HEIDELBERG ENTDECKT IBA_MAGAZIN N 5 - DEZEMBER 2021 WISSENSCHAFTEN - IBA Heidelberg

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HEIDELBERG ENTDECKT IBA_MAGAZIN N 5 - DEZEMBER 2021 WISSENSCHAFTEN - IBA Heidelberg
DEZEMBER 2021

     IBA_MAGAZIN
         N°5
       WISSENSCHAFTEN

HEIDELBERG
 ENTDECKT
HEIDELBERG ENTDECKT IBA_MAGAZIN N 5 - DEZEMBER 2021 WISSENSCHAFTEN - IBA Heidelberg
30. APRIL BIS 10. JULI 2022
HEIDELBERG ENTDECKT IBA_MAGAZIN N 5 - DEZEMBER 2021 WISSENSCHAFTEN - IBA Heidelberg
EDITORIAL

Wie findet
Wissen Stadt?

Liebe Leser*innen,
                                                                            Michael Braum | Prof. | ist seit 2013
unsere Zukunft wird bestimmt durch die Suche nach                        geschäftsführender Direktor der IBA
Lösungen für die ökologisch, sozial und ökonomisch                       Heidelberg. Damit leitet er ein Projekt,
                                                                         das Heidelberg zur Modellstadt für die
notwendige Transformation unserer Gesellschaft. Den                      Wissensgesellschaft von morgen machen
Wissenschaften obliegt bei dieser Suche die tragende                     wird. Braum studierte Stadtplanung und
Verantwortung – umso mehr, als sich die politisch                        Städtebau an der TU Berlin. 1998 wurde er
                                                                         als Professor für Städtebau und Entwerfen
Verantwortlichen nur unzureichend den Erkenntnissen                      an die Leibniz Universität Hannover be­
der Wissenschaften stellen.                                              rufen. Von 2008 bis 2012 verantwortete
                                                                         er als Vorstandsvorsitzender den Aufbau der
                                                                         Bundesstiftung Baukultur.
HEIDELBERG IST EIN REALLABOR PAR EXCELLENCE
Die IBA stellt sich in diesem Kontext der Aufgabe, für
die Beantwortung der Zukunftsfragen städtebauliche              ›Nummer-1-Faktor‹ für die Zukunft der Stadt ausgewählt
und architektonische Beiträge zu entwickeln. Durch              wurden. Gleichzeitig müssen sie sich klar machen, wie
alleine drei »Krisen« in der Laufzeit der IBA – die             sich das in ihrer Art des Arbeitens und dadurch Dienst­
Finanzkrise in ihrer Vorbereitungsphase, die Flucht­            leistens für Heidelberg auswirken wird.«
bewegung in ihrem ersten Drittel und die Pandemie seit
nunmehr zwei Jahren – hat die Dramatik an Fahrt auf­        »RAUMSTRATEGIEN DER WISSENSCHAFTEN« FÜR
genommen: Jede dieser »Krisen« offenbart die Heraus­        DEN STADTENTWICKLUNGSPOLITISCHEN WANDEL
forderungen, die in dem Wandel stecken, von Mal zu          Eine besondere Rolle spielt dabei das vom Land Baden-
Mal deutlicher.                                             Württemberg kofinanzierte »Labor Wissen und Stadt«.
   Vor diesem Hintergrund liegt der Wert der IBA            Eng dem Ursprungsauftrag der IBA verpflichtet, über
Heidelberg weniger in ihren realisierten und in Bau und     neue Governancen und räumliche Leitbilder der durch
Planung befindlichen Projekten als vielmehr in ihren        die Wissenschaften beeinflussten Stadtentwicklung nach­
Vorschlägen zu strukturellen Veränderungen im Bereich       zudenken, werden mit den »Raumstrategien der Wissen­
des Planens und Bauens. Dies gelingt durch die Initiie­     schaften« Fährten gelegt, die den Planungsdiskurs
rung international beachteter Diskurse mit Persönlich­      Heidelbergs in den kommenden Jahrzehnten hoffentlich
keiten aus Wissenschaft und Praxis.                         nachhaltig beeinflussen werden.
    Dr. Volker Hassemer, Mitglied im IBA-Aufsichtsrat,
bringt es im für dieses Magazin geführten Interview auf         In diesem Sinne: Seien Sie gespannt!
den Punkt: »Es bedarf der Organisiertheit einer Gesell­
schaft, die nicht nur aus einer Vielzahl von Lobby­
gruppen besteht, sondern die sich in derselben Verpflich­
tung für die Zukunft des Gemeinwesens sieht wie die
Politik.« Und weiter: » … die Wissenschaften [müssten]          Michael Braum
geehrt und außerordentlich froh sein, dass sie als der          Geschäftsführender Direktor | IBA Heidelberg

IBA_MAGAZIN N°5                                             3                                         Heidelberg entdeckt
HEIDELBERG ENTDECKT IBA_MAGAZIN N 5 - DEZEMBER 2021 WISSENSCHAFTEN - IBA Heidelberg
Impressum
HERAUSGEBERIN: Internationale Bauausstellung Heidelberg GmbH          REDAKTIONSSCHLUSS: 3.12.2021 (Irrtümer vorbehalten)
Emil-Maier-Str. 16 | 69115 Heidelberg
                                                                      FOTOS / ILLUSTRATIONEN: Studio Rustemeyer (S. 3–7, 11, 22–23,
+49.6221.6586.500 | info@iba.heidelberg.de
                                                                      Rückseite), SINUS-Institut / Mirjam Wählen (S. 8), Nathalie Schueler
REDAKTION: Dagmar Hoetzel                                             (S. 8), Universität Heidelberg / Philip Benjamin (S. 8), Digital 21
MIT BEITRÄGEN VON: Silke Borgsted, Michael Braum, Thorsten            Leimen (S. 8), Andrea Katheder (S. 12), gerstner + hofmeister
Erl, Ulrike Gerhard, Volker Hassemer, Dagmar Hoetzel, Irmintraud      architekten/Daniel Hofmeister (S. 13), EMBL/Kinga Lubowiecka
Jost, Carla Jung-König, Kristina Kallus, Lenelis Kruse-Graumann,      (S. 14), Kerstin Höger Architekten (S. 15), ASTOC ARCHITECTS AND
Editha Marquardt, Michèle Pfister, Jörg Pross, Adeline Seidel, Eike   PLANNERS (S. 14), LOSSEN FOTO (S. 17), C. Studnar (S.18), Degelo
Wenzel                                                                Architekten (S. 19), Christian Buck (S. 20), DGJ Architektur (S. 20),
LEKTORAT: Kristina Kallus (IBA Heidelberg)                            Bruno Fioretti Marquez (S. 20–21), metris architekten + stadtplaner
KONZEPTION & GESTALTUNG: Francesco Futterer,                          (S. 24–26), Thilo Ross (S. 26), Romina Priesner (S. 28), HafenCity
Markus Artur Fuchs (KontextKommunikation, Heidelberg / Berlin)        Hamburg GmbH (S. 29), Cristina López Lindemann (S. 29),
CORPORATE DESIGN (IBA HEIDELBERG): Michaela Kessler                   Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 (01) Nr. 0016906_C / Foto: Edmund
(desres design studio), Frankfurt a. M.                               Kasperski (S. 30)
VERTRIEB: Das Magazin erscheint als Beilage
                                                                      BESTELLUNG: Bestellung von zusätzlichen, kostenfreien Magazinen
der Rhein-Neckar-Zeitung am 18.12.2021.
                                                                      unter +49.6221.6586.500 oder info@iba.heidelberg.de
DRUCK: ADAM NG GmbH, Bruchsal
PAPIER: UPM Ultra matt H new
AUFLAGE: 26.000 Stück
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INHALT

IBA_MAGAZIN                                                                                                         N°5
WISSENSCHAFTEN                                                                                  DEZEMBER 2021

