Doktoratsstipendien im Ausland 10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium - Nummer 108 | März 2019

 
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Doktoratsstipendien im Ausland 10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium - Nummer 108 | März 2019
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Nummer 108 | März 2019

                         Doktoratsstipendien
                         im Ausland

                         10 Jahre Marietta-Blau-
                         Stipendium
Doktoratsstipendien im Ausland 10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium - Nummer 108 | März 2019
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Inhalt

03       Jakob Calice
         Editorial                                                24   Eva Müllner
                                                                       Frauen in Österreichs Wissenschaft

04       Lucas Zinner
         Internationale Forschungserfahrungen:                    25   Die erste Rektorin der Fachhochschulen geht in
                                                                       Pension | NEU: Bertha von Suttner Privatuniversität
         Pflichtprogramm für die Karriere                              St. Pölten

06       Peter Ertl
         Hin und zurück: Eine nie enden wollende                  26   Ursula Panuschka | Petra Siegele
                                                                       ... der OeAD macht wieder Schule!
         Forschungsreise

08       oead.news im Gespräch mit Barbara Weitgruber             28   Gemeinsam digitale Lernmittel gestalten
         Ein Stipendium mit Mehrwert – das Marietta-
         Blau-Stipendium
                                                                  29   Carina Plandor
                                                                       Das war der Citizen Science Award 2018
10       Michael Schedl
         Das Marietta-Blau-Stipendium
                                                                  30   Carina Plandor
                                                                       Citizen Science Award 2019
14       Stefanie Rudig
         Von Tolkiens Baum bis Mittelerde und wieder zurück
                                                                  32   Franziska Staber
                                                                       Erasmus+ (2021–2027)
16       Martina Spies
         Was wäre unsere Welt ohne Spielplätze?
                                                                  34   Günther Jedliczka
                                                                       Anerkennung für nachhaltiges Bauen
18       Lukas Brunner
         Extreme Hitzewellen und späte Kälteeinbrüche.
         Ist das normal?                                          36   Rita Michlits | Cathrine Seidelberger
                                                                       Hochschulkooperationen regional, national
                                                                       und international
20       Petra Sumasgutner
         Als Stadtökologin um die Welt
                                                                  38   KulturKontakt Austria wird mit 1.1.2020 in die
                                                                       OeAD-GmbH integriert
22       Simon Reisenbauer
         Inklusiver Unterricht in Äthiopien, Thailand und
         Österreich                                               39   Veranstaltungskalender

23       Werner Fulterer
         In besserer Gesellschaft: Der selbstgerechte Blick auf   40   European Forum Alpbach
         die Anderen
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                                      Jakob Calice

Editorial
Internationale Forschungserfahrungen zu sammeln,                                             im Bereich »Young Science«.
gehört heute zum absoluten Pflichtprogramm                                                   Gleichzeitig waren es zehn
einer wissenschaftlichen Karriere. Auslandsaufent-                                           herausfordernde Jahre, weil
halte erweitern nicht nur den Horizont, eröffnen                                             sich der OeAD in seiner heu-
neue Perspektiven und tragen wesentlich dazu bei,                                            tigen Form erst etablieren
neues fachspezifisches Wissen zu erwerben. Häu-                                              und konsolidieren musste.
fig wird ein wissenschaftlicher Auslandsaufenthalt                                               Mit der Integration von
mittlerweile als eine Grundvoraussetzung für eine                                            KulturKontakt Austria ab
fixe Anstellung an einer Universität verlangt. Mit                                           Jänner 2020 wird sich der
dem Marietta-Blau-Stipendium für Doktorats-                                                  OeAD einmal mehr wei-
studierende aus Österreich leistet der OeAD daher                                            terentwickeln. Er weitet
einen wichtigen Beitrag für die forschungsbezo-                                              dadurch sein Portfolio im
gene Mobilität am Anfang der wissenschaftlichen                                              Schulsektor um zwei zentra-
Karriere. Das diesjährige zehnjährige Jubiläum des                                           le Bereiche aus: Einerseits ist

                                                                                                                                                                                                                                                      © Philipp Monihart, OeAD
Stipendienprogramms bietet daher einen guten                                                 es eine inhaltliche Verbrei-
Anlass, um über seine Wirkung zu reflektieren und                                            terung um die Vermittlung
in dieser Ausgabe der oead.news einige Stipendia-                                            von Kunst und Kultur an
tinnen und Stipendiaten mit ihren Erfahrungen zu                                             Schulen – ein Bereich der
Wort kommen zu lassen. Ihre Berichte lesen Sie auf                                           zentral ist, wenn es darum
den Seiten 14 bis 23.                                                                        geht, Schülerinnen und
    Nicht nur das Marietta-Blau-Stipendium feiert                                            Schüler mit Kompetenzen
heuer sein zehnjähriges Bestehen. Auch der OeAD                                              des 21. Jahrhunderts auszustatten. Und zugleich
in seiner heutigen Rechtsform als GmbH des Bun-                                              bedeutet das eine regionale Ausweitung, weil da-
des wird 2019 zehn Jahre alt. Es freut mich daher                                            durch mehrere Standorte am Westbalkan und in
ganz besonders, dass ich genau zu diesem Zeit-                                               Osteuropa dazukommen, die hochgeschätzte Part-
punkt die Leitung des OeAD übernehmen darf.                                                  ner/innen in der Entwicklung der Bildungssysteme
Denn die Vergangenheit hat gezeigt, wie erfolg-                                              vor Ort sind.
reich diese zehn Jahre nicht nur für den OeAD selbst,                                            Der OeAD wird also noch mehr als bisher den
auch für seine Wirkungsbereiche gewesen sind.                                                gesamten Wissenschafts- und Bildungsstandort im
Das zeigt sich an den sehr guten Bewertungen der                                             Blick haben. Ein Bereich, der sich durch permanen-
Programmabwicklung – etwa des Erasmus+ Pro-                                                  ten Wandel auszeichnet. Daher werden das sicher-
gramms. Und man sieht es auch an dem gewachse-                                               lich nicht die letzten Veränderungen gewesen sein.
nen Aufgabengebiet des OeAD, etwa im Bereich der                                             Aber bis dahin wünsche ich Ihnen eine gute Lektüre
Nationalen Koordinationsstelle für den Nationalen                                            dieser OeAD-News.
Qualifikationsrahmen oder die Schulprogramme                                                                                         Jakob Calice

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Ebendorferstraße 7 | T +43 1 534 08-0 | F DW 999 | info@oead.at | www.oead.at | Sitz: Wien | FN 320219 k | Handelsgericht Wien | Chefredaktion und für den Inhalt verantwortlich: Eva Müllner, unter Mitarbeit von Michael Schedl,
KIM – Kommunikation, Information, Marketing | Schlussredaktion: Christian Jahn, Rita Michlits, Barbara Sutrich | Mitarbeiter/innen dieser Ausgabe: Lukas Brunner, Jakob Calice, Peter Ertl, Werner Fulterer, Günther Jedliczka, Rita Michlits, Eva
Müllner, Ursula Panuschka, Carina Plandor, Simon Reisenbauer, Stefanie Rudig, Michael­Schedl, Cathrine Seidelberger, Petra Siegele, Martina Spies, Franziska Staber, Petra Sumasgutner, Lucas Zinner | Grafisches Konzept: Fineline, erweitert Rita
Michlits & Eva Müllner | Layout: Eva Müllner | Coverfoto: © Pixabay | Druck: AV+ASTORIA Druckzentrum GmbH | Finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung | Hinweis: Namentlich gekennzeich-
nete Beiträge spiegeln die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider und müssen sich nicht mit der des Herausgebers decken. | P.b.b. | Erscheinungsort Wien | Verlagspostamt 1010 Wien | GZ: 02Z032 994M | Wien, März 2019

OFFENLEGUNG GEMÄSS § 25 MEDIENGESETZ: Unternehmensgegenstand: Unternehmensgegenstand ist die Durchführung von Maßnahmen der europäischen und internationalen Kooperation im Bereich der Wissenschaft und Forschung
sowie der Erschließung der Künste, der Hochschulbildung, der Bildung und der Ausbildung (§3. (2) OeAD-Gesetz) | Geschäftsführer: Jakob Calice | Prokurist: Ulrich Hörmann | Mitglieder des Aufsichtsrates: Edeltraud Hanappi-Egger, Hanspeter
Huber, Teresa Indjein, Kurt Koleznik, Marlies Krainz Dürr, Harald Malainer, Bernhard Mazegger, Bernhard Muzik, Elmar Pichl, Franz Salchenegger, Barbara Sporn, Eva Weixler | Die OeAD-GmbH steht zu einhundert Prozent im Eigentum des Bundes
(§1.(2) OeAD-Gesetz) | Grundlegende Richtung: Information zu Bildungsmobilität & Bildungskooperation – national und international
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                         Lucas Zinner

Internationale Forschungserfahrungen:
Pflichtprogramm für die Karriere
                        Die internationale Vernetzung in der Doktorand/innen-
                        ausbildung ist besonders wichtig.

