GUT & SICHER Basiswissen Nützliche Tipps für den Alltag Fahrtechnik - Institut für Zweiradsicherheit
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
GRUSSWORTE UND INHALT Die Themen im Überblick Richtige Blickführung .......................................... Seite 4 Der richtige Blick führt uns – wenn wir ihn richtig führen Bewusst fahren, Kurven fahren........................................................... Seite 6 Das ist das Größte, deswegen steht es ganz am Anfang Physikalische Grundlagen ................................. Seite 16 sicher ankommen Der Grenzbereich, erklärt in Bild und Wort Richtig bremsen ...................................................... Seite 18 Wie wir alles aus der Bremse herausholen und warum das so wichtig ist – geradeaus und in Schräglage Fahrer-Assistenzsysteme.................................... Seite 28 Elektronische Helferlein für Komfort und Sicherheit Besondere Bedingungen .................................... Seite 32 Es kann ja nicht immer die Sonne scheinen – und dann? Gefährliche Begegnungen ................................. Seite 36 Immer damit rechnen, dass keiner mit einem rechnet Ergonomie und richtiges Sitzen ...................... Seite 38 Nicht jedes Bike passt für jeden Körper Reifen............................................................................ Seite 40 Das schwarze Gold für den Kontakt mit der Straße Fitnesstraining......................................................... Seite 42 Andreas Scheuer, MdB Dr. Walter Eichendorf Matthias Haasper Dipl.-Ing. (FH) Michael Pfeiffer Fit fährt besser Bundesminister für Verkehr Präsident des Deutschen Verkehrs- Institut für Zweiradsicherheit Chefredakteur der Zeitschrift und digitale Infrastruktur sicherheitsrates e. V. (DVR) (ifz) MOTORRAD Mentales Training................................................... Seite 43 „Gutes Motorradfahren beginnt im Kopf“ (Eberspächer) D M F W Bekleidung und Schutzausrüstung ............... Seite 44 er Frühling ist für viele otorradfahren ist eine ahrspaß und Freude am ir von MOTORRAD haben Biker die schönste Zeit. der schönsten Formen Motorrad durch ein Mehr an für diese Broschüre all un- Schutz und Sicherheit für Kopf und Körper Die Vorfreude auf endlos der Mobilität, aber auch Sicherheit ermöglichen – das sere Erfahrung auf zwei geschwungene Bergpässe, den nicht ungefährlich. 2017 verun- sind nach wie vor die Ziele, die das Rädern eingebracht. Wir fahren Fahrtrainings, Impressum .................................. Seite 50 Sound der Maschine und Touren glückten laut Statistischem Bun- Institut für Zweiradsicherheit (ifz) seit vielen Jahren tagtäglich be- Trainingsanbieter, Inhalte und Weblinks mit Freunden zu den schönsten desamt 580 Biker und Bikerinnen bereits seit 1981 verfolgt. Und so ruflich und das, was die Redaktion Plätzen kennt kaum Grenzen. Die tödlich. Mehr als 28 000 wurden soll es nach dem Motto „Können auf Millionen von Testkilometern Physik hingegen schon. Denken verletzt, darunter rund 10 000 macht sicher“ auch weitergehen. erlebt hat, mündet beim Thema 4 18 Sie daran, wenn Sie sich nach schwer. Wer auf dem Motorrad Denn nur wer weiß, was er oder Sicherheit hochkonzentriert in die- einem gründlichen Technikcheck sicher ankommen will, sollte sie tut, ist sicher unterwegs. Die sem Booklet. Klar ist: die aktuellen Ihres Motorrades wieder auf die verantwortungsbewusst handeln Inhalte dieser Broschüre wurden Motorräder besitzen inzwischen ersten Fahrten begeben. Ihr Bike und sich stets an die Tempo- sorgfältig gewählt, auf den neues- eine hochentwickelte Elektronik ist hoffentlich nicht eingerostet, limits halten. Die Theorie für ei- ten Stand gebracht und um neue und ein ABS-System ist inzwischen Ihr Fahrgefühl vermutlich schon. nen guten Saisonstart finden Inhalte ergänzt, um Sie weiter zu Pflicht. Blitzschnell eingreifende Gehen Sie auf Nummer sicher Sie in unserer Broschüre. Fit für begeistern und die sicherheitsre- Fahrdynamik-Regelungen, haft- und nehmen Sie sich Zeit, um die Praxis werden Sie dank eines levanten Faktoren, die Ihre Fahr- freudige Reifen, neueste Lichttech- wieder in die Spur zu kommen. Fahrsicherheitstrainings. Beides ten auf zwei Rädern bestimmen, nik – die Technik hilft inzwischen 32 36 Und haben Sie Geduld mit ande- zusammen bereitet Sie bestens auf den Punkt zu bringen. Die sehr. Dennoch ist der Fahrer immer ren Verkehrsteilnehmern. Auch auf die neue Saison vor, denn Rechnung dabei ist einfach: Der noch entscheidend. Beschleuni- sie müssen sich erst wieder an Sie schätzen Gefahrensituationen Spaßfaktor vergrößert sich, wenn gen, Bremsen, die richtige Linie, Motorräder im Straßenverkehr besser ein, reagieren richtig und Sie gut vorbereitet sind. Also, die anderen Verkehrsteilnehmer, gewöhnen. In diesem Sinne: Fah- vermeiden Unfälle. Fahren Sie allseits sichere Fahrt und viel da gibt es genug zu tun. Bewusst ren Sie rücksichtsvoll und kom- vorausschauend und kommen Sie Vergnügen mit den spannenden fahren bleibt Pflicht. Damit Sie men Sie gut an. jederzeit sicher ans Ziel. Inhalten dieser Broschüre. immer sicher ankommen. 2 Motorrad fahren gut & sicher Motorrad fahren gut & sicher 3
RICHTIGE BLICKFÜHRUNG Dynamische Blickführung im Bild Den Kopf leicht schräg zum Körper für möglichst gerade gerückten Horizont, den Blick weit voraus Richtung Kurvenaus- gang, so macht der Kurventango Spaß sichtbar wird. Und dann bräuchte es ja noch Platz für den Brems- oder Ausweichweg. Unbewusst ahnen wir das, und der Bauch sagt ganz klar: mach langsam. Beim Heranfahren an die Kurve fällt der Blick gerne mal zum Fahr- Erst wenn unser Blick so weit bahnrand vor uns. Dort liegt Dreck, auch die Bäume und eine Hecke reicht, dass wir innerhalb der über- könnten unseren Blick auf sich ziehen. Aber da wollen wir nicht hin! blickten Strecke wenn schon nicht anhalten, so doch zumindest re- agieren können, stellt sich Wohl- Abstände zum jeweils Voraus- befinden ein. Was bedeutet, dass fahrenden für das Foto verkürzt bei 70 Sachen auf der Landstraße knapp 20 Meter Reaktionsweg plus Schrägliche Aussichten gut 20 Meter Bremsweg, also min- destens 40 Meter überblickt wer- den sollten, um sicher unterwegs zu sein. Bei hundert Kilometern pro W er kennt das nicht: Wir müs- kommen sie vielleicht rum. Ist das Blick regelrecht durch die Kurve Stunde sollten wir dann schon mehr sen auf der Straße wenden, Terrain eng oder gar schräg, wird zieht, wenn wir ihn denn mal drauf- als 70 Meter weit sehen können. Sie- der Bordstein kommt im- erst gar kein Versuch unternom- haben: Den Straßenrand und den he auch die Zeichnung beim Thema mer näher, das Vorderrad stößt an men, dort zu wenden. Nur wenn Nah-Bereich vor uns erfassen wir Bremsen auf Seite 20. und – plumps! Je klarer wird, dass wir es schaffen, den Kopf und am kurz immer wieder direkt und sonst Ungeübte sind auch oft deshalb wir nicht rumkommen, desto mehr besten auch noch den Oberkörper aus dem Augenwinkel. Bewusst viel schneller erschöpft als alte Nun sollten wir den Kopf drehen und in die Kurve hinein, ja regel- fixiert der Blick eben jenen Bord- in die gewünschte Fahrtrichtung lenken wir den Blick zum Kurven- Hasen, weil sie ihre Augen über- recht