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Kirche im Aufbruch – auch weltweit! Dokumentation der EKD-Partnerkonferenz im Johanniterhaus Kloster Wennigsen, 30.10. – 01.11.2008 ki rch e im au fbruch Evangelische Kirche in Deutschland
epd-Dokumentation 9/2009 3 Aus dem Inhalt: Kirche im Aufbruch – auch weltweit! ► Dr. Thies Gundlach: »Einführung« 4 ► Dr. Thies Gundlach: »Das Evangelium als Angebot – Überlegungen zum Reformprozess in der EKD« 5 ► Federico H. Schäfer: »Reformprozess in der Evangelischen Kirche am La Plata« 12 ► Dr. Arden Haug:: »Liturgical Reform in the Evangelical Lutheran Church of America« 15 ► Dr. Arjan Plaisier: »Protestantische Kirche in den Niederlanden« 17 ► Dr. Nestor Friedrich: »Kirche im Aufbruch – Ecclesia semper reformanda: Der Missionarische Aktionsplan der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien 2008-2012« 19 ► Gunnar Grönblom : »Reformarbeit der Evangelisch-Lutherische Kirche Finnlands« 22 ► Erich Hertel: »Vereinigungsprozess in Namibia« 24 ► Dr. Peter Schmid-Scheibler: »Die Reformierten reformieren! Der Reformprozess des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes« 27 ► Nick Baines: »Die Erneuerung und Reform der Kirche von England« 30 ► Martin Schindehütte: »’Fresh experiences’ – Erkenntnisse aus ökumenischen Begegnungen für den Reformprozess« 32
4 9/2009 epd-Dokumentation »Kirche im Aufbruch – auch weltweit« / Einführung Zur Dokumentation der Partnerkonferenz der und Lösungsansätzen hinaus erwiesen sich diese Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Begegnungen als äußerst fruchtbar und produk- Johanniterhaus Kloster Wennigsen, tiv. Das tragende Grundgefühl war: »Wir befinden 30.10.- 01.11.2008 uns nicht nur gemeinsam im Aufbruch, wir kön- nen auch viel voneinander lernen.« Aus guten Ideen, Initiativen und Projekten lassen sich »Fun- »Kirche im Aufbruch« – dies ist nicht nur ein ken« für die eigene Arbeit schlagen. Und selbst Thema, das die Evangelische Kirche in Deutsch- Erfahrungen von Schwierigkeiten oder Scheitern land beschäftigt. »Kirche im Aufbruch« ist gleich- erweisen sich als gute Lernorte, wenn man sie sam ein Grundmotiv, mit dem sich die Situation mit anderen teilt. vieler protestantischer Kirchen innerhalb und außerhalb Europas beschreiben lässt. In vielen Die EKD-Partnerkonferenz im Kloster Wennigsen Ländern sehen sich evangelische Kirchen – bei stellte einen besonderen Höhepunkt im Rahmen aller Unterschiedlichkeit in der konkreten Situati- der bisherigen Begegnungen dar: Zum einen dis- on – vor ähnlichen Grundherausforderungen etwa kutierten in Wennigsen Vertreter/innen vieler durch eine verstärkte Marktsituation, durch Ver- verschiedener evangelischen Kirchen erstmals änderungen der Mitgliedschaft und des Beteili- gemeinsam ihre jeweiligen Reformprozesse, der gungsverhaltens oder durch die Frage nach der Bogen reichte von den Niederlanden bis zu Na- Sprachfähigkeit in der eigenen Glaubenstradition. mibia, von La-Plata-Kirchen bis nach Russland. Und sie stellen sich diesen Herausforderungen Zum anderen waren Atmosphäre und Inhalt der durch eine profilierte, missionarische und innova- Beiträge so, dass sie »Lust auf mehr« machten. tive Wendung »nach außen«. Dies zeigte die star- Die Begegnung sprach aus sich heraus für eine ke und positive Resonanz, die das Impulspapier verstärkte ökumenische Reformvernetzung. »Kirche der Freiheit« in evangelischen Kirchen anderer Länder erfahren hat und sich in zahlrei- Aus Sicht des EKD-Reformprozesses stellen die chen ökumenischen Begegnungen mit Partnerkir- hier dokumentierten Beiträge eine wichtige Berei- chen (z.B. aus England, Finnland, den Niederlan- cherung und Bestärkung dar. Zugleich verbindet den, der Schweiz oder Schweden) in den letzten sich mit der Publikation die Hoffnung, dass der zwei Jahren niedergeschlagen hat. Impuls eines gemeinsamen ökumenischen Re- formaustausches aufgenommen und weiter fort- Über die Erkenntnisse der großen Gemeinsamkei- gesetzt wird. ten hinsichtlich von Herausforderungen, Chancen Dr. Thies Gundlach
epd-Dokumentation 9/2009 5 Das Evangelium als Angebot – Überlegungen zum Reformprozess in der EKD Von Dr. Thies Gundlach, Leiter der Abteilung »Kirchliche Handlungsfelder« im Kirchenamt der EKD ihm gerade eben noch seinen Besitz anvertraut I. hat, einen gestrengen und hartherzigen Mann. Sie alle kennen die Geschichte von den anvertrau- Der dritte Knecht hat das falsche Herren-, besser ten Talenten nach Matthäus 25, 14 - 25; in diesen Gottesbild und also auch die falsche Angst, denn Tagen und Wochen diese »Börsengeschichte« der es gilt der Satz: Zeige mir dein Gottesbild und ich Bibel aufzurufen, ist besonders richtig, denn es sage dir, welche Ängste du hast! Wer seinen geht in ihr gerade nicht um Börsenprofit! Deswe- Herrn verteufelt, der kriegt verteufelt viel Angst, gen die Konzentration auf den dritten, den die das ist wie im richtigen Leben. Der Knecht Talente vergrabenden Knecht. Er kann einem ja braucht also gar nicht mehr in die Hölle geschickt richtig leidtun, er kommt ausgesprochen schlecht zu werden, er hat schon zu Lebzeiten `Heulen weg, nicht nur weil ihm wieder genommen wird, und Zähneklappern` vor seinem selbst gezimmer- was der Herr ihm gegeben hat – das wäre ja so- ten Herrenbild. weit auch o.k., sondern weil er darüber hinaus auch noch verdammt und verurteilt und dahin Von diesem Fehler aus fällt das richtige Licht auf kommt, wo Heulen und Zähneklappern herr- die anderen beiden Knechte: Sie finden die Aner- schen. Er kann einen schon barmen, wie die Al- kennung ihres Herrn, nicht weil sie so tolle Kapi- ten gesagt hätten, dieser kleine, unglückliche talisten sind, sondern weil sie den Ruf zur Frei- Knecht, denn immerhin, er hat ja eigentlich heit verstanden haben, der in den anvertrauten nichts wirklich Anstößiges mit den anvertrauten Talenten liegt. Und viele kluge Wissenschaftler Talenten gemacht, da haben wir es doch heute behaupten heute, unsere Gegenwart sei der ur- mit ganz anderen Kalibern zu tun. Er hat die christlichen Zeit nahe verwandt; wir sollten uns anvertrauten Pfunde nicht sinnlos verprasst, er daher an die ersten beiden Knechte halten, unsere hat sie nicht leichtsinnig verliehen oder unan- Talente also mit Mut und Tatkraft einbringen. ständige Provisionen darauf kassiert, er hat keine Deswegen ist der Reformprozess auch zu verste- wilden Partys gefeiert und hat das Geld auch hen als eine Art Antidepressivum, eine Art Auf- nicht auf den Kopf gehauen. Er hat zurückgege- bruchstimmung, die sich nicht entmutigen lassen ben, was er erhalten hat. will von demografischen Zahlen und finanziellen Entwicklungen. Reformen sind wie ein Erfri- Sicher, es ist keine besonders pfiffige Idee, die schungsbad, eine Ermutigungsdusche, die im anvertrauten Pfunde zu vergraben; aber seit Kern sagt: »Bangemachen gilt nicht«! Denn ich wann ist Pfiffigkeit eine Bedingung zum Reiche glaube wohl, dass wir uns mit unseren Talenten Gottes? Und wenn fehlende Pfiffigkeit auch noch auch in der modernen Welt und ihren Heraufor- mit Heulen und Zähneklappern bestraft wird, – derungen gar nicht so verlaufen können, dass dann gute Nacht! Was also hat dieser arme Gott uns nicht wiederfindet. Wir sehen zwar die Knecht nun so schrecklich falsch gemacht? Verrä- enormen Herausforderungen, aber lassen uns terisch für seinen Fehler ist das, was der dritte nicht einschüchtern. Reformen machen auch Knecht zu seiner Selbstrechtfertigung anbringt; da geistlich Freude, weil sie nicht nur abbauen, ein- sagt doch dieser kümmerliche Knecht tatsächlich: stellen und restrukturieren, sondern auch inves- »Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist; tieren, aufbauen, ausprobieren. So viel Anfang du schneidest, wo du nicht gesät hast und du gibt es nicht so oft in unseren Kirchen. Zugleich sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast!« aber sind Reformen auch ein schwieriges Ge- (Matthäus 25, 24) Ja, woher weiß dieser Knecht schäft, und das hat mit den Ausgangskonstellati- das eigentlich? Das Gleichnis erzählte gerade das onen zu tun, die sich kaum noch verändern las- genaue Gegenteil, dass es nämlich um einen sen. Drei Aspekte will ich nennen: Herrn geht, der seinen Knechten all seine Talente anvertraut. Und trotzdem behauptet der dritte Der Reformprozess ist zu einem ganz erheblichen Knecht, er wüsste, dass sein Herr ein gestrenger Teil ein »Top-down-Prozess«, der erst in einem Mann sei. Der dritte Knecht lügt das Graue vom zweiten Schritt ein »Bottom-up-Prozess« gewor- Himmel herunter! Er macht aus einem Herrn, der den ist bzw. werden soll. Der Rat der EKD be-
6 9/2009 epd-Dokumentation schließt ein Impulspapier und natürlich entsteht len. Die Kirchen müssen um des Evangeliums jedenfalls bei uns Protestanten sofort der Ver- willen ihre Zielklarheit, ihre Maßnahmengenau- dacht, hier will die Zentrale irgendwie Macht igkeit und ihre Handlungseffektivität deutlich gewinnen. Und die gleiche Reaktion gibt es auch, stärken, dies ist die geistliche Aufgabe unserer wenn eine Landeskirche, ein Kirchenkreis oder Generation und eben dieser notwendige Organisa- auch ein Gemeindevorstand etwas beschließt. tionsschub ist faktisch der Reformprozess. Diese Das machen wir alle so: Wenn uns der Inhalt These begründe ich nun im weiteren Nachden- nicht gefällt, kritisieren wir das Verfahren! ken: Der Reformprozess hat Tabus ausgesprochen, Worin bestehen eigentlich die fundamentalen was man nicht straflos tut. Dass eine erheblich Herausforderungen, auf die alle unsere Kirchen reduzierte Zahl von Landeskirchen auch eine mit ihren verschiedenen Reformprozessen reagie- Provokation ist, brauche ich nicht zu begründen. ren? Der harte Kern liegt m. E. in dem häufig Dass die Rede von EKD-weiten Leuchtturmkir- diskutierten Phänomen der Wiederentdeckung chen nicht eben geeignet war, die Gemüter zu der Religionen. Viele kluge Beobachter der Ge- beruhigen, muss auch nicht ausgeführt werden. genwart sind davon überzeugt, dass die im letz- Und dass von zu verbessernder Qualität gespro- ten Jahrhundert so häufig vertretene These vom chen wird, klingt nach Kritik und Besserwisserei, unabwendbaren Ende der Religionen in moder- nach Schlechtmachen der Gegenwart, – und auch nen und säkularen Gesellschaften widerlegt ist. das mag niemand. Reformen legen die Finger auf Religion ist das Megathema des 21. Jahrhunderts. Schwachstellen, und dafür gibt es keinen Ap- Matthias Schreiber, SPIEGEL-Redakteur, formu- plaus. liert treffend: Religion und ihre Schwester, die Philosophie »ist der Überraschungsgast des frü- Zuletzt: Es hat von Anfang an Stimmen gegeben, hen 21. Jahrhunderts!« Aber dieser Überra- die den Reformern vorgeworfen haben, sie seien schungsgast hat viele Gesichter: zwar sehr ehrgeizig im Blick auf die Zielzahlen, die es bis 2030 zu erreichen gälte, aber doch et- Einerseits hat uns dieses Phänomen Hoffnung was schwachbrüstig im Blick auf die Theologie, schöpfen lassen, dass unsere Gemeinden und die der Reform zugrunde liege. Und eben dieses Angebote neue Aufmerksamkeit finden, dass die Theologiedefizit – so die Meinung – habe das Kirche ihre Themen besser anbringen kann; und ganze Unternehmen in Richtung Wirtschaftsspra- z. T. gelingt dies ja auch. Andererseits hat diese che und Organisationsgerede abgleiten lassen. Wiederkehr auch eine Rückseite, weil sie zu einer Aber die Organisationssprache hat eine heuristi- sich verschärfenden Wettbewerbssituation auf sche Funktion, sie ist eingebettet in vier geistliche dem Religionsmarkt führt. Es gibt einen Zuwachs Grundsätze, die das ganze Impulspapier in eine an Konkurrenz in punkto Religion, Spiritualität theologische Grundlinie eintauchen. Die vier und Esoterik. Wir haben eine Pluralisierung der theologischen Grundsätze lauten: Angebotslandschaft, die sich keineswegs auf die großen Weltreligionen beschränkt, sondern eben- Geistliche Profilierung statt undeutlicher Akti- so die vielen kleinen, schnellen, wendigen und vität: Wo evangelisch draufsteht, muss Evan- nahen religiösen Gemeinschaftsangebote umfasst. gelium erfahrbar sein. Die Wiederkehr der Religionen bedeutet die Zu- Schwerpunktsetzung statt Vollständigkeit: nahme von »Mitbewerbern«. Ja, es gibt in unserer Kirchliches Wirken muss nicht überall vor- Welt insgesamt einen zunehmenden Wettbewerb handen sein, wohl aber überall mit seinem um Aufmerksamkeit und Zeit, um Beachtung und Kernanliegen sichtbar sein. Wahrnehmung, es gibt einen Kampf um gute Beweglichkeit in den Formen statt Klammern Köpfe und starke Talente, es gibt einen Wettbe- an Strukturen: Nicht überall muss um das ge- werb um Geld und Ressourcen, es gibt einen meinsamen Zieles willen alles auf dieselbe Wettbewerb um Freiwillige und ihr Engagement, Weise geschehen. es gibt einen Wettbewerb um Präsenz in der Öf- Außenorientierung statt Selbstgenügsamkeit: fentlichkeit und um die Wahrnehmung vorhan- Auch der Fremde soll Gottes Güter erfahren dener Angebote usw. – es gibt heute kaum noch können, auch der Ferne gehört zu Christus. ein Feld, auf dem sich nicht viele Mitbewerber tummeln. Und ich bin davon überzeugt, dass wir Deswegen gilt: Unsere Kirchen müssen aus bibli- Christen in diesem Wettbewerb durchaus mithal- schen, theologischen, geistlichen Gründen ihre ten können, unsere Chancen sind nicht so Organisationsfähigkeiten verbessern, wenn sie die schlecht. Nur ein Beispiel: Dass wir alle in den gegenwärtigen Herausforderungen bestehen wol- letzten Jahren Fundraising gelernt haben, dass
