His minister's voice? - Forum.lu

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Medien         Mai 2020   19

                                           His minister’s voice?
           Warum Luxemburg sich in der Vergangenheit so schwer
              tat mit öffentlich-rechtlichem Rundfunk und wie der
           einheimische service public in Zukunft aussehen könnte.

Die Debatte ist überfällig. Zu lange schon muss                    im jüngsten Abkommen mit der Regierung, radio                Romain Kohn
Luxemburg ohne öffentlich-rechtlichen Rundfunk                     100,7 sei ein Sender „à vocation de service public“.
auskommen. Viele werden sagen: Na und? Lässt die                   Schließlich gibt es RTL Radio Lëtzebuerg, ein durch
Grundversorgung, die uns die CLT-Ufa seit über                     und durch kommerzieller Kanal. Um die Sache noch
sechs Jahrzehnten vorsetzt, irgendwelche Wünsche                   verwirrender zu machen, betreut RTL Lëtzebuerg
offen? Das kommt ganz auf die Erwartungen an.                      eine Webseite (rtl.lu), die ohne Unterscheidung bei-
Reicht einem eine handwerklich saubere, werbe-                     des (Radio und TV) im Archiv anbietet; außerdem
konforme Berieselung, durchmischt mit Journalis-                   unterhält RTL Lëtzebuerg eine gemeinsame Nach-
mus der unverfänglicheren Sorte, dann werden wir                   richtenredaktion, deren Mitglieder für die drei Aus-
zweifelsohne ordentlich bedient. Erwartet man ein                  spielkanäle bzw. Plattformen Inhalte liefern, wobei
kritisch-unabhängiges Programm für aufgeklärte                     ab 2021 allein das Fernsehprogramm und das auch
Bürger, dann sieht die Situation nicht mehr ganz so                nur für die geleisteten öffentlich-rechtlichen Missio-
rosig aus.                                                         nen Staatsgelder erhalten soll.

In Luxemburg lässt sich nicht immer klar trennen                   Aus diesen Gründen darf die Diskussion, die das
zwischen einem Angebot, das öffentlich-rechtlichen                 Parlament und hoffentlich die gesamte Gesellschaft
Ansprüchen genügt, und einem, das kommerzielle                     demnächst – endlich – führen wollen, nicht in ver-
Zielsetzungen verfolgt. Mit RTL Télé Lëtzebuerg                    schiedene, sorgsam getrennte Denkansätze einge-
haben wir einen kommerziellen Fernsehkanal, der                    bettet sein. Es geht nicht, losgelöst vom Rest dieser
sich in nichts von einem kommerziellen Angebot,                    überfälligen Diskussion, um eine bessere governance          In Luxemburg
wie wir es aus dem Ausland kennen, unterscheidet                   bei radio 100,7 einerseits oder eine stringentere            lässt sich nicht
und dennoch laut einem Abkommen mit der Regie-                     Beschreibung der service-public-Aufgaben bei RTL             immer klar
rung service-public-Auflagen erfüllen soll (RTL zwee               Télé Lëtzebuerg andererseits. Es geht um Public Ser-         trennen zwischen
als Catch-up-Angebot soll an dieser Stelle unberück-               vice Broadcasting (PSB) als Ganzes, als Ausdruck eines       einem Angebot,
sichtigt bleiben). Dann gibt es ein sogenanntes sozio-             gesellschaftlichen Selbstverständnisses. PSB: Das            das öffentlich-
kulturelles Radio, das mit ebensolchen Aufgaben                    sind nicht irgendwelche minimalen (inhaltlichen)             rechtlichen
ausgestattet ist, obwohl diese nirgendwo im Gesetz                 Auflagen, die ein Sender einhalten muss. Im Gegen-
                                                                                                                                Ansprüchen
ausdrücklich Erwähnung finden; zumindest steht                     teil: Das Programm von RTL Télé Lëtzebuerg bleibt –
                                                                                                                                genügt, und einem,
                                                                   von seiner Konstruktion her – eine äußert seltene
                                                                   Ausnahmeregelung, unter der PSB veranstaltet wird.           das kommerzielle
Romain Kohn studierte Kommunikationswissenschaften. In seiner
                                                                   PSB entspricht keinem bestimmten Programm, PSB               Zielsetzungen
Abschlussarbeit befasste er sich mit Medienpolitik in Luxemburg.
Bis Mai 2019 war er Gründungsdirektor der Luxemburger Medienauf-   ist zuallererst ein state of mind – allerdings keiner, der   verfolgt.
sichtsbehörde ALIA.                                                in Luxemburg (bisher) vorzuherrschen scheint.
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                                                                                                                                         © Gilles Kayser
Der Hauptsitz der RTL-Group auf dem Kirchberg in Luxemburg

                              Kurzer historischer Abriss zum besseren                 de radiodiffusion-télévision française) in erster Linie
                              medienpolitischen Verständnis                           daran erinnern wollte, dass sie einem höheren Ideal
                                                                                      gehorchen als Reporter anderer Medien, vornehm-
                              Von Anbeginn an setzte die Regierung hierzulande        lich Zeitungen.