                       Lucas Zinner    Die stetig zunehmende Internationalisierung im          vereinbarungen stattfinden, sondern vielmehr der
   leitet die Abteilung Forschungs-    Hochschulbereich schafft gerade für den wissen-         Logik wissenschaftlicher Kooperationen folgen und
 service und Nachwuchsförderung        schaftlichen Nachwuchs neue Chancen und Vortei-         oft von den Doktorand/innen selbst, idealerweise
   der Universität Wien. Nach einer    le, bringt aber auch neue Herausforderungen mit         unterstützt von ihren Betreuer/innen organisiert
  Dissertation in Mathematik, drei     sich. Dazu konstatieren Bhandari & Blumenthal           werden. Umso wichtiger wäre es, mehr Forschung
  Jahren Postdoc in Österreich und     (2009), dass die internationale akademische             zu den tatsächlichen Erfahrungen mit Auslands-
 Schweden und einer zweijährigen       Mobilität jener Aspekt der Internationalisierung ist,   aufenthalten von Doktorand/innen durchzuführen
  Tätigkeit im FWF war er ab 2004      der sich am stärksten in Bezug auf seinen Umfang        und Daten verfügbar zu haben, die den Impact sol-
  an der Universität Wien mit dem      und seine Auswirkung bemerkbar macht. Mobilität         cher Mobilitäten auf künftige Karrierewege aufzei-
Aufbau einer zentralen Einheit für     ist im Wissenschaftsbetrieb freilich nichts Neues.      gen, um die verbreitet positiven Assoziationen, die
  Forschungsdienstleistungen und       Studierende und Wissenschaftler/innen sind seit         in der Regel anekdotischen Charakter haben, mit
  Technologietransfer beschäftigt.     Jahren, ja seit Jahrhunderten mobil. Wie Musselin       harten Daten abzugleichen. Eine Studie (Kyvik et
Er war am Reorganisationsprozess       (2004, S. 55) schreibt: »Die akademische Mobilität      al, 1999) aus Norwegen aus dem Jahr 1999 zeigte,
  der Doktorand/innenausbildung        hat in Europa eine lange Tradition, die mit der Grün-   dass die Vorteile im Zusammenhang mit solchen
  in Europa und an der Universität     dung der europäischen Universitäten im Mittelalter      Aufenthalten bei weitem überwiegen. Schwierig-
      Wien beteiligt und baute dort    begann« (eigene Übersetzung). Das Aufkommen             keiten wie Verzögerungen bei der Arbeit an der
       2008 das Doktorand/innen-       der Globalisierung, gemeinsam mit dem Bologna-          Dissertation, schlechte Einbettung in die ausländi-
         zentrum auf. Im Jahr 2017     prozess in Europa und den damit verbundenen             schen Institutionen oder familiäre und soziale Pro-
     gründete er die PRIDE Network     Politiken haben aber die Nachfrage nach und die         bleme sollten aber nicht ausgeblendet werden. Um
    Association for Professionals in   Bedeutung der Mobilität von Studierenden wesent-        Mobilitätshindernisse abzubauen (vgl. dazu Netz et
Doctoral Education und ist aktuell     lich verstärkt. Speziell auf Bachelor- und Master-      al, 2017) und Nachteile abzufedern, braucht es auf
        Vorsitzender des Vorstands.    ebene kann Europa stolz auf sein Erasmus-Pro-           Ebene der Institutionen sowohl bei den sendenden
                                       gramm sein. Seit 1987 konnten mehr als vier Mio.        als auch empfangenden Einrichtungen mehr Unter-
                                       Studierende dank Erasmus international akademi-         stützung in der Vorbereitung und Planung, Durch-
                                       sche Erfahrungen sammeln können.                        führung und wohl auch in der Nachbereitung der
                                            Dass internationale Vernetzung auch beson-         Mobilität.
                                       ders in der Doktorandenausbildung wichtig ist, sei           Um Auslandserfahrungen aber für viele Dokto-
                                       es durch Forschungsaktivitäten in internationalen       rand/innen in Österreich überhaupt erst zu ermögli-
                                       Konsortien, in Form von Doppel- und Joint-Degree-       chen, braucht es Förderagenturen und Programme
                                       Programmen oder selbstorganisierten Forschungs-         wie das Marietta-Blau-Stipendium des OeAD, wel-
                                       aufenthalten im Ausland, ist auch in den Principles     ches junge Wissenschaftler/innen auch finanziell bei
                                       for Innovative Doctoral Training (EU, 2011) festge-     längeren Aufenthalten an einer ausländischen Uni-
                                       schrieben. Als anerkanntes Referenzdokument hat         versität oder bei internationalen Forschungsaktivi-
                                       dieses für Ministerien, Fördereinrichtungen und         täten unterstützt und damit erst die Basis für eine
                                       Universitäten gleichermaßen Bedeutung.                  erfolgreiche Mobilität schafft. Ein zweiter positiver
                                            Zahlen zu den Mobilitäten im Doktorat, aber        Effekt des Stipendiums ist auch sein kompetitiver
                                       auch Studien zu den Vor- und Nachteilen, die mit        Charakter, bringt doch das Stellen von Anträgen
                                       den längeren Aufenthalten an einer ausländischen        wertvolle Erfahrungen und erfolgreiche Bewerbun-
                                       Universität im Rahmen des Doktorats verbun-             gen Pluspunkte für die weitere Karriere.
                                       den sind, sind weniger leicht greifbar. Dies hängt           Die internationale Mobilität bringt auf unter-
                                       sicher damit zusammen, dass derartige Mobilitäten       schiedlichsten Ebenen vielfältige Vorteile. Auf indi-
                                       weniger mithilfe festgeschriebener Kooperations-        vidueller Ebene kann sie dazu beitragen, dass Dokto-
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                                                                                                                                           10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium

                                                                                                                     Lucas Zinner: »Leider gibt es kaum
                                                                                                                     Forschung zu den tatsächlichen Erfah-
                                                                                                                     rungen mit Auslandsaufenthalten von
© Jan Botha

                                                                                                                     Doktorand/innen, um den Impact solcher
                                                                                                                     Mobilitäten – mit allen Pros und Contras –
                                                                                                                     auf künftige Karrierewege aufzuzeigen.«