hinaufschauen, um uns auf den weiteren Verlauf der Strecke stein. Der Wendekreis des Motorrads zu drehen und den Blick auch dort ausgang bzw. auf der Geraden, dem all haben, auf alles achten, nichts und eventuellen Gegenverkehr einstellen zu können. hätte durchaus gereicht, wir haben bis zum Ende zu lassen, ist unser Tempo angepasst, entsprechend richtig wahrnehmen und dabei uns nur nicht getraut. Vor allem Gleichgewichtssinn einverstanden weit voraus – das nennen wir aktive, trotzdem nicht das für uns Wichtige aber: Wir haben den Kopf nicht weit und die Wende kann gelingen. dynamische Blickführung. vom Unwichtigen unterscheiden genug herumgedreht, haben das Nun ist es durchaus möglich, Wenn unsichere Motorradfahrer können. Das lässt sich allerdings nur vermeintliche Hindernis angeschaut solch ungeliebten Langsamfahr- langsamer als nötig durch Kurven schwer bewusst trainieren, hier gilt und sind so genau darauf zugefah- Manövern aus dem Weg zu gehen. fahren, fällt ihr Blick meist ziemlich noch mehr als sonst, dass Erfahrung ren. Nur wenn wir wirklich unseren Dumm nur, dass die Blickführung dicht vor das Vorderrad. Ihr Argu- vom Fahren kommt. Trainieren lässt Blick dorthin lenken, wo wir hin wol- mit zunehmendem Tempo immer ment: Sie müssen doch sehen, was sich aber die Blickführung, am bes- len, werden wir auch dort rauskom- wichtiger wird. Wenn wir bei Land- dort vor ihnen ist, um reagieren zu ten mit den Merksätzen von Bernt men. Das gilt immer dann, wenn bei straßentempo in einer Kurve den können. Doch klappt das dann wirk- Spiegel wie „In die Kurve schauen“, der Bewegung auch unser Gleichge- Graben oder den Gegenverkehr an- lich? Bei Tempo 50 legen wir etwa 14 „Blick weit voraus“ oder „Hinter die wichtssinn im Spiel ist. Beim Auto ist starren, werden wir kaum den Kur- Meter in der Sekunde zurück. Diese Kurve schauen“, wie in der Bilderfol- das reichlich egal, da drehen wir an venausgang heile erreichen. Unge- eine Sekunde wird üblicherweise als ge rechts. Das lässt sich auch schön der Lenkung und es geht ums Eck. zählt sind leider die Fälle, in denen Reaktionszeit angenommen, also als mental üben, siehe Seite 43, indem Und so probieren es auch Unge- ein Motorradfahrer nicht zu schnell die Zeitspanne, in der wir eine Re- wir uns die Situationen „vor Augen Je früher wir diesen Punkt anvisieren können, um so eher sehen wir übte mit dem Motorrad: Nach dem für die Kurve war, sondern für seine aktion beschließen, aber noch nicht führen“. Mit jedem Mal wird die den Radfahrer kommen und nehmen die folgende Rechtsserpentine Kontrollblick gehen die Augen wie- Blickführung. Hier hilft nur eisernes damit begonnen haben. 14 Meter Chance steigen, von Kurve zu Kurve wahr (innerhalb des fokussierten Kreises) der schräg vor das Vorderrad, mit Training und die wirklich tröstliche sind also bei Tempo 50 zurückgelegt, besser zu werden und, wenn es eng viel Platz und mitlaufenden Füßen Gewissheit, dass uns der richtige bevor irgendein Handlungsansatz wird, richtig zu reagieren. 4 Motorrad fahren gut & sicher Motorrad fahren gut & sicher 5
KURVEN FAHREN – THEORIE UND PRAXIS Entscheidend: Schwerpunkt und Reifenbreite M otorradtypen im Vergleich: Drei unterschiedliche Maschinen benötigen auf der gleichen Testkreisbahn bei 50 km/h unterschiedliche Schräglagen, obwohl theoretisch für jedes Motorrad 40,5 Grad reichen. Schwerpunkt Theoretisch erforderliche Schräglage 40,5 Grad Fahrzeugschräglage 45° 47° 53° 45° Schräglage 47° Schräglage 53° Schräglage Die Zeichnung zeigt eine 125er mit einem Modernes Sportmotorrad mit 180er- Fahrdynamische Katastrophe: ein Cruiser 130 Millimeter schmalen Hinterreifen. Hinterreifen und einer Schwerpunkthöhe von auf fettem 240er-Hinterreifen, bei dem Der Schwerpunkt aus Fahrer- und Maschinen- rund 600 Millimetern. Diese ergibt sich vor al- sich die Aufstandsfläche des Reifens um gut gewicht liegt mit 650 Millimetern relativ weit lem aus dem Ziel, dass in großen Schräglagen 110 Millimeter verschieben kann. Dazu kommt oben, da der hoch sitzende Pilot rund ein Drit- keine Bauteile aufsetzen. Die Aufstandsfläche der enorm tiefe Schwerpunkt, bedingt durch tel der Gesamtmasse ausmacht. Weil sich die des Reifens kann sich bis zu 80 Millimeter aus die flache Bauweise, den weit unten plat- Reifenaufstandsfläche nur zirka 55 Millimeter der Mittenebene verschieben, was eine zusätz- zierten Motor und den tief im Sitz platzierten aus der Mittenebene verlagern kann, benötigt liche Neigung von rund sieben Grad gegenüber Fahrer. Kombiniert treiben diese Faktoren die die 125er-Maschine 4,5 Grad mehr als die the- der theoretisch notwendigen Schräglage nötige Schräglage auf abenteuerliche Werte. oretisch notwendige Schräglage von 40,5 Grad, erfordert (siehe links). Generell gilt: Je höher Früh aufsetzende Teile wie Fußrasten, Seiten- die die Reifenbreite nicht berücksichtigt und der Schwerpunkt und je schmaler der Reifen, ständer oder Auspuff limitieren jedoch bei von einer mittigen Aufstandsfläche ausgeht, desto weniger Schräglage muss bei gleicher solchen Motorrädern die mögliche Schräglage dargestellt von der gestrichelten Linie. Kurvengeschwindigkeit gefahren werden. und somit die Kurvengeschwindigkeit. Die Welt ist eine Kurve! K urven sind für viele Motor- keit völlig unterschiedlich anfühlt. herum wenden bedeutet natürlich wegungen, die größeren müssen die Gabel steht. Beispiel: der Chop- die wir fahren wollen. Faustformel: radfahrer der Grund schlecht- Solange wir langsam fahren, Schritt- auch, dabei nach rechts zu lenken. wir bewusst durch Gegenlenken per. So müssen wir die Maschine rechts drücken, rechts fahren. hin, um überhaupt Motorrad geschwindigkeit zum Beispiel, müs- Und, wir erinnern uns ans Thema ausgleichen. aus der Geradeausfahrt regelrecht Natürlich kann man auch links zu fahren. Im Gleichgewicht zwi- sen wir der Kipp-Tendenz des Zwei- Blickführung, auch nach rechts zu Die Lenkung fühlt sich mit zu- in die Kurve zwingen. Je höher das am Lenker ziehen, um eine Rechts- schen Fliehkräften und Schwer- rads durch kleine Lenkbewegungen schauen. nehmendem Tempo immer sämiger Tempo, desto mehr Kraft benötigen kurve einzuleiten. Aber wozu so kraft, gehalten vom Grip der Reifen jeweils in die Richtung, in die das Ab einer Geschwindigkeit zwi- an, denn dem Einleiten einer Kur- wir hierzu. kompliziert? Dass wir unser Mo- wie schwerelos mit wechselnden Motorrad kippen möchte, und Ver- schen 20 und 30 km/h reicht die venfahrt wirken diverse Kräfte ent- Die Zeichnungen auf der fol- torrad – außer beim Wenden im Schräglagen durch Wechselkur- lagerung des Körpergewichts auf Fahrstabilität, um nicht mehr ba- gegen. Die Massenträgheit schiebt genden Doppelseite machen das Schritttempo – meist mit sehr ge- ven zu schwingen, ohne störende die jeweils andere Seite entgegen- lancieren zu müssen. Trotzdem weiter geradeaus, die Kreiselkräf- anfangs verwirrende, weil inverse ringen Lenkausschlägen um die Querbeschleunigung gleichsam zu wirken. Mehr Stabilität in dieses fährt das Motorrad unmerkliche te der Räder sträuben sich gegen Lenkverhalten optisch deutlich. Wir Mittellage auf Kurs halten, merken schweben, das macht Motorradfah- labile Gleichgewicht holen sich