Geballte Kraft gegen Corona - Ärztekammer Niedersachsen
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Mitteilungsblatt der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen 94. Jahrgang | August 2021 Geballte Kraft gegen Corona Es geht um jeden – Niedersachsen kurbelt mit mehrsprachiger Kampagne die Impfbereitschaft an Kammerversammlung Bezirksstelle Oldenburg Honorar & Verträge Debatte rund Eine Region Honorarabrechnung ums Impfen setzt sich ein 1. Quartal 2021 mit Ministerin für mehr Daniela Behrens Studienplätze
ollm un n g ach g. Bit kann. e- ode t f ür S te bea Die ra ie ch um ber vo hande ten fass llum „Wer für den Notfall vorsorgt, ln ach en. In fän t au jed glich voll f med em ma izin s lie cht ha ische nimmt seinen engsten Vertrauten gt d ben wer ies z. den B. soll . den ee zu I hre inse m Be die Last von den Schultern“ nkt tzen. vollmä ist Die cht ste . In die s gesc igten (Dr. med. Martina Wenker) llt w sen h uen erden Fä ieht s vo . M llen m er f n dem it eine uss ür d r Be ie F zustä - orm nd ulie igen run g Pa tie nte nve rfü gu ng Die Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht der Ärztekammer Niedersachsen schaffen Rechtssicherheit für Angehörige und Ärzte Seh r ge ehr Sie te D h am bes aben en und chä sich Ste ftig a n Her rbe en, die ren zuk n. D ü Ä om as S ber da rzteka , Jah m t . te r s v i m m rz D i b e e le e r ist. ehnte eses V n gehö nicht Niede D n e r g r uns ie Aus große rdräng t zum erne s sachse ere e F L pre n A inand ortsc en lieg eben c ng e llta ers h t daz hen: M wand g. etz ritte g wohl u it d t, ung mit em ac auc hd u nd d em weil S dem ht ha ara ennoc Ende ie sich Ste t und n, das h verd unser zu rbe s es L rzeit m n p unsere unse ränge e b it räg n t da Lebe re Med wir, w ens – etwas her nse i z in a sa m it d nic rw ht m artun in den uf uns em ehr gd ve r alle eut so sta lic gang rk w h ges enen ie f ti rüh egen er Ein PDF-Dokument der neuen Patientenverfügung steht als kostenloser Download auf www.aekn.de und auf www.haeverlag.de zur Verfügung. Die gedruckte Version der Patientenverfügung ist gegen einen Unkostenbeitrag in Höhe von 5,00 Euro pro Exemplar (per Vorauskasse) unter folgender Adresse zu bestellen: Hannoversche Ärzte-Verlags-Union GmbH, Karl-Wiechert-Allee 18-22, 30625 Hannover, E-Mail: info@haeverlag.de
Editorial Es geht um jeden Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, rund 65 Prozent der Niedersachsen sind derzeit vollständig gegen Corona geimpft. Eine gewaltige Leistung, an der die niedergelassenen Ärzte großen Anteil haben. Es waren die eingespielten Strukturen der ambulanten Versorgung, die entscheidend dabei geholfen haben, unser medizinisches Fotos: KVN System vor dem Kollaps zu bewahren. Das wird inzwischen auch von politischer Seite gewürdigt. Zugleich wissen wir: 65 Prozent sind nicht genug, um dauerhaft zum Normalzustand zurückzukehren. Für eine „Herdenimmunität“ strebt das Land Niedersachsen eine Durchimpfungsrate von 75 bis 80 Prozent der Bevölkerung an. Deshalb startet Niedersachsen jetzt eine großangelegte Impfkampagne. Auch die Impfstrategie ändert sich: Die Impfzentren schließen. Stattdessen sollen mobile Impfteams schwer erreichbare Bevölkerungsgruppen direkt aufsuchen. Aber die Mehrheit der noch nicht Geimpften soll sich direkt an die Praxen wenden. Es ist ein Paradox: Lange fehlte es an genügend Impfstoff; jetzt, wo er in Mengen verfügbar ist, fehlt es an Patienten. Die Gründe sind unterschiedlich: Es gibt eingefleischte Impfgegner und Corona-Leugner, die keinem Argument zugänglich sind. Es gibt soziale Gruppen, die keinen Zugang zu unseren medizinischen Angeboten finden. Es gibt Menschen, für die sich eine Impfung nicht empfiehlt. Aber es gibt auch viele, die schlicht keinen festen ärztlichen Ansprechpartner haben, an den sie sich wenden können. Ihnen fehlt das letzte Quäntchen Ent- schlusskraft, um sich bei einer Praxis in der Nähe um einen Impftermin zu bemühen. Um die Zugangshürden so niedrig wie möglich zu halten, hat die KVN daher die Corona-Impfung als neue Leistung in die „Arztauskunft Niedersachsen“ mit aufgenommen. Vor Kurzem hat die KVN Sie angeschrieben mit der Bitte, sich als „Impfpraxis“ zu melden, die auch Personen zu impft, die nicht zu ihrer „Stammpatientenschaft“ gehören. Wir hoffen auf eine breite Beteiligung. Dann können alle bislang noch nicht Geimpften über die „Arzt- auskunft“ eine Impfmöglichkeit in ihrer Nähe ausfindig machen. Die Impfkampagne des Landes wird in ihren Medien dafür werben. Wir haben Enormes geleistet. Lange Zeit wurde Deutschland wegen seines Rückstandes bei der Pandemiebekämpfung kritisiert. Mittlerweile stehen wir in der Spitzengruppe der Nationen, die sich dem Corona-Virus erfolgreich ent- gegengestellt haben. Länder, die uns gestern noch als Vorbilder dargestellt wurden, werden von neuen Infektionswellen geschüttelt. So weit dürfen wir es bei uns nicht kommen lassen. Wenn wir konsequent weiter impfen, können wir sicher sein: Wir schaffen es. Herzlichst, Ihre Dr. Christoph Titz Dr. Eckart Lummert Vorsitzender der Vertreterversammlung der KVN Stellv. Vorsitzender der Vertreterversammlung der KVN 8 | 2021 3
Fotos: H. Krückeberg; MWK / Tom Figiel; Universität Oldenburg 8 Daniela Behrens (Mitte) besuchte die ÄKN- 16 Um neue Erkenntnisse zu COVID-19 ging es 21 Kein Geld für neue Studienplätze an der Eu- Kammerversammlung und debattierte mit Dr. bei der Veranstaltung „wissenschafftzukunft“ ropean Medical School Oldenburg-Groningen med. Martina Wenker (l.) und Dr. med. Marion des Wissenschaftsministeriums – unter ande- sieht der aktuelle Haushaltsplan der nieder- Charlotte Renneberg (r.) und den Delegierten. rem mit Dr. med. Martina Wenker. sächsischen Landesregierung vor. ÄKN Politik 8 Der Schutz von Kindern und Jugendlichen Themen rund um Impfkampagne, Impfquoten und Impfpakt standen Bezirksstelle Oldenburg 20 „Uns fehlen die zugesagten Mittel für die zusätzlichen Medizinstudienplätze“ Grußwort von Professor Dr. med. während der dritten Sitzung der Kammerversammlung Djordje Lazovic, Vorsitzender der Bezirksstelle Oldenburg der 19. Wahlperiode im Mittelpunkt der berufspolitischen 21 „Die ärztliche Versorgung ist gefährdet“ Im Haushaltsplan Debatte zur COVID-19-Pandemie. der niedersächsischen Landesregierung fehlen die Mittel 13 „Das Haus muss fertig werden“ Der Neubau des Ärzte- für den zugesagten Ausbau der Studienplätze an der hauses macht große Fortschritte beim Innenausbau. European Medical School Oldenburg-Groningen. Viele Aber die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und Menschen aus der Region sowie Vertreterinnen und gestiegene Baustoffpreise belasten das Baubudget. Daher Vertreter der Hochschule befürchten Auswirkungen auf beschloss die Kammerversammlung eine Erhöhung des den sich weiter ausbreitenden Ärztemangel. Kostenrahmens. Qualitätsentwicklung Weiterbildung 23 Auffällig ist nicht gleich auffällig Analyse der Empfeh- 15 1.200 Niedersachsen nutzen das Angebot Rückblick lungen zur zeitlichen Umsetzung der augenärztlichen auf das erste Jahr eLogbuch: Die Plattform ermöglicht Screening-Untersuchung bei Frühgeborenen anhand der im Rahmen der neuen Weiterbildungsordnung (WBO) externen stationären Qualitätssicherungsdaten die geforderte kontinuierliche Dokumentation der Wei- terbildungsabschnitte. Patientensicherheit 24 Erfolgreiche Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen COVID-19 durch gute Moderation: Darum ging es beim „Erfah- 16 Herausforderung für Versorgungsforschung Bei der Ver- rungsaustausch MMK“ des Zentrums für Qualität und anstaltung „wissenschafftzukunft“ des niedersächsischen Management im Gesundheitswesen (ZQ), der erstmals Wissenschaftsministeriums – unter anderem mit Ärzte- online stattfand. kammerpräsidentin Dr. med. Martina Wenker – ging es um Erkenntnisse zu COVID-19 und Lösungsansätze zur Nach Redaktionsschluss Bekämpfung zukünftiger Pandemien. 