              rand/innen dank ihrer internationalen Vernetzung        Methoden oder aktuellen Forschungsansätzen, die
              in ihrer Wettbewerbsfähigkeit in der Forschung und      die zu ihren Heimatinstitutionen zurückkehrenden
              für ihre jeweiligen Karrieren gestärkt werden. Dies     Doktorand/innen mitbringen. Aus nationaler Per-
              bestätigt beispielhaft Gerlinde Steininger, Dokto-      spektive leistet die akademische Mobilität »einen
              randin an der Universität Wien, die dank eines Mari-    wichtigen Beitrag zur Internationalisierung und
              etta-Blau-Stipendiums des OeAD am International         zur Stärkung des Wissenschafts-, Forschungs- und
              Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) der     Wirtschaftsstandorts Österreich«, wie im Gesamt-
              Justus-Liebig-Universität Gießen forschte, in einem     österreichischen      Universitätsentwicklungsplan
              Interview mit dem Doktorand/innenzentrum der            2019–2024 (S. 33) nachzulesen ist. Aber auch in der
              Universität Wien, wenn sie sagt: »Ich habe auf sehr     transnationalen Wissenschaftspolitik nimmt die in-
              vielfältige Weise von meinem Aufenthalt in Gießen       ternationale Mobilität eine Schlüsselrolle ein, weil
              profitiert. […] Wertvoll war für mich insbesondere      sie Wissenstransfers zwischen Volkswirtschaften
              auch das Feedback der Expert/innen und promo-           befördert und damit deren Innovationsfähigkeit
              vierenden Kolleg/innen zu meinem Projekt. Der           stärkt.
              Aufenthalt war nicht nur der Weiterentwicklung               Das Marietta-Blau-Stipendium des OeAD erfüllt                  Um Auslandserfahrun-
              meines Projekts förderlich, sondern auch meiner         somit aus unterschiedlichsten Betrachtungswin-                      gen für Doktorand/innen
              persönlichen Entwicklung als Wissenschaftlerin –        keln eine wichtige Rolle, auf Individualebene für                   in Österreich überhaupt
              ein Doktoratsstudium umfasst weitaus mehr als das       den wissenschaftlichen Nachwuchs, auf strukturel-
              Verfassen einer Dissertation.« Studien legen nahe,      ler Ebene für den Wissensstandort. In diesem Sinne
                                                                                                                                          erst zu ermöglichen,
              dass internationale Mobilität oft auch mit einer        sind dem Programm mehr Mittel und mehr Nach-                        braucht es Förderagen-
              Erhöhung der wissenschaftlichen Produktivität ein-      frage zu wünschen, um mehr Doktorand/innen                          turen und Programme
              hergehen (vgl. IDEA Consult, 2013). International       internationale Forschungserfahrungen zu ermög-                      wie das Marietta-Blau-
              engagierte Doktorand/innen reifen als Persönlich-       lichen und Österreichs Universitäten durch deren                    Stipendium des OeAD.
              keiten und bekommen dank ihrer Erfahrung eine           Erfahrungen reicher zu machen.
              globale Perspektive zur Produktion, zum Austausch
              und zum Transfer von Wissen. Zusätzlich bereichert
              die akademische Mobilität die persönlichen Erfah-       Bhandari, R., & Blumenthal, P. (2009): Global student mobili-
              rungen der Doktorand/innen, indem sie interkul-         ty: Moving towards brain exchange. Higher education on the
              turelles Bewusstsein und ein tieferes Verständnis       move: New developments in global mobility, S. 1–14
              für das akademische Arbeitsumfeld entwickeln.           IDEA Consult et al. (2013): Support for continued data coll-
              Auch gilt die physische internationale Mobilität als    ection and analysis concerning mobility patterns and career
              Katalysator für den individuellen beruflichen Erfolg.   paths of researchers. Final report MORE2, Brüssel
              Wegen dieser möglichen Vorteile braucht es Pro-         Kyvik, S., Karseth, B., & Blume, S. (1999): International mo-
              gramme wie das Marietta-Blau-Stipendium, damit          bility among Nordic doctoral students. Higher Education,
              zukünftige Forscher/innen bereits in ihrer wissen-      38(4), S. 379–400
              schaftlichen Qualifizierungsphase, also dem Dokto-      Musselin, C. (2004): Towards a European academic labour
              rat, Auslandserfahrung sammeln. Auf institutionel-      market? Some lessons drawn from empirical studies on aca-
              ler Ebene erhalten die Universitäten nicht nur durch    demic mobility. Higher Education, 48(1), S. 55–78
              die internationale Mobilität ihrer Doktorand/-          Netz, N., Schirmer, H., für Hochschul, D. Z., & Laube, L. (2017):
              innen globale Bekanntheit und neue akademische          Internationale Mobilität von wissenschaftlichem Nachwuchs
              Kooperationspartner, sondern profitieren auch von       (Begleitstudie B6). Studien im Rahmen des Bundesberichts
              international vergleichenden Perspektiven, neuen        Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017
Doktoratsstipendien im Ausland 10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium - Nummer 108 | März 2019
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                         Peter Ertl

Hin und zurück: Eine nie enden
wollende Forschungsreise
                        »Meine Auslandsaufenthalte haben mich als Mensch
                        verändert und als Forscher geprägt.«

                          Peter Ertl   Als ich mich nach meinem Diplomstudium in                doch so, dass meine Auslandsaufenthalte mich als
        studierte Lebensmittel- und    Wien auf den bevorstehenden Wechsel nach                 Mensch verändert und als Forscher geprägt haben.
 Biotechnologie an der Universität     Kanada vorbereitete, um an einem internationalen         Sich ständig mit den Besten messen zu müssen,
 für Bodenkultur Wien, absolvierte     Ph.D.-Programm teilzunehmen, ahnte ich noch              ein soziales und wissenschaftliches Netzwerk von
     sein Doktorat in Chemie an der    nicht, dass mich dieser Entschluss über den Zeit-        Grund auf aufzubauen, Geduld und Arbeitswillen
    University of Waterloo, Kanada     raum von 20 Jahren an vier Universitäten in vier         aufzubringen sowie kulturelle bzw. sprachliche
      und verbrachte mehrere Jahre     Ländern und durch drei Kontinente führen sollte.         Toleranz zu üben, hat mich sicher offener, wettbe-
    als Postdoc an der University of   Ich erinnere mich noch gut an die Freude, das            werbsorientierter und kommunikationsfreudiger
  California in Berkeley. Nach dem     rigide Aufnahmeverfahren der kanadischen Uni-            gemacht. Meine erworbene globale Kompetenz
   Aufbau eines Biotech-Start Up-      versität positiv abgeschlossen zu haben, aber auch       und Netzwerkfähigkeiten haben sich durchaus
   Unternehmens kehrte Ertl 2005       an die Unsicherheit, ob ich die zusätzliche finanziel-   positiv auf meine Forschungskarriere ausgewirkt
      nach Österreich zurück, wo er    le Belastung und die akademischen sowie sozialen         und zu einer besseren Positionierung im interna-
   als Senior Scientist am Austrian    Herausforderungen bestehen werde. Damit meine            tionalen wissenschaftlichen Arbeitsumfeld geführt.
   Institute of Technology Lab-on-     ich sowohl den Verlust der sozialen und finanziellen     Ich spüre heute noch eine gewisse Rastlosigkeit
       a-Chip-Systeme entwickelte.     Sicherheit als auch die auf Konkurrenz basierende        und den Wunsch nach weiteren Forschungsaufent-
 Wissenschaftliche Aufenthalte an      nordamerikanische Forschungsstruktur, in der             halten sowie ein Interesse an Interdisziplinarität,
   der UC Berkeley, Nanyang Tech-      ein Studienabbruch ein reales Szenario darstellte.       was sich mittlerweile zum Innovationsmotor mei-
   nological University in Singapur    Ohne ein zweijähriges Doktoratsstipendium vom            ner Forschungstätigkeiten entwickelt.
    und am Medical Center UC San       Ministerium hätte ich wohl den Sprung über den               Da akademische und industrielle Forschung
  Francisco sowie eine Habilitation    Atlantik nicht gewagt, um mich in einem vierjäh-         immer »globalisierter« wird und wissenschaftliche
      im Fachbereich Nanobiotech-      rigen Doktoratsprogramm zu bewähren. Rückbli-            Kooperation sich zusehends in transnationalen
   nologie folgten. Sein Fachgebiet    ckend kann ich feststellen, dass wir an Österreichs      Netzwerken organisiert, müssen heimische For-
     an der Technischen Universität    Hochschulen eine sehr gute und fundamentale              scher/innen zukünftig einen noch höheren Grad
     Wien umfasst die Entwicklung      Ausbildung genießen, die jungen Forscher/innen           an Flexibilität und Mobilität zeigen. Das bedeutet,
 von Lab-on-a-Chip-Technologien        definitiv das Rüstzeug mitgibt, um in Europa,            dass Akademiker/innen viel früher in ihrer Karri-
 für die Biowissenschaften. Ertl ist   Asien und Nordamerika erfolgreich zu sein. Im            ere global gültige Kompetenzen erlangen sowie
Mitglied von Ascina (www.ascina.       Zuge meiner Forschungsaufenthalte konnte ich             ein internationales Netzwerk aufbauen müssen,
at), dem Netzwerk österreichischer     viele junge österreichische Wissenschaftler/innen        um sich an transnationalen Forschungsaktivitäten
Wissenschaftler/innen in den USA,      kennenlernen, die sich in der amerikanischen For-        beteiligen zu können. Eine erhöhte Aufmerksam-
               Kanada und Mexiko.      schungsszene sehr erfolgreichen durchsetzen. Ob-         keit gegenüber diesen internationalen akademi-
                                       wohl der Weg zu einer Dissertation in Nordamerika        schen Trends ist schon seit Jahren in Österreich
                                       in vielen Aspekten unterschiedlich ist, bin ich fest     erkennbar, da sich Universitäten, Fördergeber und
                                       davon überzeugt, dass das Niveau in Österreich           Ministerien intensiv mit einer Verbesserung der
                                       durchaus vergleichbar ist. Ob die Dissertation an        Rahmenbedingungen auseinandersetzen, damit
                                       einer renommierten ausländischen Universität             junge Forscher/innen erfolgreich international ar-
                                       letztendlich die Qualität meiner Forschungsarbei-        beiten können. Neben einer finanziellen Absiche-
                                       ten an der Technischen Universität Wien verbessert       rung eines Forschungsaufenthalts für Nachwuchs-
                                       hat, möchte ich daher nicht kommentieren, da ich         wissenschaftler/innen mittels Förderprogramme
                                       großartige wissenschaftliche Leistungen bei mei-         benötigen wir, meiner Meinung nach, weitere An-
                                       nen Kolleg/innen hier in Österreich sehe. Es ist aber    reize, um die Mobilität unserer Diplomand/innen,
Doktoratsstipendien im Ausland 10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium - Nummer 108 | März 2019
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                                                                                                                      10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium

                                                                »Es gibt zweifelsohne ein mangelndes
                                                                Bewusstsein, dass fachbezogene Auslands-
                                                                aufenthalte und postgraduale Studien
                                                                wichtige Grundsteine für einen erfolg-
                                                                reichen Berufseinstieg und eine wissen-
© ertl

                                                                schaftliche Kariere darstellen.«

         Dissertant/innen und Postdocs zu erhöhen. Dass         nötige Wissen über die potenziellen Vorteile von
         finanzielle Aspekte nur eine untergeordnete Rol-       Auslandsaufenthalten und internationalen Netz-
         le spielen, ist besonders an der geringen Zahl von     werken. Um die Internationalisierungswilligkeit
         Studierenden aus den MINT-Fächer ersichtlich, die      unserer Studierenden und Nachwuchswissen-
         sich für einen Auslandsaufenthalt interessieren und    schaftler/innen zu forcieren, muss es einen breiten   »Um die Internationali-
         sich für ein Auslandsstipendium bewerben. Ähnli-       Dialog mit allen an Internationalisierung interes-
                                                                                                                      sierungswilligkeit
         ches wird auch an der Technischen Universität Wien     sierten Personen von akademischen Institutionen
         beobachtet, wo die Zahl der Outgoing-Erasmus-          und Industrievertreter/innen geben, da offensicht-    unserer Studierenden
         studierenden im einstelligen Prozentbereich liegt      lich Förderprogramme alleine nicht ausreichen.        und Nachwuchswissen-
         und der Anteil der Incoming-Erasmusstudierenden        Aus meiner Sicht ist die gesellschaftliche Erwar-     schaftler/innen zu forcie-
         mittlerweile massiv überwiegt. Diese Schieflage        tungshaltung an Studierende, sich international zu    ren, muss es einen breiten
         deutet einerseits auf ein gutes Ausbildungsniveau      profilieren, noch viel zu gering. Den Studierenden    Dialog mit allen an
         in Österreich hin und andererseits auf fehlende        werden die positiven Langzeitfolgen eines Aus-
                                                                                                                      Internationalisierung
         Anreize für Studierende, einen Auslandsaufenthalt      landsaufenthalts zu wenig vermittelt. Fairerweise
         während des Studiums zu planen. Offensichtlich         muss ich abschließend auch anerkennen, dass es        Interessierten aus
         sind sich unsere Studierenden über die vielfältigen    seitens der Lehrenden, Eltern und Studierenden        Forschung und Industrie
         Vorteile eines Auslandsaufenthalts nicht bewusst       kaum ein Interesse bzw. Raum gibt, um über das        geben.«
         oder sehen diesen als unnötige Zusatzbelastung,        Thema Internationalisierung, Forschungsaufent-
         die zu einer potenziellen Verzögerung ihres Studi-     halte und akademische Mobilität zu diskutieren.
         ums führen könnte. In vielen Gesprächen mit mei-       Um das Verhalten von Studierenden maßgeblich
         nen Studierenden wurden mir auch die logistische       zu verändern, benötigt es neben Richtlinien, För-
         Organisation des Auslandsaufenthalts und fami-         derprogrammen und Bewusstseinsbildung auch
         liäre Hindernisse bzw. partnerschaftliche Beziehun-    greifbare Anreize, die z. B. Studienabschluss, Be-
         gen als Hinderungsgrund genannt. Möchte man            rufseinstieg und Karriereschritt vereinfachen.
         den Anteil der mobilen Studierenden in Österreich
         erhöhen, so müssen die Maßnahmen in den tech-
         nischen Fächern weitreichender als z. B. die Verbes-
         serung der finanziellen Ausstattung sein. Es gibt
         zweifelsohne ein mangelndes Bewusstsein, dass
         fachbezogene Auslandsaufenthalte und postgra-
         duale Studien wichtige Grundsteine für einen er-
         folgreichen Berufseinstieg und eine wissenschaft-
         liche Kariere darstellen.
              Tatsache ist aber auch, dass Absolvent/innen
         von MINT-Fächer für den beruflichen Einstieg noch
                                                                                                                                                          © Gianmaria Gava | OeAD

         keine Auslandserfahrungen benötigen, wie sich aus
         den Berufseinstiegschancen leicht erklären lässt.
         Hier fehlt neben dem beruflichen Druck, da
         es offensichtlich zurzeit ein adäquates Angebot
         an qualitativen technischen Stellen gibt, auch das
Doktoratsstipendien im Ausland 10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium - Nummer 108 | März 2019
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                 oead.news im Gespräch mit Barbara Weitgruber

Ein Stipendium mit Mehrwert
                 Das Marietta-Blau-Stipendium ist ein Beitrag zum
                 Europäischen Forschungsraum.
                 Interview: Eva Müllner

                            oead.news: Seit zehn Jahren vergibt der OeAD im Auf-
                            trag des BMBWF das Marietta-Blau-Stipendium. Sind
                            Sie mit der Entwicklung des Stipendiums zufrieden?
                            Werden die Förderziele des Programms erreicht?
                            Barbara Weitgruber: Das Programm wurde – wie
                            auch die stabilen Bewerbungszahlen zeigen – sehr
                            gut angenommen. Und die Qualität der Anträge
   »Die Attraktivität von   ist erfreulich hoch – das bestätigen uns die groß-
                            teils hervorragenden Bewertungen der Projekte im
  Auslandsaufenthalten      Rahmen der Fachgutachten. Die Abschlussberichte
      während des Studi-    zeigen ganz klar, dass diese gezielten Auslandsauf-
   ums ist generell unge-   enthalte einen deutlichen Mehrwert nicht nur für
     brochen«, sagt Mag.    die Dissertation selbst, sondern auch hinsichtlich

                                                                                                                                           © OeAD | APA-Fotoservice, Scjedl
Barbara Weitgruber MA,      Vernetzung und Anbahnung von wissenschaftli-
     Leiterin der Sektion   chen Kooperationen bringen. Im Beobachtungs-
                            zeitraum von zehn Jahren konnten wir auch sehen,
       Wissenschaftliche    dass das Marietta-Blau-Stipendium dazu beigetra-
    Forschung und inter-    gen hat, zeitliche und denkerische Freiräume zu
   nationale Angelegen-     schaffen, die im Forschungsalltag oft nur einge-
       heiten im BMBWF.     schränkt verfügbar sind.
                                 Schließlich hat sich auch gezeigt, dass sich für
                            viele unserer Marietta-Blau-Stipendiatinnen und         nicht übersehen, dass ein nicht unbeträchtlicher
                            -Stipendiaten aufgrund ihres Stipendienaufent-          Teil der Doktoratsstudierenden an österreichischen
                            halts Angebote für anschließende Forschungs-            Universitäten aus dem Ausland kommt – d. h. sie
                            bzw. Lehrtätigkeiten ergeben haben. Der Wert des        sind schon durch ihre Entscheidung, an einer öster-
                            Stipendiums reicht demnach weit über das Dok-           reichischen Universität ein Doktoratsstudium zu
                            toratsstudium hinaus, in vielen Fällen in Richtung      absolvieren, mobil geworden.
                            internationale wissenschaftliche Karriere.                   Es gibt viele Faktoren, die die Mobilität
                                                                                    erschweren – persönliche, familiäre, finanzielle
                            oead.news: Was die Auslandsmobilität der österrei-      oder auch strukturelle. Um zusätzlich zum finan-
                            chischen Studierenden und Forscher/innen betrifft,      ziellen Aspekt das Mobilwerden im Rahmen eines
                            gibt es sicher noch Luft nach oben. Was muss getan      Marietta-Blau-Stipendiums zu erleichtern, ist das
                            werden, um die Attraktivität eines Auslandsaufent-      Stipendium flexibel gestaltet, sodass die Konsu-
                            halts für Doktoratsstudierende zu steigern?             mation z. B. zeitlich aufgeteilt werden und so best-
                            Barbara Weitgruber: Die Attraktivität von Aus-          möglich in das Doktoratsstudium bzw. in die un-
                            landsaufenthalten während des Studiums ist ge-          terschiedlichen Lebensrealitäten integriert werden
                            nerell ungebrochen, das zeigen die beeindrucken-        kann und mit möglichen beruflichen Verpflichtun-
                            den und noch immer wachsenden Zahlen von                gen kompatibel bleibt.
                            Erasmus+, sowohl hinsichtlich der Partizipation als
                            auch des Budgets. Wer sich um ein Marietta-Blau-        oead.news: Viele Doktorand/innen – und das sehen wir
                            Stipendium bewirbt, war in der Regel bereits mit        auch bei den Marietta-Blau-Stipendiat/innen – finden
                            Erasmus bzw. Erasmus+ mobil. Zudem darf man             nach dem Studium keine weiterführende Postdoc-
Doktoratsstipendien im Ausland 10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium - Nummer 108 | März 2019
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                                                                                                                Nachhaltige Entwicklung und Bildung

