Unerhört - ungerecht! - Glaube Behinderung - Glaube und Behinderung
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2/2021 Glaube und Info Behinderung Unerhört – ungerecht! SEITE 3 – 7 SEITE 8 – 9 SEITE 15 SEITE 17 Rückblick Hartnäckig – gelassen 20 Jahre für die Info-ZS Oasen Familientag und Interview mit Simone Leuenberger Helen Bircher erzählt – Einblicke in Ferienwoche und Markus Fankhauser und verabschiedet sich die Camps in Modawien
Editorial Liebe Leserinnen und Leser Zum Zeitpunkt, da ich dieses Editorial schreibe, finden etliche Diskussionen über die Abstimmung «Ehe für alle» statt. Die verschiedenen Gruppen setzen sich unermüdlich Nachruf von Ruth Bai-Pfeifer für ihren Standpunkt ein. Wenn ich mitdiskutiere, dann geht es mir jeweils nicht ums Christine Penticost-Räber Polarisieren, sondern darum gehört zu werden. Wo will ich gehört werden? Und wo 10. Januar 1961 bis 10. April 2021 kann ich mich für meinen Glauben stark machen, wenn die Abstimmungen vorbei sind? Habe ich den Mut dazu? Diese Fragen bewegen mich immer wieder, wenn ich Christine starb nach einem kurzen Krebsleiden. Menschen auf der Strasse sehe, die sich für eine Sache einsetzen. Es beschämt mich, Glaube und Behinderung war für Christine im- dass ich manchmal keine Lust oder Zeit habe für ein ausgiebiges Gespräch, wenn ich mer wichtig. Solange sie in der Schweiz lebte, unterwegs bin. nahm sie regelmässig an unseren Veranstaltun- gen teil und arbeitete gerne im Weekend mit. Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass es viele Gelegenheiten gibt, von mei- nem Glauben zu sprechen. Ich reite zum Beispiel regelmässig mit einer jungen Frau Das Leben war nicht immer einfach für Christine. aus. Sie steht mitten im Abschluss ihrer Matur. Es ist interessant, mit ihr zu diskutieren. Sie wurde mit Spina Bifida geboren. Später lernte Sie stellt mir immer wieder Fragen über den Glauben. Ich bin eher der Typ, der Ge- sie bei GuB ihren ersten Mann Roger Kopf ken- spräche unter vier Augen liebt. So kann ich meine Meinung besser darlegen, als wenn nen. Nach acht Jahren starb er an Krebs. Einige ich auf der Strasse Menschen anspreche, die mir vielleicht gar nicht zuhören wollen. Zeit später heiratete sie Alan und zog nach Eng- land. Trotzdem reisten sie regelmässig extra für Wie geht es dir? Bist du gern im Gespräch mit deinen Freunden und Nachbarn? das GuB-Weekend in die Schweiz. Der Glaube an Gott half Christine, auch in den letzten Wo- Ich staune immer wieder, wie sich Gott Zeit nimmt und mir zuhört, wenn ich zu chen tapfer und voller Zuversicht ihr Leiden zu ihm bete. In den letzten Monaten erlebten wir als Familie Freud und Leid sehr nahe ertragen, im festen Wissen, dass es in der Ewig- beieinander. Es brauchte viel Zeit für Gespräche um sich zu freuen, aber auch um keit bei Jesus keinen Schmerz mehr gibt. Wir sind zu trauern. dankbar, Christine gekannt zu haben und wün- schen ihrem Mann Alan sowie ihren Geschwis- Ich habe schon mehrmals erlebt, dass ich in meinem Umfeld nicht gehört worden bin, tern Gottes Trost und Kraft. aber Gott hat jederzeit ein offenes Ohr für mich – und genauso für dich! Susanne Furrer 2 Glaube und Behinderung | Info 2/2021
RÜCKBLICK Ihr seid meine Familie! Ferienwoche in Interlaken vom 17. bis 24. Juli VON MARKUS ZUBERBÜHLER Am letzten Abend der Ferienwoche in In- Woche lautete: «Geliebt, gefordert, ge- Beispiel zeigt sich, dass Gott uns nach un- terlaken trifft sich die bunt gemischte sandt». Bereits in der Andacht vom Sonn- serer Bedürftigkeit Gnade erweist und Gruppe aus allen Teilen der Deutsch- tagmorgen durften wir uns neu bewusst nicht nach unserer Leistung. Und ganz schweiz noch einmal im Saal des Hotel Ar- werden, was es heisst, von Gott geliebt wichtig: Erfahrene Gnade lässt sich nicht tos. Nach zwei Lobpreisliedern lädt Simone zu sein. Anhand des Gleichnisses der bei- zurückbezahlen, sondern kann nur eimer- uns zu einer Art Zeugnisrunde ein um zu den verlorenen Söhne zeigte uns Chris- weise weitergegeben werden. berichten, was wir in dieser Woche mitei- toph auf, dass wir nicht aufgrund von un- nander und mit Gott erlebt haben. Unter serer Leistung geliebt sind, sondern weil Persönliche Gespräche mit Tiefgang den vielen schönen und berührenden Bei- wir mit Gott Gemeinschaft haben. Gottes Was unsere Ferienwochen von anderen trägen trifft vor allem diese Aussage mitten Liebe ist zudem reine Gnade und nicht Ferien unterscheidet, sind die vielen Mög- in unsere Herzen: «Ich habe diese Woche in die Folge unseres moralisch einwand- lichkeiten für einen persönlichen und auch Interlaken mit euch so sehr genossen; denn freien Lebens. Und schliesslich ist Gott ein offenen Austausch über die Herausforde- ihr seid meine Familie!» Und so empfinden grosszügiger Gott, der uns an seiner Fülle rungen des Lebens. Sei dies in den offizi- wohl noch andere im Saal. Doch wie wurde Anteil haben lässt. ellen aber freiwilligen Gesprächsgruppen unsere traditionelle Ferienwoche auf ein- In einer weiteren Andacht zeigte uns nach den Andachten oder bei anderen mal zu Familienferien? Andreas aufgrund des Gleichnisses der sich bietenden Gelegenheiten im Verlauf Taglöhner im Rebberg (Mt 20,1–16) auf, der Woche. Neben Seelsorgegesprächen Herausfordernde und dass Gnade oft unfair erscheint. Auch jene mit ausgebildeten Gesprächspartnerinnen mutmachende Andachten Arbeiter, die erst um fünf Uhr eingestellt und -partnern ist es für unsere Feriengäste Jeden Tag kamen wir in den Genuss ei- wurden, erhielten den vollen Lohn von ei- ein grosses Plus, mit Menschen austau- ner Andacht von einem unserer beiden nem Denar. Dies ist übrigens auch der Be- schen zu können, die Ähnliches erleben Theologen Christoph Marti und Andreas trag, den jemand brauchte, um seine Fa- oder in vergleichbaren Situationen das Le- Hahn. Der thematische rote Faden der milie durchbringen zu können. An diesem ben meistern. Glaube und Behinderung | Info 2/2021 3
