Gesundheitsberatung im Alter - Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure der Gesundheitsförderung im Alter - GERONTOLOGIE CH

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Gesundheitsberatung im Alter - Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure der Gesundheitsförderung im Alter - GERONTOLOGIE CH
September 2020

    Gesundheitsberatung im Alter
    Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure d
                                                     ­ er
    Gesundheitsförderung im Alter
Gesundheitsberatung im Alter - Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure der Gesundheitsförderung im Alter - GERONTOLOGIE CH
Impressum
Herausgeberin
Gesundheitsförderung Schweiz. Das vorliegende Dokument ist eine Überarbeitung des Arbeits­papiers 15
Umsetzungshilfe «Tipps und Tools für die Gesundheitsberatung im Alter» (Kessler & Schmocker, 2014)
sowie der dazugehörigen Toolsammlung, welche mit Unterstützung des «Fonds Innovative Projekte» von
Zwäg ins Alter (ZiA / Pro Senectute Kanton Bern) in Kooperation mit der Koordinationsstelle des Projekts
Via entwickelt wurden.
Das Arbeitspapier 15 aus dem Jahr 2014 basierte auf einem ZiA-Handbuch. Wesentliche Beiträge leisteten
zudem Verantwortliche aus den Programmen der Gesundheitsförderung im Alter der Kantone Bern,
Zug, Appenzell Ausserrhoden und Graubünden sowie Mitarbeitende von Public Health Services. Auch
die neu aufgelegte Ausgabe stützt sich weitgehend auf diese gesammelte Praxiserfahrung.
Autorinnen
– Claudia Kessler, Public Health Services (PHS) (Hauptautorin)
– Christa Rudolf von Rohr, Gesundheitsförderung Schweiz (Redaktion sowie Überarbeitung und
   ­Reorganisation der Toolsammlung)
Hauptautorin ZiA-Handbuch
– Heidi Schmocker, Zwäg ins Alter (ZiA), Pro Senectute Kanton Bern
Projektleitung Gesundheitsförderung Schweiz
Christa Rudolf von Rohr
Dominik Weber
Zitierweise
Kessler, C. & Rudolf von Rohr, C. (2020). Gesundheitsberatung im Alter. Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen
und Akteure der Gesundheitsförderung im Alter. Bern und Lausanne: Gesundheitsförderung Schweiz.
Fotonachweis
Titelbild, Seite 4: iStock; Seiten 10, 16, 17, 19: Gesundheitsförderung Schweiz, Peter Tillessen
Auskünfte/Informationen
Gesundheitsförderung Schweiz, Wankdorfallee 5, CH-3014 Bern, Tel. +41 31 350 04 04,
office.bern@promotionsante.ch, www.gesundheitsfoerderung.ch
Originaltext
Deutsch
Bestellnummer
02.0337.DE 09.2020
Download PDF
www.gesundheitsfoerderung.ch/publikationen
© Gesundheitsförderung Schweiz, September 2020
Gesundheitsberatung im Alter - Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure der Gesundheitsförderung im Alter - GERONTOLOGIE CH
Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter 3

Inhaltsverzeichnis
Management Summary                                                                                                    5

1 Einleitung                                                                                                          6

Teil I: Grundlagen                                                                                                    7

2	Beratung im Kontext der Gesundheitsförderung im Alter                                                              7
   2.1	Angebotsformen für die Gesundheits­förderung im Alter                                                         7
   2.2	Ziele und Werte                                                                                               8

3	Konzeptioneller Rahmen für die G­ esundheitsberatung im Alter                                                      9
   3.1 Das Konzept im Überblick                                                                                       9
   3.2 Die Beratenden                                                                                                11
   3.3 Ablauf und Formen der Beratung                                                                                12
   3.4	Menschen mit spezifischen Bedürfnissen und schwer erreichbare Zielgruppen                                    16
   3.5 Qualitätssicherung                                                                                            18
   3.6 Kooperation und Vernetzung                                                                                    20

Teil II: Toolsammlung                                                                                                21

4	Übersicht über Tools für die Gesundheitsberatung im Alter                                                         21
   Tool 1:   Leitfaden Ablauf Gesundheits­beratung im Alter                                                          22
   Tool 2:   Anschreiben und Versand Gesundheitsfragebogen                                                           25
   Tool 3:   Screening-Instrument für Gesundheitsberatungen                                                          27
   Tool 4a: Assessment Sturzrisiko: «Timed up and go»-Test (TUG)                                                     34
   Tool 4b: Assessment Sturzrisiko ­Verhältnisse                                                                     35
   Tool 5:   Assessment Depression                                                                                   36
   Tool 6:   Assessment kognitive D­ ysfunktion / Demenz                                                             37
   Tool 7:   Assessment Mangelernährung                                                                              37
   Tool 8:   Assessment Alkoholkonsum                                                                                38
   Tool 9:   Vorlage Infoblatt Datenschutz                                                                           39
   Tool 10: Vorlage Stammdatenblatt                                                                                  40
   Tool 11: Falldokumentation Beratung                                                                               41
   Tool 12: Verlaufsprotokoll Beratung                                                                               45
   Tool 13: Vorlage Informationen an Dritte                                                                          46

5 Literaturverzeichnis                                                                                               47

6 Weiterführende Informationen                                                                                       48
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4   Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter

Darstellungsverzeichnis

Abbildung 1:     Palette der Strategien für die Gesundheitskommunikation im Alter                                       7
Abbildung 2:     Themenbereiche der Gesundheitsberatung im Alter                                                        9
Abbildung 3:     Stufen der Verhaltensänderung                                                                         11
Abbildung 4:     Phasen, Schritte und Hilfsmittel für das Beratungsgespräch                                            13
Abbildung 5:     Elemente der Qualitätssicherung für die Gesundheitsberatung im Alter                                  18
Abbildung 6:     Kooperationslandschaft der Gesundheitsförderung im Alter                                              20
Abbildung 7:     Tools für die Beratungsphasen                                                                         21

Tabelle 1:       Mögliche Rollen der Beratenden                                                                        12
Tabelle 2:       Frequenz der Folgeberatungen                                                                          15
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Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter 5

Management Summary
Die bestehenden Angebote zur Aus- und Weiter­                 In der Umsetzungshilfe werden zentrale Fragen für
bildung in den Bereichen Gesundheit, Gesundheits-             die Gesundheitsberatung im Alter angeschnitten:
förderung und Beratung sind selten spezifisch auf             • Wie kann die Zielgruppe über das Angebot
die Zielgruppe der älteren Menschen ausgerichtet.               informiert werden?
Hier füllt die vorliegende Umsetzungshilfe mit ihren          • Welchem Ablauf sollte ein Beratungsgespräch
Tipps und Tools eine Lücke für die Praxis. Sie be-              folgen?
leuchtet, wie Gesundheitsberatung – auch präven-              • Was unterscheidet die Erstberatung von den
tive Hausbesuche genannt – spezifisch auf die Be-               Folge- und Telefonberatungen?
dürfnisse älterer Personen und/oder betreuender               • Wie kann das Angebot chancengerecht gestaltet
Angehöriger angepasst werden kann. Die Umset-                   und schwer erreichbaren Zielgruppen näher-
zungshilfe bietet beratenden Fachpersonen eine                  gebracht werden?
evidenz- und erfahrungsgestützte Qualitätsgrund-              • Welche Aspekte sind bei der Qualitätssicherung
lage für ihre Arbeit und kann auch für die Einfüh-              zu beachten?
rungsschulung von neuen Beraterinnen und Bera-
tern verwendet werden.                                        Kooperation und eine gute Vernetzung mit anderen
Die kostenlose, individuelle Gesundheitsberatung              Akteurinnen, Akteuren und Anbietenden von Dienst-
ist ein niederschwelliger und wirksamer Ansatz. Zu-           leistungen sind wesentliche Voraussetzungen für
sammen mit anderen Strategien, wie Kursen oder                eine wirkungsvolle und effiziente Beratungsarbeit.
Veranstaltungen, ergänzt sie die Angebotspalette
einer gemeinwesenorientierten Gesundheitsförde-               Zur Umsetzungshilfe
rung im Alter. Gesundheitsberatung soll nach ein-             Teil I der vorliegenden Umsetzungshilfe bildet den
heitlichen Grundsätzen und qualitätsgesichert an-             konzeptionellen Rahmen für die Gesundheitsbera-
geboten werden. Ort (Bring- bzw. Hol-Struktur),               tung. Er bietet Fachpersonen hilfreiche Tipps aus
Form (persönlicher Kontakt, Telefonberatung, elek-            der Praxis sowie einen Überblick über das Thema.
tronische Kommunikationswege usw.) und Themen                 Den praktischen Mehrwert dieser Umsetzungshilfe
der Beratung sind bedürfnis- und zielgruppenge-               bieten die Begleittools in Teil II. Die Tools beinhalten
recht anzupassen. Die Beratung erfolgt durch eine             detaillierte und praxisrelevante Anleitungen und
qualifizierte Fachperson, welche über die nötigen             Vorlagen, die den beratenden Fachpersonen die
Kenntnisse, Kompetenzen und Erfahrungen in der                ­tägliche Arbeit erleichtern sollen. Sie reflektieren
Arbeit mit der Zielgruppe verfügt. Durch die Bera-             langjährige Praxiserfahrungen und enthalten kon-
tung stärkt sie die Gesundheitskompetenz und die               krete Tipps und Tricks von Akteurinnen und Akteu-
Handlungsressourcen der älteren Person. Damit                  ren in unterschiedlichen Kantonen.
trägt die Beratung dazu bei, die gesunden Lebens-
jahre im Alter zu verlängern, die Pflegebedürftig-
keit hinauszuzögern und damit die Autonomie und
Lebensqualität bis ins hohe Alter zu erhalten.
Gesundheitsberatung im Alter - Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure der Gesundheitsförderung im Alter - GERONTOLOGIE CH
6   Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter

1 Einleitung

Die Umsetzungshilfe baut auf den wissenschaftli-                vorliegende Umsetzungshilfe mit ihren Tipps und
chen Erkenntnissen in der Studie «Beratung, Veran-              Tools eine Lücke für die Praxis. Sie beleuchtet die
staltungen und Kurse» (Dellenbach & Angst, 2011)                Beratung zur Gesundheitsförderung und Prävention
auf. Gleichzeitig lebt sie vom Praxiswissen und den             spezifisch im Hinblick auf die Bedürfnisse älterer
Erfahrungen der Fachpersonen, die das Angebot                   Menschen. Die Umsetzungshilfe bietet den beraten-
seit mehreren Jahren in verschiedenen Kantonen                  den Fachpersonen eine evidenz- und erfahrungs­
der Schweiz umsetzen.                                           gestützte Qualitätsgrundlage für ihre Arbeit und
                                                                kann auch für die Einführungsschulung von neuen
Wie wurde die Umsetzungshilfe erarbeitet?                       Beraterinnen und Beratern verwendet werden.
Das vorliegende Dokument ist eine Überarbeitung
des Arbeitspapiers 15 Umsetzungshilfe «Tipps und                Wie wird die Umsetzungshilfe angewandt?
Tools für die Gesundheitsberatung im Alter» (2014)              Das Dokument besteht aus zwei Teilen. Teil I (Grund-
und der dazugehörigen Toolsammlung. Der Inhalt                  lagen) bildet den konzeptionellen Rahmen für die
und die Begleittools basieren auf einem Praxis-                 Gesundheitsberatung. Er gibt einen Überblick über
handbuch, welches das Programm «Zwäg ins Alter»                 das Thema und stellt die einzelnen Anwendungs-
(ZiA) der Pro Senectute Kanton Bern im Jahr 2012                tools in einen grösseren Kontext. Gleichzeitig wird
zum internen Gebrauch entwickelt hatte. In einem                auf die einzelnen Tools verwiesen. Den praktischen
partizipativen Prozess wurden, insbesondere in                  Mehrwert dieser Umsetzungshilfe bieten die Be-
Teil II, Anwendungserfahrungen aus anderen Kan­                 gleittools in Teil II. Die Tools beinhalten detaillierte
tonen gesammelt und in der Überarbeitung des be-                und praxisrelevante Anleitungen und Vorlagen, die
stehenden Instruments berücksichtigt.                           beratenden Fachpersonen die tägliche Arbeit er-
Damit wurde auf nationaler Ebene eine evidenz­                  leichtern sollen. Sie reflektieren langjährige Praxis-
basierte Praxisgrundlage für die Gesundheitsbera-               erfahrungen und enthalten konkrete Tipps und
tung im Alter geschaffen. Weitere Informationen                 Tricks.
zum Thema finden sich auch im Grundlagenbericht 5
«Gesundheit und Lebensqualität im Alter» von ­Weber              Tipp zur Anwendung der Umsetzungshilfe
et al. (2016).                                                   Verstehen Sie Teil I als eine Anleitung zum
                                                                 ­Kochen. Die Rezepte finden Sie in der Tool­
An wen richtet sich die Umsetzungshilfe?                          sammlung im Teil II. Das Dokument ist inter­
Die Umsetzungshilfe richtet sich an Fachpersonen                  aktiv. Wenn Sie im Fliesstext jeweils auf
von Organisationen wie der Pro Senectute oder der                 → Tool klicken, werden Sie gleich zum e­ nt-
Spitex, die Gesundheitsberatung für ältere Men-                  sprechenden Tool verwiesen.
schen anbieten. Sie hat keinen Anspruch, andere
Fachberatungen für ältere Menschen wie Sozial-
beratung, Ernährungsberatung, Demenzberatung,                   Es versteht sich von selbst, dass es mehrere mögli-
Wohnberatung usw. abzudecken.                                   che Ansätze zur Gesundheitsberatung im Alter gibt.
                                                                Die vorliegende Umsetzungshilfe mit ihren Begleit-
Warum eine Umsetzungshilfe Gesundheits­                         tools präsentiert Wege und Lösungen, die sich in der
beratung im Alter?                                              Praxis bewährt haben, und sie berücksichtigt die
Bestehende Angebote zur Aus- und Weiterbildung in               bestehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse.
den Bereichen Gesundheit, Gesundheitsförderung
und Beratung sind nur bedingt auf die Zielgruppe
der älteren Menschen ausgerichtet. Hier füllt die
Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter 7

Teil I: Grundlagen

2	Beratung im Kontext der
   Gesundheitsförderung im Alter
2.1	Angebotsformen für die Gesundheits­                      Ergänzend dazu vermitteln Organisationen auf der
     förderung im Alter                                       kollektiven Ebene Gesundheitsinformationen und
                                                              Gesundheitsbildung in Form von Veranstaltungen
Im Bereich der Gesundheitsförderung und Präven­               und Gruppenkursen. Hier spielt die Förderung der
tion im Alter wird eine breite Palette von Strategien         Gesundheitskompetenz (health literacy) bzw. der
aus der Gesundheitskommunikation angewandt. Um                Bildungsaspekt eine zentrale Rolle. Weiterführende
verschiedene Personengruppen zu erreichen und                 Informationen dazu finden Sie in der Broschüre
um Verhalten nachhaltig zu beeinflussen, braucht es           «Veranstaltungen und Kurse zur Gesundheitsför­
eine Kombination von verschiedenen ­Angeboten.                derung im Alter. Eine Umsetzungshilfe für Akteu-
Die vorliegende Umsetzungshilfe befasst sich mit              rinnen und Akteure der Gesundheitsförderung im
Angebotsformen, die sich persönlich an ältere Men-            Alter».
schen und/oder betreuende Angehörige richten. Sie
hat zum Ziel, individuenzentriert Themen aufzugrei-
fen und Unterstützung bei der Suche nach mass­
geschneiderten Lösungen zu geben.