Schlangenlinien, verursacht oder die gewünschte Lageveränderung, lenken beim Einleiten einer Kurven- wir spätestens dann, wenn das ren aus. Auf dem Weg zum sicheren Könner durch den Einsatz der Fuß- verstärkt durch unzählige Einflüs- die Fliehkraft zerrt ohnehin immer fahrt quasi in die Gegenrichtung. Lenkkopflager verschlissen ist und Genuss dieser fahrdynamischen Er- bremse, mit der sie die Maschine se wie Bodenwellen, Seitenwind, zur Kurvenaußenseite und das Lenkt der Fahrer nach links, kippt in der Mittelstellung einrastet. Dann fahrung hilft etwas Verständnis der „strecken“ und mit Drehzahl etwas Windschleppen anderer Autos, eine aus dem Nachlauf resultierende das Motorrad nach rechts, und fühlt sich das Fahren taumelnd und physikalischen Zusammenhänge. über Standgas gegen die schlei- schräge Straße oder Längsrillen, Rückstellmoment des Vorderrads umgekehrt. Einleuchtender klingt unsicher an. Einen ähnlichen Effekt Ein Motorrad verblüfft Anfänger fende Kupplung fahren. Mit etwas etwa vor einer Ampel. Die kleineren will auch lieber geradeaus. Dieses es so: Wir schieben (oder drücken) kann ein zu stramm eingestelltes zunächst einmal damit, dass sich Übung ist Schrittgeschwindigkeit korrigieren wir ständig durch mehr ist umso größer, je mehr Nachlauf immer das Lenkerende auf der Seite Lager oder ein zu schwergängiger die Lenkung je nach Geschwindig- kein Hexenwerk. So langsam rechts oder weniger unbewusste Lenkbe- das Vorderrad hat, sprich, je flacher nach vorne (nicht nach unten!), in Lenkungsdämpfer haben. 6 Motorrad fahren gut & sicher Motorrad fahren gut & sicher 7
KURVEN FAHREN – THEORIE UND PRAXIS Großen Einfluss auf die Fahrei- ringer Luftdruck sich insbesondere Je schneller wir fahren, desto mehr Bliebe die Lenkung nach dem Straßenverkehr meist das Legen wir die Bremse loslassen, wird sich genschaften hat auch die Höhe des bei Kurvenfahrten negativ auswirkt. Schräglage ist also nötig für die Kur- ersten Einlenkimpuls derart nach angewendet, mit dem sich fast jede die Maschine leicht um die Kurve Schwerpunkts (siehe Seite 7). Man Durch das verstärkte Walken des venfahrt. Dem entgegen wirkt der rechts gerichtet, käme die Maschine Kurve bewältigen lässt, sowie das lenken lassen. merkt das beim Rangieren: Mo- Reifens steigt die Lenkkraft deutlich Rollwiderstand am Vorderrad, denn völlig aus der Balance und würde Drücken, wenn es mal eng wird Spätestens jetzt wird klar, ob wir torräder mit hohem Schwerpunkt an, die Lenkpräzision verschlechtert er wirkt kurveneindrehend, weshalb tatsächlich nach links umkippen. oder schnell gehen muss. Gewichts- im richtigen Gang unterwegs sind. sind schwerer auszubalancieren. sich und der Verschleiß nimmt zu. die Maschine zum Aufrichten ten- Folglich müssen wir das Einkippen verlagerung nach „vorne-innen“ Wer mit einem zu kleinen Gang ein- Auch beim Fahren macht ein hoher Deshalb sollte man den Luftdruck diert; ein Effekt, den wir besonders der Maschine in Linksschräglage (siehe Titelbild), das „aktive Legen“, lenkt, wird durch die hohe Drehzahl Schwerpunkt die Maschine kippe- – der kalten Reifen – regelmäßig dann zu spüren bekommen, wenn durch eine sanfte Lenkbewegung bringt auch auf der Straße oftmals und das Bremsmoment des Motors liger, weil das ganze System labiler kontrollieren. wir in Schräglage vorne bremsen zur Kurveninnenseite abschwächen Vorteile, etwa beim Bremsen in der zusätzlich gebremst. Das Motorrad ist und schneller reagiert. Ein hoher Motorradfahrer geben den Lenk- müssen. Das heftige Aufstellmo- und stabilisieren (zweite Zeichnung Kurve, will aber trainiert sein. ist daher vor dem Scheitelpunkt Schwerpunkt sorgt auch dafür, dass impuls zum Einleiten einer Kurven- ment wird uns die Linie verhageln, links unten). Ist in der Rollphase Beim Zufahren auf eine Kurve der Kurve vielleicht zu langsam, der das Motorrad beim Bremsen und fahrt normalerweise völlig unbe- wenn wir nicht mit einem kräftigen eine größere Schräglage bei kons- gilt es zunächst einmal, das mög- Fahrer muss durch Beschleunigen Beschleunigen instabiler wird, es wusst. Ihn bewusst einzusetzen, Druck am Lenkerende dagegen- tanter Geschwindigkeit nötig, etwa liche Kurventempo einzuschätzen oder Aufrichten korrigieren. Im zu neigt eher zu steigendem Vorder- hilft aber nicht nur bei schnel- halten. Dazu mehr am Ende dieses weil sich die Kurve zuzieht, wird am und, falls nötig, zu bremsen. Dieser hohen Gang fehlt die Motorbremse, (Wheelie) oder Hinterrad (Stoppie). len Schräglagenwechseln, sondern Kapitels. linken Lenkerende nachgedrückt. Bremsvorgang sollte am besten wir müssen länger auf der Brem- Nötig ist also ein gelungener Kom- auch beim Ausweichen, auch und Das Durchfahren einer Kurve Am Scheitelpunkt legen wir in vor dem Einlenken abgeschlossen se bleiben oder weiter runter in promiss zwischen Fahrstabilität und gerade in der Kurve. Die Gewichts- können wir in vier Teile gliedern: Phase vier durch mehr oder weni- sein. Warum? Weil in Schräglage die Schräglage als geplant. Tut man das Handlichkeit. verlagerung des Fahrers wirkt dabei Anbremsen, Einlenken, Rollen, Be- ger starkes Beschleunigen unsere Reifenaufstandsfläche aus der Mitte nicht, treibt die Fliehkraft das Mo- Eine wichtige Rolle kommt den zwar unterstützend, doch erst der schleunigen. In der ersten Phase weitere Fahrlinie fest. Durch die wandert, ergibt sich daraus ein He- torrad auf großem Bogen aus der Reifen zu. Je breiter sie sind, desto Lenkimpuls lässt das Motorrad bremsen wir herunter auf das in Beschleunigung erhöhen sich die belarm. Dieser Hebelarm erzeugt Spur, sprich: in den Gegenverkehr mehr Schräglage braucht ein Mo- genau dann und genau so weit in unseren Augen passende Tempo. Fliehkräfte, und das Motorrad rich- zusammen mit der Bremskraft ein oder in den Straßengraben – wo ja torrad in der Kurve, denn mit zu- Schräglage abtauchen, wie wir wol- Ist der Einlenkpunkt beispielswei- tet sich wieder aus der Schräglage Lenkmoment, wodurch sich die nun wirklich keiner hin will. nehmender Breite wandert die Auf- len. Und es verschafft ein sehr sou- se einer Linkskurve erreicht, leiten auf. Zum gänzlichen Aufrichten, Maschine aufstellt, wenn der Fah- Bereits beim Einlenken ist es standsfläche der Reifen in Richtung veränes Gefühl, damit das Motorrad wir in Phase zwei den Lenkimpuls etwa weil weitere Kurven folgen, rer nicht mit einer entsprechenden wichtig, dass wir die Blickführung Kurveninneres. In unseren Zeich- zu beherrschen – versprochen! am linken Lenkerende ein, machen genügt eine Lenkbewegung zur Kraft dagegenhält. Diesem Aufstell- zum Kurvenausgang richten, damit nungen auf der vorhergehenden Die gefahrene Schräglage resul- also eine kurze Lenkbewegung ge- Kurveninnenseite. In diesem Fall der moment (siehe Foto auf Seite 15) der Blick uns durch die Kurve zie- Seite sieht man deutlich, wie stark tiert – und jetzt wird es ein wenig gen die Kurvenrichtung, hier nach Druck am rechten Lenkerende, der müssen wir mit einem kräftigen hen kann (Details hierzu ab Seite 4). sich die nötige Schräglage für die kompliziert – aus einem Gleichge- rechts. Das bringt das Motorrad aus bei Bedarf auch gleich die nächste Druck am kurveninneren Lenker- Während der folgenden