1.000 Tage entscheiden über ein ganzes Leben - Unsere Arbeit geht weiter AFGHANISTAN
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Ausgabe 4 | 2021 ÄTHIO PIEN: 1.000 Tage entscheiden über ein ganzes Leben AFGHANISTAN: Unsere Arbeit geht weiter „WO CHE DER WELTHUNGERHILFE“: Klimakrise macht Hunger
Wir sollten uns bewusst machen, dass vieles von dem, was wir hier tun, in anderen Ländern für Not und Hunger sorgt. TV-Moderator Daniel Boschmann war zu Gast beim Podcast „Welthungerhilfe direkt“. Dort spricht er über seine Motivation für soziales Engagement und politische Veränderung. Zu hören unter welthungerhilfe.de/ podcast. magazin 4 | 2021
EDITO RIA L | INH A LT Liebe Freund*innen der Welthungerhilfe, es ist schwer, dieser Tage nicht den Mut zu verlieren. Im August bebte in Haiti die Erde, über zweitausend Men- schen starben, viele Tausend wurden verletzt, verloren ihr Hab und Gut und ihr Zuhause. Die Welthungerhilfe steht Betroffenen zur Seite, unterstützt sie mit Trinkwas- ser, Lebensmitteln und Bargeld (S. 9). Und ein weiteres Ereignis erschütterte im August die Welt: In unfassbarer Geschwindigkeit eroberten die Ta- liban nach Abzug der internationalen Truppen ganz Af- ghanistan. Die Bevölkerung ist verunsichert – was wird sich durch die neuen Machthaber verändern? Auch für 12 die Welthungerhilfe stellte sich diese Frage. Wir haben sorgfältig abgewogen und uns entschieden: Wir werden unsere Arbeit in Afghanistan fortsetzen. Über die Bedin- gungen führen wir derzeit Gespräche mit den Gemeinden. Beispielsweise dürfen die Frauen der Safran-Kooperati- TITELTHEMA: ÄTHIOPIEN ve in Herat ihre Tätigkeit weiterführen (S. 6). Doch der 1.000 Tage entscheiden über ein ganzes Leben Preis für Safran ist gefallen. Die sich ausweitende Wirt- In der äthiopischen Amhara-Region leiden vor allem Säuglinge schaftskrise in Verbindung mit einer schweren Dürre und und Kleinkinder an chronischer Unter- und Mangelernährung – den Folgen der Corona-Pandemie sind für viele im Land mit schwerwiegenden Folgen. bedrohlich. Deshalb leisten wir verstärkt Nothilfe, gera- de vor den harten Wintermonaten. Mut aber macht ein Projekt in der äthiopischen Amhara- AKTUELL Region. Hier leben die Menschen unter schwierigsten 4 Wie aus Sonne Ernte wird Bedingungen, wie die Familie der jungen Mutter Alemie. 6 Unsere Arbeit in Afghanistan geht weiter Ihre Tochter leidet unter den Folgen frühkindlicher Man- 9 Haiti kommt nicht zur Ruhe gelernährung. Für ihren kleinen Sohn jedoch kamen die FÖRDERPARTNER*INNEN Aktivitäten zu ausreichender und nährstoffreicher Er- 10 Ein Job mit Schutzfaktor – für die Natur nährung noch rechtzeitig, und innerhalb der so wichtigen ersten 1.000 Lebenstage konnte er sich gesund entwickeln. INTERVIEW Mit Blick auf Äthiopien gilt unsere Sorge dem sich aus- 18 Léa Knust: „Die Dynamik meiner Arbeit breitenden gewaltsamen Konflikt in der Region Tigray. schätze ich am meisten“ Mut macht auch das Ergebnis der diesjährigen „Woche HINTERGRUND der Welthungerhilfe“. Unter dem Motto #Klimakrise- 20 Welthunger-Index 2021 MachtHunger setzten sich Menschen jeden Alters dafür 22 Wo ist der Hunger am größten? ein, klimagerechter zu handeln und Familien im Globa- STIFTUNG WELTHUNGERHILFE len Süden nicht mit den unverschuldeten Folgen der 24 „Einen Beruf zu erlernen ist das Wichtigste“ Klimakrise alleinzulassen. Wir bedanken uns bei allen, die mitgemacht und dieses wichtige Thema breit in die AKTIONEN & KOOPERATIONEN Öffentlichkeit getragen haben. 26 Klimakrise macht Hunger 28 Skill Up! bietet Sicherheit in der Krise 29 Post aus der Türkei PANORAMA 30 Kompliziertes leicht erklärt I „Summer for Herzlichst, Ihr friends“ I „Jeder Bissen zählt!“ 31 Mozart für Madagaskar I Steuerhinweis Zu „magazin“ 3/2021: Leider hatten wir die Bevölkerungs zahl zu Peru auf S. 15 versehentlich aus der vorherigen Ausgabe zu Bangladesch übernommen. Zutreffend ist: Laut Weltbank lebten 2020 in Peru rund 33 Millionen Menschen. Mathias Mogge, Generalsekretär 3 magazin 4 | 2021
A K T UEL L : TA D S CHIKISTA N RUBRIK-T HEM A Wie aus Sonne Ernte wird Von Zaro Kurbanbekova Inmitten schroffer Felsen blitzen die Paneele der thoden an, zudem kämpfen sie mit den Folgen des Klima- Solaranlage von Rahmonov Hamza. Seine Anlage liefert wandels. Große Waldflächen schwinden, weil die Men- genug Energie, um den kleinbäuerlichen Familienbetrieb schen darauf angewiesen sind, mit Holz zu heizen und zu in der kargen und armen Gebirgsregion Tadschikistans kochen. Nur ein Zehntel der Fläche Tadschikistans ist mit Wasser zu versorgen. Nur vier Stunden braucht die landwirtschaftlich nutzbar, umso wichtiger ist es, diese von Solarkraft betriebene Pumpe, um das von der Fami- bestmöglich zu bewirtschaften. Die Familien von Baljuvon lie selbst ausgehobene große Reservoir mit Wasser aus machen es vor: Zehn kleinbäuerliche Kooperativen haben dem nahe gelegenen Fluss Surkhob zu füllen. Früher ihre Betriebsführung auf effiziente und ressourcenscho- baute Familie Hamza hier Weizen an, doch die Ernte war nende Landwirtschaft umgestellt. Fünf Kleinwasserkraft- ohne Bewässerungsmöglichkeiten mager und das Leben werke und 20 Solaranlagen ersetzen inzwischen Holz, entbehrungsreich. Heute gedeihen auf ihrem Feld Kar- Kohle und teuren Diesel durch Energie aus erneuerbaren toffeln, prächtige Wassermelonen und Kürbisse, die sich Quellen. Für die Söhne der Hamzas sind dies gute Voraus- zu guten Preisen verkaufen lassen. setzungen, um einmal in die Fußstapfen ihrer Eltern treten Gemeinsam mit den Bauernfamilien und der Orga- zu können. nisation Bargi Sabz arbeitet die Welthungerhilfe in der Zaro Kurbanbekova ist Projektleiterin der Region Baljuvon daran, die Landwirtschaft ertragreicher Welthungerhilfe in Tadschikistan. zu gestalten. Denn das Einkommen der Menschen reicht Mehr über unsere Arbeit in Tadschikistan finden Sie unter kaum zum Leben, viele bauen nach längst überholten Me- welthungerhilfe.de/informieren/laender/tadschikistan 4 magazin 4 | 2021