ABBILDUNG 1

Palette der Strategien für die Gesundheitskommunikation im Alter

                                Veranstaltungen

                                                    Öffentlichkeits-
                                                         arbeit

                                  Kurse

                                                      Gesundheits-
                                                                             Spezifische
                                                        beratung
                                                                            Fachberatung
                                                        im Alter
8    Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter

2.2	Ziele und Werte                                             Ziele zu definieren und diese umzusetzen. Dies ge-
                                                                 lingt in der Regel dann, wenn die Ziele gemeinsam
    Leitziel                                                     erarbeitet werden und spezifisch auf die Lebens-
    Ältere Menschen werden in ihren Bemühungen                   situation und die Bedürfnisse der beratenen Perso-
    unterstützt, im Alter möglichst gesund zu                    nen zugeschnitten sind.
    leben. Sie erhalten Impulse, um ihre Gesund-
    heitskompetenz zu stärken.                                   Prinzipien und Werte
    Dies kann langfristig dazu beitragen, die gesun-             Das vorgeschlagene Konzept der Gesundheitsbe-
    den Lebensjahre zu verlängern, die Pflege-                   ratung im Alter beruht auf zwei Werthaltungen:
    bedürftigkeit hinauszuschieben sowie die Auto-               1. a uf den allgemeinen Prinzipien der Gesundheits-
    nomie und Lebensqualität bis ins hohe Alter                     förderung; es sind dies Settingansatz, Parti­­
    zu erhalten.                                                    zipation, gesundheitliche Chancengleichheit,
                                                                    ­Salutogenese und Ressourcenorientierung,
                                                                     Empowerment, umfassendes Gesundheitsver-
Spezifische Ziele                                                    ständnis (quint-essenz), sowie
Bei der Gesundheitsberatung im Alter geht es um                  2. einem Altersleitbild, «das der Perspektive des
die Stärkung von Ressourcen und den Erhalt von                       ­Kompetenzmodells des Alterns entspricht und so-
Fähigkeiten, welche für die physische und psychi-                     wohl die Stärken wie auch die Schwächen alter
sche Gesundheit sowie für die Teilnahme am sozia-                     Menschen berücksichtigt. Ratsuchende im Alter
len und kulturellen Leben wichtig sind. Mit der Be-                   sind han­delnde Subjekte, die in ihren Fähig-
ratung sollen ältere Menschen und/oder betreuende                     keiten und Ressourcen gestärkt und deren Möglich-
Angehörige angeregt und unterstützt werden, wir-                      keiten zur Selbsthilfe gefördert werden sollen.
kungsvolle Strategien für Verhaltensänderungen zu                     ­Damit einher geht das Konzept der Plastizität, das
entwickeln. Durch eine Stärkung der Gesundheits-                       besagt, dass Verhaltensänderungen bis ins hohe
kompetenz unterstützen beratende Fachpersonen                          Alter ­möglich sind» (Dellenbach & Angst, 2011).
ältere Personen und betreuende Angehörige dabei,

    Zielsetzungen der Gesundheitsberatung im Alter

    • Information: Am Ende der Gesundheitsbe­ratung                Sie verfügt über Strategien, die an ihre spezifi-
      verfügt die beratene Person über ­vertieftes                 schen Bedürfnisse und ihre Situation angepasst
      ­Wissen und Verständnis zu Gesundheitsaspek-                 sind. Sie fühlt sich in der Lage, diese umzu­
       ten (präventive und gesundheitsförderliche                  setzen.
       ­A spekte), die für sie relevant sind.                    • Unterstützung, Vernetzung und Vermittlung
    • Motivation: Am Ende der Gesundheitsberatung                  von Folgeangeboten: Im Rahmen der Beratung
        ist die Motivation der beratenen Person ge-                erhält die beratene Person die benötigte
        stärkt, gesundheitsförderndes Verhalten beizu-             Unterstützung und kennt Möglichkeiten und
        behalten oder zu stärken und Gesundheits­-                 Kontaktadressen für relevante Folgean-
        risiken zu minimieren. Sie setzt sich konkrete             gebote (z. B. Sozialberatung; Veranstaltungen
        Handlungs- bzw. Veränderungsziele.                         und Kurse; Angebote von Pro Senectute,
    • Empowerment/Befähigung: Am Ende der Ge-                      Spitex, Seniorinnen- und Seniorenorganisa­
        sundheitsberatung erkennt die beratene                     tionen, Hausärztinnen und -ärzte, Fach­
        Person allfällige Zusammenhänge zwischen ih-               organisationen, Freiwilligenorganisationen).
        rem Verhalten im Alltag und ihrer Gesundheit.
Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter 9

Teil I: Grundlagen

3	Konzeptioneller Rahmen für die
   ­Gesundheitsberatung im Alter
3.1   Das Konzept im Überblick                                Ort der Beratung: Die Beratung erfolgt in der Regel
                                                              aufsuchend zu Hause bei der betroffenen Person
Die kostenlose, individuelle Gesundheitsberatung              (Bring-Struktur). Sie kann aber auch an einem
(manchmal synonym als präventive Hausbesuche                  ­neutralen Ort nach Wahl der beratenen Person (z. B.
bezeichnet) ist ein niederschwelliger und wirksa-              in einem Restaurant), in einer Beratungsstelle oder
mer Ansatz der Gesundheitsförderung im Alter. Die              telefonisch/elektronisch erfolgen. Der Ort und die
Gesundheitsberatung ist Bestandteil der Angebote               Struktur der Beratung richten sich nach den Be-
einer gemeinwesenorientierten Gesundheitsförde-                dürfnissen der älteren Menschen.
rung im Alter (Gebert, 2012). Sie basiert auf einem
definierten Beratungskonzept, ist jedoch in der Um-           Themen: Die Bedürfnisse der beratenen Person
setzung stark von den Bedürfnissen der beratenen              stehen bei der Beratung im Mittelpunkt. In der
Person geprägt. Individuelle Beratung kann als Ein-           ­Praxis findet deshalb im Sinne einer ganzheitlichen
zelberatung oder Paarberatung angeboten werden.                Beratung eine Verknüpfung verschiedener Themen-
Sie umfasst in der Regel eine bis zehn Beratungs­              bereiche statt. Im Zentrum stehen die Gesundheits-
sequenzen von einer halben bis zu anderthalb Stun-             aspekte. Diese können, je nach Bedarf, zum Beispiel
den Dauer. Wenn dies nicht ausreicht, geht die Bera-           durch Beratung in den Bereichen Wohnen, Aktivitä-
tung über in eine therapeutische, pflegerische oder            ten und Freizeit, Mobilität oder soziale Beziehungen
soziale Betreuung.                                             ergänzt werden.
                                                               Eine Liste mit möglichen Beratungsthemen findet
                                                               sich in → Tool 11. Finanzielle, versicherungstechni-
ABBILDUNG 2                                                   sche und rechtliche Fragen können am Rande the-
                                                              matisiert werden, übersteigen jedoch den Rahmen
Themenbereiche der Gesundheitsberatung im Alter               einer Gesundheitsberatung. Im Bedarfsfall ist auf
                                                              die Sozialberatung und andere dafür spezialisierte
                                                              Stellen zu verweisen.
                      Psychische
                     und physische                            Zielgruppen: Weil die Beratung relativ zeit- und
                      Gesundheit                              ­ressourcenaufwendig ist, soll sie vor allem Men-
                                                               schen zugute kommen, die unter erschwerten Be-
                                                               dingungen zu Hause leben und für die es schwierig
    Soziale                                Aktivitäten         ist, andere Angebote der Gesundheitsförderung zu
  Beziehungen                              und Freizeit
                     Gesundheits­-                             nutzen. Das Angebot der aufsuchenden Beratung
                       beratung                                richtet sich primär an ältere Menschen, die zu Hau-
                       im Alter
                                                               se leben, nicht regelmässig durch eine diplomierte
                                                               Pflegefachperson betreut werden und einer tieferen
                                                               sozioökonomischen und bildungsfernen Gruppe an-
                                                               gehören. Zielgruppe sind aber auch Menschen mit
            Wohnen                   Mobilität
                                                               chronischen Krankheiten (physisch und psychisch)
                                                               oder mit Mobilitätseinschränkungen sowie Men-
                                                               schen, die sich in einer Gruppe unwohl fühlen. Zu-
                                                               dem können auch betreuende Angehörige beraten
                                                               werden. Das Beratungsangebot richtet sich nach
10   Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter

der Diversität der Zielgruppe. Für ältere Personen              Kosten: Die Beratung sollte kostenlos angeboten
aus der Migrationsbevölkerung mit Sprachbarrieren               werden. Der Materialaufwand ist für Anbieterorga-
kann zum Beispiel ein sprachliches Matching der                 nisationen gering, der Personalaufwand hingegen
aufsuchenden Person mit der ratsuchenden Person                 sehr hoch. Die Beratenden müssen über hohe fach-
den Zugang erleichtern.                                         liche und soziale Kompetenzen verfügen und der
                                                                Aufwand für Weiterbildung, Intervision und Super-
Zugang: Die genannten Zielgruppen sind oft schwie-              vision ist beträchtlich. Weitere Informationen zu den
rig zu erreichen. Die Bewerbung des Beratungs-                  Kosten der Beratung finden sich in → Tool 1.
angebots erfolgt deshalb über die direkte Anschrift
→ Tool 2, persönliche Anmeldung bei einem Kurs                  Programmatische Einbettung des Angebots: Auf-
oder einer Veranstaltung oder über Kontakte von                 grund der Erfahrungen in verschiedenen Kantonen
Partnerorganisationen, betreuenden Ärztinnen und                empfiehlt es sich, eine aufsuchende Beratung erst
Ärzten, Vertrauenspersonen usw.                                 einzuführen, wenn ein Gesundheitsförderungspro-
                                                                gramm für ältere Menschen etabliert ist. Ein sol-
Beratungsformen: Während die Erstberatung in                    ches schafft die nötige Glaubwürdigkeit und das
aller Regel aufsuchend zu Hause stattfindet, können             Vertrauen in die Beratung. Ausserdem ist so die
Folgeberatungen sowohl aufsuchend als auch tele-                Vernetzung unter verschiedenen Akteurinnen und
fonisch erfolgen. In Anbetracht der zunehmenden                 Akteuren sichergestellt, welche ältere Menschen
Computerkenntnisse der Personen ab 65 Jahren                    auf die Beratungsdienstleistungen aufmerksam
werden Folgeberatungen teilweise auch per E-Mail                machen können. Ist diese Voraussetzung gegeben,
angeboten und von älteren Menschen oder Ange­                   stellt die individuelle Beratung eine wertvolle ­Er-
hörigen genutzt. Es ist davon auszugehen, dass                  gänzung zu Veranstaltungen, Kursen und weiteren
Angebote, die während der durch die Covid-19-­                  Massnahmen der Informationsvermittlung im Rah-
Pandemie bedingten ausserordentlichen Lage ent-                 men des Programms dar. Die aufsuchende, indivi-
wickelt wurden, künftig vielerorts als Bestandteil              duelle ­Beratung hat sich in der Praxis bewährt, um
des regulären Angebots weitergeführt werden, um                 schwer erreichbare Menschen und Menschen mit
ältere Menschen zu Hause zu erreichen.                          Benachteiligungen zu unterstützen.
Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter 11

3.2    Die Beratenden                                            len. Das Stufenmodell in Abbildung 3 wurde in An-
                                                                 lehnung an das transtheoretische Modell von Pro-
 Die Beratung erfolgt durch Fachpersonen einer                   chaska et al. (1983 und 1992) entwickelt.
 Institution, welche bei der Zielgruppe hohes An­
 ­                                                               Fachpersonen, die Gesundheitsberatung für ältere
 sehen und Vertrauen geniesst. Das Beratungs­                    Menschen anbieten, verstehen deren Lebensreali-
 angebot passt zum Leitbild und dem Auftrag der                  täten und richten ihre Beratung nach der Lebens-
­Institution.                                                    welt der beratenen Person aus. Sie weisen eine
                                                                 hohe Sensibilität gegenüber den eigenen Altersbil-
Qualifikationen und Kompetenzen                                  dern auf und setzen sich mit diesen auseinander. Sie
der Beratenden                                                   verfügen über gerontologische Kenntnisse, eignen
Die beratende Fachperson verfügt in der Regel über               sich geragogisches1 Fachwissen an und kennen die
eine Grundausbildung in der Pflege sowie einer Wei-              zielgruppenspezifischen Rahmenbedingungen, wel-
terbildung (z. B. eine Nachdiplomausbildung in Ge-               che älteren Menschen das Lernen erleichtern.
sundheitsförderung und Prävention, Weiterbildung                 Beratende Fachpersonen bringen fundierte Kennt-
in Gerontologie, Case Management, Erwachsenen-                   nisse und Erfahrungen im Bereich der motivieren-
bildung). Zudem sollte sie eine angemessene aufga-               den Gesprächsführung sowie der Beratungsmetho-
benbezogene Schulung erhalten.                                   den und -techniken mit.2 Sie kennen die Prinzipien
Personen, welche Gesundheitsberatung im Alter                    der systemischen Beratung und arbeiten mit lö-
anbieten, sollten auf ein breites Fachwissen zurück-             sungsorientierten Ansätzen. Vor allem aber sind sie
greifen können. Von zentraler Bedeutung für die                  in der Lage, eine tragfähige Beziehung aufzubauen
­Gesundheitsberatung ist ein fundiertes Verständnis              zu den älteren Menschen, die sie beraten, und ver­
 des Prozesses einer Verhaltensänderung. Dazu                    fügen über die hierfür nötige Empathie, Toleranz,
 existiert eine Vielfalt von wissenschaftlichen Model-           Authentizität und Akzeptanz.

ABBILDUNG 3

Stufen der Verhaltensänderung

                                                                                                      Ich behalte es bei

                                                                                        Ich hab’s geschafft

                                                                           Ich kann’s

                                                           Ich probier’s

                                              Wie mache ich’s

                                   Ich will

                  Ich kann nicht

 Ich will nicht

Quelle: in Anlehnung an das transtheoretische Modell von Prochaska et al. (1983 und 1992)

1 Geragogik versteht sich nach Bubolz (2010) als die Pädagogik des alternden und alten Menschen.
2 Die Studie «Beratung, Veranstaltungen und Kurse» (Dellenbach & Angst, 2011) führt die theoretischen Grundlagen der
   Didaktik und Methodik der Beratung weiter aus.
12   Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter

Die Beratenden verfügen über fundierte Kenntnisse               3.3   Ablauf und Formen der Beratung
der lokalen, regionalen und kantonalen Dienst­
leistungsangebote. Falls sie mit Personen aus der               Rekrutierung
Migrationsbevölkerung arbeiten, verfügen sie zudem              Ältere Menschen und betreuende Angehörige kön-
über die notwendige transkulturelle Kompetenz.                  nen im Rahmen von Veranstaltungen und Kursen
                                                                oder durch die Sozialdienste und -beratung, Partner­
Rollen der Beratenden                                           organisationen, Hausärztinnen und -ärzte oder An-
Fachpersonen können in der Beratung verschiedene                gehörige über das Angebot der individuellen Ge-
Rollen einnehmen (siehe Tabelle 1). Insbesondere                sundheitsberatung informiert werden. Es ist deshalb
unterstützen sie ältere Menschen und betreuende                 von zentraler Bedeutung, dass Schlüsselpersonen
Angehörige bei folgenden Prozessen (Cloetta &                   und Stellen mit Kontakten zur Zielgruppe das Ange-
Bolliger, 1998):                                                bot kennen und vermitteln helfen. Damit möglichst
• Informationen erwerben                                        auch schwer erreichbare ältere Menschen Kenntnis
• Fragen und Unsicherheiten klären                              vom kostenlosen Angebot erhalten, werden syste-
• Meinungen und Einstellungen überprüfen                        matisch alle Einwohnerinnen und Einwohner eines
• Erfahrungen bezüglich Verhaltensänderungen                    definierten Jahrgangs angeschrieben. Bewährt hat
  verarbeiten                                                   sich der Versand eines Gesundheitsfragebogens,
• Positive Ansätze und Ziele finden                             den ältere Personen im Selbsttest ausfüllen kön-
• Handlungen planen und ausführen                               nen. Dabei ist generell auf eine gut verständliche,
• Neue Fertigkeiten erlernen                                    einfache Sprache zu achten.
• Durchhalten von positiven Ansätzen bestätigen