6                                            13                  22
Aktuelles                                    Wissen in der Stadt Wissen und Stadt
6	Ein Hoch auf die                          13	Sehen heißt Verstehen                   22	Über die IBA hinaus
                                                Das IBA-Projekt EMBL Imaging Centre         Eine IBA sollte langfristig wirken, zum
   Wissenschaften!
                                                macht Spitzenforschung transparent          Beispiel mit einem übergreifenden
   Die Mehrheit der Heidelberger*innen
                                                                                            Planungsansatz – eine Illustration
   schätzt die Wissenschaft und Forschung    15	Perspektiven für das
   in ihrer Stadt                                                                        24	Raumstrategien der
                                                 Neuenheimer Feld
8	Nachgefragt                                  Nach einem intensiven Erarbeitungs­          Wissenschaften
   Heidelberger*innen verraten, wie sie         prozess sind nun die Grundlagen für         Architekt Thorsten Erl stellt eine
   sich ihren Wissenschaftsort der Zukunft      die weitere Planung des Medizin- und        ganzheitliche Betrachtungsweise
   vorstellen                                   Forschungscampus beschlossen                für eine zukunftsfähige Stadt­
                                                                                            entwicklungspolitik vor
                                             16	Vorrang für Funktion und
10                                               räumliche Qualität                      27	Wissenskooperationen in
Wissen und Politik                              Die wissenschaftlichen Institutionen
                                                nehmen gemeinsam Stellung zum
                                                                                             deutschen Städten
                                                                                            Welche Wissensallianz eignet sich für
                                                derzeitigen Stand des Masterplan­           Heidelberg? Geografin Ulrike Gerhard
10	Zukunft kann nur gemeinsam
                                                verfahrens Im Neuenheimer Feld              und Kulturwissenschaftlerin Editha
    gelingen                                                                                Marquardt untersuchten vergleichbare
   IBA-Aufsichtsratmitglied Volker           18	5 Fragen an …                              Städte
   Hassemer erläutert im Interview,             Psychologin Lenelis Kruse-Graumann
   welche Voraussetzungen eine
   erfolgreiche Wissenschaftsstadt
                                                über die Chancen des Masterplan­
                                                verfahrens für Wissenschaft und Stadt­   30
   braucht                                      bevölkerung
                                                                                         IBA Anderswo
                                             18	Wissen Bauen
                                                Drei IBA-Projekte in Heidelberg und      30	IBA Berlin 1984 / 87
                                                ein IBA-Gastprojekt in Mannheim             30 Jahre nach der »Interbau«
                                                drehen sich rund um Lernen, Wissen,         schreibt Berlin erneut europäische
                                                Bildung und Austausch                       Stadtbaugeschichte

IBA_MAGAZIN N°5                                                 5                                         Heidelberg entdeckt
HEIDELBERG ENTDECKT IBA_MAGAZIN N 5 - DEZEMBER 2021 WISSENSCHAFTEN - IBA Heidelberg
AKTUELLES

   Ein Hoch auf die
   Wissenschaften!
   Schon zum 15. Mal seit 1994 wurde im Oktober 2020 die
   »Heidelberg-Studie« durchgeführt. Für die repräsentative
   Be­fragung gaben rund 1100 Heidelberger*innen telefonisch
   Auskunft zu fünf Themenbereichen. Einer davon: die Wissen­
   schaftsstadt Heidelberg. Die Ergebnisse zeigen, welch hohen
   Stellenwert Wissenschaft und Forschung für die Bevölkerung
   haben.

Haben Sie Interesse an
Wissenschaft und Forschung?

                 63 %                           28 %            9%
               sehr stark                       stark          kaum

                                                                                                  Quelle: Heidelberg-Studie 2020 / © Stadt Heidelberg

Profitiert die Stadt von wissenschaftlichen Einrichtungen?

                  66 %                           29 %            3 % gar nicht
                sehr stark                       stark      nicht so stark

IBA_MAGAZIN N°5                                         6                        Heidelberg entdeckt
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Brauchen Wissenschaft und
Forschung Wachstumsflächen?

                           81 %                       17 %      weiß nicht
                       stimme zu                 stimme nicht zu

In welchem Maße unterstützen Politik und Verwaltung
in Heidelberg die wissenschafltichen Einrichtungen?

4%                      67 %                     19 %    10 %
zu viel             gerade richtig             zu wenig weiß nicht

Besuchen Sie öffentliche Veranstaltungen der
wissenschaftlichen Einrichtungen?

          30 %               17 %              53 %
     Ja, mehrmals         Ja, einmal           Nein

IBA_MAGAZIN N°5                                       7                      Heidelberg entdeckt
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NACHGEFRAGT

Wie sieht dein
Wissenschaftsort der

 NA
Zukunft aus?
Die Heidelberg-Studie 2020 hat gezeigt: Heidelberger*innen sind
nicht nur extrem zufrieden mit ihrer Stadt, sie schreiben dabei der
Universität und den Forschungsinstituten auch eine entscheidende
Rolle zu. 81 % der Beteiligten wünschen sich für die Zukunft deshalb
mehr Orte für die Wissenschaften. Welche Anforderungen müssen
diese aber erfüllen? Wir haben für das IBA_MAGAZIN nachgefragt!

                                                               Dr. Silke Borgsted | SINUS-Institut
                                                               »Wissenschaft sollte für die Stadt­
                                                               gesellschaft gelebter Alltag sein,
                                                               zum Beispiel in Form von kulturel­
                                                               len Events, Begegnungsoptionen
                                                               im öffentlichen Raum und überra­
                                                               schenden Edutainment-Formaten.
                                                               Unsere Forschung zeigt nämlich:

GEFR
                                                               In Heidelberg leben überdurch­
                                                               schnittlich viele modern- und pro­
                                                               gressiv-orientierte Gruppen. Sie
                                                               sind zukunftsoptimistisch, offen für
                                                               urbane Trends und inspirierende
                                                               Wissensvermittlung.«

       Dr. Eike Wenzel | Institut für Trend- und
       Zukunftsforschung
       »Mein Wissenschaftsort der Zukunft öffnet sich noch
       besser in die Gesellschaft hinein. Das bedeutet, dass
       Wissenschaft ihre systemrelevanten Dienstleistungen
       klarer kommuniziert, sich noch selbstbewusster als
       Ort des Zweifels, des Diskurses und des Wettbewerbs
       präsentiert. Dann wird auch verständlich, dass nicht
       nur Wissenschaftler*innen und Institutionen einen
       exklusiven Zugang zur Wahrheit haben.«

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HEIDELBERG ENTDECKT IBA_MAGAZIN N 5 - DEZEMBER 2021 WISSENSCHAFTEN - IBA Heidelberg
Irmintraud Jost | Amt für Wirtschaftsförderung
                               und Wissenschaft
                               »Der Wissenschaftsort der Zukunft fördert und unter­

 CH
                               stützt gezielt interdisziplinäre Forschung und Lehre.
                               Nur im engen Austausch zwischen verschiedenen
                               Instituten und Disziplinen aus Natur-, Geistes- und
                               Sozialwissenschaften lassen sich die komplexen Her­
                               ausforderungen der Wissenschaft und Gesellschaft
                               lösen. In Heidelberg wird dies an vielen Orten bereits
                               erfolgreich praktiziert.«

                      Prof. Dr. Jörg Pross | Prorektor
                      für Forschung, Universität
                      Heidelberg
                      »Ein Wissenschaftsort wird dann
                      erfolgreich sein, wenn es gelingt,
                      flexible, agilitätsfördernde Struktu­
                      ren zu schaffen und vor Verkrus­
                      tung zu bewahren. Um das volle

RAGT
                      Potenzial interdisziplinären Denkens
                      und Forschens abzurufen, wird es
                      nötig sein, disziplinäre Grenzen
                      auch räumlich aufzubrechen. Digi­
                      tale und physische Arbeits­räume
                      werden eng vernetzt sein, adaptive
                      Raumkonzepte werden dominieren.«

             Michèle Pfister | Studierendenrat,
             Universität Heidelberg
             »Inklusion, freier Austausch und eine lebendige Kunst-
             und Kulturszene mit entsprechenden Freiräumen
             sind grundlegend für Innovation und Forschung. Indem
             dort Menschen unterschiedlichster Hintergründe zu­
             sammengebracht werden, muss der Wissenschaftsort
             der Zukunft diese Elemente vereinen. Einen solchen
             Ort, geprägt von vielen Studierenden, stelle ich mir
             beispielsweise im neuen Stadtteil PHV vor.«

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HEIDELBERG ENTDECKT IBA_MAGAZIN N 5 - DEZEMBER 2021 WISSENSCHAFTEN - IBA Heidelberg
WISSEN UND POLITIK

Zukunft kann nur
gemeinsam gelingen
Bei politischen Entscheidungsfindungen braucht es die gesellschaft­
lichen Potentiale – frei von Einzelinteressen. Um das zu organisieren,
sind robuste Strukturen notwendig, die geschaffen werden müssen.
Dies gilt auch für die Etablierung einer »Wissenschaftsstadt«. Für
Heidelberg sieht der ehemalige Berliner Senator für Stadtentwicklung
und Vorstandsvorsitzende der Stiftung Zukunft Berlin Volker Hassemer
dafür die Chance durch die IBA – wenn deren errungene Erkenntnisse
nachhaltig wirken können.
INTERVIEW Dagmar Hoetzel