Lobpreis zum Abheben Wanderung auf die Schwarzwaldalp RÜCKBLICK Auch in diesem Jahr waren wir mit einer genialen Lobpreisband gesegnet. Den Kern bildeten Lynn am Piano, Simone mit ihrer Stimme und Andreas mit der Bass- gitarre. Sporadisch gesellten sich andere dazu und halfen mit, zum Beispiel ihr Lieb- lingslied zu singen. Das Lied «I bi nid Opfer» begleitete uns durch die ganze Woche und stärkte unser Vertrauen auf den liebenden Vater, der immer bei uns ist und uns nie alleine lässt. Vielseitige Ausflüge Zwei grössere und zwei kleinere Ausflüge standen heuer auf dem Programm. Die grossen Ausflüge führten uns auf das Nie- derhorn und auf die Schwarzwaldalp. Die- ses Jahr haben wir ganz besonders darauf geachtet, dass die Ausflugsziele verschie- dene Möglichkeiten für Aktivitäten der Teil- nehmenden boten. So gab es jeweils Grup- pen, die einen Teil des Wegs gewandert Stärkung in Lauterbrunnen Unsere «vielsaitige» Lobpreisgruppe sind. Auf der Schwarzwaldalp konnten die men! Am Mittwochnachmittag konnten Rollstuhlfahrer/-innen zurück bis zur Ro- sich alle für verschiedene Workshops ein- senlaui fahren und die wunderbare Land- schreiben. Auf dem Programm stand ein schaft an sich vorbeiziehen lassen. Für eine Handlettering-Einführungskurs, eine Partie kurze Zeit verfügte die Schwarzwaldalp so- Pétanque unter Interlakens Platanen, Ge- gar über ein Behinderten-WC und zwar un- sellschaftsspiele oder eine Rundfahrt in ser eigenes, selbst entwickeltes und gebau- Interlaken mit einem Vierer-Velo. tes rollstuhlgängiges WC. Denn wie sagte Simone so schön: «Wir lassen uns nicht von Tolle Infrastruktur im Hotel Artos den Behinderten-WCs vorschreiben, wohin Einen nicht zu unterschätzenden Erfolgs- wir reisen dürfen.» faktor für erholsame Familienferien bildet Ähnlich vielseitig gestaltbar war auch der auch die tolle Infrastruktur im Hotel Artos. Besuch in Lauterbrunnen. Zug fahren, Es ist sehr viel wert, wenn man schon im wandern von Zweilütschinen nach Lau- Voraus weiss, dass grundsätzlich alles vor- terbrunnen, E-Bike und Handbike fahren handen und für unsere Zwecke eingerich- oder einfach spazieren von Lauterbrun- tet ist. Auch die Spitex und die Physiothe- nen in Richtung Stechelberg. Die Palette rapie im Haus sind für viele ein Trumpf, der der Möglichkeiten bot für alle etwas. Es immer wieder sticht. In diesem Sinne wer- gab aber auch ruhigere Tage in und rund den wir die Karten wieder neu mischen um Interlaken. Käfele, lädele und Coupe und freuen uns auf die Interlakenferien im Unterwegs zur Rosenlaui essen darf in GuB-Ferien nie zu kurz kom- Sommer 2023! 4 Glaube und Behinderung | Info 2/2021
Wer macht die grösste Seifenblase? RÜCKBLICK Bombenstimmung am Familientag Langenthal – 12. Juni 2021 VON MARKUS ZUBERBÜHLER Nach drei Jahren Pause durften wir end- grammen weiter. Die Kinder wurden von die Helferinnen und Helfer durften am lich wieder zu einem Familientag einladen. Franziska Bütikofer und ihrem Betreuungs- Ende des Tages so eine Bombe mit nach Noch mitten in der Coronapandemie hat team übernommen. Gespannt lauschten Hause nehmen. Wir wurden quasi ausge- Lukas Bütikofer mit seinem Team die Pla- alle der Geschichte von Herrn Glück und sandt, in düsteren Ecken unseres Quartiers nung vorangetrieben, immer in der Hoff- Frau Unglück, die plötzlich und unverhofft oder Dorfs für blühende Freude zu sorgen. nung, dass die notwendigen Lockerungen nebeneinander wohnten. Das Haus von der behördlich angeordneten Einschrän- Herr Glück war farbig und hell und in Während die Kinder gut umsorgt und kungen rechtzeitig kommen werden. seinem Garten blühten die prächtigsten beschäftigt waren, trafen sich die Eltern Blumen. Das Haus von Frau Unglück war unter sich. Christine Bütikofer hielt zwei Der Mut hat sich ausgezahlt. Fünf Familien, hingegen grau und düster und ihr Garten Referate zum Thema «Achtsamer Umgang respektive 26 Erwachsene und Kinder. glich einer Wüste. Zu Beginn wehrte sich mit mir selbst und meinen Mitmenschen». haben sich auf das Treffen gefreut und Frau Unglück gegen die wuchernden und Einer ihrer Merksätze lautete: «Von der sind zwischen 9 und 10 Uhr in der FEG aussamenden Blumen von Herrn Glück. Autobahn auf den Wanderweg!» Christine Langenthal eingetroffen. Nach einem Will- Dies gelang aber hinten und vorne nicht. ermutigte uns, uns nicht nur vom Alltag kommenskaffee mit Züpfe lud Christoph Irgendwann war das Haus von Frau Un- treiben zu lassen, sondern ganz gezielt Fankhauser Gross und Klein zum Warm-up glück genauso farbig wie jenes von Herrn auf der Autobahn die Ausfahrt zu nehmen ein. Christoph hat sich an den letzten Fa- Glück und ihr Garten blühte ebenfalls in und uns auf den Wanderweg zu begeben. milientagen in die Herzen Aller gesungen den schönsten Farben. Das braucht Mut! Die Energie der Acht- und musiziert und ist eigentlich kaum samkeit entsteht, wenn wir uns dem was mehr wegzudenken. Ihm gelingt es immer Danach wurde die Geschichte in die Praxis wir gerade erleben, bewusst zuwenden. wieder und in kurzer Zeit, allfälliges Eis zu umgesetzt. Aus Erde, Sand, Katzenstreu Achtsamkeit lässt sich mit einem Muskel brechen und für Bewegung zu sorgen. und Blumensamen «bauten» die Kinder vergleichen, den wir trainieren sollen. Am Anschliessend ging es in separaten Pro- Samenbomben. Alle Familien und auch Nachmittag erzählte uns Christine die 6 Glaube und Behinderung | Info 2/2021
Am feinen Mittagsbuffet Geschichte von Zachäus. Als Zöllner war Nach einer herausfordernden Schnitzel- RÜCKBLICK Zachäus unbeliebt und isoliert. Viele Zoll- jagd gab es noch eine tolle Überraschung. gänger fühlten sich betrogen, weil er den Vor dem Gemeindezentrum standen Kes- Leuten zu viel Geld verlangte. Auch Za- sel mit Seifenwasser sowie Seilschlaufen chäus fuhr Vollgas auf der Autobahn und und andere Utensilien, um riesige Seifen- verpasste das Leben. In der Begegnung blasen entstehen zu lassen. Grosse Kugeln mit Jesus erkennt er sein falsches Handeln. und sogar Schlangen schwebten über Er übernimmt Verantwortung und ändert unseren Köpfen bis sie lautlos zerplatzten sein Leben. und den einen oder anderen schon mal für die abendliche Dusche einseiften. Auch wir dürfen dazu stehen, dass nicht immer alles rund und in gesunden Bah- Mit strahlenden Augen sowie neuen Er- nen läuft. Jesus sieht mich, und ich kann lebnissen und Erkenntnissen liessen wir jederzeit mein Handeln korrigieren, die den Tag bei Kaffee und Kuchen gemütlich Autobahnausfahrt nehmen und den Wan- ausklingen. Vielen herzlichen Dank allen derweg beschreiten. Helferinnen und Helfern, dem tollen Küchenteam, das uns ein feines Zmittag Während die Eltern noch ungestört über zubereitete, und auch den Spenderinnen ihr Erleben von Achtsamkeit austauschten, und Spendern, die diesen Tag möglich waren die Kinder draussen unterwegs. gemacht haben. Aufmerksam der Geschichte lauschen Christoph Fankhauser fordert das Publikum heraus. Zufriedene Familien beim Abschlussfoto Glaube und Behinderung | Info 2/2021 7
