Experten über 67.000 Fälle und über 680 Tote. die Absage aller Veranstaltungen in der Stiftung bis Ende Mai. Die bundesweit geltenden Kontaktbeschränkungen 1. April werden bis zum 19. April verlängert. 3. April In allen Einrichtungen der Graf Recke Wohnen & Pflege gilt »Mund-Nasen-Bedeckungspflicht«. 7. April Im FuD wird für 884 von insgesamt 1.032 Inklusionsbegleitern Kurzarbeit eingeführt. 12 recke:in 2/2020
GRAF RECKE STIFTUNG 30. Mai Graf Recke Stiftung Die ersten Reihentests von 250 Personen in Senioreneinrichtungen ergeben 13 positive Befunde bei Personen. Keiner von ihnen weist Symptome auf. Die Zahl der bestätigten Infektionen steigt damit auf 22, davon sind 16 Mitarbeitende. 25. Mai In den Einrichtungen der Graf Recke Stiftung beginnen Reihentests. 21. Mai Von den neun infizierten Personen in der Graf Recke Stiftung sind acht wieder genesen. 10. Mai Aufhebung des Besuchsverbots in stationären Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen. 7. Mai In der Graf Recke Stiftung gibt es neun bestätigte Infektionen. Es handelt sich um eine Klientin und acht Mitarbeitende. Vier der infizierten Personen sind bereits wieder genesen. 6. Mai Bundes- und Landesregierungen vereinbaren umfassende »Locke- rungen« der Ausgangs- und Kontakt beschränkungen vom 22. März. 1. Mai Der Monat Mai wird als »Probemonat« zum Umgang Das Robert Koch-Institut schätzt das Risiko für mit der Mund-Nasen-Bedeckung für Mitarbeitende die Gesamtbevölkerung weiterhin als »hoch« in den Kindertageseinrichtungen genutzt. ein, für Risikogruppen als »sehr hoch«. 27. April In Nordrhein-Westfalen wird eine »Mund-Nasen-Bedeckungspflicht« verhängt. 24. April Die Graf Recke Stiftung dringt auf umfassende Reihentests und beginnt Planungen mit dem Gesundheitsamt. 22. April In allen Einrichtungen der Graf Recke Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik gilt »Mund-Nasen-Bedeckungspflicht«. 17. April In den Senioreneinrichtungen der Graf Recke Wohnen & Pflege werden »Fenster besuche« eingeführt. 9. April Nach vier Mitarbei- tenden ist nun erst- Chronologie mals eine Klientin positiv auf das Coronavirus getestet worden. Die jeweils aktuelle Lage in der Graf Recke Stiftung: www.graf-recke-stiftung.de/coronavirus 2/2020 recke:in 13
ERZIEHUNG & BILDUNG Der Hintergrund ist klar: Die Ausgangs- beschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus sahen vor, dass sich die Men- schen nur noch an einem Lebensmittelpunkt aufhalten dürfen. So musste in Absprache mit den Eltern entschieden werden, ob die Kinder für die Dauer der Einschränkungen entweder zu Hause oder in der Einrichtung leben wollten. Und so stand der Fachbereich vor einer großen Aufgabe: Wie soll die durchgehende Wochenend- und Ferienbetreuung kurz- fristig organisiert werden? »Das steht ja alles so nicht in den Arbeitsverträgen und betrifft auch den Alltag, die Feiertage und die Familien der Mitarbeitenden«, macht Sabine Pletziger klar. Doch sowohl aus Wittlaer als auch aus Ratingen kam die Zusage: »Wir kriegen das hin«, da seien sich alle schnell einig gewesen, berichtet die Zusammenhalt Projektleiterin. Man könne wirklich froh sein, solch engagierte Mitarbeitende zu haben, zeigt sie sich dankbar. »Wir konn- statt Lagerkoller ten nur versuchen, das zu unterstützen.