75 Bessere Impfquote durch alternative Angebote COSMO analysiert regelmäßig, wie die Deutschen die Corona- MFA pandemie wahrnehmen. 19 Laufen für Kinder in Not Die Auszubildenden zur Me- dizinischen Fachangestellten (MFA) der Berufsbildenden Schule (BBS) Pottgraben beteiligten sich im Juli an einer Spendenaktion zugunsten COVID-19-Betroffener in In- dien. 4 niedersächsisches ärzteblatt
31 Corona hinterlässt Spuren – auch in der 42 Fast zwei Drittel der Niedersachsen sind 52 Das neueste, ehrgeizigste IT-Projekt im Ge- Abrechnung. Fachärzte konnten beim Umsatz geimpft. Das ist gut - doch nicht genug. Mit sundheitswesen ist die elektronische Patien- zulegen, Haus- und Kinderärzte verzeichnen einer multilingualen Kampagne will das Land tenakte. Seit Juli sollen die Praxen sie anbie- Rückgänge. Aber es gibt Unterschiede. ab August daher die Impfwilligkeit ankurbeln. ten. Dafür müssen sie technisch nachrüsten. KVN Honorar & Verträge 31 Auf und ab durch Corona – große Solidarität der Ärzte- schaft Honorarabrechnung 1/ 2021: Große Unterschiede Praxis & Versorgung 48 Neuerscheinungen 50 Anmerkungen zum Mindestlohn Steuertipp: Prüfen Sie in der Fallzahl- und Honorarentwicklung die vereinbarte Arbeitszeit und die Lohnhöhe bei Ihren 40 Neuer Vertrag zur Behandlung von Gestationsdiabetes Beschäftigten! Besonderer Versorgungsbedarf soll durch DSP-Praxen gedeckt werden Telemedizin & Digitales 52 Eine für Alles Die elektronische Patientenakte ist seit Corona aktuell Juli Pflichtangebot für alle Patienten. Doch noch hapert 41 KVN fordert Rücknahme von Corona-Impfstoff „Wertvolle es an der technischen Umsetzung Ressourcen nicht ungenutzt lassen“ 42 „Geimpft sind wir stärker“ Niedersachsen startet Wer- Politik & Verbände bekampagne für Corona-Impfung 54 Aus anderen KVen Arzneimittel & Verordnung 44 Ursache unbekannt ATIS informiert: Multiple Medika- mentenunverträglichkeit - bis heute nicht gut verstan- den Selbstverwaltung 46 Wie l(i)eben Selbstverwaltung Die Bezirksstellen – wich- tige Entscheidungsträger der KVN Standards 3 Editorial 6 Aktuell 25 ÄKN-Mitteilungen 55 KVN-Mitteilungen 65 Veranstaltungen 69 Rubrikenanzeigen 75 Impressum 8 | 2021 5
Aktuell Neue Empfehlungen für Kariesprophylaxe mit Fluorid Kampagne des Landes Niedersachsen für die Einheitliche Handlungsempfehlungen men sie ab dem Zahndurchbruch nur Corona-Impfung: zur Kariesprävention im Säuglings- und Vitamin D als Tablette und putzen die „Geimpft sind wir stärker“ frühen Kindesalter haben die Deutsche Zähne mit einer bis zu reiskorngroßen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde Menge Zahnpasta mit 1.000 ppm Fluorid Aufgrund einer nachlassenden Impf- (DGKiZ) und der Berufsverband der Kin- bis zu zweimal täglich. nachfrage gegen SARS-CoV-2 gaben der- und Jugendärzte (BVKJ) jetzt ge- Ab dem ersten Geburtstag gilt dann: erste Bundesländer und auch Nieder- meinsam entwickelt. Zweimal täglich putzen mit einer reis- sachsen Anfang August ungenutzte Impf- Bei der Kariesprävention im Milchgebiss korngroßen Menge Zahnpasta mit Fluo- dosen an den Bund zurück. Nieder- spielt Fluorid eine wichtige Rolle. Bereits rid. Dabei ist wichtig, dass die Eltern die sachsen setzt allerdings zusätzlich auf ab der Geburt wird Fluorid empfohlen, Zahnpasta genau dosieren. Das Kind eine neu gestartete, großangelegte Kam- und zwar zunächst als tägliche Tablette lernt das Putzen, die Eltern putzen die pagne für die Corona-Impfung. in Kombination mit Vitamin D. Ab Durch- Kinderzähne sauber. Hinzu kann ergän- bruch des ersten Zahns bis zum Ende zend später ein drittes Zähneputzen in In neun Sprachen werden Unentschlos- des ersten Lebensjahrs soll das Kind Kindergarten und Kitas kommen. sene über die Vorteile einer Impfung in- dann an das Zähneputzen herangeführt „Empfehlung zur Kariesprävention im formiert. Die crossmediale Kampagne werden. Eltern haben in dieser Zeit für Säuglings- und frühen Kindesalter – nutzt sowohl eine Webseite, Anzeigen, die Fluoridanwendung zwei Möglich- Handlungsempfehlungen des Netzwerks Plakate und Flyer als auch aufsuchende keiten: Entweder geben sie weiter die Gesund ins Leben“ kann auf der Webseite Teams, die über die Corona-Impfung Tablette mit Fluorid und Vitamin D und www.ble-medienservice.de oder unter aufklären. „Jede vollständig geimpfte beginnen das erste Zähneputzen ohne dem Short-Link tinyurl.com/b2vh5m6p Person trägt dazu bei, dass wir gesund Zahnpasta oder mit einer geringen Menge bestellt oder heruntergeladen werden. bleiben, möglichst unbeschwert leben Zahnpasta ohne Fluorid. Alternativ neh- r wbg können und hoffentlich bald wieder zu mehr Normalität zurückkehren können“, sagte die niedersächsische Gesundheits- ministerin Daniela Behrens bei der Vor- stellung der Kampagne: „Jede Impfung schützt die betreffende Person vor einer schweren Erkrankung und gleichzeitig auch die gesamte Gesellschaft.“ Die Werbekampagne konzentriert sich zu- nächst darauf, bis zum Herbst noch möglichst viele Menschen vom Vorteil einer Impfung zu überzeugen. Ab sofort finden Interessierte die wich- tigsten Informationen zur Impfung, zu Schutzmaßnahmen und Testungen auf der Webseite www.impfen-schuetzen- testen.de. r wbg Benefizgala im GOP zur Unterstützung von Wohnungs- und Obdachlosen In der Zeit der Pandemie hat die Ricarda Um Gelder für ihr vielfältiges Engage- orgstraße 36). Auf dem von Matthias und Udo Niedergerke Stiftung geholfen, ment zu sammeln, veranstaltet die Ri- Brodowy zusammengestellten Programm wohnungs- und obdachlosen Menschen carda und Udo Niedergerke deshalb in steht viel Musik, aber auch Comedy, zumindest während der Wintermonate diesem Jahr am 20. September um Kabarett und Artistik. Karten sind er- und in Phasen mit hoher Inzidenz eine 19.30 Uhr unter dem Motto, „Wir lassen hältlich unter Tel.: 0511 30186710 oder Unterkunft zu bieten. Trotzdem bleibt niemanden im Regen stehen“ die nun- über die Webseite www.variete.de. etwa der Zugang zur Gesundheitsver- mehr achte Benefizveranstaltung im sorgung für diese Menschen schwierig. GOP Varieté-Theater (Hannover, Ge- r wbg 6 niedersächsisches ärzteblatt