Mit Gelassenheit THEMA hartnäckig bleiben … MARKUS ZUBERBÜHLER IM GESPRÄCH MIT SIMONE LEUENBERGER UND MARKUS FANKHAUSER ÜBER UNERHÖRTES UND UNGERECHTES IN IHREM LEBEN, IN KIRCHE UND GESELLSCHAFT Liebe Simone, lieber Markus. Vielen weiss, dass ich dabei sein werde, und man Wie erlebt ihr das «Gehörtwerden» in Dank, dass ihr euch die Zeit nehmt für wählt einen Ort aus mit zwei Treppenstu- der Kirche/Gemeinde? Werdet ihr dort dieses Gespräch. Könnt ihr uns zum fen vor dem Eingang, dann fühle ich mich eher wahr- und ernstgenommen? Einstieg aufzeigen, in welchen Situati- nicht wirklich willkommen. Markus: Aus meiner Erfahrung steht und onen es vorkommt, dass ihr euch nicht fällt es mit den Leuten. Haben die Men- gehört bzw. ernstgenommen fühlt? Was erlebt ihr mit Blick auf euer eige- schen in der Kirche/Gemeinde ein Herz Oder gibt es ein bestimmtes Erlebnis, nes Leben als besonders ungerecht? für Menschen mit Behinderungen? In mei- das euch noch besonders in Erinne- Markus: Sehr verletzend finde ich, wenn ner Jugendgruppe habe ich es zum Bei- rung ist? ich zum Beispiel bei einer Begrüssung ein- spiel sehr gut erlebt. Weil die Leitung mich Simone: Es wird immer dann problema- fach übergangen werde. Beispielsweise in immer mitgedacht hat und auch keinen tisch, wenn andere meinen, sie wissen es einer Begrüssungsrunde, da wird allen an- Aufwand gescheut hat, mir das Dabeisein besser und mich nicht fragen. Oder wenn deren die Hand geschüttelt (mindestens zu ermöglichen, hat sich in der ganzen man sogar für mich entscheidet, was geht war es vor Corona so) und wenn dann ich Gruppe auch eine Kultur der Inklusion ent- und was nicht geht. «Da kannst du nicht an die Reihe komme, macht die Person wickelt. In den Homecamps hatte ich zum mitkommen» oder «Wir sind dann schon nur eine Winkbewegung aus der Ferne. Beispiel immer die Hilfe, die ich brauchte, da und helfen dir …» und reissen dann Dies löst in mir ein Gefühl der Distanzie- und musste auch nie hungrig ins Bett. Alle an meinem Rollstuhl herum oder wollen rung und des Unberührbar-seins aus und hatten wie selbstverständlich auch ein mich auf einen Stuhl hieven. das schmerzt. Auge für mich. Inzwischen war ich aber Ein konkretes Beispiel ist auch der öffentli- Simone: Ich habe keine Hemmungen, auch schon in Gemeinden unterwegs, che Verkehr, den ich nach wie vor nur mit meine Stimme zu erheben und weiss auch, in denen ich mir eher wie ein Fremdkör- vorgängiger Anmeldung benützen kann. wie ich mich wehren kann. Es macht mich per vorkam. Wenn ich in Gesprächen auf Ich habe es auch schon erlebt, dass ich aber traurig und zugleich wütend zu se- meine Behinderung reduziert werde, dann mich zwar angemeldet habe und sogar hen, dass es viele Leute gibt, die das nicht fühle ich mich sehr unwohl. Ich denke, es die Bestätigung in der Hand hatte. Meine können und wirklich übergangen und un- hat etwas mit dem Spannungsfeld zu tun, Reservation war aber nicht im Compu- gerecht behandelt werden. Anderseits in welchem viele Christen stecken. Die Bi- ter und so sagte man mir, dass ich deswe- finde ich es belastend, wenn meine Freun- bel ruft uns einerseits auf, alle Menschen gen nicht befördert werden kann. Wenn dinnen und Freunde wegen mir unnötige zu lieben und zu achten (sozial zu sein …), du dann alleine am Gare de Lyon in Pa- Aufwände auf sich nehmen müssen, weil anderseits sind einige überfordert, dies in ris stehst und nach Hause willst, fühlst du es zum Beispiel kein Behinderten-WC in der der Praxis umsetzen und zu leben. Schwie- dich schon ziemlich daneben. Nähe hat und durch die Suche nach einer rig finde ich, wenn gegen aussen kommu- Markus: Mir fallen dazu Situationen ein, in Lösung viel Zeit verloren geht. Ein weiterer niziert wird, wie willkommen Menschen denen jemand zum Beispiel in einem Res- Punkt: Unter dem Begriff «crip time» ver- mit Behinderungen sind, einem dann in taurant oder in einem Spital mit mir etwas steht man vor allem im englischsprachigen der Praxis ein kühles Klima begegnet und besprechen wollen, aber nur mit meiner Raum die Zeit, die ich als Behinderte mehr ich mich dann doch nicht so willkommen Begleitperson kommunizieren. Bei Leu- brauche, um meinen Alltag zu bewältigen. fühle. Das erlebe ich aber nicht nur in Kir- ten, die mich zum ersten Mal sehen, habe Ich brauche mehr Zeit zum Aufstehen, für chen, sondern auch in anderen Bereichen ich da zu Beginn sogar noch Verständ- den Unterhalt meiner Hilfsmittel, vielleicht unserer Gesellschaft. nis. Wenn sie aber erkannt haben, dass ich mehr Arzttermine oder auch nur mehr Zeit, Simone: Ich bin Teil einer Hausgemeinde. sprechen kann und im Kopf gesund bin, mich auszuruhen. Dieses Verständnis ist Dort bin ich ein vollwertiger Teil der Ge- dann erwarte ich, dass sie direkt mit mir hierzulande noch nicht wirklich vorhanden meinschaft wie alle anderen auch. Ich sprechen. Ab und zu muss ich meine Be- Und zum Schluss: Auch die Tatsache, dass werde nicht auf meine Behinderung redu- gleitpersonen darauf hinweisen, dass sie ich erst bei einer Arbeitsunfähigkeit von ziert, kann mich in allen Themen einbrin- am besten keine Antwort geben sollen. mehr als 40 % Anrecht auf eine IV-Rente gen und werde als Person ernst genom- Manchmal gibt es aber auch Probleme, habe, finde ich unerhört, weil es eine Sozi- men. Dort gehöre ich wirklich dazu. Weil wenn ich in einer Gruppe unterwegs bin alversicherung mit einem Selbstbehalt von man mich schon lange kennt, haben alle oder eingeladen wurde. Wenn man schon 40 % eigentlich nicht geben darf. einen ganz natürlichen Umgang mit mir. 8 Glaube und Behinderung | Info 2/2021
Wenn ich in eine andere Gruppe bzw. Ge- ten nicht schweigen muss, sondern mich tert zu werden. Das hilft aber weder uns THEMA meinde gehe, dann macht es einen grossen wehren darf. Bereits Mose hat dem Volk noch unserem Umfeld, noch jenen, die Unterschied, ob ich alleine dort aufkreuze Israel mitgegeben: «Du sollst dem Tau- uns übersehen oder übergehen. Es ist gut, oder Leute dabeihabe, die mich kennen. ben nicht fluchen und sollst vor den Blin- wenn wir diesen Frust immer wieder bei Gute erste Begegnungen sind möglich, den kein Hindernis legen, …» (3. Mose Gott deponieren und ihn um Hilfe bitten wenn eine mir unbekannte Person mich als 19,14). Daraus erkenne ich den Auftrag an können. Wenn wir lernen, aus einer inne- Mensch wahrnimmt und mich als Mensch die Gemeinde, ein hindernisfreies Um- ren Ruhe heraus zu reagieren, dann kön- kennenlernen will. feld zu schaffen. Es gibt mir auch die Legi- nen wir viel mehr bewirken, als wenn wir Auf einer ganz allgemeinen Ebene habe timation, mich dafür einzusetzen. Es gibt zu verbitterten Stänkerern werden. ich aber den Eindruck, dass Behinderung auch viele Vorbilder in der Bibel: Mose in der Kirche nach wie vor kein Thema ist. lebte zum Beispiel mit Assistenz; Aaron Welche Erwartungen habt ihr an die Es ist ähnlich wie in der Welt: Die «Gesun- sprach für ihn vor dem Pharao. Zachäus Gesellschaft und auch an die Kirche/ den» sind die Starken und die Menschen hatte als Kleinwüchsiger einen Arbeits- Gemeinde bzw. an die Menschen? Was mit Behinderung sind die Schwachen, de- platz auf dem ersten Arbeitsmarkt. Je- müsste sich aus eurer Sicht ändern? nen man helfen und die man schützen sus behandelte Zachäus wie jeden ande- Markus: Ich wünsche mir Kirchen und Ge- muss. Diese Haltung verhindert, dass wir ren auch und lud sich bei ihm zum Essen meinden, in denen alle willkommen sind; teilhaben können. Wir sind zwar irgendwie ein. Paulus war als Missionar in der gan- auch Menschen mit Behinderung. Das ist dabei, gehören aber nicht wirklich dazu. zen Welt