HEIDELBERG ENTDECKT IBA_MAGAZIN N 5 - DEZEMBER 2021 WISSENSCHAFTEN - IBA Heidelberg
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EDITORIAL Wie findet Wissen Stadt? Liebe Leser*innen, Michael Braum | Prof. | ist seit 2013 unsere Zukunft wird bestimmt durch die Suche nach geschäftsführender Direktor der IBA Lösungen für die ökologisch, sozial und ökonomisch Heidelberg. Damit leitet er ein Projekt, das Heidelberg zur Modellstadt für die notwendige Transformation unserer Gesellschaft. Den Wissensgesellschaft von morgen machen Wissenschaften obliegt bei dieser Suche die tragende wird. Braum studierte Stadtplanung und Verantwortung – umso mehr, als sich die politisch Städtebau an der TU Berlin. 1998 wurde er als Professor für Städtebau und Entwerfen Verantwortlichen nur unzureichend den Erkenntnissen an die Leibniz Universität Hannover be der Wissenschaften stellen. rufen. Von 2008 bis 2012 verantwortete er als Vorstandsvorsitzender den Aufbau der Bundesstiftung Baukultur. HEIDELBERG IST EIN REALLABOR PAR EXCELLENCE Die IBA stellt sich in diesem Kontext der Aufgabe, für die Beantwortung der Zukunftsfragen städtebauliche ›Nummer-1-Faktor‹ für die Zukunft der Stadt ausgewählt und architektonische Beiträge zu entwickeln. Durch wurden. Gleichzeitig müssen sie sich klar machen, wie alleine drei »Krisen« in der Laufzeit der IBA – die sich das in ihrer Art des Arbeitens und dadurch Dienst Finanzkrise in ihrer Vorbereitungsphase, die Flucht leistens für Heidelberg auswirken wird.« bewegung in ihrem ersten Drittel und die Pandemie seit nunmehr zwei Jahren – hat die Dramatik an Fahrt auf »RAUMSTRATEGIEN DER WISSENSCHAFTEN« FÜR genommen: Jede dieser »Krisen« offenbart die Heraus DEN STADTENTWICKLUNGSPOLITISCHEN WANDEL forderungen, die in dem Wandel stecken, von Mal zu Eine besondere Rolle spielt dabei das vom Land Baden- Mal deutlicher. Württemberg kofinanzierte »Labor Wissen und Stadt«. Vor diesem Hintergrund liegt der Wert der IBA Eng dem Ursprungsauftrag der IBA verpflichtet, über Heidelberg weniger in ihren realisierten und in Bau und neue Governancen und räumliche Leitbilder der durch Planung befindlichen Projekten als vielmehr in ihren die Wissenschaften beeinflussten Stadtentwicklung nach Vorschlägen zu strukturellen Veränderungen im Bereich zudenken, werden mit den »Raumstrategien der Wissen des Planens und Bauens. Dies gelingt durch die Initiie schaften« Fährten gelegt, die den Planungsdiskurs rung international beachteter Diskurse mit Persönlich Heidelbergs in den kommenden Jahrzehnten hoffentlich keiten aus Wissenschaft und Praxis. nachhaltig beeinflussen werden. Dr. Volker Hassemer, Mitglied im IBA-Aufsichtsrat, bringt es im für dieses Magazin geführten Interview auf In diesem Sinne: Seien Sie gespannt! den Punkt: »Es bedarf der Organisiertheit einer Gesell schaft, die nicht nur aus einer Vielzahl von Lobby gruppen besteht, sondern die sich in derselben Verpflich tung für die Zukunft des Gemeinwesens sieht wie die Politik.« Und weiter: » … die Wissenschaften [müssten] Michael Braum geehrt und außerordentlich froh sein, dass sie als der Geschäftsführender Direktor | IBA Heidelberg IBA_MAGAZIN N°5 3 Heidelberg entdeckt
Impressum HERAUSGEBERIN: Internationale Bauausstellung Heidelberg GmbH REDAKTIONSSCHLUSS: 3.12.2021 (Irrtümer vorbehalten) Emil-Maier-Str. 16 | 69115 Heidelberg FOTOS / ILLUSTRATIONEN: Studio Rustemeyer (S. 3–7, 11, 22–23, +49.6221.6586.500 | info@iba.heidelberg.de Rückseite), SINUS-Institut / Mirjam Wählen (S. 8), Nathalie Schueler REDAKTION: Dagmar Hoetzel (S. 8), Universität Heidelberg / Philip Benjamin (S. 8), Digital 21 MIT BEITRÄGEN VON: Silke Borgsted, Michael Braum, Thorsten Leimen (S. 8), Andrea Katheder (S. 12), gerstner + hofmeister Erl, Ulrike Gerhard, Volker Hassemer, Dagmar Hoetzel, Irmintraud architekten/Daniel Hofmeister (S. 13), EMBL/Kinga Lubowiecka Jost, Carla Jung-König, Kristina Kallus, Lenelis Kruse-Graumann, (S. 14), Kerstin Höger Architekten (S. 15), ASTOC ARCHITECTS AND Editha Marquardt, Michèle Pfister, Jörg Pross, Adeline Seidel, Eike PLANNERS (S. 14), LOSSEN FOTO (S. 17), C. Studnar (S.18), Degelo Wenzel Architekten (S. 19), Christian Buck (S. 20), DGJ Architektur (S. 20), LEKTORAT: Kristina Kallus (IBA Heidelberg) Bruno Fioretti Marquez (S. 20–21), metris architekten + stadtplaner KONZEPTION & GESTALTUNG: Francesco Futterer, (S. 24–26), Thilo Ross (S. 26), Romina Priesner (S. 28), HafenCity Markus Artur Fuchs (KontextKommunikation, Heidelberg / Berlin) Hamburg GmbH (S. 29), Cristina López Lindemann (S. 29), CORPORATE DESIGN (IBA HEIDELBERG): Michaela Kessler Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 (01) Nr. 0016906_C / Foto: Edmund (desres design studio), Frankfurt a. M. Kasperski (S. 30) VERTRIEB: Das Magazin erscheint als Beilage BESTELLUNG: Bestellung von zusätzlichen, kostenfreien Magazinen der Rhein-Neckar-Zeitung am 18.12.2021. unter +49.6221.6586.500 oder info@iba.heidelberg.de DRUCK: ADAM NG GmbH, Bruchsal PAPIER: UPM Ultra matt H new AUFLAGE: 26.000 Stück
INHALT IBA_MAGAZIN N°5 WISSENSCHAFTEN DEZEMBER 2021 6 13 22 Aktuelles Wissen in der Stadt Wissen und Stadt 6 Ein Hoch auf die 13 Sehen heißt Verstehen 22 Über die IBA hinaus Das IBA-Projekt EMBL Imaging Centre Eine IBA sollte langfristig wirken, zum Wissenschaften! macht Spitzenforschung transparent Beispiel mit einem übergreifenden Die Mehrheit der Heidelberger*innen Planungsansatz – eine Illustration schätzt die Wissenschaft und Forschung 15 Perspektiven für das in ihrer Stadt 24 Raumstrategien der Neuenheimer Feld 8 Nachgefragt Nach einem intensiven Erarbeitungs Wissenschaften Heidelberger*innen verraten, wie sie prozess sind nun die Grundlagen für Architekt Thorsten Erl stellt eine sich ihren Wissenschaftsort der Zukunft die weitere Planung des Medizin- und ganzheitliche Betrachtungsweise vorstellen Forschungscampus beschlossen für eine zukunftsfähige Stadt entwicklungspolitik vor 16 Vorrang für Funktion und 10 räumliche Qualität 27 Wissenskooperationen in Wissen und Politik Die wissenschaftlichen Institutionen nehmen gemeinsam Stellung zum deutschen Städten Welche Wissensallianz eignet sich für derzeitigen Stand des Masterplan Heidelberg? Geografin Ulrike Gerhard 10 Zukunft kann nur gemeinsam verfahrens Im Neuenheimer Feld und Kulturwissenschaftlerin Editha gelingen Marquardt untersuchten vergleichbare IBA-Aufsichtsratmitglied Volker 18 5 Fragen an … Städte Hassemer erläutert im Interview, Psychologin Lenelis Kruse-Graumann welche Voraussetzungen eine erfolgreiche Wissenschaftsstadt über die Chancen des Masterplan verfahrens für Wissenschaft und Stadt 30 braucht bevölkerung IBA Anderswo 18 Wissen Bauen Drei IBA-Projekte in Heidelberg und 30 IBA Berlin 1984 / 87 ein IBA-Gastprojekt in Mannheim 30 Jahre nach der »Interbau« drehen sich rund um Lernen, Wissen, schreibt Berlin erneut europäische Bildung und Austausch Stadtbaugeschichte IBA_MAGAZIN N°5 5 Heidelberg entdeckt
