Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen - Oktober 2020 Ausgabe 85 AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE - ALPHA NRW

Die Seite wird erstellt Thomas Neubert
 
WEITER LESEN
Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen - Oktober 2020 Ausgabe 85 AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE - ALPHA NRW
Ansprechstellen im
                          Land NRW zur
                          Palliativversorgung,
                          Hospizarbeit und
                          Angehörigenbegleitung

Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen
Oktober 2020 Ausgabe 85

Schwerpunkt:
AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE
Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen - Oktober 2020 Ausgabe 85 AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE - ALPHA NRW
Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85
2
Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen - Oktober 2020 Ausgabe 85 AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE - ALPHA NRW
Liebe Leserinnen und Leser,
                                      „es geht auch viel um Leben und Liebe“, so der Filmproduzent Lars Pape in unserem Interview.
                                      In die Versorgerterminologie übersetzt heißt das: Lebensqualität einerseits und Wertschätzung,
                                      Zuwendung und Respekt andererseits. Darum geht es immer und in den letzten Lebenstagen
                                      auf besondere Weise. Bei der Begleitung von Patientinnen und Patienten mit einer Amyotrophen
                                      Lateralsklerose wird den Beteiligten viel abverlangt. Wie bei allen eher selten auftretenden
                                      Erkrankungen liegt das nicht ausschließlich an den Herausforderungen in der medizinisch-
                                      pflegerischen oder der Heil- und Hilfsmittelversorgung. Auch ist bei ALS das sektorenübergreifen-
                                      de, vernetzte Denken und Handeln besonders wichtig und (noch) nicht selbstverständlich. Dazu gehört
                                      ebenso, sich der von Nassehi et al. benannten – je nach Rolle und Beziehung – unterschiedlichen
                                      Bewertungen palliativer Situationen bewusst zu sein. Denn nur, wenn die verschiedenen Perspektiven
                                      erkannt und besprechbar sind, ist ein Hand-in-Hand-Arbeiten im Sinne der Patientinnen und Patienten
                                      möglich.
                                      Die Beiträge im Schwerpunkt dieser Ausgabe zeichnen ein Bild der Erkrankung und eröffnen den
                                      Blick für die Erfordernisse der Hospiz- und Palliativversorgung.

                                      Eine gute Lektüre wünscht Ihnen
                                                                                                                   Ihre Dr. Gerlinde Dingerkus

                                      INFORMATION                                        SCHWERPUNKT
                                                                                         AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE

                                      4 Jeder Moment ist Leben                           15 Amyotrophe Lateralsklerose –
                                          Frank Gunzelmann                                  Die Sicht des Neurologen
                                                                                              Torsten Grehl
                                      5 Informieren, vernetzen und
                                        koordinieren                                     17 Frühzeitige Palliativversorgung
                                          Corinna Weiß                                      für ALS-Erkrankte
                                                                                              Felix Grützner
                                      7 Die Organisation des Sterbens
                                          Armin Nassehi, Irmhild Saake et al.            20 Diagnose ALS was nun e.V.
                                                                                              Claudia Weber
                                      10 Unterwegs in der Trauer
                                          Annerose Märkle                                23 … es ging auch viel um Leben
                                      13 Wenn eine von uns geht!                            und Liebe
                                          Gerda Graf                                          Interview mit Lars Pape

                                                                                         26 Veranstaltungen
Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

                                                                                         27 Impressum
Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen - Oktober 2020 Ausgabe 85 AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE - ALPHA NRW
4

    JEDER MOMENT IST LEBEN
    Neue Plakate zur Hospiz- und Palliativversorgung in Nordrhein-Westfalen
    FRANK GUNZELMANN

    I
           m Jahr 2017 haben erstmals die nordrhein-
          westfälischen Hospiz- und Palliativtage
          stattgefunden. Die hierfür erstellten Werbe-
          materialien sind im Rahmen der Öffentlich-
    keitsarbeit von Einrichtungen der Hospiz- und
    Palliativversorgung frei nutzbar. Das Ministerium für
    Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) hat nun
    zwei weitere Motive zur Verfügung gestellt. Aktuell
    kann damit aus vier Plakaten ausgewählt werden.

