GASTFREUNDSCHAFT - BRI E F - Lebendige Gemeinde
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L T H A I N Inhalt „Gastfrei zu sein, vergesst nicht!“ Andreas Schäffer 3 Info zum digitalen Rundbrief 5 Wenn Türen sich öffnen Hartmut Bärend 6 Von der Kunst der Gastfreundschaft Bärbel Hartmann 9 Willkommens- und Ankommens-Kultur Heidi Josua 15 Berliner Gasthausmission Hans-Georg Filker 16 Gastfreundschaft im Hauskreis Markus Munzinger, Gudrun Strecker 21 Vesperkirche Stuttgart Gabriele Ehrmann 24 Adressen der Autoren: Pfarrer Hartmut Bärend Heidi Josua Pacelliallee 4A, 14195 Berlin. Postfach 63, 71550 Weissach im Tal hfb74@aol.com heidi.josua@auslaenderseelsorge.com Pfarrerin Gabriele Ehrmann Diakon Markus Munzinger Pfarrstraße 1, 70182 Stuttgart Grüninger Str. 25, 70599 Stuttgart Gabriele.Ehrmann@elkw.de markus.munzinger@elk-wue.de Direktor a.D. Hans-Georg Filker Pfarrer Andreas Schäffer Amboßweg 38 A, 13437 Berlin Büchsenstr. 37, 70174 Stuttgart hans-georg@filker-prowort.de andreas.schaeffer@cvjm-stuttgart.de Kirchenrätin Bärbel Hartmann Gudrun Strecker Bismarckstr. 12, 72574 Bad Urach Stuttgarter Str. 85/4, 71735 Eberdingen baerbel.hartmann@stifturach.de gudrun.strecker@gmx.net
angedacht … Andreas Schäffer „Gastfrei zu sein, vergesst nicht!“ Gastfreundschaft ist ein hoher Wert in zur selbstverständlichen Lebensäuße- vielen Kulturen rund um den Mittel- rung eines christlichen Lebens dazu. meerraum und weltweit. In der Bibel Wie sich Gastfreundschaft aber im Ein- spiegelt sich das positiv und negativ zelnen äußert kann sehr unterschiedlich schon in der Geschichte Abrahams. Er sein. Gutes und reichliches Essen gehört bewirtet in sengender Mittagshitze drei sicher dazu, allerdings ist in unserem geheimnisvolle Gäste mit einem überaus Kulturkreis überreichliches Essen nicht üppigen Mahl (1.Mose 18). Er selbst be- notwendig (oft sogar eher abschreckend). reitet für drei Gäste ein ganzes Kalb zu Es sind für uns eher kleine persönliche und weist seine Frau an, aus 3 Maß Geschenke, eine schöne Tischdekoration Mehl Kuchen zu backen. Umgerechnet oder ein freundlich anregendes Gespräch. sind das gut 25 kg Mehl. Alles in allem Der Kreativität und individuellen Vielfalt ergibt das gut 30 kg Brot. Für drei Gäste sind kaum Grenzen gesetzt. Dadurch eine ungeheuer große Menge. Es ist of- drücken wir Wertschätzung und Würde fensichtlich, dass es hier bei Gast- aus und bringen die Liebe Gottes zum freundschaft nicht nur darum geht Men- Leuchten. schen unterwegs mit dem Nötigsten zu versorgen. Es geht um Würde und Wert- Aber Gastfreundschaft spielt nicht nur schätzung, die auch durch ein Übermaß im persönlich privaten Leben eine große an Essen ausgedrückt werden kann. Rolle. Jeder Gottesdienst, zu dem Men- Im Fortgang der Geschichte (1.Mose 19) schen im Namen Jesu eingeladen wer- wird in drastischer Weise die Bosheit den, braucht Menschen, die die Gast- der Menschen in Sodom beschrieben. freundschaft im Blick haben. Es ist ein- Bezeichnenderweise ist es der massive fach in der Begrüßung „Herzlich will- Bruch der Gastfreundschaft, der ihre kommen“ zu sagen. Dass Menschen Bosheit offenbar macht. dieses Willkommen aber auch spüren, ist dadurch jedoch noch lange nicht Aus diesem Grund überrascht es nicht, sichergestellt. dass auch im neuen Testament etwa in Wie komme ich in den Raum? Sitzen alle Röm 12,13 und Hebr 13,2 zur Gast- schweigend, möglichst auf Lücke in freundschaft ermuntert wird. Wenn es den Bänken, oder werden die Menschen stimmt, dass Christen Menschen sind, freundlich und offen begrüßt? Treffe ich in denen die Liebe Gottes ausgegossen auf Menschen, die an mir und aneinan- ist (Röm 5,5), dann ist Gastfreundschaft der Interesse haben? Komme ich in ei- mehr als kulturelles Gebot. Sie gehört nen freundlichen offenen Raum, in dem 3
angedacht … es leicht fällt sich wohlzufühlen? Werde Wie gestalten wir Räume einladend? ich als Mensch mit meinen Fragen gese- Wer aus der Gemeinde hat die Gabe der hen – oder habe ich den Eindruck, mich Gastfreundschaft und kann leicht und hier erst selbst zurechtfinden zu müs- gewinnend auf Menschen zu gehen? sen? Es ist immer wieder hilfreich Gäste nach Und so sehr es ein Übermaß an Gleich- einem Besuch zu fragen, wie sie es gültigkeit gibt, kann es genauso empfunden haben. Ein ehrliches Feed- schwierig sein, wenn Gäste bei ihrem back kann sehr schmerzhaft aber auch ersten Besuch ein unnatürliches Über- sehr gewinnbringend sein. maß an Zuwendung bekommen. Und Aber ist das wirklich notwendig, werden selbstverständlich reagieren Menschen manche fragen. Ist das wirklich nötig? auch sehr unterschiedlich. Was für den Ist es den ganzen Aufwand wert? Ist es einen eher introvertierten Menschen ei- nicht das Wort und die Predigt, die die ne unnatürlich überschwängliche Be- Menschen berühren? Ja, natürlich ist es grüßung ist, kann für einen extrover- das Wort. Aber wir wissen, dass Hören tierten Menschen genau richtig sein. und auch Glauben ein ganzheitliches Den richtigen Ton, das einladende Maß Geschehen sind. Wenn ich die Würde zu finden, erscheint dem einen fast un- und Wertschätzung der Gemeinde spüre, möglich. So viel kann man bei einer Be- fällt es mir leicht, der verkündigten grüßung falsch machen und jeder weiß, Liebe Gottes zu glauben. Wenn ich in dass der erste Eindruck entscheidet. den Reaktionen der Menschen eher Ab- Aber es gibt auch die Menschen, denen lehnung erfahre, wie kann es dann ge- das leicht fällt. Sie gehen gerne auf lingen, Gottes Zuwendung zu glauben? Menschen zu und wissen intuitiv, was Wenn ich die liebevolle Art der Men- sie wie mit diesem Menschen reden kön- schen sehe, die zu diesem Gott gehören, nen. Es gelingt ihnen, die Menschen zu dann fällt es mir leicht das verkündig- sehen, sie wahrzunehmen und ihnen die ten Wort des gnädigen Gottes mit dem Wertschätzung entgegenzubringen, die Herzen zu hören und zu glauben. Menschen auftauen und sich wohlfühlen lässt. Aus diesem Grund sollte neben Wenn Gastfreundschaft tatsächlich eine der Predigt und der musikalischen Ge- selbstverständliche Lebensäußerung des staltung des Gottesdienstes auch die christlichen Lebens ist, dann muss sie Gastfreundschaft einen hohen Stellen- doch in besonderer Weise da sichtbar wert bei der Gottesdienstgestaltung werden, wenn Menschen zum Gottes- haben. dienst zusammenkommen und glauben,
