HANS-ULRICH GRIMM - 100 GUTE GRÜNDE, ein echter Besser esser zu werden

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HANS-ULRICH GRIMM - 100 GUTE GRÜNDE, ein echter Besser esser zu werden
HANS-ULRICH GRIMM
Bestseller-
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              100 GUTE GRÜNDE,
              ein echter Besseresser
                 zu werden
HANS-ULRICH GRIMM - 100 GUTE GRÜNDE, ein echter Besser esser zu werden
INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT                                            3. SOOO SÜSS
                                                   Zucker & Co

1. DIE SUPERHITS
und ihre Schattenseiten
                                                   [26] Eis
                                                   [27] Gummibärchen
                                                   [28] Energy­drinks
                                                   [29] Cola
                                                   [30] ­Schokolade
[01] Hamburger                                     [31] Fettleber
[02] Pizza                                         [32] Insulin
[03] Chips                                         [33] Zucker
[04] Pommes Frites                                 [34] Diabetes
[05] Erdbeerjoghurt                                [35] Süß­stoffe
[06] Schokolinsen                                  [36] Krebs
[07] Surimi                                        [37] Fruktose
[08] Kartoffelpüree                                [38] ­Cholesterin
[09] Tiefkühlkost                                  [39] Xylit
[10] Clean ­Label                                  [40] Stevia
[11] Phosphate
[12] Allergie
[13] Niere
[14] Herz
[15] Shelf Life
[16] Parallelwelt
                                                   4. VERGESSLICH?
                                                   Die Wirkung auf die grauen Zellen

                                                   [41] Gehirn

2. MMMH LECKER
Geschmack und seine Quellen
                                                   [42] Aluminium
                                                   [43] Trans­fette
                                                   [44] Hyper­aktivität
                                                   [45] ­Intelligenz
                                                   [46] ­Depres­sion
[17] Vanille                                       [47] Hypo­thalamus
[18] Genuss                                        [48] Migräne/Kopfschmerz
[19] Appetit                                       [49] ­Aggres­sivität
[20] Hunger                                        [50] Farbstoffe
[21] Geschmacksverstärker                          [51] Alzheimer
[22] Hefe­extrakt
[23] Aroma
[24] Flüssig­rauch
[25] Bitter

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5. ECHT GESUND?
Functional Food
                                    7. GUT, EHRLICH!
                                    Die Alternativen

[52] Margarine                      [78] Vollwert
[53] Cornflakes                     [79] Müsli
[54] Vitamine                       [80] Serotonin
[55] Omega-3-­Fette                 [81] Kinderwunsch
[56] Anti­oxidanzien                [82] Regional und Saisonal
[57] Folsäure                       [83] Karotte vs. Carotin
[58] Probiotika                     [84] Bio
[59] Kalzium                        [85] Urban Gardening
[60] Smoothies und Säfte            [86] Hühnersuppe
[61] CLA                            [87] Heumilch
[62] Lycopin                        [88] Grüntee
[63] Soja                           [89] Leinöl und Leinsamen
[64] Phyto­östrogene                [90] Sahne
[65] Selen                          [91] Wein
[66] Sekundäre Pflanzenstoffe       [92] TCM
                                    [93] Ayurveda-Küche
                                    [94] Vegan
                                    [95] Steinzeit­ernährung
                                    [96] Knoblauch und Ingwer

6. DICK & DÜNN
                                    [97] Falten
                                    [98] Darm
                                    [99] Globa­lisierung
Der Kampf um die Pfunde             [100] Küchenweisheit

[67] Abnehmen
[68] Salat
[69] Light
[70] ­Gentechnik
[71] Kalorien
[72] Plastikhormone
[73] Leptin
                                    SERVICE
[74] Glykämischer Index             Bücher, die weiterhelfen     220
[75] Sucht                          Adressen, die weiterhelfen   221
[76] Diät­empfehlungen              Register                     222
[77] Glückliche Dicke               Impressum                    224