TABELLE 1

Mögliche Rollen der Beratenden

Rollen                   Mögliches Verhalten

Beobachter_in            • wirft Fragen auf, die zum Nach­denken anregen                                    nicht direktiv
                         • stimuliert Reflexion
                         • gibt keine Empfeh­lungen ab
Prozessmoderator_in      • lässt die beratende Person selbst Lösungen finden
                         • greift – wenn nötig – unterstützend ein
                         • gibt Feedback
Rechercheur_in           • sammelt wichtige Aspekte und Informationen, fasst zusammen
                         • regt dazu an, Aspekte und Informationen zu überdenken und zu interpretieren
                         • zeigt Verbindungen auf oder regt die beratene Person an, selbst solche
                           Verbindungen zu er­kennen
Coach                    • sucht nach Alternativen und Ressourcen, hilft bei der Bewertung
                         • schlägt Alternativen vor
                         • hilft, zu einer Entscheidung zu kommen
Trainer_in               • übt mit der beratenen Person Verhaltensänderungen ein
                           (z. B. Anleitung zum Muskelaufbau)
                         • leitet Schritt für Schritt an
Expert_in                • schlägt aufgrund ihres Wissens eine bestimmte Verhaltens­weise vor
                           und gibt praktische Anweisungen (z. B. Digoxinüberdosierung
                           durch falsche Einnahme)
Advokat_in               • stellt Regeln auf und bestimmt Methoden                                             direktiv
                         • steuert den Prozess

Quelle: H. Schmocker, ZiA-Handbuch
Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter 13

 Tipps aus der Praxis                                           Weitere Informationen zum praktischen Vorgehen
 Es ist zu empfehlen, das Begleitschreiben von                  in diesem Schritt, relevante Lernerfahrungen so-
 einer Seniorinnen- und Seniorenorganisation er-                wie konkrete Anwendungsbeispiele finden sich in
 stellen und v­ erschicken zu lassen. Die Erfahrung             → Tool 2.
 zeigt, dass Briefe von der Gemeindebe­hörde bei
 einigen ä ­ lteren Personen Misstrauen auslösen                Phasen und Schritte des Beratungsgesprächs
 können. Für den Versand eines Begleitbriefs kann               In Abbildung 4 werden die drei Phasen der Beratung
 in ­kleineren Gemeinden die Emp­fehlung der                    (Vorbereitung, Durchführung, Nachbereitung) in
 ­Hausärztinnen und -ärzte mit deren Unterschrift               einem Flussdiagramm summarisch dargestellt. Zu
  hilfreich sein. Bei kantonalen Versänden be-                  den einzelnen Schritten finden sich Hinweise auf
  währt sich ein Vermerk mit Logo, zum Beispiel                 weiterführende Tools, welche Hilfestellung für die
  «unterstützt von der Ärztegesellschaft …».                    Umsetzung in der Praxis bieten. Der Ablauf wird
                                                                flexibel auf die Situation und die Bedürfnisse der
 Rücklauf: Die Erfahrung zeigt, dass – abhängig                 ­beratenen Person angepasst.
 von der Zielgruppe – bis zu 25 Prozent der an-                  Die jeweiligen Schritte werden in → Tool 1 detail-
 geschriebenen Personen Interesse an einer Ge-                   liert ausgeführt.
 sundheitsberatung anmelden. Des Weiteren
 hat sich erwiesen, dass insbesondere hochaltrige               Erstberatung
 Personen für die Gesundheitsberatung zu-                       Die Erstberatung dauert zwischen 60 und 90 Minu-
 gänglich und bereit sind, Verhaltensänderungen                 ten, um die beratene Person nicht zu ermüden. Sie
 umzusetzen. Dies hat auch mit der Häufigkeit                   beinhaltet eine Standortbestimmung mithilfe eines
 der oft in dieser Lebensphase erstmals auftreten­              multidimensionalen Assessments. Dafür stehen ein
 den altersbedingten Einschränkungen zu tun.                    Screening-Instrument → Tool 3 und diverse As-

ABBILDUNG 4

Phasen, Schritte und Hilfsmittel für das Beratungsgespräch

                                   Durchführungsphase
                                   Einleitung*
                                   • Kontaktaufnahme
                                   • A blauf und Rahmen der Beratung klären
                                      – Infoblatt Datenschutz → Tool 9
                                   Exploration
                                   • Ausgangssituation darstellen                Nachbereitungsphase
                                   • Ist-Zustand analysieren                     • Reflexion
                                     – Screening-Instrument → Tool 3             • Dokumentation
    Vorbereitungsphase             • Bei Bedarf vertiefendes Assessment,           – Falldokumentation
    • Erstkontakt                    evtl. in Folgeberatung                          → Tool 11
      (in der Regel telefonisch)     – Sturzrisiko → Tool 4a und Tool 4b           – Verlaufsprotokoll
    • Beratungsrahmen                – Depression → Tool 5                           → Tool 12
      vereinbaren                    – Demenz → Tool 6 und Tool 7                • Aufgaben und
    • Beratungsgespräch              – Mangelernährung → Tool 7                    Information
      vorbereiten                    – Alkoholkonsum → Tool 8                      – Information an Dritte
                                   • Bedürfnisse und Bedarf klären                   → Tool 13
                                                                                 • Folgeberatungs­
                                   Konstruktion                                    gespräche vorbereiten
                                   • Reflexion
                                   • Lösungsansätze suchen und bewerten
                                   Contracting
                                   • Ziele setzen und weitere Schritte klären
                                                                                * Die Schritte der Durchführungsphase
                                   Abschluss
                                                                                   folgen der «Technik der Gesprächs­
                                   • Gesprächsabschluss
                                                                                   führung» (Pantucek, 1998, S. 3)
14   Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter

 Tipp aus der Praxis: Betreuende Angehörige ­miteinbeziehen

 Bei der Erstberatung sollte eruiert werden, ob die             Weiterführende Informationen und praktische
 ältere Person Unterstützung von betreuenden                    Hilfsmittel von Gesundheitsförderung Schweiz
 Angehörigen erhält. Die beratende Fachperson                   zur Gesundheitsförderung von betreuenden An­
 klärt, von wem die Betreuung geleistet wird, und               gehörigen sind:
 erfasst die Betreuungsintensität. Bleibt der                   • «Förderung der psychischen Gesundheit von
 Unterstützungsbedarf über längere Zeit hoch, ist                 betreuenden Angehörigen älterer Menschen.
 die Belastung insbesondere für im gleichen                       Eine Orientierungshilfe für die Gesundheits-
 Haushalt lebende Angehörige oft sehr hoch. Wird                  förderung im Alter»
 die Situation subjektiv als schwere Belastung                  • Infoblatt Sammlung von kommuni­kativen Hilfs-
 ­erlebt, kann der resultierende chronische Stress                mitteln zur Förderung der psychischen
  zu einer psychischen und/oder körperlichen                      Gesundheit von betreuen­den Angehörigen
  ­gesundheitlichen Gefährdung der betreuenden                    älterer Menschen
   Angehörigen führen. Die beratende Fachperson                 • Förderung der psychischen Gesundheit von
   kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten,                     betreuenden Angehörigen älterer Menschen:
   ­r iskante Entwicklungen frühzeitig zu erkennen                Modelle guter Praxis
    und p­ assende Angebote zu vermitteln. Die Ge-
 sundheitsförderung von betreuenden Angehörigen                 Hier finden Sie hilfreiche Praxisimpulse aus dem
 ist wichtig, denn von ihrer Gesundheit hängt oft               Förderprogramm «Entlastungsangebote für
 ab, wie lange ältere und unterstützungsbedürftige              ­betreuende Angehörige 2017–2020» des BAG:
 Menschen zu Hause leben können. Oft sind An­                   • Unterstützung und Entlastung betreuender
 gehörige jedoch derart fokussiert auf die Bedürf-                 Angehöriger – Impulse für Kantone und
 nisse der unterstützungsbedürftigen Person,                       Gemeinden
 dass sie ihre eigenen Bedürfnisse und Möglich-                 • Zusammenarbeit mit betreuenden Angehörigen
 keiten zur Förderung ihrer Gesundheit nicht                       – Impulse für Bildungsverantwortliche sowie
 wahrnehmen. Viele von ihnen kommen selten aus                     Führungs- und Fachpersonen aus den Bereichen
 dem Haus und haben nicht die Möglichkeit, die                     Pflege und Sozialarbeit
 betreute Person alleine zu lassen und Angebote                 • Instrument zur Früherkennung des Entlastungs­
 zur Förderung ihrer eigenen Gesundheit zu nut-                    bedarfs bei betreuenden Angehörigen in der
 zen. Die beratende Fachperson hat durch das auf-                  ärztlichen Praxis
 suchende Angebot Zugang zu den betreuenden
 Angehörigen und kann sie in der Wahrnehmung
 und Formulierung ihrer eigenen gesundheit-
 lichen Bedürfnisse unterstützen. Sie erfasst ihre
 Situation und kann ihnen bei Bedarf ein eigenes
 Assessment anbieten.