angedacht … dieser gastfreundliche Gott (Offb 3,20) Liebe Leser des Rundbriefs! sei mitten unter ihnen. Schon seit langer Zeit stellt die Evangeli- Folgende Schritte können helfen, die sche Sammlung den Rundbrief auf ihrer Gastfreundschaft in der Gemeinde wei- Homepage als pdf-Datei online zur Verfü- terzuentwickeln: gung. Diese Möglichkeit haben wir nun ver- 1. Wer sind die Menschen mit einer be- bessert und der Rundbrief ist nun als attrak- sonderen Gabe der Gastfreundschaft in tives e-Magazin erhältlich. unserer Gemeinde? Wer kann Räume ein- Wir wollen durch diesen Schritt Druck- und ladend gestalten? Wer hat einen Blick Versandkosten sparen, sowie veränderten für die Menschen? Wer kann freundlich Lesegewohnheiten Rechnung tragen. Immer und gewinnend auf Menschen zugehen? mehr werden Magazine, Zeitschriften und Bücher mit einen Smartphone, Tablett oder 2. Laden sie gastfreundliche Menschen am PC gelesen. ein, um über Gastfreundschaft in der Gemeinde zu reden. Sicher werden ihnen Selbstverständlich wird der Rundbrief aber viele kritische Punkte einfallen. Ich ha- auch weiter per Post versandt werden. be aber gelernt, dass solche Kritik der Sollten Sie die digitale Variante des Rund- „Profis“ immer hilfreich ist und den er- briefes wünschen, können Sie sich auf der sten Schritt zur Veränderung in sich Homepage der Evangelischen Sammlung trägt. dafür anmelden. Sie können wählen, ob sie den Rundbrief nur digital oder weiter- 3. Folgende Fragen können dann in der hin zusätzlich per Post erhalten wollen. Umsetzung helfen: Was können wir Sie würden in Zukunft mit dem Erscheinen jetzt ohne viele Aufwand ändern? Was des Rundbriefs eine E-Mail mit dem Hinweis braucht Zeit, können wir uns aber ge- auf den neuen Rundbrief und dem aktuel- meinsam vorstellen? Wo brauchen wir len Link bekommen. Hilfe? Wie machen es denn die anderen? Sobald Sie keine E-Mail mehr erhalten Wer übernimmt die Verantwortung? wollen, teilen Sie uns dies bitte mit. Ihre Adresse wird dann umgehend gelöscht. Zu Schluss dieser Gedanken will ich aber noch denen danken, die als Hausmeister Die Homepage der Evangelischen Sammlung und Hausmeisterinnen, Mesnerinnen finden Sie unter: www.evangelische-sammlung.de und Mesner, Kirchenwächter oder ehren- amtlich Mitarbeitende in Begrüßungs- An dieser Stelle weisen wir darauf hin, dass oder Dekoteams Gastfreundschaft ganz wir Ihre persönlichen Daten, Name und selbstverständlich und manchmal auch Adresse, ausnahmslos zum Versand des unbemerkt leben. Danke für ihre Gast- Rundbriefs einsetzen und diese nicht an freundschaft – ihnen gelten die wunder- Dritte weitergeben. baren Worte aus Hebr 13,2: Einige ha- Wir sind Ihnen dankbar, wenn Sie mit einer ben ohne ihr Wissen Engel beherbergt! Spende die Erstellung des Rundbriefes wei- terhin ermöglichen. 5
biblisch bedacht ... Hartmut Bärend Wenn Türen sich öffnen Gedanken zur Gastfreundschaft Wir sind so frei! Das klingt so richtig Aber ich kenne auch das andere. Dau- einladend. Wer hat nicht gern Gäste! ernd Gäste haben, immer dasein müssen Wer freut sich nicht, wenn „etwas für Besucher; immer wieder neuen Leu- Glanz“ in die eigene Hütte kommt, an- ten freundlich begegnen, auf sie einge- dere Gesichter, die einen auf andere Ge- hen, das geht allmählich auf die Ner- danken bringen. Wenn dann noch Fest- ven. Da wird die Ermunterung zur Gast- lichkeit mitschwingt, etwas Schönes freundschaft dann fast zum Joch, das für die Augen und für die Zunge - wer kaum noch zu tragen ist. möchte da nicht dabei sein? Etwas drittes: Uns kommt es ja sehr auf die Auswahl an, nicht wahr? Da kommen besondere Gäste, die sieht man gern, da ist man ein wenig stolz. Da kommen ungebetene Gäste, da ist man „je nach- dem“ ... Da wollen schließlich Gäste kommen, - die möchte man aber gar nicht sehen. So ist das mit diesem Thema gar nicht so leicht! Wir sind gar nicht immer so frei - und möchten auch nicht freier werden. Nun fordert uns aber gerade das biblische Wort auf, gastfrei zu sein, so- gar (oder gerade deshalb): „Ohne Mur- ren“ (1.Petr 4,9). Vielleicht hat ja Pe- trus schon etwas davon mitgekriegt, dass man auch mal murren kann – bei so vielen Gästen (oder bei so merkwürdi- gen Gästen!). Also: „Seid gastfrei ohne Murren.“ Und fast zärtlich formuliert der Schreiber des Hebräerbriefes: „Die Gast- freundschaft vergesset nicht (!), denn durch diese haben etliche ohne ihr
biblisch bedacht ... Wissen Engel beherbergt“ (Hebr 13,2). „Kommt her zu mir...“ Ja, das soll es geben! So werden wir er- muntert und ermahnt. Es wäre aber zu Erstaunlich ist aber nun, wie Jesus kurz geschlossen, hieraus einfach abzu- selbst gastfrei lebt. Er, der sich in sei- leiten: Weil das so dasteht, darum tut nem Gottsein nicht mit dem Schild „Pri- es nun auch! vat“ abgeschottet hat (freie Überset- zung von Phil 2,6!), sondern der sich Bei Jesus in die Schule gehen aus freien Stücken eingelassen hat ins Menschsein, der macht die Arme weit Aufforderungen der Bibel wollen zurück- auf! „Kommt her zu mir alle, die ihr geführt werden zur Mitte der Schrift, mühselig und beladen seid, ich will zu Christus selber. Wer zur Gastfreund- euch erquicken“ (Mt 11,28), ruft er sei- schaft redet, von Lust und Last, die man ner Jüngergemeinde zu. Jesus, der Gast- dabei empfindet, der soll bei Jesus sel- geber, ist für alle da und hat für alle ge- ber in die Schule gehen. Wenn man ge- nug. Und da sollen sie alle kommen, nau hinsieht, gibt's da viel zu sehen und nicht nur die Frommen, nein, auch die zu staunen. Ich versuche einfach, unser Sünder, die Zöllner: Heruntergekomme- Thema mit Jesus und seinem Leben zu ne, Verbrecher, Bettler, - damals und verbinden: Was für Türen tun sich da heute. Ja, gerade sie sind eingeladen, auf! nachdem sich die eigentlich und zuerst Geladenen freundlich entschuldigt ha- „Kein Platz...“ ben (Lk 14,15 ff): Von überall her sollen Was ein Gast ist, der nicht geliebt ist, sie kommen; wenn die einen zu fromm, hat Jesus schmerzlich erfahren müssen. zu selbstsicher, zu sehr mit sich selbst „Sie hatten keinen Platz in der Herber- beschäftigt sind, - dann sollen doch die ge“, heißt es kurz und unmissverständ- kommen von Hecken und Zäunen; die lich in Lukas 2, 7. So blieb für das Kind Randsiedler und Ausländer, die Obdach- nur die armselige Futterkrippe in einem losen und Ausgeflippten . . . Eine bunte Winkel Palästinas. Oder die andere Stel- Gesellschaft ist das, die Jesus zu sich le: Der, der von oben gekommen ist, eingeladen hat. „kam in das Seine, und die Seinen nah- So erweist sich Jesus hier als der liebe- men ihn nicht auf!“ (Joh 1,11). Zwei volle Gastgeber, der Zeit und Kraft inve- Texte, der eine vom Menschen Jesus, der stiert, um Menschen einzuladen und zu andere von Jesus, dem Gottessohn her bewirten. Aber nicht nur das: formuliert, zwei knappe Sätze, die das- selbe aussagen: Jesus muss schmerzlich Am deutlichsten lässt sich Jesus der erfahren, dass der Gast zunächst der Gastgeber erkennen in der Passahhand- Eindringling, der Fremde ist, der Platz lung, der Einsetzung zum Heiligen braucht; dem man aber keinen Platz zu Abendmahl (Mk 14,12ff. 22ff par 1.Kor geben bereit ist! Gastlichkeit ist der 11,23ff) und in der Geschichte von der Menschen Stärke nicht, auch und gerade Fußwaschung (Joh 13,1ff). Er, der ge- Jesus gegenüber nicht. nug gibt, der gibt sich ganz! Sein Tod 7