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VORWORT

             DER WEG ZUR
    kulinarisc h e n S e lb st b e st im m u n g
Jung und schön will jeder sein, und zwar mög-         schmacksverstärkern. Mit einer Ladung Zucker.
lichst lang. Die Ernährung kann dabei helfen.         Oder mit Süßstoffen. Nur dank solcher Ge-
Sagen die Experten. Die Nahrung kann aber             schmackstricksereien ist sie genießbar. Der
auch schaden. Junk Food – Krank Food.                 Körper möchte das nicht. Er spürt die Tricks
Junk Food: Das sind nicht nur Hamburger und           und reagiert verstimmt. Oft allergisch, mit Aus-
Cola. Energydrinks. Das ist auch die Tiefkühl-        schlag oder sogar mit einem Kreislaufkollaps.
pizza. Die süßen Cornflakes früh am Morgen.           Er wird dick, denn industrielle Nahrungsmittel
Die Chips am Abend. Und sogar der Fruchtjo-           sind oft heimliche Dickmacher. Nicht wegen
ghurt aus dem Kühlregal. Die vermeintlich ge-         der Kalorien, sondern weil sie den Körper ma-
sunde Margarine. Und nicht zu vergessen: die          nipulieren. Und sie können krank machen. Zu-
ganzen Kinderprodukte.                                ckerkrank. Herzkrank. Auch Krebs ist oft die
Junk heißt Müll. Aber soll das Essen aus dem          Folge solcher Nahrung. Und sogar vorzeitiges
Supermarkt Müll sein? Ihre Nieren sehen das           Altern, zu viele Falten,Vergesslichkeit. Auch das
zum Beispiel so. Die »Kläranlage« des Körpers         Gehirn leidet, wenn es schlecht genährt wird.
betrachtet viele Bestandteile der Supermarkt-         Kurz: Junk Food macht dumm und hässlich.
nahrung als entsorgungspflichtigen Abfall. Etwa       Das ist sogar wissenschaftlich erwiesen.
wenn das Essen chemische Zusatzstoffe ent-            Aber was dann essen? Die Ratschläge dafür
hält, also die Stoffe mit den E-Nummern. Der          sind leider widersprüchlich und wechseln
Körper würde so etwas freiwillig nie essen.           auch häufig. Die Ernährungsexperten sind
Schon vom Geschmack her. Junk Food wird               ­deswegen einigem Spott ausgesetzt. Zu Recht.
daher künstlich geschmacklich geschönt. Mit            Tatsächlich ist es ja auch eine seltsame Diszip-
industriellem Aroma aus dem Labor. Mit Ge-             lin. Ihre Methoden sind kritikwürdig. Ihre Rat-

                                                  4


                              MEHR WOHLGEFÜHL
    beim Essen
schläge sind oft unseriös, stehen wissenschaft-        Stichworten hin und her blättern, je nachdem,
lich auf tönernen Füßen. Zudem sind viele              was Sie am meisten interessiert.
Ernährungspäpste industriehörig. Dabei sind            Es geht um Lebensmittel, die gut sind für den
gerade die Produkte der Nahrungsindustrie              Organismus, für Gesundheit und Fitness. Und
häufig eher das Problem als die Lösung.                um die anderen, die uns eher schaden. Es geht
Trotzdem ist der Versuch berechtigt, gut zu            ums Gehirn, die geistige Leistung, die Figur
­essen und zu trinken und gleichzeitig die Ge-         und natürlich das Wohlgefühl, den Genuss.
 sundheit und das Wohl­befinden zu fördern.            Besser essen bedeutet: echtes Essen essen. Und
 Dieses Bestreben gibt es seit Langem in vielen        echtes Essen, das bedeutet: Äpfel, Birnen, Brok-
 Kulturen. Auch die ­Wissenschaften können             koli, Mangos. Echte Hühnersuppe, echtes Kar-
 ­Anhaltspunkte dafür liefern. Unabhängige             toffelpüree, selbst gestampft, mit guter Butter.
  ­Forscher aus verschiedenen ­Disziplinen, wie        Echtes Essen stärkt den Körper, sorgt für gute
   der Medizin und der Hirn­forschung, steuern         Gefühle, macht sogar schön und schmeckt
   immer wieder nutzbare Einsichten bei. Eine          auch viel besser. Auch dazu gibt dieses Buch
   Fülle von Hinweise und Fakten dazu habe ich         wertvolle Hinweise. Damit jeder selbst entschei-
   in meinen Publikationen gesammelt. Für die-         den kann, was er tun kann, um gesund und fit
   ses Buch habe ich die Erkenntnisse zusam-           zu bleiben. Und glücklich dazu.
   mengetragen und um aktuelle Daten und For-
   schungsergebnisse ergänzt. Das Buch klärt auf
   über die Wirkungen der modernen Nahrungs-
   mittel und hilft bei der Suche nach besseren
   Lösungen. Sie können einfach zwischen den

                                                   5
DAS LUSTPRINZIP
   IM DIENSTE DER
 NAHRUNGSVERSORGUNG

  WENN AROMA DRAUFSTEHT,
IST IMMER ETWAS FAUL
2.
MMMH LECKER
Geschmack und seine Quellen