A K T UEL L : A FGH A NISTA N Unsere Arbeit in Afghanistan geht weiter Zum Schutz der abgebildeten Personen haben wir die Gesichter unkenntlich gemacht. Die humanitäre Not in Afghanistan war bereits vor der Machtübernahme der islamistischen Taliban groß – nun ist sie dramatisch. Für die Welthungerhil- fe steht deshalb fest: Wir werden unsere Arbeit im Land fortsetzen. Wie aber steht es um die Projekte, vor allem um jene, an denen Frauen beteiligt sind? Im „magazin“ 1/21 berichteten wir über die Safran- Kooperative im Westen des Landes. Wie geht es Im Westen Afghanistans, in einer Landschaft voller Staub und Trockenheit, liegt die Stadt Herat, umgeben von Wüste. Am dort weiter? Die Journalistin Andrea Jeska reiste im Horizont erstrecken sich die flachen Berge der Dau Shakh Ket- Oktober nach Herat und traf dort die Frauen der te, und durch das breite Flussbett des Heirut ziehen sich nur Kooperative. In ihrer Reportage erzählt sie von der Rinnsale. Seit Jahren wartet man hier auf genug Regen, doch Lage im Land, und was sich für die Menschen im in diesem Sommer fiel so wenig, dass der Weizen noch am Halm Projektgebiet verändert hat. vertrocknete. Schon immer konnten die Bauern hier ihre Fami- lien kaum ernähren, doch seit diesem Sommer sind die, die über Von Andrea Jeska die Runden kamen, arm und die Armen bitterarm. Merajudin Shahabi aus dem Dorf Gabighan kämpfte vie- le Jahre mit der Not, die aus der Trockenheit der Wüste ent- Familien in Not Gerade für Kinder erhalten Feuerholz bedeutet die Kälte sprang. Der Bauer, ein großer Mann mit kräftigen Händen, bau- für die harten Winter eine große Gefahr. te Kartoffeln und Zwiebeln an, hielt einige Schafe und Kühe, monate. und schaffte es, in guten Jahren 3.000 Afghani, umgerechnet magazin 4 | 2021 6
30 Euro, im Monat zu verdienen. In schlechten Jahren waren es nur 2.000 Afghani – weniger, als ein 25-Kilo-Sack Reis kostet. Die gesamte Last des Geldverdienens lag allein auf seinen Schul- tern, und wenn ein Hüne wie Merajudin sagt: „Ich fühlte mich sehr allein“, dann lässt das die Größe dieser Last ahnen. Bibi Gul, Merajudins Ehefrau, hat ihren eigenen Kopf. Das merkt man sofort, wenn man sie kennenlernt. Sie hat die Hälfte der Last, wenn nicht mehr, vor zwei Jahren von ihrem Mann genommen. Indem sie Teil einer Frauenkooperative wur- de, die Safran anbaut, erntet, verarbeitet und vermarktet. Nicht Wir lassen die M enschen irgendeinen Safran, sondern solchen, der zu den Weltbesten nicht im Stich zählt. Zwei Sätze bringen auf den Punkt, welchen Unterschied Thomas ten Boer ist Landesdirektor der Welthungerhilfe. das für die Familie macht. „Ich bin jetzt sichtbar und werde re- Er berichtet über die nächsten Schritte der Welthungerhilfe spektiert“, sagt Bibi Gul. „Ich bin nicht mehr allein“, sagt Me- unter den erschwerten Bedingungen. rajudin. Der Safranverband „Socio-agricultural women of Besonders in den ländlichen Regionen ist die Not erschre Pashtoon Zarghoon District“ ist eine Initiative der Welthunger- ckend. Unsere Erkundungsmissionen im Norden und Osten hilfe. Deren lokaler Partner RAADA (Rehabilitation Association des Landes zeigen die verheerende Zerstörung und ein riesiges Ausmaß an Armut, Hunger und Verzweiflung in den Dörfern. and Agriculture Development for Afghanistan) hat seinen Sitz Die Menschen befinden sich in einem Teufelskreis: Aufgrund in Herat, einer alten Handelsstadt an der ehemaligen Seiden- internationaler Sanktionen ist das Bankensystem lahmgelegt, straße. Herat, das war das wohlhabende Zentrum der Dichter es fehlt an Bargeld, die Preise für Nahrungsmittel schnellen und Musiker, der Sufi-Meister, der besten Teppichknüpfer, Sitz in die Höhe und vor allem alleinstehende Frauen wissen der renommierten Balkh-Universität. Heute leben hier 600.000 kaum, wie sie ihre Kinder ernähren sollen. Sie dürfen ihrer Menschen. Am 12. August dieses Jahres wurde Herat nach ta- Arbeit nicht mehr nachgehen, oftmals ihr Haus nicht ohne gelangen Kämpfen an die Taliban übergeben. Die Provinzregie- männliche Begleitung verlassen. rung und die Sicherheitskräfte hatten sich zuvor in eine nahe- Zudem sind die wirtschaftlichen Schäden der Corona-Pande gelegene Armeebasis abgesetzt, die Taliban marschierten unge- mie enorm, anhaltende Dürre beeinträchtigt die Ernten und hindert ein. für die Wintersaison sind erneut unterdurchschnittliche Nie Nach den ersten angstvollen Wochen, in denen sich kaum derschläge vorhergesagt. Seit Jahren leben Binnenvertriebene ein Mensch auf die Straße wagte und vor allem die Frauen da- in informellen Siedlungen rund um die Hauptstadt Kabul, heimblieben, hat sich die Lage normalisiert. Das bunte Treiben ohne medizinische Versorgung, angemessene Unterkunft ist wieder erwacht, entlang der Straßen bieten Händler Kleidung und Schulbildung für ihre Kinder. Im Winter wird sich diese und Gewürze an, es riecht nach Zimt und Kardamom. Das Büro hoffnungslose Situation noch dramatisch verschlimmern, von Nazir Ghafoori, Direktor von RADAA, liegt in einem Hin- wenn die Häuser kaum Schutz vor Temperaturen weit unter terhof mitten in Herat. Eigentlich ist der Mitfünfziger Veterinär, Null bieten. Wir bereiten die Verteilung von Heizmaterial und einfachen Öfen an bedürftige Familien in ländlichen Gebieten seit vielen Jahrzehnten aber engagiert er sich für die Rechte und und in Kabul vor. die Stärkung der Frauen auf dem Land. Er hat ein halbes Dut- zend Initiativen auf den Weg gebracht, um diesen Frauen ein Unsere Arbeitsmöglichkeiten sind derzeit noch unklar. Bei eigenes Einkommen und minimale Freiheiten zu ermöglichen. spielsweise wissen wir nicht für alle Projekte, ob Frauen ihre Aus der Kooperation mit der Welthungerhilfe entstand die Idee Arbeit fortsetzen können und unter welchen Bedingungen. Ob des Safrananbaus. der ungehinderte Zugang zu den Bedürftigen, die Neutralität der humanitären Hilfe und die Sicherheit für unser Team von Kaum verlässt man die breiten Straßen von Herat auf der neuen Regierung garantiert werden können. Vorüberge dem Weg in die umliegenden Dörfer, wird das Land öde. Ver- hend haben wir unsere Entwicklungsaktivitäten eingestellt kümmerte Vegetation, Bauern auf Eselskarren, Lehmhäuser mit und konzentrieren uns auf die Nothilfe. Beispielsweise erhal abgerundeten Dächern. Die wenigen Läden, die es dort noch ten seit Oktober 6.500 besonders bedürftige Familien in der gibt, verkaufen gerade mal die Grundnahrungsmittel und