« So gebe es, wo nötig, stundenweise eine zusätzliche Honorarkraft. Dass die Kolleginnen und Kollegen Enor- Die Coronapandemie hat den Alltag und das Leben aller massiv mes leisten, ist Sabine Pletziger bewusst. Für verändert. Das gilt auch für die Kinder und Jugendlichen sowie die die Kinder und Jugendlichen seien ja auch Mitarbeitenden in zwei teilstationären Wohngruppen der Graf Recke die Schulzeiten weggefallen. Und so durf- Erziehung & Bildung in Düsseldorf-Wittlaer und Ratingen. Doch neben ten sie nun etwas länger schlafen als sonst, häufigem Händewaschen und konsequentem Abstandhalten brachte es gab Bewegungseinheiten, im Anschluss wurde außerhalb der Osterferien in den die Pandemie eine weitere auffällige Veränderung mit sich: Die Wohn- Gruppen unterrichtet, eine verlängerte Mit- gruppen arbeiteten vorübergehend unter einem anderen Namen. tagspause mit Vorlesestunde schloss sich an und das großzügige Gelände wurde noch mehr als sonst genutzt. Statt des wöchent- Von Achim Graf lichen Anrufs zu Hause standen die Schüler zudem täglich mit ihren Eltern in Kon- »5-Tages-Gruppen« heißen die Angebote, takt. Vielen Eltern sei die Trennung sehr die eine zeitlich begrenzte Hilfe und schwergefallen, sagt Sabine Pletziger. »Es Unterstützung für die Familien sein sol- ist wichtig, dass sie wissen: Meinem Kind len. Die Kinder und Jugendlichen werden geht’s gut.« von Sonntagabend bis Freitagnachmittag Und das ist keine Floskel, denn es gibt in einer Gruppe betreut und gefördert, die sie tatsächlich, die positiven Seiten der Pan- Wochenenden, Feiertage und Teile der demie, so Sabine Pletziger. Der befürchtete Schulferien verbringen sie bei ihren Fami- Lagerkoller sei weitgehend ausgeblieben, lien. Normalerweise. Doch in Zeiten des die Stimmung in den Gruppen gut: »Der Coronavirus war dieser Wechsel zeitweise Zusammenhalt in den Gruppen ist in der nicht mehr gestattet, wie Sabine Pletziger, Krise sogar gewachsen.« // Assistentin der Fachbereichsleitung und Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Projektleiterin im Fachbereich II der Graf aktualisierten Beitrag von Achim Graf, Recke Erziehung & Bildung, erläutert. Die der am 17. April auf unserer Seite Konsequenz: Die 5-Tages-Gruppen wurden www.graf-recke-stiftung.de/ zu 7-Tages-Gruppen umorganisiert. coronavirus/geschichten erschienen ist. 14 recke:in 2/2020
GRAF RECKE STIFTUNG Großeinkauf in Coronazeiten Einkaufen gehen wurde gerade zu Anfang der Coronapandemie zu einer besonderen Herausforderung: Durch Einlasskontrollen bildeten sich lange Schlangen vor Super- märkten und Drogerien, wer hineinkam, fand bei einigen Produkten wie H-Milch, Nudeln oder Klopapier nur noch leere Regalreihen vor. Wer jedoch gleich 20 oder 30 Personen in Wohngruppen oder Häu- sern der Graf Recke Stiftung zu versorgen hatte, stand vor deutlich größeren Heraus- forderungen. Um im Erfolgsfall nicht auch noch in Hamstererverdacht zu geraten, waren Ideen gefragt. Die Mitarbeitenden der Stiftung wurden kreativ – und fanden an vielen Stellen Unterstützung. Von Achim Graf J ede Menge Wurst und Käse im Einkaufswagen, dazu 24 kommenden Filialleiter, der alle Mitarbeitenden über die Liter Milch für 24 Menschen, die im Haus Gießerstraße Bedürfnisse von Natascha van Ekeris informiert hat. Sie ist des Heilpädagogischen Verbunds in Ratingen leben, die Hauswirtschafterin in den beiden Intensivwohngruppen sind eigentlich völlig normal. In Coronazeiten aller- Kido und Doki im Dorotheenviertel Hilden, für insgesamt 17 dings offenbar nicht mehr: Bereichsleiter C hristoph Personen kauft van Ekeris regelmäßig ein. Da sei der Ein- Schluckebier spricht von persönlichen Anfeindungen, die kaufswagen natürlich schnell voll, berichtet sie. Auch schrä- Mitarbeitende zu Beginn der Pandemie im Supermarkt ge Blicke hatte sie deswegen schon auf sich gezogen. Seit sie erlebt hätten. »Sie wurden genötigt, sich zu erklären«, im Markt eine Bescheinigung der Graf Recke Stiftung, ganz berichtet er. Guter Rat war in diesem Fall allerdings nicht offiziell mit dem Logo der Graf Recke Stiftung im Briefkopf, teuer, sondern kam kostenlos aus Mettmann. vorgezeigt habe, sei das vorbei. »Ich habe mich sehr darüber Der Leiter der dortigen Werkstatt für angepasste Arbeit gefreut, wie freundlich und bemüht alle seitdem sind«, sagt Benninghof der Evangelischen Stiftung Hephata habe um van Ekeris. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen fertigte sie sogar die Zustände in den Supermärkten gewusst – und einen eine Dankesurkunde für die »Netto«-Mitarbeitenden aus. Lieferdienst durch den Großhandel organisiert, freut sich Auch im Wohnhaus in Kaarst gab es zunächst Probleme: Bereichsleiter Schluckebier. »Dieser nimmt nun von uns »Wir bekamen schlicht kein Klopapier mehr«, erinnert sich Bestellungen entgegen und liefert kontaktlos in einen Bezugstherapeutin Birgit Honnef. Die Einrichtung für Men- Vorraum im Wohnhaus.« So seien seine Mitarbeitenden schen mit psychischen Erkrankungen fuhr deshalb drei- und die Bewohner zusätzlich vor dem Virus geschützt gleisig: Zum Einkauf bei Aldi fuhren die Mitarbeitenden worden, wenngleich es dem Inklusionsgedanken freilich nun ebenfalls mit einer Bescheinigung, fehlende Produkte zuwiderlaufe. besorgte man sich im Zweifel im 20 Kilometer entfernten Bereichsleiter Frank Schwanz vom nahen Haus Haar- Großmarkt in Düsseldorf. Dass die Kolleginnen und Kol- bach Höfe vertraute auf ein anderes Prinzip: Die Ver- legen in Coronazeiten in besonderem Maße zusammen- antwortlichen vom Ratinger »Real«-Markt zeigten großes stehen, hat Birgit Honnef allerdings ebenfalls erlebt: Als es Verständnis für die Situation – und stellten nun jedes in Sachen Essen einmal eng wurde, nahm die Großküche Mal einen Mitarbeiter ab, der den Großeinkauf der Mit- der Graf Recke Stiftung an der Grafenberger Allee kurzer- arbeitenden aus der Stiftung begleitete. Eine schöne Geste hand eine Bestellung aus dem Kaarster Wohnheim an. // in schwierigen Zeiten. Bei diesem Artikel handelt es sich um einen aktualisierten FREUNDLICHKEIT STATT SCHRÄGER BLICKE Beitrag von Achim Graf, der am 8. April auf unserer Seite Im »Netto« an der Düsseldorfer Straße in Hilden gab es www.graf-recke-stiftung.de/coronavirus/geschichten zwar keinen Geleitschutz, aber einen äußerst entgegen- erschienen ist. 2/2020 recke:in 15
? DIE ERZIEHUNG & BILDUNG NAIVE Wie erklären Sie Ihren Kindern FRAGE eigentlich das Coronavirus? Diese Frage beantworten in dieser Ausgabe gleich drei Leiterinnen unserer Kitas. Denn das Virus ist auch dort natürlich ein Riesenthema: Warum tragen die Großen plötzlich Masken? Weshalb sollen Menschen voneinander Abstand halten? Was soll das überhaupt sein, ein Coronavirus? Und warum ist Singen beim Händewaschen so wichtig? M W I it dem Slogan »Wir sind solida- ir haben unsere Handpuppe m Elementarbereich ist das spieleri- risch« sind wir in »die andere Welt« Paul auch in die Notgruppe sche und pädagogische Heranführen (Zitat eines Kindes) eingestiegen. gehen lassen und erst mal an diese Ausnahmesituation der sprin- Die Masken verändern das Gesicht, die erklärt, warum nur einige Kinder in der gende Punkt: Die Kleinsten unter uns kön- Stimme hört sich anders an und die Mimik Kita sind. Da die Kinder viele Informatio- nen die Ausnahmesituation nicht begreifen ist nicht mehr sichtbar. Als Einstieg hat nen schon hatten und auch unbedingt los- und verstehen. Wir Erwachsenen geben eine Kollegin eine Bildkarte gemalt und eine werden wollten, ergab sich sehr schnell ein den Kindern die tägliche Sicherheit, die Geschichte dazu geschrieben: »Warum trägt Gesprächskreis, in dem alle Infos auf den Struktur, ebenso wie Grenzen, Regeln und das Krokodil eine Räubermaske?