Rollpha- gleiche Kurve dadurch verändert. wicht zwischen im Schwerpunkt an- dem Gleichgewicht, und es kippt Rechtskurve einleitet. ende entgegenwirken. Tun wir se wirken keine nennenswerten In diesem Zusammenhang wird greifender Fliehkraft und wirkender nach links in Schräglage ab (siehe Von den drei auf Seite 10 unten dies, können wir auch in der Kurve Umfangskräfte (Bremsen oder Be- leicht nachvollziehbar, dass zu ge- Schwerkraft (siehe Grafiken unten). Zeichnung links unten). abgebildeten Kurvenstilen wird im bremsen. Aber erst dann, wenn schleunigen) mehr. Falls man es Der Lenkimpuls leitet die Schräglage ein Schwerpunkt Hochachse Reifenaufstand zu Schwerpunkt 50 Grad Schräglage und mehr sind möglich, Meist unbewusst erfolgt Bei dieser geringen Mit 30 Grad Schräglage ist weil sich moderne Sportreifen im Asphalt verzahnen. der Lenkimpuls vor einer Schräglage von 15 Grad man bei trockener Straße auf Jetzt verringern sich Lenkwinkel und somit die Linkskurve zunächst nach ist der Lenker mit etwa zwei der sicheren Seite: Die Seiten- Lenkkräfte, der Fahrer ist beim sogenannten rechts, worauf das über die Grad nach links relativ weit führungskräfte reichen locker kraftneutralen Kurvenfahren angelangt. Reifenseitenkraft eingeleitete eingeschlagen. Meist muss aus, um die Fliehkraft zu Momente aus Fliehkraft und Kippmoment Motorrad und der Fahrer in dieser Situation kompensieren.Gut zu sehen: Schwerkraft halten sich Fahrer nach links kippt. mit einem Gegendruck am Fliehkraft Der Reifenauf- Fliehkraft die Waage. Je größer der Lenkimpuls/ Kipp- kurveninneren Lenkergriff standspunkt wan- Lenkwinkel ausfällt, desto moment arbeiten. Der Reifenauf- dert mit steigender Schräg- abrupter klappt die Maschine standspunkt liegt nämlich lage über die Lauffläche Fliehkraft in Schräglage. Wie sich das außermittig und möchte die weiter nach innen. genau anfühlt, sollte man Lenkung nach innen verdrehen mal auf einer verkehrsfreien, – mit der Folge, dass sich das übersichtlichen Strecke aus- Motorrad aus der Schräglage probieren – und üben. aufrichten würde. Schwerkraft Schwerkraft Schwerkraft Schwerkraft Schräglage: 0° Schräglage: 15° Schräglage: 30° Schräglage: 50° Lenkwinkel: 1,5 – 2,0° Lenkrichtung Lenkwinkel: ca. 2,0° Lenkrichtung Lenkrichtung Lenkwinkel: ca. 1,2° Lenkrichtung Lenkwinkel: ca. 0,5° 8 Motorrad fahren gut & sicher Motorrad fahren gut & sicher 9
KURVEN FAHREN – THEORIE UND PRAXIS mit der Schräglage übertrieben hat, sich nur: ab wann? Über diesen Die Zeichnungen auf der Seite 13 rutschen die meisten Motorräder zuerst übers Vorderrad weg. Doch Punkt entwickeln sich unter Mo- torradfahrern ebenso hitzige Dis- verdeutlichen dies. Fahre ich eine Kurve zu eng an, lenke also zu früh Grip: ohne Haftung keine Schräglage keine Sorge, moderne Reifen ste- kussionen wie über die richtige ein, sehe ich nicht nur den weiteren cken in optimaler Verfassung – bei Betriebstemperatur und auf griffi- Linienwahl. Häufig hört man dieses Rezept: Ab dem Scheitelpunkt oder Verlauf und eventuellen Gegen- verkehr unnötig spät, die zu flache G rip, das bezeichnet das Kraftschlusspotential zwischen Reifen und Straße. Damit diese Verbindung möglichst viel Kraft übertragen kann, muss sich der mehr oder weniger weiche Gummi in den mehr Asphalt gleitet. Dabei verformt sich der Gummi, seine ursprüngliche Form nimmt er danach nur verzögert wieder an (Fachbegriff: Gummi- Hysterese). Anschaulich nachvollziehen lässt sich das, wenn man den gem Asphalt – Schräglagen bis zu kurz danach wird beschleunigt. Linie in Kombination mit hohem oder weniger tiefen Poren des Asphalts verzahnen können. Klares Ziel Daumennagel in einen warmen Sportreifen drückt: Der Abdruck des 50 Grad oder mehr weg. Die meis- Da dieser aber nicht immer klar er- Tempo kann mich auch dem Gegen- bei der Reifenentwicklung: eine möglichst gute „Haftung“ bei Nagels bleibt noch eine gewisse Zeit bestehen. ten Motorräder geben schon weit kennbar ist, eignet sich ein anderes verkehr gefährlich nahe bringen. In nasser wie trockener Fahrbahn, und das bei möglichst allen Tem- Die Straßenoberfläche weist je nach Beschaffenheit einen mehr vorher deutliche Warnsignale, weil Kriterium besser: Ab dem Punkt, an Linkskurven mit dem Kopf über die peraturbereichen und Straßenbelägen. Moderne Gummimischungen oder weniger guten Reibbeiwert auf, der mit der Größe„µ“ bezeichnet sie mit Fußrasten, Ständer oder Aus- dem ich das Ende der Kurve einse- Linie zu geraten, weil das Fuhrwerk garantieren auch bei niedrigen Temperaturen eine sichere Radführung. wird und Einfluss auf mögliche Schräglage und Bremsweg hat (siehe puff über den Asphalt kratzen. Und hen kann, kann ich auch ans Gas ge- in Schräglage breit wird wie ein Denn wäre die Gummimischung bei Kälte zu hart und spröde – man auch Kasten auf Seite 22). Auf Landstraßen kann der Grip im Frühjahr viele Motorradfahrer trauen sich gar hen. Bis ich weiß, wie es weitergeht, Auto, (siehe Fotos auf Seite 14) führt spricht von Glasverhalten –, dann könnten sich die kleinen Spitzen besser sein als im Herbst, weil über den Winter die kleinen Wasserein- nicht so weit runter – schließlich muss ich eben abwarten, sprich, die bestenfalls zu unschönen Schlen- des Asphalts (Fachbegriff: Mikrorauigkeit) nicht mit dem Gummi schlüsse in der Straßenoberfläche, speziell in den runden Steinchen, ist der Mensch genetisch nur auf Rollphase ausdehnen. Aus dieser kern, schlimmstenfalls zu Ausweich- verzahnen, die Haftung wäre geringer. Je wärmer und somit visko- durch den Frost aufbrechen und feine Spitzen ausbilden. Sind Salz und Schräglagen bis 20 Grad program- Forderung ergibt sich zwangsläufig, sturz oder Kollision. Die Fortsetzung elastischer der Reifen wird, desto tiefer können sich die Asphaltspitzen Staub erst einmal gründlich ausgespült, können sich die Reifen in die- miert. Um mehr Schräglage zu errei- dass ich meine Linie im Straßen- dieser falschen Linienwahl leitet in in den Gummi bohren. sen aufgerauten Oberflächen sehr effizient verzahnen. Leider polieren chen, hilft nur üben und trainieren. verkehr so wählen muss, dass ich der nächsten Rechtskurve aber ge- Richtig griffig wird der Reifen jedoch erst, wenn er mit leichtem die Autoreifen in viel befahrenen Kurven diese Spitzen im Lauf des Nach der je nach Kurve unter- möglichst früh möglichst viel sehen radewegs auf die Gegenfahrbahn. Schlupf, also einem minimalen Durchrutschen über die Verzahnung im Sommers glatt, was den Grip wieder verschlechtert. schiedlich langen Rollphase kann kann, ohne freilich im Gegenver- Rechtsherum sind wir natürlich meist beschleunigt werden, fragt kehr rumzukreuzen. ebenso breit, müssen Abstand zur Asphaltstrukturen unter der Lupe Makrorauigkeit Mikrorauigkeit Die sogenannte Mikrorauigkeit (rot), deren Rautiefe zwischen 0,001 und 0,1 Millimetern liegt, verbessert die Haftung speziell bei Die drei Kurvenstile im direkten Vergleich Nässe entscheidend. Die Makrorauigkeit (grün) hingegen hat eine Tiefe zwischen 0,1 und 10 Millimetern und verbessert vor allem die grobe Verzahnung zwischen Reifen und Asphalt bei trockener Straße. Rennstrecke griffige Landstraße glatte Landstraße extrem glatter Belag Makro- und mikrorau Makroglatt