sessment-Tools → Tools 4, 5, 6, 7, 8 zur Verfügung.             ratene Person darauf hingewiesen, dass zwischen
Bei sehr komplexen Situationen kann der Erstbe-                 den vereinbarten Be­r atungsterminen jederzeit auch
such vorwiegend der Vertrauensbildung dienen. Das               ein telefonischer Kontakt möglich ist.
Screening, weitere Assessments und die eigentliche              Der «Leitfaden Ablauf Gesundheitsberatung»
Beratung können auf einen Folge­besuch verschoben               → Tool 1 erläutert im Detail, woran bei einem Erst-
werden. Bei jedem Beratungsgespräch wird die be-                gespräch zu denken ist.
Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter 15

Folgeberatungen                                                  Fachperson sich einen Überblick über die Lebens-
Eine Gesundheitsberatung ist zeitlich befristet und              umstände der zu beratenden Person(en) erarbeitet
umfasst wenige Treffen (eine bis zehn Sitzungen).                hat. Ein telefonisches Beratungsgespräch kann je
Eine einmalige Beratung kann ausreichen, meist                   nach Fragestellung einen dem Beratungsbesuch
braucht es jedoch Folgeangebote in Form von                      ähnlichen Ablauf haben oder sich nur auf spezifi-
weiteren Besuchen oder Telefonaten. Falls sich                   sche Themen und Problemstellungen fokussieren.
die Gesundheitsberatung über mehrere Monate er-                  Telefonische Beratungen sind angebracht:
streckt, sollte periodisch geprüft werden, ob Teil-              • wenn die beratenen Personen aus verschiedenen
bereiche des Assessments zu wiederholen sind, um                   Gründen keinen Besuch wünschen,
die aktuelle Situation abzubilden. Folge­beratungen              • wenn gesetzte Ziele durch Motivation und externe
werden je nach Bedarf und Fragestellung angesetzt                  Begleitung unterstützt werden können,
und den inhaltlichen Zielsetzungen angepasst. Ihre               • für Verlaufskontrollen,
Dauer richtet sich nach der Situa­tion, wird in der              • um aktuelle Fragen zu klären,
­Regel jedoch auf eine Stunde begrenzt.                          • aus Gründen der Effizienz (z. B. langer Anfahrts-
 Die Phasen und Schritte des Beratungsgesprächs                    weg) als Ersatz für einen Hausbesuch.
 werden in der Folgeberatung sinngemäss und
 selektiv durchschritten. Die beratende Fachperson               Materialien für die Beratung
 erkundigt sich jeweils nach speziellen gesundheits-             Die beratende Fachperson kennt die für ältere Per-
 relevanten Vorfällen seit der letzten Begegnung.                sonen geeigneten Ressourcen und Materialien. Es
 Gemeinsam werden Fortschritte und Schwierig­                    hat sich bewährt, eine Liste mit geeigneten Bera-
 keiten bezüglich der gesetzten Veränderungsziele                tungsmaterialien zusammenzustellen. Dabei soll
 diskutiert und Lösungsansätze ausgearbeitet. Bei                möglichst auf verfügbare regionale Ressourcen,
 Bedarf werden in der Folgeberatung das Assess-                  Flyer, Broschüren usw. zurückgegriffen werden.
 ment ergänzt und weitere Themen angeschnitten.
 Die Frequenz der Folgeberatungen wird mit der                    Tipp aus der Praxis
 ­älteren Person und, wo relevant, auch mit den An­               Verschiedene Organisationen arbeiten erfolg-
  gehörigen abgestimmt. Sie richtet sich nach den                 reich mit einem Beratungskoffer, der ver-
  ­Gesundheitsrisiken und dem Unterstützungsbedarf                schiedene Broschüren zum Abgeben und Muster
   der älteren Person.                                            zur Demonstration enthält (z. B. Antirutsch-
                                                                  streifen für Treppen, Teppichklebeband und
Telefonberatung                                                   -gleitschutz, Hüftprotektorenhosen, Noppen-
Abgesehen vom Erstkontakt findet eine Telefon­                    socken, Nachtlicht, Bewegungsmelder,
beratung in der Regel erst nach einer erfolgten per-              bfu-Balance-Discs).
sönlichen Begegnung statt, nachdem die beratende

TABELLE 2

Frequenz der Folgeberatungen

Gesundheitliche Risiken der älteren
Personen oder be­treuenden Angehörigen           Frequenz der Folgeangebote
                                                 Engmaschige Telefonate und Beratungsbesuche;
Hoch
                                                 bei Bedarf Überweisung an spezialisierte Stelle (z. B. Spitex)
Mittel                                           Folgebesuch nach ca. 3 Monaten
                                                 Folgebesuch nach ca. 6 Monaten; evtl. ergänzt durch Motivations-
Gering
                                                 Telefonate zur Unterstützung der gesetzten Ziele
16   Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter

3.4	Menschen mit spezifischen Bedürfnissen                     Tiefer sozioökonomischer Status
     und schwer erreichbare Zielgruppen                         Mit Personen in sozial und ökonomisch schwierigen
                                                                Situationen wird gemeinsam entschieden, ob häufi-
Die unterschiedlichen Lebensbedingungen von älte-               gere Beratungsbesuche angezeigt sind oder eine
ren Menschen und betreuenden Angehörigen sind                   Überweisung an die Sozialberatung.
im Beratungsangebot zu berücksichtigen. Die Bera-
tung erfolgt bedürfnisorientiert und berücksichtigt              Tipps aus der Praxis: Beratung bei Menschen
allfällige körperliche und funktionelle Einschrän-               mit tiefem sozioökonomischem Status
kungen der Person wie eingeschränkte Mobilität                   (nach Bonsack, 2007)
oder kognitive Beeinträchtigung. Eine für die Bera-              • Für den Vertrauensaufbau ist mehr Zeit
tung schwer erreichbare Zielgruppe können auch be-                 einzurechnen.
treuende Angehörige sein, die selbst hochaltrig sind.            • Wahrgenommene Machtunterschiede sollen
Hier kann eine enge Kooperation mit der Spitex zur                 bewusst abgebaut und die Wertschätzung
Identifikation von älteren betreuenden Angehörigen                 deutlich gemacht werden.
mit Bedarf für eine Gesundheitsberatung helfen.                  • Mit dem gewonnenen Vertrauen ist sorgsam
Für schwer erreichbare Zielgruppen bieten sich                     umzugehen; es sind Zeichen der Verbindlich-
aufsuchende Beratungsangebote an.                                  keit zu geben, ohne Abhängigkeit zu schaffen.
Eine höhere Besuchsfrequenz ist insbesondere bei                 • Besuche müssen besonders klar strukturiert
Immobilität, Demenzverdacht oder Sturzgefahr an-                   sein; immer wieder Orientierungen geben,
gezeigt. Bei diesen Menschen kann durch gezielte                   ­worum es genau geht; rasch zu konkreten
Präventionsmassnahmen eine vorzeitige Pflege­                       Abmachungen kommen.
abhängigkeit vermieden oder zumindest hinausge-                  • Sprache, Form und Inhalt müssen dem Gegen-
zögert werden.                                                      über angepasst sein; echtes Interesse und
                                                                    Verständnis für die sozioökonomische Lage
 Tipp aus der Praxis                                                sind wichtig.
 Bei Menschen mit Verdacht auf Demenz hat
 es sich bewährt, die Beratungsgespräche auf
 den späten Vormittag anzusetzen.
Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter 17