epd-Dokumentation 9/2009 7 die Gemeinden Fördervereine gründen, dass wir hilft, denn natürlich: geistliches Wachsen und mit Stiftungsrecht umzugehen gelernt haben Reifen kann man nicht machen. Aber es unver- usw., das alles ist Ausdruck der Einsicht, dass der sucht zu lassen, halte ich für geistlichen Leicht- Wettbewerb um die Finanzierung von kirchlichen sinn und einen Widerspruch gegen den Auftrag, Aktivitäten mehrere Beine braucht. den der Herr seiner Kirche gegeben hat. Trotzdem haben es große Kirchen insgesamt als ehemalige Monopolisten nicht ganz leicht, denn II. einmal sind sie naturgemäß nicht ganz so schnell und flexibel, und zum anderen können sie aus In und mit dieser Wettbewerbssituation aber sachlichen Gründen nicht alle Erwartungen erfül- taucht ein grundlegendes theologisches Problem len. Denn die Wiederkehr der Religionen ist ei- auf: Denn was geschieht, wenn der Glaube zu nerseits gekennzeichnet durch eine starke Well- einem Angebot auf einem umkämpften Markt nessorientierung, auf der anderen Seite ist sie oft wird bzw. werden muss? Was geschieht mit dem radikalisiert und beschwört die Gefahr des Fun- Glauben, wenn er Formate finden muss, die damentalismus herauf. Die etablierten Kirchen marktplatztauglich sind? Was machen wir mit stehen dazwischen, weder einfach wellnesskom- unserem Glauben, wenn er in Form eines Wett- patibel noch fundamentalistisch geneigt. Die bewerbangebotes gegossen wird? Ohne Anspruch Menschen wollen zwar Religion, sie suchen nach auf Vollständigkeit nenne ich drei Dimensionen, Sinn und Halt, nach geistigen Wurzeln und die m. E. mit diesem fundamentalen Wandel glaubwürdiger Spiritualität; aber sie suchen dies verbunden sind: gleich zu neuen Bedingungen. 1. Alle Wahrnehmungen unserer Tage weisen Dies ist die Mitte der geistlichen Herausforderun- darauf hin, dass sich Entscheidungen der Men- gen heute: Als Christen sind wir zutiefst davon schen daran ausrichten, ob der angebotene Sinn, überzeugt, dass das Evangelium von Jesus Chris- der Zweck und das Ziel »etwas bringe«, ob der tus das Beste ist, was ein Mensch je wird hören Einzelne davon etwas habe, ob er einen »Nutzen« können: Die von Gott zugesagte Würde eines davontrüge. Nutzen ist dabei keineswegs nur jeden Menschen ist unabhängig von aller Leis- rational, banal oder materialistisch zu verstehen, tung und allem Können, darin gründet der freie, auch ein Erlebniswert, eine Sinnstabilität, ein aufrechte Gang des Menschen und eben diese Verantwortungswert (Prestige) oder ein Zugehö- »Freiheit eines Christenmenschen« ist der größte rigkeitswert bieten einen Nutzen. Die Orientie- anzunehmende Glücksfall eines jeden Lebens, rung der Kirche an den nützlichen Entscheidun- weil er das Herz erhebt und die Seele tröstet auch gen der Menschen sollte daher nicht denunziert in dunklen Zeiten. Wir wissen auch, dass der werden; es ist die heute dominante Form, exi- Dienst am Nächsten die Form ist, in der sich die stenzielle Relevanz wahrzunehmen. Aber diese christliche Freiheit konkretisiert, und dass nir- »Optionierung der Lebensgestaltung« führt dazu, gends so groß von Gott als Geheimnis der Welt dass die Menschen nicht mehr von allein, nicht und deswegen so würdig vom Menschen als Got- mehr traditionsgeleitet und automatisch zur Kir- tes Geschöpf gedacht und gesprochen wird wie in che kommen, sondern mit geeigneten Angeboten unserer christlichen Tradition – bis hinein in poli- und Einladungen gelockt werden müssen. Es gilt, tische Zusammenhänge. Und wir wollen, dass die Bezeugung des Evangeliums auch in Gestalt »allen Menschen geholfen wird und sie zur Er- eines zu erwählenden Angebotes so auszulegen, kenntnis der Wahrheit kommen«, wir wollen dass Menschen sich zugunsten des evangelischen diese Schönheit und Klarheit unseres Glaubens Glaubens und dann auch zugunsten einer Kir- nicht für uns behalten. Und doch ist es oft so, chenzugehörigkeit entscheiden können. Unver- dass uns dies nicht gelingt, dass Gott und das meidlich aber geschieht dadurch ein Zweifaches: Evangelium links liegen gelassen werden. »Stellt Einerseits muss die Funktionalität bzw. der euch vor, es ist Gnade, und niemand geht hin!« Zweck der Angebote intensiver betont werden; Natürlich können wir jetzt auf Gottes freies Tun jedes Angebot muss entfalten können, warum es verweisen, auf seine Unverfügbarkeit; wir wären sinnvoll und wertvoll ist und welche Funktion es dann fein raus, irgendwie Opfer der göttlichen für den Einzelnen erfüllt. So kommt es, dass wir Untätigkeit. Aber das ist nicht fair, das lastet Gott die stärkende Funktion des Gottesdienstes etwas an, was vielleicht wir zu verantworten herausstellen oder dass wir die heilende Dimen- haben. Ich glaube wohl, dass wir uns zuerst und sion von Ritualen betonen. Andererseits gerät vor allem zu fragen haben, was wir verbessern durch die Vielzahl der Einzelangebote die Ge- können. Es kann sein, dass dies dennoch nichts samtheit aus dem Blick, die Verantwortung für
8 9/2009 epd-Dokumentation das Ganze einer Kirche wird geschwächt. Die der Nichtbeachtung ausweichen kann. Wenn man eigene Frömmigkeit, die eigene Gemeinde, die vergleicht, was Mitbewerber wie z.B. das Thea- naheliegenden Vernetzungen erscheinen ausrei- ter, das Kino oder die Konzerthallen an Energie, chend. Je dominanter die Frage nach dem persön- an Einfallsreichtum, an Kreativität und auch an lichen Nutzen wird, desto näher liegt die Ant- Geld einsetzen, um Aufmerksamkeit für sich zu wort: Ich brauche keine Kirche, mir reicht eine gewinnen, dann muss selbst ein »Kloster auf Zeit« kleine, feine und freie Gemeinde. Ich brauche mit relativ viel Lärm beworben werden. Oder keine große Gemeinschaft, mir sind Institutionen anders gesagt: Wenn sich die evangelische Kirche und Hierarchien sowieso zuwider. Die freien nicht in die Privatheit abdrängen lassen will, Gemeinden bzw. der Kongregationalismus ist muss sie auch eine in der Gesellschaft sichtbare angesichts dieser auf den Einzelnen bezogenen und hörbare, erlebbare und attraktive Religion Frömmigkeitsform die konsequenteste Form der sein wollen. Ihre Medienkompetenz, ihre Event- Kirche. tauglichkeit, ihre überzeugenden Gesichter und attraktiven Angebote werden über die Zukunft 2. Diejenigen unter uns, die in den 80er Jahren mit entscheiden. die Entstehung und Etablierung der privaten Fernsehprogramme miterlebt haben, die erinnern Die Phänomene, die mit der Wettbewerbssituati- sich noch an den Kulturschock, den es damals on einhergehen, ließen sich zweifellos noch ver- gegeben hat. Nachdem es über Jahrzehnte nur feinern, aber die geistliche Gefahr wird schon drei Programme gegeben hat, breitete sich plötz- sichtbar: lich das Programmangebot auf unüberschaubar viele Programme, Sparten, Themen usw. aus. Die Dass nämlich die Tiefe, die Schätze, die Substanz großen »Straßenfeger« fielen aus, die Vielzahl von und die existenzielle Erschließungskraft unserer Programmangeboten relativieren das Einzelereig- Tradition verloren gehen, weil sie sich den nis. Die Generation meiner Kinder hat das »Zap- Markterfordernissen zu stark anpassen müssen. pen« perfektioniert, sie können durchaus an ei- Weil die Substanz unseres Glaubens nicht mal so nem Abend drei Programme parallel verfolgen, im Vorübergehen zu erschließen ist, laufen wir weil sie die 7-minütigen Werbeunterbrechungen Gefahr, unbeachtet zu bleiben. Weil die Kreuzes- intelligent nutzen. Übertragen auf die Religion theologie keine Fast-Food-Religion ist, weil wir heißt das: Die Zunahme der Angebote relativiert keine einfachen Antworten auf schwierige Fragen das Einzelangebot, die Medialisierung des Lebens geben wollen und nicht auf Schwarz-Weiß um- verändert unser Verhältnis zur Religion. Es steigt schalten werden, nur weil es vielen sonst zu bunt automatisch die Bereitschaft, Patchwork- wird, deswegen geraten wir in ein