Plas- Provinz Nangarhar Lebensmittel wie Mehl, Öl, Hülsenfrüchte tiksandalen in allen Farben. Wer hier lebt, muss widerstandsfä- und Salz. Im November wurde die Hilfe auf 10.500 Familien hig und bescheiden sein. In das Safran-Projekt werden vor allem ausgeweitet. jene Frauen aufgenommen, die mit großer Not zu kämpfen ha- Die Welthungerhilfe war auch während der ersten Taliban- ben. „Wir fahren in die Dörfer und schauen, welche Familien Regierung in Afghanistan tätig. Damals wie heute sprechen wir am ärmsten sind. Voraussetzung ist, dass sie ein Stück Land über unsere Projekte mit den jeweiligen Dorf- und Stadträten. besitzen, auf dem die Frauen anbauen können. Dann reden wir Gemeinsam gehen wir für Verhandlungen auf die Taliban zu. mit den Dorfältesten und den Ehemännern. Wir erklären ihnen, Für uns steht fest, dass wir im Land bleiben werden, um un welche Vorteile es hat, wenn die Frauen Geld verdienen. Wir sere humanitäre Aufgabe zu erfüllen. Wir dürfen und werden stoßen selten auf Schwierigkeiten, denn die Einsicht der Männer die Menschen nicht im Stich lassen! 7 m a g a z ii nn 4 | 2 0 2 1
A K T UEL L : A FGH A NISTA N ist groß“, sagt Nazir Ghafoori. Die ausgewählten Frauen, 100 sind verstünden. „Viele Männer sind arbeitslos oder verdienen nur es zurzeit, erhalten je 400 Safranzwiebeln von der Welthunger- wenig Geld. Mindestens ein Viertel aller afghanischen Familien hilfe und ein Training über den Anbau. Um in der Kooperative wird komplett von Müttern oder Töchtern ernährt, ein weiteres ihre Waren selbstständig vermarkten zu können, gibt es auch Viertel mit deren Hilfe. Ihnen die Mitarbeit zu verwehren, wür- Alphabetisierungs- und Buchhaltungskurse. Bei allen Fragen de zu katastrophaler Not führen.“ und Problemen werden die Frauen von RADAA beraten und Wirtschaftlich gesehen ist die neue Lage dennoch eine engmaschig betreut. existenzielle Bedrohung. Die Talibanregierung hat kein Geld, Für Bibi Gul und die Frauen der Initiative hat sich durch mehr als 70 Prozent der Bevölkerung sind nun ohne Arbeit. Die die Machtübernahme der Taliban politisch wenig geändert. Schon Vereinten Nationen warnen vor einer Hungersnot, wenn nicht davor waren die meisten Dörfer in der Steppe um Herat unter weiterhin in großem Format humanitäre Hilfe ins Land kommt. der Kontrolle der Islamisten, und diese ließen sie gewähren, weil Zudem steht der Winter vor der Tür, zum Heizen fehlt den Men- sie die Unterstützung der Hilfsorganisationen zur Versorgung schen das Geld, in manchen Gebieten fällt für viele Stunden am der Bevölkerung brauchten. Denn während des sogenannten Tag der Strom aus. Die Kosten für Grundnahrungsmittel wie Reis, Anti-Terror-Krieges der Amerikaner und der NATO verstärkte Mehl und Öl sind um 30 bis 50 Prozent gestiegen. Bereits jetzt sich die Armut in Afghanistan mit jedem Jahr. Die Gründe da- liegen in den Krankenhäusern unterernährte Kinder, hat sich die für sind nicht allein die Dürren, sondern unter anderem auch Zahl der Bettelnden in den Städten vervielfacht. Der britische die vielen Kämpfe, vor denen die Menschen flohen, und die Sender BBC berichtete kürzlich von Familien, die eines ihrer Marginalisierung der Landbevölkerung. In Armutsbekämpfung, Kinder verkaufen, um die anderen Kinder ernähren zu können. das Gesundheitssystem und die Infrastruktur wurde von afgha- Auch die Frauenkooperative leidet unter der wirtschaft- nischer Seite so gut wie nicht investiert, diese Aufgaben blieben lichen Talfahrt. Schon mit Beginn der Corona-Pandemie fiel der den Hilfsorganisationen überlassen. Preis für Safran um 50 Prozent, nun fällt er weiter. Auch des- halb, weil Afghanistan jetzt isoliert ist, das Bankensystem noch Mit der Machtübernahme der Islamisten in Afghanistan immer nicht funktioniert und der Export ins Ausland schwierig und deren Ankündigung einer rigiden islamischen Staatsfüh- bis unmöglich geworden ist. Wie die Zukunft für den Safranan- rung, die Frauen das Recht auf Arbeit und Bildung verwehrt, bau und für die Frauen in seinem Land aussieht, weiß auch Na- kam jedoch die bange Frage auf, wie es mit der Kooperative zir Ghafoori nicht einzuschätzen. „Es sind dunkle Zeiten“, sagt weitergehen würde. Dass die Frauenorganisation ihre Arbeit er, „und wir können nur hoffen, dass sie wieder heller werden.“ bislang fortsetzen darf, verdankt sie den Verhandlungen der Welthungerhilfe mit den Gemeinderäten und der engagierten Die freie Journalistin Andrea Jeska besuchte Afghanistan Vermittlungsarbeit von RAADA. Denn jene Taliban, die in den über die Jahre regelmäßig, zuletzt im Oktober 2021. Dörfern um Herat das Sagen haben, so erklärt Ghafoori, seien Mehr über unsere Arbeit in Afghanistan finden Sie unter: Einheimische, die die prekäre Lebenssituation der Menschen welthungerhilfe.de/informieren/laender/afghanistan Ich bin jetzt sichtbar und werde respektiert. magazin 4 | 2021 8
A K T UEL L : H AITI Haiti kommt nicht zur Ruhe Am Morgen des 14. August 2021 erschütterte ein E rdbeben der Stärke 7,2 auf der Richterskala den Süden Haitis. Zehntausende Häuser wurden zerstört, mehr als 2.000 Menschen starben. Nur wenige Tage später fegte Tropensturm „Grace“ über das betroffene Gebiet hinweg. Viele Tausend Menschen sind seither auf Hilfe angewiesen. Die Welthungerhilfe und ihre Partner unterstützen Familien mit dem Nötigsten. Von Tanja Heimann Die Bilder weckten schreckliche Erinnerungen an das schwere Erdbeben von 2010, und diesmal waren die Erdstöße sogar noch stärker. Wieder verloren zehntausende Menschen ihr Familien, die Dach über dem Kopf, die Krankenhäuser waren überlastet mit esonders schwer vom b Erdbeben betroffen Verletzten und es fehlte an medizinischer Ausrüstung, vielerorts sind, erhalten finan hatten die Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. zielle Unterstützung. Das Erdbeben traf vor allem die südliche Halbinsel, ein Gebiet, das zu den ärmsten des Landes mit einer schlechten Infrastruk- Dank der Wasser tur gehört. Die einzige Straße aus der Hauptstadt Port-au-Prince aufbereitungsanlagen führt durch Gegenden, die seit Juni unter der Kontrolle von be- bekommen viele waffneten Gruppen stehen. Denn die Katastrophe trifft den Ka- Tausend Menschen sauberes Trinkwasser. ribikstaat zu einer Zeit, die ohnehin von politischer Instabilität, wirtschaftlicher Misere und großer Not geprägt ist. Im Juli wur- de der damalige Präsident Jovenel Moïse ermordet. Gleichzeitig leidet Haiti schwer unter den wirtschaftlichen Folgen der Coro- na-Pandemie. Gleich nach dem Beben verteilte das Team der Welthun- gerhilfe Hygieneartikel sowie Planen und Decken. Gemeinsam mit der französischen Organisation ACTED, einem unserer Part- ner im europäischen Netzwerk Alliance2015, versorgt die Welt hungerhilfe zudem drei schwer betroffene Gemeinden der Dépar- Nur wenige Tage nach dem Erdbeben wurden die Men- tements Grand-Anse und Sud mit Trinkwasser. 