und mikrorau Makrorau und mikroglatt Makro- und mikroglatt Im rauen Rennstreckenbelag können sich weiche Gummimischungen bestens verzahnen. Zudem sickert bei Nässe das Wasser in die Vertiefungen. Auch der griffige Landstraßenasphalt bietet durch die Mikrorauigkeit beste Bedingungen für die zügige und sichere Kurvenfahrt. Der glatte Landstraßenasphalt mit den rund polierten Steinen ist bei Regen mit Vorsicht zu genießen; solche Beläge finden sich oft in den Mittel- meerländern. Extrem glatte Beläge gibt es im Straßenbau nur auf Fahrbahnmarkierungen wie Zebrastreifen; der Asphalt ist dort lackiert oder Drücken In die Kurve legen Hanging-off mit Kunststoff überzogen. Vor allem bei Nässe sind solche Fahrbahnmarkierungen sehr gefährlich, sie können beinahe so rutschig wie Eis werden. Diese Kurventechnik stammt ursprüng- Der Klassiker: Fahrer und Maschine bilden So praktiziert wie auf dem Bild findet die- lich aus dem Geländesport. Der Fahrer in Schräglage eine Linie. Entweder mit ser Fahrstil vor allem auf der Rennstrecke Der Reifen – unterschätztes Genie mit Führungsqualitäten bleibt dabei relativ aufrecht, das Motorrad festem Knieschluss oder locker-sportlich ab- Anwendung, wo der weitere Streckenverlauf wird mit dem Lenker nach unten gedrückt. gespreiztem Knie passt dieser Fahrstil für alle bekannt ist. Bei gleicher Kurvengeschwin- Die Reifenaufstandsfläche, der Hüftknick (oder extrem wie oben das Rüberrut- Arten von Kurven in jedem Tempo. Die Fahrt- digkeit verlangt er weniger Schräglage, dafür sogenannte Latsch (rot), stellt schen mit dem Gesäß) und fester Knieschluss richtung lässt sich sehr schnell korrigieren, aber Kraft und viel Übung. Auf der Straße kann den Kontakt zwischen Straße und Seitenkraft Seitenkraft helfen. Das funktioniert gut in engen Kurven aus dem Legen kann man in Wechselkurven die abgeschwächte Form, das Hineinlehnen Motorrad her. Die Skizze zeigt einen und Serpentinen, bei schnellen Kurswechseln nahtlos ins Drücken übergehen. Die entspannte mit viel Druck aufs Vorderrad, (gut zu sehen 180er-Sportreifen mit spitzer Reifen- oder Ausweichmanövern. Für Schotterstrecken Sitzhaltung verlangt wenig Kraft. Hier auch gut auf dem Titelbild) in vielen Kurven helfen. Vor kontur in 48 Grad Schräglage. Aus und auf losem oder rutschigem Untergrund zu sehen: Der Fahrer neigt den Kopf, um seinen allem, wenn man in Schräglage stark bremsen etwa 38 cm2 Kontaktfläche ergibt sich Bei zu niedrigen Reifentemperaturen kann es mit speziellen Gummi- ideal, weil der Körperschwerpunkt eher über Blickhorizont möglichst gerade zu halten, der muss. Auch gut zu sehen auf den Bildern oben: die Seitenführungskraft des Reifens. mischungen, zum Beispiel für den Sporteinsatz, zum Glasverhalten der Reifenaufstandsfläche liegt. Blick geht Richtung Kurvenausgang. Der Ver- Bei allen drei Stilen benötigen Mann und Dabei ist noch zu berücksichtigen, kommen. Der Gummi ist zu hart, um sich mit der rauen Oberfläche zu gleich mit dem linken Bild zeigt: Die Schräg- Maschine deutlich mehr Raum als in Gerade- dass meist nur ein Teil dieser Fläche verzahnen (blau). Erst mit steigender Temperatur bildet die warme Lauf- lage ist etwas geringer als beim Drücken. ausfahrt, bei Hanging-off am meisten. vollständigen Bodenkontakt hat. fläche des Reifens (rot) einen nahezu formschlüssigen Kontakt zur Straße. 10 Motorrad fahren gut & sicher Motorrad fahren gut & sicher 11
KURVEN FAHREN – THEORIE UND PRAXIS Felswand oder den Leitpfosten hal- Kurvenfahrt: die Phasen ten. Auf engen, unübersichtlichen Kurvenstrecken bleibt uns aller- Tipps zur richtigen Linienwahl dings oft nichts anderes übrig, als Rote Phase: weit rechts zu bleiben und entspre- A npassungsbremsung vor dem Einlenken. Einlenken auf der chend langsam zu fahren. Aber welche ist nun die richtige Linie? Auf Rennstrecken wird unter Bremse ist kritisch, Ausnutzung der ganzen Fahrbahn denn bei vielen, vor die kürzestmögliche Linie mit ge- allem bei breit bereiften ringstmöglicher Schräglage und Maschinen entsteht ein Auf- höchstmöglichem Tempo gefahren, stellmoment. Dabei wandert die Aufstandsfläche des Vorderreifens aus der Radmittenebene die sogenannte Ideallinie. Auf der Verführerisches Kurvengeschlängel (siehe gelb gestrichelte Linie auf Skizze unten), und das Motorrad versucht, sich aufzurichten. Straße folgen wir der sogenannten mit Risiko. Der Straßenverlauf lässt sich Dieses Phänomen muss der Fahrer durch Gegen- Sicherheitslinie. Sie erfordert bis- zum Großteil nicht einsehen, weshalb unerwar- lenken ausgleichen. Bei unseren Fahrversuchen weilen mehr Schräglage, erleichtert tet ein Auto oder Motorrad auftauchen kann – unangenehm bis gefähr- ergab sich eine nötige Gegenlenkkraft von bis zu aber eine optimale Blickführung lich, wenn man die Kurven schneidet. Besser ist deshalb das sogenannte 250 Newtonmetern bei zwölf Grad Schräglage. und hält uns vom Gegenverkehr Hinterschneiden der Kurven, zumal man stets damit rechnen muss, dass fern. Logisch: Je früher wir sehen ein Fahrer im Gegenverkehr die S-Kurve schneidet und im schlimmsten Falsche Linie Bremsen Reifenumfangskräfte Seitenführungskräfte können, umso früher können wir Fall auf der falschen Straßenseite daherkommt. Wenn wir dann selbst die Gedachter Rollen Schwach Schwach einlenken und dann auf flacher Li- Kurve geschnitten haben, stehen unsere Chancen denkbar schlecht. Scheitelpunkt Beschleunigen Mittelstark Mittelstark nie kräftig ans Gas. Idealerweise ist Stark Stark das Tempo am Ausgang der Kurve höher als am Kurveneingang. Pri- ma Anschauungsmaterial liefert In Wechselkurven kommt der der Film „Die Kurve richtig kriegen“ Vorteil des Hinterschneidens Gelbe Phase: noch mehr zum Tragen, weil es der vom Institut für Zweiradsicherheit, S chräglage in der Rollphase. In diesem Fahrzustand fallen die Umfangskräfte zu sehen unter https://www.ifz.de/ das-hinterschneiden-von-kurven/ in der Rechtskurve spät gesetzte Schei- telpunkt erlaubt, die folgende Linkskurve von weit außen anzufahren. Den Fahrer auf Um nun rasche Schräglagen- am Vorderrad sehr wechsel zu meistern, wie sie zum der falschen Linie (gestrichelt) drängt es in gering aus, während Beispiel schnelle Wechselkurven Richtung Gegenfahrbahn, und er muss für die am Hinterrad je nach erfordern, setzen wir den bereits folgende Linkskurve von einer äußerst ungüns- konstanter Geschwin- beschriebenen Lenkimpuls ein. tigen Position aus hart einlenken. Eine flüssige, digkeit die Antriebskraft Denn diese Manöver gelingen we- runde Linie ist damit nicht zu machen. einwirkt – bei 100 km/h der über gut gemeinte Gewichts- zirka acht PS. Die Reifen können jetzt hohe Seitenkräfte übertragen und verkraften somit verlagerungen noch den ominösen eine enorme Schräglage. Bei zu viel Schräglage verlieren die Reifen die Haftung, zuerst meist Schenkeldruck, sondern nur über der schmalere Vorderreifen. Umgekehrt kann zu niedrige Kurvengeschwindigkeit zum Kippen kräftige und gezielte Lenkimpulse. führen; frühzeitiges leichtes Beschleunigen baut dem vor. Idealerweise übt man hierzu Druck auf das kurveninnere Lenkerende Die klassische Grüne Phase: aus. Um zum Beispiel eine Honda Kurve, die durch CBF 600 mit 100 km/h durch ei- ihre