                                                                                                                                                      © Bonnie Henders | MorgueFile
Stelle an österreichischen Universitäten. Einige neh-   schungsquote von 3,19 Prozent im Jahr 2018               Karrieren von Forscher/-
men Postdoc-Stellen im Ausland an, andere verlassen     liegen wir nicht nur über den in der EU bis 2020 an-     innen sind davon
nach dem Doktorat die akademische Community.            gestrebten drei Prozent, sondern nach Schweden           geprägt, an unter-
Welche Maßnahmen wären notwendig, um österrei-          auf dem zweiten Platz in der EU.                         schiedlichen Hochschul-
chische Absolvent/innen mit ihrer Auslandserfahrung         Was Karriereperspektiven in Österreich betrifft,
an den heimischen Universitäten zu halten?              möchte ich vor allem auf die Weiterentwicklung der
                                                                                                                 und Forschungsein-
Barbara Weitgruber: Seit Inkrafttreten des              Karrieremodelle an den Universitäten und der Ös-         richtungen im In- und
Lissabon-Vertrags 2009 ist der Europäische For-         terreichischen Akademie der Wissenschaften, den          Ausland Erfahrungen
schungsraum (EFR) ein vertragliches Ziel der Eu-        Auf- und Ausbau der IST Austria sowie die Steige-        zu sammeln.
ropäischen Union, festgelegt im Artikel 179 Ab-         rung des Budgets für die Universitäten im Rahmen
satz 1 AEUV. Die Europäische Kommission und die         der Leistungsvereinbarungen von 2019–2021 und
Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, zur Verwirk-        die dadurch in Lehre und Forschung entstehenden
lichung dieses Europäischen Forschungsraums             Perspektiven hinweisen.
beizutragen. Eine wichtige Säule des EFR ist die
Freizügigkeit von Forschenden, wodurch ein of-          oead.news: Es gibt seitens der österreichischen
fener Arbeitsmarkt für Forschende entsteht. Kar-        Universitäten und außeruniversitärer Forschungs-
rieren von Forschenden sind davon geprägt, an           einrichtungen großteils eigene Stipendien und
unterschiedlichen Hochschul- und Forschungs-            Förderungen für Doktorand/innen. Welche Bedeutung
einrichtungen im In- und Ausland Erfahrungen zu         hat daher ein für alle Disziplinen offenes Stipendium
sammeln. Wichtig ist, dass es im Sinne von Brain        wie Marietta Blau?
Circulation ein ausgewogenes Verhältnis von ab-         Barbara Weitgruber: Als wir das Programm konzi-
und zuwandernden Forschenden gibt. Darüber              pierten, holten wir auch Feedback der Universitä-
hinaus stehen Forschenden vielseitige Perspek-          ten ein. Diese bestätigten unsere Wahrnehmung,
tiven offen – Karrieren in Wissenschaft und For-        dass es zu der Zeit eine Förderlücke im Bereich
schung, universitär und außeruniversitär, in Unter-     der Outgoing-Mobilität für Doktoratsstudierende
nehmen oder als Gründerinnen und Gründer.               gab. Selbstverständlich beobachten wir weiterhin
                                                        die Entwicklungen an den Universitäten sowie
oead.news: Manche Stimmen meinen, Österreich            die Angebote der Fördergeber – national und
investiere zu wenig in Forschung und sehen wenig        europäisch – im Sinne eines möglichst optimalen
Karriereperspektiven für Jungwissenschaftler/innen.     Systems der Unterstützung von Doktorandinnen
Sehen Sie das auch so und was kann diese Situation      und Doktoranden. Die Förderung internationa-
verbessern?                                             ler Mobilität während eines Doktoratsstudiums
Barbara Weitgruber: Ganz im Gegenteil – Öster-          in Österreich hat sich jedenfalls als attraktiv und
reich investiert sehr viel in F&E – mit einer For-      relevant erwiesen.
Doktoratsstipendien im Ausland 10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium - Nummer 108 | März 2019
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                           Michael Schedl

Das Marietta-Blau-Stipendium
                           Das OeAD-Stipendium für österreichische Doktorats-
                           studierende feiert das zehnjährige Bestehen.

                                                                                               die einzelnen Kandidatinnen und Kandidaten aus
10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium                                                              diversen Informationsveranstaltungen, aus Tele-
                                                                                               fonaten und Beratungsgesprächen bzw. durch ihre
Vor zehn Jahren im Herbst 2009 wurde zum ersten Mal das Marietta-Blau-Stipendium               schriftlichen Antragsunterlagen und fiebern daher
durch den damaligen Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, Dr. Johannes                dementsprechend mit. Beeindruckend sind jedes
Hahn, ausgeschrieben. Das Programm feiert damit heuer sein zehnjähriges Bestehen,              Mal die hervorragenden Dissertationskonzepte
neben dem Ministerium und den Universitäten war der OeAD von Anfang an in die                  österreichischer Doktoratsstudierender, vor allem
Konzipierung des Programms eingebunden und ist seit damals mit der administrativen             die Bandbreite der Forschungsvorhaben und die
Abwicklung beauftragt. Beim ersten Einreichtermin für das Stipendium am 1. Februar             spannenden Forschungsthemen begeistern.
2010 gingen bereits 19 Anträge über die OeAD-Online-Einreichung ein. Neun Stipen-
dien wurden von dieser ersten Runde für Auslandsaufenthalte im Studienjahr                     Internationale und fachliche Vernetzung
2010/11 vergeben.
19 Antragsrunden und zehn Jahre später blicken wir auf ein erfolgreiches und gut ange-         Das Marietta-Blau-Stipendium ist ein vom
nommenes Stipendienprogramm zurück. 325 Personen konnten mit dem Stipendienpro-                österreichischen Bundesministerium für Bildung,
gramm einen Forschungsaufenthalt im Rahmen des Doktoratsstudium absolvieren, ins-              Wissenschaft und Forschung finanziertes Stipen-
gesamt hat die OeAD-GmbH über 3.000 Stipendienmonate ausbezahlt und administriert.             dienprogramm. Ziel der Förderung ist es, Dokto-
In den nachfolgenden Artikeln wollen wir die Bedeutung dieses Outgoing-Programms               ratsstudierende österreichischer Universitäten bei
für österreichische Doktoratsstudierende hervorheben, aber vor allem unsere Marietta-          längeren Forschungsvorhaben im Ausland zu un-
Blau-Stipendiatinnen und -Stipendiaten mit ihren Berichten zu den Aufenthalten in den          terstützen, ihre Dissertationsvorhaben zu verbes-
Mittelpunkt stellen (siehe S. 20–29).                                                          sern und die eigenen wissenschaftlichen Interes-
                                                                                               sen zu steigern. Die Doktoratsstudierenden sollen
                                                                                               dabei erste Erfahrungen in einem internationalen
                        Michael Schedl    Jedes Jahr um Weihnachten und kurz vor dem Som-      Forschungsumfeld sammeln können und dadurch
       ist stv. Leiter des Zentrums für   merbeginn herrscht ein nervöses Treiben im War-      auch ihre Berufschancen optimieren. Von der
     Internationale Kooperation und       tebereich des 3. Stocks im OeAD-Haus. Es ist der     internationalen und fachlichen Vernetzung der
       Mobilität bei der OeAD-GmbH        halbjährliche Höhepunkt der Auswahlphase für das     Doktorandinnen und Doktoranden im Ausland
     und u. a. für das Marietta-Blau-     Marietta-Blau-Stipendium, angespannt warten          profitieren in weiterer Folge auch ihre Institute an
                Stipendium zuständig.     die einzelnen Kandidaten und Kandidatinnen auf       den österreichischen Heimatuniversitäten. Welt-
                                          ihre Stipendieninterviews. Alle Antragstellerinnen   weite Forschungsnetzwerke und Partnerschaften
                                          und Antragsteller, deren Anträge die bisherigen      können so von den Universitäten initiiert, ausge-
                                          formalen und fachlichen Prüfungen erfolgreich        baut und verstärkt werden. Das Programm feiert
                                          bestanden haben, werden zu zwanzigminütigen          heuer sein zehnjähriges Bestehen, die OeAD-GmbH
                                          Einzelgesprächen mit einer Kommission einge-         war von Anfang an in die Konzipierung des Pro-
                                          laden, bei denen sie ihr Thema nochmals kurz         gramms eingebunden und ist mit der administra-
                                          vorstellen und Fragen zu ihrem beantragten Aus-      tiven Abwicklung beauftragt.
                                          landsvorhaben beantworten. Dieser letzte Schritt         Um die strategischen Ziele zu erreichen, bietet
                                          der Auswahlphase jeder Antragsrunde ist auch         das Stipendium bei einer Aufenthaltsdauer zwi-
                                          für uns im OeAD – in unserer Rolle als Administ-     schen sechs und zwölf Monaten den Studierenden
                                          ratoren und Moderatoren der Interviews – jedes       größtmögliche Flexibilität. Die Bewerbung steht
                                          Mal ein Höhepunkt unserer Arbeit. Wir kennen         allen PhD-Studierenden an österreichischen
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                                                                                                                                                              10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium

                                                                                                     Marietta Blau, Pionierin der Kernphysik
                                                                                                     Marietta Blau (1894–1970) studierte an der Universität Wien Physik und Mathema-
                                                                                                     tik. Bis 1938 arbeitete sie als freie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Österreichi-
                                                                                                     schen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und absolvierte Forschungsaufenthalte in
                                                                                                     Deutschland und Frankreich. Als sie vor dem Nationalsozialismus flüchten musste, ging
                                                                                                     sie zunächst nach Oslo. Albert Einstein vermittelte sie wenig später an die Technische
                                                                                                     Hochschule in Mexiko-Stadt, von wo sie 1944 in die USA übersiedelte. 1960 kehrte
                                                                                                     Marietta Blau nach Wien zurück und erhielt 1962 den Erwin-Schrödinger-Preis. Ihr ganzes
© Eva Conners | TU Wien

                                                                                                     Leben widmete diese hochbegabte österreichische Wissenschaftlerin der Spitzenforschung,
                                                                                                     in Summe wurde sie dreimal für den Nobelpreis vorgeschlagen. Durch dieses Stipendien-
                                                                                                     programm soll Marietta Blau für ihre herausragenden wissenschaftlichen Verdienste und
                                                                                                     Leistungen geehrt werden.

                          akkreditierten Hochschulen mit Doktoratsstudium
                          offen und hat keine Schwerpunktsetzung bezüg-
                          lich Studienfächer. Weiters können die Ziel- bzw.
                          Gastinstitutionen im Ausland frei gewählt und
                          dem Forschungsvorhaben entsprechend ausge-
                                                                                © CC BY-NC-ND 4.0

                          sucht werden, bzw. kann das Stipendium zudem
                          auch für Feldarbeit im Ausland genutzt werden,                                                                     Am 8. November 2004 wurde an der Fassade des
                                                                                                                                             Gymnasiums Rahlgasse in 1060 Wien eine Gedenk-
                          eine Anbindung an eine Gastuniversität ist dabei                                                                   tafel enthüllt. Sie erinnert an die jüdische Physikerin
                          nicht zwingend vorgeschrieben. Auch muss sich                                                                      Marietta Blau, die an diesem Gymnasium maturierte.
                          der Aufenthalt nicht an bestehenden Partnerver-
                          trägen der Heimatuniversitäten orientieren und
                          kann auf mehrere Zielinstitutionen bzw. Gastlän-
                          der aufgeteilt werden. Das Stipendienkontingent
                          ist offen: Es gibt keine fixe Zuerkennungsquote,
                                                                                                                                             Im 22. Gemeindebezirk in Wien wurde eine Gasse
                          das Auswahlverfahren orientiert sich an der Quali-                                                                 nach Marietta Blau benannt, 2004 wurde eine Erläu-
                          tät der jeweiligen Anträge. In der Regel konnten in                                                                terungstafel dazu angebracht. Die Tafel ehrt Blau als
                          der Vergangenheit mit dem vorhandenen Budget                                                                       Physikerin, lässt jedoch ihre Verfolgung aus antisemi-
                          alle als sehr gut bzw. ausgezeichnet eingestuften                                                                  tischen Gründen und Vertreibung ins Exil während
                                                                                                                                             des nationalsozialistischen Regimes unerwähnt. Als
                          Anträge auch gefördert werden. Die Förderquo-
                                                                                                                                             Jüdin musste Marietta Blau mit dem Einmarsch der
                                                                                © Eva Müllner

                          te hat sich in den letzten Studienjahren bei ca. 45                                                                deutschen Truppen Österreich und das Radium-
                          Prozent eingependelt, im laufenden Studienjahr                                                                     institut, in dem sie fünfzehn Jahre lang gearbeitet
                          2018/19 wurden von 92 Anträgen 41 Vorhaben als                                                                     hatte, im März 1938 verlassen.
                          förderwürdig eingestuft.

                          21+34+46+35+46+34+30+38+41
                           Anzahl der zuerkannten Stipendien pro Studienjahr

                                                  46                   46
                                                                                                                         38         41
                                        34                   35                                     34        30
                             21

                           2010/2011 2011/2012 2012/2013 2013/2014 2014/2015 2015/2016 2016/2017 2017/2018 2018/2019
12

Zahlen und Fakten. Das Marietta-Blau-Stipendium 2009–2019
(Quelle: OeAD, Stand 2018)

Anzahl der
zuerkannten Stipendien:              325
                                                          Anzahl der zuerkannten
                                                          Stipendienmonate:                        3.030 (252 Jahre)
Ausbezahlte Fördersumme bisher: über                    3.800.000 Euro

 Marietta-Blau-Stipendium – Key Facts
Zielgruppe:         exzellente Doktorandinnen und Doktoranden österreichischer Universitäten
Förderart:          Auslandsstipendium
Zielländer:         weltweit
Dauer:              sechs bis zwölf Monate
Stipendienbeitrag: bis zu 1.500 Euro pro Monat
Kontingent:         offen
Einreichtermine:    zwei Einreichtermine pro Jahr
Antragsstellung und Ausschreibung: www.grants.at
Weitere Informationen: www.oead.at/marietta-blau

Nach Fachbereichen                                             Top zehn Universitäten

Geisteswissenschaften         148                               Universität Wien                             152

Sozialwissenschaften           57                               Universität Innsbruck                        41
                                                                Universität Graz                             30
Naturwissenschaften            47
                                                                Technische Universität Wien                  19
Technische Wissenschaften      42                               Medizinische Universität Wien                 11
Humanmedizin,                                                   Universität für Bodenkultur Wien              11
Gesundheitswissenschaften      20                               Medizinische Universität Graz                10

Kunst                           9                               Akademie der bildenden Künste Wien            9
                                                                Johannes Kepler Universität Linz              9
Agrarwissenschaften,
Veterinärmedizin                 2                              Universität Salzburg                           7
13
                                                                                                                               10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium

Marietta-Blau-Stipendiatinnen und -Stipendiaten und ihre häufigsten Zielländer

                                                                            – Schweden
                – Kanada                                                                                           – Russische Föderation
                                                    – UK                 – Dänemark

                                                                 – Niederlande

                 – USA
                                                                                 – Deutschland
                                                                                                                                          – China           – Japan
                                                  – Frankreich
                                                                                                                                                      – Korea Republik
                                                                       – Schweiz        – Ungarn
                                                                                                                              – Indien
                                                 – Spanien
                                                                        – Italien          – Serbien
          – Mexiko                                                                                                                       – Thailand
           – Costa Rica
                                                                                                       – Libanon                             – Indonesien
                                                                                                   – Israel
              – Ecuador
                            – Brasilien                                                          – Kenia
                                                                                                                                                 – Australien
                 – Chile
                                                                                               – Mosambik
                                                                                                                                                       – Neuseeland
                           – Argentinien                                                             – Madagaskar
                                                                                        – Südafrika

                                                                                 Rückmeldung unserer OeAD-Stipendiat/innen

                                                                                 Nach Beendigung des jeweiligen Stipendienaufenthalts werden alle
                                                                                 Stipendiat/innen eingeladen, anonym Feedback zu ihrem Aufenthalt
                                                                                 und zur Betreuung seitens der OeAD-GmbH im Rahmen einer Online-
                                                                                 Umfrage zu geben.