« Manch- Tisch kamen. Diese haben wir besprochen Konsequenzen. Aber wir sind auch dafür mal sieht man wirklich gefährlich aus, wie und direkt mit den Veränderungen im All- zuständig, ihnen Raum zu geben, neue ein Räuber, oder so schön wie die Katzen- tag verknüpft. Ein Kind hat am darauf- Dinge zu erfahren. Es ist also wichtig, sich mama auf unserer selbst gestalteten Bild- folgenden Tag ein Buch mitgebracht, das auf Dinge und Situationen einzulassen, karte (siehe unten). Fleißig haben die Kinder beschreibt, wie der Körper funktioniert, wie die nicht greifbar und absehbar sind. Wir ihre Masken bemalt und vor den Spiegeln es ist, wenn man krank wird, was man tun haben den Kindern Raum gegeben, sich von ausprobiert, auch die Kleinen. Für die Ted- kann, um wieder gesund zu werden, und dem Virus ein eigenes Bild zu machen. Mit dys und Puppen wurden von älteren Kin- wie man sich am besten schützen kann, um vielerlei W-Fragen – was, wieso, weshalb, dern Masken genäht. Dabei stellt man doch gesund zu bleiben. warum? – haben wir die Kinder zum Nach- ab und zu fest, wie spitz eine Nadel ist. denken angeregt, sie sind untereinander ins Daniela Drengeburg, Leiterin der Alle Viren, nicht nur Corona, sind Gespräch gekommen und haben viele tolle Kita Friedrichskothen in Ratingen unsichtbar. Mit ganz viel Zauberglitzer an Dinge erzählen können. den Händen der Kinder haben wir gemalt »Das Virus ist so klein, dass man es nicht und gespielt. Nun konnten die Kinder sehen kann!« »Es ist grün und hat kleine sehen, wo die »kleinen unsichtbaren Viren« Zacken!« »Das sieht man nicht. Das sieht hängen bleiben und wo sie überall sind. man nur mit einer Lupe!« »Das Virus kommt Auch muss man gaaanz lange die Hände heimlich!« »Abstand halten!« »Mundschutz waschen, denn Viren kleben an den Händen tragen!« »Man muss sich immer die Hände wie Kleber. Aber das Händewaschlied oder waschen. Vor dem Essen, nach der Toilette auch der Glitzer an den Händen sagten uns, und wenn wir in die Kita kommen. Man wann die Zeit vorbei ist. muss zwei Mal ›Happy Birthday‹ singen, oder ›Alle meine Entchen‹!« Heike Ogrinz, Leiterin der Kita im Die Schutzmaske ist für uns alle bereits Walter-Kobold-Haus und der Kita an der ein fester Bestandteil im alltäglichen Leben Graf Recke Kirche in Düsseldorf-Wittlaer geworden und wird in verschiedenen Bereichen immer wieder zum Gesprächs- thema. Die Kinder erkennen uns auch hinter den Masken und lächeln uns an, sobald sie uns sehen. Bis jetzt nähen wir fleißig eigene Stoffmasken, um uns Erwachsene unter- einander schützen zu können. Die Kinder sind beim Herstellen der Masken immer aktiv dabei und dürfen helfen und unter- stützen. Wir sind natürlich sehr froh, dass unsere Schützlinge von der Maskenpflicht entbunden wurden und keine Masken tragen müssen. Jedoch ist es auch für die Kinder ein sehr spannendes und aufregendes Thema, zu sehen, was eine Nähmaschine alles kann! Katharina Brück, Leiterin der Kita Muhrenkamp in Mülheim an der Ruhr 16 recke:in 2/2020
ERZIEHUNG & BILDUNG »Wir denken an euch« D Die behördlich angeordnete Schließung aller ie Ausnahmesituation sei aus pädagogischer Sicht Bildungseinrichtungen wegen der Coronapandemie in der Tat nicht einfach, sagt Kitaleiterin Rabea Abraham. »Der Alltag in der Kita gibt den Kindern hat auch die Kleinsten getroffen. In der evangeli- eine Struktur«, erläutert sie. Der Wegfall sei für die Kinder, schen Kita Regenbogen in Düsseldorf-Angermund aber auch für deren Eltern, die Betreuung und Job irgend- etwa, die seit August 2019 zur Graf Recke Stiftung wie organisiert kriegen mussten, eine Herausforderung. gehört, war