unterwegs, obwohl er an chro- aber nicht einfach mit baulichen Massnah- Ich vermisse den echten Wunsch, Men- nischen Schmerzen litt. Auch die ausge- men oder einem Inklusionskonzept getan. schen mit Behinderung auf Augenhöhe zu renkte Hüfte hinderte Jakob nicht daran, Es braucht eine entsprechende Herzens- begegnen, sie ernst zu nehmen und ihnen seine Aufgabe wahrzunehmen. Das macht haltung der Leitenden, welche die Kultur zu ermöglichen, gleichwertige Teile der mir Mut, mich für eine inklusive Gemeinde der Gemeinde prägt. Cool fände ich, wenn Gemeinschaft zu sein. einzusetzen. Dies möchte ich aber nicht Christen aktiv auf Menschen mit Behin- als nervige «Stänkerin» machen, sondern derung zugehen und sie einladen in un- Wie hilft euch der Glaube an Jesus, mit bei einer Beanstandung den Menschen sere Gemeinde und fragen, was es denn solchen Situationen und den betref- mit Wertschätzung begegnen. braucht, damit sie Teil der Gemeinde wer- fenden Menschen umzugehen? Habt Markus: Mir hilft der Glaube dahinge- den können. ihr Vorbilder aus der Bibel, die euch hend, dass ich mich in enttäuschenden Simone: Meine Hoffnung ist es, dass Kir- Mut machen? oder verletzenden Situationen nicht ver- chen und Gemeinden mit der gleichen Simone: Ich interpretiere die Bibel so, dass krampfe und den Menschen mit Barmher- Selbstverständlichkeit Behinderung mit- ich über den erlebten Ungerechtigkei- zigkeit und Vergebung begegnen kann. denken, wie sie Kinder mitdenken. 15 % Oft versuche ich in Situationen, in denen der Menschen in der Schweiz leben mit ei- ich nicht persönlich angesprochen und ner Behinderung und sind zugleich die am damit nicht ernst genommen werde, die wenigsten mit dem Evangelium erreichte Leute zu sensibilisieren. Das braucht im- und in den Kirchen vertretene Bevölke- mer wieder viel Geduld und Liebe. Es wäre rungsgruppe. viel einfacher, seinem Frust freien Lauf zu Die Kirche dürfte sich auch mehr in gesell- lassen. Ich bin aber dankbar, dass mir Gott schaftspolitischen Diskussionen für Men- immer wieder die Gelassenheit gibt, ruhig schen mit Behinderungen einsetzen. Im zu reagieren und positiv zu bleiben. Zusammenhang mit der Abstimmung zum Thema «Ehe für alle» betonen ge- Ihr seid beide beruflich aktiv und in wisse christliche Kreise die Wichtigkeit von Markus Fankhauser ist 30 Jahre alt, von Beruf verschiedenen Gesellschaftsbereichen Vater und Mutter für das Kind. Dass es in Jurist und engagiert sich politisch. wie Politik und Verbände engagiert der Schweiz Tausende von Kindern mit Be- und habt gelernt, euch vernehmbar zu hinderung gibt, die aufgrund von Lücken machen. Habt ihr Tipps, wie uns dies in unserem Sozialsystem nicht bei ihren El- auch besser gelingen kann? tern aufwachsen können, hat aber noch Simone: Ein wichtiger Faktor ist aus mei- nie jemand bemängelt geschweige denn ner Sicht, dass wir als Menschen mit Behin- etwas dagegen unternommen. derung uns selbst akzeptieren und lieben. Abschliessend möchte ich betonen, dass Nur aus dieser Haltung kann es uns gelin- es nicht darum geht, eine aus Sicht von gen, uns auf eine gute und positive Weise Menschen mit Behinderung vollkommen für unsere Rechte einzusetzen. gerechte Welt zu schaffen. Diese Gerech- Simone Leuenberger ist Vorstandsmitglied von Glaube und Behinderung, lebt mit einer Markus: Als Menschen mit Behinderun- tigkeit gibt es hier in dieser Welt nicht. Muskelkrankheit und setzt sich beruflich und gen werden wir wohl viel öfter nicht wert- Aber es geht um eine Gesellschaft, in ehrenamtlich für die Gleichberechtigung von schätzend oder ungerecht behandelt. Wir der alle gleich nach ihren Wünschen und Menschen mit Behinderung ein. hätten allen Grund, mit der Zeit verbit- Möglichkeiten teilhaben können. Glaube und Behinderung | Info 2/2021 9
«Dass die Stärke des Volkes sich THEMA misst am Wohl der Schwachen» VON PETER HENNING Dieser Satz am Ende der Präambel unserer Lebenschancen und Lebensperspektiven Eine neue Wahrnehmung von behinder- Bundesverfassung ist grossartig! hatten. Sie waren sozial tot und es war ten Menschen wurde der Gesellschaft Und provoziert ständig die Frage: Prägt er «soziale Gnade», wenn sie am Rand weiter- durch die beiden Weltkriege aufgezwun- auch unseren Umgang miteinander? leben konnten. gen. Denn die kriegsbedingten Schäden und Beeinträchtigungen betrafen Körper, Ausnahmen schufen die Kirchen und Klös- Seele und Geist von jung bis alt in allen 1. Der Umgang mit «Schwachen» – ter seit dem frühen Mittealter: Sie boten Bevölkerungsschichten. Staat und Öffent- ein historischer Rückblick Asyle der Barmherzigkeit, Inseln und Oa- lichkeit reagierten mit sozialen, ökonomi- Die Gesellschaft hat bis weit in die Neu- sen der Fürsorge an mit dem System der schen, medizinischen und humanen Ein- zeit hinein recht hilflos auf körperlich und/ «milden Gaben», dem sogenannten Almo- gliederungsmassnahmen. oder geistige Schwächen und Behinde- senwesen – Lichtblicke der Barmherzigkeit Dieser bisher noch nie da gewesene Inte- rungen reagiert. Ein chronischer Defekt nach damaligem Empfinden. grations- und Rehabilitationsschub wurde körperlicher und geistiger Funktionen Eine Wende setzte im 19. Jahrhundert ein: vor sechzig Jahren noch einmal verstärkt hatte seit der Antike den Ausschluss aus Die Medizin – wie andere Wissenschaften durch die Contergan-Katastrophe. Die der Gemeinschaft zur Folge. Die Gründe auch – befand sich in einem unbändigen Medien trugen das Schicksal und die Pro- für diese Reaktion waren vielfältig und Fortschrittsglauben. Davon profitierten bleme körperbehinderter Menschen ins mochten vielleicht aus damaliger Sicht auch chronisch Kranke und Behinderte. Die Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit. durchaus vernünftig gewesen sein, zum Medizin begann zu forschen, um das bisher Seitdem werden die Anliegen behinder- Beispiel der Schutz der Nichtbehinderten Unerklärliche zu verstehen und zu lindern. ter Menschen auf allen Ebenen unserer in hygienischer Hinsicht. Aber in Verbin- Sie richtete ihr Interesse zunächst stark auf Gesellschaft wahrgenommen und disku- dung mit Vorurteilen und religiös-magi- operative Eingriffe, um die Lebensqualität tiert. Inzwischen gibt es Verordnungen, schen Vorbehalten führten sie dazu, dass zu verbessern und den Alltag erträglicher Gesetzesvorlagen und sozialpolitische behinderte Menschen praktisch keinerlei zu gestalten – und das mit einigem Erfolg. Entscheidungen, um deren Lebensqualität durch berufliche und gesellschaftliche In- tegration zu verbessern. Es gibt zwar noch berechtigte Wunschlisten, aber das bisher Erreichte ist nicht wenig! Menschen mit körperlicher und/oder geis- tiger Beeinträchtigung werden in ihrer Würde geachtet, wahrgenommen und begleitet. Sie sind vollwertige Bürger. Diese Entwicklung wurde nachweislich durch Impulse des Evangeliums befördert. Die christliche Basis hat Europa zu der Hu- manität verholfen, von der jetzt alle profi- tieren können. 2. Die Bilanz bleibt trotz aller Erfolge noch ambivalent Ohne das Erreichte zu schmälern – es gibt trotzdem noch Handlungsbedarf. Auch wenn sich die allgemeine Umgangs- kultur positiv verändert hat, gibt es noch immer Unwissenheit, Missverständnisse, Mag. theol. Peter Henning: nach zwei Pfarrämtern, Rektor und Dozent am TDS in Aarau, Misstrauen und manche unsensiblen jetzt Referententätigkeit Reaktionen. In Gesellschaft und Öffent- 10 Glaube und Behinderung | Info 2/2021