fundamentales Konstruktionen vorzunehmen. Es erscheint nicht Dilemma: mehr nötig und zwingend, das ganze Gebäude eines Glaubenssystems zu übernehmen, sondern Entweder wir nehmen ein Nischendasein in Kauf, es reicht, wenn man das eine oder das andere substanzreich, aber unbemerkt; oder wir laufen Element für plausibel hält. Es liegt auf der Hand, Gefahr, einem theologischen Substanzverlust, dass Kategorien wie Verbindlichkeit und Treue, einem Verlust der Tiefenschärfe, einem Versan- Verlässlichkeit in der Zeugenschaft und Kontinui- den der Glaubensschätze ausgeliefert zu werden. tät in der Beteiligung nicht dominieren. Auch Das Nischendasein verbietet uns unser Auftrag, werden Theologie und Dogmatik, also das ge- den Substanzverlust verbietet uns der Glaube. meinsam reflektiert Geglaubte und die in Jahr- Dies ist in meinen Augen der harte Kern der geist- hunderten gereiften Inhalte unwichtiger, die Er- lichen Sorge, die wir alle – die Reformer und ihre kennbarkeit, das wahrnehmbare Profil werden Kritiker – heute teilen müssen: Wir sollen am unscharf. Markt bestehen, aber gerade ein erfolgreiches Bestehen birgt die Gefahr in sich, dass die Sub- 3. Der Kampf um Aufmerksamkeit und um Be- stanz verloren geht. Dieses Dilemma ist echt, – achtung bringt es zuletzt mit sich, dass man in und es ist uralt. Denn man kann es durchaus anderer Weise als früher um Aufmerksamkeit fassen in Analogie zur Sprache des jungen Karl kämpfen muss. Die Warnungen vor der Eventisie- Barth: rung des Glaubens sind Signal dieser Herausfor- derung: Das ständige Produzieren von besonde- »Wir sollen mitten in der schnöden Wettbe- ren Veranstaltungen und neuen Gottesdienstfor- werbswelt den gekreuzigten Gott verkündigen. maten, die ständige Hoffnung auf kreative, origi- Wir sind aber Teil dieser schnöden Wettbe- nelle, attraktive und innovative Erlebnisse in der werbswelt und können es deswegen nicht. Wir Kirche ist eine Erwartung, der man nur bei Strafe
epd-Dokumentation 9/2009 9 sollen beides, das Sollen und das Nichtkönnen, ist und welche Verfahren es zu ihrer Stärkung vor Gott stellen und so Gott die Ehre geben!« gibt, und ob der Grundsatz auch für unsere Got- tesdienste gilt: »Qualität setzt sich durch!«, ohne damit die unverfügbaren Dimensionen der Ver- III. kündigung zu leugnen, – dass wir diese Fragen nun verstärkt traktieren, das ist eine notwendige Dilemmata kann man nicht auflösen, man kann Aufgabe. Deswegen haben Rat und Steuerungs- sie nur bearbeiten! Wenn wir uns also aus dem gruppe ein Zentrum für Qualitätsentwicklung in Wettbewerb um des Evangeliums willen nicht der gottesdienstlichen Arbeitsstelle in Hildesheim zurückziehen dürfen, sondern den Kampf um in Aussicht genommen, das vor allem drei Dinge Aufmerksamkeit und Köpfe, um Talente und fördern wird: Ressourcen aufnehmen wollen, dann ist es strate- gisch entscheidend, die geistigen Gegenkräfte Die Sammlung und Sichtung dessen, was es an gegen den Marktsog stark zu machen. Weil uns Qualitätsverfahren, an Intervision und Feed- unser Evangelium hinaustreibt in die Welt, weil backsystemen schon gibt; in der Regel haben wir das Licht nicht unter den Scheffel stellen und wir alle guten Ideen ja schon zusammen, wir die Talente nicht vergraben sollen, deswegen wissen sie nur nicht voneinander. müssen wir auftragsgemäß hinausgehen in die Welt und das Evangelium so weitersagen, dass es Sodann sollen in Modellregionen neue Formen von den heutigen Menschen gehört werden kann. der Qualitätssicherung und der Qualitätsstei- Der alte Werbungsgedanke, dass der Wurm dem gerung ausprobiert werden. Fisch, nicht dem Angler schmecken muss, gilt noch heute. Doch wir sind keine naiven Angler, Und zuletzt kommt es darauf an, Qualitäts- keine Leichtgewichtige, wir sehen die geistlichen standards zu formulieren, die als Orientierung Gefahren und angeln dennoch. So wenig wir eine hilfreich sind, ohne dass sie zu einer Predigt- pure, unkontrollierte, freie Marktwirtschaft wol- Kasuistik oder zu einer Gottesdienst- len, sondern eine soziale, also der Gemeinschaft Zertifikations-Unkultur führen. verantwortliche Marktwirtschaft, so wenig wollen wir eine beliebige Kirchenlandschaft, sondern Auf der gleichen Linie liegt auch die von Rat und eine verantwortete Kirchenlandschaft. Kirchenkonferenz in Aussicht genommene Etab- lierung eines Zentrums für evangelische Predigt- Aber wir brauchen Kräfte und Kompetenzen, wir kultur in Wittenberg. Mit Hilfe von theologischer, brauchen theologische Unterstützungen und ge- aber auch literarischer, rhetorischer und herme- meinsame Reformen, damit wir nicht einfach im neutischer Kompetenz sollen hier besondere Markt aufgehen. Und eben dies ist das geistliche Sprachbegabungen entdeckt, vernetzt und geför- Kernanliegen des Reformprozesses auf der EKD- dert werden, soll es eine Art »Villa hermeneutica« Ebene. Was müssen wir – so heißt die Leitfrage – ähnlich wie die »Villa massimo« geben und es stärken, damit wir trotz der Dilemmata, trotz der sollen stationäre und ambulante Formen gefun- Wettbewerbssituation die Substanz und die den werden, die Predigtkultur im Gesamten des Schönheit unseres Glaubens darstellen können? Gottesdienstgeschehens zu stärken. Was braucht es, um am Markt und bei uns selbst zu bleiben? Auch hier will ich drei Kräfte nennen, 2. Will man dem Wettkampf um Aufmerksamkeit die faktisch zugleich den gegenwärtigen Stand der und Zeit nicht ausweichen und dennoch die Ein- Reformanstrengungen spiegeln: ladung zum Glauben geistlich gehaltvoll ausfor- mulieren, dann gilt es, gegenüber allen kurzatmi- 1. Will man dem Marktgeschehen nicht auswei- gen Eventisierungen, nachhaltige missionarische chen und als Mitbewerber bestehen, ohne die Kultur in der Kirche zu stärken. Es gilt, die Fülle Substanz des Glaubens zu verfehlen, dann ist die volkskirchlicher Einladungen zur Entdeckung Frage der Sprach- und Auskunftsfähigkeit des bzw. Beteiligung am Glauben in ansprechender, Glaubens zentral. Diese zu stärken kann man auf glaubwürdiger und offener Weise zu entfalten. verschiedene Weise versuchen. Zuerst ist eine Deswegen ist es konsequent, wenn Rat und Kir- Diskussion der Qualität dessen unerlässlich, was chenkonferenz ein Zentrum für Mission in der man tut und was das eigene Angebot auszeich- Region in Dortmund in Verbindung mit Stuttgart net. Dass wir unseren Kernbereich, nämlich die und Greifswald einrichten, in der Ideen einer Verkündigung in Gottesdienst und Kasualien, der regional gemeinsamen missionarischen Arbeit Frage aussetzen, was Qualität ist, wie sich Quali- vernetzt werden. Kernstück dieser Gründungsidee tät zu Quantität verhält, wie Qualität zu steigern ist die Einsicht, dass viele missionarische An-