Herr Hassemer, in der Stiftung           zwischen Politik und den gesell­        Gesellschaft, in Berlin und in
Zukunft Berlin leiten Sie ein Team,      schaftlichen Hauptkräften – und         Heidelberg ein besonders wichtiger.
welches das Verhältnis von               wir reden heute und gerade im Fall      Die Idee der Stiftung ist, dass wir
Gesellschaft und Wissenschaft            von Heidelberg über die Wissen­         nicht von außen die Gesellschaft
untersucht. Was sind Ihre                schaft – für die Zukunft der Stadt      organisieren, sondern dass wir als
Erkenntnisse?                            geben muss.                             Teil der Gesellschaft helfen, uns
Wir wissen, dass die Basis für die                                               selbst zu organisieren. Und so auch
Zukunft Berlins Wissenschaft sowie       Sind Politik und Gesellschaft           als Gesellschaft handlungs- und
Kunst und Kultur sind. Daraus            bereit dafür?                           sprechfähig werden. Es ist an der
ergibt sich eine herausgehobene          Die Politik ist da und aufgestellt, wie Zeit, dass die Gesellschaft sich an
Verantwortung und Verpflichtung          gut oder schlecht sie auch immer ist.   der Arbeit für die Zukunft der Städte
der Wissenschaften für Berlin. Und       Die Gesellschaft ist nicht aufgestellt beteiligt und nicht nur an der Zer­
es ergibt sich daraus ebenso eine        im Hinblick auf diese Zielsetzung.      gliedertheit ihrer Einzelinteressen.
herausgehobene Verantwortung und         Und hier liegt auch der Grund für       Wir vermeiden es, Einzelinteressen
Verpflichtung der Stadt für die          meine Stiftung. Es bedarf der Orga­ zu verfolgen. Wir setzen uns auch
Wissenschaften. Das verlangt eine        nisiertheit einer Gesellschaft, die     für die Wissenschaft nicht als Inter­
sorgfältige, gut überlegte und enga­     nicht nur aus einer Vielzahl von        essenvertreter der Wissenschaft ein.
gierte Zusammenarbeit. Wir sind          Lobbygruppen besteht, sondern die       Wir tun es, weil sie ein notwendiger
der Überzeugung, dass die Zukunft        sich in derselben Verpflichtung         Teil für die Zukunft Berlins ist. Die
einer Stadt nur gelingen kann, wenn      für die Zukunft des Gemeinwesens        Politik alleine kann dieses Potenzial
die Gesellschaft ihre Potentiale         sieht wie die Politik. Unsere Stiftung nicht heben.
ebenso einbringt wie die Politik. Die    will das organisieren und auch die
Annahme, Politik sei die einzig          Brücke bauen zur Politik. Denn die Was braucht es für eine
Verantwortliche für die Zukunft einer    Politik ist bisher nicht vorbereitet –  Wissenschaftsstadt?
Stadt, ist falsch. Dass die Gesell­      auch in Heidelberg nicht –, diese       Es bräuchte das Selbstverständnis
schaft die einzig Verantwortliche ist,   Kooperationsstrukturen so zu leben der Wissenschaft, dass sie in einer
ist ebenso falsch. Die Konsequenz        wie es erforderlich ist.                solchen Stadt in einer besonderen
für uns ist, dass es eine Kooperation    Die Wissenschaft ist ein Teil der       Verantwortung steht. Heidelberg hat

IBA_MAGAZIN N°5                                          10                                     Heidelberg entdeckt
»Aber eine Stadt kann sich nicht Wissenschaftsstadt nennen,
wenn sich die Wissenschaft nicht als Koproduzentin der
städtischen Zukunft aufstellt.«

sich entschieden, Wissenschaftsstadt
zu sein. Ehrlich gesagt, von außen
betrachtet hätte ich sie als eine tou­
ristische Stadt gesehen. Aber wahr­
scheinlich, und das wäre sehr klug,
nimmt Heidelberg die Touristik als
Surplus ihres Potentials und sagt
ansonsten, die Hardware unserer
Zukunft liegt in dem, was wir in
dem Feld der Wissenschaft erreicht
und ermöglicht haben. Für die Wis­
senschaft muss das bedeuten, dass
sie sich bei ihrer wissenschaftlichen
Arbeit auch in der Verantwortung
für die Stadt sieht. Als Stadt etwas
für die Wissenschaft zu tun und
als Wissenschaft etwas für die Stadt
zu tun – das will organisiert sein.
Das aber ist nach meinem Eindruck
weder in Berlin noch in Heidelberg
bisher erreicht. Wenn ich davon aus­     um die Notwendigkeit und Möglich­      dann gegenübersteht, auch eine
gehe, dass die Wissenschaftsstadt        keit solcher Strukturen deutlich zu    ungeheure Chance bedeutet. Sie ist
ein Kooperationsprojekt zwischen         machen und beispielhaft anzubieten.    dann nicht mehr Empfängerin von
Politik und Wissenschaft sein muss,                                             Entscheidungen zu Zukunftsentwick­
dann ist geradezu schwindsüchtig,        Wie kann das Interesse der             lungen, sondern sie ist eine Mit­
was an Kooperationsstrukturen schon      Wissenschaft an solchen                produzentin dieser Entscheidungen.
vorhanden ist. Eigentlich müssten die    Kooperationen geweckt werden?
Wissenschaften in Heidelberg geehrt      Das ist schmerzlich und anstrengend,
und außerordentlich froh sein, dass      denn die Wissenschaft hat schon
sie als der »Nummer-1-Faktor« für        genug mit sich selbst zu tun. Aber     »Es bedarf der
die Zukunft der Stadt ausgewählt         eine Stadt kann sich nicht Wissen­     Organisiertheit
wurden. Gleichzeitig müssten sie sich    schaftsstadt nennen, wenn sich die
klar machen, wie sich das in ihrer       Wissenschaft nicht als Koproduzentin   einer Gesellschaft,
Art des Arbeitens und dadurch
Dienstleistens für Heidelberg aus­
                                         der städtischen Zukunft aufstellt.
                                         Wenn man Wissenschaftsstadt sagt,
                                                                                die nicht nur aus
wirken sollte. Für das übergeordnete     dann ist die Wissenschaft der          einer Vielzahl von
Ziel »Arbeit für Heidelberg« braucht     Zukunftsfaktor für die Stadt.
man Strukturen – und da ist die IBA      Und die Wissenschaft muss verstehen,
                                                                                Lobbygruppen
natürlich ein fabelhaftes Instrument,    dass diese Herausforderung, der sie    besteht«
IBA_MAGAZIN N°5                                          11                                   Heidelberg entdeckt
WISSEN UND POLITIK

Nach meiner Erfahrung als Stadt­            Wissenschaft kein Hort der Politik.    erwachsen. Macht die IBA nachhal­
entwicklungssenator von Berlin              Aber beides braucht es, um einen       tig! Ich meine das ernst mit dem
und den Erkenntnissen aus meiner            Hort der Zukunft der Stadt zu bauen. Thema Recycling: Werft das, was
Stiftung rate ich, dass man mit                                                    ihr erarbeitet habt, was Geld und
kleinen Schritten anfängt, man sich                                                Zeit gekostet hat und die Ideen, nicht
nicht überorganisiert. Es beginnt           »Macht die IBA                         weg, sondern benutzt den Geist
damit, dass sich die Wissenschaften                                                dieser IBA für Strukturen, die dann
fragen, wie sie bei diesem Anspruch
                                            nachhaltig!«                           eine Wissenschaftsstadt Heidelberg,
der »Koproduktion« gegenüber der                                                   nachhaltig, ergeben.
Stadt auftreten. Mit solchen struktu­       Was wünschen Sie Heidelberg?
rellen Gedanken beginnt aus der             Ich möchte, dass Heidelberg seine      Kriegt Heidelberg das hin?
Ankündigung eine Mitverantwortung           IBA ernst nimmt. Dort ist die          Mit meiner Erfahrung aus 15 Jahren
zu werden. Und mit Mitverantwor­            Zuspitzung der Aufgabe definiert       Stiftung Zukunft Berlin sage ich:
tung meine ich nicht das Reingrät­          worden. Vielleicht gar nicht so        Das ist eher unwahrscheinlich. Aber
schen in Entscheidungsstrukturen.           bewusst von den politisch Verant­      irgendeinem muss es mal gelingen.
Denn zu entscheiden ist das Privileg        wortlichen, aber immerhin haben        Und mein Eindruck ist, dass
der Politik. Aber den notwendigen           sie über Jahre hinweg – und wie ich Heidelberg durchaus fit ist, Dinge zu
Sachverstand und die notwendigen            erlebt habe, sehr engagiert – von      machen, die woanders noch nicht
Erfahrungen zusammenzuführen,               der politischen Spitze ihrer Stadt das gelungen sind.
die Entscheidungen vorzubereiten,           Spezifikum Wissenschaftsstadt
das ist nicht ihr Privileg. Jede Politik,   gegeben. In Heidelberg weiß man,
die sagt, wir können alleine sach­          wer die Hauptverantwortlichen
gerechte Entscheidungen vor­                der gesellschaftlichen Mitwirkung
bereiten, wir brauchen niemanden            sind: die aus der Wissenschaft. Die
sonst, irrt.                                anderen gesellschaftlichen Kräfte
Heidelbergs Entscheidung für eine           darf man da natürlich nicht vergessen,
Wissenschaftsstadt beinhaltet für           aber es ist gut zu wissen, wer das
mich auch das Bekenntnis der Politik,       Zugpferd ist. Dieses Zugpferd muss
für das Thema Wissenschaftsstadt            aber auch eine strukturelle Positio­
nicht allein die inhaltliche Kompe­         nierung bekommen. Und die sehe
tenz zu besitzen. Die Politik ist nicht     ich noch nicht, das wird auch sehr
ein Hort der Wissenschaft und die           schwer sein.
                                            Wir recyclen jede Blechdose. Aber
                                            wir recyclen nicht errungene
                                            Erkenntnisse, Verständnis, Überzeu­
»Mein Eindruck ist,                         gungen hin zu einer besseren
dass Heidelberg                             Zukunft – das ist eine Schwäche
                                            unserer Gesellschaft. Würde
durchaus fit ist,                           Heidelberg das gelingen, wäre die
                                                                                       Volker Hassemer | Dr. | Senator a. D. |
                                                                                   ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung

Dinge zu machen,                            Stadt vorbildlich. Heidelberg zu dem Zukunft Berlin, ein unabhängiges Forum für
                                                                                   bürgerschaftliche Mitverantwortung. Die
                                            zu machen, was die IBA versprochen Stiftung bringt die Bürgerschaft mit Politik
die woanders                                hat, beginnt erst so richtig, wenn     und Entscheider*innen zusammen, bietet
                                            die IBA vorbei ist. Aus dem Verspre­ Veranstaltungen zum Meinungsaustausch
noch nicht gelungen                         chen wurde ein Ereignis, aus dem       und Plattformen für Positionen. Seit 2016

sind.«                                      Ereignis müssen jetzt Strukturen
                                                                                   ist er Mitglied im Aufsichtsrat der IBA
                                                                                   Heidelberg.