AKTUELLES Ein Hoch auf die Wissenschaften! Schon zum 15. Mal seit 1994 wurde im Oktober 2020 die »Heidelberg-Studie« durchgeführt. Für die repräsentative Befragung gaben rund 1100 Heidelberger*innen telefonisch Auskunft zu fünf Themenbereichen. Einer davon: die Wissen schaftsstadt Heidelberg. Die Ergebnisse zeigen, welch hohen Stellenwert Wissenschaft und Forschung für die Bevölkerung haben. Haben Sie Interesse an Wissenschaft und Forschung? 63 % 28 % 9% sehr stark stark kaum Quelle: Heidelberg-Studie 2020 / © Stadt Heidelberg Profitiert die Stadt von wissenschaftlichen Einrichtungen? 66 % 29 % 3 % gar nicht sehr stark stark nicht so stark IBA_MAGAZIN N°5 6 Heidelberg entdeckt
Brauchen Wissenschaft und Forschung Wachstumsflächen? 81 % 17 % weiß nicht stimme zu stimme nicht zu In welchem Maße unterstützen Politik und Verwaltung in Heidelberg die wissenschafltichen Einrichtungen? 4% 67 % 19 % 10 % zu viel gerade richtig zu wenig weiß nicht Besuchen Sie öffentliche Veranstaltungen der wissenschaftlichen Einrichtungen? 30 % 17 % 53 % Ja, mehrmals Ja, einmal Nein IBA_MAGAZIN N°5 7 Heidelberg entdeckt
NACHGEFRAGT Wie sieht dein Wissenschaftsort der NA Zukunft aus? Die Heidelberg-Studie 2020 hat gezeigt: Heidelberger*innen sind nicht nur extrem zufrieden mit ihrer Stadt, sie schreiben dabei der Universität und den Forschungsinstituten auch eine entscheidende Rolle zu. 81 % der Beteiligten wünschen sich für die Zukunft deshalb mehr Orte für die Wissenschaften. Welche Anforderungen müssen diese aber erfüllen? Wir haben für das IBA_MAGAZIN nachgefragt! Dr. Silke Borgsted | SINUS-Institut »Wissenschaft sollte für die Stadt gesellschaft gelebter Alltag sein, zum Beispiel in Form von kulturel len Events, Begegnungsoptionen im öffentlichen Raum und überra schenden Edutainment-Formaten. Unsere Forschung zeigt nämlich: GEFR In Heidelberg leben überdurch schnittlich viele modern- und pro gressiv-orientierte Gruppen. Sie sind zukunftsoptimistisch, offen für urbane Trends und inspirierende Wissensvermittlung.« Dr. Eike Wenzel | Institut für Trend- und Zukunftsforschung »Mein Wissenschaftsort der Zukunft öffnet sich noch besser in die Gesellschaft hinein. Das bedeutet, dass Wissenschaft ihre systemrelevanten Dienstleistungen klarer kommuniziert, sich noch selbstbewusster als Ort des Zweifels, des Diskurses und des Wettbewerbs präsentiert. Dann wird auch verständlich, dass nicht nur Wissenschaftler*innen und Institutionen einen exklusiven Zugang zur Wahrheit haben.« IBA_MAGAZIN N°5 8 Heidelberg entdeckt
Irmintraud Jost | Amt für Wirtschaftsförderung und Wissenschaft »Der Wissenschaftsort der Zukunft fördert und unter CH stützt gezielt interdisziplinäre Forschung und Lehre. Nur im engen Austausch zwischen verschiedenen Instituten und Disziplinen aus Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften lassen sich die komplexen Her ausforderungen der Wissenschaft und Gesellschaft lösen. In Heidelberg wird dies an vielen Orten bereits erfolgreich praktiziert.« Prof. Dr. Jörg Pross | Prorektor für Forschung, Universität Heidelberg »Ein Wissenschaftsort wird dann erfolgreich sein, wenn es gelingt, flexible, agilitätsfördernde Struktu ren zu schaffen und vor Verkrus tung zu bewahren. Um das volle RAGT Potenzial interdisziplinären Denkens und Forschens abzurufen, wird es nötig sein, disziplinäre Grenzen auch räumlich aufzubrechen. Digi tale und physische Arbeitsräume werden eng vernetzt sein, adaptive Raumkonzepte werden dominieren.« Michèle Pfister | Studierendenrat, Universität Heidelberg »Inklusion, freier Austausch und eine lebendige Kunst- und Kulturszene mit entsprechenden Freiräumen sind grundlegend für Innovation und Forschung. Indem dort Menschen unterschiedlichster Hintergründe zu sammengebracht werden, muss der Wissenschaftsort der Zukunft diese Elemente vereinen. Einen solchen Ort, geprägt von vielen Studierenden, stelle ich mir beispielsweise im neuen Stadtteil PHV vor.« IBA_MAGAZIN N°5 9 Heidelberg entdeckt
WISSEN UND POLITIK Zukunft kann nur gemeinsam gelingen Bei politischen Entscheidungsfindungen braucht es die gesellschaft lichen Potentiale – frei von Einzelinteressen. Um das zu organisieren, sind robuste Strukturen notwendig, die geschaffen werden müssen. Dies gilt auch für die Etablierung einer »Wissenschaftsstadt«. Für Heidelberg sieht der ehemalige Berliner Senator für Stadtentwicklung und Vorstandsvorsitzende der Stiftung Zukunft Berlin Volker Hassemer dafür die Chance durch die IBA – wenn deren errungene Erkenntnisse nachhaltig wirken können. INTERVIEW Dagmar Hoetzel Herr Hassemer, in der Stiftung zwischen Politik und den gesell Gesellschaft, in Berlin und in Zukunft Berlin leiten Sie ein Team, schaftlichen Hauptkräften – und Heidelberg ein besonders wichtiger. welches das Verhältnis von wir reden heute und gerade im Fall Die Idee der Stiftung ist, dass wir Gesellschaft und Wissenschaft von Heidelberg über die Wissen nicht von außen die Gesellschaft untersucht. Was sind Ihre schaft – für die Zukunft der Stadt organisieren, sondern dass wir als Erkenntnisse? geben muss. Teil der Gesellschaft helfen, uns Wir wissen, dass die Basis für die selbst zu organisieren. Und so auch Zukunft Berlins Wissenschaft sowie Sind Politik und Gesellschaft als Gesellschaft handlungs- und Kunst und Kultur sind. Daraus bereit dafür? sprechfähig werden. Es ist an der ergibt sich eine herausgehobene Die Politik ist da und aufgestellt, wie Zeit, dass die Gesellschaft sich an Verantwortung und Verpflichtung gut oder schlecht sie auch immer ist. der Arbeit für die Zukunft der Städte der Wissenschaften für Berlin. Und Die Gesellschaft ist nicht aufgestellt beteiligt und nicht nur an der Zer es ergibt sich daraus ebenso eine im Hinblick auf diese Zielsetzung. gliedertheit ihrer Einzelinteressen. herausgehobene Verantwortung und Und hier liegt auch der Grund für Wir vermeiden es, Einzelinteressen Verpflichtung der Stadt für die meine Stiftung. Es bedarf der Orga zu verfolgen. Wir setzen uns auch Wissenschaften. Das verlangt eine nisiertheit einer Gesellschaft, die für die Wissenschaft nicht als Inter sorgfältige, gut überlegte und enga nicht nur aus einer Vielzahl von essenvertreter der Wissenschaft ein. gierte Zusammenarbeit. Wir sind Lobbygruppen besteht, sondern die Wir tun es, weil