biblisch bedacht ... am Kreuz ist das größte Gastgeberge- und macht sie froh und beweglich. So schenk, das Menschen gemacht werden ist Jesus Gastgeber und Gast zugleich. kann. Er lädt ein und kommt, wie die Situati- on es erfordert. Wo er ist, werden Men- „Ich stehe vor der Tür...“ schen neu. Nichts bleibt, wie es ist. Jesus ist aber nicht nur der, der einlädt, „... euch eine Stätte zu bereiten er ist auch der, der sich einladen lässt. „Ich stehe vor der Tür und klopfe an: Schließlich bleibt Jesus der Gastgeber - Wenn jemand mir auftut, zu dem werde auch über dieses Leben hinaus. Den ich einkehren und das Abendmahl mit Jüngern sagt er: „In meines Vaters Haus ihm halten und er mit mir“ (Offb 3,20). sind viele Wohnungen. Ich gehe hin, So stellt sich Jesus der Gemeinde in euch eine Stätte zu bereiten“ (Joh Laodizea vor. Er will geladen sein. Er 14,2). Hier schon kündigt er an, dass wirbt, aber er zwingt nicht. Er sucht das er dermaleinst als Gastgeber auf seine Herz, aber der Mensch muss sein Klop- Jünger warten wird. Das „Es ist alles be- fen auch beantworten. reit“, das die Abendmahlshandlung ein- leitet (und hier liegt die reichste und Lebendig und anschaulich sind die bei- tiefste Einladung, der Christen in der den Geschichten im Lukasevangelium, Gemeinde folgen können), wird auch die diesen Zusammenhang unterstrei- einmal aufklingen im kommenden Reich chen. Dem Zachäus, der am liebsten Gottes. Zaungast geblieben wäre, da oben auf seinem Maulbeerbaum (Lk 19,1ff), „Ich bin die Tür...“ macht Jesus eine Offerte: „Heute muss ich in deinem Hause einkehren“, sagt Was hat unser kurzer Blick in das Neue er. Nein, er zwingt den Zachäus nicht, Testament ergeben? Ein, wie ich meine, und doch: Der kapiert's sofort, springt erstaunliches Bild tritt zutage: Jesus vom Baum runter und nimmt den uner- der Gastgeber steht vor uns: Alles hat warteten Gast unter den Arm. Der Ober- er zu geben, alles hat er gegeben. Es zöllner bekommt Jesus zu Gast, - und liegt an uns, ob wir uns einladen oder sein Leben ändert sich, denn Jesus zu ihn bei uns einziehen lassen. Er steht Gast bekommen heißt immer, dass das mit geöffneten Armen und wartet: Herz anders wird. „Ich bin die Tür. Wenn jemand durch mich hineingeht, wird er gerettet wer- Den beiden Jüngern von Emmaus will den, und er wird ein- und ausgehen Jesus schon entschwinden (Lk 24,28!), und Weide finden“ (Joh 10,9). da bitten sie ihn: „Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag aus Arbeit und Stille 5/1987 hat sich geneigt“. Hier lässt er sich bit- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers ten. Aber auch hier geht er mit Men- schen nach Hause, prägt ihr Leben neu
aufmerkend ... Bärbel Hartmann Von der Kunst der Gastfreundschaft – wie wir sie (er)leben können euch, und du sollst ihn lieben wie dich „Willkommen zu Hause“ selbst. Denn ihr seid auch Fremdlinge Am Eingang eines Kreuzfahrtschiffes gewesen in Ägyptenland. Ich bin der hatte ich diesen Aufsteller nicht erwar- Herr, euer Gott.“ (3.Mose 19,33f) Die tet. Ging es hier nicht um Aufbruch, Erinnerung an Knechtschaft in der Frem- Sehnsucht nach der Ferne, um die Weite de und Dankbarkeit für die Befreiung, der Meere? Offenbar hatten die Veran- sind der tiefe Grund für die Gastfreund- stalter erkannt – es braucht im Gegen- schaft im Volk Gottes. zug Schutz und Geborgenheit: Hier fin- Wird der Fremde integriert, findet er ei- den Gäste Heimat, der fremde Ort wird nen Ort der Geborgenheit, ein Zuhause. zum Zuhause! Mit Romano Guardini gesprochen: Dies ist aller Gastfreundschaft tiefster Sinn, Gastfreundschaft findet immer weniger dass einer dem andern Rast gibt auf der daheim in den Häusern, stattdessen großen Wanderschaft zum ewigen Zu- auswärts statt. Man lädt einander zum hause. Sie stiftet ein soziales Band, sie Essen ins Gasthaus ein, zu „Events“ in lädt ein zum Verweilen wissend darum, besondere „Locations“. Bei Besuchen dass sie „nur“ Rast sein wird, eine Oase, daheim muss man sich anmelden: „Du ein Ort zum Aufatmen und Erholen, zum kannst ja anrufen, ob es passt.“ Einfach Kraftschöpfen, zum Stärken und Erfri- klingeln, das geht fast nicht mehr. Oder schen für nicht selten anstrengende mit den Worten einer Pfarramtssekre- Lebenswege. tärin, nach jahrelanger Tätigkeit im Pfarrhaus: „In die Wohnung bin ich Gastfreundschaft in der Kirche hat viele noch nie gekommen.“ Gastfreundschaft Gesichter: die der Hausgemeinschaften wird vielfach in öffentliche Räume ver- der Urkirche, der Speisung und der lagert. Ob das gut ist? Ernährungsprogramme in der inneren und äußeren Mission, der Unterkunft in Gastfreundschaft Krankenhäusern und diakonischen Ein- ermöglicht Beziehung richtungen, der Vesperkirche, dem Hos- piz ... um nur einige zu nennen. Einla- Durch Gastfreundschaft finden Fremde dende Kirche wird immer Gastfreund- ein Zuhause. „Wenn ein Fremdling bei schaft leben und gestalten. Wir sind euch wohnt in eurem Lande, den sollt Gastgeber, die sich mit Ideen und Krea- ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch tivität, mit Zeit und Kraft einbringen, wohnen wie ein Einheimischer unter damit Menschen sich willkommen fühlen 9
aufmerkend ... und aufgenommen wissen. Und zugleich die in dem Wort Gast-Freundschaft ist Gemeinde der Raum, wo wir alle liegt? Fremden-Liebe. Wie geht es uns Gastfreundschaft erleben, wo wir im damit? Rühren sich nicht Vorbehalte? Gottesdienst, in der Seelsorge, beim Das Fremde kann verunsichern, Angst Abendmahl schmecken und sehen, wie machen.Wie offen sind wir Fremden freundlich der Herr ist. gegenüber? Unsere Wortwahl setzt – auch gesell- Einige Aspekte von der Kunst der Gast- schaftlich – Akzente, die auch in der freundschaft kann man auch bei einem Entwicklung der Sprache zu erkennen Gang durch die Räumlichkeiten und die sind: Der Fremdarbeiter wurde zum Geschichte des Einkehrhauses Stift Gastarbeiter dann zum Mitbürger, aus Urach entdecken: dem Fremdenverkehrsamt wurde ein Haus des Gastes. Die äußeren und die inneren Türen ge- rade für Fremde zu öffnen, ist eine Le- benshaltung des Glaubens. Denn Chri- sten wissen, was schon die frühen Psal- men beten: Gott, ich selbst bin ein Gast bei dir, ein aufgenommener Fremdling wie alle meine Väter (Ps 39,13), dein Hausgenosse (Eph 2,19). Gastfreund- schaft ereignet sich letztlich nie auf eigenem Boden, sondern im Raum der Gastfreundschaft Gastfreundschaft Gottes. Christliche braucht ein erkennbar geöffnetes Tor Gastfreundschaft lebt aus der Gottes- beziehung und lädt dazu ein. Ich war erst kurz im Stift, als eine täg- lich vorbeifahrende Bekannte kommen- Gastfreundschaft tierte: Schade, dass euer Tor immer zu schützt und gewährt Zuflucht in Not ist. Das Tor wurde jeden Tag aufge- schlossen, aber nicht weit geöffnet. Es Davon zeugt im Stiftshof die Plastik von war nicht erkennbar, dass wir einladen, Primus Truber. Um seines Glaubens wil- herein zu kommen, die Schwelle zu len im 16. Jahrhundert aus Slowenien überschreiten, Gast zu sein. geflohen, fand er und weitere Geflüch- Wer – wohin auch immer – als Gast tete unter Herzog Christoph im Stift kommt, tritt durch ein Tor, überwindet Urach Asyl. Hier konnten sie leben, ar- eine Schwelle. Von außen kommend be- beiten, die Bibel übersetzen. Verschie- tritt er eine andere Welt, die nicht die dene Sprachen und, Kulturen begegne- Seine ist. ten einander. Bis heute ist es ein Zei- In vielen Sprachen ist das Urwort für chen christlicher Gastfreundschaft, Gast immer „der Fremde“, der ganz an- Schwache vor Übergriffen zu schützen, dere Mensch. Spüren wir die Spannung, wenn nötig im Kirchenraum.