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WISSEN IN DER STADT

                                Sehen heißt Verstehen
                                 Wissenschaft mit globaler Wirkung: Das European Molecular
                                 Biology Laboratory (EMBL) gehört zu den bekanntesten bio­
                                 logischen Forschungslaboren der Welt. Seit beinahe 50 Jahren
                                 dreht sich hier alles rund um die molekularen Lebenswissen­
                                 schaften. Insgesamt 27 Staaten sind inzwischen Mitglied des
                                 EMBL. Neben Standorten in Barcelona, Grenoble oder Hamburg
                                 hat es seinen Hauptsitz in Heidelberg, hoch über dem Stadt­
                                 zentrum an den Hängen des Königstuhls. Ein klassischer
                                 Elfenbeinturm also?
                                 TEXT Carla Jung-König, Kristina Kallus

»Oben am Berg« – so heißt es unter Heidelberger*innen         Teilen richtig ist: Die meisten Gebäude haben zwar
häufig, wenn von den Hanglagen rund um den Königstuhl         Zugangsbeschränkungen, der Campus steht interessierten
zwischen der Altstadt bis westlich von Rohrbach die           Besucher*innen jedoch ganztägig offen. Mit dem neuen
Rede ist. Genau hier liegt das EMBL-Hauptquartier ein­        »Imaging Centre«, seit 2018 Projekt der IBA Heidelberg,
gebettet und betreibt Forschung auf Weltniveau. Mehr          soll nun die Idee einer für die Öffentlichkeit zugängli­
als 50 Teams, organisiert in fünf Forschungseinheiten,        chen Forschungseinrichtung weitergeführt werden. Mit
spezialisieren sich auf Zellbiologie und Biophysik,           seinen Elektronen- und Lichtmikroskopen, die in der
Entwicklungsbiologie, Genombiologie sowie Struktur­           Lage sind, hochwertiges Bildmaterial zu produzieren,
biologie & Bioinformatik. Auch Fragen rund um Covid-19        bietet das EMBL eine zentrale Plattform für den Aus­
werden im Heidelberger EMBL bearbeitet.                       tausch und die Kooperation zwischen anderen wissen­
    Für die meisten Stadtbewohner*innen ist das Institut      schaftlichen Einrichtungen, internationalen Gastwissen­
ein geschlossener Komplex, in dem Wissenschaft hinter         schaftler*innen und Unternehmen. Jährlich sollen etwa
verriegelten Türen betrieben wird. Ein Bild, das nur in       300 Gastforschende Zugang zu den Imaging-Technologien

IBA_MAGAZIN N°5                                            13                                   Heidelberg entdeckt
WISSEN IN DER STADT

                                                           An der Schnittstelle zwischen Forschung, Gesellschaft und Natur:
                                                           Das 2021 fertiggestellte EMBL Imaging Centre.

haben, um an neuen, bahnbrechenden Forschungsprojek­       Bildungszwecken sind neben den Räumen für die Mikro­
ten zu arbeiten. Gleichzeitig wird das EMBL Imaging        skopie zudem Seminarräume, ein Auditorium, Technik­
Centre eine Ausstellung beherbergen, die der Stadt­        räume, Besprechungszimmer und Büroarbeitsplätze im
gesellschaft Einblicke in die Forschungsarbeit gibt.       Gebäude integriert.

ERSTKLASSIGE FORSCHUNGSINFRASTRUKTUR                    EIN SCHAUFENSTER FÜR DIE WISSENSCHAFT
Das EMBL Imaging Centre wurde in Kooperation mit        Insgesamt hält sich die Architektur des Gebäudes zurück,
der Stadt Heidelberg stadtplanerisch vorbereitet und    ist dabei aber luftig, hell, hochfunktional und einladend –
2016 in einem Wettbewerb entwickelt. Nach dem Entwurf und wird zusammen mit dem Besuchszentrum und dem
des Heidelberger Architekten Johannes Gerstner          Campusgelände nicht nur für Forschende aus aller
spiegelt sich die Idee der Öffnung im architektonischen Welt, sondern auch für die Stadtbevölkerung zu einem
Konzept wider: Die an vielen Stellen transparente       neuen Treffpunkt. Die interaktive Ausstellung »Die Welt
Außenhülle, teilweise mit drehbaren Glaselementen aus­ der Molekularbiologie« führt Besucher*innen durch
gestattet, verbindet die Forschung im Inneren mit der   Forschungsbereiche vom Genom zu Ökosystemen und
umgebenden Landschaft und bettet das Gebäude sanft      gibt Einblicke in die Leistungsfähigkeit der Bildgebungs­
in den Berg ein. Herzstück ist die ca. 6,5 Meter hohe,  technologien. So wird deutlich, wie sich die Forschung
28 Meter lange und acht Meter breite Kryo-Halle, die am EMBL im Alltag niederschlägt. Das Gebäude kann
Platz für bis zu vier Kryo-Elektronen-Mikroskope        eine erste Brücke zwischen Spitzenforschung und
bietet. Daran angeschlossen befindet sich das offen     Stadtgesellschaft schlagen – oben am Berg.
gestaltete Atrium, das Besucher*innen und Wissen­
schaftler*innen gleichermaßen willkommen heißt. Durch        IBA-PROJEKT EMBL IMAGING CENTRE
seine Deckengestaltung und Akustik eignet es sich         Ort: zwischen Altstadt und Boxberg
zudem als Veranstaltungsfläche. Für die Zusammenarbeit    Projektträger: European Molecular Biology Laboratory
                                                          Architektur: gerstner + hofmeister architekten, Heidelberg
mit anderen Institutionen sowie zu Forschungs- und

IBA_MAGAZIN N°5                                         14                                         Heidelberg entdeckt
WISSEN IN DER STADT

                                   Perspektiven für das
                                   Neuenheimer
                                       STÄDTEBAU & FREIRAUM
                                                           Feld     Feldpassagen

                                                                                              Entrees
                                                                                                                                      Sport / Bewegung

                                                                                                                                                           Filterzone Handschusheimer Feld
                                                                                                                                                                                                     SPORT

                                                                                                                                                                                                                                                                                                        KONZEPTION FÜR ÜBERGÄNGE

                                   Heidelbergs Forschungs- und Medizincampus »Im Neuenheimer
                                                                                                                                                                                                                                                                 Techno
                                                                                                                                                                                                     Orthopädie

                                                                                                                      Campusmitte

Die entworfenen Rahmenpläne
                                                                                                                                                                                                                    StuWe
                                                                                                                                                                                                                                  VZM
                                                                                                                                                                                                                                                 PH        MPI DKFZ

                                                                                                          Grüne                                                      grüne
                                                                                                                                                                               Schwerpunkt
                                                                                                                                                                                                           Thorax              Verwaltung

                                                                                                        Klinikmitte                                 Schwerpunkt
                                                                                                                                                                     Zungen    Universität
                                                                                                                                                                                                                                                          UNI
                                                                                                                                                    Klinikum                                                            UKHD                                                                            1. Parkplätze bebauen    2. Aufstockung

von Kerstin Höger Architekten
                                                                    Neckarpassagen                                                                                   CAMPUSKERN
                                                                                           Campusring                                                                                                                  Neue Chirurgie

                                   Feld« unterliegt seit Jahrzehnten einer hochdynamischen Ent­
                                                                                                                                                                                                                                            Bot. Garten
                                                                                                                                                                                                                                                          DKFZ
                                                                                                                                                                                                                                                                 Pathologie
                                                                                                                                                                                                                            Niere Herzzentrum
                                                                                                                                                                                      Passagen
                                                                                                                                                                                                                                            StuWe           UKHD

(links) und ASTOC Architects and
                                                                                                                                                              Filterzone Neckar
                                                                                                                                                                                                                                                                     MPI
                                                                                                                                                                                                                                                                                                          3. Abriss / Neubau    4. unversiegelte
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   bebauen

                                                  RÄUMLICHE HERLEITUNG                                                              STRUKTURBILD GESAMTCAMPUS                                    NUTZUNGSVERTEILUNG (SCHEMATISCH)                                             QUARTIERE (SCHEMATISCH)   PRIORISIERUNG FÜR NACHVERDICHT