Aktuell kv.dox ab sofort auch für Viele Bewerbungen für „Nieder- Apple- und Linux-Nutzer sächsischen Gesundheitspreis“ Das kv.dox-Clientmodul ist jetzt auch für macOS (Apple) und ubuntu-(Linux) Am 31. Juli endete die Bewerbungsfrist Betriebssysteme verfügbar. Der E-Mail- für die Preisausschreibung des Nieder- Dienst kann damit nun auf allen in sächsischen Gesundheitspreises. Auch Praxen gängigen Betriebssystemen ver- in diesem Jahr haben sich wieder erneut wendet werden, um mit Medizinern viele Institutionen, Einrichtungen und und Fachkräften im Gesundheitswesen Einzelpersonen auf den Preis beworben. Dokumente und Nachrichten auszutau- Insgesamt sind 61 Bewerbungen ein- schen und zum Beispiel elektronische gereicht worden. Dabei kamen auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder Themen: elektronische Arztbriefe zu versenden. 1. Psychische Gesundheit in jeder Le- bensphase stärken – 27 Bewerbungen Interessenten können kv.dox bestellen 2. Gemeinsam in Bewegung bleiben Nach einer Sichtung aller Eingänge unter https://kvdox.akquinet.de. Sie fin- – 26 Bewerbungen wird die Jury im Oktober in einer ge- den dort auch Informationen zum Pro- 3. eHealth – digitale unterstützt in Be- meinsamen Konferenz die Preisträger dukt, den Konditionen und Förderbeträ- handlung, Pflege und Reha – 8 Be- ermitteln. gen. r dh werbungen r ös Hecken: „Kostenanstieg M. Abelmann als neuer Vorsitzender des Bezirks- bremsen und Personaleng- ausschusses der KVN-Bezirksstelle Wilhelmshaven gewählt pässe entschärfen“ Der bisherige Vorsitzende des Bezirks- Am 13. Juli wurde Matthias Abelmann Vor der Bundestagswahl gewinnt die ausschusses der Bezirksstelle Wilhelms- von den Mitgliedern des Bezirksaus- Diskussion um Krankenhausschließun- haven der Kassenärztlichen Vereinigung schusses der KVN-Bezirksstelle Wil- gen weiter an Fahrt. Zuletzt hat der Niedersachsen (KVN), Dr. med. Andreas helmshaven als deren neuer Vorsit- Vorsitzende des Gemeinsamen Bun- Klose, ist zum 30. Juli 2021 in den Ru- zender gewählt. Abelmann ist seit Sep- desausschusses, Josef Hecken, die De- hestand getreten und damit auch aus tember 1999 als Hausarzt in Wilhelms- batte mit einem Interview in der Frank- seinem Amt im Bezirksausschuss aus- haven niedergelassen und ist bereits furter Allgemeinen Sonntagszeitung vo- geschieden. Klose war seit Februar 1991 seit dem Jahre 2017 Mitglied im Be- rangetrieben. Seiner Auffassung nach in Jever als Gastroenterologe niederge- zirksausschuss Wilhelmshaven. könnte die Zahl der Kliniken in Deutsch- lassen und war seit dem Jahre 2011 r dh land von 1.900 auf 1.200 reduziert Vorsitzender des Bezirksausschusses der werden. Dabei denkt er aber nicht nur KVN-Bezirksstelle Wilhelmshaven. an Schließungen, sondern auch an eine klügere Arbeits- und Aufgabenaufteilung. Kleinere Krankenhäuser auf dem Land Masernschutzgesetz: Frist zum Nachweis von Impfung und sollten sich demnach auf einfache Ein- Immunität bis Jahresende verlängert griffe beschränken, während anspruchs- volle Operationen nur in darauf spe- Nach dem im März 2020 in Kraft ge- jetzt um fünf Monate bis zum 31. De- zialisierten Zentren durchgeführt werden tretenen Masernschutzgesetz müssen zember verlängert. Damit soll den Ein- sollten. Das würde sowohl die Wirt- Kinder und Beschäftigte in Gemein- richtungen und Behörden vor dem Hin- schaftlichkeit als auch die medizinische schafts- und Gesundheitseinrichtungen, tergrund der Bewältigung der SARS- Qualität fördern. Doch für eine grund- also auch Praxispersonal, einen aus- CoV-2 Pandemie mehr Zeit zur Um- legende Strukturreform, wie sie Hecken reichenden Impfschutz oder eine Im- setzung des Masernschutzgesetzes ein- vorschwebt, müssten die Länder auf munität gegen Masern nachweisen. Für geräumt werden. ihre Planungshoheit über die Kranken- bereits länger in diesen Einrichtungen r ös häuser verzichten. Dafür wäre eine Än- Beschäftigte oder Betreute galt eine a Mehr unter derung des Grundgesetzes nötig. Übergangsfrist bis zum 31. Juli,. Sie https://www.kbv.de/ html/15184.php. r ös 8 | 2021 7
Mit großer Mehrheit oder einstimmig votierten die Delegierten der Kammerversammlung der 19. Wahlperiode bei der außerordentlichen Zusammenkunft im Juli in Hannover etwa für die verabschiedeten Resolutionen. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen Themen rund um Impfkampagne, Impfquoten und Impfpakt standen im Mittelpunkt der be- rufspolitischen Debatte zur Coronapandemie / Zu Gast während der dritten Sitzung der Kammerversammlung: Gesundheitsministerin Daniela Behrens „Wir sind noch nicht durch mit der Pandemie“, mahnte Da- rens. „Mein großer Dank gilt der Ärzteschaft!“, so die Mi- niela Behrens in der dritten und außerordentlichen Sitzung nisterin. der Kammerversammlung der Ärztekammer Niedersachsen in der 19. Wahlperiode. „Deshalb ist noch keine Zeit für Lo- Impfpakt für Niedersachsen ckerungen“, bekräftigte die Niedersächsische Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, seit Anfang März Besonders wichtig sei das Impfen von Lehrerinnen und Leh- im Amt, gleich zu Beginn ihres Grußworts am 17. Juli. Ent- rern, des Kitapersonals sowie der Beschäftigten in den Pfle- sprechend nutzte Behrens die Gelegenheit, bei den Mitglie- geberufen und Krankenhäusern, kommentierte die Gesund- dern des Ärzteparlaments für ihre im Frühjahr gestartete heitsministerin. Ihren Informationen zufolge erreichten diese Impfkampagne gegen COVID-19 zu werben. Gruppen Impfquoten zwischen 80 und 90 Prozent. „Je höher die Impfquote, desto mehr können wir uns erlauben“, „Impfen ist der Weg aus der Pandemie“, sagte die Gesund- stellte Behrens in Aussicht und kündigte Werbemaßnahmen heitsministerin und verwies auf die aktuellen Impfquoten gegen die aktuell einsetzende Impfmüdigkeit an – vor allem des Bundeslands mit – Stand Mitte Juli – mehr als 62 zu einem Zeitpunkt, da es mehr Impfstoff als Impfwillige ge- Fotos: H. Krückeberg Prozent Erstgeimpften und über 45 Prozent vollständig be. Zu den Zielgruppen des „Impfpakts für Niedersachsen“ Geimpften. Die gute Lage in Niedersachsen beruhe zu zählte Behrens in erster Linie 20- bis 40-Jährige, Menschen einem kleinen Teil auf der Arbeit der Impfzentren, aber zu mit einer Migrationsgeschichte sowie jene in prekären Wohn- einem großen Teil auf dem Einsatz der Praxen, betonte Beh- und Lebenssituationen. „Unser ehrgeiziges Ziel ist eine 8 niedersächsisches ärzteblatt