Gender                                                       Neuere Forschungen schärfen unser Bewusst-
Männer und Frauen haben teilweise unterschiedliche           sein dafür, dass Menschen aufgrund ihrer sexuellen
Bedürfnisse im Hinblick auf ihre gesundheitliche             Orientierung (schwul, lesbisch, bisexuell usw.) und/
Lebenssituation. Unterschiede können sich auf bio-           oder Transmenschen/intergeschlechtliche Men-
logische Eigenschaften (z. B. Lebenserwartung, In-           schen sozial benachteiligt sein können. Auch diese
kontinenzprobleme, körperliche Leistungsfähigkeit,           Benachteiligung kann sich in mehr gesundheitlichen
Medikamentenwirkung, Krankheitsspektrum) oder                Belastungen widerspiegeln und den Zugang zu
soziale Dimensionen (z. B. betreuende Angehörige,            Angeboten der Gesundheitsförderung und Gesund-
Hilfsbedürftigkeit für Alltagsverrichtungen) bezie-          heitsversorgung erschweren (z. B. aufgrund von
hen. Für die Gesundheitsberatung jedoch besonders            Stigmatisierung).
wichtig sind genderspezifische Unterschiede im
Gesundheitsbewusstsein, im Gesundheitsverhalten               Tipp aus der Praxis
und in der Krankheitsbewältigung. Frauen nutzen               In der Praxis sind die meisten Fachpersonen,
die Vorsorge- und Versorgungsangebote des Ge-                 die Gesundheitsberatung im Alter anbieten,
sundheitssystems generell eher, Männer nehmen                 Frauen. Zwar wäre es wünschenswert, zukünftig
bei gesundheitlichen Fragen und Problemen tenden-             mehr Männer in den Beratungsteams zu haben,
ziell weniger Beratungen in Anspruch (Höpflinger,             im Praxisalltag hat sich jedoch das Geschlecht
2002). Die unterschiedlichen Zugangsweisen und                der beratenden Person weder für den Zugang zu
-barrieren für Männer und Frauen zur Beratung                 älteren Frauen und Männern noch für die Qua-
müssen im Sinne der Chancengleichheit berück-                 lität der Beratung als relevant erwiesen. Die Er-
sichtigt und in die Strategien zur Rekrutierung der           fahrung zeigt im Gegenteil, dass ältere Männer
Zielgruppe einfliessen. Es ist darauf zu achten,              es oft einfacher finden, mit weib­lichen Beratungs-
über das Angebot der Gesundheitsberatung speziell             personen über ihre Probleme und Schwächen
auch Männer zu erreichen. Weitere Ausführungen                zu sprechen. Wichtiger als das Geschlecht der
finden sich im Leitfaden «Wie erreichen wir Männer            Beratungsperson ist, gendergerecht zu beraten
65+?».                                                        (z. B. Sprache, verwendete Beispiele).
18   Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter

Ältere Menschen aus der Migrationsbevölkerung                   3.5    Qualitätssicherung
Bei älteren Menschen aus der Migrationsbevölke-
rung zeigen sich im Alter oft Langzeitauswirkungen              Angebote der Gesundheitsberatung im Alter er­
von Benachteiligungen in früheren Lebensphasen.                 zielen nur dann ihre optimale Wirkung, wenn sie
Sie leiden, wie andere sozioökonomisch Benachtei-               ­hohen Qualitätsansprüchen genügen. Zur Qualitäts-
ligte, häufiger unter gesundheitlichen Beeinträchti-             sicherung der Angebote und Leistungen stehen ver-
gungen, haben oft weniger Handlungs- und Gesund-                 schiedene Massnahmen zur Verfügung (siehe Abbil-
heitsressourcen sowie höhere Zugangsbarrieren zu                 dung 5).
den bestehenden Angeboten (Soom & Salis Gross,                   Die Beratenden dokumentieren die Beratungskon-
2011). Generell ist die Diversität der Zielgruppe zu             takte und -ergebnisse systematisch. Für die Doku-
berücksichtigen. Zwar stellen sich älteren Men-                  mentation der Gesundheitsberatung stehen ver-
schen aus der Migrationsbevölkerung zum Teil                     schiedene Tools zur Verfügung → Tools 10, 11, 12.
zusätzliche Herausforderungen wie sprachliche
­                                                                Um qualitativ hochstehende Daten für die Auswer-
Barrieren, sie können jedoch oft auf weitere unter-              tung und das Monitoring zu erhalten, ist es wichtig,
stützende Ressourcen zurückgreifen (z. B. Diaspora-­             dass alle in der Beratung Tätigen in der Anwendung
Vereine).                                                        der verschiedenen Tools geschult werden.
In der Arbeit mit älteren Menschen aus der Migra­
tionsbevölkerung hat sich gezeigt, dass diese bes-
ser über aufsuchende Angebote und über Mittlerin-                ABBILDUNG 5
nen bzw. Mittler erreicht werden können. Da das
Anschreiben mit dem Gesundheitsfragebogen aus                   Elemente der Qualitätssicherung für die
organisatorischen Gründen in der Regel nicht in                 Gesundheitsberatung im Alter

­verschiedenen Sprachen verschickt werden kann,
 sind zur gezielten Rekrutierung dieser Zielgruppe                                    Fallbesprechung
 Schlüsselpersonen und -institutionen (wie Organi-                                       mit externen
                                                                                       ­Spezialistinnen
 sationen der Migrationsbevölkerung, Sozialdienste,                                                         Fall-
                                                                                              und
 religiöse Einrichtungen, Hausärztinnen und -ärzte)                                      Spezialisten   besprechung
 über die Angebote zu informieren.                                      Supervision                       im Team,
                                                                                                         Intervision
 Eine migrationssensitive Fachperson sollte sich der
 daraus resultierenden Implikationen für das Bera-
 tungssetting bewusst sein. Die grösste Barriere für
                                                                                      Qualitätssicherung
 eine migrationssensitive Beratung ist die Sprache                    Verlaufs­                               Tandem-
 (Soom & Salis Gross, 2011). Die Beratung sollte des-                 protokoll                               besuche
halb in einer der älteren Person vertrauten Spra-
che oder mit Übersetzung stattfinden.
                                                                                 Fall­             Weiter-
 Bewährte Ansätze und Erfolgskriterien, um die                               dokumentation         bildung
 gesundheitliche Chancengleichheit zu fördern,
 finden sich in Weber (2020) sowie Weber und
 Hösli (2020).
Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter 19