aufmerkend ... Pilger waren die ersten Touristen, die verkehr lebt, kann die Fremden nicht sich der Fremde stellten. Mönche er- leiden….Sie benutzen seine Stuben, kannten, dass sie Herberge brauchen, seine Höhenluft, seine Panoramen, sei- boten Unterkunft, Hospitäler, Friedhöfe, ne Wiesenblumen, es muss ihn ärgern. betreuten diese Touristen mit Essen, Weil diese Tagediebe Eintrittsgeld, einer Schlafmöglichkeit und mit Seel- Pachtgebühr und Sport bezahlen, muss sorge. So wurden Klöster zu Häusern er seinen Widerwillen zu verbergen christlich gelebter Gastfreundschaft. trachten, und das macht die Sache noch „Alle Fremden, die kommen, sollen auf- schlimmer.“ Ob uns solche Stimmen genommen werden wie Christus; denn er nicht auch vertraut sind: Unsere Kirche, wird sagen: Ich war fremd und ihr habt mein Stammplatz, was bringen neue mich aufgenommen. Allen erweise man Menschen nicht alles an Neuerungen die angemessene Ehre, besonders den mit? Brüdern im Glauben und den Pilgern. In einer Mitarbeiterbesprechung tausch- Sobald ein Gast gemeldet wird, sollen ten wir uns aus: Was bedeutet für uns ihm daher der Obere und die Brüder voll Gastfreundschaft? dienstbereiter Liebe entgegeneilen. Zu- Einige Äußerungen: Wir leben keine erst sollen sie miteinander beten und aufgesetzte, sondern echte Freundlich- dann als Zeichen der Gemeinschaft den keit, Ehrlichkeit, Offenheit. Wir pflegen Friedenskuss austauschen.“ (Regel des keine Ellbogenmentalität und wollen heiligen Benedikt 53,1-4) keinen Zickenkrieg. Die Gäste sollen spüren, dass sie willkommen sind. Der Gastfreundschaft christliche Glaube verbindet uns in der braucht gastfreundliche Menschen Mitarbeiterschaft. Die Atmosphäre im Gastfreundschaft braucht Gastgeber. Wer Haus soll dies deutlich machen. Die Fro- übernimmt in unserer Gemeinde diese he Botschaft wird auch sichtbar durch Aufgabe? Die Hauptamtlichen, der Pfar- die Bibel und das Gesangbuch im Zim- rer, ein Kirchengemeinderat, andere Eh- mer, durch Andachten, das Kreuz. renamtliche? Im Stift Urach wurde ge- Manchmal hört man das Singen von klärt: Wir alle, die Angestellten aus den Gruppen im Haus. Bewusst haben wir verschiedenen Bereichen, sind als Dienstleistungsgemeinschaft im Ge- genüber zu unseren Gästen Gastgeber. Nicht alle sind begeistert über Aufge- schlossenheit und Gastfreundschaft. Erich Kästner schreibt in seinen Tage- buchaufzeichnungen aus dem Zillertal: „Dass uns der Großteil der Einheimi- schen nicht eben gewogen ist, lässt sich mit Händen greifen, und die Aversion lässt sich verstehen. Wer vom Fremden- 11
aufmerkend ... keine TV-Anschlüsse und kein Telefon Gastfreundschaft braucht Räume auf den Zimmern. „Wenn du hier herein kommst, ist es, Wir fragten uns: Was brauchen, was wie wenn du am Radio den Knopf ab- wünschen unsere Gäste? drehst. Es ist alles so still, so ruhig, Sie möchten gesehen, wahrgenommen ohne Lärm,“ so äußerte dieser Tage ein werden, Jesus hat Menschen angesehen: Gast. Andere sagen: „Es ist, als ob ich den distanzierten Zollbeamten Zachäus in eine andere Welt komme. Ich kann auf seinem Baum, die Witwe am Opfer- meinen Rucksack abstellen, abladen.“ kasten, die Mütter mit ihren Kindern. Er Damit benennen sie ein wesentliches nimmt die Menschen wahr, geht auf ihre Merkmal christlicher Gastfreundschaft: Bedürfnisse ein. Gäste brauchen offene Innehalten, Da-sein-dürfen, aufatmen. Ohren und Herzen und Zeit, den Blick Jesus hat gesagt: „Kommt her zu mir der Liebe, die Freude am Gegenüber. alle, die ihr mühselig und beladen seid. Small talks können zu tiefgründigen Ich will euch erquicken.“ (Mt 11,28) Gesprächen werden. Gastfreundschaft Im Griechischen steht hier: anapauso. hat, wie Freundschaft überhaupt, immer Pause machen dürfen, in aller Ruhe da auch die Chance für Überraschungsmo- sein. Wir alle wissen, wie wohltuend es mente. „Magic Moments“ zu schaffen, ist, wenn man in einladender Atmos- lernen wir von der Gastronomie, der phäre, bei verständnisvollen Menschen Hotellerie und vom Tourismus. angenommen ist, aufatmen kann, je- manden zur Seite hat, der/die zuhört,
aufmerkend ... ganz für mich da ist und mit überlegt, das Glück, dass wir Räume haben, wo mit denkt, betet, vielleicht auch segnet. unter der Wahrung des Beichtgeheim- Es ist unser Auftrag als Kirche, solche nisses wirklich alles zur Sprache kom- Räume der Stille, der Besinnung zu er- men darf, wo Sorgen abgegeben werden schließen, in denen Menschen willkom- können, wo Beichte und Zuspruch der men sind, unabhängig von ihrem per- Vergebung geschieht. sönlichen Hintergrund oder ihren Le- Solch ein Rastplatz auf dem Weg zur bensumständen. himmlischen Heimat lädt ein zum In- nehalten, zum Rückblick und zum Aus- Die zunehmend geöffneten Kirchen sind blick. Einen schönen Begriff der Gast- solche Orte der Gastfreundschaft. Doch freundschaft tragen wir mit unserm Na- es ist wichtig, zu überlegen: Wie sind men: Einkehrhaus. Bei den Hausführun- unsre Räume gestaltet? Vermitteln der gen frage ich die Gäste immer: Woran Chorraum, die Sakristei, der Schriften- denken Sie, wenn Sie das Wort Einkehr- Tisch eine Atmosphäre des Willkommens haus hören? Stille, Ruhe, Besinnung, oder sind sie Rumpelkammer? Wie ist sagen die einen, an Wirtschaft und Ein- ihre Atmosphäre, sind sie sauber, liebe- kehrschwung denken die andern. voll gerichtet? Wer ist dafür verantwort- lich, welche Mittel stehen zur Verfü- Innere Einkehr und Einkehren, beides gung? gehört zusammen. Genießen gehört zur Wo geschieht Seelsorge und Geistliche Kunst der Gastfreundschaft. Ein gutes Begleitung? Im Stift Urach haben wir Essen, anregende Tischgespräche, 13