Politik Ein besonderes Anliegen war der Ärztekammerpräsidentin das Krankheitsbild „Long-COVID“, für das Mitte Juli eine S1- Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Me- dizinischen Fachgesellschaften (AWMF) veröffentlicht worden sei. Auf der Basis aktueller Zahlen und Hochrechnungen pro- phezeite die Ärztekammerpräsidentin bereits jetzt rund 37.000 Fälle für Niedersachsen: „Die Gruppe der Long-COVID-Pa- tientinnen und -Patienten bedeutet einen großen zusätzlichen Versorgungsbedarf für die Zukunft“, folgerte die Ärztin und regte an, die Forschungs- und Versorgungskapazitäten auszu- bauen. Unverzichtbar sei auch der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) als dritte Säule der Gesundheitsversorgung, formulierte Wenker eine weitere Erkenntnis aus der Pandemie und stimmte Daniela Behrens, Niedersächsische Ministerin für Soziales, Gesund- darin mit der Ministerin überein. Behrens bekräftigte darüber heit und Gleichstellung, nahm die Gelegenheit wahr, zu den Dele- hinaus in der sich an die Redebeiträge anschließenden Debatte gierten der Kammerversammlung der Ärztekammer Niedersachsen zu sprechen. die Bedeutung des „Pakts für den Öffentlichen Gesundheits- dienst“ und des zusätzlichen Budgets: „Der ÖGD war nicht in der Lage, ohne zusätzliche Unterstützung die Kontaktver- Durchimpfungsquote von 75 Prozent“, unterstrich Behrens, folgung zu machen.“ denn es gelte, solche Situationen wie zu Beginn der Pande- mie in den Pflegeheimen zu verhindern. Die Impfkampagne aus Sicht der Kammerversammlungsdelegierten „Kein politischer Lockerungswettlauf“ Im Mittelpunkt der Diskussion der Kammerversammlungs- „Wir brauchen eine zielgruppenadaptierte Impfkampagne Delegierten mit der Ministerin standen auch weitere berufs- und keine Debatte über Impfpflicht“, pflichtete Dr. med. Mar- politische Themen, die niedersächsische Ärztinnen und Ärzte tina Wenker der Ministerin bei. Ange- in den vorherigen Monaten und der bis- sichts der neuen virulenteren SARS-CoV- „Unser ehrgeiziges Ziel ist herigen Zeit der Pandemie bewegt ha- 2-Mutanten warnte auch die Präsidentin eine Durchimpfungsquote ben. Zur Sprache kamen die Ergebnisse der Ärztekammer Niedersachsen in ih- von 75 Prozent.“ der Enquetekommission des Landtags rem „Bericht zur Lage der COVID-19- Daniela Behrens, Niedersächsische Ministerin für Soziales, zur „Sicherstellung der ambulanten und Gesundheit und Gleichstellung Pandemie“, der sich an Behrens‘ Gruß- stationären medizinischen Versorgung wort anschloss, vor einem „politischen in Niedersachsen – für eine qualitativ Lockerungswettlauf“. hochwertige und wohnortnahe medizinische Versorgung“, während Dr. med. Alexander Nowicki, Facharzt für Gynäko- „Was haben wir gelernt aus der bisherigen Zeit der Pande- logie und Geburtshilfe aus Bramsche, rückblickend die zeit- mie?“, fragte Wenker somit unter dem Stichwort „Lessons weilig unzuverlässige Versorgung der Praxen mit Impfstoff kri- Learned“ und erinnerte mit Nachdruck an die bereits 2013 tisierte. vom Deutschen Bundestag beschlossenen Vorsorgemaßnah- men im Hinblick auf mögliche Pandemien: Wären diese um- Plädoyer für aufsuchende Angebote gesetzt worden, hätte es im März 2020 nicht an Masken, Schutzanzügen, Desinfektionsmitteln und Behandlungskapa- Impfquoten und Impfgeschehen beschäftigten angesichts der zitäten gefehlt, betonte die Ärztekammerpräsidentin und for- Mitte Juli langsam wieder steigenden Infektionszahlen viele derte: „Das darf nicht noch einmal passieren.“ der Kammerversammlungsmitglieder: „Ich gehe felsenfest da- von aus, dass es eine vierte Welle ist“, sagte etwa Andreas Ebenso wenig politisch verhandelbar seien evidenzbasierte Hammerschmidt. Daher sei es wichtig, die Impfungen zu den medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse, stellte Wenker Menschen zu bringen und aufsuchende Angebote zu machen, heraus und äußerte Kritik an jenen Politikern, welche die auf so der zweite Vorsitzende des Marburger Bunds Niedersachsen Zahlen, Daten und Fakten basierenden Entscheidungen der und Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie (in WB) Ständigen Impfkommission (STIKO) öffentlich in Frage stellten sowie Notfallmedizin aus Nienburg. „Üben Sie Druck auf die und deren Revision forderten. Hersteller aus“, trug Dr. med. Tilman Kaethner, Facharzt für 8 | 2021 9
Politik Einen kurzen „Bericht zur Lage der COVID-19-Pandemie“ gab Ärztekammerpräsidentin Dr. med. Martina Wenker. Kinder und Jugendmedizin aus Nordenham, seinen Wunsch „Das gegliederte Gesundheitswesen hat uns gut durch die ers- aus der Praxis an Ministerin Behrens heran: „Wir brauchen ten Wellen der Pandemie gebracht und dadurch sind uns die Einzeldosen zum Verimpfen!“ Schreckensszenarien erspart geblie- „Die Gruppe der Long-COVID- ben“, hob die Vorsitzende der Gruppe Was sie daran hindere, ihren Patien- Patientinnen und -Patienten be- Klinik und Praxis in der Kammerver- tinnen und Patienten ein Impfange- deutet einen großen Versor- sammlung hervor. Vor allem aber spie- bot zu machen, schilderten der Ge- gungsbedarf für die Zukunft.“ len Buckisch-Urbanke zufolge die klei- sundheitsministerin zudem einige Dr. med. Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen neren Häuser eine wichtige Rolle bei Klinikärzte: Privatdozent. Dr. med. der flächendeckenden Gesundheitsver- Dr. PH Felix Wedegärtner, MPH, bedauerte zum Beispiel, sorgung in Niedersachsen: „Ärztinnen und Ärzte lassen sich dass er als Oberarzt an einer psychiatrischen Klinik in Hanno- häufig dort nieder, wo sie weitergebildet wurden“, gab die ver keinen Zugang zu den SARS-CoV-2-Impfstoffen habe: Krankenhausärztin zu bedenken und wies darauf hin, dass die „Wir sehen viele Patientinnen und Patienten, die aufgrund kleinen Kliniken auch eine wichtige Funktion hinsichtlich der ihrer Erkrankung mit der Impforganisation überfordert sind Weiterbildung von Kolleginnen und Kollegen übernähmen. und denen wir mit einer Impfung viel Gutes tun könnten“, be- tonte der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Ähnli- Forderung von Medizinstudienplätzen ches berichtete Hans Martin Wollenberg, Mitglied im ÄKN- Vorstand und Vorsitzender des Marburger Bunds Niedersach- Wie ein roter Faden zogen sich ebenso Wortbeiträge durch sen, aufgrund seiner Erfahrungen als Oberarzt an der Burghof- die Debatte, die von der Landesregierung forderten, die Gelder Klinik Rinteln: „Diese Patientinnen und Patienten haben sonst für die zugesagte Erhöhung der Medizinstudienplätze an der keinen Zugang zu Impfungen.“ European Medical School Oldenburg-Groningen bereitzu- stellen. Gesundheitsministerin Behrens erinnerte in ihrer Replik Die Verdienste der kleinen Krankenhäuser zwar daran, dass die Ausbildung der Humanmediziner nicht in ihr Ressort falle. Trotzdem habe sie den Eindruck, bis zur Aus- und Weiterbildung waren weitere zentrale Anliegen der Verabschiedung des Haushalts könne sich an der Mittelvertei- Delegierten. Den Fokus auf die Verdienste der kleineren Kran- lung noch etwas ändern. An fehlender finanzieller Unterstüt- kenhäuser lenkte etwa Dr. med. Elke Buckisch-Urbanke, Ab- zung scheint auch die Kooperation der Universitätsmedizin teilungsleitung Qualitätsmanagement am Klinikum Oldenburg: Göttingen und des Braunschweiger Klinikums gescheitert zu 10 niedersächsisches ärzteblatt