10 9/2009 epd-Dokumentation strengungen zukünftig nicht mehr allein von den men mit den Gemeinden Partner jenseits der Ge- Einzelgemeinden getragen werden können, son- meinden zu finden: von Schwangerschaftsbera- dern dass es die gemeinsame Anstrengung aller tungsstellen bis Rückbildungsgymnastikangebo- kirchlichen Orte in einer Region bedarf, um über- ten der Volkshochschulen, um möglichst viele zeugend und attraktiv zu sein. Das Zentrum soll Frauen mit einem Medienpaket für die Kleinsten die Geschwisterlichkeit und Nachbarschaftlichkeit zu erreichen, das neben Bilderbüchern und Bera- der Christen in einer Region stärken, denn eine tungsliteratur auch die Einladung zur Taufe ent- sinnvolle missionarische Verzahnung zwischen hält. Angeboten der verfassten Kirche, der Bildungsin- stitutionen, des Diakonischen Handelns und der 3. Zuletzt: Wenn man den Kampf um Aufmerk- funktionalen Dienste wird zur unerlässlichen samkeit und Zeit nicht verlieren will, ohne theo- Voraussetzung für zukünftige Angebote. Und wir logisch zu verflachen, dann ist es unerlässlich, brauchen um unseres Auftrages willen die ganze eine klare Erkennbarkeit zu stärken. Für jede Breite volkskirchlichen einladenden Handelns: Wettbewerbssituation gilt, dass Pluralität und Von der Zeltmission, Willow-creek-Gemeinden, Vielfalt an sich noch kein Vorteil ist, sondern eher ProChrist- und Christival-Veranstaltungen über ein Nachteil, weil die Menschen nicht mehr er- Wiedereintrittsstellen, Intensivierung der Konfir- kennen können, wofür ein bestimmtes Angebot mandenarbeit, Glaubenskursen im Nachgang zu steht. Die Frage nach der Erkennbarkeit lässt sich Amtshandlungen bis hin zu kulturell orientierten aber nur aus dem soliden Bewusstsein der eige- Veranstaltungen und originellen Events in den nen Stärken heraus entwickeln; Altbischof Horst Kirchen. Mission als glaubenweckendes Handeln Hirschler spricht deswegen zu Recht vom »Pro- der Kirche, Mission als Ent-Bergung und Er- duktstolz«, den sich die Evangelischen zulegen schließung theologischer Tiefe, Mission als ge- sollten. Solche Profilierung voranzutreiben, das meinschaftliches und nachhaltiges Handeln der Gesicht des Protestantismus zu konturieren und Christen in einer Region ist ein gemeinsamer Weg die inhaltlichen Kernbestände zu etablieren, das in die Zukunft. ist eine zentrale Aufgabe. Deswegen haben Rat und Kirchenkonferenz sich – und ich persönlich Zuletzt: Es gibt zunehmend Menschen, die nach halte dies für eine echte Sensation - auf ein »Ver- Glauben, nach Gott, nach Bibel und Trinität fra- fahren zur vorlaufenden Beratung und Verständi- gen, aber wenig eigene Wissensbestände haben. gung in wesentlichen Fragen des kirchlichen Le- Das Reden über Gott und die Welt ist wieder `en bens und Handelns« geeinigt, was das auch von vogue`. Es gehört deswegen zur Mitte der Refor- der EKD-Synode geforderte »Gemeinsam reden, men, dass die AMD mit ausdrücklicher Unterstüt- handeln und leiten« der evangelischen Kirche zung des Rates eine missionarische Bildungsiniti- eindeutig stärkt. ative startet unter dem Titel »Erwachsen glau- ben«, die das Gespräch über den Glauben zu Und klar ist: Profilsetzung und -sicherung ist einer Art Regelangebot in jeder Region machen naturgemäß eine Leitungs- bzw. Führungsaufga- möchte. Es werden 7 oder 8 sog. Glaubenskurse be. Profil ohne Führung ist nicht zu haben, weil bereitgestellt, die sich jeweils in unterschiedli- Profil naturgemäß die Grenzen der Angebotsviel- chen Milieus bewährt haben, und es werden Mul- falt definiert. Deswegen gehört hier auch die tiplikatoren/innen gestellt, die jedem Interessier- durchaus umstrittene Frage hin, ob es nicht so ten helfen, diese Angebote umzusetzen. etwas wie eine »Dachmarke evangelisch« geben muss; aber damit betrete ich das weite Feld der Ähnlich ist eine Idee, die von dem Deutschen Fragen, die wir perspektivisch im Anschluss an Verband evangelischer Büchereien verfolgt wird. die jetzige Reformphase und ihre konkrete Um- Titel wie »Religion von Anfang an« oder »Bilder- setzung im Blick haben sollten. Die Erkennbarkeit buchstart ins Leben« zeigen die Richtung an: Wir des Evangelischen in der Vielfalt aller Angebote sollen den Versuch machen, die Angebote zu zu stärken, das ist jedenfalls der Kern der heuti- einem Aufwachsen im christlichen Glauben sehr gen Führungsaufgabe. Dass also der Reformpro- zeitig in die Familien zu tragen, nicht nur bei den zess das Thema Führung und Leitung in der kirchlich gebundenen Familien, sondern auch bei evangelischen Kirche als drittes strategisches jenen, die einen »evangelischen Migrationshin- Kernthema betont, dass wir gerade einen Work- tergrund« haben. Es ist ja doch dem Inhalt der shop zum Thema Führen und Leiten durchge- Taufe diametral entgegengesetzt, wenn wir Kin- führt haben und dass die Führungsakademie für der von Alleinerziehenden markant viel seltener Kirche und Diakonie in Berlin massiv aufgewertet taufen als Kinder in sog. normalen Familien. wird, ist daher konsequent. Gute Führungskom- Deswegen versucht der DVEB, gleichsam zusam- petenz wird gerade nicht Vielfalt verbieten oder
epd-Dokumentation 9/2009 11 Pluralität abschaffen, gute Führung wird ein kla- meinden und Kirchenkreisen, aus der Diakonie res Bewusstsein davon entwickeln, welche Stär- und den Diensten und Werken, und stellen dies ken, aber auch welche Grenzen kirchliches Han- leicht zugänglich auf eine Plattform. Und es ist deln haben sollte. schon verblüffend, was es alles gibt an guten Ideen; der deutsche Protestantismus ist auch eine In jedem Fall aber stammt aus diesen Überlegun- Kreativkirche! Am 31. Oktober 08 wird die Platt- gen die m. W. von Baden und Württemberg sehr form ganz feierlich anlässlich des Reformations- früh aufgegriffene Idee, dass es zwölf Geschichten tags-Gottesdienstes in Berlin frei geschaltet, dann der Bibel, zwölf vertraute Lieder aus dem Ge- können Sie die Ideen und Anregungen unter sangbuch und einige Gebete des Herzens geben www.kirche-im-aufbruch.ekd.de ansehen. Bis sollte, die die evangelischen Christen von Frei- dahin aber können Sie auch noch originelle Ideen burg bis Flensburg gemeinsam singen, beten und und pfiffige Anregungen an uns senden, herzliche hören können. Zur Profilstärkung gehört aber Einladung dazu! ebenso die neu eingeführte Martin-Luther- Medaille für herausragende Verdienste um den Damit aber diese Ideen auch erfahrbar und an- deutschen Protestantismus wie die sog. Lutherde- schaulich werden können, gibt es im September kade mit ihrem Fernziel eines weithin sichtbaren 2009 eine große Zukunftswerkstatt in Kassel. Der Reformationsjubiläum 2017, das ein internationa- Rat der EKD lädt mit Zustimmung der Landeskir- les, ökumenisch ausgerichtetes und inhaltlich chen zu einer Art »Fachmesse für innovative nachhaltig konturiertes Ereignis werden soll, ein Ideen und Reformen« ein, auf der man sich einer- Fest ohne Heldenverehrung und unkritische Ju- seits informieren kann über kreative Ideen aus belfeier, wohl aber im klaren Bewusstsein davon, anderen Landeskirchen, in denen man aber auch woher wir kommen und wohin wir wollen. seine eigene »best-practice« mitbringen und dar- stellen kann. Das Format »Fachmesse« ist neu Nun werden aber manche vielleicht sagen: »Gut und noch nicht fertig erfunden, aber in jedem Fall gebrüllt, Löwe!