zwei Wochen lang der Betrieb völlig still- Und genau an diesem Punkt setzten Abraham und ihre gelegt, von März bis Mai fungierte die Einrichtung acht Kolleginnen an: Sie hielten Kontakt und inspirierten als Notgruppe, zeitweise für ein einziges Kind. Was Kinder und Eltern, den Alltag in Zeiten des Coronavirus bedeutet das aber für die anderen 43 Kinder, die kreativ zu gestalten. sonst dort spielen, lachen und lernen? Und was für Herzstück war die »Regenbogen-Ideen-Post«, die wäh- rend des »Lock-downs« jede Woche bei den Familien im ihre Eltern und das Team der Kita Regenbogen? E-Mail-Eingang landete – ein Newsletter voll von fantasie- vollen, kreativen Anregungen. Bewegungsspiele gehörten Von Achim Graf genauso dazu wie Yogaübungen oder Basteltipps. Sogar eine Anleitung zum Heranziehen von Tomaten und Gurken war schon darunter. Das sei die Coronaausgabe der »Regen- bogen-Post«, in der ansonsten alle vier bis sechs Wochen über Termine, pädagogische Inhalte und Veränderungen im Kitaalltag informiert werde, sagt Abraham. BILDER VON KINDERN IN AKTION Und das kam an: Es seien viele positive Rückmeldungen per Mail eingegangen, sagt die Leiterin. Eltern schickten Bilder von ihren Kindern in Aktion oder riefen auch einfach mal an, um nachzufragen, wie es denn so gehe, erzählt sie. »Eine Mutter kam sogar mit ihren beiden Kindern vorbei, hat ans Bürofenster geklopft und uns Kuchen vor die Tür gestellt.« Für die Erzieherin war das eine wirklich bezaubernde Geste: »Wir denken an euch und wir vermissen euch.« // Bei diesem Artikel handelt es sich um einen aktualisierten Beitrag von Achim Graf, der am 16. April auf unserer Seite www.graf-recke-stiftung.de/coronavirus/geschichten erschienen ist. 2/2020 recke:in 17
WOHNEN & PFLEGE Das freudige Die ersten 80 Bewohnerinnen und Bewohner von Haus Ahorn im Dorotheenviertel Hilden wechseln in den bereits errichteten Teil des neuen Ahorn- Warten auf Tag Karrees. Bevor dort das Konzept mit kleinen Y Hausgemeinschaften für Menschen mit schwerer Demenz gelebt werden kann, steht allerdings ein Umzug an, der detaillierte Planung erfordert – und am Tag X das Engagement aller verfügbaren Mitarbeitenden. Doch der Aufwand soll sich für alle lohnen, für den Tag Y und alle Tage danach. Von Achim Graf Vorfreude im Dorotheenviertel Hilden: Der erste Bauabschnitt wird aktuell vollendet. INFO Spenden Sie für das Ahorn-Karree! »Ihre Spende sorgt für mehr Lebensqualität und Freude im Ahorn-Karree! Unterstützen Sie etwa unsere Freizeitangebote, unseren Sinnesgarten oder die Ausstattung unserer Innenhöfe« Özlem Yılmazer, Leiterin Fundraising Spendenkonto: Graf Recke Stiftung KD-Bank eG Dortmund IBAN DE44 1006 1006 0022 1822 18 BIC GENODED1KDB Stichwort: RI Ahorn-Karree Telefon 0211. 4055-1800 o.yilmazer@graf-recke-stiftung.de 18 recke:in 2/2020
WOHNEN & PFLEGE E s wäre unter normalen Umständen schon keine leichte Aufgabe: 80 Bewohnerinnen und Bewohner mit fortgeschrittener Demenz und mehr als 100 Mitarbeitende werden im Dorotheenviertel Hilden an einem einzigen Tag umziehen – vom Haus Ahorn ins neben- an gelegene Ahorn-Karree der Graf Recke Stiftung. Doch die Zeiten sind wegen Corona nicht normal. Und so sind die Erwartungen an die Zukunft im neu errichteten Gebäude- teil zwar riesig, die Herausforderungen allerdings auch. Doch eine Alternative zu der Aktion gibt es nicht, wie Einrichtungsleiter Michael Zie- Die Umzugskartons stehen bereit im Ahorn-Karree. ger erklärt. »Das Ahorn-Karree steht für ein völlig neues Konzept mit kleinen Haus- gemeinschaften«, sagt er. So werden sich Große Umzugswagen werden hingegen DIE LEBENSQUALITÄT WIRD SICH ERHÖHEN nicht nur