sie ein notwendiger der Überzeugung, dass die Zukunft sich in derselben Verpflichtung Teil für die Zukunft Berlins ist. Die einer Stadt nur gelingen kann, wenn für die Zukunft des Gemeinwesens Politik alleine kann dieses Potenzial die Gesellschaft ihre Potentiale sieht wie die Politik. Unsere Stiftung nicht heben. ebenso einbringt wie die Politik. Die will das organisieren und auch die Annahme, Politik sei die einzig Brücke bauen zur Politik. Denn die Was braucht es für eine Verantwortliche für die Zukunft einer Politik ist bisher nicht vorbereitet – Wissenschaftsstadt? Stadt, ist falsch. Dass die Gesell auch in Heidelberg nicht –, diese Es bräuchte das Selbstverständnis schaft die einzig Verantwortliche ist, Kooperationsstrukturen so zu leben der Wissenschaft, dass sie in einer ist ebenso falsch. Die Konsequenz wie es erforderlich ist. solchen Stadt in einer besonderen für uns ist, dass es eine Kooperation Die Wissenschaft ist ein Teil der Verantwortung steht. Heidelberg hat IBA_MAGAZIN N°5 10 Heidelberg entdeckt
»Aber eine Stadt kann sich nicht Wissenschaftsstadt nennen, wenn sich die Wissenschaft nicht als Koproduzentin der städtischen Zukunft aufstellt.« sich entschieden, Wissenschaftsstadt zu sein. Ehrlich gesagt, von außen betrachtet hätte ich sie als eine tou ristische Stadt gesehen. Aber wahr scheinlich, und das wäre sehr klug, nimmt Heidelberg die Touristik als Surplus ihres Potentials und sagt ansonsten, die Hardware unserer Zukunft liegt in dem, was wir in dem Feld der Wissenschaft erreicht und ermöglicht haben. Für die Wis senschaft muss das bedeuten, dass sie sich bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit auch in der Verantwortung für die Stadt sieht. Als Stadt etwas für die Wissenschaft zu tun und als Wissenschaft etwas für die Stadt zu tun – das will organisiert sein. Das aber ist nach meinem Eindruck weder in Berlin noch in Heidelberg bisher erreicht. Wenn ich davon aus um die Notwendigkeit und Möglich dann gegenübersteht, auch eine gehe, dass die Wissenschaftsstadt keit solcher Strukturen deutlich zu ungeheure Chance bedeutet. Sie ist ein Kooperationsprojekt zwischen machen und beispielhaft anzubieten. dann nicht mehr Empfängerin von Politik und Wissenschaft sein muss, Entscheidungen zu Zukunftsentwick dann ist geradezu schwindsüchtig, Wie kann das Interesse der lungen, sondern sie ist eine Mit was an Kooperationsstrukturen schon Wissenschaft an solchen produzentin dieser Entscheidungen. vorhanden ist. Eigentlich müssten die Kooperationen geweckt werden? Wissenschaften in Heidelberg geehrt Das ist schmerzlich und anstrengend, und außerordentlich froh sein, dass denn die Wissenschaft hat schon sie als der »Nummer-1-Faktor« für genug mit sich selbst zu tun. Aber »Es bedarf der die Zukunft der Stadt ausgewählt eine Stadt kann sich nicht Wissen Organisiertheit wurden. Gleichzeitig müssten sie sich schaftsstadt nennen, wenn sich die klar machen, wie sich das in ihrer Wissenschaft nicht als Koproduzentin einer Gesellschaft, Art des Arbeitens und dadurch Dienstleistens für Heidelberg aus der städtischen Zukunft aufstellt. Wenn man Wissenschaftsstadt sagt, die nicht nur aus wirken sollte. Für das übergeordnete dann ist die Wissenschaft der einer Vielzahl von Ziel »Arbeit für Heidelberg« braucht Zukunftsfaktor für die Stadt. man Strukturen – und da ist die IBA Und die Wissenschaft muss verstehen, Lobbygruppen natürlich ein fabelhaftes Instrument, dass diese Herausforderung, der sie besteht« IBA_MAGAZIN N°5 11 Heidelberg entdeckt
WISSEN UND POLITIK Nach meiner Erfahrung als Stadt Wissenschaft kein Hort der Politik. erwachsen. Macht die IBA nachhal entwicklungssenator von Berlin Aber beides braucht es, um einen tig! Ich meine das ernst mit dem und den Erkenntnissen aus meiner Hort der Zukunft der Stadt zu bauen. Thema Recycling: Werft das, was Stiftung rate ich, dass man mit ihr erarbeitet habt, was Geld und kleinen Schritten anfängt, man sich Zeit gekostet hat und die Ideen, nicht nicht überorganisiert. Es beginnt »Macht die IBA weg, sondern benutzt den Geist damit, dass sich die Wissenschaften dieser IBA für Strukturen, die dann fragen, wie sie bei diesem Anspruch nachhaltig!« eine Wissenschaftsstadt Heidelberg, der »Koproduktion« gegenüber der nachhaltig, ergeben. Stadt auftreten. Mit solchen struktu Was wünschen Sie Heidelberg? rellen Gedanken beginnt aus der Ich möchte, dass Heidelberg seine Kriegt Heidelberg das hin? Ankündigung eine Mitverantwortung IBA ernst nimmt. Dort ist die Mit meiner Erfahrung aus 15 Jahren zu werden. Und mit Mitverantwor Zuspitzung der Aufgabe definiert Stiftung Zukunft Berlin sage ich: tung meine ich nicht das Reingrät worden. Vielleicht gar nicht so Das ist eher unwahrscheinlich. Aber schen in Entscheidungsstrukturen. bewusst von den politisch Verant irgendeinem muss es mal gelingen. Denn zu entscheiden ist das Privileg wortlichen, aber immerhin haben Und mein Eindruck ist, dass der Politik. Aber den notwendigen sie über Jahre hinweg – und wie ich Heidelberg durchaus fit ist, Dinge zu Sachverstand und die notwendigen erlebt habe, sehr engagiert – von machen, die woanders noch nicht Erfahrungen zusammenzuführen, der politischen Spitze ihrer Stadt das gelungen sind. die Entscheidungen vorzubereiten, Spezifikum Wissenschaftsstadt das ist nicht ihr Privileg. Jede Politik, gegeben. In Heidelberg weiß man, die sagt, wir können alleine sach wer die Hauptverantwortlichen gerechte Entscheidungen vor der gesellschaftlichen Mitwirkung bereiten, wir brauchen niemanden sind: die aus der Wissenschaft. Die sonst, irrt. anderen gesellschaftlichen Kräfte Heidelbergs Entscheidung für eine darf man da natürlich nicht vergessen, Wissenschaftsstadt beinhaltet für aber es ist gut zu wissen, wer das mich auch das Bekenntnis der Politik, Zugpferd ist. Dieses Zugpferd muss für das Thema Wissenschaftsstadt aber auch eine strukturelle Positio nicht allein die inhaltliche Kompe nierung bekommen. Und die sehe tenz zu besitzen. Die Politik ist nicht ich noch nicht, das wird auch sehr ein Hort der Wissenschaft und die schwer sein. Wir recyclen jede Blechdose. Aber wir recyclen nicht errungene Erkenntnisse, Verständnis, Überzeu »Mein Eindruck ist, gungen hin zu einer besseren dass Heidelberg Zukunft – das ist eine Schwäche unserer Gesellschaft. Würde durchaus fit ist, Heidelberg das gelingen, wäre die Volker Hassemer | Dr. | Senator a. D. | ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Dinge zu machen, Stadt vorbildlich. Heidelberg zu dem Zukunft Berlin, ein unabhängiges Forum für bürgerschaftliche Mitverantwortung. Die zu machen, was die IBA versprochen Stiftung bringt die Bürgerschaft mit Politik die woanders hat, beginnt erst so richtig, wenn und Entscheider*innen zusammen, bietet die IBA vorbei ist. Aus dem Verspre Veranstaltungen zum Meinungsaustausch noch nicht gelungen chen wurde ein Ereignis, aus dem und Plattformen für Positionen. Seit 2016 sind.« Ereignis müssen jetzt Strukturen ist er Mitglied im Aufsichtsrat der IBA Heidelberg. IBA_MAGAZIN N°5 12 Heidelberg entdeckt