15.000 Menschen schen im Süden des Landes von Tropensturm „Grace“ heimge- erhalten mit Tanklastwagen Wasser für einen Monat. Darüber sucht. Dieser brachte Starkregen und löste neben Schlammla- hinaus erhalten 300 Familien direkte finanzielle Unterstützung winen auch Erdrutsche aus, die das Leid der Bevölkerung weiter über unseren lokalen Partner FODES-5 im Département Nippes. verschlimmerten. Denn die provisorischen Unterkünfte konnten So können sie ihren Bedarf an Lebensmitteln oder Dingen, die den Fluten nicht standhalten, viele Menschen mussten ohne je- sie durch die Katastrophe verloren haben, individuell selbst de- den Schutz im Freien ausharren. Es wird noch lange dauern, bis cken. Haiti zählte schon vor dem Beben zu den ärmsten Ländern sich die Menschen von den Folgen der Katastrophe erholt haben der Welt, etwa die Hälfte der Bevölkerung muss mit weniger als und ihren Alltag wieder aus eigener Kraft bestreiten können. einem US-Dollar am Tag auskommen. Für viele Familien sind Wir bleiben vor Ort und werden weiterhin diejenigen unterstüt- aufgrund der enorm steigenden Preise sogar Grundnahrungs- zen, die dringend Hilfe benötigen. mittel fast unerschwinglich geworden: Ein Brot kostet derzeit umgerechnet 1,60 Dollar, ein Liter Speiseöl einen Dollar. Infol- Tanja Heimann arbeitet im Team der Welthungerhilfe in Haiti. gedessen sind mehr als zwei Drittel der Kinder unter fünf Jahren Mehr über unsere Arbeit in Haiti finden Sie unter: unterernährt. welthungerhilfe.de/informieren/laender/haiti 9 magazin 4 | 2021
FÖ RD ERPA RT NER*INNEN Ein Job mit Schutzfaktor – für die Natur Für Patricie Mukunzi ist ihr neuer Ofen, den sie selbst gebaut hat, ein Segen. „Ich brauche nur noch halb so viel Brennstoff wir früher“, sagt die junge Mutter. „Manchmal kann ich mit der gleichen Menge Gerade junge Menschen sehen sich in Burundi großen sogar noch länger kochen.“ In einem Dorf wie Ma- Problemen gegenüber. Es herrscht hohe Arbeitslosigkeit, rangara im Norden Burundis ist Feuerholz so kostbar der Klimawandel und eine rasch wachsende Bevölke- wie für andere Menschen Gold. Die kleinbäuerlichen rung haben zur Folge, dass immer mehr Bauernfamilien Familien kochen und heizen mit Holz, sie bauen da- immer w eniger fruchtbares Land zur Verfügung steht. mit ihre Häuser, Ställe und Lagerräume und produ- In der nördlichen Provinz Ngozi können sich viele kaum zieren Holzkohle für den eigenen Bedarf oder zum Verkauf. Andere Einkommensmöglichkeiten sind sel- mehr ausreichend ernähren. Ein Projekt der Welthunger ten in der verarmten Region. Fast alle Familien leben hilfe bildet deshalb gezielt junge Menschen aus – für hier vom Ertrag ihrer kargen Felder oder der einfachen ein sicheres E inkommen und die Fähigkeit, ihre Heimat Verkohlung von Holz. Wald und Ackerfläche aber durch nachhaltiges Wirtschaften zu schützen. schrumpfen zunehmend, denn die Bevölkerung wächst Von Amédée Nkurunziza magazin 4 | 2021 10
FÖ RD ERPA RT NER*INNEN FÖR D E R P A R T N E R * I N N E N schnell und der Klimawandel vernich- es unterstützt vom Bundesministerium tet ganze Landstriche durch Starkre- Gemeinsam für wirtschaftliche Zusammenarbeit gen oder Extremdürren. Also schla- gen die Menschen die verbliebenen verändern wir die Welt und Entwicklung. „Bisher habe ich keine Pers- Bäume, um neue Äcker anzulegen Als Förderpartner*in geben Sie jungen pektiven für mich und meinen Sohn oder Brennmaterial zu sammeln. Menschen wie Patricie Mukunzi die C hance, in unserem Dorf gesehen“, sagt Em- Die Folge ist eine permanente Ab- sich und ihren Kindern ein gutes Leben manuella Uwizerimana. Nun wärtsspirale: mehr Erosion, ausge- aufzubauen. Dank Ihrer Unterstützung schöpft sie wieder Hoffnung: „Das laugte Böden, weniger Produktivität bilden sie sich in einem zukunftsweisenden Projekt gibt mir die Möglichkeit zu in der Landwirtschaft, größere Schä- Beruf fort. So nehmen sie ihr Leben einer Ausbildung in der Landwirt- selbst in die Hand. den durch klimabedingte Extremwetter schaft. Von dem Geld, das ich damit und wachsender Hunger. erwirtschafte, möchte ich mir ein kleines „Wir wollen Zerstörtes in unserer Hei- Gewerbe aufbauen und Ziegen halten. Damit mat wieder aufbauen“, sagt Patricie Mukunzi. Sie kann ich meinem Sohn eine bessere Zukunft er- gehört zu den 1.200 jungen Menschen in der Provinz möglichen.“ Das Umwelt- und Wirtschaftsprojekt der Ngozi, die arbeits- und mittellos waren und im Ausbildungs- Welthungerhilfe setzt auf mehreren Ebenen an. Neben dem projekt der Welthungerhilfe eine Chance bekommen. Gemeinsam nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen erwerben die wollen sie ihre eigene und die Zukunft ihrer Kinder aktiv in die jungen Menschen wichtige Kenntnisse für zukunftsweisende Hand nehmen. „Wir pflanzen neue Bäume und stellen energie- Berufe, wie angepasste Landwirtschaft, Tierhaltung, Aufzucht sparende Öfen her“, erläutert Patricie das Projekt. Der Fortschritt von Nutzholz- und Fruchtbäumen, Ofenbau oder umweltbe- kann sich in Marangara schon sehen lassen: Innerhalb eines wusste Waldnutzung. Auch die Produktion von Holzkohle mit halben Jahres hat Patricie Mukunzi mit ihren Kolleg*innen mehr verbesserten Verkohlungstechniken ist in Burundi eine Ausbil- als 92 Hektar des Gikomero-Hügels aufgeforstet. 