          [17] Vanille
         [18] Genuss
         [19] Appetit
         [20] Hunger
  [21] Geschmacksverstärker
       [22] Hefeextrakt
          [23] Aroma
       [24] Flüssigrauch
           [25] Bitter
MMMH LECKER – GESCHMACK UND SEINE QUELLEN

      [17] VANILLE                                       Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin anre-
                                                         gen, zum Beispiel in den Nebennieren und im
                                                         zentralen Nervensystem.
                                                         Eigentlich müssten alle Menschen heute mit
                                  e
           Königin der Gewürz                            einem Vanille-Dauerlächeln durch die Welt
                                                         laufen. Denn sie steckt beinahe überall drin:
     Das beliebteste Aroma sta                           im Vanilleeis, im Vanillepudding, in der Vanille-
                                mmt oft
     aus zweifelhaften Quelle                            sauce zum Apfelstrudel, in der Schokolade
                              n
                                                         und sogar schon in der Babynahrung. Schade
                                                         nur, dass es meist gar nicht Vanille ist, was so
Es soll die Lust fördern und auch die Produkti-          riecht und schmeckt wie Vanille. Es ist bloß ein
on des »Glückshormons« Serotonin. Und es ist             billiges Imitat.Vanillin, die Substanz, die für
der angenehmste Geschmack. Alle lieben ihn.              den Geschmack von Vanille sorgt, ist der Aro-
»Es ist unglaublich«, sagte die Duft-Expertin            mastoff mit der größten Produktionsmenge
­Eliane Zimmermann: »Mir ist noch nie jemand             auf dem Weltmarkt. Bei Lebensmittelkontrol-
 begegnet, der beim Duft von Vanille nicht so-           leuren gilt es als »Betrugsmolekül«. Denn be-
 fort gelächelt hätte.« Kein Wunder, dass Vanille        sonders in Speiseeis und Milchprodukten
 in der Nahrungsindustrie der beliebteste Ge-            steckt oftmals bloß synthetisches Vanillin, das
 schmack ist. Nur: Echt ist das Aroma in der Re-         sich kaum von dem natürlichen unterschei-
 gel nicht. Meist wird es aus minderwertigen             den lässt. Nicht einmal die kleinen schwarzen
 Rohstoffen gewonnen. Und so etwas soll das              Pünktchen im Vanilleeis müssen ein Beweis
 Glück fördern?                                          für echte Vanille sein: Lebensmittelkontrolleu-
                                                         re aus Baden-Württemberg fanden heraus,
DAS STECKT DAHINTER                                      dass dafür in vielen Fällen nur die Reste der
Vanille gilt als »Königin der Gewürze«. Seine            Schoten zermahlen wurden, ohne deren aro-
positiven Wirkungen sind vielfältig, vor allem           matische Bestandteile.
auf die Psyche.Vanille soll als Aphrodisiakum            Gerade der teure Vanillegeschmack, der wich-
wirken, denn ihre Bestandteile ähneln mensch-            tigste Geschmack der industriellen PARALLEL-
lichen Sexualbotenstoffen. Sie wirkt beruhigend,         WELT [16] , wurde schon früh künstlich nachge-
ermunternd, hebt die Stimmung und vermittelt             bildet. Dem Chemiker Dr. Wilhelm Haarmann
Vertrauen und Geborgenheit. Sie soll außerdem            gelang 1874 das folgenschwere Kunststück: Er
die geistige Aktivität und Energie steigern.             fand einen synthetischen Ersatz für Vanille,
Sogar für verschiedene medizinische Zwecke               hergestellt aus den Rinden heimischer Fichten,
wird Vanille eingesetzt: Naturvölker verwenden           in einer Stadt namens Holzminden. Er nannte
sie gegen Infektionen, Entzündungen und Fie-             den Stoff Vanillin, gründete auch gleich eine
ber. Zudem wirkt sie gefäßerweiternd, was die            Fabrik und hob damit, so die Firmenchronik,
aphrodisierende Wirkung, vor allem beim                  »einen völlig neuen Industriezweig aus der
Mann, erklären könnte.Vanille enthält auch so-           Taufe«. In der Stadt im hügeligen Weserberg-
genannte Katecholamine, körpereigene Stoffe,             land hat heute noch der Aromenkonzern Sym-
die das Herz-Kreislauf-System sowie die Pro-             rise seinen Sitz, der größte in Deutschland,
duktion der Hormone und Neurotransmitter                 Nachfolger von Haarmanns Firma.