WISSEN IN DER STADT Sehen heißt Verstehen Wissenschaft mit globaler Wirkung: Das European Molecular Biology Laboratory (EMBL) gehört zu den bekanntesten bio logischen Forschungslaboren der Welt. Seit beinahe 50 Jahren dreht sich hier alles rund um die molekularen Lebenswissen schaften. Insgesamt 27 Staaten sind inzwischen Mitglied des EMBL. Neben Standorten in Barcelona, Grenoble oder Hamburg hat es seinen Hauptsitz in Heidelberg, hoch über dem Stadt zentrum an den Hängen des Königstuhls. Ein klassischer Elfenbeinturm also? TEXT Carla Jung-König, Kristina Kallus »Oben am Berg« – so heißt es unter Heidelberger*innen Teilen richtig ist: Die meisten Gebäude haben zwar häufig, wenn von den Hanglagen rund um den Königstuhl Zugangsbeschränkungen, der Campus steht interessierten zwischen der Altstadt bis westlich von Rohrbach die Besucher*innen jedoch ganztägig offen. Mit dem neuen Rede ist. Genau hier liegt das EMBL-Hauptquartier ein »Imaging Centre«, seit 2018 Projekt der IBA Heidelberg, gebettet und betreibt Forschung auf Weltniveau. Mehr soll nun die Idee einer für die Öffentlichkeit zugängli als 50 Teams, organisiert in fünf Forschungseinheiten, chen Forschungseinrichtung weitergeführt werden. Mit spezialisieren sich auf Zellbiologie und Biophysik, seinen Elektronen- und Lichtmikroskopen, die in der Entwicklungsbiologie, Genombiologie sowie Struktur Lage sind, hochwertiges Bildmaterial zu produzieren, biologie & Bioinformatik. Auch Fragen rund um Covid-19 bietet das EMBL eine zentrale Plattform für den Aus werden im Heidelberger EMBL bearbeitet. tausch und die Kooperation zwischen anderen wissen Für die meisten Stadtbewohner*innen ist das Institut schaftlichen Einrichtungen, internationalen Gastwissen ein geschlossener Komplex, in dem Wissenschaft hinter schaftler*innen und Unternehmen. Jährlich sollen etwa verriegelten Türen betrieben wird. Ein Bild, das nur in 300 Gastforschende Zugang zu den Imaging-Technologien IBA_MAGAZIN N°5 13 Heidelberg entdeckt
WISSEN IN DER STADT An der Schnittstelle zwischen Forschung, Gesellschaft und Natur: Das 2021 fertiggestellte EMBL Imaging Centre. haben, um an neuen, bahnbrechenden Forschungsprojek Bildungszwecken sind neben den Räumen für die Mikro ten zu arbeiten. Gleichzeitig wird das EMBL Imaging skopie zudem Seminarräume, ein Auditorium, Technik Centre eine Ausstellung beherbergen, die der Stadt räume, Besprechungszimmer und Büroarbeitsplätze im gesellschaft Einblicke in die Forschungsarbeit gibt. Gebäude integriert. ERSTKLASSIGE FORSCHUNGSINFRASTRUKTUR EIN SCHAUFENSTER FÜR DIE WISSENSCHAFT Das EMBL Imaging Centre wurde in Kooperation mit Insgesamt hält sich die Architektur des Gebäudes zurück, der Stadt Heidelberg stadtplanerisch vorbereitet und ist dabei aber luftig, hell, hochfunktional und einladend – 2016 in einem Wettbewerb entwickelt. Nach dem Entwurf und wird zusammen mit dem Besuchszentrum und dem des Heidelberger Architekten Johannes Gerstner Campusgelände nicht nur für Forschende aus aller spiegelt sich die Idee der Öffnung im architektonischen Welt, sondern auch für die Stadtbevölkerung zu einem Konzept wider: Die an vielen Stellen transparente neuen Treffpunkt. Die interaktive Ausstellung »Die Welt Außenhülle, teilweise mit drehbaren Glaselementen aus der Molekularbiologie« führt Besucher*innen durch gestattet, verbindet die Forschung im Inneren mit der Forschungsbereiche vom Genom zu Ökosystemen und umgebenden Landschaft und bettet das Gebäude sanft gibt Einblicke in die Leistungsfähigkeit der Bildgebungs in den Berg ein. Herzstück ist die ca. 6,5 Meter hohe, technologien. So wird deutlich, wie sich die Forschung 28 Meter lange und acht Meter breite Kryo-Halle, die am EMBL im Alltag niederschlägt. Das Gebäude kann Platz für bis zu vier Kryo-Elektronen-Mikroskope eine erste Brücke zwischen Spitzenforschung und bietet. Daran angeschlossen befindet sich das offen Stadtgesellschaft schlagen – oben am Berg. gestaltete Atrium, das Besucher*innen und Wissen schaftler*innen gleichermaßen willkommen heißt. Durch IBA-PROJEKT EMBL IMAGING CENTRE seine Deckengestaltung und Akustik eignet es sich Ort: zwischen Altstadt und Boxberg zudem als Veranstaltungsfläche. Für die Zusammenarbeit Projektträger: European Molecular Biology Laboratory Architektur: gerstner + hofmeister architekten, Heidelberg mit anderen Institutionen sowie zu Forschungs- und IBA_MAGAZIN N°5 14 Heidelberg entdeckt
WISSEN IN DER STADT Perspektiven für das Neuenheimer STÄDTEBAU & FREIRAUM Feld Feldpassagen Entrees Sport / Bewegung Filterzone Handschusheimer Feld SPORT KONZEPTION FÜR ÜBERGÄNGE Heidelbergs Forschungs- und Medizincampus »Im Neuenheimer Techno Orthopädie Campusmitte Die entworfenen Rahmenpläne StuWe VZM PH MPI DKFZ Grüne grüne Schwerpunkt Thorax Verwaltung Klinikmitte Schwerpunkt Zungen Universität UNI Klinikum UKHD 1. Parkplätze bebauen 2. Aufstockung von Kerstin Höger Architekten Neckarpassagen CAMPUSKERN Campusring Neue Chirurgie Feld« unterliegt seit Jahrzehnten einer hochdynamischen Ent Bot. Garten DKFZ Pathologie Niere Herzzentrum Passagen StuWe UKHD (links) und ASTOC Architects and Filterzone Neckar MPI 3. Abriss / Neubau 4. unversiegelte bebauen RÄUMLICHE HERLEITUNG STRUKTURBILD GESAMTCAMPUS NUTZUNGSVERTEILUNG (SCHEMATISCH) QUARTIERE (SCHEMATISCH) PRIORISIERUNG FÜR NACHVERDICHT Planners (rechts) dienen als wicklung – und hat heute mit enormen verkehrsinfrastrukturellen Bearbeitungsgrundlage für die weitere Planung. und baulichen Herausforderungen zu kämpfen. Wie kann das Potenzial des Campus als renommierter Wissenschaftsstandort in Zukunft gesichert werden? TEXT Michael Braum In gemeinsamer Projektträgerschaft des Landes, derGESAMTPLAN QUARTIERE M 1:2.500 Weiterentwicklung des Wissenschaftscampus zu entwerfen. Universität und der Stadt Heidelberg wurde 2017 der Nach einem mehrjährigen Erarbeitungsprozess, in den Masterplanprozess Im Neuenheimer Feld auf den Weg die wissenschaftlichen Institutionen, die Stadt Heidelberg, gebracht. Vier ausgewählte Büros – ASTOC Architects ein Fachgremium, in dem die IBA durch ihre Leitung and Planners (Köln), CF Møller Architects (Kopenhagen), vertreten war, sowie die Bürgerschaft durch einen Ferdinand Heide Architekt (Frankfurt am Main) und beispiellosen und intensiven Beteiligungsprozess ein Kerstin Höger Architekten (Zürich) – wurden in Arbeits gebunden waren, beschloss der Gemeinderat die Entwürfe gemeinschaften mit Landschafts-, Verkehrs- und der Büros ASTOC und Kerstin Höger als Grundlage Energieplaner*innen beauftragt, einen Masterplan zur für die nunmehr anstehende vertiefende Bearbeitung. IBA_MAGAZIN N°5 15 Heidelberg entdeckt