die ersten 80 von derzeit 109 kaum zum Einsatz kommen – vom Haus Und so bleibt die Aufgabe eine anspruchs- Bewohnern von Haus Ahorn entsprechend Ahorn zum neuen Ahorn-Karree sind es volle – doch eine, die sich lohnen soll: ihrem Lebensstil dort neu zusammenfinden. nur wenige Meter. Rund zwei Dutzend Laut Michael Zieger wird sich die Lebens- Auch die Mitarbeitenden werden komplett Möbelpacker sollen die Einrichtungsgegen- qualität der Bewohner durch das neue veränderte Teams bilden. Man könne den stände der Bewohner zu Fuß und mit Sack- Konzept deutlich erhöhen. Ausschließ- Neubau deshalb nicht in Abschnitten in karren transportieren. Mund-Nasen-Schutz lich Einzelzimmer und kleinere Wohn- Betrieb nehmen, erklärt Michael Zieger. sei dabei für alle selbstverständlich, sagt gemeinschaften bieten im Ahorn-Karree Michael Zieger. Zudem sei geplant, dass dann noch bessere Voraussetzungen, die ÜBER MONATE VORBEREITET die Umzugsprofis sich zuvor auf das Virus Menschen im Rahmen ihrer jeweiligen Und so wurden die Mitarbeitenden nicht testen lassen. Hintergrund sei, dass die ers- Möglichkeiten mit in den Alltag einzu- nur seit Monaten intensiv auf ihre ver- ten 40 Bewohner den Vormittag betreut in binden. Auch für die Mitarbeitenden wird änderten Aufgaben vorbereitet, der Umzug einem Aufenthaltsraum verbringen, wäh- sich die Arbeit positiv verändern, davon ist wurde genauso detailliert geplant. Kurz vor rend ihre neuen Räume vorbereitet werden. Katja Petrilos überzeugt. Redaktionsschluss dieser Ausgabe sollte er »Das geht also völlig kontaktlos«, sagt Zie- Im Mittelpunkt allerdings stehen für stattfinden, musste aber noch einmal ver- ger. Wenn dann am Nachmittag die andere die Pflegedienstleiterin die Bewohner. Das schoben werden. An den grundsätzlichen Hälfte umzieht, ließe sich dies aber nicht Ahorn-Karree sei die Zukunft, mit einem Anforderungen wird sich dadurch jedoch mehr garantieren. »Die ersten Bewohner Angebot weit über die Regelversorgung O nichts ändern: Neben den Profis eines Umzugsunternehmens werden laut Michael Zieger alle verfügbaren Mitarbeitenden am befinden sich dann ja bereits im Neubau. Und gerade dort lässt sich ein Kontakt nicht völlig verhindern.« hinaus, sagt sie. »Dafür ist und bleibt eine Unterstützung durch Spenden aus der Bevölkerung von großer Bedeutung.« So Tag X benötigt – und das hat seinen Grund. Pflegedienstleiterin Katja Petrilos be- wolle man etwa den künftigen Graf-Recke- Wegen der pandemiebedingten Be- stätigt: Man könne den Kontakt der Bewohner Saal gut ausstatten und den großen Sinnes- schränkungen dürfen Angehörige nicht untereinander, zu den Mitarbeitenden und garten abwechslungsreich gestalten. Des- unterstützend dabei sein. »Doch die Be- damit auch zu den Umzugsprofis nicht gänz- halb freut sich Katja Petrilos auch so auf wohner müssen an solch einem aufregenden lich unterbinden. »Unsere Bewohner sind ja den Tag Y, den Tag nach dem Umzug, »an Tag aufgefangen und begleitet werden«, fortwährend auf der Suche nach Orientie- dem wir all das hinter uns haben und das sagt der Einrichtungsleiter. Die meisten rung – und damit auch nach Halt und Nähe.« Ahorn-Karree mit Leben füllen«. // könnten ja gar nicht begreifen, was pas- siert. »Bei gesunden Menschen kann man das zumindest vorbereiten«, meint Michael Zieger. Bei Menschen mit Demenz sei das kaum möglich. Glücklicherweise aber seien die allermeisten Bewohner mobil. Für die wenigen bettlägerigen Bewohner werde die Feuerwehr Hilden Krankentragen für den Pflegedienstleiterin Einrichtungsleiter Transport zur Verfügung stellen. Katja Petrilos. Michael Zieger. 2/2020 recke:in 19
Sie können auch lesen