                                                    40
[17] VANILLE

Die Entwicklung ging natürlich weiter. Später           es angeblich jährlich bis zu 10 Millionen Ton-
diente Erdöl als Rohstoff und schließlich wa-           nen anfallender »Abfälle der Reiskleieölraffi-
ren es Abfälle aus der Papierindustrie. In den          nation«. Das Schöne daran aus Sicht der Her-
1980er-Jahren stammte zeitweilig 60 Prozent             steller: Solche Aromen dürfen als »natürlich«
der weltweiten Vanillinproduktion aus einer             bezeichnet werden. Bakterien sind schließlich
einzigen Quelle, den Abwässern einer Papier­            pure Natur. Und Reisreste ohnehin.
fabrik in der kanadischen Stadt Thorold, der            Aber auch wenn es total künstlich hergestellt
Ontario Pulp and Paper (OPP). Der Betrieb               wird, wenn der Geschmack also pure Chemie
wurde 1987 aus Umweltgründen geschlossen.               und kein Hauch Vanille im Spiel ist, steht nicht
Doch auch nach der Schließung der kanadi-               »künstlich« auf der Packung, sondern zum Bei-
schen Vanillinquelle kam der beliebte Ge-               spiel »Vanille Aroma«. Nur wenn »Vanille Ex-
schmack weiter aus dem Kanal. Mitunter ent-             trakt« in den Inhaltsstoffen aufgelistet wird,
steht dabei das sogenannte Ethylvanillin. Das           müssen die Komponenten tatsächlich aus der
sehen Gesundheitsexperten kritisch: Ethyl­              Vanillepflanze stammen. Und selbst dann kön-
vanillin gilt in bestimmten Dosen als krebs­            nen sie auch mithilfe von Mikroben aus dieser
erregend und erbgutverändernd, außerdem                 herausgelöst werden.
fördere es den Appetit und mache zudem
­ner­vös. Es gilt außerdem als künstlich – und          BESSER
 heute sind »natürliche« AROMEN [23] beliebt.           Wer also möchte, dass wirklich Glückshormo-
 Die werden immer noch gern aus Abwässern               ne strömen, greife lieber zur echten Vanille-
 der Papierindustrie gewonnen, auch aus Pa-             schote. Sie ist ohnehin unübertroffen: Über
 pierpulpe. Dabei sind oft Bakterien am Werk,           170 verschiedene Geschmacksstoffe sorgen für
 etwa der Aneurinibacillus aneuvinilyticus.             die vielgerühmten Wirkungen. Man presse sie
 Die Mitwirkung von Bakterien des Typs Strep-           mit einem Messer sorgfältig aus und verrühre
 tomyces bei der Vanilleproduktion hat sich der         das Mark sorgsam. Es gibt auch fertiges Vanille-
 weltgrößte Aromenkonzern Givaudan aus der              pulver zu kaufen. Es ist erschreckend teuer, vor
 Schweiz patentieren lassen (Patent Nummer              allem in der Bio-Version. Aber wenn Sie es zu
 EP 0885968 B3). Sehr beliebt sind auch Bakte-          selbst gemachtem Vanillezucker mischen, rela-
 rien der Gattung Pseudomonas, auch Pseudo-             tiviert sich das. Und es reicht bei mäßigem Be-
 monaden genannt. Sie sind in der Natur allge-          darf ein halbes Jahr oder länger.
 genwärtig, gelten als »Pfützenkeim«, sind aber
 nicht nur im Wasser, sondern auch im Boden                                   TIPP
 anzutreffen. Manche Mitglieder der Pseudo­             Für ein Glas selbst gemachten Vanillezucker
 monas-Familie sind als Krankheitserreger tätig,        ­geben Sie 1 Teelöffel Bourbon-Vanillepulver und
 bei Pflanzen und Tieren.                                200 Gramm ZUCKER [33] in ein Marmeladen-
 Mit Bakterien können auch »Reststoffe« wie              glas, schrauben dieses fest zu und schütteln
 Getreidekleie oder Zuckerrübenmelasse zu                kräftig. Dann einfach in den Schrank stellen und
 ­einem »natürlichen« Produkt »upgegradet«               bei Bedarf ins Müsli, in die Vanillesauce oder in
  werden, so eine österreichische Regierungsstu-         die Sahne zum Erdbeerkuchen geben. Ihre Gäs-
  die (Titel: »Zusatzstoffe, Aromen und Enzyme           te werden selig lächeln.
  in der Lebensmittelindustrie«). In China sind