aufmerkend ... freundliche Kommunikation, Musik, bis hin zum Genießen von Gottes Gast- Gäste sind uns willkommen freundschaft beim Abendmahl. Mit allen und bei uns zuhause – auf Zeit Sinnen riechen, schmecken, fühlen, se- Rast bieten kann und soll die Gast- hen, hören. „Du schenkest mir schwib- freundschaft. Wer Rast hält, ist unter- beli schwabbeli ein“ lautet eine alte wegs. Er wird, um sein Ziel zu erreichen, Züricher Übersetzung von Psalm 23,5. erneut aufbrechen, weiter gehen, sei- Jesus pflegt die Leibsorge vor der Seel- nen Weg gehen, hoffentlich nicht allein, sorge. Erst nach dem Essen führt er sein sondern mit vielen andern, die ebenfalls Berufungsgespräch mit Petrus (Joh unterwegs sind. Das Leben ist zu mei- 21,15). stern. Vielfältig sind den Möglichkeiten in den Der Gast bricht auf, die Gastgeber be- Kirchengemeinden Gastfreundschaft zu gegneten ihm und bleiben zurück, viel- leben: Orte sind vorhanden: der Kir- leicht in der Haltung, wie es am Ein- chenraum, die offene Sakristei, das Ge- gang des Klosters St. Maur in der Breta- meindehaus, ein Wohnzimmer. Vielfältig gne zu lesen ist: „Du kommst jetzt zu sind die Chancen, sie mit Leben zu fül- uns herein. Sei willkommen. Die Kom- len in Gottesdiensten, Hauskreisen, Ver- munität von St. Maur freut sich, dir eine anstaltungen aller Art von Krabbelgrup- Rast auf deiner Reise anbieten zu kön- pe bis Seniorenkreis, bei Konzerten, nen. Gib dich aber nicht damit zufrie- dem Gemeindeessen…. den, von uns, die wir hier zusammen leben, zu profitieren. Lass uns auch von Zur Kunst der Gastfreundschaft dem profitieren, was du lebst, was du gehört das Einladen weißt, was du hoffst. Schenke uns die Gemeinschaft mit dir als Gegengabe für Wir haben viele Möglichkeiten einladen- dein Zusammensein mit uns. Dass unser de Gemeinde/Kirche zu sein, zu werben Zusammentreffen an diesem Ort dazu mit Amtsblättern und Gemeindebriefen, führt, miteinander zu teilen, das wün- Homepage und Flyern, in den Medien schen wir und nichts anderes. Die Abtei aller Art. Unzweifelhaft wird die persön- von St. Maur wird das sein, was wir hier liche Zuwendung, die einladende Le- gemeinsam tun.“ benshaltung für das „willkommen zu- hause“ die besten Chancen haben und Von der Kunst der Gastfreundschaft – dann zu erfahren: „So seid ihr nun nicht wir können einander Rast geben auf der mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Wanderschaft nach dem ewigen Zuhause Mitbürger der Heiligen und Gottes Haus- unter der Zusage eines alten Segens an genossen.“ mancher Haustür: Gastfreundschaft ist keine Aktivität, „Freude dem, der kommt, Friede dem, sondern ein Lebensstil. Menschen leben der verweilt, Segen dem, der weiter Gastfreundschaft als Haltung vom Au- zieht.“ genkontakt bis zum „Grüß Gott“. Vortrag beim Württembergischen PGB-Tag in Stift Urach am 6. November 2017, bearbeitet
ermutigend ... Heidi Josua Willkommens-Kultur und Ankommens-Kultur mit Pragmatismus und Realismus „Du hast mich zu einem Menschen ge- Nicht jede Begegnung und nicht jede macht,” sagte ein junger syrischer Hilfe verläuft so positiv. Manchmal Flüchtling zu mir. „Niemand hat mich je picken Flüchtlinge die Rosinen prakti- mit so viel Respekt behandelt.” Ein Jahr scher Hilfsangebote heraus, lehnen aber zuvor, bei seiner Ankunft zusammen mit alle Mahnungen zu Eigeninitiative und einer Gruppe junger Männer, sah es zur Annahme der freiheitlich-demokrati- ganz anders aus. Ablehnung und tiefes schen Grundordnung ab. Andere wieder- Misstrauen waren in seinem Gesicht zu um warten nur darauf, eine Alternative lesen. „O Jesus, wie soll ich hier nur Zu- zu Gewalt, Tod und Hass zu erfahren. gang bekommen?”, war meine verzwei- Und einige kommen, weil sie sich nach felte Frage. Es folgten viele Stunden dem Friedefürsten sehnen, der allein ganz praktischer Begleitung der Gruppe: den gequälten Herzen Ruhe bringen Papierkram, Anleitung zum Zimmer- kann. aufräumen, Hausaufgabenhilfe, gemein- Es ist ein Phänomen: Wann gab es je so sames Kochen, Streit schlichten. Von viele Ehrenamtliche wie in den letzten der ersten Arbeitsstelle lief er nach kur- drei Jahren, so viel bürgerschaftliches zer Zeit im Streit davon. Ich sagte Engagement für wildfremde Menschen, nichts dazu; aber ich betete, dass Jesus ja: so viel Zivilgesellschaft? Leute, die diese Härte berühren möge. Eine Woche einfach zupacken, beherzt handeln, die später zeigte er mir auf seinem Handy sich von Sprachgrenzen nicht aufhalten ein Entschuldigungsschreiben an seinen lassen, die nicht warten, bis Gesetze Arbeitgeber. Ungläubig las ich die fertig werden und neue Planstellen den sprachlich noch holprigen Worte. Er mühsamen Weg durch die Mühlen der sagte: „Du weißt, dass ich mich noch Bürokratie finden, die sich nicht um nie bei irgend jemandem entschuldigt starre Dienstwege und überforderte Äm- habe. Aber ich wusste, dass du es so ge- ter scheren, sondern mit unglaublich macht hättest. Und deshalb habe ich es viel Herz und Kreativität das Nötige auch gemacht.” Nach Bestehen der B1- tun? Darunter sind viele mit eigener Sprachprüfung wurde er genau dort in Fluchtbiographie, deren Eltern oder Vollzeit angestellt. Und dann kam er Großeltern im 2. Weltkrieg fliehen muss- wieder und zeigte mir voller Stolz seine ten, die wissen, wie sich das anfühlt. Lohnabrechnung: „Heute habe ich zum Hätten all diese Menschen nur eine ersten Mal Steuern bezahlt. Jetzt bin „Schweigestunde“ eingelegt – das Sy- ich ein Bürger” stem wäre zusammengebrochen. 15
ermutigend ... für unsere eigene Identität und damit zugleich den für unseren Umgang mit unseren Mitmenschen – und eben auch mit dem „Anderen“. Jeder Mensch, jeder einzelne Mensch, ist weder eine Laune der Natur noch Zufallsprodukt der Evolu- tion, weder Zumutung noch Störenfried, sondern Imago Dei, Ebenbild Gottes! Diese Würde, diesen Wert kann und darf niemand nehmen, niemand antasten. Wer einen Menschen antastet, wer das imago antastet, der tastet das Urbild, Gott selbst, an. Wer über einen Men- schen verächtlich redet, der beleidigt seinen Schöpfer. Christen können also niemals einen Menschen irgendwo „entsorgen“ oder ihm „eine in die Fresse hauen“ wollen, können ihn niemals „Gesindel“, „Ein- dringling“ oder Mitglied einer „Horde“ nennen. Im Gegenteil, sie werden ihren „Nächsten nicht belügen, verraten, ver- leumden oder seinen Ruf verderben“, niemandem seine Worte „verdrehen“ und niemanden ungehört und leichtfer- tig verurteilen helfen, sondern sie wer- den „Gutes von ihm reden“ und seine „Ehre und guten Ruf nach Kräften ret- ten und fördern.“ Und wir Christen? Wenn jemand in der Denn Christen folgen dem Mann, der in Flüchtlings- „krise“ aktiv werden sollte, „seinem Eigentum“ so fremd war, dass dann wir Christen. Wir sind ja selbst er außerhalb der menschlichen Gemein- „Fremdlinge“ auf dieser Erde, weil unse- schaft geboren wurde, der als Säugling re eigentliche Heimat außerhalb geogra- mit dem Leben bedroht wurde und seine phischer Grenzen liegt (Phil 3,20) – wir frühe Kindheit auf der Flucht in Ägypten haben also nichts zu verlieren, sondern verbrachte, der „nicht hatte, wo er sein nur zu gewinnen. Haupt hinlegt“, der in einem fremden Und unser größter Schatz, das Ureigen- Grab bestattet wurde, der also nie ganz ste unseres Menschseins, ist: Schon das dazugehörte. Wenn also der Anfänger 1. Kapitel der Bibel legt den Grundstein und Vollender unseres Glaubens ein Flüchtlingsleben führte – um wie viel