lichkeit werden Vorbehalte und Abwehr- betonten Werbung: «Tue das Richtige ? THEMA haltungen bleiben. Auch Kosten-Nut- und du bist fit!» zen-Abwägungen können jederzeit wieder aufleben. Die Pandemie beweist 4. Die Lobpreiskultur mancher Gemeinden IHRE MEINUNG IST GEFRAGT! wieder einmal, dass ausgrenzende Reflexe blendet oft die Realität des Lebens aus besonders in schwierigen Zeiten keimen. und neigt zu einem einseitigen Got- Unter dem Titel «unerhört – un- tesbild. Gerade in Gottesdiensten wäre gerecht» haben wir in dieser Zeit- Woran mag das liegen? die Vielfalt von Biografien liturgisch zu schrift ein Thema aufgegriffen, das berücksichtigen. Da, wo Glück und Un- bewegt und vielleicht auch aneckt. 1. Viele gesunde Menschen sind unerfah- glück, Freud und Leid, Gewinn und Ver- Möchten Sie mit uns Ihre Erfahrun- ren im Umgang mit Menschen, die be- lust, geheilt und nicht-geheilt oft dicht gen teilen? Was haben die Beiträge einträchtig sind. Entsprechend reagieren nebeneinandersitzen. in dieser Zeitschrift bei Ihnen aus- sie auf das Anderssein ratlos, distanziert Dafür sensibilisiert uns die Bibel. Sie for- gelöst? Wie hilft Ihnen der Glaube und sogar abweisend. Das Fremdartige dert zur uneingeschränkten Annahme in Situationen, da Sie nicht gehört verunsichert. aller Menschen auf – gerade auch der werden? Leidenden, Schwachen und Fremden. 2. Im Medienzeitalter wird alles themati- Schreiben Sie uns per E-Mail an siert, so auch die Anliegen behinderter info@gub.ch oder per Post an Menschen. Und das nachdrücklich, ver- 3. Ein Platz in der Gesellschaft – Glaube und Behinderung, ständnisvoll und aufklärend. Die Berichte Der Beitrag des Evangeliums Parkweg 39, 3053 Münchenbuchsee von den Paralympics oder das Echo auf Vor knapp 100 Jahren soll Fritz von Bodel- den Film «Ziemlich beste Freunde» zei- schwingh als Leiter der Krankenstadt gen das. Wo Handlungsbedarf besteht, «Bethel» die Urkunde zur Grundsteinlegung wird von Journalisten für Solidarität und eines Jungeninternats als erster unterschrei- Nächstenliebe insistiert. ben. Vom Podium aus sieht er in der gros- Mehrheitlich stehen jedoch die gängi- sen Schar kranker Kinder ein stark gehbe- gen, rein körperbetonten Schönheitside- hindertes Mädchen in einem Korbwagen. Er ale im Vordergrund. Ein glückliches, un- geht herab, hebt es aus dem Wagen, trägt beschwertes und problemarmes Leben es nach oben und lässt es die Urkunde un- sowie Schönheit und Gesundheit sind terschreiben – als erste Person! tatsächlich hohe Werte. Aber unsere Zwanzig Jahre später verhindert er mit westliche Kultur tut sich schwer mit den seinem im Eingangstor Bethels liegenden Schattenseiten des Lebens und der Welt. Körper die Nazi-Lastwagen daran, soge- Die Erlebnis- und Unterhaltungsindustrie nannt «unwertes Leben» abzuholen. lenkt Tag für Tag davon ab. Sie hat auch in Corona-Zeiten eine mächtige Lobby Genau das hat Jesus Christus vorgelebt: nen. Heute wird über Wege der Inklusion für «the fun must go on». Grenzenlos lieben und heilen, verbinden intensiv nachgedacht und Kurse in Palliativ und trösten, aufrichten und begleiten! Wer Care sind stark frequentiert. 3. M anche Christen tun sich schwer im in dieser Gesinnung Jesu lebt, macht kei- Umgang mit Behinderungen und un- nen Unterschied mehr. So wollen wir weitermachen, Vorbehalte, heilbaren Krankheiten und behaupten: Jeder Mensch – in welcher Gestalt auch instinktive Abwehrhaltung und Desinte- «Wer richtig glaubt, wird nicht krank! immer – ist jetzt «der Erste», eine von Gott resse überwinden, wieder aufkeimendes Und wenn doch, hat das mit Sünde, geliebte Persönlichkeit und nicht nur ein Stigmatisieren abbauen, füreinander und nicht vergebener Schuld oder Glau- Patient. Gerade die Menschen, die oft miteinander die Barmherzigkeit Gottes le- bensarmut zu tun.» Nur noch mehr nicht gehört, erhört und gesehen werden, ben sowie Verständnis füreinander konkret Gebet, Busse und Frömmigkeit könnten gehören in unsere Mitte. und individuell erarbeiten! Das fällt keinem Gott bewegen, völlig zu heilen. Diese von uns in den Schoss. Aber Gottes Wort Denkkonstruktion versteht Krankheit Jesus hat diese göttliche Umgangskultur und Geist befreien uns zu dieser uneinge- und Behinderung als Strafe Gottes. einer vorbehaltlosen Offenheit, Solidarität, schränkten Solidarität, wo einer des An- Kranke Menschen so zu stigmatisieren, Liebe und Hoffnung proklamiert. Seitdem deren Lasten trägt. Nachfolger Jesu gehö- ist ein pseudochristlicher Rückfall in haben Kirchen, Klöster, Orden und Pio- ren zur Avantgarde des Reiches Gottes. Je magisch-heidnisches Denken. niere unerhört revolutionierende Impulse mehr wir Gottes Liebe miteinander leben, Diese Christen meinen es ja irgend- für kranke, behinderte und schwache desto mehr wird die Gesellschaft davon wie gut, aber sie wollen von Gott ein Menschen gesetzt. Sie haben sich in der mitgeprägt. «Leben ohne Leid» erzwingen. Das ist Gesellschaft wohltuend ausgewirkt und Die Präambel ist ein schöner Ausdruck da- eine fromm getarnte Variante weltlicher die öffentliche Meinung für mehr Nächs- für, was auch der Auftrag jeder Kirche und Diesseitsideale und gleicht der glücks- tenliebe und humanen Strukturen gewon- Gemeinde in unserem Land ist! Glaube und Behinderung | Info 2/2021 11