WISSEN IN DER STADT Vorrang für Funktion und räumliche Qualität Die wissenschaftlichen Einrichtungen im Neuenheimer Feld nehmen gemeinsam Stellung In einer gemeinsamen Stellungnahme zum Stand des des Standorts als Arbeitsplatz und der Medizinversor Masterplanverfahrens haben vier wissenschaftliche gung stärker in den Blick genommen werden. Dies Einrichtungen im Neuenheimer Feld als Nutzende des betreffe, so die Stellungnahme, insbesondere die weitere Wissenschaftscampus erklärt, »dass die beiden vorlie Konzeption von Entwicklungsflächen, die Ausgestal genden Entwurfsansätze jeweils für sich betrachtet nur tung und Umsetzung von Mobilitäts- und Infrastruktur auf den ersten Blick eine tragfähige Entwicklungskon maßnahmen sowie die räumlichen Anforderungen an zeption für einen nachhaltigen Forschungs-, Wissen einen nachhaltigen Campusstandort, der eine hohe Auf schafts- und Klinikstandort bieten.« Sie könnten als enthaltsqualität für Studierende, Beschäftigte, Patient*in Rahmen verstanden werden, der jedoch eine weitere nen und Besucher*innen gewährleistet. Bearbeitung erfordere. Es bestehe, so die Stellungnahme Die Stellungnahme benennt darüber hinaus jeweils der Universität Heidelberg, des Universitätsklinikums nutzungsspezifische Gesichtspunkte für eine notwendige Heidelberg, des Deutschen Krebsforschungszentrums Nachjustierung, die nachfolgend in Auszügen vorge und des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffent stellt werden: liches Recht und Völkerrecht weiter, in den beiden vorliegenden Entwürfen der Büros ASTOC und Höger U NIVERSITÄT HEIDELBERG ein Konsens über eine Innenverdichtung des Campus Die Realisierung des kleinen Straßenbahnrings ist an die vorrangig vor einer Bebauung des Hühnersteins. Dies Voraussetzung geknüpft, dass verbindlich zunächst die in beiden Ansätzen vorgeschlagene neue Zugangsstraße dürfe jedoch nicht zu Lasten von Funktion und räumli (Nordstraße) gebaut wird. Über die konsequente Trennung cher Qualität des Standortes gehen. »Gerade deshalb der Verkehrsarten (Motorisierter Individualverkehr und kann der Hühnerstein als perspektivische Flächenoption Öffentlicher Verkehr) wird gewährleitet, dass die Straßen bahn auf der Straße »Im Neuenheimer Feld« campus baurechtlich nicht in Frage gestellt werden«, so die verträglich und ohne Zerschneidungswirkung umgesetzt Nutzer*innen. sowie wichtige Freiraumziele (u. a. Transformation Straßen Insbesondere die spezifischen Entwicklungsanforde raum) erreicht werden können. rungen der Einrichtungen auf dem Campusgebiet sowie Eine Straßenbahn auf dem Forschungscampus für die Natur- und Lebenswissenschaften wird nur Akzeptanz finden, wirtschaftliche Gesamtabwägungen mit Blick auf den wenn der bestmögliche Schutz der betroffenen Forschungs Gebäudebestand und die Verkehrsinfrastruktur sei bislang einrichtungen sichergestellt wird – und zwar durch eine nicht ausreichend bearbeitet worden. Diese müssten geeignete Trassenführung, geringe Geschwindigkeiten und enger mit Nutzer*innen, Grundstücks- und Gebäude eine technische Kompensation der Schienenfahrzeuge, um bei Gebäuden Erschütterungen und bei Forschungs eigentümer*innen sowie den anderen Vorhabenträger*in geräten elektromagnetische Störungen zu verhindern. nen in Einklang gebracht werden. Die Überbauung der chemischen Institute im Rahmen des Um den Rahmen für einen zukunftsfähigen For Konzepts ASTOC, die einer höheren Innenverdichtung im schungs- und Klinikstandort zu schaffen, müssen die Kernbereich des Campusgeländes dienen soll, ist wirtschaft lich nicht vertretbar. rechtlichen, funktionalen und qualitativen Anforderungen IBA_MAGAZIN N°5 16 Heidelberg entdeckt
U NIVERSITÄTSKLINIKUM HEIDELBERG D EUTSCHES KREBSFORSCHUNGSZENTRUM Die Entwicklungsflächen für Klinika erfordern eine nahe (DKFZ) Anbindung an die unterirdischen infrastrukturellen Versor Nutzungsflächen in Untergeschossen ohne ausreichende gungsstrukturen des Klinikums (= Klinikring). Die zugewiesenen Belichtung und Sichtbeziehungen sind kritisch zu bewerten, Flächen erfüllen diese Anforderung nicht. Die Flächen im da sie nicht den Arbeitsstättenrichtlinien entsprechen und Westen des INF – Jugendherberge und Sportstätte Rugby – damit keine vollwertigen Nutzungsflächen darstellen. wären eine akzeptable Alternative. Der Nachweis der vorgegebenen Stellplätze ausschließlich Für Rettungsfahrzeuge muss das Klinikum jederzeit gut und in zweigeschossigen Tiefgaragen der Neubauten missachtet staufrei erreichbar sein. Es gibt in den Planungsentwürfen die bauliche Realität von Laborgebäuden, da das Unter keine Lösung für einen möglichen Massenanfall von Verletz geschoss größtenteils als Technikgeschoss in Anspruch ten und keine Umleitungsmöglichkeit bei Unfall oder Stau genommen wird. (Nadelöhr Berliner Straße). Die perspektivische Zunahme von eingeschränkt mobilen Patient*innen erfordert logistisch gut verortete und aus M PI FÜR AUSLÄNDISCHES ÖFFENTLICHES reichende Parkmöglichkeiten in Nähe der Kliniken und ihrer RECHT UND VÖLKERRECHT Entwicklungsflächen. Die Parkflächen sind auch für die Die Absicht, eine öffentliche Erschließung als Campusbahn Mitarbeitenden vorzuhalten (61 Prozent kommen aus dem auf dem Streckenabschnitt »Straße Im Neuenheimer Feld« Umland, 51 Prozent arbeiten im Schichtbetrieb). zu integrieren, erfordert die Berücksichtigung der liegen D ie geplante Verdichtung der beiden Entwürfe ist nicht schaftlichen Grundstücksgrenzen. tragfähig. Es sind zu wenige Frei- und Logistikflächen im Umfeld der Kliniken eingeplant für künftige Baumaßnahmen, Sanierungen sowie Austausch und Installation medizinischer Großgeräte. Die aktuellen Pläne sehen baulich funktional losgelöste »Insellösungen« und eine zu große Bebauungsquote in die Tiefe beziehungsweise Höhe vor. Die funktionalen Abläufe der Kliniken würden hierdurch gestört. Das Masterplanverfahren Im Neuenheimer Feld soll beispielhaft Anflugschneisen des Hubschraubers sind freizuhalten. Eine die Qualitäten als Campus und als Stadtquartier zu einem Aufstockung der Gebäude ist in diesen Bereichen nicht urbanen Wissenschaftsareal verknüpfen. möglich und insgesamt unwirtschaftlich. IBA_MAGAZIN N°5 17 Heidelberg entdeckt