                              auf den Kommerzfunk, eine staatliche oder öffent-
                              lich-rechtliche Alternative kam nie in Frage. Es war    Dafür mussten die Luxemburger hinnehmen,
                              auch nicht wirklich so, dass die Regierung bewusst      dass ein kommerzieller Sender von Anbeginn an
                              auf Kommerzfunk gesetzt hätte, sie hatte im Grunde      die Mediengeschicke hierzulande im Alleingang
                              keine rechte Vorstellung, was sie mit den verfügba-     bestimmte – dank eines staatlich garantierten Rund-
                              ren Frequenzen anstellen sollte, und war daher eher     funkmonopols, im Übrigen ein weltweit einmaliges
                              erleichtert, als findige Geschäftsleute in den 1920er   juristisches Modell (ich kenne zumindest kein zwei-
                              Jahren mit der Idee an sie herantraten, einer Privat-   tes). Nur einmal widersetzte sich die Regierung den
                              gesellschaft die Radiofrequenzen zur kommerziel-        Plänen der heutigen CLT-Ufa, nämlich als der jüngst
                              len Nutzung zu überlassen. So blieb uns nach dem        verstorbene Generaldirektor Gust Graas in den
                              Zweiten Weltkrieg das französische Schicksal eines      1980er Jahren darauf drang, bislang ungenutzte Fre-
                              exzessiven Staatsrundfunks erspart, das in dem gran-    quenzen für die Satellitenpläne seines Hauses nutzen
                              diosen Politikerbekenntnis über den Rundfunk kul-       zu können. 1973, anlässlich der Verlängerung der
                              minierte: „C’est la voix de la France.“ Wobei man       Konzessionsverträge, hatte sich der Medienkonzern
                              Präsident Georges Pompidou zugestehen muss, dass        eine (Verhandlungs-)Option zusichern lassen auf
                              er mit dieser Aussage vom 2. Juli 1970 nicht wirk-      Satellitenfrequenzen, die dem Staat zu einem spä-
                              lich in die redaktionelle Unabhängigkeit eingreifen     teren Zeitpunkt eventuell hätten zufallen können.
                              wollte, sondern die Journalisten der ORTF (Office       Doch daraus wurde nichts, letztlich setzte der Staat
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mit der Société européenne des satellites auf sein eige-   kommerzielle. Im Grunde haben wir all die Jahre vor
nes Projekt.                                               1991 (und vermutlich auch danach) niemals über
                                                           das vergleichsweise schwache Angebot von RTL Télé
1959 und 1969, als zuerst ein Radioprogramm in             Lëtzebuerg (nicht im qualitativen Sinne, sondern in
luxemburgischer Sprache und dann ein ebensol-              seiner mangelnden Vielfalt) geklagt, weil wir ARD,
ches Fernsehangebot eingeführt wurden, waren alle          TF1 und RTB-F hatten, um unsere Bedürfnisse nach
zufrieden. Endlich hatte das L in RTL seine wirkli-        Information, Kultur und Unterhaltung zu befriedi-
che Verankerung gefunden, denn bis dato waren alle         gen, wie es dem idealen Dreigestirn seit den Tagen
Sendungen in französischer, englischer oder deut-          des BBC-Gründers John Reith entspricht. Jetzt,
scher Sprache ausgestrahlt worden. Als dann in den         da eine Novellierung des aus der Zeit gefallenen
1980er Jahren in Luxemburg die sogenannten Pira-           Mediengesetzes ansteht, wäre es wirklich ein Akt des
tensender in Form bescheidener Lokalradios ent-            Durchlüftens, nicht nur den völlig veralteten Text
standen, während überall in Europa kommerzielle            an die überarbeitete EU-Richtlinie über die audio-
Sender lokal, regional und national zugelassen wur-        visuellen Mediendienste anzupassen (die im Prinzip
den, war sämtlichen Beteiligten klar, dass das sorg-       bis September 2020 in nationales Recht überführt
sam beschützte Sendemonopol der CLT-Ufa nicht              sein muss), sondern grundsätzlich über die (Neu-)
länger zu halten war. Dennoch muss aus der Rück-           Gestaltung der einheimischen Medienlandschaft
schau überraschen, wie oberflächlich die Umgestal-         nachzudenken. Aber mit dieser Regierung und ins-
tung der einheimischen Medienlandschaft im Zuge            besondere diesem Medienminister, der sich ansons-
der Verabschiedung des Mediengesetzes von 1991             ten gerne als Anwalt grundlegender gesellschaftspoli-
angegangen wurde.                                          tischer Themen geriert, darf man keine allzu großen
                                                           Erwartungen hegen.