Politik Resolution der Kammerversammlung: Vulnerable Gruppen und Kinder schützen Die Kammerversammlung fordert insbesondere alle Ärz- tinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte, Lehrer und Erzieherin- nen zur Corona-Impfung auf: - Die Corona-Impfung steht jetzt nahezu jedem Erwach- senen offen. Trotzdem sind bisher nicht alle in den Heil- und Pflegeberufen und in Schulen und Kindergärten tätigen Menschen gegen Corona geimpft! - Dadurch können sie die Patienten, Pflegebedürftigen, Schüler und Kinder gefährden, mit denen sie beruflich in engem Kontakt arbeiten. - Nicht alle pflegebedürftigen und alten Menschen können sich impfen lassen oder erwerben einen ausreichenden Impfquoten und Impfgeschehen beschäftigten im Laufe der Ausspra- Impfschutz. che viele der Kammerversammlungsmitglieder wie etwa Andreas - Millionen von Kindern in Deutschland unter 12 Jahren Hammerschmidt (Mitte), den zweiten Vorsitzenden des Marburger haben mangels einer Impfstoffzulassung noch keine Bunds Niedersachsen und Facharzt für Orthopädie und Unfallchirur- gie (in WB) sowie Notfallmedizin aus Nienburg. Möglichkeit, sich selbst gegen COVID-19 immunisieren zu lassen. sein. An das vorläufige Aus für die klinische Ausbildung von - Damit die vulnerablen Gruppen und Kinder nicht durch Studierenden der Humanmedizin in Braunschweig erinnerte eine Ansteckung an infizierten nicht geimpften Pflege- Dr. med. Wolfgang Koß: „Wir können die dafür erforderlichen personen, Ärzten, Lehrern und Erziehern gefährdet wer- Mittel nicht zur Verfügung stellen“, sagte der Facharzt für An- den, fordert die niedersächsische Kammerversammlung ästhesiologie und Leitende Oberarzt am Städtischen Klinikum auch vor dem Hintergrund einer weiteren Infektionswelle Braunschweig. im Herbst, dass sich diese Berufsgruppen zeitnah (!) gegen Corona impfen lassen. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen schließlich war - Die Kammerversammlung fordert zum jetzigen Zeitpunkt vielen Delegierten bei dieser außerordentlichen Kammerver- keine Impfpflicht, aber eindrücklich die Impfbereitschaft sammlung ein besonderes Anliegen: „Kinder sind nicht der dieser Berufsgruppen. Sie müssen ihrer Verantwortung Treiber der Pandemie“, stellte Dr. med. Gisbert Voigt mit gerecht werden. Nachdruck heraus. „Aber wir müssen die Umgebung für sie - Dieser Impfappell zielt deshalb auf den konsequenten sicher machen“, verlangte der Facharzt für Kinder- und Ju- Impfschutz der Berufsgruppen, die im beruflichen Alltag gendmedizin aus Melle. „Wir haben ein Jahr lang versäumt, mit vulnerablen Menschen und mit jüngeren Kindern Schulen und Kindergärten herzurichten“, tadelte ebenfalls Dr. zusammenkommen, aber auch all derer, die über ihren med. Tilman Kaethner, Mitglied im Bundesvorstand des Be- eigenen Impfschutz zum Schutz dieser Gruppen beitragen rufsverbands der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ). Für den möchten. Delegierten aus Nordenham sind noch nicht genügend Pfle- Anzeige g unter: Anmeldun n.pkd.de g@breme marketin 5. Bremer Endoprothetik Symposium Freitag, 17. September 2021, 13-19 Uhr im ATLANTIC Hotel, Ludwig-Roselius-Allee 2, Bremen Programm & weitere Informationen unter: www.paracelsus-kliniken.de/bremen Paracelsus Klinik Bremen • In der Vahr 65 • 28329 Bremen • T 0421 4683-0 8 | 2021 11
Politik Resolution der Kammerversammlung: Medizinische Expertise bei der Pandemie- bekämpfung einbeziehen Die Delegierten der Kammerversammlung der Ärztekam- mer Niedersachsen fordern von politischen Entscheidungs- trägern auf allen Ebenen in Niedersachsen und dem Bund die Professionalisierung der Pandemiebekämpfung durch umfassende Einbeziehung und Beachtung der Priorität me- dizinischer Expertise. Sorgfältige Diskussion und die anti- zipierende Entwicklung fachlicher Maßnahmen sowie des erforderlichen Rechtsrahmens müssen unter Einbeziehung aller Leistungsträger des Gesundheitssystems jetzt begin- nen, da die aktuelle Pandemie nicht beendet ist und Für die Perspektive der Kinder und Jugendlichen engagierten sich in weitere gleichgeartete globale Herausforderungen zu be- der Debatte verschiedene Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin fürchten, zu erwarten sind. Die Leistungsfähigkeit unseres wie hier Dr. med. Gisbert Voigt. Systems darf nicht von Corona und ähnlichen vorherseh- gepersonen, Ärztinnen und Ärzte, Lehrkräfte und Erzieher baren Fällen wegen fehlender Vorsorge überfordert werden. geimpft: „Es bleiben 20 Prozent, die andere anstecken kön- Wir erwarten proaktives fachadäquates Handeln aller Ent- nen.“ Gemeinsam mit Angela Schütze-Buchholz und der scheidungsträger. Notwendige Materialien wie persönliche Gruppe „Ärztekammer Neu (!) Gestalten“ legte Kaethner Schutzausrüstungen (PSA) und gegebenenfalls Impfstoffe daher der Kammerversammlung die Resolution mit dem Titel müssen immer seitens des Staates rechtzeitig zur Verfügung „Vulnerable Gruppen und Kinder schützen“ vor, die unter gestellt werden. den 43 anwesenden Delegierten eine große Mehrheit fand. helfen – und auch die Unsicherheiten in der Bevölkerung Die Mitglieder der Kammerversammlung nutzten die außer- mindern können –, glaubt die niedersächsische Ärzteschaft. ordentliche Zusammenkunft schließlich auch, um sich im Da die Pandemie nicht überwunden sei, sondern vielmehr Wahljahr 2021 in Erinnerung zu bringen. In der bisherigen weitere globale Herausforderungen dieser Art zu befürchten Zeit der COVID-19-Pandemie hatten sie festgestellt, dass viele seien, verabschiedeten die Kammerversammlungsmitglieder Entscheidungen seitens der Politik getroffen wurden, ohne einstimmig eine Resolution, in der sie die Professionalisierung medizinische Expertise miteinzubeziehen. Doch bei organi- der Pandemiebekämpfung forderten. Ziel ist es, eine Überfor- satorischen Fragen zur Umsetzung von Test- oder Impfstrate- derung des Gesundheitssystems künftig von vorneherein aus- gien etwa hätten Ärztinnen und Ärzte aufgrund ihrer Erfahrung zuschließen. r Inge Wünnenberg Liste der Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden der Ausschüsse: Ärztliche Fortbildung Krankenhausangelegenheiten Ernst-Dieter Boisch Dr. med. Frauke Petersen Ruben Bernau Prof. Dr. med. habil. Ahmed Madisch Ärztliche Weiterbildung Qualität und Management Dr. med. Kai Johanning Dr. med. Elke Buckisch-Urbanke Prof. Dr. med. habil. Bernd Haubitz Dr. med. Günter Meyer Uwe Lange Sektorenübergreifende Versorgung Finanz- und Beitragsangelegenheiten Dr. med. Christiane Qualmann Dr. med. Helmut Anderten Dr. med. Gabriele Füllborn Dr. med. Dr. med. vet. Gerhard Ey Satzungs- und Geschäftsordnungsfragen Honorarprüfung Dr. med. Jürgen Tempel Uwe Lange Dr. med. Uwe Gerecke Dr. med. Frank Thalacker 12 niedersächsisches ärzteblatt