FRAGEN WISSEN IN DER STADT 5 Fragen an … … Prof. Dr. Lenelis Kruse-Graumann INTERVIEW Dagmar Hoetzel AN … 1 Warum ist die Masterplanung für den Campus Im Neuenheimer Feld wichtig? Es gilt sicherzustellen, dass sich eine rasant wachsende Lenelis Kruse-Graumann | Prof. Dr. | ist am Masterplanverfahren zum Campus Im Wissenschafts- und Forschungslandschaft ihrer Schlüssel Neuenheimer Feld in der Rolle der Ko-Vor rolle für die Großen Herausforderungen unserer Ge sitzenden des Koordinationsbeirates betei sellschaft gerecht werden kann. Sie muss sich internati ligt, der geeignete Formen und Prozesse der Bürgerbeteiligung für die verschiedenen onal wettbewerbsfähig und zukunftsorientiert entfalten Phasen der Masterplanung vorschlägt. können. Dies kann nicht beliebig als Wildwuchs in Von 1985 bis 2007 lehrte sie als Professorin einem unbegrenzten Raum vonstatten gehen, sondern für Psychologie, insbesondere Umwelt psychologie an der Fernuniversität in Hagen, verlangt nach einer zukunftssicheren, aber auch zukunfts seit 1988 bis heute ist sie außerdem offenen Planung, die die derzeitigen Ideen und Nut Honorarprofessorin an der Universität 5 zungsinteressen von vielen verschiedenen Akteur*innen Heidelberg. Ihre Themenschwerpunkte auf einem begrenzten Areal berücksichtigt. Eine äußerst beziehen sich auf sozial- und verhaltens wissenschaftliche Ansätze zur Analyse und komplexe Planungsaufgabe, die nicht nur die vorgegebe Bewältigung von Umwelt- und Nachhaltig nen Themenfelder Städtebau, Verkehr, Infrastruktur, keitsproblemen sowie auf Bildung für Freiraum betrifft, sondern vor allem auch nachhaltige nachhaltige Entwicklung. Lösungen für Klimaschutz und moderne Mobilitäts formen verlangt. 4 Stellen die Planungen auch einen Impuls dar für die Stadtentwicklung insgesamt? 2 Welcher Mehrwert entsteht für die Wissenschaft? Unbedingt, weil viele der angesprochenen Probleme – Planungssicherheit für einen gut ausgebauten Standort in Raumplanung, Verkehrsplanung, Veränderung des schönster Lage am Neckarbogen, mit kurzen Wegen Modal Split – auch Auswirkungen auf die Stadt insgesamt zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtun haben. Und weil notwendig auch der Verkehrsentwick gen und Kliniken, die Förderung von wissenschaftlicher lungsplan und der Klimaschutzplan mit berücksichtigt Zusammenarbeit über Disziplingrenzen hinweg, hohe werden müssen. Aufenthaltsqualität und insgesamt hohe Lebensqualität. 5 Was für ein Ort könnte das Neuenheimer Feld 3 Profitieren die Bürger*innen auch davon? in der Zukunft sein? Ja, von der Universität als größtem Arbeitgeber der Stadt Nicht nur ein Wissenschaftsstandort am Rande der und vom Prestige des Wissenschaftsstandorts, der Stadt oder gar off limits für viele, sondern ein Stadt auch das Image der Stadt ganz wesentlich mitbestimmt. teil mit eigenem Gesicht, modernen, energiesparenden Die Heidelberger*innen profitieren auch vom Prozess Bauten, Dachbegrünung, verkehrsberuhigt bzw. mit der Bürgerbeteiligung, wenn ihr Zeitaufwand, ihre beispielhaften, zukunftsfähigen Verkehrs- und Mobi Vorschläge, ihre Mühen, die komplexen Zusammen litätskonzepten. Vielleicht würden dann auch mehr hänge zu durchdringen, sich niederschlagen in Verbes wissenschaftliche Einrichtungen zu Vorträgen besucht serungen und Bereicherungen von Planungsideen. werden. IBA_MAGAZIN N°5 18 Heidelberg entdeckt
WISSEN IN DER STADT Wissen Bauen Drei IBA-Projekte in Heidelberg und ein IBA-Gastprojekt in Mannheim zeigen, wie unterschiedlich Wissensorte sein können. TEXT Adeline Seidel Das neue Konferenzzentrum schafft Räume für nationale wie internationale Kongresse in der Wissenschaftsstadt Heidelberg. HEIDELBERG CONGRESS CENTER stehen nun vor allem Begegnungen, Austausch und Mit dem neuen Heidelberg Congress Center (HCC) ›community building‹ – ergänzt durch virtuelle Elemente, werden Wissenstransfer und Wissensvernetzung promi die Offline und Online intelligent und wirkungsvoll nent in den städtischen Raum gerückt. Zugleich entsteht miteinander verknüpfen«, betont Gerhard Reiter, Ge durch die kluge städtebauliche Setzung des markanten schäftsführer der Heidelberger Kultur- und Kongress Bauwerks eine neue räumliche Verbindung der Bahnstadt gesellschaft mbH. »Daher ist das HCC mit seiner Offen mit dem Südausgang des Heidelberger Hauptbahnhofs. heit und Flexibilität wegweisend für die Branche.« Verantwortlich für die imposante Architektur des Ein großer Saal mit knapp 1.800 Sitzplätzen, ein knapp 14.000 Quadratmetern umfassenden Neubaus kleiner Saal mit circa 800 Sitzplätzen sowie weiteren ist das schweizerische Büro Degelo Architekten. Sie Tagungs- und Besprechungsräumen ergänzen die offenen konnten 2017 die Jury des international ausgelobten Veranstaltungsflächen und das Foyer. Das für seine Realisierungswettbewerbs mit ihrem signifikanten Nachhaltigkeit in der höchsten Kategorie zertifizierte Entwurf überzeugen. Dem Wettbewerb, den die IBA Gebäude ist nicht nur stadträumlich ein gelungener Heidelberg zusammen mit der damaligen Projektträgerin, Brückenschlag: Die wellenartige Fassade aus rotem der Heidelberg Marketing GmbH, begleitete, liegt ein Sandstein nimmt direkten Bezug auf den Baustoff der intensiver Beteiligungsprozess der Bürgerschaft über Region, der auch das Heidelberger Schloss prägt. den Standort des Neubaus zugrunde. Herzstück der Architektur sind die differenzierten IBA-PROJEKT HEIDELBERG CONGRESS CENTER und vielfältig gestalteten Begegnungsflächen sowie ein Ort: Bahnstadt architektonisch bemerkenswertes Foyer. »Die Pandemie Projektträger: Heidelberger Kultur- und Kongressgesellschaft Architektur: Degelo Architekten, Basel hat die Kongresswelt nachhaltig verändert: Im Mittelpunkt IBA_MAGAZIN N°5 19 Heidelberg entdeckt