Gewiss, das Monopol der CLT-Ufa war gefallen,
dafür gab es nun vier Regional- und ein Dutzend            Man müsste dann beispielsweise darüber nachden-
Lokalradios, doch sie alle kämpften mit ihrer Reich-       ken, warum man einer Aktiengesellschaft, die inzwi-
weite und bald schon mit den (zu) geringen Werbe-          schen in Luxemburg mehr als Immobilienholding
einnahmen. Außerdem startete ein soziokulturelles          auftritt denn als Rundfunkveranstalter, bis zu zehn
Experiment, das als sozialistisches Gegengewicht           Millionen Euro im Jahr geben will, um ein Pro-
zum CSV-nahen Wort und der DP-geneigten CLT-               gramm zu machen, das keinerlei Aufsicht unterliegt,
Ufa entstanden war – allerdings ohne die nötigen           was die sogenannten service-public-Aufgaben angeht
Finanzmittel und die technische Reichweite. Außer-         (ein internes Comité éthique sowie eine beratende,
dem war de soziokulturelle Radio eher als Staatsfunk       von der Regierung berufene Commission de suivi de
aufgestellt denn als öffentlich-rechtliche Anstalt.        la Convention sind, in ihrer aktuellen Ausgestaltung,
Und es war außerdem bei manchen Politikern so              bestenfalls als Alibiveranstaltungen zu betrachten).
unbeliebt, dass die liberale (!) Abgeordnete Anne          Mehr als der zaghafte Ansatz einer besseren gover-
Brasseur 1996 in einem Gesetzentwurf seine unver-          nance bei radio 100,7 wird nach der Parlamentsde-
zügliche Abschaffung forderte. Ganz abgesehen              batte nicht herauskommen, so meine Befürchtung.
davon, dass das Programm erst am Nachmittag zu             Die Einführung eines wahrhaftigen Systems öffent-
hören war, weil RTL Radio Lëtzebuerg die Frequenz          lich-rechtlichen Rundfunks nach ausländischem
zur besten Sendezeit am Morgen in Piratenmanier            Vorbild wäre eine gesellschaftspolitische Wende in
und mit regierungsamtlichem Segen gekapert hatte.          diesem Lande von größerer Bedeutung als die Ein-
Und mit dem täglichen Fernsehprogramm wurde                führung der Ehe für alle oder der staatlichen Zah-       Man müsste
selbstverständlich die CLT-Ufa betraut; auf die Idee,      lungsaufkündigung der Pfarrersgehälter. Es wäre ein      darüber nach-
über eine service-public-Lösung nachzudenken, kam          Einschnitt vom Ausmaß der Einführung der Verwal-         denken, warum
niemand – auch nicht die wenigen Medienpolitiker,          tungsgerichtbarkeit, die den Staat zwang, mit sei-       man einer Akti-
die es damals zumindest in den drei großen Parteien        ner Klientelpraxis aufzuhören und nach Regeln von        engesellschaft,
noch gab.                                                  Transparenz, Rechenschaftspflicht und Exzellenz zu       die inzwischen in
                                                           arbeiten.                                                Luxemburg mehr
Ein eigenständiges Gesetz für den service public                                                                    als Immobilien-
                                                           In diesem Sinne braucht Luxemburg ein eigenes            holding auftritt
Endlich gab es täglich Fernsehnachrichten, die sich        Gesetz, das den Rahmen für Public Service Broad-
                                                                                                                    denn als Rund-
mit dem Geschehen in Luxemburg beschäftigten.              casting setzt; das gegenwärtige ist allzu sehr auf
                                                                                                                    funkveranstalter,
Das war’s dann auch schon. Wer damals ein Polit-           kommerzielle Angebote ausgerichtet und wird dem
oder ein Kulturmagazin, ein Sportereignis live, einen      PSB-Gedanken nicht gerecht. Damit kein Miss-             bis zu zehn Millio-
Film oder eine Serie, eine Kinder- oder Bildungssen-       verständnis entsteht: Hier wird nicht der Abschaf-       nen Euro im Jahr
dung sehen wollte, musste weiterhin auf ausländi-          fung der RTL-Aktivitäten das Wort geredet oder           geben will.
sche Anbieter ausweichen, öffentlich-rechtliche oder       des Kommerzfunks ganz allgemein, hier geht es um
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                        die Schaffung der Grundlagen für ein duales Rund-        Programm entgegenzustellen. Im Medienbereich hat
           Ein PSB-     funksystem im Großherzogtum, d. h. eines werbe-          Luxemburg leider keine starken öffentlichen Insti-
Programm gehört         und/oder abofinanzierten Angebots einerseits und         tutionen und keine Konkurrenzunternehmen, die
 den Bürgern, die       der Grundversorgung durch ein öffentlich ausgestat-      um die Aufmerksamkeit des Publikums buhlen (wie
     es finanzieren;    tetes Programm andererseits. Beide Organisations-        im Telekom- oder Strombereich) – nur eben einen
                        formen haben ihre Berechtigung, aber sie verfolgen       übermächtigen internationalen Konzern mit einem
  es darf weder im
                        grundsätzlich verschiedene Ziele: Kommerzielle           winzigen Landesfenster. Alles, was mit einem öffent-
   Ruf stehen, der      Kanäle haben vornehmlich den Verbraucher vor             lich-rechtlichen Angebot in Verbindung gebracht
 werbetreibenden        Augen, sind demnach ausgerichtet auf die konsum-         werden könnte, wird in der Öffentlichkeit als über-
Wirtschaft gefällig     freudige Altersgruppe der 14- bis 49-Jährigen oder       flüssig angesehen oder irgendwie als Staatsfunk, und
    sein zu wollen,     auf die „ménagère de moins de 50 ans“ (wie es 1989       in einen solchen scheint der Luxemburger kein rech-
      noch von der      hieß) bzw. den oder die „responsable des achats“         tes Vertrauen zu haben – schon bemerkenswert bei
       Regierung in     (seit 2017); PSB-Veranstalter hingegen sind in erster    der gegebenen Staatsbeamtendichte.