«, aber was habe ich in meiner sind die Landeskirchen herzlich eingeladen, gute alltäglichen Arbeit davon? Auf diese Frage, was Ideen und einfallsreiche Formate aus Baden nach haben wir eigentlich von dem Reformprozess »bei Hannover zu melden und nach Kassel mitzubrin- denen da oben«, sollten Sie im Idealfall immer gen. Es wird eine »Galerie der guten Ideen« ge- sagen können: schnelle Informationen, gute An- ben, in der pfiffige Anregungen ausgestellt wer- regungen und brauchbare Vorarbeiten, die Sie den, es soll einen »Gala-Abend« geben, eine Art dann in der Gemeinde oder im Kirchenkreis nicht »Oscar-Nacht« für tolle Anregungen, es sollen mehr zu machen brauchen. Die Kernaufgabe aller auch verschiedene Formen von Qualitätssiche- Zentren und Anstrengungen ist ganz elementar: rung und Feedback-Systemen ausprobiert werden vernetzen, verzahnen, sammeln und sichten, und es soll nicht zuletzt der Frage intensiv nach- optimieren, was vorhanden ist, stärken, was viel- gegangen werden, welchen gesellschaftlichen versprechend wirkt, entdecken, was uns sonst Herausforderungen die so – klassisch würde man noch hilft. Die Zentren sollen das Rad keineswegs sagen – zugerüstete, innovative evangelische neu erfinden, sondern sollen die vielen Räder in Kirche eigentlich entgegengeht. Hier finden dann den Gliedkirchen vernetzen und so einer typisch hoffentlich die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen protestantischen Schwachstelle aufhelfen, näm- und diakonischen Aufgaben der Kirche einen lich der Regionalität. Wir können noch so viel neuen Impuls. miteinander machen und so viel voneinander lernen – diese Tonlage war eine Schlüsselerfah- Ob nun alle Maßnahmen die Hoffnungen erfüllen, rung im Zukunftskongress in Wittenberg Anfang die wir Reformer damit verbinden, lässt sich noch 2007, und deswegen ist Vernetzung das Zauber- nicht sagen; es sollen die Maßnahmen allerdings wort der Reformanstrengung. Z. B. durch die ständig überprüft werden. Doch eines liegt m.E. Internetplattform, auf der »best-practice- auf der Hand: Mit diesen Maßnahmen haben wir Beispiele« zu jenen drei Themen gesammelt wer- jedenfalls keine Nähe zu dem dritten Knecht, wir den. Wir suchen in allen Landeskirchen nach vergraben unsere Talente nicht – und das ist doch kreativen und innovativen, nach missionarischen schon mal was! und einladenden Ideen und Formaten aus Ge-
12 9/2009 epd-Dokumentation Reformprozesse in der Evangelischen Kirche am La Plata Von Federico H. Schäfer, Präsident der Evangelischen Kirche am Rio de la Plata nächst unmerklich, langsam aber doch sichtbar I. Strukturänderungen kleiner geworden. Die Binnenwanderung führte Mitglieder unserer geschlossenen Gemeinden Unter dem protestantischen Gesichtspunkt einer nicht nur in wichtige Städte, sondern auch in »ecclesia semper reformanda«, hat die Synode der entlegene Regionen unserer Länder, in eine Dias- Evangelischen Kirche am La Plata (EKaLP) 1995 pora der Diaspora, in die unsere Kirche ihnen Kritik an Gesellschaft und eigener Kirche geübt. nicht nachfolgen konnte. Neue Filialgemeinden Einerseits entstand dazu ein geradezu die Zukunft entstanden, was zur Verdünnung der Betreuung vorwegnehmendes Papier über die Folgen der je an einem Ort führte und manche Gemeinde- neoliberalen Globalisierung und andererseits gab glieder zu leichten Opfern der aggressiv missio- die Synode dem Kirchenrat den Auftrag, einen nierenden anderen Glaubensgemeinschaften Ausschuss zu berufen, der die Struktur unserer machte. Zwar waren neue Pfarrämter gegründet Kirche überprüfen solle und eventuelle Ände- worden, aber viele von diesen mussten in der rungsvorschläge der kommenden Synode vorle- Zwischenzeit infolge knapper werdender Mittel gen möge. Kein einfaches Unterfangen. Immer- wieder geschlossen werden. hin, nach zwei »Zwischensynoden« konnte auf der Synode 1998 eine novellierte Kirchenverfas- Mitte der 90er Jahre wurde uns bewusst, dass sung und Kirchenordnung verabschiedet werden. diese Entwicklung so nicht weitergehen konnte. Umwälzend sind die angenommenen Änderungen Es musste etwas getan werden, um dem Mitglie- nicht gewesen. Immerhin sollten infolge der neu- derschwund entgegenzuarbeiten und vor allem, en Satzungen und der weiteren Synodalbeschlüs- um dem Auftrag des Herren gerecht zu werden. se Aufgaben der Kirchenleitung dezentralisiert Es konnte nicht mehr länger darum gehen, die und unbefristete Mandate begrenzt werden. Nachkommen der evangelischen Einwanderer, Darüber hinaus sollte die theologische Ausbil- die einmal den Kern unserer Gemeinden bildeten, dung mit verstärktem Nachdruck auf die prakti- seelsorgerlich zu betreuen bzw. anlässlich von sche Theologie überprüft werden, die christliche Kasualien zu versorgen, sondern offensiver als Unterweisung verstärkt, die Arbeit im Kirchenamt bisher, allen Menschen in unserem Umkreis die leistungsfähiger gestaltet und in der gesamten Frohe Botschaft mitzuteilen. Die PfarrerInnen Kirche den missionarischen Aufgaben ein höherer allein konnten das nicht bewerkstelligen. Dass Stellenwert beigemessen werden. Dazu sollte eine mehr Laien theologisch ausgebildet werden muss- Förderung der strategischen Planung und die ten, war bereits eine alte Erkenntnis und manch »nachhaltige Haushalterschaft« eingeführt wer- ein Pfarrer hat sich auch bei der Ausbildung von den. Es folgten eine institutionelle Analyse der Lektoren verdient gemacht. Aber dies reichte Funktionsaufteilung im Kirchenamt und in ande- auch nicht aus. Die gesamten Gemeindemitglieder ren Arbeitsbereichen und je zwei Synoden mit mussten die Mission auch wollen; die reformato- Schwerpunktthemen im Zusammenhang der Mis- rische Lehre der allgemeinen Priesterschaft aller sion und Unterweisung und je zwei Synoden mit Gläubigen musste zum Zuge kommen. dem Schwerpunktthema »Glaube und Wirt- schaft«. In der letzten Synode vor drei Wochen So wurde vom Rat der Kirche ein Missionsaus- ging es uns erneut um die Evangelisation. schuss ins Leben gerufen, der die Aufgabe hatte, Wege und Mittel zu erkunden, um die Mission unserer Kirche voranzutreiben. Der Ausschuss II. Mission, Evangelisation wurde gebildet durch Personen, denen das The- ma Mission ein besonderes Anliegen war. Sie Infolge von wirtschaftlich bedingter Binnenwan- organisierten Workshops, hielten in den Gemein- derung bzw. Landflucht, Rückkehr einstiger den Vorträge und beteiligten sich an Evangelisati- Auswandererkinder nach Europa, Mischehen und onswochen. Aber die richtige Vorgehensweise damit verbundener Übertritt in die römisch- fanden sie offenbar nicht. Vieles ging in den Ge- katholische Kirche, Abwerbung durch andere meinden den alten Trott weiter. Der Ausschuss Kirchengemeinschaften (Missouri-Lutheraner, änderte schließlich seinen Namen, er wurde zum Adventisten und Pfingstler) und Sekten, Säkulari- »Ausschuss für Geistliche Erneuerung und Evan- sierung, Geburtenminderung usw. sind viele un- gelisation«. Parallel dazu nahm nun auch die serer Gemeinden in den letzten 40 Jahren, zu- Gesamtpfarrkonferenz unserer Kirche das Thema