ermutigend ... mehr sollten wir uns denen zuwenden, Ich wünschte, die unverhofft und unverschuldet in ein ● dass wir nicht länger lamentieren, Flüchtlingsleben gezwungen wurden! theoretisieren und ideologisieren Wird er am Jüngsten Gericht sagen: „Ich über „Herausforderungen“ und bin ein Fremdling gewesen, und ihr „Machbarkeit“, sondern dass wir habt mich beherbergt.“? einfach die Ärmel hochkrempeln und fragen, wo wir mit anpacken können. Viele Muslime lehnen religiös legitimier- te Gewalt und das Töten im Namen ● dass die Christen, die sich völlig zu Gottes ab. Sie haben zu viel Leid und Recht für ungeborenes Leben ein- Tod gesehen und glauben nicht, dass setzen, dies in gleicher Weise auch Gott, der den Menschen schuf, gleich- für gefährdetes und geflüchtetes zeitig seinen Tod wünschen kann. Nein, Leben tun. sie sehnen sich nach einer Alternative. ● dass all die, die eine feste Meinung Finden sie Christen, die die Haltung und zur „Flüchtlingskrise“ haben, ohne die Botschaft von Versöhnung, Frieden einen einzigen Flüchtling zu kennen, und Liebe in die engen, spannungsgela- zusammen mit Ehrenamtlichen in denen, von Misstrauen und Ängsten ver- eine Unterkunft gehen und dort gifteten Unterkünfte tragen? Christen, Menschen persönlich kennenlernen. die nicht nur bei den Formalia eines bürokratisch umzäunten Flüchtlingsle- ● dass Christen über ihren Schatten bens helfen, sondern ein offenes Ohr springen und ohne Kompetenzge- haben für Ängste und die Mut machen, rangel mit anderen Aktiven und das komplexe Leben in Deutschland an- Gruppen vor Ort zusammenarbeiten, zupacken und sie auf diesem Weg be- allein das Wohl der Flüchtlinge im gleiten? Christen, die sich einfühlsam Auge habend. und zugleich unbeirrt und hartnäckig ● dass wir ein einladendes Zeugnis für Minderheiten und die Opfer von von und zu Jesus sind. Mobbing und Bedrängnis einsetzen? Christen, die nicht nur die Opfer schüt- Denn: „Gott hat uns nicht gegeben den zen, sondern sich genauso engagiert Geist der Furcht, sondern der Kraft und den Mobbenden und Bedrängenden ent- der Liebe und der Besonnenheit.“ (2 gegenstellen? Und nicht zuletzt: Finden Tim 1,7). Angst ist der schlechteste fragende Muslime Christen, die ihnen Ratgeber. Er lähmt und knechtet uns in fröhlich und furchtlos den Glauben an den Geist der Furchtsamkeit, auf uns den Friedefürsten Jesus vorleben und selbst bezogen und unfrei zum Handeln. ihnen Antworten geben auf ihre Nöte Gott hat uns vielmehr Kraft gegeben: und Fragen? Finden sie Gemeinden, die Kraft, tatkräftig anzupacken, wo es sich auf das Wagnis einlassen, ihre lieb- nötig ist. Er hat uns mit Liebe erfüllt: gewordenen und bewährten Wege zu Liebe, die den anderen mit den Augen verlassen und einen Menschen in seiner Jesu sehen kann, mit den Augen der Suche zu begleiten? 17
ermutigend ... Liebe und Barmherzigkeit. Und er gibt uns die nötige Besonnenheit: die Be- sonnenheit, weder wilden Aktionismus noch naives Gutmenschentum zu ent- wickeln, sondern nüchtern, besonnen und strategisch denkend zu agieren. Besonnenheit weiß, dass Integration keine Einbahnstraße ist. Dass zur Will- kommenskultur auch eine Ankommens- kultur kommen muss. Willkommenskul- tur bedeutet zunächst dem Anderen mit offenen Herzen zu begegnen. Zugleich wissen wir, dass offene Türen allein nicht genügen. Die große Zahl der An- all das dürfen und sollen wir einfordern. kommenden aus ganz anderen Kulturen Klare Regeln und Grenzen helfen, ein macht es nötig, eine Integrationskultur Gerüst zu finden. Wenn diese Regeln zu entwickeln, die fördert – und konti- kombiniert werden mit Akzeptanz des nuierliche Integrationsleistungen for- Menschen, mit der Liebe Jesu – dann dert. Menschen sollen nicht nur in leere wirken sie Wunder. Häuser und Hallen gesteckt und hof- Besonnene und nachhaltige Flüchtlings- fentlich in den Arbeitsmarkt integriert arbeit braucht ein klares pädagogisches werden, sondern auch in die Wertege- Konzept, engagierte Menschen, ein Netz- meinschaft hineinwachsen. Dabei kön- werk sich ergänzender Kompetenzen. nen wir Christen eine entscheidende Gut gemeinter Aktionismus, isolierte Rolle spielen, indem wir diese Werte Projekte sowie unreflektiertes und un- vorleben und Ankömmlinge mit hinein- kritisches „Gutmenschentum“ hinterlas- nehmen. Ja, wir leben Barmherzigkeit sen als „Flurschäden“ desillusionierte und haben Verständnis für das, was je- Flüchtlingshelfer, die sich bald aus- mand erlebt hat; Verständnis, dass Jah- genützt fühlen, Begünstigung der „lau- re des Krieges, die Monate der Flucht ten“ und fordernden Flüchtlinge, sowie und die Wochen in den Erstaufnahme- Neiddebatten der Benachteiligten in der stellen jeden Tagesrhythmus durchein- deutschen Bevölkerung. ander gebracht haben. Aber dann muss wieder eine Tages- und Lebensstruktur Natürlich wird sich unser Land mit den eingeübt werden. Respekt vor weibli- Flüchtlingen verändern, aber wir haben chen Mitarbeitern, Respekt vor Mitbe- die Möglichkeit, diese Veränderung mit- wohnern anderer Ethnien und Religio- zugestalten und uns als Christen auf nen, Einhaltung der Hausordnung, Ein- vielfältigste Weise einzubringen. So ha- haltung von Terminen, Fleiß beim Erler- ben wir zusammen mit unserer lokalen nen der Sprache, zielgerichtetes kommunalen Flüchtlingsarbeit in Weis- Vorwärtsgehen sowie Eigeninitiative – sach im Tal Leitlinien entwickelt, um