Planners (rechts) dienen als       wicklung – und hat heute mit enormen verkehrsinfrastrukturellen
Bearbeitungsgrundlage für die
weitere Planung.                   und baulichen Herausforderungen zu kämpfen. Wie kann das
                                   Potenzial des Campus als renommierter Wissenschaftsstandort
                                   in Zukunft gesichert werden?
                                   TEXT Michael Braum

In gemeinsamer Projektträgerschaft des Landes, derGESAMTPLAN QUARTIERE M 1:2.500     Weiterentwicklung des Wissenschaftscampus zu entwerfen.
Universität und der Stadt Heidelberg wurde 2017 der                                  Nach einem mehrjährigen Erarbeitungsprozess, in den
Masterplanprozess Im Neuenheimer Feld auf den Weg                                    die wissenschaftlichen Institutionen, die Stadt Heidelberg,
gebracht. Vier ausgewählte Büros – ASTOC Architects                                  ein Fachgremium, in dem die IBA durch ihre Leitung
and Planners (Köln), CF Møller Architects (Kopenhagen),                              vertreten war, sowie die Bürgerschaft durch einen
Ferdinand Heide Architekt (Frankfurt am Main) und                                    beispiellosen und intensiven Beteiligungsprozess ein­
Kerstin Höger Architekten (Zürich) – wurden in Arbeits­                              gebunden waren, beschloss der Gemeinderat die Entwürfe
gemeinschaften mit Landschafts-, Verkehrs- und                                       der Büros ASTOC und Kerstin Höger als Grundlage
Energieplaner*innen beauftragt, einen Masterplan zur                                 für die nunmehr anstehende vertiefende Bearbeitung.

IBA_MAGAZIN N°5                                                          15                                                                                                                                       Heidelberg entdeckt
WISSEN IN DER STADT

   Vorrang für Funktion
   und räumliche Qualität
    Die wissenschaftlichen Einrichtungen im Neuenheimer Feld
    nehmen gemeinsam Stellung

In einer gemeinsamen Stellungnahme zum Stand des           des Standorts als Arbeitsplatz und der Medizinversor­
Masterplanverfahrens haben vier wissenschaftliche          gung stärker in den Blick genommen werden. Dies
Einrichtungen im Neuenheimer Feld als Nutzende des         betreffe, so die Stellungnahme, insbesondere die weitere
Wissenschaftscampus erklärt, »dass die beiden vorlie­      Konzeption von Entwicklungsflächen, die Ausgestal­
genden Entwurfsansätze jeweils für sich betrachtet nur     tung und Umsetzung von Mobilitäts- und Infrastruktur­
auf den ersten Blick eine tragfähige Entwicklungskon­      maßnahmen sowie die räumlichen Anforderungen an
zeption für einen nachhaltigen Forschungs-, Wissen­        einen nachhaltigen Campusstandort, der eine hohe Auf­
schafts- und Klinikstandort bieten.« Sie könnten als       enthaltsqualität für Studierende, Beschäftigte, Patient*in­
Rahmen verstanden werden, der jedoch eine weitere          nen und Besucher*innen gewährleistet.
Bearbeitung erfordere. Es bestehe, so die Stellungnahme        Die Stellungnahme benennt darüber hinaus jeweils
der Universität Heidelberg, des Universitätsklinikums      nutzungsspezifische Gesichtspunkte für eine notwendige
Heidelberg, des Deutschen Krebsforschungszentrums          Nachjustierung, die nachfolgend in Auszügen vorge­
und des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffent­     stellt werden:
liches Recht und Völkerrecht weiter, in den beiden
vorliegenden Entwürfen der Büros ASTOC und Höger            	
                                                             U NIVERSITÄT HEIDELBERG
ein Konsens über eine Innenverdichtung des Campus             Die Realisierung des kleinen Straßenbahnrings ist an die
vorrangig vor einer Bebauung des Hühnersteins. Dies            Voraussetzung geknüpft, dass verbindlich zunächst die in
                                                               beiden Ansätzen vorgeschlagene neue Zugangsstraße
dürfe jedoch nicht zu Lasten von Funktion und räumli­          (Nordstraße) gebaut wird. Über die konsequente Trennung
cher Qualität des Standortes gehen. »Gerade deshalb            der Verkehrsarten (Motorisierter Individualverkehr und
kann der Hühnerstein als perspektivische Flächenoption         Öffentlicher Verkehr) wird gewährleitet, dass die Straßen­
                                                               bahn auf der Straße »Im Neuenheimer Feld« campus­
baurechtlich nicht in Frage gestellt werden«, so die           verträglich und ohne Zerschneidungswirkung umgesetzt
Nutzer*innen.                                                  sowie wichtige Freiraumziele (u. a. Transformation Straßen­
    Insbesondere die spezifischen Entwicklungsanforde­         raum) erreicht werden können.
rungen der Einrichtungen auf dem Campusgebiet sowie           Eine Straßenbahn auf dem Forschungscampus für die Natur-
                                                               und Lebenswissenschaften wird nur Akzeptanz finden,
wirtschaftliche Gesamtabwägungen mit Blick auf den
                                                               wenn der bestmögliche Schutz der betroffenen Forschungs­
Gebäudebestand und die Verkehrsinfrastruktur sei bislang       einrichtungen sichergestellt wird – und zwar durch eine
nicht ausreichend bearbeitet worden. Diese müssten             geeignete Trassenführung, geringe Geschwindigkeiten und
enger mit Nutzer*innen, Grundstücks- und Gebäude­              eine technische Kompensation der Schienenfahrzeuge,
                                                               um bei Gebäuden Erschütterungen und bei Forschungs­
eigentümer*innen sowie den anderen Vorhabenträger*in­          geräten elektromagnetische Störungen zu verhindern.
nen in Einklang gebracht werden.                              Die Überbauung der chemischen Institute im Rahmen des
    Um den Rahmen für einen zukunftsfähigen For­               Konzepts ASTOC, die einer höheren Innenverdichtung im
schungs- und Klinikstandort zu schaffen, müssen die            Kernbereich des Campusgeländes dienen soll, ist wirtschaft­
                                                               lich nicht vertretbar.
rechtlichen, funktionalen und qualitativen Anforderungen

IBA_MAGAZIN N°5                                        16                                          Heidelberg entdeckt

 U NIVERSITÄTSKLINIKUM HEIDELBERG                                        	
                                                                          D EUTSCHES KREBSFORSCHUNGSZENTRUM
  Die Entwicklungsflächen für Klinika erfordern eine nahe                (DKFZ)
   Anbindung an die unterirdischen infrastrukturellen Versor­             Nutzungsflächen in Untergeschossen ohne ausreichende
   gungsstrukturen des Klinikums (= Klinikring). Die zugewiesenen          Belichtung und Sichtbeziehungen sind kritisch zu bewerten,
   Flächen erfüllen diese Anforderung nicht. Die Flächen im                da sie nicht den Arbeitsstättenrichtlinien entsprechen und
   Westen des INF – Jugendherberge und Sportstätte Rugby –                 damit keine vollwertigen Nutzungsflächen darstellen.
   wären eine akzeptable Alternative.
                                                                          Der Nachweis der vorgegebenen Stellplätze ausschließlich
  Für Rettungsfahrzeuge muss das Klinikum jederzeit gut und               in zweigeschossigen Tiefgaragen der Neubauten missachtet
   staufrei erreichbar sein. Es gibt in den Planungsentwürfen              die bauliche Realität von Laborgebäuden, da das Unter­
   keine Lösung für einen möglichen Massenanfall von Verletz­              geschoss größtenteils als Technikgeschoss in Anspruch
   ten und keine Umleitungsmöglichkeit bei Unfall oder Stau                genommen wird.
   (Nadelöhr Berliner Straße).
  Die perspektivische Zunahme von eingeschränkt mobilen
   Patient*innen erfordert logistisch gut verortete und aus­             	
                                                                          M PI FÜR AUSLÄNDISCHES ÖFFENTLICHES
   reichende Parkmöglichkeiten in Nähe der Kliniken und ihrer             RECHT UND VÖLKERRECHT
   Entwicklungsflächen. Die Parkflächen sind auch für die
                                                                          Die Absicht, eine öffentliche Erschließung als Campusbahn
   Mitarbeitenden vorzuhalten (61 Prozent kommen aus dem
                                                                           auf dem Streckenabschnitt »Straße Im Neuenheimer Feld«
   Umland, 51 Prozent arbeiten im Schichtbetrieb).
                                                                           zu integrieren, erfordert die Berücksichtigung der liegen­
  
  D ie geplante Verdichtung der beiden Entwürfe ist nicht                  schaftlichen Grundstücksgrenzen.
  tragfähig. Es sind zu wenige Frei- und Logistikflächen im
  Umfeld der Kliniken eingeplant für künftige Baumaßnahmen,
  Sanierungen sowie Austausch und Installation medizinischer
  Großgeräte.
  Die aktuellen Pläne sehen baulich funktional losgelöste
   »Insellösungen« und eine zu große Bebauungsquote in die
   Tiefe beziehungsweise Höhe vor. Die funktionalen Abläufe
   der Kliniken würden hierdurch gestört.
                                                                     Das Masterplanverfahren Im Neuenheimer Feld soll beispielhaft
  Anflugschneisen des Hubschraubers sind freizuhalten. Eine
                                                                     die Qualitäten als Campus und als Stadtquartier zu einem
   Aufstockung der Gebäude ist in diesen Bereichen nicht
                                                                     urbanen Wissenschaftsareal verknüpfen.
   möglich und insgesamt unwirtschaftlich.