                                                                                 »Ohne diesen Aufenthalt und das Stipendium wäre es mir finanziell
                                                                                 und logistisch kaum möglich gewesen, meine Feldforschung in Ecuador
                                                                                 durchzuführen. Ich wirkte an einer interdisziplinären Forscher/innengrup-
 »Das Marietta-Blau-Stipendium ist weiblich«                                     pe mit, hatte mir diese Mitarbeit jedoch selbst organisiert. Auch meine

63+37+
                                                                                 Aufenthalte im Amazonasgebiet organisierte ich eigenständig. Ich glaube
                                                                                 aber, dass meine Arbeit hier einen Sonderfall darstellt, weil ich weniger
                                                                                 universitär verankert war, sondern viel mehr im Feld geforscht habe. Ich
                                                                                 bin dankbar über die Möglichkeit, meine Forschung durch das Stipendi-
                                                                                 um so gestalten zu können, wie ich sie für optimal halte und habe einen
                                                                                 reichen Erfahrungsschatz gewonnen.«

                                                                                 »Die Entscheidung, mich für das Marietta-Blau-Stipendium zu bewerben,
                                                                                 war definitiv richtig und jede Mühe im Bewerbungsprozess wert. Durch
                                           205 weiblich 63 %
                                                                                 den Austausch mit anderen Forscher/innen konnte ich meine Arbeit und
                                           120 männlich 37 %
                                                                                 die Methoden aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und verbessern.
                                                                                 Durch das Stipendium konnte ich das Ziel der Optimierung meiner Disser-
                                                                                 tation erreichen. Außerdem konnte ich nicht nur fachlich und beruflich,
                                                                                 sondern auch persönlich meine Kompetenzen erweitern. Ich kann jedem
                                                                                 Doktoranden und jeder Doktorandin einen Forschungsaufenthalt (über
                                                                                 das Marietta-Blau-Stipendium) nur wärmstens empfehlen.«
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                         Stefanie Rudig

Von Tolkiens Baum bis Mittelerde und
wieder zurück
                         »Das Marietta-Blau-Stipendium ermöglichte mir Forschungs-
                         aufenthalte an der Universität Oxford und an der Victoria
                         University of Wellington in Neuseeland.«
                     Stefanie Rudig     Am Anfang war die Neugierde. Nach einem kurzen         netzten Welt mit günstigem Flugverkehr, E-Mail-
    studierte ab 2004 Anglistik und     Ausflug in die Rechtswissenschaften hatte ich mit      Kontakt und Internettelefonie nicht mit den Er-
Amerikanistik, ab 2006 Romanis-         achtzehn das Privileg, aber auch den Mut, meine        fahrungen vergleichen, die Emigrantinnen vor 150
    tik an der Universität Innsbruck.   Studien ausschließlich aufgrund meiner Interes-        Jahren gemacht haben. Schon allein die Schiffs-
 2012 erlangte sie einen Masterti-      sen auszuwählen, ohne mir dabei den Kopf über          überfahrt nach Ozeanien dauerte mehrere Monate
 tel an der University of Oxford. Ihr   die spätere berufliche Vermarktung zu zerbrechen.      und kostete zahlreiche Menschenleben aufgrund
   Doktoratsstudium der Literatur-      In meinem Umfeld stießen meine beiden philolo-         von Krankheiten oder Bränden an Bord sowie
      und Kulturwissenschaft an der     gischen Diplomstudien (Anglistik & Amerikanistik       Schiffsbrüchen, vor allem in der Tasmanischen See
Philologisch-Kulturwissenschaftli-      und Romanistik) allerdings auf Unverständnis. Wie      zwischen Australien und Neuseeland. Ein span-
chen Fakultät schloss sie 2015 ab.      so oft in meinem beruflichen Werdegang entschied       nender thematischer Kontext war gefunden, nun
     Neben ihrer wissenschaftlichen     der Zufall. Nach Abschluss meines ersten Studiums      stellte sich die Frage nach geeigneten Rahmenbe-
  Tätigkeit sammelte sie zahlreiche     wurde mir eine Karenzvertretung am Institut für        dingungen, um eine Dissertation zu verfassen, die
       Berufserfahrungen im In- und     Anglistik an der Universität Innsbruck angeboten.      internationalen Standards entsprach.
       Ausland. In ihrer Dissertation   Überraschend schnell wechselte ich die Seiten von           Als Fremdsprachenphilologie erlaubt ein Anglis-
      widmet sich Rudig den literari-   Studentin zu Lektorin. Das einzige »Problem« war       tikstudium im deutschsprachigen Raum meist nicht,
   schen Werken von Migrantinnen        die Dissertationsvereinbarung, die die Stelle mit      in die nötige Tiefe zu gehen, um mit Doktorand/in-
  im 19. Jahrhundert. Seit 2018 ist     sich brachte. Ein Doktoratsstudium war nie geplant     nen aus dem angloamerikanischen Raum mithalten
 Stefanie Rudig Hochschullektorin       gewesen. Welches Thema würde mich begeistern,          zu können. Aus diesem Grund erschien mir ein ein-
      am MCI (Management Center         sodass ich mich über längere Zeit intensiv damit       jähriges, spezialisiertes Masterstudium im Ausland
                          Innsbruck).   beschäftigen konnte? Konnte ich in meiner Diszip-      die ideale Lösung und Vorbereitung für mein Dokto-
                                        lin einen brauchbaren Beitrag für die Wissenschaft     rat. Da man sich die Ziele bekanntlich hoch stecken
                                        leisten?                                               soll, bewarb ich mich an der Universität Oxford und
                                             Im Zuge der Vorbereitungen für mein Prose-        erhielt eine positive Studienplatzzusage. Daraufhin
                                        minar über viktorianische Literatur und Kultur         folgte das bereicherndste Jahr meines Lebens. Vom
                                        entdeckte ich einen Fachaufsatz über alleinstehen-     ersten bis zum letzten Tag ging ich ganz beseelt in
                                        de Frauen, die in der Mitte des neunzehnten Jahr-      der Bodleian Library ein und aus. Ständig kam mir
                                        hunderts von Großbritannien nach Australien und        der Gedanke, dass ich womöglich auf dem gleichen
  Bundespräsident Heinz Fischer mit
                                        Neuseeland auswanderten. Ich war sofort gefesselt      Platz saß, wo schon Literaturgigant/innen wie Jo-
    Sub-auspiciis-Doktorin Stefanie
                       Rudig, 2016.     von der Thematik und fasziniert von diesen wa-         nathan Swift, Percy Bysshe Shelley, C.S. Lewis oder
                                                           gemutigen Frauen, die alles Be-     V.S. Naipaul lernten. Wenn ich meine morgendli-
                                                           kannte hinter sich ließen, um ein   chen Runden durch die Christchurch Meadows lief,
                                                           neues Leben am anderen Ende         sinnierte ich, ob Lewis Carroll wohl hier die Idee zu
                                                           der Welt zu beginnen. Nachdem       Alice im Wunderland entwickelte. Gleich nebenan
                                                           ich selbst mehrere Auslandsauf-     im botanischen Garten erblickte ich den berühmten
                                                           enthalte erlebt hatte (u. a. als    Baum, dem nachgesagt wird, dass er J.R.R. Tolkien
                                                           Erasmusstudentin in Wales, UK       als Inspiration für die fiktiven Wesen der »Ents« in
                                                           und als Austauschstudentin in       seiner Herr-der-Ringe-Trilogie diente. Ich persönlich
                                                       © Universität Innsbruck

                                                           Indiana, USA), wusste ich, wie      ging gerne in den Gärten vom Magdalen College
                                                           prägend es ist, im Ausland zu       spazieren, um die Menschen beim Bootfahren, dem
                                                           leben. Natürlich lässt sich eine    typischen »punting«, zu beobachten und konnte
                                                           Weltenwanderung in unserer          mir gut die Eskapaden von Oscar Wilde in seinem
                                                           heutigen globalisierten, ver-       College vorstellen.
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                                                                                                                                10 Jahre Marietta-Blau-Stipendium

                                                                                                                                Mein Aufenthalt an der Victoria
© Stefanie Rudig

                                                                                                                                University of Wellington in Neusee-
                                                                                                                                land war für mein Forschungsprojekt
                                                                                                                                zum Thema Migrantinnen im 19.
                                                                                                                                Jahrhundert unerlässlich.