                                                   41
MMMH LECKER – GESCHMACK UND SEINE QUELLEN

     [18] GENUSS                                  Suchtforscherin Magalie Lenoir von der Uni-
                                                  versität Bordeaux. Sie führt das »suchterzeu-
                                                  gende Potenzial des intensiven Süßgeschmacks«
                                                  auf eine »angeborene Überempfindlichkeit ge-
                 Kick im Gehirn                   genüber süßen Geschmacksrichtungen« zu-
                                                  rück. Die Ratten in ihren Versuchen reagierten
        Das Wohlgefühl beim Ess                   darauf sogar stärker als auf Kokain.
                                   en –
       und die Gefahr der Sucht                   Die Genussfähigkeit ist im Gehirn angelegt, in
                                                  jenem Bereich, den die Forscher »Belohnungs-
                                                  zentrum« nennen. Solange es nur wenig Süßes
Bei den einen ist es SCHOKOLADE [30] , die für    gibt, gibt es auch keine Suchtgefahr, so die Stu-
Wohlgefühle sorgt. Bei den anderen EIS [26]       die von Forscherin Lenoir und ihren Kollegen:
mit SAHNE [90] oder ein knuspriges Hähnchen. »Bei den meisten Säugetieren entstanden die
Bei manchen reicht auch schon der Gedanke         Süßrezeptoren vor Urzeiten in einer Umge-
an Omas Erdbeerkuchen, damit ihm »das             bung, in der es noch kaum Zucker gab. Der
­Wasser im Munde zusammenläuft«. Allerdings       Mensch ist daher nicht eingestellt auf hohe
 kann dieser Effekt auch missbraucht werden:      Konzentrationen von süßem Geschmack.«
 Wenn das Essen zur Droge wird und der Kick       In der industriellen PARALLELWELT [16] wird
 im Gehirn zum Suchtauslöser [75] .               dieses Belohnungszentrum einer permanen-
                                                  ten Belastungsprobe ausgesetzt. Der Geschmack,
 DAS STECKT DAHINTER                              der für wohlige Gefühle sorgt, wird oft isoliert
 Essen kann ganz unwillkürliche Reaktionen        verabreicht, ohne dass auch die nötige Sub­
 hervorrufen. Das Genussempfinden ist offen-      stanz folgt. AROMEN [23] , GESCHMACKSVERSTÄR-
 bar irgendwo im Gehirn einprogrammiert. Es      ­K ER [21] und die allgegenwärtige Süße sorgen
 ist ein faszinierender Mechanismus und hat       für wohlige Gefühle und für dauerhaftes
 durchaus einen tieferen Sinn. Essen ist ja le-   Weiter­essen. Und es kommt nicht nur süß, son-
 bensnotwendig, der Körper braucht die Nah-       dern auch fett. Oft beides zusammen. Gemein-
 rung und deswegen soll es auch Spaß machen, sam wirken Fette und ZUCKER [33] auf die ent-
 zu essen und zu trinken. Daher können Nah-       sprechenden Zonen im Gehirn stärker als
 rungsinhalte, die fürs Überleben wichtig sind,   Kokain, wie eine amerikanische Studie ergab.
 Glücksgefühle auslösen.                          »Diese Ergebnisse unterstützen die These, dass
 Heute enthalten viele industrielle Lebensmit-    Nahrungsmittel mit einem hohen Anteil an
 tel Substanzen, die den Kick im GEHIRN [41]      Fett und Zucker süchtig machen«, schreiben
 provozieren. Früher wurde der von süßen          die Forscher um Psychologieprofessor Joseph
 Früchten ­ausgelöst und hatte eine lebenserhal- Schroeder vom Connecticut College. Zucker
 tende Funktion. Das Gehirn reagiert auf den      und Fett: Das sind doch die beiden wichtigsten
 süßen Geschmack besonders sensibel, damit        Bestandteile in Nutella! Der Suchteffekt könnte
 der Mensch schnell zugreift. Die süßen Früchte eine Erklärung für den weltweiten Erfolg sol-
 gab es ja ganz selten, in hiesigen Breiten nur   cher Aufstriche sein.
 im Sommer. Da war eine gesteigerte Sensibili-    Tatsächlich sind die Mechanismen im Gehirn,
 tät gegenüber dem Süßen sinnvoll, sagt die       die Sucheffekte von Nahrungsmitteln, vor