    Ziel der beiden neuen Motive ist es, insbesondere
    Menschen mit Einschränkungen sowie Menschen mit
    unterschiedlichem kulturellen Hintergrund anzu-
    sprechen und sie auf die Angebote der Hospiz- und
    Palliativversorgung aufmerksam zu machen. Sie
    folgen dem schon bekannten Motto „Jeder Moment
    ist Leben“ und wollen darauf hinweisen, dass sich
    Leben bis zuletzt in allen seinen Facetten entfalten
    kann: traurig, hoffnungsvoll, fröhlich, selbstbe-       das beispielsweise zur Ankündigung Ihrer Veran-
    stimmt und in Gemeinschaft.                             staltungen genutzt werden kann.

                                   Abbildung Motive         Alle Motive können kostenlos unter folgendem Link
                                                            http://www.mags.nrw/broschuerenservice im Bro-
                                   Die Motive können        schürenservice des MAGS bestellt oder herunter-
                                   in jeweils zwei Vari-    geladen werden. Die neuen Plakate erscheinen zur-
                                   anten angefordert        zeit über die Stichwortsuche „Hospiz“ ganz oben
                                   werden:                  bei den Ergebnissen.

                                   Variante 1 kann als      Wir freuen uns, wenn Sie auch die neuen Motive
                                   Poster ohne frei be-     für Ihre Öffentlichkeitsarbeit einsetzen und damit
                                   schreibbares Feld        die Angebote der Hospiz- und Palliativversorgung
                                   beim Broschüren-         in NRW weiter bekannt machen.
                                                                                                                     Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

                                   service des MAGS
                                   bestellt werden.
                                                                                              Frank Gunzelmann
                                   Variante 2 ist als                                           ALPHA Rheinland
                                   Download zum Aus-                                       Heinrich-Sauer-Str. 15
                                                                                                      53111 Bonn
                                   drucken abrufbar.                                        Tel.: 02 28 - 74 65 47
                                   Sie enthält ein frei                                 rheinland@alpha-nrw.de
                                   beschreibbares Feld,                                       www.alpha-nrw.de
Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen - Oktober 2020 Ausgabe 85 AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE - ALPHA NRW
5

                                      INFORMIEREN, VERNETZEN UND
                                      KOORDINIEREN
                                      Die Koordinierungsstelle für Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland
                                      CORINNA WEISS

                                      D
                                                  ie Koordinierungsstelle für Hospiz- und
                                                  Palliativversorgung in Deutschland ist
                                                  ein vom Bundesministerium für Familie,
                                                  Senioren, Frauen und Jugend geförder-
                                      tes Projekt, welches sich intensiv mit der nachhal-
                                      tigen Umsetzung der Charta zur Betreuung
                                      schwerstkranker und sterbender Menschen und
                                      ihrer Handlungsempfehlungen einsetzt. Ein Satz,
                                      von dem die Koordinierungsstelle zur Beschreibung
                                      des eigenen Tätigkeitsfeldes nur schwer abweichen
                                      kann und welcher einem beim erstmaligen Lesen
                                      etwas verzwickt erscheinen mag. Die Komplexität
                                      liegt nicht nur in der Sache an sich, nämlich unter
                                      anderem dem Anspruch, einer Vernetzung aller
                                      relevanten Akteure der Hospiz- und Palliativversor-
                                      gung in Deutschland gerecht zu werden, sondern
                                      auch im Entstehungs- und Entwicklungsprozess der
                                      Charta selbst.
                                                                                                © G. Achtermann