2.500 Famili- dung mit Zukunft. en kochen inzwischen mit energieeffizienten Lehmöfen, und immer mehr Menschen nutzen verbesserte Verkohlungstech- Begleitet werden alle Maßnahmen von Informationskam- niken zur Gewinnung von Holzkohle. Viele Schulen im Pro- pagnen über die Vorteile der neuen Herde oder die Auswirkun- jektgebiet haben ebenfalls neue Kochstellen erhalten, mas- gen der Übernutzung natürlicher Ressourcen. Darüber hinaus siver als die handlichen Lehmöfen für den Privatgebrauch. organisieren sich Emmanuella Uwizerimana und Patricie Mu- Insgesamt sollen bis Ende des Jahres 24.000 Öfen entste- kunzi mit ihren Mitstreiter*innen in Spar- und Kreditgruppen. hen. Für das Projekt arbeitet die Welthungerhilfe mit den „Dadurch bekomme ich die Möglichkeit, das Startkapital für Partnerorganisationen „Reseau Burundi 2000 Plus“ und meine Ziegenzucht zu erhalten“, sagt Emmanuella Uwizerimana. „Burundi Business Incubator“ zusammen. Finanziell wird Bis sie genug Geld angespart hat, forstet sie weiter Hügel auf und töpfert Lehmöfen, damit noch mehr Familien dazu beitra- gen können, ihre Heimat zu schützen. Amédée Nkurunziza arbeitet im Team der Welthungerhilfe in Burundi. Mehr über unsere Arbeit in Burundi finden Sie unter: welthungerhilfe.de/informieren/laender/burundi Junge Menschen Sie möchten mehr über erlernen das Töpfern Förderpartnerschaften erfahren: holzsparender Öfen. Pia Vadera Das bietet ihnen gute Perspektiven und Förderpartner*innenbetreuung schützt zugleich die Tel. 0228 2288-278 nur noch spärlich foerderpartner@welthungerhilfe.de bewaldeten Hänge. 11 magazin 4 | 2021
RUBRIK-T HEM A
TITELTHEMA: ÄTHIOPIEN 1.000 Tage entscheiden über ein ganzes Leben Nimmt ein Kind bis zu seinem zweiten Geburts tag zu wenig Nährstoffe zu sich, besteht ein hohes Risiko für bleibende gesundheitliche Schäden. In Schulungen lernen Mütter, gesunde Nah rungsmittel anzubauen und ausgewogene Mahl zeiten zuzubereiten. Die Amhara-Region im Norden Äthiopiens ist eines der ärmsten Gebiete am Horn von Afrika. Im trockenen Hochland reichen die Ernten kaum für das Lebens- notwendigste. Vor allem Säuglinge und Kleinkinder leiden an chronischer Unter- und Mangelernährung – mit schwerwiegenden Folgen. Die Welthungerhilfe för- dert hier einen ertragreicheren, hochwertigeren und nährstoffreicheren Anbau, gesündere Ernährung und damit bessere Zukunftschancen für junge Familien. Von Yohannes Belay 13 magazin 4 | 2021
TI TELTHEM A: ÄTHI OPI EN Manchmal kann es Alemie Dawit* kaum fassen, wie sich die Dinge in ihrem Leben entwickelt haben. Im Schatten ihres Holzhauses erzählt die junge Frau, wie oft sie und ihr Mann kurz davor waren aufzugeben, weil die Not zu groß wurde, wenn Die Chance der ersten Ixxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx alle Reserven aufgebraucht waren. Wie sie aber dann aus 50 Kilogramm Getreidesaatgut einen kleinen Holzhandel und eine 1.000 Tage xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Mühle für das Dorf aufgebaut haben. Und was noch viel wich- Während der ersten 1.000 Lebenstage, also von Beginn xxxxxxxxxxxxxxxx. tiger ist und so selbstverständlich erscheint: dass ihr einjähriger der Schwangerschaft bis zum zweiten Geburtstag, ist Sohn Dereje kerngesund ist. „Sehen Sie, wie gut sich mein Baby Unterernährung besonders lebensbedrohlich. Nimmt Fxxxxxxxxxxxxxxxxx entwickelt“, sagt die Äthiopierin froh. Als jedoch ihr Blick auf ein Kind in dieser Zeit zu wenig Nährstoffe wie Vita xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx ihre siebenjährige Tochter fällt, erlischt ihr Lächeln. Ayana hockt xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx mine, Mineralien, Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate zu xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx sich, kann seine physische, motorische und geistige zu ihren Füßen und kritzelt mit einem Stöckchen Figuren auf xxxxxxxxxxxxxxxxxxx. Entwicklung stark darunter leiden. Die Folgen sind die trockene Erde. Das Mädchen ist schmal und zart, viel zu bleibende gesundheitliche Schäden, Konzentrations klein für ihr Alter. schwäche oder geringere körperliche Leistungsfähig „Für meine Tochter kam das Pro- keit, die später wirtschaftliche Chancen schmälern jekt zu spät“, sagt Alemie bedrückt. und bis hin zu einer kürzeren Lebenserwartung füh „Sie verlor immer mehr Gewicht, ren können. Bei dauerhaftem Vitaminmangel besteht war oft krank und wir wussten zudem die Gefahr zu erblinden. Vom Tag nicht warum.“ Das Schicksal von der Empfängnis an spielt die Ernährung Ayana teilen viele Mädchen und Schwangerer und stillender Mütter eine Jungen in der Amhara Region: entscheidende Rolle für die Zukunft 97 Prozent der Kinder unter zwei ihrer Kinder. Jahren bekommen weder genug noch ausreichend Nahrhaftes zu essen. Fast die Hälfte der Kinder un- Alemie ist froh, dass ter fünf Jahren ist aufgrund von sich ihr Sohn gesund Unterernährung körperlich entwickelt. Für ihre nicht altersgerecht entwi- Tochter kam das Projekt ckelt. Kein Wunder, denn leider zu spät. Armut und Not bestim- men den Alltag der Men- schen, die zumeist vom Ackerbau und von der Tierhaltung leben. Doch die Vo- raussetzungen für Landwirtschaft sind denkbar schlecht, traditionelle Metho- den in der Tierhaltung und beim An- bau werden zunehmenden Dürren nicht gerecht und es fehlen Bewässe- rungsmöglichkeiten. „Unser Leben war sehr schwer“, erzählt Alemie, während der Wind die staubtrockene Erde ihres Dorfes Shikurtie aufwirbelt. „Wir hatten einen Ochsen, mit dem wir unser kleines Feld bestellten. Wir haben hart gearbeitet und so angebaut wie schon unsere Eltern und davor deren Eltern. Aber die Ernte reichte kaum zum Überleben. Wir hatten keine Reserven, oft fehlte uns Saatgut, wenn wir eigentlich hätten säen müssen.“ Jeden Morgen kochte Alemie auf offenem Feuer Shiro, einen äthiopischen Erbseneintopf. Abends gab es für die Familie im besten Falle einen Rest vom Frühstück, wenn nichts mehr übrig war, gingen sie hungrig zu Bett. Lebensmittel wie nährstoff- reiches Gemüse, Obst, Fleisch oder Milch- magazin 4 | 2021 14