                                                42
[18] GENUSS

­ llem für die Übergewichtsforscher wichtig.
a                                                         ich gesehen habe, wie viel Prozent Zucker da
Sie wunderten sich immer, warum Dicke nicht               drin ist. So schmeckt das Kotelett jetzt auch
einfach aufhören zu essen, warum die vielen               mit einer Kräuterbutter.«
Appelle an die Vernunft, die Macht der Erzie-             Der US-Professor Robert Lustig fasst es so zu-
hung, ans Maßhalten nichts bringen. Das Kon-              sammen: »Richtiges Essen essen.« Der Mensch
zept der Drogenabhängigkeit könnte »uns hel-              solle seine Nahrungsmittel so essen, wie er sie
fen, das Übergewicht zu verstehen«, meint                 in der Natur vorfinde. Lustig sagt: Alle Lebens-
Nora D.Volkow, Direktorin des Nationalen Insti-           mittel seien »von Natur aus gut«, ob Fleisch, ob
tuts für Drogenmissbrauch in Bethesda im US-              Fett, ob Kohlenhydrate. Der Genuss wird gestei-
Staat Maryland: »Die Daten sind so überwälti-             gert durch den angemessenen Umgang mit
gend, dass man es einfach akzeptieren muss.«              den Nahrungsmitteln, durch mitunter aufwen-
                                                          dige Zubereitungsformen. Sie sind wichtig fürs
BESSER                                                    Wohlbefinden, auch fürs Wirken der drogen-
Der Weg zum Genuss setzt die Befreiung von                ähnlichen Inhaltsstoffe in den Lebens- und
der Sucht voraus. Die Fähigkeit zum Genuss                ­Genussmitteln. Bei Schokolade etwa sorgt das
muss wieder freigelegt werden. Das Belohnungs-             sogenannte Conchieren der Kakaobohnen,
zentrum aber ist sozusagen durch Dauerbe-                  das langsame Rühren, Walzen und Kneten, für
schuss überstrapaziert. In erster Linie durch              optimale Bedingungen, um die Opiate im Ka-
den Zucker. Rüdiger Krech beispielsweise, der              kao herauszulösen. Bei Billigschokolade erset-
als Direktor bei der Weltgesundheitsorganisati-            zen Zucker und Emulgatoren diese aufwendi-
on (WHO) in Genf versucht, den Zucker in der               ge Zubereitungsart.
globalen Nahrungskette zurückzufahren, hat                 Auch beim fachgerechten Anbraten des Flei-
damit auch selbst begonnen. Zunächst beim                  sches entstehen viele Geschmacksstoffe, die
Kaffee. »Ich hab mal zwei Löffel genommen,                 Opiaten ähneln und deshalb gut sind für die
hab aber gedacht, das ist ja bescheuert, hab               Stimmung. Und genauso bilden sich natürliche
­irgendwann mal nur einen Löffel genommen,                 Geschmacksverstärker, wenn die Suppe lang-
 und erst schmeckte der Kaffee fad, dann hab               sam auf dem Herd vor sich hin köchelt.
 ich das aber mal eine Woche durchgehalten,
 fand das okay und hab auf einen halben Löf-
 fel reduziert und bald gedacht, den halben
 Löffel kannst du dir auch schenken, und jetzt
 nehme ich keinen Zucker mehr.«
 »Bewusster zu essen«, das ist jetzt sein Motto –
 mit mehr Genuss. »Ja, das ist interessant, ich
 hab das erlebt, wenn Sie mal vier Wochen kei-
 ne Schokolade essen, dann ist ein Stück der
 Wahnsinn, das ist der Hammer.« Damit ist es
 aber nicht getan, sagt Krech: »Was ich nicht
 ­beeinflussen kann, das sind die ganzen vorge-
  fertigten Nahrungsmittel. Zum Beispiel in der
  Grillsauce. Mach ich jetzt aber nicht mehr, weil

                                                     43
Echt gesund? Functional Food

[66] SEKUNDÄRE                                       nen Geschmack, Geruch und Farbe. Zu den be-
                                                     kanntesten sekundären Pflanzenstoffen zählen
                                                     Carotinoide (wie das Beta-CAROTIN [83] aus