Politik „Das Haus muss fertig werden“ Sachstand beim Neubau des Ärztehauses: Große Fortschritte beim Innenausbau / Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und gestiegene Baustoffpreise belasten das Baubudget / Kammerversammlung be- schließt Erhöhung des Kostenrahmens Die Roh- und Baustoffpreise sind schon vor dem Ausbruch des SARS-CoV-2-Virus gestiegen. Doch seit Beginn der Pandemie gibt es zusätzlich weltweit Lieferschwierigkei- ten. Lieferketten wurden zudem unterbrochen oder ver- zögert: „Es kam zu erheblichen Kostensteigerungen – ins- besondere bei lüftungstechnischen und elektronischen Bauteilen“, unterrichtete Ass. jur. Ralf Noordmann, LL.M, Ärztekammer-Geschäftsführer für Interne Dienste und Be- zirksstellen, die Mitglieder der Kammerversammlung der Ärztekammer Niedersachsen am 17. Juli 2021 über den Sachstand beim Neubau des Ärztehauses in Hannover. Der Ärztehaus-Projektbeirat der 19. Wahlperiode informierte sich während eines Baustellenrundgangs über den Baufortschritt des neuen Gebäudes. Über den Fortschritt des neuen Gebäudes hatten sich die Mitglieder des Ärztehaus-Projektbeirats für die 19. Wahl- periode bereits im Juni bei einem Rundgang über die Baustelle informiert. Fertiggestellt sind inzwischen zum Beispiel die Sichtbetonwände im Ein- gangsbereich. Außerdem sind fast alle Fenster eingesetzt und in den oberen Etagen hat der Innenausbau mit dem Aufstellen der Trennwände für Büros und Flure begonnen. Wie in der Frühjahrskammerversammlung am 13. März 2021 angekündigt, sind bei den einzelnen Paketen Mechanische Haustechnik, Fassade/Dach, Elektro- Installationen und Innenausbau noch Forderungen des Generalunterneh- mers zu erwarten. Um den zusätzli- chen Finanzierungsbedarf zu decken, der auch aus den gestiegenen Preisen für einzelne Gewerke resultiert, wur- de der Antrag eingebracht, das Budget um 9,74 Millionen Euro auf zunächst 99,74 Millionen Euro zu erhöhen. Die Fenster im neuen Gebäude der Ärztekammer Niedersachsen sind fast überall montiert: Der abschließende Finanzbedarf soll Innen schreitet der Ausbau weiter voran. in der diesjährigen November-Kam- 8 | 2021 13
Politik Einige Delegierte äußerten sich hin- gegen kritisch zu den Mehrkosten des Bauprojekts. Der Antrag zur Be- grenzung der Baukosten und die For- derung, Verkauf und Rückmietung des Gebäudes zu prüfen, wurden in- des von der Mehrheit der Mitglieder des Ärzteparlaments abgelehnt. Denn dass Kostenreduzierung und Einspar- potenziale dem Projektsteuerer zu- folge zum jetzigen Zeitpunkt kurz vor Fertigstellung keine Option mehr seien, hatte Ärztekammer-Hauptge- schäftsführer Professor Dr. med. Nils R. Frühauf, MBA, gleich zu Beginn der Aussprache erläutert: „Wir befin- den uns bereits auf der Zielgeraden, derzeit werden die letzten Gewerke vergeben“, sagte er. Viele Redebeiträ- Vom weit fortgeschrittenen technischen Innenausbau der Untergeschosse überzeugten sich die Mitglieder des Projektbeirats, geführt von Dr. med. Franz-Bernhard Ensink (Mitte). ge der Delegierten griffen diese Argu- mentation auf und warnten vor einem „Stillstand der Baustelle“ wie etwa merversammlung konkretisiert wer- hineingeraten. Sein Eindruck sei al- Voigt. Ein Baustillstand wäre eine den. lerdings, so Hammerschmidt, in der „wirtschaftliche Katastrophe“ stimm- Ärztekammer werde verantwortungs- te beispielsweise Hammerschmidt Debatte über die Kosten- voll gehandelt. Explizit „gut infor- zu. Am Ende war die übergroße entwicklung miert“ fühlte sich ebenfalls Per Kis- Mehrheit von der Notwendigkeit, das tenbrügge, niedergelassener Facharzt Geld bereitzustellen, überzeugt. Die Delegierten der Kammerver- für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Denn – wie Dr. med. Tilman Kaeth- sammlung stimmten der Budgeterhö- in Hannover und Vertreter der neu in ner es formulierte: „Das Haus muss hung mit einer großen Mehrheit bei die Kammer Gewählten. fertig werden!“ nur zwei Gegenstimmen und zwei r Inge Wünnenberg Enthaltungen zu. Der Abstimmung vorausgegangen war eine intensive Debatte über die Kostenentwicklung des Neubauprojekts, „die uns alle überrascht hat“, wie Dr. med. Franz- Bernhard Ensink, MBA, einräumte, der den Neubau als Mitglied des Vor- stands von Anfang an betreut hat. „Dass es Mehrkosten bei einem Ge- bäude gibt, kenne ich auch aus der Kommunalpolitik“, kommentierte Andreas Hammerschmidt, der erst- malig in die Kammerversammlung gewählte zweite Vorsitzende des Marburger Bunds Niedersachsen. Wie andere Kammerversammlungs- mitglieder auch beklagten Hammer- schmidt und der langjährige Dele- gierte und ehemalige ÄKN-Vizeprä- sident Dr. med. Gisbert Voigt, das Fragen rund um das Neubauprojekt beantwortete unter anderem Dr. med. Franz-Bernhard Ensink, MBA, während der Kammerversammlung am 17. Juli in Hannover. Projekt sei in eine Zeit des Baubooms 14 niedersächsisches ärzteblatt
Weiterbildung 1.200 Niedersachsen nutzen das Angebot Rückblick auf das erste Jahr eLogbuch: Die Plattform ermöglicht im Rahmen der neuen Weiterbildungsordnung (WBO) die geforderte kontinuierliche Dokumentation der Weiterbildungsabschnitte Mit Einführung der neuen Weiterbil- dungsordnung (WBO) in Niedersachsen und deren Inkrafttreten am 1. Juli 2020 wurde gleichzeitig auch die Möglichkeit einer modernen und zeitgemäßen Do- kumentation der Weiterbildung etab- liert: das eLogbuch. Es ist für alle Wei- terbildungsassistentinnen und -assisten- ten Pflicht, die ihre Weiterbildung nach dem 1. Juli 2020 begonnen haben. Innerhalb des vergangenen Jahrs haben sich in Niedersachsen bereits rund 1.200 Ärztinnen und Ärzte in ihrer Funktion als Weiterbildungsassistentin oder -as- sistent oder als Weiterbildende regis- triert; bundesweit gibt es bisher 13.000 Neben der täglichen Zusammenarbeit ist ein einmal im Jahr geführtes Weiterbildungsge- Anmeldungen. Als Webanwendung spräch wichtig. dient das eLogbuch als zentrale, elek- tronische Dokumentationsplattform und tinnen und -assistenten vor allem zur ment für die geforderte kontinuierliche lässt sich gleichermaßen mit allen mo- Eingabe der/des Weiterbildenden unter Dokumentation der Weiterbildung ge- dernen Browsern und Smartphones pro- dem entsprechenden Weiterbildungsab- sehen und ist auch aus diesem Grund blemlos bedienen. schnitt. Hier ist zu beachten, dass die während der Weiterbildung von Anfang korrekte Zuordnung der/des Weiterbil- an konsequent zu pflegen. Dennoch ist Auf der Webseite der Ärztekammer Nie- denden über zwei Möglichkeiten erfol- und bleibt die direkte und persönliche dersachsen gelangt man über die Rubrik gen kann: entweder über die E-Mail- Kommunikation zwischen Ärztinnen Weiterbildungsordnung/eLogbuch zu adresse des Weiterbilders/der Weiterbil- und Ärzten in Weiterbildung und ihren dem Link, der auf die Seite der Bundes- derin, die bei der Registrierung von Weiterbildenden insbesondere im Rah- ärztekammer zur Registrierung leitet. In ihm/ihr angegeben wurde, oder über men des pflichtgemäß einmal jährlich Kürze wird die Anwendung durch einen den Benutzernamen des Weiterbilders durchzuführenden Weiterbildungsge- direkten Zugang über das Webportal beziehungsweise der Weiterbilderin. sprächs unerlässlich. In diesem Ge- der Ärztekammer Niedersachsen ver- Letzteres wird von der Bundesärztekam- spräch sind zum Beispiel unterschied- einfacht. mer ausdrücklich empfohlen, weil der liche Bewertungen zum Stand der Wei- Benutzername durch seine Individualität terbildung zu klären. Auf den Seiten der Bundesärztekammer eine schnellere und sichere Zuordnung sind hilfreiche FAQs hinterlegt. Sie in- ermöglicht. Weiterbildende werden da- In den nächsten Monaten sind weitere formieren in Bild- und Textform über her gebeten, ihren Benutzernamen den Anpassungen geplant. Die Nutzung des die verschiedenen Funktionsbereiche Weiterbildungsassistentinnen und -as- eLogbuchs wird stetig optimiert. Betei- innerhalb des eLogbuchs. Alle Weiter- sistenten bekannt zu geben, damit ein ligen Sie sich gerne daran und teilen bildenden sind aufgerufen, sich zu- eindeutiges Erkennen erfolgen kann. uns Kritik und Anregungen an die E- Foto: PT DLR/BMBF nächst selbst registrieren zu lassen. Da- Mailadresse weiterbildung@aekn.de mit. mit werden ein Benutzername und eine Die Resonanz der bisherigen Nuzerin- Mailadresse festgelegt. Viele Fragen gab nen und Nutzer ist insgesamt positiv. Markus Schwinn es seitens der Weiterbildungsassisten- Das eLoguch wird als hilfreiches Instru- Leiter des Sachgebiets Weiterbildung 8 | 2021 15