                                      Nach 10 Jahren Charta – ein kleiner Rückblick
                                      Die fünf Leitsätze der Charta wurden 2010 von über
                                      50 Organisationen und Institutionen aus Gesell-
                                      schaft und Gesundheitssystem im Konsens verab-
                                      schiedet und der Öffentlichkeit präsentiert. Das
                                      Besondere hier ist nicht nur, dass jedes Wort in der
                                      Charta im Konsens beschlossen wurde, kurz gesagt,
                                      es gab keine Mehrheitsentscheidungen, sondern             Seit nunmehr zehn Jahren steht die Charta für ein
                                      auch, dass sich die drei Erfinder der Charta, die Deut-   würdevolles Sterben, wobei im Fokus immer der be-
                                      sche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), der         troffene Mensch steht. Die Förderung des internen
                                      Deutsche Hospiz- und Palliativverband (DHPV) und          Dialogs der relevanten Gruppen und die Bildung von
                                      die Bundesärztekammer (BÄK), als drei unterschied-        Grundlagen für politische Realisierungen sind nur
Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

                                      liche Institutionen in einer Trägerschaft befinden.       zwei von vielen wichtigen Zielen der Charta. Unter
                                      Und das bis heute. Im Rahmen einer Nationalen Stra-       anderen Umständen hätten wir in diesem Jahr das
                                      tegie war es anschließend das Ziel, die formulierten      zehnjährige Charta-Jubiläum gefeiert. Aufgrund der
                                      Leitsätze so umzusetzen, dass jeder Betroffene eine       Covid-19-Pandemie musste dies jedoch leider auf
                                      qualitativ hochwertige palliative und hospizliche         das Jahr 2021 verschoben werden. Was jedoch nie
                                      Behandlung und Begleitung erhält. Somit wurde             verschoben werden sollte: der Zeitpunkt, um über
                                      der Charta-Prozess schlussendlich 2016 mit den            das Sterben und die Hospiz- und Palliativversor-
                                      Handlungsempfehlungen abgeschlossen.                      gung in Deutschland zu sprechen. Genau dafür wur-
Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen - Oktober 2020 Ausgabe 85 AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE - ALPHA NRW
6

                                                             der Charta ausgetauscht hat. Darüber hinaus haben
                                                             auch einige „Initiativen zur Umsetzung der Charta
                                                             und ihrer Handlungsempfehlungen“ ihre Work-
                                                             shops und Veranstaltungen in die virtuelle Welt
                                                             verlagert und die Vernetzung der Akteure und
    de die Charta ins Leben gerufen und genau des-           Betroffenen möglich gemacht. Ein Beispiel hierfür
    wegen gibt es die Koordinierungsstelle, die die Leit-    ist der „Letzte Hilfe Kurs“. An diesen Umsetzungs-
    sätze der Charta und ihre Handlungsempfehlungen          partnern der Charta wird deutlich, dass jeder die
    in der Öffentlichkeit bekannt macht und deren Um-        Initiative auf ganz individuelle Art ergreifen kann,
    setzung vorantreibt.                                     um die Charta und ihre Ziele in der Öffentlichkeit
                                                             präsenter zu machen sowie Kolleginnen und Kolle-
    Die drei Säulen der Koordinierungsstelle                 gen zu inspirieren.
    Die Leitsätze formulieren Aufgaben, Ziele und
    Handlungsbedarfe, um die Betreuung schwerst-             „Übers Sterben zu reden hat noch niemanden
    kranker und sterbender Menschen in Deutschland           umgebracht …!“
    zu verbessern. Für deren Umsetzung ist die Koor-         Als Koordinierungsstelle stehen wir beratend zur
    dinierungsstelle im Einsatz: Wir informieren,            Seite und unterstützen Akteure bei der konkreten
    vernetzen und koordinieren. Im Fokus unserer             Umsetzung ihrer Maßnahmen, denn „Übers Ster-
    Arbeit steht zuallererst die Öffentlichkeitsarbeit mit   ben zu reden hat noch niemanden umgebracht …!“
    Messe- und Veranstaltungsauftritten sowie aktive         und sollte ein gutes Gespräch auch nicht zum
    Presse- und Medienarbeit. Ersteres hat unter der         Erliegen bringen. Da man für den Einstieg in ein
    Corona-Pandemie in diesem Jahr stark gelitten.           Gespräch über Sterben, Tod und Trauer oftmals
    Nahezu alle Veranstaltungen wurden abgesagt. Aus         einen Anstoß braucht, gibt es unseren einprägsa-
    diesem Grund musste man sich einmal mehr der             men Spruch nun nicht mehr nur auf den Flyern,
    Herausforderung stellen, die Charta und die              sondern auch auf den von uns erstellten Jutebeu-
    Hospiz- und Palliativversorgung im Allgemeinen           teln. Für die öffentliche Wahrnehmung des Themas
    durch Social-Media und die Medienarbeit gesell-          auf jeden Fall ein guter Vermittler, denn nicht nur
    schaftlich in den Fokus zu rücken. Doch wie erreicht     Institutionen und Organisationen können durch die
    man die Betroffenen, ihre Angehörigen, relevante         besagten Initiativen unterstützend tätig werden,
    gesundheitspolitische Organisationen oder die            sondern auch jeder einzelne Mensch mit einer
    Kommunen, wenn man keine Workshops, Vorträge             einfachen Unterschrift. Damit die Charta-Umset-
    oder offizielle Charta-Unterzeichnungen anbieten         zungsprozesse politisch und gesellschaftlich
    kann? Eine Frage, die sich heute online beantworten      voranschreiten können, bedarf es einer allgemei-
    lässt. So war es möglich, dass sich das Begleitgre-      nen Bereitschaft der Bevölkerung, sich im Sinne
    mium der Charta, bestehend aus den 50 Organisa-          der Charta für die Verbesserung der Situation
    tionen und Institutionen, im Rahmen einer virtuellen     schwerstkranker und sterbender Menschen in
    Zukunftswerkstatt über die nachhaltige Umsetzung         Deutschland einzusetzen.
                                                                                                                    Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