irgendeiner Weise       Linie am Bürger interessiert, wollen ihm Orientie-
      beeinflusst zu    rung bieten im Prozess der politischen Willens- und      Ein PSB-Programm gehört den Bürgern, die es
            werden.     Meinungsbildung. Beides in einem einzigen Ange-          finanzieren; es darf weder im Ruf stehen, der werbe-
                        bot zu bündeln gelingt nur in sehr seltenen Fällen,      treibenden Wirtschaft gefällig sein zu wollen, noch
                        und falls doch, unterliegen diese Sender strengen        von der Regierung in irgendeiner Weise beeinflusst
                        öffentlich-rechtlichen Auflagen und Kontrollen           zu werden. Oberstes Gebot ist die Staatsferne. Das
                        (etwa bei ITV und Channel 4 in Großbritannien).          lässt sich sehr eindrücklich am deutschen Beispiel
                                                                                 ablesen. In jeder der drei westlichen Besatzungs-
                        In Luxemburg dagegen weigerte sich RTL Télé              zonen entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg
                        Lëtzebuerg letztes Jahr trotz vertraglich geregelter     öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten nach dem
                        service-public-Auflagen zunächst, im Rahmen der          jeweiligen Vorbild der drei Alliierten. Obwohl der
                        Europawahlen parteipolitische Werbespots auszu-          Rundfunk in den USA, Großbritannien und Frank-
                        strahlen, die auf Französisch gehalten waren, weil       reich strukturell unterschiedlich organisiert ist und
                        es so in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen         diese Unterschiede im Aufbau der deutschen Ver-
                        für kommerzielle Anzeigen steht. Erst nach massi-        waltungsstrukturen und Aufsichtsgremien mal mehr,
                        vem Einspruch der Medienaufsichtsbehörde ALIA            mal weniger deutlich zutage treten, waren sich die
                        und mit Unterstützung der wahlkämpfenden Par-            genannten Siegermächte zumindest in einem Punkt
                        teien war der Sender bereit nachzugeben. Dabei fal-      einig: weder die Bundes- noch die Länderregierun-
                        len die Sendespots nicht unter seine redaktionelle       gen dürften sich in die Geschicke der Sender und
                        Verantwortung (sondern die der Regierung und             ihrer Programme einmischen.
                        explizit in den Rahmen der sogenannten missions de
                        service public), gehört Französisch zu den offiziellen   Wenn man radio 100,7 als eine Anstalt betrachtet,
                        Sprachen des Landes und konnten auch Nicht-Lux-          die hierzulande dem Programmziel eines PSB am
                        emburger an die Urnen gehen. Nebenbei bemerkt:           nächsten kommt, ohne ausdrücklich eine zu sein,
                        Wer im Replay die politischen Spots sehen wollte,        dann ist das absolute Kriterium der Staatsferne nicht
                        musste sich zunächst einige Sekunden lang Werbung        gegeben. Die Vertreter im Verwaltungsrat (und der
                        anschauen – natürlich auf Französisch.                   Posten des commissaire de gouvernement) werden
                                                                                 sämtlich vom Medienminister bzw. der Regierung
                        Public Service Broadcasting auf Luxemburgisch            bestimmt, und wenn dann der damalige Präsident
                                                                                 des Senders ungeniert behauptet, er sei der „Vertrau-
                        Vermutlich weiß das einheimische Publikum nicht,         ensmann des Premiers“, dann ist es mit der Staats-
                        was PSB auf Luxemburgisch bedeuten könnte. Wir           ferne nicht sehr weit her. Vor allem, wenn ein auf
                        gehen davon aus, es sei ein Programm, wie es uns         diese Weise zusammengesetzter Verwaltungsrat den
                        RTL Télé Lëtzebuerg täglich anbietet; ist es aber        Direktor bestimmt. In den künftigen gesetzlichen
                        eigentlich nicht. Dieses Programm ist um Werbung         Bestimmungen zum PSB muss klar geregelt sein,
                        herum aufgebaut, worauf schon vor über 30 Jahren         dass der Direktor der uneingeschränkte Anstaltschef
                        Guy Felten, der Gründer von Radio Organique, hin-        ist. Während seiner Mandatszeit trifft er sämtliche
                        gewiesen hatte: „RTL macht Hörfunk, um Werbung           Entscheidungen im Alltagsgeschäft im Rahmen
                        machen zu können; wir machen Werbung, um Hör-            einer ein- oder mehrjährigen Strategie, die der Ver-
                        funk machen zu können.“1 Es ist auch nicht son-          waltungsrat zuvor gutgeheißen hat. Letztlich ist er
                        derlich überraschend, wenn wir (als Gesellschaft)        auch für sämtliche Programmentscheidungen ver-
                        uns in diesen disruptiven, neoliberalen Zeiten           antwortlich. Wiewohl Programmdirektor und Chef-
                        schwertun, dem kommerziellen Medienangebot ein           redakteur autonom, d. h. ohne Eingriffe von außen,
                        kritisches, politisch und wirtschaftlich unabhängiges    arbeiten können müssen, hat der Direktor das letzte
Medien          Mai 2020          23

Wort in allen Angelegenheiten. Allerdings sollte der

                                                                                                                                       © Gilles Kayser
Entscheidungsfindungsprozess möglichst von unten
nach oben gehen, d. h. der Reporter geht im Zwei-
felsfall mit seinem Problem zu seinem Redakteur,
der gegebenenfalls eine Begutachtung durch den
Chefredakteur erbittet, bevor dieser die Causa im
Zweifelsfall dem Direktor vorlegt. Solche Fälle dürf-
ten allerdings nur höchst selten auftreten (die Cham-
ber-Leaks würden möglicherweise in diese Kategorie
fallen).