epd-Dokumentation 9/2009 13 auf und setzte sich mit ihm lange auseinander. einen Akt der Entsendung sämtlicher Missionsbe- Gute Konzepte kamen wohl zu Tage, die dem auftragten der verschiedenen Kirchenbezirke Missionsausschuss zugearbeitet wurden, aber es gefeiert. Es sollte allen Synodalen und auch den scheiterte immer wieder an der praktischen Um- Entsendeten klarwerden, dass wir in Gehorsam setzung. Die Ausschussmitglieder allein konnten gegenüber unserem Herrn Ernst machen mit un- die gesamte Kirche nicht in Bewegung setzen. serem gemeinsamen Ansinnen, der Evangelisati- on in unserer Kirche einen starken Impuls zu Ob wir nun endlich die rechte Methode gefunden vermitteln. haben, muss die nächste Zeit bestätigen. Es ist uns allerdings bewusst, dass allein der Herr Wol- Ich darf noch hinzufügen, dass im geografisch len und Vollbringen in uns Menschen bewirkt, recht ausgedehnten Westbezirk unserer Kirche dass die Mission seine Mission ist und wir nach mit mehreren Diasporagemeinden zwischenzeit- seinem Wohlgefallen zu handeln haben. Sicher lich ein Missionsplan erarbeitet worden ist für die geht es auch nicht allein um proppevolle Kirchen nächsten zehn Jahre (2009-2019). Er beinhaltet von Menschen die »Herr, Herr!!« rufen, sondern unter anderem die Ausbildung von Mitarbeiten- um das Gewinnen von Menschen, die bereit sind, den (Kindergottesdiensthelfer, Jugendleiter, Lek- Gottes Willen zu tun. Vor zwei Jahren hat nun toren, etc.), Intensivierung von Kinder- und Ju- der »Ausschuss für Geistliche Erneuerung und gendarbeit, Wiedereröffnung von stillgelegten Evangelisation« mit der Gründung von Regional- Pfarrämtern und die Beschaffung von eigenen ausschüssen in den sieben Bezirken, in die unse- Geldmitteln, um die Missionsarbeit zu unterhal- re Kirche verwaltungsmäßig aufgeteilt ist, begon- ten. In manchen Gemeinden sind auch schon nen. Die Suche nach Menschen, die bereit waren, andere Kampagnen durchgeführt worden oder sich in diesen Dienst einspannen zu lassen, hat sind nach ausländischen Konzeptionen im Gange, eine Zeit lang gedauert. Nicht mehr als zwei wie die von Pfarrer Schwarz genannte: »Natürli- Amtsträger sollten in jeder Arbeitsgruppe mitar- che Entwicklung der Kirche«, oder eine andere beiten. Aber nun waren die Teams zusammenge- namens »Neu beginnen«, oder das englische Sys- stellt und konnten in einigen Seminaren zusam- tem »Alpha und Omega« mit der Bildung von mengeführt und ausgebildet werden. Die Aufgabe Zellen usw., usf.. Der zu verzeichnende Aufbruch dieser Regionalausschüsse ist es, die jeweiligen geht mit einer gewissen Experimentierlust einher, Gemeinden in ihrem Bezirk: doch der Erfolg dieser Methoden ist noch abzu- warten. zu Evangelisierungsaktionen zu ermutigen bei der Erarbeitung von Programmen zu bera- ten III. Weitere Maßnahmen bei Ermüdungserscheinungen zu stärken bei Erfolglosigkeit zu animieren, neue Wege Zur Arbeit des »Ausschusses für Geistige Erneue- zu wagen rung und Evangelisation« kommen flankierende bei der Durchführung strategischer Planungen Maßnahmen hinzu, die vom »Ausschuss für Er- zu beraten. ziehung und Christliche Unterweisung« betrieben werden. Es ist sicher nichts Neues, dass ein Die Gemeinden und Bezirke unserer Kirche sind Christ sich lebenslang in einem Lernprozess be- zu unterschiedlich, als dass man ein einheitliches findet, in dem er sich über seinen Glauben stän- Evangelisationsprogramm zur Anwendung in der dig neue Inhalte aneignen kann, vor allem durch gesamten Kirche entwickeln und umsetzen könn- die Arbeit mit der Heiligen Schrift, aber auch im te. Auch die Selbstherrlichkeit einer jeden Ge- Experimentierfeld des Lebens, in dem er ethische meinde würde dies verhindern, würde als eine Entscheidungen treffen muss etc. Aber nicht alle autoritäre Oktroyierung von Verpflichtungen schaffen dies aus sich selbst heraus, sondern durch die Kirchenleitung ausgelegt werden. Jede wollen motiviert und angeleitet werden. So ist die Gemeinde muss denn mit Hilfe des jeweiligen Bildung, Weiterbildung bzw. Ausbildung von Regionalausschusses einen eigenen Weg finden, Laien unumgänglich, wenn wir von der pastor- den Missionsauftrag ihres Herrn durchzuführen, zentrierten Gemeindearbeit hin zum allgemeinen den besonderen Eigentümlichkeiten und denen Priesteramt aller Gläubigen, ja, zur mündigen und ihres Umfeldes entsprechend angepasst zu han- profilierten Gemeinde gelangen wollen, die bei deln. Im Zusammenhang des Abschlussgottes- der Mission überzeugt mitarbeitet. In diesem dienstes unserer letzten Synode, die – wie schon Sinne sind wir dabei, ein Programm für die Lai- gesagt – sich mit dem Schwerpunktthema »Evan- enbildung in Gang zu setzen, das aus zwei gro- gelisation« beschäftigt hat, haben wir symbolhaft ßen Modulen zusammengesetzt ist. Einmal eine
14 9/2009 epd-Dokumentation Grundausbildung mit folgenden vier Fächern für bereit sein, für die Verbreitung dieses Glaubens alle Interessierten: Bibel, Kirchengeschichte, materielle Mittel beizusteuern. Dieses Vollbringen Grundlegendes der Systematik und Gemeindeauf- ist aber weder automatisch noch selbstverständ- bau. Ein zweites Modul soll jeweils nach den lich. Unternehmer würden uns sagen: Wenn Ge- Gaben und Vorstellungen der Interessenten ange- winn erzielt werden soll, dann muss zuerst inves- boten werden. Hier wollen wir in den Bereichen, tiert werden. Also predigen wir getrost weiter und in denen sich die Interessenten besonders enga- versuchen dabei, die Angst, auch einmal vom gieren wollen, Unterstützung anbieten, also etwa lieben Geld zu sprechen, beiseitezulassen, unge- in: Jugendarbeit, Kindergottesdienst, Besuchs- achtet der Tatsache, dass Neo-Pfingstkirchen und dienst, Menschenrechte, Liturgie, Umweltschutz andere Gemeinschaften allzu sehr davon predigen usw. In jedem Bezirk sollen jährlich zwei viertä- und die Kirche zum reinen Geschäft werden las- gige Seminare stattfinden, in denen zwei Fächer sen. behandelt und Leseaufgaben zwischen den Semi- naren absolviert werden. In diesem Zusammenhang beteiligt sich unsere Kirche am Programm für »nachhaltige Haushal- Ein weiteres Thema, das uns nun auch seit länge- terschaft« der Kirchen, welches der Lutherische rem beschäftigt, ist die »Supervision« bzw. seel- Weltbund in Lateinamerika zurZeit durchführt. sorgerliche Begleitung der Amtsträger bzw. ande- Darüber hinaus, und zwar schon seit acht Jahren rer Mitarbeiter unserer Kirche. Als positiv schät- und dank einer Beihilfe von »Brot für die Welt«, zen wir ein, dass es zu einem Anwachsen des haben wir einen spezialisierten Mitarbeiter einge- Vertrauens der Gemeindemitglieder gegenüber stellt, der PfarrerInnen, DiakonInnen, Gemeinde- unseren PfarrerInnen gekommen ist. Der Pfarrer vorstände und andere Mitarbeitende dazu befä- ist längst nicht mehr der »unnahbare Herr Pas- higt, Programme und Maßnahmen zur Eigenmit- tor«. Somit verstärkt sich sehr die Zahl derer, die telförderung zu erarbeiten und durchzuführen. zu ihm kommen mit allen möglichen Problemen. Viele diakonische Projekte sind in unserer Kirche Das kann für den einzelnen Amtsträger leicht zu mit ausländischer Hilfe gegründet und lange Zeit viel werden, wenn hinzukommt, dass unter Um- auch erhalten worden. Doch im Zuge knapper ständen in seiner Gemeinde auch noch andere werdender Mittel ist diese Abhängigkeit von Ge- Probleme vorliegen, wie Streitigkeiten im