TITELTHEMA: ÄTHIOPIEN Ayana schaut zu, wie Vater Tarko das Getreide der Familien aus den um liegenden Dörfern mahlt. Das Wichtigste war, dass die Leute von ORDA uns immer wieder motiviert haben, nicht aufzugeben. Sie haben uns nicht nur Saatgut und Tiere zur produkte waren für sie unerschwinglich. Ihre Verfügung gestellt, sondern unseren gesamten Ernährung änderte sich auch nicht, als Alemie Alltag umgestellt und unsere eigenen Fähigkeiten mit Ayana schwanger wurde. „Ich wusste doch damals nicht, wie wichtig eine gesunde Ernäh- gestärkt. Das ist unbezahlbar. rung für mich und mein Kind ist“, sagt Alemie. Auch den Älteren im Dorf war nicht klar, dass Schwangere und stillende Mütter besonders auf ihre Er- aus den umliegenden Dörfern zusammen. Auch Tarko nahm teil nährung achten müssen. Woher auch? Niemand in der abgele- und registrierte sich. „Kurze Zeit später erhielten wir 50 Kilo- genen Region hatte jemals von dem entscheidenden Zeitfenster gramm Weizen, Malzgerste und Hirse“, erzählt Alemie. Die Fach- gehört. Die ersten 1.000 Lebenstage beeinflussen die Entwicklung kräfte von ORDA schulten die Teilnehmenden in verbesserten des gesamten Lebens. Also litt Ayana wie so viele andere Kinder landwirtschaftlichen Techniken. „Wir lernten, das Korn in Reihen im Dorf an chronischer Unterernährung. In der abgelegenen auszusäen und zu düngen“, berichtet Alemie. „Mein Mann pflüg- Gegend gab es zudem kaum Möglichkeiten Geld zu verdienen, te das Feld mit unserem Ochsen, ich ging hinter ihm her und um Lebensmittel zusätzlich zum Geernteten zu kaufen. Die jun- brachte die Saat aus.“ Und die ging auf: Gleich die erste Ernte gen Männer wie Alemies Mann Tarko betäubten ihre Verzweif- brachte dem jungen Paar 900 Kilo Ertrag. „Davon konnten wir lung mit billigem Hirsebier und Selbstgebranntem. „Wir hatten uns gut ernähren, jetzt gab es auch nachmittags regelmäßig Es- damals einfach keine Perspektive“, sagt Tarko, „das Projekt der sen, und wir konnten noch etwas auf dem Markt verkaufen.“ Welthungerhilfe hat unser Leben komplett verändert.“ Von den Einnahmen erwarben sie ein größeres Stück Land direkt an der Straße und bauten ein Haus aus Holzlatten, Ästen, Lehm Alles begann anders zu werden, als das Team von ORDA verputz und Wellblechdach, wovon sie vorher nur träumen (Organization for Rehabilitation and Development in Amhara) konnten, während sie in ihrer zugigen kleinen Hütte froren. in der Gemeinde aktiv wurde. Die äthiopische Partnerorganisa- Und so ging es weiter. Alemie lernte alles Wichtige über tion der Welthungerhilfe stellte das Projekt zur nachhaltigen Hühnerhaltung, Eierproduktion und Schafzucht. Sie erhielt Nahrungs- und Ernährungssicherheit im Hochland von Amha- Küken und Futter vom Projekt, außerdem einen Schafbock der ra vor. Dafür trommelte die Gemeindeverwaltung die Menschen widerstandsfähigen Washera-Rasse, mit dem sie eine kleine 15 magazin 4 | 2021
TIT ELT HEM A : ÄTHI OPI EN Schafherde aufgezogen hat. Die Eier verkauft sie Ihr Gespartes investierten Alemie und Tarko ebenso an der Straße wie Holz zum Kochen in eine Getreidemühle. „Die Mühle gibt uns ein und Heizen. Das Holz gibt es mittlerweile Einkommen, aber sie ist auch für die Gemein- aus den drei gemeinschaftlichen Forstflä- schaft wichtig, weil die Leute nicht mehr chen des Projektes, auf denen arbeitslose bis in die Stadt müssen“, sagt Tarko Dawit. junge Menschen ihren Lebensunterhalt Es läuft so gut, dass sie zehn junge Män- verdienen und gleichzeitig die Umwelt ner für die schweren Arbeiten wie das schützen. Schleppen der Säcke und einen Wach- In der äthiopischen Savannenland- mann beschäftigen. Einige von ihnen ge- schaft wird besonders deutlich, wie eng hörten früher zum Kreis derer, mit denen Hunger und Armut mit den Folgen des Kli- Tarko zusammen trank. „Ich möchte den mawandels verknüpft sind: Wetterextreme jungen Menschen im Dorf ein Vorbild sein“, wie langanhaltende Dürren oder plötzliche Star- sagt Tarko. „Wenn sie sehen, dass selbst ich mich kregen und Überschwemmungen werden seit Jahren verändert habe, wissen sie, dass sie es auch schaffen häufiger und heftiger. Die Ernten gehen zurück, die Men- können.“ Alkohol fasst der junge Familienvater nicht mehr schen fällen immer mehr Bäume für neue Ackerflächen oder an. Vielmehr möchte das Paar seine Chancen weiter nutzen. Brennholz. Dadurch verarmen die Böden, Wind und Wasser „Wir wollen unseren Hof ausbauen und ein kleines Geschäft tragen die fruchtbare Bodenkrume ab, die Erträge brechen er- eröffnen“, sagt Alemie. Aber das Wichtigste für die Eltern ist, neut ein. Hinzu kommt der akute Wassermangel. Das Projekt dass ihre Kinder gesund aufwachsen. Dafür haben sie den Grund- von Welthungerhilfe und ORDA geht diese Probleme an und stein gelegt. Selbst Ayana wird ihren Weg jetzt leichter gehen. findet Lösungen. Rund 60.000 Menschen profitieren von den Aktivitäten: Obst- und Gemüsegärten werden angelegt, Flächen *Die Namen der Familienmitglieder haben wir durch Pseudonyme ersetzt. aufgeforstet, Brunnen gebaut und nachhaltige Anbaumethoden eingeführt. Yohannes Belay ist Senior-Programmberater für Landwirtschaft „Das Wichtigste war, dass die Leute von ORDA uns immer und Ressourcenmanagement der Welthungerhilfe in Äthiopien. wieder motiviert haben, nicht aufzugeben“, sagt Alemie. „Sie haben uns nicht nur Saatgut und Tiere zur Verfügung gestellt, Mehr über unsere Arbeit in Äthiopien finden Sie unter: sondern unseren gesamten Alltag umgestellt und unsere eigenen welthungerhilfe.de/informieren/laender/aethiopien Fähigkeiten gestärkt. Das ist unbezahlbar.“ Alemie nahm an Ernährungsberatungen und einer praktischen Schulung zu ge- Der anhaltende bewaffnete Konflikt zwischen der Volksbefreiungsfront sundem Kochen teil. Gemeinsam mit den anderen Frauen des von Tigray und dem äthiopischen Militär spitzt sich derzeit zu und weitet Dorfes hat sie Karotten, Zwiebeln und Kohl angebaut, nährstoff- sich auf die Regionen Amhara und Afar aus. Nach Redaktionsschluss erreichte uns die Nachricht, dass auch das Gebiet in der Amhara- reichen Babybrei gekocht, die Vorzüge des Stillens und Hygie- Region, in dem Alemie und ihre Familie leben, kurzzeitig betroffen neregeln kennengelernt. Die junge Mutter ist froh: „Dereje hat- war. Wir stehen mit den Kolleg*innen vor Ort in ständigem Austausch, te so viel mehr Glück als seine große Schwester, von Anfang an passen unsere Arbeit im Land den aktuellen Entwicklungen an und unterstützen die betroffenen Menschen. mangelte es ihm an nichts.“ In der Praxis lernt sich das Zubereiten gesunder Mahlzeiten viel einprägsamer als in der Theorie.