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die
Handhabung der PSB-Auflagen bei RTL Télé Lëtze-
buerg. Staatsfern ist die CLT-Ufa als Betreibergesell-
schaft auch nicht, wenn man die Fakten zuspitzt.
Auch wenn wir einen ungemein RTL-affinen
Medienminister haben, bestimmt nicht er, wer im
Verwaltungsrat der Aktiengesellschaft CLT-Ufa sitzt.
Gleichwohl sind die Fraktionschefs der drei Parteien,
die bis 2013 das Schicksal des Landes bestimmt
haben, d. h. CSV, LSAP und DP, qua Amt im Ver-           Radio 100,7 auf dem Kirchberg in Luxemburg-Stadt

waltungsrat vertreten. Und es gibt einen commissaire
de gouvernement, der die Interessen des Staates ver-     es ja nur um die Begleitung der inhaltlichen Auf-
treten soll, da das Unternehmen eine souveräne Res-      lagen, nicht um die Aufsicht des Unternehmens als
source in Form von Rundfunkfrequenzen nutzt. Als         solches). Das können Gewerkschaften sein, Wirt-
Regierungsvertreter kann dieser – zur Wahrung der        schaftsverbände, Religionsgemeinschaften, Kul-
Staatsferne – selbstredend nicht über die Einhaltung     tureinrichtungen und gemeinnützige Vereine bzw.
der PSB-Auflagen wachen.                                 NGOs, die in der Zivilgesellschaft in allen erdenkli-
                                                         chen Bereichen aktiv sind, selbst politische Parteien
Problematisch ist allerdings, dass im Grunde bis-        kommen in Frage. Neben der Wahl des Direktors
lang, d. h. in den letzten 30 Jahren, niemand ein        wachen sie darüber, dass die Programm- und sons-
Auge auf diesen Aspekt des Lastenhefts gerichtet         tigen Richtlinien (beispielsweise zur Diversität oder
hat. Zumindest ist mir kein Jahres- oder sonstiger       zum Sprachenregime) eingehalten werden (für die
Bericht bekannt, der sich mit den PSB-Auflagen von       gesetzlich festgelegten Bestimmungen wie Jugend-
RTL Télé Lëtzebuerg je beschäftigt hätte im Sinne        schutz, Diskriminierungsformen oder gegebenen-
einer eingehenden Analyse und einer Bewertung,           falls Werbung oder Sponsoring bleibt nach wie vor
inwiefern die Anforderungen erfüllt wurden. Auch         die ALIA zuständig). Damit ist gewährleistet, dass
ist die CLT-Ufa nicht dazu verpflichtet, selbst einen    es eine Rückkopplung des öffentlich-rechtlichen
entsprechenden Bericht vorzulegen, um zu zeigen,         Radios in die Gesellschaft gibt – anders als derzeit
auf welche Weise und in welchem Maße sie die-            bei der CLT-Ufa, die den Bürgern keinerlei Rechen-
sen Anforderungen begegnet. Was auch immer bei           schaft schuldig ist, obwohl ihr Programm ab nächs-
der anstehenden Diskussion im Parlament heraus-          tem Jahr großzügig aus dem Steueraufkommen
kommen wird, sollte man eine unabhängige Person          finanziert werden soll.                                     Was auch
oder Institution mit einer (jährlichen) Evaluierung                                                                  immer bei der
beauftragen. Selbstverständlich kann man diese Auf-      Für die Aufsicht des Etablissement de radiodiffusion        anstehenden
sichtskompetenz an die bestehende Medienaufsicht         socioculturelle (ERSL) bieten sich zwei Modelle an.         Diskussion
abgeben, sofern man zuvor dafür sorgt, dass dort der     Das zweistufige Modell sieht ein vielleicht 30-köp-         im Parlament
Medienverstand einzieht…                                 figes Gremium vor, das sich mit Programmfragen              herauskommen
                                                         beschäftigt – der sogenannte Programmrat; aus sei-          wird, sollte man
Eine Rückkopplung in die Gesellschaft ist                ner Mitte würden die Vertreter der forces vives de la       eine unabhängige
unverzichtbar                                            nation acht oder zehn Mitglieder auswählen, die den         Person oder
                                                         Verwaltungsrat ausmachen und sich vornehmlich
                                                                                                                     Institution mit
In einem Gesetz zu den service-public-Medien muss        mit Haushalts-, Personal- und anderen verwaltungs-
klar geregelt sein, welche der sogenannten gesell-       technischen Fragen beschäftigen. Diese Organisation
                                                                                                                     einer (jährlichen)
schaftlich relevanten Kräfte einen Vertreter in den      ist vergleichsweise schwerfällig, gerade in einem klei-     Evaluierung
Verwaltungsrat des öffentlich-rechtlichen Radios         nen Land wie Luxemburg. Insofern wäre das einstu-           beauftragen.