Ethik und Datenschutz                                         unterstützt die ältere Person, sodass diese im Ideal-
Die Beratenden halten sich an die Regeln der Berufs­          fall die Weiterleitung selbst übernehmen kann. Ist
ethik. Sie begegnen den älteren Menschen mit einer            das nicht möglich, holt sie im Rahmen des Be­
achtenden Grundhaltung und schaffen Transparenz               ratungsgesprächs die Einwilligung der beratenen
und Rollenklarheit. Sie respektieren die Persönlich-          Person ein, dies stellvertretend zu übernehmen.
                                                              ­
keitsgrenzen, das Recht auf Selbstverantwortung               Sie hält die Einwilligung in der Falldokumentation
und die Entscheidungsfreiheit der Beratenen.                  schriftlich fest → Tool 11. In der Regel werden die
Die Beratung untersteht der beruflichen Schweige-             Informationen telefonisch übermittelt, wenn mög-
pflicht. Informationen werden vertraulich behandelt           lich in Anwesenheit der be­r atenen Person. Für Fäl-
und für die elektronische Datenerfassung mit einer            le, in denen Informationen schriftlich weiterzuleiten
Fallnummer anonymisiert. Beratende stützen sich               sind (z. B. Hausärztin bzw. -arzt ist nicht erreichbar,
auf das betriebseigene Datenschutzkonzept und die             komplexe Situation usw.), steht eine Vorlage für ein
geltenden gesetzlichen Grundlagen. In der Praxis              Anschreiben an Dritte zur Verfügung → Tool 13.
hat es sich bewährt, den beratenen Personen im
Rahmen des Erstgesprächs ein visiertes Infoblatt               Tipp aus der Praxis
zum Thema Datenschutz abzugeben → Tool 9.                      Die Erfahrung zeigt, dass es nicht sinnvoll ist,
Dieses kann bei Bedarf auch von Angehörigen ein-               das Infoblatt «Datenschutz» oder die Ein­
gesehen werden.                                                willigung zur Weitergabe von Informationen an
                                                               Dritte von den beratenen Personen unter­
Weitergabe von Informationen an Dritte                         zeichnen zu lassen, da dies zu unnötiger Ver­
In gewissen Situationen ist es angezeigt, Informatio-          unsicherung führen kann. Eine mündliche
nen und Erkenntnisse aus dem Beratungsgespräch                 Absprache und Einwilligung genügt für die
an Dritte weiterzuleiten, zum Beispiel an Angehöri-            ­Praxis. Diese soll zum Schutz der beratenden
ge, behandelnde Ärztinnen und Ärzte, die Sozial-                ­Fachperson in der Falldokumentation schrift-
arbeiterin bzw. den Sozialarbeiter, andere Fach-                 lich festgehalten werden.
personen. Die beratende Fachperson motiviert und
20    Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter

3.6     Kooperation und Vernetzung                               Professionelle Kooperationspartnerinnen und
                                                                 -partner für die Gesundheitsberatung im Alter
Die Zusammenarbeit und Vernetzung mit lokalen                    Wichtige Fachorganisationen und -personen, mit
Akteurinnen, Akteuren und Interessengruppen ist                  denen Beratende in der Regel zusammenarbeiten:
wichtig.                                                         • Spitex
Einerseits sollen lokale Organisationen, Institutionen           • Pro Senectute
und Interessengruppen für ältere Menschen und                    • Hausärztinnen und Hausärzte
­betreuende Angehörige proaktiv über das Angebot                 • Spezialärztinnen und Spezialärzte
 der Gesundheitsberatung informiert werden. So                   • Seniorinnen- und Seniorenorganisationen
 können sie zwischen der Zielgruppe und der bera-                • Freiwilligenorganisationen
 tenden Institution vermitteln. Andererseits ist die             • Organisationen der Migrationsbevölkerung
 Gesundheitsberatung keine Fachberatung. Bei spe-                • Integrationsbeauftragte
 zifischen Fragestellungen weisen die Beratenden                 • Vereine (Frauenvereine, Turnvereine, Vereine und
 die beratene Person an andere Spezialistinnen und                 Selbsthilfegruppen von spezifischen Gruppen
 Spezialisten oder Organisationen mit der entspre-                 wie ältere Angehörige oder von älteren LGBTI)
 chenden Fachkompetenz weiter.                                   • Sozialdienste
 Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die verschie-             • Physiotherapie, Ergotherapie, Diabetes- und
 denen Organisationen, Interessengruppen und Ins-                  Ernährungsberatung
 titutionen ihre Beratungsangebote gut aufeinander               • Alzheimervereinigung, Memory Klinik
 abstimmen und sich regelmässig austauschen.                     • Ligen (Lungenliga, Rheumaliga, Parkinson,
                                                                   MS usw.)
 Tipp aus der Praxis                                             • Nichtregierungsorganisationen (SRK, Caritas
 Eine gute Abstimmung ist speziell zwischen der                    usw.)
 Pro Senectute und der Spitex nötig, da sich                     • Hilfsmittelberatung
 die Angebote zum Teil überschneiden. Beim Case                  • Religiöse Gemeinschaften und Institutionen
 Management muss geklärt werden, wer den                           (Kirchgemeinden, Moscheen usw.)
 Lead innehat, um einerseits Versorgungslücken
 und andererseits Überversorgung zu vermeiden.

ABBILDUNG 6

Kooperationslandschaft der Gesundheitsförderung im Alter

        Religiöse Gemeinschaften
                                                            Spitex                                Pro Senectute
             und Institutionen

                                                                                           Hausärztinnen und -ärzte,
           Ligen, NGOs, Vereine
                                                                                           Spezialärzinnen und -ärzte
                                                   Kooperationslandschaft
                                                  der Gesundheitsberatung
          Alzheimervereinigung,                                                        Organisationen der Migrationsbevöl-
              Memory Klinik                                                              kerung, Integrationsbeauftragte

          Physio-/Ergotherapie,
         Diabetes-/Ernährungs-/                         Sozialdienste                              Freiwillige
           Hilfsmittelberatung
Gesundheitsberatung im Alter: Eine Umsetzungshilfe für Akteurinnen und Akteure ­der Gesundheitsförderung im Alter 21

Teil II: Toolsammlung

4	Übersicht über Tools für die
   Gesundheitsberatung im Alter
Der zweite Teil dieser Umsetzungshilfe beinhaltet                                                                             Disclaimer
Tools, welche praktische Hilfsmittel und weiter-                                                                              Die Inhalte wurden im Auftrag von Gesundheits-
führende Informationen für die Gesundheitsbera-                                                                               förderung Schweiz erstellt. Verschiedene Ak­
tung im Alter bieten. Die Tools sind praxiserprobte                                                                           teurinnen und Akteure aus dem Bereich Gesund-
Vorschläge, die je nach Bedarf angepasst werden                                                                               heitsförderung im Alter stellten dafür ihre
können.                                                                                                                       bestehenden Instrumente zur Verfügung. Der
Die folgende Abbildung 7 gibt einen Überblick über                                                                            Inhalt der Toolsammlung unterliegt der re­
die für jede Beratungsphase zur Verfügung stehen-                                                                             daktionellen Verantwortung der Autorinnen der
den Instrumente.                                                                                                              vorliegenden Umsetzungshilfe.

                                                                                                                              Hinweis
                                                                                                                              Alle Tools können auch als Einzeldokumente
                                                                                                                              heruntergeladen werden.

ABBILDUNG 7

Tools für die Beratungsphasen

                                                                                                        Tool 1 Leitfaden Ablauf Gesundheitsberatung im Alter
                                                                          Vorbereitung
                                                                                                        Tool 2 Anschreiben und Versand Gesundheitsfragebogen
  Tools Umsetzungshilfe Gesundheitsberatung im Alter

                                                                                                        Tool 3               Screening-Instrument für Gesundheitsberatungen
                                                                                                          Assessment-Tools

                                                                                                                             Tool 4a   Assessment Sturzrisiko TUG
                                                                                                                             Tool 4b   Assessment Sturzrisiko Verhältnisse
                                                                                                                             Tool 5    Assessment Depression
                                                                         Durchführung
                                                                                                                             Tool 6    Assessment kognitive Dysfunktion/Demenz
                                                                                                                             Tool 7    Assessment Mangelernährung
                                                                                                                             Tool 8    Assessment Alkoholkonsum

                                                                                                        Tool 9 Vorlage Infoblatt Datenschutz
                                                                                                       Dokumentation
                                                                                                       und Monitoring

                                                                                                                             Tool 10 Vorlage Stammdatenblatt
                                                                                                                             Tool 11 Falldokumentation Beratung
                                                                                                                             Tool 12 Verlaufsprotokoll Beratung
                                                                         Nachbereitung

                                                                                                        Tool 13 Vorlage Informationen an Dritte
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