ermutigend ... mit einem pädagogischen Konzept eine die Enge der Unterkünfte, zu den Men- einheitliche Linie aller Beteiligten zu schen zwischen Bangen und Hoffen, und gewährleisten. Eine gute Betreuung ist dort ein Licht seien. Jetzt ist die Zeit, die beste Prophylaxe sowohl gegen Ra- dass wir uns aber auch denen entgegen- dikalisierung der Flüchtlinge wie auch stellen, die überall Gefahren lauern se- gegen Unmut in der deutschen Bevölke- hen, die Hass schüren und Menschen ih- rung. Man muss weder die Welt noch re Menschlichkeit absprechen, dort sol- das christliche Abendland retten, kann len wir Salz sein. aber für einen Flüchtling, eine Flücht- Jetzt haben wir die Chance, dass wir lingsfamilie Begleiter / Integrationslot- Christen biblische Maßstäbe im Umgang se / Flüchtlingspate werden. Und wenn mit anderen setzen, dass wir Heimatlo- jeder Christ diese unglaubliche Chance sen eine Heimat anbieten, dass wir Chri- mit beiden Händen ergreift und tätig stus aktiv und glaubwürdig verkörpern wird, können wir eine Menge bewegen! und in Menschen eine Sehnsucht nach Jetzt ist die Zeit, dass wir aus Wohlfühl- ihm wecken, dass wir Christen Licht und nischen herauskommen und dorthin ge- Salz in unserer Gesellschaft sind. hen, wohin Jesus auch gehen würde: in Die Arabische Evangelische Gemeinde Stuttgart unterstützt Gemeinden im Umgang mit Flüchtlingen, so- wohl Muslimen als auch orientalischen Christen; organisiert Seminare und Tagungen zu Flüchtlingen, Is- lam, orientalisches Christentum und interkultureller Begegnung; bietet Taufkurse an für fragende Musli- me, als muttersprachliche Ergänzung des lokalen Katechismusunterrichts; veranstaltet arabische Freizei- ten, in denen Arabischsprechende Gemeinschaft mit anderen Christen erleben können oder Fragende in eine christliche Gemeinschaft hineingenommen werden; informiert über orientalische Christen durch ei- nen viersprachigen Kalender „Christliche Spuren im Orient”; schlägt Brücken zu arabisch-christlicher Kultur durch Kalligraphie-Ausstellungen „GottesZeichen” und Konzerte „Ex oriente vox”; erreicht arabi- sche Intellektuelle durch einen Stand mit christlich-arabischer Literatur auf der Frankfurter Buchmesse und beeinflusst somit Meinungsbildner aus und in der arabischen Welt. (www.auslaenderseelsorge.com info@arabic-church.com) 19
teilgebend ... Hans-Georg Filker Berliner Gasthausmission Gasthausmission – Drei kurze Blicke in die Geschichte na, was ist das denn…? 1. Das Ganze begann in … Frankreich. Berliner Gasthausmission, das Wort An der Riviera. Junge deutsche Saison- muss man sich auf der Zunge zergehen arbeiter – Kellner und Köche, die in lassen. Wer möchte da nicht mitma- Deutschland im CVJM, im EC oder der chen, Essen, Trinken, Reden, Small und Jungen Gemeinde beheimatet gewesen Big talk… Es gibt interessante missio- waren, fühlten sich geistlich obdachlos. narische Projekte, die Mission an „ande- Da ermutigte sie der deutsche Auslands- ren Orten“ durchführen, weil manchen pfarrer in Nizza, selbst Bibelstunden zu die Schwellen zur Kirche oder ins Ge- starten in den Zeiten, die durch ihre Ar- meindehaus zu hoch sind. beit ermöglich wurden. Zeiten, in denen Gasthausmission hat eine andere Ziel- „normale“ Gemeindearbeit Pause mach- setzung. Sie wendet sich an Menschen, te oder zu denen normale Gemeindeglie- die im Hotel- und Gastgewerbe arbei- der schon schliefen. So entstand die ten. Sie haben die Gastfreundschaft als „Kellnermission“. Beruf und erfahren oft sehr wenig Wert- 2. In Berlin sahen Verantwortliche die schätzung. Wegen ihrer Arbeitszeiten geistliche und die soziale Not der Be- bestehen oft nur wenige Möglichkeiten, diensteten in den Hotels. Untergebracht regelmäßig am Leben einer christlichen in Verschlägen unterm Dach waren sie Gemeinde teilzunehmen. Also geht die den Launen und manchmal Begierden Kirche zu ihnen.
teilgebend ... der Vorgesetzten ausgesetzt. Sie ent- bühren pleite gegangen. Hier wurde wickelten eine interessante Idee. Im durch die Kooperation mit dem gegen- „Christlichen Kellnerheim“ in der Alb- überliegenden Hotel Albrechtshof eine rechtstrasse in Berlin-Mitte wurde die gute Lösung gefunden – und endlich Hälfte der Zimmer normal an Gäste ver- gab es wieder einen eigenen Geschäfts- mietet. Die Einnahmen nutzte man zur stellenraum. Subvention der Zimmer für Mitarbeiten- 3. Neuanfang mit Horita und dem Wirte- de. Als erster „Hauptamtlicher“ wurde stammtisch ein Oberkellner aus dem Hotel Adlon be- Im ersten Jahr nach der Wende luden rufen, der nach anfänglichem Zögern wir zu einem Weihnachtsempfang in die mit dem Segen – und einer hilfreichen Albrechtstrasse ein. Woher sie die Einla- Spende – des legendären Seniors Lorenz dung bekommen hatte, ist mir bis heute Adlon seinen Dienst aufnehmen konnte. ein Rätsel, aber dann stand sie in der Das war mitten im ersten Weltkrieg. Es Tür: Horita Wolf, Chefin des Charlotten- folgten dramatische Jahre für die Gast- burger Wirtestammtischs, ein gastrono- hausmission im Dritten Reich und in der misches Berliner Urgestein. „Gasthaus- DDR. Erst wurde der Verein verboten, mission finde ich gut“, sagte sie und er- dann wurde das Haus vom DDR-Staat zählte ihre Geschichte. Als Kind war sie einkassiert. in Karow, einem Vorort von Berlin, auf- Ein kleiner Ableger des Vereins existier- gewachsen. Ihre Eltern hatten dort eine te weiter in West-Berlin, der mich kon- Kneipe. Mit dem Kneipenkind wollte – taktierte, als ich 1989 im Juni meinen und sollte – keiner spielen, nur die Pfar- Dienst als Stadtmissionsdirektor in Ber- rerskinder nahmen sie auf. Die Kirche lin antrat. So wurde ich Vorsitzender ei- lag neben der Kneipe. So lernte sie die nes Vereins, dessen treue Mitgliedschaft fremde fromme Welt spielend kennen. noch aus einer 87jährigen Hausfrau und Die von der Kirche waren eben doch an- einem 93jährigen Pfarrer bestand. Hier ders als die anderen Leute vom Dorf. war also etwas zu tun. Das hat sie nicht vergessen, auch nicht Doch zunächst handelte Gott. Mit dem als mit allen Wassern gewaschene Wir- Fall der Mauer am 9.11.89 bestand die tin, deren Ausdrucksweise zwar nicht Möglichkeit das alte Haus der Gasthaus- immer jugendfrei war, aber energisch. mission – so hieß die Kellnermission in- So kommandierte sie zum Erschrecken zwischen – zurück zu bekommen. Und bis Entsetzen der Stammtischmitglieder das gelang! Mittlerweile war die Mitglie- – und das war ein großer Kreis: „Wir ge- derzahl wieder auf 12 angewachsen, hen zusammen in den Berliner Dom. Jahresbeitrag 50€. Jetzt gab es ein Gottesdienst der Gasthausmission. Das Problem. Wir hatten ein Haus – besser ist gut, da drückt sich keiner!“ Und gesagt eine DDR-Ruine – und keine tatsächlich kamen sie – und kommen Bank würde diesem Verein einen Millio- immer wieder, bis heute, wenn sie nicht nenkredit auszahlen. Wir wären als Ver- gestorben sind, wie Horita vor einigen ein schon an den jährlichen Müllge- Jahren. Zu den monatlichen Treffen des 21