Die neun Expertinnen und Experten der Gesprächsrunde mit dem niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kultur Björn Thümler (Mitte) und Moderatorin Anja Martini (5. v. r.) vor dem Gästehaus der Landesregierung Niedersachsen. Long-COVID: „Wir brauchen ganz schnell und dringend gute Versorgungsforschung!“ Bei der Veranstaltung „wissenschafftzukunft“ des niedersächsischen Wissenschaftsministeri- um ging es um Erkenntnisse zu COVID-19 und Lösungsansätze zur Bekämpfung zukünftiger Pandemien. ÄKN-Präsidentin Dr. med. Martina Wenker war zu Gast auf dem Podium. Was haben wir aus der Pandemie-Zeit gelernt, wie können derzeit noch undurchsichtige Lage bei Patientinnen und einzelne Disziplinen in Zukunft noch besser zusammenar- Patienten mit Post-COVID sowie Long-COVID. Vor allem beiten und welche strukturellen Lösungsansätze sind für die die Herausforderungen in Diagnostik und Behandlung Diagnostik und Behandlung von Long-COVID sinnvoll? standen im Fokus. „Long-COVID kennzeichnet vor allem, Fragen wie diesen widmete sich die im Internet gestreamte dass sehr unterschiedliche und noch nicht eindeutige Podiumsdiskussion #wissenschafftzukunft: „Leben mit CO- Symptome darauf hindeuten“, stellte Professor Dr. med. VID – Die nächsten Schritte für Forschung und Translation“ Alexander W. Friedrich, Lehrstuhlinhaber für Medizini- am 13. Juli. Auf Einladung des Niedersächsischen Ministers sche Mikrobiologie und Krankenhaushygiene an der Uni- für Wissenschaft und Kultur Björn Thümler kamen neun Ex- versität Groningen und Direktor des gleichnamigen Insti- pertinnen und Experten aus Medizin, Gesundheitswesen tuts am Universitätsklinikum Groningen in den Nieder- und Forschung zum Gespräch im Gästehaus der Landesre- landen, zu Beginn der Diskussion fest. Zudem seien das gierung Niedersachsen zusammen – unter ihnen war auch Auftreten von Post-COVID – zwei bis vier Wochen nach die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen Dr. med. Infektion – sowie Long-COVID – ab vier Wochen nach ei- Martina Wenker. Nach rahmenden Worten von Minister ner COVID-19-Infektion – als zwei weitere Phasen nach Thümler zu Beginn und Ende der etwa 2,5-stündigen Ver- bereits überstandener akuter Erkrankung zu sehen, über anstaltung griff die Runde, moderiert von Anja Martini, die man derzeit noch viel dazulerne. Professorin Dr. Wissenschaftsredakteurin bei der Tagesschau, viele Aspekte med. Luise Poustka, Direktorin der Klinik für Kinder- und der aktuellen öffentlichen Debatten rund um COVID-19 auf. Jugendpsychiatrie und Psychotherapie an der Universi- Fotos: MWK/ Tom Figiel tätsmedizin Göttingen (UMG), gab zu bedenken, auch Long-COVID: Gekommen, um zu bleiben? die psychischen Folgen von COVID-19 nicht zu unter- schätzen. So sei etwa bei Menschen, die aufgrund einer Im ersten Teil der Diskussion ging es um aktuelle Erkennt- Quarantäne lange Zeit isoliert waren, ein deutlicher An- nisse zum Verlauf der COVID-19-Erkrankung sowie die stieg von Stresserkrankungen, Depressionen und Angster- 16 niedersächsisches ärzteblatt
COVID-19 krankungen zu sehen. Jobverlust, finanzielle Probleme Behandlung sei noch nicht oder sozioökonomisch schlechterer Status seien weitere auf das neue Krankheitsbild Aspekte, die Menschen während Ausnahmesituationen abgestimmt, seine Forde- psychisch anfälliger machen könnten. Menschen mit psy- rung auch deshalb umso chischen Problemen aus der Masse der Erkrankten he- deutlicher: „Wir müssen die rauszufiltern, um ihnen gezielt zu helfen, sei derzeit sehr molekularen Grundlagen schwierig, so Poustka. Der Vorstandsvorsitzende der von Long-COVID verste- Deutschen Gesellschaft für Klinische Psychotherapie, Prä- hen, um daran angepasst vention und Psychosomatische Rehabilitation (DGPPR) Therapien zu entwickeln.“ Professor Dr. med. Markus Bassler bestätigte, dass es im Auf die Frage von Martini, Bereich psychischer Erkrankungen, im Zusammenhang wie die Wissenschaft Be- mit COVID-19 und der Pandemie viel Forschungs- und troffenen wie Jahn helfen Handlungsbedarf gebe. Für die Behandlung der Folgen könnte und Leitfäden für die ÄKN-Präsidentin Dr. med. Marti- von Long-COVID und die möglichen, damit einherge- Behandlung von etwa Long- na Wenker brachte Erfahrungen aus ärztlicher Perspektive in die henden psychischen Erkrankungen sei eine bessere haus- COVID entwickeln könne, Diskussion ein. ärztliche Anbindung und ambulante Versorgung wichtig. sprach sich Professor Dr. Für Long-COVID wären zudem etwa Spezialambulanzen rer. nat. Jürgen Wienands, wegweisend. Um bedarfsgerechte Versorgungsstrukturen Direktor des Instituts für Zelluläre und Molekulare Immu- zu schaffen, müsse man „sektorenübergreifend“ denken, nologie an der UMG sowie Sprecher des COVID-19 For- da es sehr unterschiedliche individuelle Verläufe der Er- schungsnetzwerk Niedersachsen (COFONI), für einen mul- krankung und somit auch individuellen Behandlungsbe- tidisziplinären Ansatz aus. Es gebe noch viel Forschungs- darf gebe, so der Experte. „Wir brauchen eine gute Ein- bedarf, aber zunächst sei es die Voraussetzung für die gangsdiagnostik“, forderte Bassler, „um zu verhindern, Wissenschaft, eine gemeinsame Sprache zu sprechen. Die dass die Betroffenen immer nur weitergeschickt werden.“ neu geschaffene Forschungsplattform COFONI, die das Er wies zudem darauf hin, dass es insbesondere in der Re- MWK seit September finanziell unterstützt, ermögliche es, habilitation noch an Forschungserkenntnissen fehle, um multidisziplinär in vier Schwerpunktbereichen zu forschen. zielführend handeln zu können. Auch der Vorstandsvor- Professorin Dr. med. Christine Falk vom Institut für Trans- sitzende der AOK Niedersachsen, Dr. phil. Jürgen Peter, plantationsimmunologie der Medizinischen Hochschule sprach sich für eine sektorenübergreifende Vernetzung Hannover (MHH) und Präsidentin der Deutschen Gesell- auf verschiedenen Ebenen aus, um zukünftig handlungs- schaft für Immunologie ergänzte, dass die übergreifende fähiger zu sein. Allen voran sei eine strukturierte Grund- Forschungsarbeit zu COVID-19 schon gut funktioniere. lagenforschung wichtig. Auch bedürfe es veränderter Do- Wichtig sei es für die Diagnostik, Long-COVID-Ambulan- kumentations- und Abrechnungsmodalitäten, so Peter. zen aufzubauen, wie sie etwa die MHH bereits betreibe. Auch ein interdisziplinäres Netzwerk aus Spezialpraxen ÄKN-Präsidentin Wenker betonte die Herausforderungen, könne echten Long-COVID-Fällen helfen, schneller ins die die komplexen Erscheinungsformen von Post- und Leben zurückzufinden. Long-COVID in der Behandlung mit sich brächten. „Das ist ein ganz neues Krankheitsbild, was auf uns zukommt.