                                                   Corinna Weiß
                                                   Koordinierungsstelle für Hospiz- und
                                                   Palliativversorgung in Deutschland
                                                   Aachener Str. 5
                                                   10713 Berlin
                                                   https://www.koordinierung-hospiz-palliativ.de
                                                   https://www.charta-zur-betreuung-sterbender.de
Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen - Oktober 2020 Ausgabe 85 AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE - ALPHA NRW
7

                                      DIE ORGANISATION DES STERBENS
                                      Zum Umgang mit Perspektivendifferenzen
                                      ARMIN NASSEHI, IRMHILD SAAKE, CHRISTOF BREITSAMETER, ANDREAS WALKER, NIKLAS
                                      BARTH, KATHARINA MAYR

                                      D
                                                  ie vielleicht wichtigste Transformation     Bilder, die nicht nur von Fall zu Fall unter-
                                                  des Sterbens seit Mitte des 20. Jahrhun-    schiedlich sind, sondern auch unter-
                                                  derts besteht darin, dass es immer stär-    schiedliche Perspektiven auf ein und
                                                  ker aus privaten Bezügen herausgelöst       denselben Fall aufweisen. Entscheidend
                                      wurde und sich seitdem mit wachsender Tendenz           sind hier freilich nicht durchaus vorhan-