entsenden dürfen (bei den RTL-Programmen geht            fige Modell mit einem einzelnen Kontrollgremium
24 forum 406   Medien

                        für Programm und Verwaltung wahrscheinlich die          ohnehin begrenzte Werbemarkt so nicht zusätzlich
   Wie auch immer       geeignetere Option, vorausgesetzt, im schlankeren       durch einen neuen, zugleich öffentlich finanzierten
   der Gesetzgeber      Gremium von vielleicht zehn Personen ist die fach-      Player belastet, zum anderem stünde es der Unab-
sich entscheidet, es    liche Kompetenz der Mitglieder abgesichert, was         hängigkeit des Programms gut an, wenn es nicht auf
 bleibt das Prinzip:    in Luxemburg nicht unbedingt ausgemacht ist, da         die werbetreibende Wirtschaft angewiesen wäre.
                        selbst die Parteien inzwischen keine ausgewiesenen
  Die Anstalt muss
                        Medienpolitiker mehr in ihren Reihen haben, von         Qualitative Kriterien bestimmen die Höhe der
  den Bürgern bzw.      anderen gesellschaftlich relevanten Kräften ganz zu     PSB-Beihilfen
 der Allgemeinheit      schweigen (zum richtigen Verständnis: Wir reden an
      Rechenschaft      dieser Stelle nicht von Kommunikationsspezialisten,     Komplexer wird es hingegen, wenn es um Beihilfen
            ablegen.    die um die Außenwirkung ihrer Instanzen bemüht          für Programme geht, die nicht in öffentlich-rechtli-
                        sind). Auch lässt sich ins Auge fassen, sogenannte      cher Trägerschaft entstehen, sondern die von einem
                        Hörerräte in das Aufsichtsgremium zu entsenden,         kommerziellen Sender mit spezifischen service-pub-
                        sofern diese sich im Rahmen einer Ausschreibung         lic-Aufgaben verantwortet werden, wie im Falle von
                        für diese Aufgabe qualifiziert haben. Wie auch          RTL Télé Lëtzebuerg. Solche Modelle gibt es, bei-
                        immer der Gesetzgeber sich entscheidet, es bleibt das   spielsweise in Großbritannien mit Channel 4 und
                        Prinzip: Die Anstalt muss den Bürgern bzw. der All-     dem ITV-Verbund, oder auch in der Schweiz, wo
                        gemeinheit Rechenschaft ablegen.                        kommerzielle Anbieter einen Teil der Gebühren-
                                                                                einnahmen erhalten können, wenn sie bestimmte,
                        Grundsätzlich kommen drei Arten zur Finanzierung        genau beschriebene Auflagen im Nachrichtenbereich
                        des Rundfunks in Frage: Einnahmen aus Werbung           erfüllen. Solches geht natürlich auch in Luxem-
                        oder aus Gebühren (bzw. einem Haushaltsposten)          burg. Allerdings müssen dazu erst einmal die Kri-
                        oder eine Mischform. (Inzwischen gibt es eine vierte,   terien erfasst werden. Dazu reicht es nicht, wie es
                        die Boris Johnson wohl gerne in Großbritannien am       jetzt der Fall ist, allein die materielle Bereitstellung
                        Beispiel der Mutter aller PSB ausprobieren möchte:      bestimmter Programmformen zu gewährleisten,
                        freiwillige Abos für die öffentlich-rechtliche BBC,     etwa die Produktion einer täglichen Nachrichten-
                        quasi wie bei Netflix oder der Kirchensteuer.) Eine     sendung oder eines wöchentlichen Kulturmagazins.