IBA_MAGAZIN N°5                                                     17                                         Heidelberg entdeckt
FRAGEN
WISSEN IN DER STADT

5 Fragen an …
… Prof. Dr. Lenelis Kruse-Graumann
INTERVIEW Dagmar Hoetzel

 AN …
1    Warum ist die Masterplanung für den Campus
Im Neuenheimer Feld wichtig?
Es gilt sicherzustellen, dass sich eine rasant wachsende              Lenelis Kruse-Graumann | Prof. Dr. | ist
                                                                   am Masterplanverfahren zum Campus Im
Wissenschafts- und Forschungslandschaft ihrer Schlüssel­           Neuenheimer Feld in der Rolle der Ko-Vor­
rolle für die Großen Herausforderungen unserer Ge­                 sitzenden des Koordinationsbeirates betei­
sellschaft gerecht werden kann. Sie muss sich internati­           ligt, der geeignete Formen und Prozesse
                                                                   der Bürgerbeteiligung für die verschiedenen
onal wettbewerbsfähig und zukunftsorientiert entfalten             Phasen der Masterplanung vorschlägt.
können. Dies kann nicht beliebig als Wildwuchs in                  Von 1985 bis 2007 lehrte sie als Professorin
einem unbegrenzten Raum vonstatten gehen, sondern                  für Psychologie, insbesondere Umwelt­
                                                                   psychologie an der Fernuniversität in Hagen,
verlangt nach einer zukunftssicheren, aber auch zukunfts­
                                                                   seit 1988 bis heute ist sie außerdem
offenen Planung, die die derzeitigen Ideen und Nut­                Honorarprofessorin an der Universität
   5
zungsinteressen von vielen verschiedenen Akteur*innen              Heidelberg. Ihre Themenschwerpunkte
auf einem begrenzten Areal berücksichtigt. Eine äußerst            beziehen sich auf sozial- und verhaltens­
                                                                   wissenschaftliche Ansätze zur Analyse und
komplexe Planungsaufgabe, die nicht nur die vorgegebe­             Bewältigung von Umwelt- und Nachhaltig­
nen Themenfelder Städtebau, Verkehr, Infrastruktur,                keitsproblemen sowie auf Bildung für
Freiraum betrifft, sondern vor allem auch nachhaltige              nachhaltige Entwicklung.
Lösungen für Klimaschutz und moderne Mobilitäts­
formen verlangt.                                            4  Stellen die Planungen auch einen Impuls dar
                                                          für die Stadtentwicklung insgesamt?
2    Welcher Mehrwert entsteht für die Wissenschaft? Unbedingt, weil viele der angesprochenen Probleme –
Planungssicherheit für einen gut ausgebauten Standort in Raumplanung, Verkehrsplanung, Veränderung des
schönster Lage am Neckarbogen, mit kurzen Wegen           Modal Split – auch Auswirkungen auf die Stadt insgesamt
zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtun­ haben. Und weil notwendig auch der Verkehrsentwick­
gen und Kliniken, die Förderung von wissenschaftlicher lungsplan und der Klimaschutzplan mit berücksichtigt
Zusammenarbeit über Disziplingrenzen hinweg, hohe         werden müssen.
Aufenthaltsqualität und insgesamt hohe Lebensqualität.
                                                            5  Was für ein Ort könnte das Neuenheimer Feld
3    Profitieren die Bürger*innen auch davon?             in der Zukunft sein?
Ja, von der Universität als größtem Arbeitgeber der Stadt Nicht nur ein Wissenschaftsstandort am Rande der
und vom Prestige des Wissenschaftsstandorts, der          Stadt oder gar off limits für viele, sondern ein Stadt­
auch das Image der Stadt ganz wesentlich mitbestimmt. teil mit eigenem Gesicht, modernen, energiesparenden
Die Heidelberger*innen profitieren auch vom Prozess       Bauten, Dachbegrünung, verkehrsberuhigt bzw. mit
der Bürgerbeteiligung, wenn ihr Zeitaufwand, ihre         beispielhaften, zukunftsfähigen Verkehrs- und Mobi­
Vorschläge, ihre Mühen, die komplexen Zusammen­           litätskonzepten. Vielleicht würden dann auch mehr
hänge zu durchdringen, sich niederschlagen in Verbes­     wissenschaftliche Einrichtungen zu Vorträgen besucht
serungen und Bereicherungen von Planungsideen.            werden.

IBA_MAGAZIN N°5                                         18                                      Heidelberg entdeckt
WISSEN IN DER STADT

   Wissen Bauen
    Drei IBA-Projekte in Heidelberg und ein IBA-Gastprojekt
    in Mannheim zeigen, wie unterschiedlich Wissensorte sein
    können.
    TEXT Adeline Seidel

                                                             Das neue Konferenzzentrum schafft Räume für nationale wie
                                                             internationale Kongresse in der Wissenschaftsstadt Heidelberg.

HEIDELBERG CONGRESS CENTER                                stehen nun vor allem Begegnungen, Austausch und
Mit dem neuen Heidelberg Congress Center (HCC)            ›community building‹ – ergänzt durch virtuelle Elemente,
werden Wissenstransfer und Wissensvernetzung promi­ die Offline und Online intelligent und wirkungsvoll
nent in den städtischen Raum gerückt. Zugleich entsteht miteinander verknüpfen«, betont Gerhard Reiter, Ge­
durch die kluge städtebauliche Setzung des markanten      schäftsführer der Heidelberger Kultur- und Kongress­
Bauwerks eine neue räumliche Verbindung der Bahnstadt gesellschaft mbH. »Daher ist das HCC mit seiner Offen­
mit dem Südausgang des Heidelberger Hauptbahnhofs.        heit und Flexibilität wegweisend für die Branche.«
    Verantwortlich für die imposante Architektur des          Ein großer Saal mit knapp 1.800 Sitzplätzen, ein
knapp 14.000 Quadratmetern umfassenden Neubaus            kleiner Saal mit circa 800 Sitzplätzen sowie weiteren
ist das schweizerische Büro Degelo Architekten. Sie       Tagungs- und Besprechungsräumen ergänzen die offenen
konnten 2017 die Jury des international ausgelobten       Veranstaltungsflächen und das Foyer. Das für seine
Realisierungswettbewerbs mit ihrem signifikanten          Nachhaltigkeit in der höchsten Kategorie zertifizierte
Entwurf überzeugen. Dem Wettbewerb, den die IBA           Gebäude ist nicht nur stadträumlich ein gelungener
Heidelberg zusammen mit der damaligen Projektträgerin, Brückenschlag: Die wellenartige Fassade aus rotem
der Heidelberg Marketing GmbH, begleitete, liegt ein      Sandstein nimmt direkten Bezug auf den Baustoff der
intensiver Beteiligungsprozess der Bürgerschaft über Region, der auch das Heidelberger Schloss prägt.
den Standort des Neubaus zugrunde.
    Herzstück der Architektur sind die differenzierten         IBA-PROJEKT HEIDELBERG CONGRESS CENTER
und vielfältig gestalteten Begegnungsflächen sowie ein      Ort: Bahnstadt
architektonisch bemerkenswertes Foyer. »Die Pandemie        Projektträger: Heidelberger Kultur- und Kongressgesellschaft
                                                            Architektur: Degelo Architekten, Basel
hat die Kongresswelt nachhaltig verändert: Im Mittelpunkt

IBA_MAGAZIN N°5                                          19                                         Heidelberg entdeckt
WISSEN IN DER STADT