Ge- berorganisationen nicht mehr haltbar und bei meindevorstand, Auseinandersetzungen mit Re- älteren Einrichtungen auch nicht mehr zu recht- gierungsstellen wegen einer Mülldeponie etc. fertigen. Deshalb müssen lokale Mittel gesucht Nicht alle haben die natürliche Widerstandsfähig- werden. Dies ist im Rahmen diakonischer Arbeit keit und Gabe, mit vielen Problemen gleichzeitig auch möglich, da Staat und Privatunternehmen klarzukommen und dabei möglicherweise auch eingespannt werden können. Weit schwieriger ist noch persönliche Schwierigkeiten zu meistern. Es es im Falle von reinen Missionsprojekten, für die muss von außen eingegriffen werden, ehe sich nur auf Kirchengelder zurückgegriffen werden der Stresskollaps einstellt. Für Kirchen in den kann. Alle Versuche machen jedoch die strategi- USA oder in Deutschland mag die besondere seel- sche, partizipative Planung und die ihr folgende sorgerliche Begleitung der Mitarbeiter selbstver- laufende Überwachung und Überprüfung not- ständlich sein. Wir müssen hier noch Neuland wendig. Sie erfordern eine Methode, die jedoch betreten in einem Bereich, welcher uns auch neue auch erst gelernt und eingeübt werden muss, was finanzielle Kosten aufbürdet. Aber mit gestressten in den Gemeinden und diakonischen Einrichtun- PfarrerInnen können wir keine Mission treiben. gen nicht immer ohne anfängliche Widerstände angenommen wird. IV. Finanzielle Mittel Das große erfolgversprechende Rezept zur Wie- dergewinnung der von der Kirche entfremdeten Ein Hindernis, das unsere Aufbruchsbestrebun- Mitglieder oder der Gewinnung neuer Nachfolger gen begrenzt, ist der Mangel an entsprechenden des Herrn, ohne dabei vom Evangelium her frag- finanziellen Mitteln. Vieles, was getan werden liche Wege zu gehen, haben wir noch nicht ent- könnte oder müsste, scheitert am Fehlen des deckt. Jedoch ist es mein Anliegen, davon zu notwendigen Geldes. Andererseits wissen wir berichten, in welchen Unternehmungen die auch, dass Evangelisation auch die »Hosenta- Evangelische Kirche am La Plata zurzeit engagiert schen bekehren« kann und muss. Wer von dem ist. Der Herr möge unsere Bestrebungen segnen Glauben an Jesus Christus überzeugt ist und oder uns neue, bessere Wege zur Ausführung ebenfalls davon überzeugt ist, dass dieser Glaube seines missionarischen Mandats weisen. auch anderen zugutekommen soll, wird auch
epd-Dokumentation 9/2009 15 Liturgical Reform in the Evangelical Lutheran Church of America Dr. Arden Haug, Europabeauftragter der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Amerika The Post-World War II generation, the sons and Introduction daughters of immigrants, who once felt strong allegiance to their homogenous ethnic towns and The history of American Lutheranism is the story villages were moving into larger, metropolitan of an ever reforming church. It is the story of cities. Lutherans from a variety of ethnic, Euro- diversity moving toward uniformity, and multiple pean traditions were suddenly worshiping to- linguistic traditions and musical styles merging gether- and they didn’t always share the same into one common, English language expression. melodies and hymns, or even worship practices – At least as a church, that’s what we believe is or the same pietism. They couldn’t even agree on happening. But at the same time across the ELCA, when they should celebrate the great festivals of there has been an explosion of new expressions the church. Swedish Americans celebrated the and forms. Perhaps one ritual, for each of the birth of Christ at Christmas early in the morning, 10,000 congregations within the ELCA. In this on December 25th, while Norwegians celebrated brief talk, I have three objectives. First, to share a at five o’clock on Christmas Eve, December 24th. history of liturgical reform in the Lutheran In my own town, we knew that the Germans churches in America. Second, to explore the celebrated Christmas, but since the majority of ecumenical movements that have colored our Germans in Minnesota were Roman Catholic, we liturgical movement. And third, to introduce the simply thought all Germans celebrated Christmas ELCA latest hymnal: the Evangelical Lutheran as Midnight- the time of the midnight Mass. Worship. In 1945, eight ethnic Lutherans churches in America decided to experiment with their tradi- History of Liturgical Reform tion. They established a Joint Commission on the Liturgy and Hymnal, for creating a new liturgical The history of Liturgical Reform in the Lutheran worship book in a common language that would Churches in America is the story of ethnic, immi- draw these historical, immigrant traditions into grant Lutheran churches merging into larger and one. In 1958, these churches published the Ser- ever more diverse churches. Norwegian immi- vice Book and Hymnal. Following the recent in- grant churches merged with Swedish immigrant novations of the Swedish Lutheran Church, the churches, with Danish immigrant churches, and Lutherans of the Norwegian, Swedish, Finnish, eventually with German immigrant churches. Icelandic, Danish and a lesser degree Germans National animosities in Europe, however, often created a book that would change the worship were carried to America with the immigrants. life of Lutherans in America. Liturgically, it Divisions remained within the Lutheran church. marked both the culmination of the Common These were often pietistic traditions. When I was Service tradition, and the first steps into the lar- growing up, we knew the differences between ger ecumenical heritage. Lutheran. Norwegian Lutheran didn’t drink. German Lutherans always drank. And Swedish In the beginning of the 1960’s, most Lutherans in Lutherans pulled the shades, so that nobody North America were using either the recently knew whether they were drinking or not. Against published Service Book and Hymnal or the Lu- the background of European cultural tradition, theran Church Missouri Synod’s The Lutheran there was also a movement among the immigrant Hymnal for worship. But in 1965, after abandon- churches to produce a Common Service in the ing its work on its own hymnbook, the Missouri English language. The English Book of Common Synod, with its strong German, liturgical and Prayer and the Authorized Version of the Bible musical traditions, invited the other Lutheran served as foundational pieces for this movement. Churches in North America to join and work In adopting English as the main language for toward a common hymnal and service book. The worship in the course of World War I, many 1978, Lutheran Book of Worship, was the com- American Lutherans began to see even greater pletion of the European immigrant worship tradi- uniformity in worship practice. But there re- tions merging into one worshiping tradition. The mained significant differences over pastoral au- Lutheran Church in America would no longer thority, the office of the bishop, the role of the simply adapt European church orders, but it laity and who owned the churches. would actually dare to create its own.
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