                        obligatorische Haushaltsabgabe wie in Deutschland       (Warum, so ist zu fragen, soll alleine die CLT-Ufa
                        oder Frankreich kommt für Luxemburg aus prak-           darüber bestimmen können, wie eine solche Kultur-
                        tischen Gründen kaum in Frage: Wir haben kei-           sendung beschaffen ist und nicht diejenigen, die für
                        nerlei Erfahrung mit dem Eintreiben einer solchen       das Programm aufkommen, d. h. die Bürger und
                        Abgabe; für eine eigene Inkassogesellschaft wäre der    Steuerzahler?) Wie soll eine Audit-Gesellschaft die
                        bürokratische Aufwand unverhältnismäßig hoch,           Einhaltung der Kriterien überprüfen und einen
                        allenfalls ein Zuschlag auf der Stromrechnung wäre      Bericht verfassen, wenn sie über keinerlei qualita-
                        eine gangbare Alternative. Darüber hinaus wäre es       tive Ansatzpunkte verfügt? Das Schweizer Beispiel
                        den Luxemburgern, die 1973 von einer Geräteab-          zeigt, dass ein Audit zur Feststellung, inwieweit die
                        gabe befreit wurden, kaum zu vermitteln, warum sie      PSB-Maßgaben eingehalten wurden, nicht ohne
                        auf einmal für ihr Radio- oder Fernsehprogramm          erheblichen methodologischen Aufwand zu haben
                        zahlen müssten, zumal die RTL-Angebote für den          ist; es bedurfte dazu einer internationalen Ausschrei-
                        einheimischen Markt kommerziell ausgerichtet sind       bung. Vom Bericht des Auditbüros würde es künftig
                        und auf Werbung als Finanzierungsquelle setzen.         in Luxemburg abhängen, in welchem Umfang die
                                                                                Mittel für PSB-Aufgaben an die CLT-Ufa ausgezahlt
                        Letztlich müssten die Bürger so oder so für den ser-    werden (und nicht vom Ausmaß des Produktionsde-
                        vice public aufkommen, nur eben indirekt, wenn die      fizits des Programms).
                        Mittel aus dem Staatshaushalt abgezweigt würden. In
                        diesem Falle müsste aber Sorge dafür getragen wer-      In Luxemburg kommt eine weitere Schwierigkeit
                        den, dass das Jahresbudget für das öffentlich-recht-    hinzu: Wie soll man herauszufinden, welche Leis-
                        liche ERSL nicht nach Gutdünken der Regierung           tungen RTL Télé Lëtzebuerg, also das Fernsehpro-
                        radikal gesenkt werden könnte, weil sie das Angebot     gramm, dem Staat in Rechnung stellen darf ange-
                        von radio 100,7 aus irgendeinem Grund nicht länger      sichts einer Gesamtredaktion, die Mitarbeiter von
                        hinreichend schätzte. Gegen einen solchen politi-       Fernsehen, Radio und Website vereint und die auf
                        schen Vertrauensverlust sind vorbeugende Schutz-        diese Weise nicht nur im Rahmen der PSB-Aufga-
                        maßnahmen vorzusehen, sei es über eine mehr-            ben für das TV-Angebot aktiv sind? Es ist all das sehr
                        jährige Haushaltsplanung oder, vorzugsweise, ein        verzwickt, und wenn es nicht wieder in einer Lösung
                        eingehegtes Budget. Von Werbeeinnahmen für radio        à la luxembourgeoise enden soll, muss viel gesche-
                        100,7 ist eher abzuraten (gleichwohl man Sponso-        hen. Die sauberste und eindeutigste Option (aber
                        ring nicht ausschließen sollte). Zum einen würde der    unter den derzeitigen Bedingungen wohl auch die
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unrealistischste) wäre die sofortige Gründung eines     es den Bürger ernst als Medienverbraucher mit sei-
von der CLT-Ufa unabhängigen öffentlich-rechtli-        nen jeweiligen Ansprüchen und sieht ihn nicht bloß                    Wenn ein öffent-
chen TV-Kanals (wobei die CLT-Ufa weiter tech-          als Fisch, der sich auf jeden Wurm stürzt, den man                    lich-rechtliches
nischer Dienstleister bleiben könnte, so wie es zu      ihm hinhält, um RTL-Gründer Helmut Thoma                              Programm nicht
den Anfangszeiten des soziokulturellen Radios schon     zu paraphrasieren? Dazu zählt seine thematische                       einen Großteil
einmal der Fall war). Dadurch könnte die CLT-Ufa        Vielfalt und kulturelle Diversität: Wo machen Sie
                                                                                                                              der Erwartungen
das TV-Programm, das Miese schreibt, abstoßen (so       regelmäßig Entdeckungen über Menschen und Vor-
wie einst das sinfonische Radioorchester), und wir      kommnisse, die Sie so nicht kannten? Die Aufzäh-                      erfüllt, spätes-
könnten die öffentlichen Mittel von zehn Millionen      lung könnte man verlängern, aber die Stoßrichtung                     tens dann sollte
Euro jährlich für einen eigenständigen PSB-Kanal        ist klar. Wenn ein öffentlich-rechtliches Programm                    man über seine
einsetzen.                                              nicht einen Großteil dieser Erwartungen erfüllt, spä-                 Daseinsberech-
                                                        testens dann sollte man über seine Daseinsberechti-                   tigung intensiv
Ob nach 2030, wenn die Konvention über die Nut-         gung intensiv nachdenken.                                             nachdenken.