                                                          Universität mit dem »Centrum für Asien­
                                                          wissenschaften und Transkulturelle Studien«,
                                                          kurz CATS, die Gebäude der ehemaligen
                                                          Hautklinik. Das Heidelberger Architekturbüro
                                                          SSV entwarf für das denkmalgeschützte
                                                          Ensemble einen viergeschossig in die Tiefe
                                                          reichenden Bau, der sich behutsam in den
                                                          Innenhof einfügt und die Bereichsbibliothek
                                                          beherbergt. Auch den langwierigen Prozess
                                                          zur Erweiterung der Sammlung Prinzhorn be­
                                                          gleitet die IBA als Beraterin und Moderatorin.
                                                              Die Freiraumpotenziale des Campus
                                                          Bergheim sollen weiter gestärkt werden. Hierfür gilt es
                                                          insbesondere die Randbereiche des Gebiets mit den an­
Transformation eines ehemaligen Klinikareals:
Der Campus Bergheim.                                      grenzenden Stadtteilen besser zu verflechten und durch­
                                                          lässiger zu gestalten: So kann das Zusammenspiel von
                                                          Wissenschaft und Stadt auch im urbanen Alltag räumlich
CAMPUS BERGHEIM                                           vielseitig erlebbar werden.
Der Campus Bergheim ist ein stadträumliches Aggregat
der Wissenschaftsstadt: Am Neckar und nahe der            COLLEGIUM ACADEMICUM
Altstadt gelegen sind hier seit 150 Jahren wichtige       Das Collegium Academicum zeigt auf vielen Ebenen
Kliniken, Lehr- und Forschungseinrichtungen angesiedelt   Pioniercharakter. Es ist bundesweit das erste Wohnheim
worden. Die zahlreichen, baukulturell wertvollen Ge­      für Studierende, das nicht nur von seinen Bewohner*in­
bäude werden über unterschiedliche öffentliche Räume      nen selbst verwaltet wird, sondern auch ehrenamtlich
miteinander verbunden. Diese räumlichen Über­
lagerungen aus denkmalgeschützter Architektur und
Neubauten, kleinteiligen Grünbereichen, Wegen,
Arkaden und überschaubaren Straßen formen den
Campus zu einem einzigartigen Stadtgebiet. Im Zusam­
menspiel mit den Angeboten an Lehre, Forschung und
Kultur verfügen die öffentlichen Räume des Campus
inmitten Bergheims über ein enormes Potenzial, um als
Orte der Begegnung, des Austauschs und der Naherho­
lung die Lebensqualität Heidelbergs zu bereichern.
   Die IBA begleitet Universität und Stadt bei den
Planungen zur Innenentwicklung des Campus Bergheim
und fertigte zeichnerische Protokolle, auf deren Grund­
lage die Zielplanung entwickelt wurde. Zudem wirkte
die IBA bei dem Vergabeverfahren für die Heidelberg       Beim Collegium Academicum kommt ein neuartiges Holzskelett-
                                                          Bausystem zum Tragen.
School of Education mit. Im Sommer 2019 bezog die

    IBA-PROJEKT CAMPUS BERGHEIM                           von Studierenden initiiert, entwickelt und gebaut wurde.
 Ort: Bergheim                                            Es ist als erste mehrgeschossige Holzarchitektur mit
 Projektträger: Vermögen und Bau Baden-Württemberg,       knapp 5.000 Quadratmetern Nutzfläche realisiert worden,
 Amt Mannheim und Heidelberg
                                                          die ohne Stahlverbindungen auskommt.

IBA_MAGAZIN N°5                                       20                                        Heidelberg entdeckt
räume zum gemeinschaftlichen Leben und Lernen bietet.
                                                             Die IBA Heidelberg unterstützte bei der Konzeptfindung
                                                             und Standortsuche, organisierte Planerworkshops und
                                                             beriet die Bauherrschaft durchgehend.

                                                             STADTBIBLIOTHEK N2
                                                             Mit dem Neubau der Stadtbibliothek entsteht im Herzen
                                                             Mannheims ein Wissensstandort mit einem außeror­
                                                             dentlich breiten Bildungs- und Begegnungsangebot, der
                                                             konzeptionell in die Zukunft weist. »Mit dem Neubau
                                                             hat Mannheim die einmalige Chance, eine zeitgemäße
                                                             Bibliothek zu entwickeln: Sie ist nicht nur ein Haus
In der Mannheimer Innenstadt entsteht die Stadtbibliothek    der Bildung, sondern auch ein Ort des urbanen Lebens«,
der Zukunft.                                                 beschreibt der Mannheimer Bürgermeister Ralf
                                                             Eisenhauer das Projekt.
                                                                Verantwortlich für den Neubau ist das Berliner
»Eine große Offenheit und viel Idealismus zeichnen das       Architekturbüro Bruno Fioretti Marquez, dessen räumlich
Bottom-Up-Projekt aus.«, beschreibt der Architekt Hans       vielseitiger und flexibler Entwurf die Jury überzeugte.
Drexler die Zusammenarbeit mit den 30 Studierenden.          Begleitet wurde der einstufige, nicht offene, internatio­
»Nur durch diesen partizipatorischen Planungsprozess         nale Realisierungswettbewerb von der IBA Heidelberg.
konnte solch ein experimentelles Raumprogramm                Die Architekt*innen sehen einen filigranen Baukörper
entstehen, das von klassischen Träger*innen oder In­         auf dem Dalbergplatz vor, der eine einladende Offenheit
vestor*innen niemals realisiert worden wäre.« Die            ausstrahlt. Auf insgesamt sechs Geschossen bietet der
Initiator*innen setzen mit dem Wohnheim neue Maßstäbe:       Holzhybridbau eine beeindruckende »Landschaft« für
Suffiziente Wohneinheiten entstehen in einer Architektur     unterschiedlichste Medien und Nutzungen.
aus nachwachsenden Rohstoffen.                                   Zahlreiche Begegnungsflächen und Arbeitsräume
    Insgesamt finden auf vier Etagen 46 Wohngemein­          ermöglichen verschiedene Lern- und Arbeitsmodi für
schaften für je vier Personen Platz. Die flexiblen Grund­    einzelne Personen und Gruppen. Ebenso soll die neue
risse der Wohneinheiten können den individuellen             Bibliothek Veranstaltungsräume sowie einen Makerspace
und gemeinschaftlichen Wohnbedürfnissen von den Be­          beherbergen, »denn Bildung«, so Ralf Eisenhauer,
wohner*innen angepasst, aus- und umgebaut werden.            »braucht auch Räume für Experimente, für das kreative
Komplementiert werden die Wohnungen durch 360                Ausprobieren«. Ergänzt werden die öffentlichen Innen­
Quadratmeter Gemeinschaftsflächen mit unterschiedli­         räume durch einen Dachgarten und eine attraktive
chen Nutzungsmöglichkeiten und einem Bereich für ein         Gestaltung des angrenzenden Dalbergplatzes.
»Propädeutikum«: ein selbstorganisiertes Lern- und               Das facettenreiche, kostenlose Programm wird
Orientierungsjahr für künftige Studierende.                  für alle Bürger*innen Anknüpfungspunkte bieten.
    Mit dem Collegium Academicum haben die Initia­           Dadurch wird die Bibliothek zu einem Knotenpunkt
tor*innen nicht nur erschwinglichen und inklusiven           gesellschaftlicher Kommunikation und Teilhabe werden,
Wohnraum für Studierende in der Stadt Heidelberg             der wichtige Impulse für eine inklusive Wissensgesell­
geschaffen, sie haben auch einen Ort entwickelt, der Frei­   schaft sendet.

    IBA-PROJEKT COLLEGIUM ACADEMICUM                                IBA-GASTPROJEKT STADTBIBLIOTHEK N2
 Ort: Rohrbach                                                   Ort: Mannheim Innenstadt
 Projektträger: Collegium Academicum GmbH                        Projektträger: Stadt Mannheim
 Architektur: DGJ Architektur, Frankfurt am Main (Neubau)        Architektur: Bruno Fioretti Marquez, Berlin

IBA_MAGAZIN N°5                                             21                                           Heidelberg entdeckt
WISSEN UND STADT

  Über die IBA hinaus
  Eine Internationale Bauausstellung wirkt über ihre tatsächliche
  Laufzeit hinaus – nicht nur durch die in ihrem Rahmen ent­
  standenen Bauten. Im besten Fall werden Verfahren, Strukturen
  oder Leitbilder entwickelt, die langfristig wirken. Im von der
  IBA initiierten »Labor Wissen und Stadt« haben die Stadt
  Heidelberg und die ortsansässigen wissenschaftlichen Instituti­
  onen gemeinsam die »Raumstrategien der Wissen­schaften«
  erarbeitet – ein auf unterschiedlichen Bearbeitungsebenen
  basierender ganzheitlicher Planungsansatz – sowie Unter­
  suchungen durchgeführt, um Vorschläge für eine neue
  Governance zu finden.

                             Wiesbaden               Frankfurt

                                                     Darmstadt

                                          Mannheim
                                                                     PHV

     Kaiserslautern
                                                 Heidelberg

Region
                              Karlsruhe

IBA_MAGAZIN N°5                                 22                  Heidelberg entdeckt
Im Neuenheimer Feld

Im Neuenheimer
     Feld

                                                Hauptbahnhof

                                 Quartier

        Stadt
        IBA_MAGAZIN N°5         23                         Heidelberg entdeckt
WISSEN UND STADT

Raumstrategien der
Wissenschaften
Der Prozess, den die Internationale Bauausstellung vor bald zehn
Jahren aufgleiste, muss in eine kontinuierliche, strategisch orientierte
Stadtentwicklung überführt werden. Dabei ist es unerlässlich, die
Bedürfnisse der wissenschaftlichen Einrichtungen sowie der Stadt­
bevölkerung räumlich aufeinander abzustimmen. Das Projekt
»Raumstrategien der Wissenschaften« beruht auf dem Auftrag der
IBA, deren Bedürfnisse zu artikulieren und so die Wissenschaften
in Heidelberg sicht- und erlebbarer zu machen.
TEXT Thorsten Erl

                                                                 Die Ebene »Region und Stadt«
                                                                 gestaltet den Landschaftsraum
                                                                 und sorgt für eine stärkere
                                                                 multimodale Vernetzung.