WISSEN IN DER STADT Universität mit dem »Centrum für Asien wissenschaften und Transkulturelle Studien«, kurz CATS, die Gebäude der ehemaligen Hautklinik. Das Heidelberger Architekturbüro SSV entwarf für das denkmalgeschützte Ensemble einen viergeschossig in die Tiefe reichenden Bau, der sich behutsam in den Innenhof einfügt und die Bereichsbibliothek beherbergt. Auch den langwierigen Prozess zur Erweiterung der Sammlung Prinzhorn be gleitet die IBA als Beraterin und Moderatorin. Die Freiraumpotenziale des Campus Bergheim sollen weiter gestärkt werden. Hierfür gilt es insbesondere die Randbereiche des Gebiets mit den an Transformation eines ehemaligen Klinikareals: Der Campus Bergheim. grenzenden Stadtteilen besser zu verflechten und durch lässiger zu gestalten: So kann das Zusammenspiel von Wissenschaft und Stadt auch im urbanen Alltag räumlich CAMPUS BERGHEIM vielseitig erlebbar werden. Der Campus Bergheim ist ein stadträumliches Aggregat der Wissenschaftsstadt: Am Neckar und nahe der COLLEGIUM ACADEMICUM Altstadt gelegen sind hier seit 150 Jahren wichtige Das Collegium Academicum zeigt auf vielen Ebenen Kliniken, Lehr- und Forschungseinrichtungen angesiedelt Pioniercharakter. Es ist bundesweit das erste Wohnheim worden. Die zahlreichen, baukulturell wertvollen Ge für Studierende, das nicht nur von seinen Bewohner*in bäude werden über unterschiedliche öffentliche Räume nen selbst verwaltet wird, sondern auch ehrenamtlich miteinander verbunden. Diese räumlichen Über lagerungen aus denkmalgeschützter Architektur und Neubauten, kleinteiligen Grünbereichen, Wegen, Arkaden und überschaubaren Straßen formen den Campus zu einem einzigartigen Stadtgebiet. Im Zusam menspiel mit den Angeboten an Lehre, Forschung und Kultur verfügen die öffentlichen Räume des Campus inmitten Bergheims über ein enormes Potenzial, um als Orte der Begegnung, des Austauschs und der Naherho lung die Lebensqualität Heidelbergs zu bereichern. Die IBA begleitet Universität und Stadt bei den Planungen zur Innenentwicklung des Campus Bergheim und fertigte zeichnerische Protokolle, auf deren Grund lage die Zielplanung entwickelt wurde. Zudem wirkte die IBA bei dem Vergabeverfahren für die Heidelberg Beim Collegium Academicum kommt ein neuartiges Holzskelett- Bausystem zum Tragen. School of Education mit. Im Sommer 2019 bezog die IBA-PROJEKT CAMPUS BERGHEIM von Studierenden initiiert, entwickelt und gebaut wurde. Ort: Bergheim Es ist als erste mehrgeschossige Holzarchitektur mit Projektträger: Vermögen und Bau Baden-Württemberg, knapp 5.000 Quadratmetern Nutzfläche realisiert worden, Amt Mannheim und Heidelberg die ohne Stahlverbindungen auskommt. IBA_MAGAZIN N°5 20 Heidelberg entdeckt
räume zum gemeinschaftlichen Leben und Lernen bietet. Die IBA Heidelberg unterstützte bei der Konzeptfindung und Standortsuche, organisierte Planerworkshops und beriet die Bauherrschaft durchgehend. STADTBIBLIOTHEK N2 Mit dem Neubau der Stadtbibliothek entsteht im Herzen Mannheims ein Wissensstandort mit einem außeror dentlich breiten Bildungs- und Begegnungsangebot, der konzeptionell in die Zukunft weist. »Mit dem Neubau hat Mannheim die einmalige Chance, eine zeitgemäße Bibliothek zu entwickeln: Sie ist nicht nur ein Haus In der Mannheimer Innenstadt entsteht die Stadtbibliothek der Bildung, sondern auch ein Ort des urbanen Lebens«, der Zukunft. beschreibt der Mannheimer Bürgermeister Ralf Eisenhauer das Projekt. Verantwortlich für den Neubau ist das Berliner »Eine große Offenheit und viel Idealismus zeichnen das Architekturbüro Bruno Fioretti Marquez, dessen räumlich Bottom-Up-Projekt aus.«, beschreibt der Architekt Hans vielseitiger und flexibler Entwurf die Jury überzeugte. Drexler die Zusammenarbeit mit den 30 Studierenden. Begleitet wurde der einstufige, nicht offene, internatio »Nur durch diesen partizipatorischen Planungsprozess nale Realisierungswettbewerb von der IBA Heidelberg. konnte solch ein experimentelles Raumprogramm Die Architekt*innen sehen einen filigranen Baukörper entstehen, das von klassischen Träger*innen oder In auf dem Dalbergplatz vor, der eine einladende Offenheit vestor*innen niemals realisiert worden wäre.« Die ausstrahlt. Auf insgesamt sechs Geschossen bietet der Initiator*innen setzen mit dem Wohnheim neue Maßstäbe: Holzhybridbau eine beeindruckende »Landschaft« für Suffiziente Wohneinheiten entstehen in einer Architektur unterschiedlichste Medien und Nutzungen. aus nachwachsenden Rohstoffen. Zahlreiche Begegnungsflächen und Arbeitsräume Insgesamt finden auf vier Etagen 46 Wohngemein ermöglichen verschiedene Lern- und Arbeitsmodi für schaften für je vier Personen Platz. Die flexiblen Grund einzelne Personen und Gruppen. Ebenso soll die neue risse der Wohneinheiten können den individuellen Bibliothek Veranstaltungsräume sowie einen Makerspace und gemeinschaftlichen Wohnbedürfnissen von den Be beherbergen, »denn Bildung«, so Ralf Eisenhauer, wohner*innen angepasst, aus- und umgebaut werden. »braucht auch Räume für Experimente, für das kreative Komplementiert werden die Wohnungen durch 360 Ausprobieren«. Ergänzt werden die öffentlichen Innen Quadratmeter Gemeinschaftsflächen mit unterschiedli räume durch einen Dachgarten und eine attraktive chen Nutzungsmöglichkeiten und einem Bereich für ein Gestaltung des angrenzenden Dalbergplatzes. »Propädeutikum«: ein selbstorganisiertes Lern- und Das facettenreiche, kostenlose Programm wird Orientierungsjahr für künftige Studierende. für alle Bürger*innen Anknüpfungspunkte bieten. Mit dem Collegium Academicum haben die Initia Dadurch wird die Bibliothek zu einem Knotenpunkt tor*innen nicht nur erschwinglichen und inklusiven gesellschaftlicher Kommunikation und Teilhabe werden, Wohnraum für Studierende in der Stadt Heidelberg der wichtige Impulse für eine inklusive Wissensgesell geschaffen, sie haben auch einen Ort entwickelt, der Frei schaft sendet. IBA-PROJEKT COLLEGIUM ACADEMICUM IBA-GASTPROJEKT STADTBIBLIOTHEK N2 Ort: Rohrbach Ort: Mannheim Innenstadt Projektträger: Collegium Academicum GmbH Projektträger: Stadt Mannheim Architektur: DGJ Architektur, Frankfurt am Main (Neubau) Architektur: Bruno Fioretti Marquez, Berlin IBA_MAGAZIN N°5 21 Heidelberg entdeckt
WISSEN UND STADT Über die IBA hinaus Eine Internationale Bauausstellung wirkt über ihre tatsächliche Laufzeit hinaus – nicht nur durch die in ihrem Rahmen ent standenen Bauten. Im besten Fall werden Verfahren, Strukturen oder Leitbilder entwickelt, die langfristig wirken. Im von der IBA initiierten »Labor Wissen und Stadt« haben die Stadt Heidelberg und die ortsansässigen wissenschaftlichen Instituti onen gemeinsam die »Raumstrategien der Wissenschaften« erarbeitet – ein auf unterschiedlichen Bearbeitungsebenen basierender ganzheitlicher Planungsansatz – sowie Unter suchungen durchgeführt, um Vorschläge für eine neue Governance zu finden. Wiesbaden Frankfurt Darmstadt Mannheim PHV Kaiserslautern Heidelberg Region Karlsruhe IBA_MAGAZIN N°5 22 Heidelberg entdeckt
Im Neuenheimer Feld Im Neuenheimer Feld Hauptbahnhof Quartier Stadt IBA_MAGAZIN N°5 23 Heidelberg entdeckt