zung der Luxemburger Frequenzen endet, überhaupt
noch ein großes publizistisches Interesse an einem      Wenngleich John Reith das Dreigestirn vorgab, das
solchen Angebot besteht, kann bezweifelt werden.        inzwischen um das Konzept des public value ergänzt
Schon jetzt steht die RTL Group im Begriff, einen       wurde, die Frage nach der Quote stellte er dabei
Großteil ihrer lokalen Kräfte ins Ausland abzuzie-      nicht (vermutlich, weil er sich damals nicht um die
hen. Ein luxemburgisches Programm allein lohnt die      Konkurrenz sorgen musste). Also: Welchen Pro-
Aufrechterhaltung eines Sendezentrums auf Kirch-        zentsatz des potenziellen Publikums muss ein Kanal
berg ganz sicher nicht; da lässt sich als Immobilien-   erreichen, um relevant zu sein? Vielleicht ist das die
holding mehr Geld verdienen. Dazu wird es natür-        falsche Frage in Zeiten, in denen selbst kommerzielle
lich nicht kommen, wir werden wie immer eine            Nischenprogramme Gewinne abwerfen. Allerdings
Lösung à la luxembourgeoise finden, die darin kul-      wenden sich kommerzielle Programme in erster
miniert, dass RTL Télé Lëtzebuerg zu einem vollwer-     Linie, so will es ihre wirtschaftliche Logik, an die
tigen PSB-Kanal umetikettiert wird, damit es staat-     Verbraucher, öffentlich-rechtliche Angebote dage-
liche Beihilfen erhalten kann, ohne gleich den Ärger    gen, so will es ihre Aufgabenstellung, zunächst an
der EU-Kommission auf diesem heiklen Gebiet zu          den Bürger. In diesem Sinne spielt die Quote allen-
erregen.                                                falls eine nachgeordnete Rolle.

Wieviel Quote braucht der service public, um            Selbstverständlich muss ein PSB-Programm die
relevant zu sein?                                       Bürger erreichen, damit es sie im Rahmen des poli-
                                                        tischen Willens- und Meinungsbildungsprozesses
Welche Kriterien sollte ein öffentlich-rechtlicher      informieren kann. Umgekehrt wird ein Schuh dar-
Kanal also erfüllen, um seinem Anspruch gerecht         aus: Was hilft es, wenn ich die Menschen erreiche,
zu werden? Nach wie vor gilt eine Mischung aus          und ich nutze diese Popularität nicht, um sie mit
Information, Bildung und Unterhaltung, die John         relevantem Material zu versorgen im Rahmen des
Reith anlässlich der Gründung der BBC allen nach-       genannten Prozesses? Insofern müssen wir als Gesell-
folgenden PSB-Programmen als Ziel mit auf den           schaft Erwartungen formulieren, wie unser service
Weg gab. Heute stellt sich zudem die Frage nach         public aussehen soll und uns (möglicherweise) nicht
der public value des Angebots. Damit gemeint ist        mit dem zufrieden geben, was die CLT-Ufa uns als
im weitesten Sinn eine Qualitätssicherung im Inte-      Umsetzung ihrer öffentlich-rechtlichen Auflagen
resse des Gemeinwohls. Dazu zählt die Relevanz          vorsetzt – ohne uns nach unserer Meinung zu fragen
des Programms: Wie sehr würden Sie als Hörer sein       (was keine Frage der Quote ist, um dem offensicht-
Verschwinden bedauern? Dazu zählt seine Zuverläs-       lichen Gegenargument den Wind aus den Segeln zu
sigkeit: Vertrauen Sie diesem Programm, wenn Sie        nehmen). Was erwarten wir also? Ganz sicher kein
sich über den aktuellen Stand der Corona-Pandemie       werbekonformes Programm und keinen Verlaut-
informieren möchten? Dazu zählt seine Anschluss-        barungsjournalismus. Über den Rest können wir
fähigkeit: Trägt das Programm zur gesellschaftli-       reden, am besten in einer breitangelegten öffentli-
chen Kohäsion bei? Sind die Themen so ausgewählt        chen Debatte, nicht nur im Parlament. Da lass!
und aufbereitet, dass die Bürger sie für ihren eige-
nen Erfahrungszusammenhang aufgreifen können?
Dazu zählt seine Unabhängigkeit: was keineswegs
gleichzusetzen ist mit Narrenfreiheit, PSB-Angebote
sind stets durch ihr hohes Verantwortungsbewusst-       1   Zit. n. Romain A. Kohn, „Die Piraten sind müde geworden
                                                            – Freie Radios in Luxemburg Juli 1981-Juli 1986“, in:
sein geprägt – was sie, zugegeben, manchmal dröge           Lëtzebuerger Almanach ’87, Luxemburg, Guy Binsfeld, o. J., S.
aussehen lässt. Dazu zählt seine Qualität: Nimmt            444-454, 449.
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