PFLANZENSTOFFE
                                                     Möhren und das LYCOPIN [62] aus Tomaten),
                                                     die Polyphenole (wie die roten FARBSTOFFE [50]
                                                     der Trauben oder das Quercetin aus den Rand-
                                                     schichten von Obst), Sulfide (wie die scharf
                                                     schmeckenden Inhaltsstoffe von KNOBLAUCH [96]
              Jung und schön                         und Meerrettich) und die PHYTOÖSTROGENE [64]
                                                     aus SOJA [63] , Roggen oder Leinsamen.
     Nur echt direkt aus der Nat                     Sekundäre Pflanzenstoffe sollen vor bestimm-
                                    ur
                                                     ten KREBS -Arten [36] schützen, den Blutdruck
                                                     senken, auch Nerven und GEHIRN [41] unter-
                                                     stützen. Sie scheinen entzündungshemmend
Sekundäre Pflanzenstoffe, das klingt ein biss-       zu sein und antibakteriell, antithrombotisch,
chen zweitklassig, dabei haben sie erstklassige      blutdrucksenkend, antibiotisch, immunstär-
Wirkungen. Die Farbstoffe zum Beispiel, die          kend, antioxidativ sowieso. Außerdem haben sie
echten, in den Früchten, sollen schön und sexy       einen günstigen Einfluss auf den CHOLESTERIN -
machen. Und andere sollen wahre Jungbrunnen          Spiegel [38] . An welchen Substanzen das im
sein.Vor FALTEN [97] schützen und vor Krank-         Einzelnen liegt, ist noch nicht genau erforscht.
heiten aller Art. In Industrieprodukten fehlen sie   Die üblichen Praktiken der Lebensmittelverar-
­allerdings oft. Und Zusätze, chemisch erzeugt,      beitung, etwa Erhitzen, Filtern, chemisches Auf-
 haben natürlich nicht die gleichen Wirkungen.       reinigen oder langes Lagern reduzieren den
                                                     Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen im Pro-
DAS STECKT DAHINTER                                  dukt und senken die ursprüngliche gesund-
Sie wurden lange übersehen und zudem ge-             heitsfördernde Kraft der Lebensmittel. In in-
ringgeschätzt: Im Gegensatz zu den sogenann-         dustriellen Produkten ist daher der Gehalt an
ten primären Pflanzenstoffen (Kohlenhydrate,         sekundären Pflanzenstoffen stark reduziert.
Fett, Eiweiß,Vitamine und Mineralstoffe) wurde       Je weniger von der für Menschen gesunden
die Bedeutung der sekundären Pflanzenstoffe          Substanz enthalten ist, desto besser ist es für
für die Ernährung des Menschen erst spät er-         die Haltbarkeit des Produkts, für die Bedürf­
kannt. Seit den 1980er-Jahren werden sie wis-        nisse der Industrie. Mitunter werden von der
senschaftlich untersucht.                            Nahrungsindustrie, um die Haltbarkeit zu ver-
Etwa 100 000 verschiedene sekundäre Pflanzen-        längern, die gesundheitlich wertvollen, aber
stoffe sind bislang bekannt, und immerhin 5000       licht- und sauerstoffempfindlichen Pflanzen-
bis 10 000 davon können dem Menschen in sei-         schutzstoffe aus den Produkten herausgefiltert,
ner Ernährung begegnen. Sie scheinen dafür           etwa die Polyphenole im Apfelsaft.
verantwortlich zu sein, dass Obst und Gemüse         Die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln
so gesund ist.                                       weisen gern auf diese Defizite hin, als Verkaufs-
Sekundäre Pflanzenstoffe sind oft charakteris-       argument für ihre Produkte. Jedoch: Als Pulver
tisch für bestimmte Pflanzen und verleihen ih-       und Pillen scheinen diese Stoffe nicht im glei-