WISSEN UND STADT Raumstrategien der Wissenschaften Der Prozess, den die Internationale Bauausstellung vor bald zehn Jahren aufgleiste, muss in eine kontinuierliche, strategisch orientierte Stadtentwicklung überführt werden. Dabei ist es unerlässlich, die Bedürfnisse der wissenschaftlichen Einrichtungen sowie der Stadt bevölkerung räumlich aufeinander abzustimmen. Das Projekt »Raumstrategien der Wissenschaften« beruht auf dem Auftrag der IBA, deren Bedürfnisse zu artikulieren und so die Wissenschaften in Heidelberg sicht- und erlebbarer zu machen. TEXT Thorsten Erl Die Ebene »Region und Stadt« gestaltet den Landschaftsraum und sorgt für eine stärkere multimodale Vernetzung. Um dem ganzheitlichen Anspruch gerecht zu werden, in der Region wirken unmittelbar auf Entwicklungs werden drei differenzierte Maßstabs- beziehungsweise szenarien und Nutzungskonzepte für neue Areale, wie Bearbeitungsebenen betrachtet: erstens Region und dem Patrick Henry Village. Stadt, zweitens Stadt und Quartier und drittens Quartier und Haus. Die Arbeitsebenen sind durch wechselseitige STADT UND QUARTIER Wirkung gekennzeichnet und für die ganzheitliche Hier kommt dem öffentlichen Raum besondere Bedeutung Gestaltung und Erlebbarkeit der Wissenschaftsstadt zu. Die Wege zwischen den »Wissensquartieren« – Heidelberg von besonderer Bedeutung. zwischen einzelnen wissenschaftlichen Einrichtungen, aber auch zu anderen universitären und kulturellen REGION UND STADT Angeboten – erfahren eine neue Aufmerksamkeit. Klare Die Ebene Region und Stadt zielt vor allem auf Orientierung sowie gut und differenziert gestaltete Mobilitätsverbesserungen, d. h. eine stärkere multimodale Erschließungssituationen unterstützen die Sichtbarkeit Vernetzung, sowie auf die Gestaltung des Landschafts und Präsenz der Wissenschaft in der Stadt. Die Eigen raums ab. Konkret: Der Heidelberger Hauptbahnhof mit arten der Nachbarschaften in den jeweiligen Stadtteilen seinem direkten Umfeld muss als entscheidender Dreh- erfordern eigenständige Programme und Konzepte. und Angelpunkt in der Stadt und in der Region betrachtet Diese zentrale, mittlere Betrachtungsebene wirkt in werden. Für den Start- beziehungsweise Endpunkt be die beiden anderen Ebenen hinein. Gerade der Land deutender programmatischer Raumkorridore (Traditions schafts- und Freiraum als spezifischer Teil des öffentli raum – Transformationsraum – Visionsraum) bedarf chen Raums birgt Chancen: Ein schlicht gedachter es einer besonders sensiblen, offenen und Orientierung Biergarten am Neckar kann zu einem perfekten Begeg gebenden Gestaltung. nungsort werden, wo wissenschaftliche Kontroversen in Die Synergien zwischen den wissenschaftlichen der Konferenzpause auf Alltagsgespräche treffen. Die Standorten und der Ausbau der Forschungskooperationen Einbettung des Heidelberger Wissenschaftsbetriebs in IBA_MAGAZIN N°5 24 Heidelberg entdeckt
den regionalen Kulturraum trifft international auf viel Vorbereiche und Eingangszonen der Gebäude werden Sympathie. Aber auch als Schnittstelle zu den Gebäuden Einladungen oder Abgrenzungen »ausgesprochen«. der Wissenschaften ist der öffentliche Raum von Bestehende Schwellenwirkungen können dort, wo sie außerordentlicher Wichtigkeit: Je nach Gestaltung der nicht notwendig bzw. kontraproduktiv sind, abgebaut werden. QUARTIER UND HAUS Hier wird es konkret: Beim Bau und Umbau von wissenschaftlichen Einrichtungen kommt Eigentü mer*innen und Nutzer*innen die Aufgabe zu, besondere Bespielungen für die Erdgeschosse zu etablieren. Veranstaltungs-, Konferenz-, oder Workshopräume, die auch von Dritten genutzt werden können, wissen schaftliche Sammlungen und Ausstellungen, aber auch Bibliotheken und Cafeterias schaffen Begegnungen an der Schnittstelle zum öffentlichen Raum. Auf Plätzen und in Vorbereichen kehrt Leben ein. Darüber hinaus erweitern diese hybrid genutzten Räume das Angebot Bei der Ebene »Quartier und Haus« liegt der Fokus auf den kultureller und wissenschaftlicher Veranstaltungsorte Erdgeschosszonen. Deren Nutzungen sollen zur Belebung des der Stadt. Die architektonische Transparenz der Erd öffentlichen Raums und Sichtbarmachung des Wissenschafts betriebs beitragen. geschosszonen zum öffentlichen Raum trägt zur Sicht barkeit des Wissenschaftsbetriebs bei. IBA_MAGAZIN N°5 25 Heidelberg entdeckt
WISSEN UND STADT ZIELE Der zentrale Freiraum, der unterschiedlichste Forschungs- Der Ausbau der Heidelberger »Wissenschaftslandschaft« und Lehreinrichtungen miteinander und mit dem städti bedarf einer intensiven integrierten Herangehensweise. schen Kontext vernetzt, schafft nicht nur neue attraktive Dabei steht die Wahrnehmung und Einbindung aller Räume für den transdisziplinären Austausch, sondern wissenschaftlichen Einrichtungen, ihre Vernetzung und ergänzt die strapazierten Innenstadtbereiche durch neue Erlebbarkeit im städtischen Raum an oberster Stelle. urbane Freiraumqualitäten. Der öffentliche Raum, in dem sich Stadtgesellschaft Nicht zuletzt muss die Wertigkeit und Schönheit der und Wissenschaftscommunity zufällig begegnen, wird Architektur als Garant für nachhaltiges Bauen betont zu einem wichtigen Ort gesellschaftlicher Aushandlung. werden. Heidelberg zeigt, dass viele historische, denk Nicht der Auf bau und die ästhetische Inszenierung malgeschützte Gebäude, aber auch hervorragende von Grenzen zwischen Wissenschaft und Stadt, sondern Architekturen aus den 1960er- und 70er-Jahren lebendige deren Perforation oder vollständige Auflösung muss Teile des Wissenschaftsbetriebs sind. Diese baukulturell das Ziel räumlicher Weiterentwicklung sein. Die diskur wertvollen und markanten Häuser sind wichtig für das siven Wissenschaftseinrichtungen der Zukunft benötigen Stadtbild und den öffentlichen Raum. Freiräume in Form von informellen Lernräumen und unmittelbaren Begegnungsorten. Um den Königstuhl herum WISSENSCHAFTSWALDPARK könnten Wanderrrouten eines HEIDELBERG Carl Bosch Museum Villa Bosch Heidelberg Institute for Theoretical Studies »Wissenschaftswaldparks« SCIENCE BUS H H H die verschiedenen Forschungs einrichtungen miteinander H H verbinden. Bismarckhöhe H H 30 3 2 H Königsstuhl H Arboretum I H H 39 Kliniken Schmieder Heidelberg H H 1 Max-Planck-Institut für Astronomie 39 H 4 Arboretum II Rehaklinik Heidel- H berg-Königstuhl H H H Max-Planck-Institut für Kernphysik 39 Thorsten Erl | Prof. Dr. | ist Architekt 39A EMBL Imaging Center und Stadtplaner. Vor seiner Professur für H Städtebau an der Universität Siegen lehrte EMBL Advanced Training Center und forschte er von 2002 bis 2018 am H Städtebau-Institut der Universität Stuttgart. 39A H Seine Arbeitsschwerpunkte sind urbane Transformation und nachhaltige Stadtent Wanderroute Wissenschaftswaldpark wicklung, integrale Planung sowie Kopro Nebenrouten duktion im Städtebau. In Heidelberg leitet ÖPNV Bergbahn er seit 1999 sein eigenes Büro metris architekten + stadtplaner. IBA_MAGAZIN N°5 26 Heidelberg entdeckt
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