Übersichtlichkeit B eschleunigen aus der Schräglage heraus. Am Kurvenausgang wird nen Kurvenparcours zu bugsieren, muss der Fahrer beim Schräglagen- eine fein zurechtgelegte Ideallinie und entsprechende sanft das Gas auf- wechsel mit bis zu 300 Newton, Schräglagen erlaubt.Schneidet gezogen, wodurch also einer Gewichtskraft von rund man die Kurve jedoch an (gestri- sich das Motorrad 30 Kilogramm, am Lenker drücken. chelte Linie), muss das Motorrad am aufrichtet und Die Faustformel „rechts drücken – Kurvenausgang die größte Schräglage der Kurvenradius rechts fahren“ und „links drücken fahren, will man nicht mit eventuellem größer wird. Will man – links fahren“ bleibt natürlich leich- Gegenverkehr auf Kollisionskurs gehen. Beim das Aufrichten vorantreiben, ter hängen und sollte unser Mantra Hinterschneiden (durchgezogene Linie) liegt hilft ein zusätzlicher Druck am kurvenäußeren Ende des Lenkers. Je nach Beschleunigung für den Fahralltag werden. der Scheitelpunkt hingegen später (Pylone). Man sieht besser wirkt eine mehr oder weniger starke Umfangskraft auf den Hinterreifen. Deshalb verkraf- Wie leicht Kurven von der Hand um die Kurve und kann auch deshalb auf der flacheren Linie tet er weniger Seitenkräfte und damit Schräglage als der Vorderreifen, der eine sichere gehen, hängt neben der Fahrtech- deutlich früher wieder ans Gas gehen, was die etwas langsamere Seitenführung in Schräglage garantiert. nik auch vom Motorradtyp ab. Ein Kurvengeschwindigkeit mehr als wettmacht. langer Radstand ist ebenso wie ho- hes Gewicht hinderlich beim locke- 12 Motorrad fahren gut & sicher Motorrad fahren gut & sicher 13
KURVEN FAHREN – THEORIE UND PRAXIS das Mantra von der aktiven, dy- sehr schnell gehen. Die Fußbrem- wie im ersten Beispiel, so muss der namischen Blickführung erinnern: se ist tabu, durch die dynamische Blick aus der Kurve heraus gerade Blick Richtung Kurvenausgang, Radlastverlagerung würde das Hin- gerichtet werden. Wenn wir die Lenkimpuls, runterdrücken! Denn terrad zu schnell ausbrechen. Mittel Spur halten wollen, bleibt der Blick prinzipiell gilt: Wir sollten da hin- der Wahl ist die Handbremse, die weiter in Kurvenrichtung orientiert. schauen, wo wir hin wollen. Weit vo- wir gefühlvoll, niemals ruckartig, Guten Grip vorausgesetzt, lässt sich rausschauen und den Blick dorthin aber durchaus kräftig anlegen. Jetzt auch beim Bremsen in Schräglage richten, wohin man fahren möchte, kommt es darauf an, ob wir gerade- ordentlich verzögern. Wir müssen also auf die gewünschte Fahrlinie, aus Platz haben und ganz anhalten die Bremse allerdings dabei sensi- nicht auf den Wald oder womöglich wollen oder müssen, dann können bel dosieren, was sich am besten auf die Leitplanke, wie sie auf den wir das Motorrad mit einem kurzen bei einem Sicherheitstraining (siehe Das sieht doch eigentlich harmlos aus, der Motorrad- Käme jetzt der Bus entgegen wie in dieser Montage, beiden Bildern links zu sehen ist. Mit Lenkimpuls aufrichten und aufrecht Seite 50) üben lässt. Die Dosierung fahrer ist ganz auf seiner Fahrbahn. Doch warum fährt müsste der Motorradfahrer heftig ausweichen – dabei dem richtigen Blick bestehen beste zum Stehen kommen. abhängig von der Schräglage könn- er nicht weiter rechts, wo noch so viel Platz ist? sind schon etliche von der Straße abgekommen Chancen, doch noch unbeschadet Wenn wir hingegen die Spur hal- te einem ein modernes Kurven-ABS ums Eck zu kommen. ten wollen oder müssen, vielleicht abnehmen (Details auf Seite 28). ren Kurventango. Viel Einfluss auf haben sollte. Denn mit einem geziel- auf ihre vollen Gläser auf dem Tab- Und was, wenn wir dann doch gar nicht bis zum Stillstand brem- Noch bei einer anderen Gele- das Fahrverhalten haben auch die ten Lenkimpuls geht der störrischste lett starren, schwappt die Flüssigkeit mitten in der Kurve in voller Schräg- sen wollen, dann hält ein kräftiger genheit können wir gleichzeitiges Reifen. Die Lektüre von Reifentests Bock um die Ecken, und mit guter unweigerlich über. Richten sie den lage bremsen müssen? Sei es, weil Druck am kurveninneren Lenker- Bremsen und Lenken gut gebrau- bringt Klarheit über die Lenk- und Blickführung am Ende auch wie- Blick dagegen auf den Tisch des Gas- wir uns verschätzt haben, zu weit in- ende (siehe unten) das Bike in der chen: beim Ausweichen während Kurveneigenschaften. der hinaus. Sie lässt sich auch beim tes, klappt alles wie von selbst – pro- nen oder außen sind, ein Hindernis Spur und somit auf der Fahrbahn. einer Vollbremsung. Wie das geht, Lenkimpuls und Blickführung Radfahren, Paddeln, Skifahren oder bieren Sie es doch einfach mal aus. den geplanten Weg versperrt oder Wichtig dabei ist wieder die Blick- finden Sie ausführlich beschrieben sind allerdings die wesentlichen Skaten üben, sogar beim Servieren. Nicht erst wenn es eng wird, aber Dreck auf unserer Spur eine andere führung. Wollen wir aufrichten und am Ende des Bremsenkapitels ab Grundfertigkeiten, die man drauf- Kellner wissen das: Wenn sie gebannt spätestens dann sollte sich jeder an Linie nötig macht? Dann muss alles geradeaus zum Stehen kommen Seite 24 in dieser Broschüre. Diese Fehler sollten Sie vermeiden Bei gezogener Vorderradbrem- se möchte das Vorderrad nach rechts eindrehen, die Maschine würde sich aufrichten. Der Druck am rechten Lenkerende kompensiert das und zwingt sie in Schräglage Zu hohe Anfangs- geschwindigkeit Anpassungsbremsung Panikbremsung ohne Schräglagenangst und mit Kurven-ABS Fiese Fallen beim Kurvenfahren und wie man ihnen entgeht Schräglagenangst. Die Folge: Der Kurven- Training unter professioneller Anleitung (Seite Mangelnder Reifengrip. Nur griffige Reifen radius endet auf der Gegenfahrbahn (siehe 50). Und Kurven-ABS, das immer gerade so viel lassen knackige Schräglagen zu. Außerdem Skizze oben). Häufigste Ursache: mangelndes Bremsdruck erlaubt, dass der Grip noch reicht müssen Profiltiefe und Luftdruck stimmen. Training von Schräglage und falsche Blick- und das Motorrad ziemlich in der Spur bleibt. Zu wenig Bodenfreiheit durch schlappe führung. Tipp: Wenn es richtig eng wird, das Überstürzte Überholattacken. Sich vor Federelemente. Massive Bauteile wie Motorrad im Fahrstil „Drücken“ durch die Kurve dem nächsten Kurvengeschlängel auf der Rahmen, Motorgehäuse und Krümmeranlage zwingen, den Blick auf die Fahrbahn in Rich- letzten Rille an einem Auto vorbeizudrücken können das Bike gnadenlos aushebeln. tung Kurvenausgang richten. ist brandgefährlich. Die bessere Lösung: rechts Mögliche Abhilfe: Fahrwerkseinstellung ändern „Einfrieren“ auf der Bremse. Das Problem: ranfahren, ein kleines Päuschen machen, (Federbasis und eventuell Druckstufendämp- zu spätes, panikartiges Anbremsen einer Kurve dann entspannt über die Kurvenpiste surfen. fung erhöhen). aus hohem Tempo, die Bremse wird am Ein- Undichte Telegabeln oder Stoßdämpfer. Äußere Umstände. Regen, Ölspuren, neue lenkpunkt nicht gelöst, das Motorrad weigert Schlechte Dämpfung kann den Fahrbahnkon- Fahrbahnbeläge oder Bitumenstreifen sind sich, einzubiegen und fährt aus der Spur – takt dramatisch verschlechtern. Schadhafte potenzielle Gefahrenquellen. Mehr dazu ab (siehe Skizze oben rechts). Hier hilft intensives Komponenten tauschen oder reparieren lassen. Seite 32. 14 Motorrad fahren gut & sicher Motorrad fahren gut & sicher 15
PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN Wo ist der Grenzbereich? D ie Grenzen der Reifenhaftung bald Kamm. Die eingeleiteten Kräfte eine geringe Brems- oder Beschleu- werden von diversen Kräften in Schräglage müssen immer inner- nigungskraft genügt, um den Kreis beeinflusst. Da sind die Um- halb dieses Kreises bleiben, damit zu verlassen, sprich, zu stürzen. fangs- oder Längskräfte, die beim die Räder nicht wegrutschen. Der Kammsche Kreis wird umso Bremsen und Beschleunigen ent- Der Kammsche Kreis zeigt, dass kleiner, je weniger Haftung die stehen, sowie die Seitenkräfte, die man bei moderaten Schräglagen Reifen haben. Deshalb reicht bei sich in Schräglage entwickeln. Das fast die volle Brems- oder Beschleu- Nässe oder verschmutzter Fahrbahn Verhältnis dieser Kräfte zueinander nigungskraft nutzen kann. Ab einer schon ein kleiner Gasstoß, um das beschreibt der Kammsche Kreis gewissen Schräglage aber verrin- Hinterrad durchdrehen zu lassen (siehe Grafik unten), benannt nach dem Stuttgarter Ingenieur Wuni- gern sich die übertragbaren Längs- kräfte überproportional, und schon oder eine geringe Schräglage, um wegzurutschen. Wer holt Hilfe, wenn Du es nicht kannst? Das Gleichgewicht der Kräfte D er Kammsche Kreis zeigt, welche Kräfte bei 38° Umfangskräfte beim Beschleunigen, Bremsen und in 79 % Schräglage Schräglage auf die Reifen wirken, hier aus gehend von einem Reibbeiwert von µ = 1. Bremsen Die grünen Linien entsprechen einer zügigen Landstraßenfahrt. Bei 38 Grad Schräglage sind noch 79 Prozent der Umfangskräfte möglich, so stark darf also gebremst oder beschleunigt werden. Die roten Linien zei gen flottes Tempo mit 48 Grad Schräglage; Seitenkräfte jetzt bieten die Reifen nur 18 Prozent ihrer Umfangskräfte, was sehr gefühlvolles Be schleunigen oder Verzögern erfordert, will bei 48° 18 % Beschleunigen man nicht aus dem Kreis und damit von der Schräglage is kre Straße fliegen. Je weniger Haftung die Reifen ss Na aufbauen, desto kleiner wird der Kammsche is kre Kreis, weshalb bei Nässe nur eines hilft: das ck en Kurventempo zu drosseln. Auch „KurvenABS“ Tro vergrößert diesen Kreis nicht – aber es redu ziert die Bremskraft so weit, dass wir ihn nicht wegen zu hoher Umfangskräfte verlassen. Rechtskurve Linkskurve Intelligenter Notruf + Diebstahlwarnung + Tourentagebuch Rennstrecke: Landstraße: bis zu 62° Schräglage 33° Schräglage Auf rauhem Rennstreckenasphalt können extreme Schräglagen gefahren werden. Wesentlich Weltweit erstes moderater sind die Schräglagen, die ein Motorradfahrer üblicher- eCall-System für weise auf normalen Straßen erreicht. Er sollte immer genug Reserven haben, um auf eine Motorräder verschmutzte Fahrbahn oder unerwartete Hindernisse sofort reagieren zu können Made in Germany Du hast noch Fragen? Dein persönlicher dguard® Händler berät dich gern. www.dguard.com +\ÄUKLZ[POU\U[LYdguard.com/haendler 16 Motorrad fahren gut & sicher
RICHTIG BREMSEN er knapp hinter dem Traktor vorbei. der Sportmaschine im Stand je zur Denn mit dem reinen Bremsweg ist es nicht getan. Üblicherweise Hälfte auf beiden Rädern lasten, verschiebt sich das Gewicht beim Unter Druck dauert es 0,1 Sekunden, bis der Mo- extremen Verzögern durch die Mas- torradfahrer die Gefahr überhaupt erkennt, und weitere 0,8 Sekunden, senträgheit nahezu vollständig auf das Vorderrad. Wir sprechen von D iese Zeichnung verdeutlicht, wie stark die dynamische bis Hand und Fuß die Bremsen be- dynamischer Radlastverlagerung. Radlast den Vorderrei- tätigen. In dieser knappen Zeit rollt Je mehr die Radlast nach vorn wan- fen beim Bremsen auf das Motorrad schon beinahe 25 dert, desto mehr Bremskraft kann den Asphalt presst. Das Meter dahin, und zwar ungebremst. das Vorderrad übertragen – falls grün umrandete Feld Nun drückt der Motorradfahrer mit man es nicht übertreibt, denn ohne zeigt die Reifenauf- aller Kraft zu. Den Handhebel betä- ABS kann das Rad blockieren. Wie standsfläche (Latsch) tigt er dabei mit etwa 140 N (zirka hoch die Radlast oder, anders aus- bei Geradeausfahrt mit 14 Kilogramm), das Pedal mit rund gedrückt, der Anpressdruck ist, sieht konstanter Geschwin- 30 Kilogramm. Bei einer so starken man an der Gabel: je tiefer sie ein- digkeit. Die rot und Bremsung ohne ABS würde entwe- taucht, desto höher die Radlast. Bei grün markierten Flä- Unspektakuläre der das Vorderrad blockieren, was den meisten Motorrädern taucht sie chen zusammen zeigen Vehemenz: Der meist zum Sturz führt, oder das bei einer Vollbremsung zu gut zwei die Aufstandsfläche bei Vorderreifen Hinterrad würde abheben und das Dritteln des gesamten Federwegs einer Vollbremsung mit plattgedrückt, Motorrad über kurz oder lang einen ein. In diesem Moment vergrößert maximalem Anpress- der Hinterreifen Salto vorwärts hinlegen (siehe auch der enorme Anpressdruck die Rei- druck des Reifens schwebt knapp die Zeichnungen zum Bremsen auf fenaufstandsfläche vorne bis zum – er wird auf bis über dem Seite 21). Dreifachen (siehe Kasten rechts). das Dreifache ausei- Reifenaufstands Boden – mehr Doch bis der Druck in den Brems- Das Hinterrad spielt beim star- nandergequetscht. fläche von unten geht jetzt nicht leitungen aufgebaut ist und die ken (!) Bremsen je nach Motorrad Bremsbeläge mit voller Kraft die eine völlig unterschiedliche Rolle, Scheiben in die Zange nehmen, ver- von fast keiner (beim Sportler) bis Verzögerungstaktik gehen noch einmal 0,2 Sekunden und damit weitere 5,6 Meter, in de- nen das Motorrad ungebremst da- hinrollt. So kommen bei 100 km/h überlebenswichtig (beim Chop- per). Bei fast allen Motorrädern hat die Konzentration auf die Vorder- radbremse oberste Priorität. Der Richtig ist vielmehr, den Bremshe- bel zweistufig, aber möglichst zügig erst einmal bis zum Druckpunkt zu W ann haben Sie das letzte schauend unterwegs sind und auch Metern Entfernung. Die R1 kommt um die 30 Meter zusammen, bis die Fahrer muss sich die Verlagerung betätigen, die Radlastverlagerung Mal eine echte Vollbrem- Ihr Schutzengel zu Ihnen hält. Der mit 100 km/h angerauscht, da Bremse packt; der gesamte Anhal- der dynamischen Radlast zunut- zu spüren und dann bis zum hof- sung hingelegt? Sind mit Kollege auf seiner Yamaha R1 im müssten gut 40 Meter Bremsweg teweg ist somit über 70 Meter lang. ze machen. Wichtig dabei, vor al- fentlich trainierten Optimum wei- klopfendem Herzen gerade eben Beispieldiagramm unten braucht zu schaffen sein. Trotz schneller Die Situation hätte für Pilot wie Trak- lem ohne ABS: Nicht ruckartig am ter zu ziehen. so zum Stehen gekommen? Glück- den himmlischen Retter jedenfalls Reaktion vergehen aber allein 30 torfahrer übel ausgehen können. Bremshebel reißen, sonst blockiert Wer die Hinterradbremse einen wunsch, wenn das lange her ist, gerade dringend. Ein Traktor kreuzt Meter, bis die eigentliche Brem- Physikalisch passiert dabei Fol- das Vorderrad, ehe sich genügend Sekundenbruchteil vor der vorde- heißt es doch, dass Sie sehr voraus- die Landstraße vor ihm in gut 50 sung beginnt. Mit viel Glück pfeift gendes: Während die 200 Kilogramm Gewicht nach vorn verlagert hat. ren betätigt, gewinnt zusätzliche Vollbremsung – mehr als kräftig in die Eisen steigen Anhalteweg aus 100 km/h mit einer Verzögerung von 9,4 m/sek2 0m 2,8 m 25 m 30,6 m 71,6 m m t kt 2,2 ei ,6 un , 2 nsz , 4 eg ,2 n m 1m , 5 hp sek ne sek sw sek tio m ,8 0,2 nsp s- sek rec 0,1 rken a rem 3,0 rem 0,8 eak B B R E 0m 10 m 20 m 30 m 40 m 50 m 60 m 70 m 18 Motorrad fahren gut & sicher Motorrad fahren gut & sicher 19