“ Impfen als zentrales Mittel der Pandemie- Ärztinnen und Ärzte seien plötzlich mit einer Vielzahl von bekämpfung Symptomen konfrontiert, die naturgemäß noch nicht so gut eingeordnet werden könnten. Die Fachärztin für Lun- Ein großes Thema der Talkrunde waren ferner auch die CO- gen- und Bronchialheilkunde hob hervor, wie wichtig Be- VID-19-Impfungen. Darüber, dass die Impfungen der ent- handlungsleitlinien und Checklisten seien, um die Erkran- scheidende Schlüsselfaktor für die Kontrolle der COVID-19 kung gerade im ambulanten Bereich einordnen zu können. Pandemie sind, herrschte Konsens in der Diskussionsrunde. „Wir brauchen ganz schnell und dringend gute Versor- „Die Impfung ist das einzige, was uns wirklich schützt“, be- gungsforschung“, sagte sie. Long-COVID sei andersartig tonte Falk. Aufgrund der dominierenden Delta-Variante sei als andere post-infektiöse Erkrankungen. Professor Dr. derzeit eine Durchimpfungsrate von 85 Prozent notwendig, Dieter Jahn, Leiter des Instituts für Mikrobiologie an der um Herdenimmunität zu erreichen. Bis diese erreicht sei, Technischen Universität Braunschweig (TUBS), ist nach gelte es, weiterhin die bereits bekannten Infektionsschutz- einer COVID-19-Infektion im März 2020 selbst betroffen maßnahmen wie etwa Maskentragen einzuhalten. Der Impf- von Long-COVID. Er erzählte von seinen enormen körper- fortschritt sowie die Disziplin aller Bürgerinnen und Bürger, lichen Einschränkungen und wie er sich selbst nur langsam entschieden darüber, ob eine vierte Welle verhindert werden in seinen Alltag zurückkämpfen könne. Seine ärztliche könne, so Falk. Eine Masseninfektion hingegen sei keine 8 | 2021 17
COVID-19 gute Idee – dies zeigten auch aktuelle Forschungsergebnisse sei, liege vor allem an der noch nicht ausreichenden Größe der Forschungsgruppe Lancet. Ergänzend appellierte auch der Stichprobe der Zulassungsstudie, die Grundlage für die Wenker, an die bisherigen positiven Erfahrungen mit den STIKO-Empfehlung gewesen sei. So reichten die bisher vor- AHA+L+A-Regeln anzuknüpfen. Mit Blick auf den Winter liegenden Daten noch nicht aus, um etwa sehr seltene Ne- seien die Infektionsschutzmaßnahmen neben den Impfun- benwirkungen auszuschließen. Dass die Impfung wirke, sei gen ein wichtiger Baustein im Kampf gegen COVID-19. Zu- aber durchaus aus den Daten ersichtlich. Die differenzierte dem zeige sich ein Rückgang von etwa Atemwegserkran- Empfehlung der STIKO, COVID-19-Impfungen vor allem kungen oder Magen-Darm-Infekten seit deren Einführung. bei Kindern zwischen 12 und 16 Jahren mit Vorerkrankun- Mit Blick auf den Impffortschritt lobte Friedrich das deutsche gen durchzuführen, sei auf Basis der vorliegenden Daten Vorgehen als „exzellentes Beispiel“. Im Vergleich zu den folgerichtig. Falk erlebe, dass die Kinderärztinnen und Niederlanden hob er auch die Vorteile der föderalen Struk- -ärzte mit der Empfehlung gut arbeiten könnten, da sie in turen in Deutschland hervor. Wo etwa reiner Zentralismus die jeweilige Impfentscheidung einbezogen werden. Zudem bei der Pandemiebekämpfung hinführe, zeigten die derzeit gab sie zu bedenken: „Wir würden nicht über Impfungen (Stand: 23.7.) steigenden Infektionszahlen in den Nieder- bei Kindern reden, wenn wir nicht die Delta-Variante hät- landen. ten.“ Denn aufgrund der Beschaffenheit dieser Virus-Vari- ante seien Kinder und Jugendliche ansteckungsgefährdeter. Pandemie trifft sozial Schwache härter Derzeit warte man gespannt auf die groß angelegten Studien aus den USA. Die bisherigen vorläufigen Daten auf Basis Bei der Diskussion über mögliche Lösungsansätze für zu- von zehn Millionen geimpften Kindern ab 12 Jahren zeigten künftige Pandemien und die Durchführung der Impf-Kam- extrem wenige Rückmeldungen über schwere Nebenwir- pagne wies Professor Dr. disc. pol. Berthold Vogel, Ge- kungen. Laut Wienands ist schon in zwei bis drei Monaten schäftsführender Direktor des Soziologischen Forschungs- mit den Studien aus den USA und somit einer verlässlicheren instituts Göttingen (SOFI) darauf hin, auch soziale Un- Datenlage zu rechnen. gleichheiten mitzudenken. „Nicht jeden trifft die Pandemie gleich“, sagte Vogel. „Impfen ist der einzige Weg aus der Interdisziplinarität als wichtiger Krisenhelfer Pandemie. Wichtig ist es, auch die mitzunehmen, die etwa am Rande der Gesellschaft sind.“ Er zitierte aktuelle Studi- Insgesamt betonten die Gäste während der gesamten Ver- energebnisse der Gutenberg-COVID-19-Studie der Univer- anstaltung, wie wichtig interdisziplinäre Zusammenarbeit sitätsmedizin Mainz, die zeigten, dass prekäre Wohnver- bei Versorgungs-Lösungen der Zukunft sei. Bei der Frage, hältnisse ein 60 Prozent höheres COVID-19-Infektionsrisiko inwiefern sich Forschung aufgrund der Pandemie an neue nach sich zögen. So sei es vorstellbar, dass Personen, die so Bedarfe anpassen müsse, waren die Meinungen jedoch ge- lebten, sehr wahrscheinlich auch entsprechende Tätigkeits- teilt. Friedrich sprach sich dafür aus, Forschungsvorhaben felder hätten. Vogel mahnte aus diesem Grund bei der Ent- in Zukunft vermehrt am konkreten Bedarf zu orientieren. So wicklung von Präventionsangeboten dringend, soziale Ver- müsse sich die Definition von exzellenter Forschung ändern hältnisse zu beachten. Fürs Impfen schlug er ein offensiveres und vor allem Vorhaben mit gesellschaftlichem Einfluss Vorgehen vor: Es wäre sinnvoll, etwa in Betriebe zu gehen, müssten vorrangig behandelt werden. Falk setzte dem ent- in Logistikzentren, in denen häufig sozial schlechter gestellte gegen: „Interdisziplinarität und Grundlagenforschung dürfen Menschen arbeiteten. Gerade dort müsse Bewusstsein fürs nicht in Konkurrenz stehen.“ So sei etwa die Frage, wie Impfen geschaffen werden. Er setzte sich zudem dafür ein, SARS-CoV-2 sich in einer Zelle verhalte, ganz klar Grund- den Infektionsschutz, wie etwa den Arbeitsschutz, auch in lagenforschung. Ihr Fazit: „Wir brauchen beides!“ Eine He- zukünftigen Arbeitswelten als Standard zu etablieren. rausforderung für die Zukunft sei es eher, mit der For- schungsvielfalt umzugehen. Die Rolle von Kindern und Jugendlichen Insgesamt zeigte die Veranstaltung verschiedene Facetten Im Zuge der Impfthematik gerieten auch Kinder und Ju- und Lehren der COVID-19-Pandemie. An den konkreten gendliche in den Fokus. Poustka wünschte sich zügig mehr Lösungen für zukünftige Krisen werden die Expertinnen und Daten zu erhalten, um auch in Deutschland Kinder und Ju- Experten mitwirken: In seiner Verabschiedung lud Minister gendliche impfen zu können. „Die Kinder und Jugendlichen Thümler alle dazu ein, einen wissenschaftlichen Beirat zur brauchen die Sicherheit, dass sie wieder in Kontakt kommen Beratung des Wissenschaftsressorts zu bilden. Den Mit- können.“ Falk zeigte sich hinsichtlich der Datenlage zuver- schnitt der Veranstaltung finden Sie auf dem MWK-Youtu- sichtlich und verteidigte das bisherige Vorgehen der Stän- be-Kanal: tinyurl.com/MWKwissenschafftzukunft digen Impfkommission (STIKO). Dass es noch nicht zu einer grundsätzlichen Empfehlung für alle Kinder gekommen r Esther Schmotz 18 niedersächsisches ärzteblatt
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