teilgebend ... Stammtischs wird die Gasthausmission eingeladen und beim weihnachtlichen Termin wird auf jeden Fall ein geistli- ches Wort erwartet, allerdings in einer Sprache, die sie verstehen und mit Kon- kretionen, die auch in ihrem Leben vor- kommen. Der jährliche Dom-Gottes- dienst, meist Anfang Mai um 18 Uhr, hat sich fest etabliert und wird mittler- weile von vielen aus dem Gastgewerbe in Berlin wahrgenommen – ein Wunder in dem sonst so unkirchlichen Berlin genauso wie der Weihnachtsempfang. sprächs bot er an, den diesjährigen Der ist ein weiteres Wunder. Weihnachtsempfang der Gasthausmissi- on im Adlon auszurichten. Unbezahlbar Vom „Adlon“ ins „Interconti“ für uns, aber ein Ereignis! Als er das Präsidentenamt in der DEHOGA Berlin Bei einem Empfang der DEHOGA Berlin, abgeben musste, weil er das „Kempins- dem Fachverband der Hotellerie und Ga- ki“ in Moskau auf Vordermann bringen stronomie, bat ich den Präsidenten um sollte, sagt er seinem Nachfolger, der ein Gespräch, um ihm die Arbeit der Chef des Hotels „Intercontinental“ war: Gasthausmission vorzustellen. Er lud „Mach, was du willst in deinem neuen mich in sein Hotel, dem Adlon, ein. Als Amt, aber unterstütze die Gasthausmis- wir bei einer Tasse Kaffee in der Lounge sion!“ Über viele Jahre besteht nun die- saßen, sprachen wir über die Mitarbei- se Verbundenheit und bietet viele Gele- terschaft. Nun muss ich vorausschicken, genheiten zu geistlichen Impulsen, dass er in Berlin durchaus für eine ge- auch im Kreis der Hoteldirektoren und wisse Eitelkeit bekannt war. „Ich mache Manager. Das geht von Adhoc-Anspra- mir Sorgen“, sagte er, „nicht um die chen beim Golfturnier bis hin zu Taufen. Trainees hier, die wollen Karriere ma- chen und manche werden es auch, aber Die Botschaft der Gasthausmission: wo richtige Probleme auftreten, das ist „G a M i“ bei den Küchenhilfen, den Kellnern, Köchen, Hauskeeping-Mitarbeitern, und Wie evangelisiert man eigentlich, wenn zwar wenn sie in Rente gehen. Für viele die Zielgruppe nicht fromm ist, wenn ist nämlich der Job das einzige soziale sie weder die Heilsgeschichte noch die Netz, das sie haben und das sie mit ganze christliche Insidersprache ver- dem Renteneintritt verlieren.“ Ich war steht, und dazu einen internationalen total verblüfft. Dieser Topmanager des Background hat? berühmtesten Hotels Berlins macht sich Die meisten Mitarbeitenden in der Ga- einen Kopf über die geringsten seiner stronomie in Berlin - und das sind über Mitarbeiter. Zum Abschluss des Ge- 60 000 Menschen mit steuerpflichtigen
teilgebend ... Verträgen – haben zu dienen, verdienen Wir brauchen Reformationsbotschafter aber nicht besonders viel und erfahren der besonderen Art. Alle, die in Hotels selten Wertschätzung von Gästen. Dafür übernachten, in ein Restaurant essen müssen sie aber bei unfreundlichen und gehen sind potentielle Multiplikatoren. nörgelnden Gästen stets freundlich sein. Beim Bezahlen mit dem Trinkgeld kön- Fehler dürfen eigentlich nicht passieren. nen sie eine kleine Visitenkarte mit die- Dienstleistung kann ein hartes, undank- ser Botschaft überreichen: „Gott an mir bares Geschäft sein. interessiert“, mit den Kontaktdaten der Mission läuft ja meistens so: Wir Chri- Gasthausmission. Im Reformationsju- sten sagen: „Liebe Leute, interessiert biläumsjahr haben wir fast 15000 sol- euch doch bitte für Jesus, für den lie- cher Visitenkärtchen unter die Leute ge- ben Gott. Das ist wichtig, ja geradezu bracht. lebenswichtig. Gott schenkt ein neues Leben, wenn ihr das und das tut (…je Feierabendlounge – nach Frömmigkeitsprägung ist das eine der Treffpunkt zum „Schnuppern“ oder das andere dann wichtig).“ Und Mit dem Weihnachtsempfang und dem dann müssen wir viel aufwenden, um Domgottesdienst haben wir zwei High- Menschen dazu zu bringen, sich für Gott lights, aber wir benötigen mehr Kon- zu interessieren. Das wirkt manchmal taktflächen, dass Menschen aus dem bedrängend. Eine selten wahrgenomme- Gastgewerbe (andere) Christen kennen ne Nebenwirkung: es spiegelt oft nicht lernen können. So entstanden die mo- die Freiheit und Freude des Evangeli- natlichen „Feierabendlounges“, zwei ums. Stunden mit ganz unterschiedlichem In der Gasthausmission sind wir mit dem Programm an ganz unterschiedlichen Beginn des Reformationsjubiläums ei- Orten: Von einer Bar über das Haus der nen anderen Weg gegangen, um auf das EKD am Gendarmenmarkt, vom Restau- Evangelium von Jesus Christus in einem rant in 204m Höhe im Fernsehturm bis ganz säkularen Kontext hinzuweisen. zur Schiffstour auf der Spree wird nied- Wir wissen: „Gott ist an Mir interes- rigschwellig eingeladen siert“! Das wollen wir weitergeben. Der oder die Angesprochene hat alle Freiheit Profil C darauf zu reagieren. Du kannst dich dar- auf einlassen oder es lassen. Das Inter- In Berlin gibt es einige Häuser in esse Gottes an uns hängt übrigens nicht christlicher Trägerschaft: Stadtmission, davon ab, ob wir religiös sind, ob wir CVJM, EC, VCH-Hotels. uns für ihn interessieren. Er liebt ohne Eine spannende Frage ist: Wie kann sich Vorbedingungen oder Vorleistungen. in dieser pulsierenden Weltstadt ein Bist du dabei? christliches Profil verständlich und an- Gott – an – Mir – interessiert: G a M i – gemessen ausdrücken. Was gehört dazu? das ist, wofür Gasthausmission steht. Was ist eher hinderlich? Wie bekommen wir diese reformatori- Es gibt sehr unterschiedliche Erwartun- sche Botschaft an die Zielgruppe? gen von Trägern, von Leitenden Mitar- 23
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