Als Mensch wahrgenommen werden THEMA MARKUS ZUBERBÜHLER IM INTERVIEW MIT PETER TSCHANNEN Lieber Peter, wenn man ältere Zeit- Hattet ihr auch schon Glaubenskrisen Was wünscht ihr euch von eurem schriften durchblättert, dann sieht zu bewältigen? Umfeld, von der Gesellschaft, man, dass du und Vera schon länger Ja klar, immer wieder. Ich glaube, es ge- von der Gemeinde? mit GuB unterwegs seid. Kannst du hört zu unserem Leben als Christen, dass Wir brauchen praktische Hilfe, vor al- euch den neueren Leserinnen und wir immer wieder mit Krisen zu kämpfen lem im «handwerklichen» Bereich. Ich Lesern kurz vorstellen? haben. Auch als Paar haben wir immer brauche zum Beispiel in meinem Büro Gerne, ich selber bin 46 Jahre alt und habe wieder Krisen, die ein Stück weit auch immer wieder ein paar helfende Hände, drei jüngere Geschwister. Mein grösstes Glaubenskrisen sind. Zu oft versuchen wir damit ich mich zurechtfinden und arbei- Hobby ist Malen. Ich habe 2007 die Aqua- aufgrund vergangener Enttäuschungen ten kann. Aber mir ist bewusst: Ich muss relltechnik kennengelernt und bin seither die Sache selber in die Hand zu nehmen den Mund auftun und meine Bedürf- mehr oder weniger fleissig am Üben. Ich und rechnen gar nicht mit Gottes Hilfe. nisse anmelden. Da habe ich noch nicht bin kaufmännischer Angestellter, habe Was uns beiden am meisten hilft am Glau- ausgelernt. bis kurz vor der Coronazeit in einer Insti- ben festzuhalten, das sind enge Freunde, Da wir im Moment nicht in einer Ge- tution in der Buchhaltung gearbeitet und die viel Erfahrung im Glauben haben und meinde dabei sind, dürfen wir nicht versuche nun, mir von zu Hause aus et- diesen auch authentisch leben. wirklich Erwartungen haben. Und wenn, was im Bereich Treuhand aufzubauen. Ich dann wünschte ich mir, dass in der Ge- lebe seit Geburt mit einer Muskelerkran- Kennt ihr Situationen im Leben, da ihr meinde Menschen mit Behinderungen kung mit der Bezeichnung Artrogryposis euch nicht gehört, wahr- oder ernst- als Menschen wahrgenommen und wert- multiplex, welche vor allem Gelenke und genommen fühlt? Habt ihr dies auch geschätzt werden; dass man auch gerne die Bänder über den Gelenken betrifft. schon unter Christen bzw. in der Ge- mit ihnen zusammen ist und sie eine Be- Anfang der neunziger Jahre hatte ich die meinde erlebt? reicherung für die Gemeinschaft sind. Ich letzten operativen Eingriffe, durch die ich Wer könnte davon nicht erzählen?! Das denke aber, dass hier ein Umdenken ein- in Sachen Mobilität ganz neue Freiheiten Ganze ist aber ein gesellschaftliches Pro- gesetzt hat. Darf ich auch noch Erwartun- erlangen konnte. blem. Ich selber habe mich nach mei- gen an Glaube und Behinderung äussern? Meine Frau Vera ist 37 Jahre alt und hat nem Jobverlust von den Behörden nicht Vielleicht braucht es nicht noch mehr Fe- zwei Geschwister. Sie hat Hauswirtschafts- ernst genommen gefühlt. Vera hatte im rienangebote und dafür mehr Angebote mitarbeiterin gelernt und konnte stets auf Zusammenhang mit medizinischen Be- im Bereich Beratung und Begleitung. diesem Beruf in der Westschweiz, in Bern handlungen auch schon den Eindruck, und nun auch in Basel arbeiten. Vera trifft dass ihre Bedürfnisse und Wünsche nicht Lieber Peter, vielen Dank für deine Offen- sich gerne mit Freundinnen und hat auch gehört werden. In christlichen Gemein- heit und den ehrlichen Einblick in euer Freude an ihrem zweijährigen Gottimeitli. den hatte ich manchmal das Gefühl, Leben. Gott möge euch segnen und Im Alter von vier Jahren wurde bei Vera bloss als der «behinderte Mann meiner euch wundersam im Alltag begegnen. aufgrund von wiederholten Stürzen Epi- kranken Frau», reduziert zu werden, was lepsie entdeckt und diagnostiziert. den Aufbau einer Beziehung auf Augen- höhe sehr schwierig machte. Wie und wann seid ihr zum Glauben gekommen? Wie hilft euch der Glaube, solche Ich habe mich mit elf Jahren nach ei- Situationen zu ertragen bzw. positiv nem Kindergottesdienst entschieden, zu bewältigen? Jesus nachzufolgen. Wichtiger als die- Die Ferienwoche in Interlaken hat uns ses Bekehrungserlebnis ist mir aber die sehr gutgetan. Aber sind wir ehrlich, Frage, ob sich mein Glaube im Alltag die Corona-Pandemie macht uns einsa- bewährt. Und das ist ehrlich gesagt mer und hindert uns daran, mit anderen durch alle Herausforderungen in mei- Christen Leben zu teilen. Denn als So- nem Leben nicht immer gelungen. Mein lochrist funktioniert es nicht. Authenti- Glaube hat in den letzten Jahren eher sche Christen sind für uns eine der gröss- gelitten. Vera ist in einem christlichen ten Ermutigungen. Menschen, die Höhen Elternhaus aufgewachsen und hat ihren und Tiefen im Glauben erlebt haben und Vera und Peter Tschannen auf der Schwarz- Glauben im Rahmen eines Glaubens- uns in unseren Herausforderungen be- waldalp in der letzten GuB-Ferienwoche in grundkurses festgemacht. gleiten und ermutigen können. Interlaken 12 Glaube und Behinderung | Info 2/2021
Schönheitsfehler im Hirn THEMA VON MARKUS ZUBERBÜHLER Flavia Ubaka-Loser ist Mitglied bei Glaube Mit diesem siebten Klinikaufenthalt en- erfüllung. Auch diese Psychiatriegeschichte und Behinderung und hat vor Kurzem ein dete meine Psychiatriekarriere und heute hätte ich ohne meinen Halt und meine autobiographisches Buch geschrieben. lache ich nur noch darüber. Danach Zuversicht im Glauben nicht so gut über- Trotz einer turbulenten Geschichte in ihren lernte ich meinen Mann kennen, fand standen und wäre vielleicht heute noch im jüngeren Jahren, in denen sie sich oft un- eine Arbeitsstelle in Zug. Mit meiner Hei- gleichen Fahrwasser. Jesus hat uns nie ver- gehört und ungerecht behandelt fühlte, rat endet das Buch. sprochen, dass er uns vor Schwierigkeiten hat sie auch dank ihrem Glauben zurück zu bewahrt, wenn wir ihm nachfolgen. Aber einem glücklichen und erfüllten Leben ge- In der Kurzbeschreibung steht, dass er steht uns immer bei und lässt uns nie funden. Wir haben Flavia ein paar Fragen dein Leben durch die Einweisung in allein. Er geht mit uns durch die Schwierig- zu ihrem Leben und ihrem Buch gestellt. die Psychiatrie ausgebremst wurde. keiten hindurch, kämpft für uns und kann Wie gross hattest du Einfluss darauf, sogar Türen öffnen, wenn es menschlich Liebe Flavia, vor Kurzem ist dein Buch was mit dir geschieht? Was löst dies in unmöglich erscheint. Ich sehe viele Seg- erschienen mit dem herausfordernden deinen Gedanken und Gefühlen aus? nungen in meinem Leben und ich denke, Titel «Schönheitsfehler im Hirn». Was Ich wurde immer zwangseingewiesen. das ist Gottes Belohnung, wenn wir ihm erwartet die Leserin und den Leser? Darauf hatte ich nicht den geringsten nachfolgen. Mit meinem Buch möchte ich die einer- Einfluss. Am schlimmsten sind die Psy- Als ich mit 30 Jahren nach Zug zog, liess seits ermutigen, niemals aufzugeben und chopharmaka mit denen ich ruhigge- ich bewusst alles Vergangene hinter mir. andererseits aufzeigen, dass es auch nach stellt wurde und alles über mich ergehen Heute geht es mir sehr gut, ich habe drei einer schwierigen Kindheit möglich ist, zu lassen musste. Ich war hilflos dem Pfle- wunderbare Kinder im Alter von 14, 18 einem glücklichen und erfüllten Leben gepersonal und den Ärzten ausgeliefert und 20 Jahren und erfreue mich am Le- zu finden. und wurde nicht ernstgenommen. Meine ben ohne Medikamente! Ich erlitt mit sieben Jahren einen Autoun- Vermutung, dass die «Anfälle» mit meiner fall mit Schädel-Hirn-Trauma. Alles musste Hirnverletzung zu tun haben könnten, Was wünscht du dir und anderen be- ich wieder neu lernen: sprechen, laufen wurde als «Wichtigtuerei» in den Wind troffenen Menschen in der heutigen usw. Schulisch kam ich danach wieder gut geschlagen. Erst als eine gute Neuropsy- Zeit, die in einer ähnlichen Situation mit, aber zwischenmenschlich hatte ich chologin eine Computertomografie ver- stecken wie du damals? jede Menge