                       Oxford war für mich wie ein Traum, insbeson-       bezweckte mein Aufenthalt genau, worum es in
                   dere im akademischen Sinne. Der Austausch mit          diesem Stipendium geht: die inhaltliche und me-
                   führenden Akademiker/innen lieferte permanente         thodische Optimierung der Doktoratsarbeit, die
                   intellektuelle Stimulation, die im Normalfall beim     internationale Vernetzung des wissenschaftlichen
                   gemeinsamen Mittagessen mit Kommilitonen im            Nachwuchses sowie wertvolle Auslandserfahrung
                   College weitergeführt wurde. Außerdem wurde            für die berufliche Zukunft.
                   man mit Ressourcen verwöhnt. Zum Beispiel durfte           In meinem Fall stückelte ich das Marietta-Blau-   Oxford war für mich wie
                   ich mir in der Bibliothek das First Folio von Shake-   Stipendium und bezog die zweite Hälfte für einen      ein Traum, insbesondere
                   speare ausleihen und konnte es kaum fassen, ein        weiteren Forschungsaufenthalt, diesmal an der         im akademischen Sinne.
                   knapp 400 Jahre altes Buch in den Händen zu hal-       Victoria University of Wellington in Neuseelands
                   ten. Unter solchen Umständen konnte ich auch be-       Hauptstadt. Da ich den geografischen Fokus auf
                   trächtliche Fortschritte mit meinem Dissertations-     Neuseeland gelegt und mit meinem Dissertations-
                   vorhaben machen. Durch Stöbern in den Schätzen         thema tatsächlich eine kaum erforschte Nische ge-
                   der Bodleian Library war es mir möglich, bereits ein   funden hatte, hielt ich einen längeren Aufenthalt
                   vorläufiges Textkorpus an Primärtexten für meine       dort für unerlässlich. Dank meiner Kontakte in
                   Dissertation zu erstellen. Ich war mir sicher, inno-   Oxford bekam ich die Betreuungszusage einer Pro-
                   vative Forschung betreiben zu können. In einigen       fessorin, die zu den sehr wenigen Forscher/innen
                   der Romane aus dem neunzehnten Jahrhundert,            gehört, die spezifisch zu meinem Forschungspro-
                   die ich analysieren wollte, waren nämlich noch         jekt arbeiten. Hätte ich diese Reise nach Neusee-
                   nicht einmal die Buchseiten aufgeschnitten. Ich        land nicht unternommen, bin ich überzeugt, dass
                   erinnere mich, zirka drei Stunden in der Bibliothek    meine Dissertation nicht die nötige Relevanz und
                   nur damit verbracht zu haben, lediglich ein Drittel    Aktualität in Bezug auf den Forschungsstand hätte
                   der Seiten eines Buches mit einem Papiermesser         aufweisen können. Für die persönliche Bereiche-
                   aufzuschneiden. Am allermeisten profitierte aber       rung, die mir mehrere Monate im wunderschönen
                   meine eigene Forschung von der Gelegenheit, mit        Neuseeland beschert haben, fehlt hier leider der
                   renommierten         Literaturwissenschaftler/innen,   Platz, um ins Detail zu gehen.
                   Historiker/innen und Soziolog/innen mein Disser-           In aller Kürze möchte ich noch über meinen
                   tationsprojekt besprechen zu können. Die Be-           weiteren Weg berichten. Ich konnte das Dokto-
                   treuerin meiner Masterarbeit, Professorin Elleke       ratsstudium mit einer Promotion sub auspiciis
                   Boehmer, eine Expertin für postkoloniale Lite-         praesidentis abschließen. Im Anschluss folgte eine
                   raturen und Migrationsforschung, verhalf mir           berufliche Selbstfindungsreise: Vom Europäischen
                   maßgeblich, meinen Forschungsschwerpunkt für           Parlament in Straßburg über eine Stelle als Execu-
                   meine Doktorarbeit zu definieren. Sie half mir des     tive Assistant in der Privatwirtschaft (überbezahlt
                   Weiteren, erste Kontakte für zukünftige Koopera-       und intellektuell unterfordert), darauffolgend als
                   tionen in Neuseeland zu knüpfen.                       Flüchtlingsbetreuerin (unterbezahlt und emoti-
                       So traumhaft das alles klingen mag, so uto-        onal überfordert) bis zum European University
                   pisch wäre mein Studien- und Forschungsauf-            Institute in Florenz als postdoktorale Forschung-
                   enthalt in Oxford ohne finanzielle Unterstützung       sassistentin und schließlich zurück in die Heimat
                   gewesen. Konkret für die Zeit, die ich explizit mei-   als Hochschullektorin führte mich meine weitere
                   nem Dissertationsprojekt widmete, konnte ich das       berufliche Reise. Grundlegend für den Beginn die-
                   Marietta-Blau-Stipendium des Österreichischen          ser Reise war ein Stipendium, das den Namen einer
                   Austauschdienstes beziehen. Meiner Ansicht nach        wissenschaftlichen Pionierin trägt: Marietta Blau.
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                         Martina Spies

Was wäre unsere Welt ohne Spielplätze?
                        Ein Projekt über gebaute Lebensräume und ihren Einfluss
                        auf soziale und kulturelle Besonderheiten.

                     Martina Spies     Ich erinnere mich gut, als ich als kleines Kind ge-    Stipendiums erhielt ich die einmalige Gelegenheit,
        ist promovierte Architektin,   meinsam mit meinem Vater in unserem Garten ei-         erstmals in die Welt der komplexesten infor-
       Baumeisterin und Aktivistin.    nen Spielplatz samt Baumhaus baute. Damit wurde        mellen Siedlungen der Welt einzutauchen: Das
2013 gründete sie mit ihrem Vater      mir eine Welt eröffnet, die prägend für meine wei-     Forschungsgebiet für meine Doktorarbeit war
 die Organisation Anukruti (www.       tere berufliche Laufbahn wurde. Seit meiner Kind-      Dharavi und lag mitten in der Megacity Mumbai.
 anukruti.org), welche Spielplätze     heit war ich interessiert an Schaukeln, Spielplätzen       Wesentlich für meine Feldforschung vor Ort
  auf urbanen Brachflächen inner-      und sozialen Räumen, und an der Verbesserung der       war der ethnografische und stadtsoziologische For-
    halb von Slums in der Megacity     Lebensumstände durch die Kraft einer (sozialen)        schungsansatz: Die Bewohner/innen selbst wurden
     Mumbai baut. Zwischen 2013        Architektur.                                           als Hauptakteur/innen und Architekt/innen ihrer
   und 2016 war Martina Spies als          Ich wurde nicht nur Baumeisterin wie mein          gebauten Umwelt wahrgenommen, ihre Lebens-
   Forschungsleiterin des KEF-Pro-     Vater, sondern auch Architektin und engagierte         welten wurden durch eine Vielzahl von Gesprä-
  jektes »Ground Up – A Dwellers’s     Aktivistin. Während meines Marietta-Blau-              chen vor Ort rekonstruiert. Denn die dort lebenden
Focused Design Tool for Upgrading                                                                                Menschen planen, bauen und
Living Space« in Dharavi, Mumbai                                                                                 verändern ihre Häuser selbst
    tätig. Momentan arbeitet Spies                                                                               und aus eigener Kraft, und zwar
      am vom KEF geförderten For-                                                                                gänzlich ohne unterstützende
 schungsprojekt »The Culture and                                                                                 Maßnahmen der Regierung. Sie
   Development of Children’s Play.                                                                               gestalten ihre bauliche Umwelt
    The socio-cultural influences of                                                                             nach ihren Bedürfnissen, je-
 playgrounds on the development                                                                                  weils entsprechend der zur Ver-
       of children and communities                                                                               fügung stehenden Mittel und
 with case studies in Mumbai« als                                                                                der räumlichen Gegebenheiten.
                 Forschungsleiterin.                                                                                 Innovativ an meiner Dis-
 Von Oktober 2012 bis September                                                                                  sertation »Plätze und Identitä-
2013 war sie mit einem Marietta-                                                                                 ten« und am von KEF geförder-
Blau-Stipendium am RIZVI College                                                                                 ten Projekts »Ground Up – A
   of Architecture Mumbai, Indien.                                                                               Dweller´s Focused Design Tool
                                                                                                                 for Dharavi, Mumbai« ist, dass
                                                                                                                 der gebaute Lebensraum und
                                                                                                                 die unmittelbare Umgebung
                                                                                                                 insbesondere der Kinder und der
                                                                                                                 weiblichen Bevölkerung unter
                                                                                                                 Berücksichtigung ihrer sozia-
                                                                                                                 len und kulturellen Besonder-
                                                                                                                 heiten und unterschiedlichen
                                                                                                                 Lebensgrundlagen untersucht
                                                                                                                 wurde. Denn das Stadtviertel
                                                                                                                 lässt sich mit Aufmaßplänen
                                                                                                                 und demografischen Daten al-
     Martina Spies möchte mit ihrem                                                                              leine nicht erfassen. Mittels der
        Verein Anukruti in Mumbais
                                                                                                                 Zoom-In-Methode haben wir
     informellen Siedlungen weitere
             Spielplätze, sogenannte                                                                             in einer Untersuchung sorgfäl-
          »Stadtblumen«, errichten.                                                                              tig ausgewählter räumlicher
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