RICHTIG BREMSEN Stabilität. Das Motorrad zieht sich Sturz. Das fällt zwar schwer, ist aber halb des Regelbereichs. Erst wenn dadurch auch hinten in die Feder, das Hinterrad kann etwas länger tatsächlich die einzige Möglichkeit, die Kontrolle über das Motorrad zu- ein Rad die Blockiergrenze erreicht, wird der Unterschied fühlbar. Ob bei Optimal verzögern – mit und ohne ABS führen und Bremskraft übertragen. rückzubekommen. Wer das Vorder- einer Schreckbremsung oder beim Durchschnittliche Bremsverzögerung Manche Kombibremssysteme mit rad während der gesamten Brem- versehentlichen Überbremsen an ABS sind so ausgelegt, dass sie die- sen Effekt nutzen. In Tests ließ sich sung kurz vor der Blockiergrenze hält, bremst perfekt. Doch heraus- einer rutschigen Stelle – die Stabi- lität, die ein Fahrer ohne ABS selbst D ie durchschnittliche Bremsverzögerung bei zügiger Landstraßenfahrt liegt bei rund 5 m/sek², etwa der Hälfte einer Vollbremsung. Dabei kann die Hinterradbremse wegen der hohen Radlast bis zu 35 Prozent beitragen, Handkraft 70 N Bremsdruck 9 bar so eine kleine, aber messbare Re- zufinden, wo genau diese Grenze wiederherstellen muss, indem er die duktion beim Bremsweg feststellen. liegt, erfordert ständige Übung und Bremse löst und neu anlegt, erhält das Vorderrad ist bei gutem Straßenbelag noch weit von der Blockiergrenze Allerdings ist ohne ABS auch hier viel Routine. Die richtigen Hand- dem ABS-Besitzer die Technik. Die entfernt. Der rote Pfeil gibt die resultierende Kraft aus Massenkraft (grün) Vorsicht geboten, denn das durch lungsmuster dafür kann man sich Sturzgefahr durch ein überbrems- und Gewichtskraft (gelb) wieder. Wenn diese resultierende Kraft hinter dem die Radlastverlagerung zunehmend am besten bei einem Sicherheits- tes Vorderrad ist ebenso gebannt Vorderrad auf die Fahrbahn trifft (gestrichelte Verlängerung), besteht keine entlastete Hinterrad kann blo- training aneignen (siehe Seite 50). wie ein ausbrechendes Heck, verur- Überschlagsneigung. ckieren. Weil Straßen meist etwas Aber auch die Technik muss pas- sacht durch ein blockierendes Rad Gewichtskraft Massenkraft geneigt sind, um Regenwasser ab- sen. Schlägt beispielsweise eine zu hinten. Der Fahrer kann einfach mit Schwerkraft Bremskraft fließen zu lassen, führt ein blockie- weich abgestimmte, unterdämpfte aller Kraft weiterbremsen bis zum Radlast Resultierende Kraft rendes Hinterrad gerne zum Aus- Gabel durch oder hüpft eine über- Stillstand. Fußkraft 70 N brechen des Hecks. Achtung: Wenn dämpfte Gabel, verliert das Vorder- Wer das aber noch nie gemacht 35 % 35 % Bremsdruck 7 bar 65 % 65 % das zu stark ausgebrochene Hinter- rad auf holprigem Asphalt schneller hat, wer noch die Angst vor dem Vollbremsung rad bei schon schräg zur Fahrtrich- Bodenkontakt und Haftung. Wich- blockierenden Vorderrad und dem tung stehender Maschine wieder greift, besteht akute Sturz-Gefahr! tig, um Rutscher zu verhindern, ist auch hier eine blitzschnelle Reak- ausbrechenden Hinterrad spazieren fährt, wird nicht voll reinlangen und D ie tatsächlich erzielbaren Verzögerungen hängen vom jeweiligen Motor- rad und dem momentanen Grip (Reibbeiwert) ab. Ist dieser ausreichend hoch, begünstigen ein langer Radstand und ein niedriger Gesamtschwerpunkt Im Zweifel sollte man die Hinter- tion, also das Lösen und der soforti- vielleicht entscheidende Meter ver- radbremse nach dem anfänglichen ge Wiederaufbau des Bremsdrucks. schenken. Deshalb sollte das Brem- hohe Verzögerungen. Begrenzend hierbei bleibt jedoch die Überschlags- Impuls daher lieber unterbremst Das gelingt aber nur, wenn die sen im ABS-Regelbereich bewusst bzw. Stoppie-Neigung Dynamische Radlast- Handkraft 110 N ng des Motorrades. Diese ist d lassen. In Kurven ist es besser, sie Hebeleien richtig eingestellt sind geübt werden. msu stan verlagerung in Zahlen Bremsdruck 20 bar Fah aler gar nicht zu betätigen. Mehr zum (siehe Seite 38) und alle Armaturen Hinzu kommt, dass bei einer hef- erreicht, wenn die dynami- lbre rzu m sche Radlastverlagerung nor Kurvenbremsen auf Seite 15. leichtgängig funktionieren. tigen Vollbremsung enorme Kräfte Vol Sollte trotz aller Vorsicht das Ein ABS ist im normalen Betrieb wirken. Denen muss der Fahrer mit Aufgebrauchter Einfederweg zu 100 % vollzogen ist. Vorderrad blockieren, bewahrt ei- gar nicht zu spüren, fast alle Brems- der richtigen Sitzhaltung und Kör- vorn mm 53,0 115,0 Die resultierende Kraft nen nur das blitzschnelle Lösen manöver laufen so ab wie auf Ma- perspannung begegnen. Die Knie hinten mm 45,0 5,0 (rot) verläuft nur knapp der Bremse vor einem drohenden schinen ohne ABS, nämlich unter- fest an den Tank, den Oberkörper so Radlast hinter oder durch die vorn kg 148,0 300,0 Reifenaufstandsfläche. hinten kg 192,0 40,0 Ab jetzt würde jede wei- Lenkkopfwinkel Grad 65,0 60,5 tere Bremskrafterhö- Nachlauf mm 110,0 87,0 Anhaltewege im Vergleich Reifenaufstandsfläche vorn cm2 28,0 96,0 hung zum Abheben des Hinterrades führen. Fußkraft 30 N Fahrerassistenzsysteme 5 % Bremsdruck 2 bar aus 30 km/h 12,5 m Doppelte Geschwindigkeit – vierfacher Bremsweg lautet die Anpressdruck 5% 95 % 95 % vorn* kg/cm2 5,3 3,6 (FAS) erkennen ein Abhe- 8,5 m 4 m Formel. Der Reaktionsweg verdoppelt sich dabei lediglich, sonst ben des Hinterrades und wären die Relationen noch dramatischer. Das Diagramm geht Die Zahlenwerte beziehen sich auf eine Hon- regeln den Bremsdruck aus 50 km/h 25,5 m aus von einer Sekunde Reaktionszeit und einer anschließenden da CBF 1000 und zeigen, wie sich die Fahr- so, dass es gerade noch 14,0 m 11,5 m Bremsung mit 8,5 m/s2. Das schafft ein schnell reagierender, werksgeometrie bei einer Vollbremsung, am Boden bleibt. einigermaßen trainierter Fahrer unter guten Bedingungen. wie im mittleren Bild dargestellt, verändert. *siehe Seite 19 oben Handkraft 140 N Bremsdruck 28 bar aus 70 km/h 42,0 m 19,5 m 22,5 m Überzogene Vollbremsung B 73,0 m Reaktionsweg Bremsweg ei der überzogenen Vollbremsung hebt das Hinterrad ab. Jetzt trifft die aus 100 km/h resultierende Kraftlinie vor dem Vorderrad auf. Sobald das Hinterrad 28,0 m 45,0 m abgehoben hat, trägt das Vorderrad allein die maximal mögliche Radlast. 113,5 m Behielte der Fahrer den hohen Bremsdruck von 28 bar bei, würde sich die aus 130 km/h Maschine nach vorn überschlagen. Wichtig zu wissen: Das passiert auch 36,5 m 77,0 m mit ABS! Denn hier – wieder ausreichend Grip vorausgesetzt – muss nicht der Bremsdruck wegen eines überbremsten Vorderrades geregelt werden, 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 sondern wegen des abhebenden Hinterrades. Aber hierfür wäre dann ein Fußkraft 0 N Bremsweg in Meter anderes FAS, falls im Motorrad vorhanden, zuständig. 0% 0 % Bremsdruck 0 bar 100 % 100 % 20 Motorrad fahren gut & sicher Motorrad fahren gut & sicher 21
Sie können auch lesen