TIT ELT HEM A : ÄT HIO PIEN Wird die Saat in Reihen ausgebracht, bringt dies einen deutlich höheren Ertrag. SUDAN SÜD- SUDAN IA AL M SO KENIA Amhara-Region Äthiopien In dem ostafrikanischen Land verursachen die Folgen des Klimawandels massive Missernten, immer wie der wird das Land von schweren Dürren heimgesucht. Zudem gefährdet eine Heuschreckenplage die Ernährung großer Teile der Bevölkerung. Aktuell weitet sich ein von der Region Tigray ausgehender gewaltsamer Konflikt aus. Tausende Menschen wur den getötet, über zwei Millionen sind vor der Gewalt geflüchtet. Vor allem in den Regionen Amhara und Afar unterstützen die Welthungerhilfe und ihre Partner Familien mit Grundnahrungs mitteln, Zusatznahrung für stillende Frauen und Kleinkinder, sauberem Trinkwasser, Hygieneartikeln, Decken, Kochutensilien und Bargeld. 17 magazin 4 | 2021
IN T ERVIE W „Die Dynamik meiner Arbeit schätze ich am meisten“ Léa Knust (28) absolviert bei der Welthunger- hilfe ein „Junior-Expert“-Programm im B ereich Humanitäre Hilfe. Aktuell ist ihr Einsatzort das Bürgerkriegsland Mali. Im Interview erzählt sie, was sie an Logistik fasziniert, warum sie Heiligabend im Flüchtlingscamp verbracht hat und wie sie mit ihrer Angst umgeht. Wie kam es, dass Sie an einen Bachelor in Anglistik kommen an und dann gibt es dort ein fertiges Camp. Aber das und Pädagogik noch ein Studium der Humanitären H ilfe ist natürlich nicht so. Gemeinsam mit unseren Kolleg*innen vor anschlossen? Ort und mit Unterstützung der Zentrale in Bonn mussten wir Etwas, das ich nur schwer verstehen und tolerieren kann, ist den Bedarf, unsere Kapazitäten und unsere Aktivitäten vor Ort Ungleichheit. Ich selbst hatte das Glück, in einer privilegierten festlegen, Anträge schreiben, um die Finanzierung zu sichern. Umgebung, wie Deutschland sie bietet, aufwachsen zu dürfen. Als ich dann mit einem Kollegen des Nothilfeteams im Sudan Weshalb aber müssen Menschen leiden, die nicht so viel Glück eintraf, war ich irritiert und dachte: „Oh, hier fehlt aber noch haben? Ich hatte einfach das Gefühl, etwas dagegen tun zu müs- ganz schön viel.“ Unter riesigem Zeitdruck und mit vielen an- sen. Während meines Studiums habe ich in Kolumbien mit Kin- deren Hilfs- und UN-Organisationen musste das Camp aufgebaut dern gearbeitet, deren Familien vor der Gewalt im eigenen Land werden. Dabei habe ich erfahren, dass nicht alles so laufen kann, auf der Flucht waren. Das war der Beginn meines beruflichen wie man es im Studium gelernt hat. Weges in die Humanitäre Hilfe. Zum Beispiel? Was bedeutet Ihre Position als Junior Expert genau? Es gibt festgelegte Standards, darunter, dass jeder Mensch min- Die Ausbildung zum Junior Expert bei der Welthungerhilfe um- destens 15 Liter Wasser am Tag haben muss, zum Trinken, Ko- fasst ein Jahr in der Bonner Zentrale und ein Jahr im Ausland. chen, Waschen, Geschirr spülen und für Körperhygiene. Schon Das „Humanitarian Directorate“ besteht aus einem internatio- das ist nicht viel, doch in Notsituationen kann man oft nur sie- nalen Team, das in Nothilfesituationen vor Ort aktiv wird. Und ben Liter am Tag pro Person berechnen. Wie aber soll man selbst einem Team, das in der Bonner Zentrale die Planung übernimmt, sieben Liter aufbringen, wenn man eigentlich keinen Zugang neue Ansätze entwickelt und koordiniert. Ich unterstütze die zu sauberem Wasser hat und auf einmal 25.000 Leute versorgen Kolleg*innen bei ihren jeweiligen Aufgaben, seit Anfang 2021 muss? Das zu berechnen und den Bedarf dann zu decken ist bin ich in Mali. äußerst schwierig. Und das ist für mich so spannend an Logistik, wie mit Herausforderungen gekämpft und eine Lösung gefunden Ist dies Ihr erster Auslandseinsatz wird. Unser Arbeitsfeld ist unglaublich dynamisch, es gibt im- für die Welthungerhilfe? mer neue Ideen und Wege, Dinge zu vereinfachen oder noch Nein, meine erste Nothilfesituation habe ich im vergangenen besser zu machen für Menschen in Not. Jahr im Sudan erlebt. Tausende Menschen waren infolge des Konfliktes in der äthiopischen Region Tigray über die Grenze geflüchtet. Von außen denkt man vielleicht: Die Geflüchteten magazin 4 | 2021 18
IN T ERVIE W Heiligabend 2020: Léa Knust verteilt mit ihrem Team Hilfsgüter im Flüchtlingscamp Um Rakuba im Sudan. Die Welthunger hilfe fördert unter anderem Ernährungs beratungen und landwirtschaftliche Schulungen in Mali. Tausende Familien haben infolge bewaff neter Konflikte ihre Dörfer verlassen und sind innerhalb Malis auf der Flucht. Gab es für Sie einen besonderen Moment im Flüchtlingscamp? Am Ende einer Verteilung von Hilfsgütern, es war Heiligabend, kam eine alte Dame auf mich zu. Wir hatten keine gemeinsame Sprache, aber sie machte mir irgendwie deutlich, dass sie drin- ger Sicherheitswarnungen. Ich bin mir der Gefahr bewusst, gend Kleidung benötigte. Als ich ihr ein Kleid geben konnte, grüble aber auch nicht ständig darüber. Die Welthungerhilfe begann sie vor Erleichterung zu weinen, das hat mich unglaub- nimmt die Sicherheit aller Mitarbeiter*innen sehr ernst. Vor lich berührt. meiner Ausreise habe ich ein Sicherheitstraining absolviert. Das hat mich sensibilisiert und auf kritische Situationen vor- Mittlerweile sind Sie in der malischen Hauptstadt bereitet. Um das Risiko eines Überfalles zu minimieren, ände- Bamako im Einsatz. Was sind Ihre Aufgaben? re ich die Zeiten und die Strecken, die ich mit dem Auto zu- Die Welthungerhilfe arbeitet hier mit Familien, um die Land- rücklege, damit keine Muster zu erkennen sind. wirtschaft nachhaltig zu verbessern, sie kümmert sich um Men- schen, die innerhalb des Landes aus ihrer Heimat vertrieben Hätten Sie die Wahl, würden Sie sich noch einmal wurden, und ein Straßenbauprojekt gibt arbeitslosen jungen für Mali entscheiden? Menschen eine Perspektive, sodass sie sich nicht aus Not extre- Ja, unbedingt! Ich bin begeistert, wie bunt dieses Land ist, sei- mistischen Gruppierungen anschließen. Ich unterstütze das Lan- ne Kultur. Ich habe das Glück, sehr viele sehr nette Menschen desbüro beim Planen und Umsetzen der Projekte und lerne da- kennenlernen zu dürfen. Unser Team ist wahnsinnig freundlich, bei selbst unheimlich viel. offen und ja, sehr fröhlich. Wir lachen viel. Vor allem beein- druckt mich zutiefst, wie die Bevölkerung mit der Situation Im Norden Malis kämpfen bewaffnete Islamisten umgeht. Wenn man fragt: Was glaubt ihr, wie wird sich Mali gegen die Regierung, in der Hauptstadt Bamako entwickeln? Dann ist da trotz aller Rückschläge noch immer so gab es seit 2012 drei Putsche. Wie lebt und arbeitet viel Hoffnung zu spüren und zu hören. Das finde ich unglaub- es sich in einem Kriegsland? lich bemerkenswert. Es stimmt, die Sicherheitslage in Mali ist prekär und spitzt sich wohl weiter zu. Der Norden ist für ausländische und lokale Das Interview führte Philipp Hedemann, freier Journalist in Berlin. Mitarbeiter*innen deshalb mittlerweile aus Sicherheitsgründen eine sehr schwer zugängliche Gegend. Ich darf zum Beispiel Einen Podcast mit Léa Knust finden Sie unter Bamako nicht verlassen, aber selbst hier gibt es immer häufi- welthungerhilfe.de/podcast und auf anderen Podcast-Plattformen 19 magazin 4 | 2021