                                                 144
[66] SEKUNDÄRE PFLANZENSTOFFE

chen Maße wirksam zu sein wie in ihrer natür-     Kropf« geben, aber dafür sind etwa 400 Gramm
lichen Umgebung – und mitunter sogar nicht        Weißkohl täglich über längeren Zeitraum nötig
ganz ungefährlich. Heilsame Wirkungen können      oder sogar 2,8 Kilogramm Rettich. So sorgt der
in gesundheitsschädliche umschlagen, wenn         APPETIT [19] für nötigen Nachschub an sekun-
die Substanz nicht über das normale Essen         dären Pflanzenstoffen – und der Überdruss
aufgenommen, sondern künstlich isoliert ver-      schützt vor der Überdosis.
abreicht wird. So führte etwa der Pflanzenfarb-   In vielen traditionellen Lebensmitteln wurden
stoff Beta-Carotin als Nahrungsergänzung in       sekundäre Pflanzenstoffe als wirksame Elemen-
hoher Dosierung bei Studien wider Erwarten        te identifiziert. So enthalten Tee, GRÜNTEE [88] ,
zu erhöhten Raten von Lungenkrebs.                ROTWEIN [91] und Beerenfrüchte viele Flavo-
Ähnlich ist es bei den sogenannten Glucosi­       noide und Anthocyane, deren schützender
nolaten. Auch sie zählen zu den sekundären        ­Effekt auf das Herz-Kreislauf-System (siehe
Pflanzenstoffen, dienen der Pflanze als che­       HERZ [14] ) und das GEHIRN [41] schon häufig
misches Schutzschild gegen Fraßfeinde und          in Studien nachgewiesen wurde.
wurden schon als Wunderwaffe gegen Krebs           Beim INGWER [96] sind ebenfalls sekundäre
gehandelt. Wissenschaftler versuchen gar, Kohl-    Pflanzenstoffe für den charakteristisch schar-
sorten so zu verändern, dass sie mehr von die-     fen Geschmack verantwortlich. Diese Schärfe
sen heilsamen Schutzstoffen bilden. Allerdings     bewahrt auch hier vor einer Überdosis. Bei
wurden auch Glucosinolate von gegensätzlicher      Kapseln hingegen wird der natürliche Schutz-
Wirkung entdeckt.Vor allem ein Stoff namens        mechanismus ausgeschaltet. Ähnlich beim
Neoglucobrassacin scheint die Entstehung von       KNOBLAUCH [96] : Hier ist Überdosierung eben-
Krebs sogar zu fördern. Glucosinolate können       falls kaum möglich, dafür sorgt unter anderem
im menschlichen Körper die Jodaufnahme             ein sekundärer Pflanzenstoff namens Allicin,
stören, zu einem Kropf führen – und sind also      der für den typischen Knoblauchgeruch ver-
unnötig wie ein solcher.                           antwortlich ist.
                                                   Mittlerweile kann auch als erwiesen gelten, dass
BESSER                                             BIO -Kost [84] sich messbar von herkömmlicher
Die heilsamen Glucosinolate sind auch in ech-      Ware unterscheidet: Studien wiesen höhere
ten Lebensmitteln enthalten, etwa in Brokkoli,     Gehalte an sekundären Pflanzenstoffen nach.
sind womöglich an dessen »Superfood«-Wir-
kung beteiligt. Sie sollen entgiftende Enzyme
anregen und für einen normalen Hormonhaus-
halt sorgen. Zu deutsch heißen sie Senfölgly­
koside. Auch in anderen botanischen Verwand-
ten von Brokkoli sind Glucosinolate enthalten.
Alle Kohlarten enthalten sie, außerdem Rettich,
Radieschen, Kresse, Senf und Raps. Sie prägen
den typischen strengen Geruch dieser Gemü-
sesorten und den bitter-scharfen Geschmack.
Überdosierung ist dabei weitgehend ausge-
schlossen. Zwar kann es auch einen »Kohl-

                                              145
WAS KÖNNEN WIR
            BERHAU
          ÜBERHA
          Ü        PT N
                 UPT    OCH ESSEN??
                      NOCH

                     Es gibt immer mehr Nahrungsmittel, die eher schaden,
                                                                    cha
                                                                      had
                                                                        de
                                                                         en,
                                                                          n, a
                                                                             als
                                                                               ls
                                                                               ls
                     Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern. Abfälle aus der
                     Papierindustrie fürs Aroma im Vanilleeis, Plastikhormone in
                     abgepacktem Käse, Phosphate in Wurst oder Babymilch:
                     Die Schreckensmeldungen nehmen kein Ende. Und vieles,
                     was in unser Essen kommt, ist für den Verbraucher gar nicht
                     erkennbar, weil es nicht auf der Verpackung stehen muss.

                     Aromen, Geschmacksverstärker, Farbstoffe, Zucker und Co
                     sind allgegenwärtig. Aber jeder kann selbst entscheiden,
                     was er isst – und so gesund, fit und schlank bleiben. Und
                     glücklich dazu.

                     In 100 Stichworten führt der bekannte Nahrungskritiker
                     Hans-Ulrich Grimm, Autor von »Die Suppe lügt«, kurzweilig
                     durch den Dschungel der Lebensmittelindustrie. Er zeigt
                     Essfallen auf und hilft, bessere Alternativen zu finden.
                     Nahrungsmittel, die wirklich gut für uns sind.

WG 461 Ernährung
ISBN 978-3-8338-3984-9

                                € 19,99 [D]
                                € 20,60 [A]
                   www.gu.de
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