Um dem ganzheitlichen Anspruch gerecht zu werden,          in der Region wirken unmittelbar auf Entwicklungs­
werden drei differenzierte Maßstabs- beziehungsweise       szenarien und Nutzungskonzepte für neue Areale, wie
Bearbeitungsebenen betrachtet: erstens Region und          dem Patrick Henry Village.
Stadt, zweitens Stadt und Quartier und drittens Quartier
und Haus. Die Arbeitsebenen sind durch wechselseitige     STADT UND QUARTIER
Wirkung gekennzeichnet und für die ganzheitliche          Hier kommt dem öffentlichen Raum besondere Bedeutung
Gestaltung und Erlebbarkeit der Wissenschaftsstadt        zu. Die Wege zwischen den »Wissensquartieren« –
Heidelberg von besonderer Bedeutung.                      zwischen einzelnen wissenschaftlichen Einrichtungen,
                                                          aber auch zu anderen universitären und kulturellen
REGION UND STADT                                          Angeboten – erfahren eine neue Aufmerksamkeit. Klare
Die Ebene Region und Stadt zielt vor allem auf            Orientierung sowie gut und differenziert gestaltete
Mobilitätsverbesserungen, d. h. eine stärkere multimodale Erschließungssituationen unterstützen die Sichtbarkeit
Vernetzung, sowie auf die Gestaltung des Landschafts­     und Präsenz der Wissenschaft in der Stadt. Die Eigen­
raums ab. Konkret: Der Heidelberger Hauptbahnhof mit arten der Nachbarschaften in den jeweiligen Stadtteilen
seinem direkten Umfeld muss als entscheidender Dreh-      erfordern eigenständige Programme und Konzepte.
und Angelpunkt in der Stadt und in der Region betrachtet      Diese zentrale, mittlere Betrachtungsebene wirkt in
werden. Für den Start- beziehungsweise Endpunkt be­       die beiden anderen Ebenen hinein. Gerade der Land­
deutender programmatischer Raumkorridore (Traditions­ schafts- und Freiraum als spezifischer Teil des öffentli­
raum – Transformationsraum – Visionsraum) bedarf          chen Raums birgt Chancen: Ein schlicht gedachter
es einer besonders sensiblen, offenen und Orientierung    Biergarten am Neckar kann zu einem perfekten Begeg­
gebenden Gestaltung.                                      nungsort werden, wo wissenschaftliche Kontroversen in
    Die Synergien zwischen den wissenschaftlichen         der Konferenzpause auf Alltagsgespräche treffen. Die
Standorten und der Ausbau der Forschungskooperationen Einbettung des Heidelberger Wissenschaftsbetriebs in

IBA_MAGAZIN N°5                                        24                                        Heidelberg entdeckt
den regionalen Kulturraum trifft international auf viel      Vorbereiche und Eingangszonen der Gebäude werden
Sympathie. Aber auch als Schnittstelle zu den Gebäuden       Einladungen oder Abgrenzungen »ausgesprochen«.
der Wissenschaften ist der öffentliche Raum von              Bestehende Schwellenwirkungen können dort, wo sie
außerordentlicher Wichtigkeit: Je nach Gestaltung der        nicht notwendig bzw. kontraproduktiv sind, abgebaut
                                                             werden.

                                                             QUARTIER UND HAUS
                                                             Hier wird es konkret: Beim Bau und Umbau von
                                                             wissenschaftlichen Einrichtungen kommt Eigentü­
                                                             mer*innen und Nutzer*innen die Aufgabe zu,
                                                             be­sondere Bespielungen für die Erdgeschosse zu
                                                             etablieren.
                                                                 Veranstaltungs-, Konferenz-, oder Workshopräume,
                                                             die auch von Dritten genutzt werden können, wissen­
                                                             schaftliche Sammlungen und Ausstellungen, aber auch
                                                             Bibliotheken und Cafeterias schaffen Begegnungen an
                                                             der Schnittstelle zum öffentlichen Raum. Auf Plätzen
                                                             und in Vorbereichen kehrt Leben ein. Darüber hinaus
                                                             erweitern diese hybrid genutzten Räume das Angebot
Bei der Ebene »Quartier und Haus« liegt der Fokus auf den    kultureller und wissenschaftlicher Veranstaltungsorte
Erdgeschosszonen. Deren Nutzungen sollen zur Belebung des
                                                             der Stadt. Die architektonische Transparenz der Erd­
öffentlichen Raums und Sichtbarmachung des Wissenschafts­
betriebs beitragen.                                          geschosszonen zum öffentlichen Raum trägt zur Sicht­
                                                             barkeit des Wissenschaftsbetriebs bei.

IBA_MAGAZIN N°5                                             25                                Heidelberg entdeckt
WISSEN UND STADT

ZIELE                                                                                                                                                            Der zentrale Freiraum, der unterschiedlichste Forschungs-
Der Ausbau der Heidelberger »Wissenschaftslandschaft«                                                                                                            und Lehreinrichtungen miteinander und mit dem städti­
bedarf einer intensiven integrierten Herangehensweise.                                                                                                           schen Kontext vernetzt, schafft nicht nur neue attraktive
Dabei steht die Wahrnehmung und Einbindung aller                                                                                                                 Räume für den transdisziplinären Austausch, sondern
wissenschaftlichen Einrichtungen, ihre Vernetzung und                                                                                                            ergänzt die strapazierten Innenstadtbereiche durch neue
Erlebbarkeit im städtischen Raum an oberster Stelle.                                                                                                             urbane Freiraumqualitäten.
    Der öffentliche Raum, in dem sich Stadtgesellschaft                                                                                                              Nicht zuletzt muss die Wertigkeit und Schönheit der
und Wissenschaftscommunity zufällig begegnen, wird                                                                                                               Architektur als Garant für nachhaltiges Bauen betont
zu einem wichtigen Ort gesellschaftlicher Aushandlung.                                                                                                           werden. Heidelberg zeigt, dass viele historische, denk­
Nicht der Auf bau und die ästhetische Inszenierung                                                                                                               malgeschützte Gebäude, aber auch hervorragende
von Grenzen zwischen Wissenschaft und Stadt, sondern                                                                                                             Architekturen aus den 1960er- und 70er-Jahren lebendige
deren Perforation oder vollständige Auflösung muss                                                                                                               Teile des Wissenschaftsbetriebs sind. Diese baukulturell
das Ziel räumlicher Weiterentwicklung sein. Die diskur­                                                                                                          wertvollen und markanten Häuser sind wichtig für das
siven Wissenschaftseinrichtungen der Zukunft benötigen                                                                                                           Stadtbild und den öffentlichen Raum.
Freiräume in Form von informellen Lernräumen und
unmittelbaren Begegnungsorten.

                                                                                                                                                                             Um den Königstuhl herum
              WISSENSCHAFTSWALDPARK                                                                                                                                          könnten Wanderrrouten eines
              HEIDELBERG
                                                                                                  Carl Bosch
                                                                                                  Museum
                                                                                                                            Villa Bosch           Heidelberg Institute for
                                                                                                                                                  Theoretical Studies        »Wissenschaftswaldparks«
                                                                        SCIENCE BUS                         H
                                                                                                                            H

                                                                                                                                          H
                                                                                                                                                                             die verschiedenen Forschungs­
                                                                                                                                                                             einrichtungen miteinander
                                                                                                                                                        H

                                                H
                                                                                                                                                                             verbinden.
                                                                                                      Bismarckhöhe                                                  H

                                            H

                                                             30
                                                                                                                                              3

                                                                                                  2
                                                        H

                                                                                              Königsstuhl

                                                                                                      H

                                        Arboretum I

                                                    H                                                 H

                                   39

             Kliniken Schmieder
             Heidelberg                                                                   H

                                   H        1
                                                                  Max-Planck-Institut
                                                                  für Astronomie                                   39

                               H

                                                                                      4

        Arboretum II
                                                                                                                Rehaklinik Heidel-
                       H                                                                                        berg-Königstuhl
                                                                                                                                          H

                               H
                                                                                                                        H
    Max-Planck-Institut
    für Kernphysik

                                                        39
                                                                                                                                                                                         Thorsten Erl | Prof. Dr. | ist Architekt
                 39A

                EMBL Imaging
                Center
                                                                                                                                                                                      und Stadtplaner. Vor seiner Professur für
                                        H                                                                                                                                             Städtebau an der Universität Siegen lehrte
                               EMBL Advanced
                               Training Center                                                                                                                                        und forschte er von 2002 bis 2018 am
                           H
                                                                                                                                                                                      Städtebau-­Institut der Universität Stuttgart.
                       39A
                                                                                      H                                                                                               Seine Arbeitsschwerpunkte sind urbane
                                                                                                                                                                                      Transformation und nachhaltige Stadtent­
                                                                                                                Wanderroute Wissenschaftswaldpark
                                                                                                                                                                                      wicklung, integrale Planung sowie Kopro­
                                                                                                                Nebenrouten                                                           duktion im Städtebau. In Heidelberg leitet
                                                                                                                ÖPNV

                                                                                                                Bergbahn
                                                                                                                                                                                      er seit 1999 sein eigenes Büro metris
                                                                                                                                                                                      architekten + stadtplaner.

IBA_MAGAZIN N°5                                                                                                                                          26                                                    Heidelberg entdeckt
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