Probleme. Nach der Sekun- anlasste, erkannte man eine Hirnnarbe Heute mag die Psychiatrie ja anders, sanf- darschule absolvierte ich widerwillig eine und meine Vermutung wurde bestätigt. ter oder moderner sein als damals. Meine kaufmännische Berufslehre. Unmittelbar Klinikaufenthalte waren 1986 bis 1990 und danach begann ich ein Praktikum in ei- Wie hast du zurück ins Leben gefun- 1997. Aber Zwangseinweisungen gibt es nem Sonderschulheim. Aus mysteriösen den und wie hat dir der Glaube dabei immer noch. Ein starker Glaube, Hoffnung, Gründen wurde ich in eine psychiatrische geholfen? Zuversicht und niemals aufgeben, helfen Klinik eingewiesen. Nach meiner Entlas- Ich weiss nicht, wo ich ohne meinen Glau- immer. Aber es ist schwer in einer solchen sung war mein Selbstwertgefühl tief im ben wäre! Ich bin so dankbar, dass ich im Situation und unter Medikamenteneinfluss Keller und ich traute mir keine Zweitausbil- Teenageralter zum Glauben kam. Meine den Glauben nicht zu verlieren. Da hilft dung mehr zu. Während der nächsten fünf Kindheit davor war nur Mühsal und Pflicht- es sehr, wenn du in deinem Freundeskreis Jahre arbeitete ich im Büro und musste jemanden hast, der für dich insgesamt fünf Mal in die Klinik. An- glaubt und an dich glaubt, schliessend wollte ich in die soziale Arbeit dass du es schaffst. einsteigen. Aber leider kam es an dieser Erhältlich Schule zu einer mobbingartigen Ausgren- am GuB -W o d er b ei o ochenend zung und das Diplom wurde mir schliess- rellfuessli e .ch lich auch verwehrt. Während der als Erho- Flavia Ubak Hirn Flavia Uba ka erlitt als a-Looser lung geplanten Zeit in Kapstadt wurde ich Hirn-Traum Kind einen a. Autounfall gestaltete sich Alles musste sie wie mit schwerem der neu erle Schädel- dazu bei, dass schwierig, die körp hler im rnen. Ihre Schönheits sie ausgegre erlichen Ein Schulzeit empfand. nzt wurde schränkung nach einem Gefühlschaos ein weiteres Mal Später geri und sich nie en trugen fehler im H wollte ihr et sie in die als dazuge glauben, dass Mühlen der zusammenh Psychiatrie. hörend ir ihre n ängen. »An fälle« mit Nie der Hirnve mand Schönheitsfe rletzung Wie ich trotz in eine psychiatrische Klinik eingewiesen Ihr Leben lag vor ihr Hi und Psychiatrnverletzung sich völlig wie ein einz ausgebremst iger Scherbe Leben wie . Dennoch nhaufen und der selbst gelang es sie fühlte das Leben lie rietrauma beschreibt in die Hand der jungen Frau sie zu nehmen und landete nach meinem Austritt ausge- Erfolge. Imm die Verletzungen, abe . Mit groß , ihr er Offenheit er anders zu sein mit einem wachen als die verm r auch ihre Blick kleinen und eintlich »No dafür, was es heißt, großen ben lernte Dieses Buc rmalen«. etwas raubt und geschlagen auf einem Polizei- h nimmt die Leben der Leser mit auf Autorin und eine Reise nie die Hoff möc dur nung zu verl hte Mut machen, niem ch das turbulente ieren. als aufzuge ben und posten. Zurück in der Schweiz erwartete mich ein erneuter Klinikaufenthalt. oser -Lo Flavia Ubaka
Zachäus – der geächtete Oberzöllner GEISTLICHER INPUT VON HELEN BIRCHER FREI NACH LUKAS 19,1–10 Illustration von Petra Lefin aus „Zachäus auf dem Baum (Bildkartenset) © Don Bosco Medien München 2126610035808874608.indd 9 23.09.21 12:08 Die Leute, die noch in Jericho beisam- Er ist stolz, dass er einen Beruf ergrei- Die Menschen, die immer noch in der menstehen und sich unterhalten, nach- fen durfte, der es ihm – unabhängig Gasse von Jericho ihre schlechten Erfah- dem sich die Menschenmenge aufge- von seinen Massen – ermöglicht eine rungen teilen, ahnen nicht, dass Zachäus löst hat, sind sich einig: Was sich dieser gewisse Macht auszuüben. Als Zöllner bald bei ihnen vor der Tür stehen wird Zachäus heute geleistet hat, ist eine kann er die Grossen abzocken und es um Wiedergutmachung anzubieten. Wie Frechheit! Vorausgerannt ist er, die- ihnen so richtig zeigen. Doch gerade werden sie reagieren? ser hinterlistige Zwerg, und auf einen dieser Beruf wirft einen Schatten auf Za- Baum geklettert. Sie alle hatten sich ge- chäus. Er macht ihn zwar einflussreich, «Es gibt doch noch Gerechtigkeit auf wünscht, möglichst viel von Jesus zu aber auch sehr einsam. Niemand ver- dieser Welt! Es gibt doch noch ehrliche hören und zu sehen. Sie hatten gehofft, kehrt mit ihm, ja er wird regelrecht ge- Menschen, sogar unter diesen Schmarot- er würde nahe bei ihnen stillstehen, mieden. Seine Arbeit liess ihn zum Aus- zern von Zöllnern», werden sich die einen er würde ihnen vielleicht ins Gesicht senseiter werden. freuen. Anderen wird die Situation pein- blicken, sie ansprechen … Und dann lich sein. Da kommt diese kleine Gestalt musste dieser rücksichtslose Zöllner sich Auch die Beförderung zum Oberzöllner mit dem miesen Charakter, die sie bei je- vordrängen! Und Jesus fiel auch noch war ein Trugschluss. «Als Oberzöllner der Gelegenheit um ihr Geld gebracht rein auf dieses Theater! Ausgerechnet Za- kann ich über meine kleine Gestalt hin- hatte, redet etwas von Entschuldigung chäus suchte er sich aus und begleitete auswachsen!» So hatte er gehofft. Doch und streckt ihnen Silbermünzen entgegen. ihn nach Hause! leider hat sein Ruf dadurch noch zusätz- Was für ein lächerlicher Anblick! Wer sich lich gelitten. an besonders ungute Begegnungen mit Die verärgerte Gruppe Gleichgesinnter Zachäus erinnert, wird sich mit Misstrauen ahnt nicht, was sich gerade im Haus von Jesus schaut den kleinen Mann liebevoll seine Bitte um Verzeihung und sein Wie- Zachäus abspielt. Zachäus, bei dem Je- an, losgelöst von dem, was dieser ist oder dergutmachungsangebot anhören, ohne sus zu Besuch ist, führt ein komfortables getan hat. Ohne seine Taten zu beschöni- ihm wirklich zu glauben. «Das ist bestimmt Leben. Er kann sich leisten, wovon An- gen, akzeptiert er ihn und bietet ihm Ver- eine neue Betrugsmasche!» dere nur träumen. Doch der Schein trügt, gebung an. Zachäus ist zur Umkehr be- denn glücklich ist dieser Gastgeber nicht. reit. Die Begegnung mit Jesus hilft ihm, Viele Menschen waren Jesus an diesem Zachäus leidet unter seiner kleinen Ge- sein Leben zu ändern, zu seinen unrech- Tag in Jericho gefolgt, weil sie ein Wun- stalt. Oft verdecken ihm die Grossen die ten Taten zu stehen, sogar Dinge wieder der miterleben wollten. Ob sie es erken- Sicht, oder er wird übersehen. in Ordnung zu bringen. nen werden, das Wunder an Zachäus? 14 Glaube und Behinderung | Info 2/2021