HIN T ERG RUND Welthunger-Index 2021 Wie steht es um die Hungersituation weltweit? Wurden Fortschritte erzielt oder sind Rückschläge zu verzeichnen? Welche Länder sind besonders stark betroffen? Antworten auf diese Fragen gibt der Welthunger-Index (WHI), den die Welthunger- hilfe und die irische Organisation Concern World- wide jährlich im Oktober herausgeben. Finden Sie hier einige E rgebnisse des aktuellen Berichtes. Der Welthunger-Index misst und vergleicht die Ausprägung von Hunger und Unterernährung auf globaler, regionaler und nationaler Ebene. Anhand von vier Indikatoren wird die Situa- tion in den untersuchten Ländern als gravierend, sehr ernst, ernst, mäßig oder niedrig eingestuft. Je höher der Wert, desto stärker der Hunger im jeweiligen Land. Im aktuellen Bericht wird deutlich, dass sich in vielen Ländern der positive Trend der letz- ten beiden Jahrzehnte umgekehrt und die Situation wieder ver- schlechtert hat. Bei gleichbleibendem Trend wird die Weltge- meinschaft das Ziel Zero Hunger bis 2030 deutlich verfehlen. Im Jahr 2020 litten etwa 811 Millionen Menschen unter chro- nischem Hunger, das sind 161 Millionen mehr als noch im Vor- jahr. Gerade Menschen, die sich schon zuvor nicht regelmäßig ausreichend ernähren konnten, sind nun infolge der Corona- Die Grundlage der WHI-Werte Pandemie, zunehmender gewaltsamer Konflikte sowie der Kli- makrise weiter in Not geraten. bilden vier Indikatoren: In neun Ländern wird die Hungersituation als sehr ernst eingestuft, darunter Madagaskar, Burundi, die Zentralafrika- • Unterernährung: der Anteil der Menschen, die ihren nische Republik und die Demokratische Republik Kongo. In Kalorienbedarf nicht decken können. Somalia ist die Situation sogar gravierend. In einigen anderen Ländern könnte der Hunger ebenso besorgniserregend sein, • Auszehrung bei Kindern: der Anteil von Kindern unter ihre Einstufung ist jedoch aufgrund fehlender Daten nicht fünf Jahren, die ein zu niedriges Gewicht in Bezug möglich. auf die jeweilige Größe haben. Zu den stärksten Treibern von Hunger gehören weiterhin • Wachstumsverzögerung bei Kindern: der Anteil gewaltsame Konflikte: Ernten werden vernichtet oder geraubt, der Kinder unter fünf Jahren, die eine zu geringe Betriebsmittel zerstört, der Zugang zu Feldern verwehrt und es Körpergröße in Bezug auf das jeweilige Alter haben. fehlen Arbeitskräfte. Konflikte zwingen Menschen, aus ihrer Heimat zu fliehen, was sie einem erhöhten Risiko von Hunger • Kindersterblichkeit: die Sterblichkeitsrate von und Unterernährung aussetzt. Eine unsichere Ernährung wie- Kindern unter fünf Jahren, die zum Teil das fatale derum kann neue Konflikte verursachen oder bestehende Zusammenwirken von mangelnder Nährstoffversor- befeuern. Frieden und eine sichere Ernährung bedingen also gung und einem ungesunden Umfeld widerspiegelt. einander, und um den weltweiten Hunger zu beenden, müssen internationale Anstrengungen gerade diese Problemfelder ver- In die WHI-Werte 2021 sind Daten des Zeitraums 2016 stärkt adressieren. Die Welthungerhilfe trägt mit ihrer Arbeit bis 2020 eingeflossen. dazu bei – vor Ort in den Gemeinden, aber auch auf politischer Ebene, um die Widerstandsfähigkeit von Menschen angesichts Gewaltsame Konflikte wie hier der großen Herausforderungen zu stärken und ihre Lebensbe- in Syrien sind die Hauptursache dingungen gerechter zu gestalten. für Ernährungskrisen. magazin 4 | 2021 20
HIN T ERG RUND Was versteht man unter „Hunger“? Jährlich zur „Woche Im Allgemeinen bezeichnet Hunger das Leid, Auslöser, darunter Ernährungsunsicherheit auf der Welthungerhilfe“, das durch einen Mangel an Kalorien entsteht, die Haushaltsebene, mangelnde Gesundheitsversor- die rund um den Welter jeder Mensch abhängig von Geschlecht, Alter, gung für Mütter und inadäquate Kinderfürsorge- nährungstag stattfindet, Statur und körperlicher Aktivität für ein gesundes praktiken sowie ein eingeschränkter Zugang zu erscheint der Welthunger- und produktives Leben benötigt. Gesundheits-, Wasser- und Sanitärversorgung. Index. Den Bericht finden Sie unter www. Unterernährung geht über die Kalorienauf Der weiter gefasste Begriff Fehlernährung globalhungerindex.org/de. nahme hinaus und bezeichnet einen Mangel an bezieht sich sowohl auf Unterernährung in Folge Bestellen können Sie ihn Energie, Proteinen und/oder lebenswichtigen von Mangel als auch auf die zunehmend verbreitete unter info@welthunger Vitaminen und Mineralstoffen. Unterernährung ist Überernährung durch unausgewogene Ernährung, hilfe.de oder telefonisch unter 0228 2288-127. das Ergebnis einer unzureichenden Nahrungsauf- etwa durch die Aufnahme zu vieler Kalorien. Der nahme – entweder hinsichtlich der Menge oder der WHI konzentriert sich auf Probleme, die durch Qualität – oder einer mangelhaften Nährstoffver- Unterernährung entstehen. Der Begriff „Hunger“ wertung aufgrund von Infektionen oder anderen bezieht sich dabei auf die Auswertung der vier Krankheiten beziehungsweise einer Kombination Indikatoren, die Kaloriendefizite sowie Mangel an dieser Ursachen. Diese haben verschiedene Mikronährstoffen erfassen. 21 magazin 4 | 2021
HIN T ERG RUND Grönland Wo ist der Hunger Kanada am größten? Island Schweden Norwegen Finnland Estland Der Welthunger-Index lenkt die Aufmerksamkeit Großbritannien Dänemark Lettland Litauen auf jene Weltregionen, in denen dringend zusätzliche Nied. Polen Belarus Irland Anstrengungen benötigt werden, um den Hunger Bel. Deutschland Lux. Tschech. Rep. Ukraine zu beenden. Der diesjährige Bericht zeigt: Die Welt Frankreich Slowakei Österr. Ungarn Rep. Moldau* Schweiz Slow. ist weit entfernt von ihrem Ziel Zero Hunger bis 2030. Italien Kroatien Rumänien Bos.& Serbien Herz. Mont. Bulgarien Spanien Nordmaz. Portugal Albanien Vereinigte Staaten Türkei von Amerika Griechenland Zypern Tunesien Libanon Marokko Israel/ Palästinensische Gebiete Algerien Bahamas Libyen Ägypten Mexiko Kuba Westsahara Jamaika Dominikanische Rep. Mauretanien Belize Haiti Mali Niger* Honduras Kap Verde Sudan Guatemala Senegal Tschad El Salvador Nicaragua Gambia Trinidad & Tobago Guinea-Bissau* Guinea* Burkina Faso Costa Rica Panama Benin Nigeria Côte Ghana Venezuela Guyana Sierra Leone d'Ivoire Zentral- Süd- Suriname Togo afrikanische sudan* Französisch-Guayana Liberia Republik Kolumbien Kamerun Äquatorialguinea Rep. Uganda* Ecuador Gabun Kongo Ruanda Dem. Rep. Burundi* Kongo Peru Brasilien Angola Malawi Sambia* Bolivien Simbabwe* Namibia Botsuana Paraguay Chile Eswatini Lesotho Südafrika Uruguay Argentinien magazin 4 | 2021 22
HIN T ERG RUND Russische Föderation Kasachstan Mongolei * Dem. Georgien Usbekistan Kirgisistan Volksrep. Korea Aserb. Japan Armenien Turkmenistan Tadschikistan* Rep. China Korea Arabische Rep. Syrien* Afghanistan Irak Iran Jordanien Kuwait Pakistan Nepal Bhutan Bahrain Saudi- Katar Taiwan Bangladesch Arabien V. A. E. Indien Hongkong Myanmar Dem. Volksrep. Oman Laos Philippinen Eritrea Jemen Thailand Kambodscha Dschibuti Vietnam Äthiopien Somalia Sri Lanka Brunei Darussalam Malediven Malaysia Singapur Indonesien Kenia Papua- Neuguinea Vereinigte Rep. Tansania Salomonen Timor-Leste Komoren* Mosambik Vanuatu Mauritius Fidschi Madagaskar Australien Gravierend Sehr ernst Ernst Mäßig Niedrig Neuseeland Nicht erfasst oder nicht eingestuft Quelle: Welthunger-Index 2021 (s. Magazin S. 21) 23 magazin 4 | 2021
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