20 Jahre für die Info-Zeitschrift INTERN VON HELEN BIRCHER Eines Tages wurde ich an- Korrigierte ich damals die Texte mit dem Kugelschreiber oder gefragt, ob ich die nächste manchmal per Telefon, werden die Beiträge inzwischen in ei- Ausgabe der Info-Zeitschrift ner Dropbox gesammelt, auf die alle Berechtigten bequem von von Glaube und Behinde- ihrem Laptop oder Tablet aus zugreifen können. In dieser Box rung lesen und korrigie- wird zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten durch die ren würde. Es war die Aus- einzelnen Teammitglieder an Formulierungen herumgeschlif- gabe 2/2001. Da ich gerne fen, und Satzzeichen werden neu gesetzt. Da ich noch immer schreibe und mir die deut- lieber auf Papier lese, auf dem ich rumkritzeln kann, drucke ich sche Orthographie und mir bis heute mindestens die erste Fassung eines Aufsatzes aus. Grammatik keine grosse Die Papiere kann ich überall hin mitnehmen. So lese ich am Mühe bereiten, sagte ich Schreibtisch, auf dem Sofa, aber auch einmal im Bett, im Zug, zu. Damals lektorierte ich im Strandbad oder in der Badewanne. noch allein die Zeitschrift neben Ruth Bai, die als Redakteu- rin jeweils Texte und Bilder verschiedener Autoren und Foto- Ich verfasste auch eigene Beiträge. Ich traf mich mit beeindru- grafinnen einholte, Artikel verfasste und alles zu einer neuen ckenden Menschen zum Interview und fand das immer span- Ausgabe zusammenfügte. Das Team wuchs mit der Zeit, und nend, aber auch anstrengend und zeitintensiv. ich reiste zu Redaktionssitzungen. Es gab im Laufe der Jahre personelle Wechsel. Die Aufmachung der Zeitschrift wurde Kräfte- und Zeitmangel sind denn auch die Hauptgründe, warum mehrmals modernisiert. Die Notwendigkeit des Lektorierens ich nun zurücktrete aus dem Team der Info-Zeitschrift. Ich werde hingegen blieb: Einsendungen werden gelesen und, wo nö- sie in Zukunft lesen, ohne stets nach Fehlern Ausschau zu halten. tig, verbessert, allenfalls gekürzt. Nach einem ersten Entwurf Anzeige aus der Druckerei heisst es, alles erneut zu lesen, diesmal noch genauer auf Details konzentriert. Eine weitere Kontrolle folgt Die Verteilkalender beim Gut zum Druck. 2022 Ich lernte, wo sich Fehler besonders gerne verstecken: z. B. in Bild- legenden, die oft im letzten Moment hinzugefügt werden. Bei der Umplatzierung eines Artikels wird gerne vergessen, die Sei- tenzahl im Inhaltsverzeichnis anzupassen. Ins Auge stechen mir jeweils Wiederholungen von Begriffen oder Inhalten. Für die Kleinsten chulkinder Es war mir immer ein Anliegen, Texte interessanter erscheinen zu Für Grunds Für Teen ager lassen, ohne den Schreibstil oder gar die Aussage zu verfälschen. Ich geriet dabei ab und zu in Konflikt mit Teammitgliedern, die bei dieser Gelegenheit meine Hartnäckigkeit kennenlernten. IDEAL ZUM VERTEILEN Für Eltern • bei Verteilaktionen z.B. an Halloween statt Süssigkeiten Die Aufgabe ist gleich geblieben. Was sich änderte ist die Tech- Für Lebenserfahrene • auf Weihnachtsmärkten und Ad- nik: Sitzungen finden mittlerweile online aus dem Homeoffice ventsfeiern • an Freunde, Bekannte, Nachbarn statt. Wurden die Entwürfe anfänglich per Post geschickt, die • in Gemeindegruppen (Jungschar, DIE NEUEN Abzüge der Druckerei auf Papierbahnen zugestellt, erhalten wir Seniorenkreis, Mutter-Kind-Treff) • als Mitbringsel heute alles elektronisch. e np s Them a eng reis Rund um gkeit M ea Nachhal ti CHF b Für M itarbe 1.70 itend ro e p K ale n d er* Jetzt die beste Botschaft weitergeben! * zzgl. Versand 043 288 80 10 www.bundes-verlag.ch/kalender Glaube und Behinderung | Info 2/2021 15
Die Champions aus dem Emmental INKLUSION VON MARKUS ZUBERBÜHLER An einem aussergewöhnlich warmen Sonntag im August fahre angefragt, ob ihr Kind mit Trisomie 21 auch an diesem Programm ich nach Hasle Rüegsau zur HOPE & LIFE CHURCH. Der Saal im teilnehmen dürfe. «Selbstverständlich» lautete die Antwort. Und Eventlokal Kalchofen ist vorbereitet für die sonntägliche Celebra- so kamen mit der Zeit weitere Kinder mit kognitiven Beeinträchti- tion. Es ist dunkel im Saal, klimatisiert und unter dem Scheinwer- gungen dazu. Die Leiterinnen und Leiter des Programms erkann- ferlicht auf der Bühne stimmt uns die Band in den Lobpreis ein. In ten aber, dass es für diese Kinder sehr schwierig ist, sich zu kon- der Predigt von Pastor Konrad Blaser geht es um unsere Familien. zentrieren und etwas von der Botschaft mitzubekommen. Wir werden ermutigt, in allen Herausforderungen unserer Zeit für unsere Ehe und unsere Familien zu kämpfen und – besonders an Bei einem Besuch in der Lakewood Church in den USA hat die die Adresse der Väter – die Familie wie einen Bund Farbstifte mit Delegation aus dem Emmental das Konzept des Champions einem Gummiband zusammen zu halten. Clubs kennengelernt. Ohne zu zögern haben sich Mirianne und Simeon daran gemacht, das Konzept auch in der HOPE & LIFE Diese Predigt passte wunderbar zum Grund meines Besuchs. CHURCH umzusetzen. «Dies war aber nur möglich, weil es dem Denn die HOPE & LIFE CHURCH bietet mit dem Champions Club Herzschlag unserer Gemeinde und unserer Pastoren entspricht, ein aussergewöhnliches Kinderprogramm für Familien mit be- dass alle Kinder Gottes Liebe und seine Annahme spüren dür- sonderen Herausforderungen an. Mirianne Fisch und ihr Mann fen und sollen; auch jene, die mit einer Behinderung leben» be- Simeon, beide Sozialpädagog/-innen, stellen mir den Champions tont Mirianne Fisch. Club vor. Das Angebot richtet sich vor allem an Kinder mit kog- nitiven Einschränkungen wie z. B. Autismus oder Trisomie 21. Das Begeistert und beeindruckt mache ich mich wieder auf die Heim- Konzept besteht aus drei Räumen, welche die Kinder durchlau- reise. Zuerst schnappte ich mir noch die fast 100-seitige Image- fen. Der erste Raum ist ein Ort der Ruhe und Entspannung. Die broschüre der HOPE & LIFE CHURCH. Zu Hause im Liegestuhl Kinder können sich durch die beruhigenden Farben, Musik und schlage ich die erste Seite auf und stosse auf das Editorial der Elemente wie Wassersäulen und Sternentunnel entspannen und Pastoren mit dem Titel «Gott hat ein JA zu deinem Leben». Das ankommen. Im zweiten Raum dürfen sie sich aktiv betätigen. Es ist es! Eine Kirche oder Gemeinde, bei der das bedingungslose JA gibt Boden- und Wandmatten zum Hüpfen, ein grosses Wandxy- Gottes zu unseren Leben – ob behindert oder nicht – gelebt wird lophon, eine Hängematte und grosse Bauklötze aus Schaumstoff. und aus allen Poren dringt, verfügt über die idealen Vorausset- Hier dürfen sich die körperlich aktiven Kinder in einem sicheren zungen, zu einer inklusiven Gemeinde zu werden. Rahmen austoben. Der dritte Raum ist der «Celebration»-Raum. Anzeige Hier hören die Kinder die Botschaft von der Liebe Gottes in einer Sprache und Art, die sie verstehen. Damit die Betreuung sicher- gestellt ist, melden die Familien ihre Kinder für den Champions Club an. Die Kinder werden 1:1 betreut, damit die Eltern ent- spannt die Celebration geniessen können. Doch wie ist der Champions Club überhaupt ins Emmental ge- kommen? Normalerweise treffen sich über 90 Kinder in der Turn- halle, erleben ein fätziges Programm und hören eine biblische Botschaft. Vor einiger Zeit wurde Mirianne Fisch von einer Mutter 16 Glaube und Behinderung | Info 2/2021
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