                                                                                                                                                  © Hans-Günther Kaufmann
                                      unter professioneller Betreuung innerhalb organi-       dene persönliche Stile, entscheidend ist,
                                      satorisch geregelter Kontexte abspielt (vgl. Dasch      aus welcher systematischen Sprecher-
                                      et al., 2015). Das Ideal eines guten Sterbens bezieht   perspektive heraus der konkrete Fall in
                                      sich aber nach wie vor sehr stark auf ein Sterben       den Blick gerät.                                   Prof. Dr. Armin Nassehi
                                      außerhalb der Organisation, möglichst im Kreis der
                                      Familie, weswegen sich auch Hospize und in gerin-       – Angehörige etwa möchten Sterbende
                                      gerem Umfang Palliativstationen an diesem Ideal           oftmals mit Essen versorgen, um so
                                      orientieren. Wo immer die Organisationsförmigkeit         an gewohnte Routinen anknüpfen zu
                                      der Sterbebegleitung sichtbar wird, scheint dies          können und eine familiäre Normalität
                                      Kritik hervorzurufen und in eine Ernüchterung             zu simulieren, während das aus wis-
                                      darüber zu münden, dass auch Hospize und Pallia-          senschaftlich-medizinischer Sicht für
                                      tivstationen letztlich nur Organisationen sind. In        ein komplikationsfreies und in die-
                                      unserem von der DFG oder Deutschen Forschungs-            sem Sinne gutes Sterben geradezu
                                      gemeinschaft geförderten Forschungsprojekt fragen         hinderlich ist. Was für den einen eine
                                                                                                                                       Dr. Irmhild Saake
                                      wir deshalb nicht allgemein nach unserem Umgang           Lösung ist, ist für den anderen ein
                                      mit dem Sterben, sondern konkret danach, mit              Problem.
                                      welchen Mitteln Hospize und Palliativstationen als      – Die Ärztin ringt mit einer Patientin, die sich
                                      Organisationen Sterbende begleiten.                       gegen die Beendigung einer aussichtslosen
                                                                                                Therapie wehrt, während der Seelsorger dieses
                                      Typischerweise rücken dabei unterschiedliche              Ringen als Ausdruck einer authentisch Sterben-
                                      Akteurskonstellationen, die damit verbundenen             den sehen kann: „Sie war eben schon immer
                                      Perspektivendifferenzen und deren jeweilige nor-          eine Kämpferin!“ Wiederum: für die eine ein
                                      mative Muster in den Blick. Medizin, Seelsorge,           Problem, für den anderen eine Lösung.
                                      Pflege, Atem- und Kunst-/Musiktherapie, Sozialar-
                                      beit, hauswirtschaftliche Versorgung, Familie,
                                      Freunde, Ehrenamtliche und auch die Sterbenden          1 Wir haben zur Beantwortung dieser Frage im Rahmen eines
                                                                                                von der DFG geförderten Projekts „Vom ‚guten Sterben‘.
                                      selbst stehen unter dem Anspruch, eine „ganzheit-
Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

                                                                                                Akteurskonstellationen, normative Muster, Perspektivendif-
                                      liche“ und familienähnliche Harmonisierung des            ferenzen“ (Projektnummer 343373350, Leitung: Armin
                                      Geschehens rund um den Patienten/die Patien-              Nassehi, Christof Breitsameter, Irmhild Saake), leitfadenge-
                                      tin/den Gast zu ermöglichen. Aber wie lassen sich         stützte Experteninterviews mit allen beteiligten professio-
                                                                                                nellen und ehrenamtlichen Akteuren sowie mit Sterbenden
                                      all diese Perspektiven sinnvoll aufeinander bezie-        und Angehörigen geführt. Darüber hinaus wurden
                                      hen?1 Und was erscheint aus diesen unterschied-           Feldethnographien angefertigt, also Beobachtungsproto-
                                      lichen Perspektiven als ein „gutes“ Sterben?              kolle von Übergaben, Fallbesprechungen, Teamsitzungen
                                      In unseren Ergebnissen stoßen wir nicht auf ein           etc. Sieben über Deutschland verteilte Institutionen wurden
                                                                                                beforscht, davon 5 Hospize sowie 2 Palliativstationen.
                                      Bild des guten Sterbens, sondern auf verschiedene         Insgesamt konnten 149 Interviews geführt werden.
Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen - Oktober 2020 Ausgabe 85 AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE - ALPHA NRW
8
© G. Achtermann

                                             – Die von der Pflege überforderte Fa-        rungen bevorzugt zu berücksichtigen, auch auf die
                                               milie wird durch die Aufnahme ihrer        Gefahr hin, andere in den Hintergrund treten zu
                                               Mutter und Ehefrau im Hospiz entlas-       lassen, bietet das Gespür für das situativ richtige
                                               tet. Diese wiederum interpretiert das      Handeln ein ausreichendes Fundament, zumal
                                               aber als Ort ohne Wiederkehr. Für die      Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte oder Ehren-
                                               Angehörigen ist dies eine Lösung, für      amtliche ein Verständnis für die Standpunktabhän-
                                               die Pflegebedürftige ein Problem.          gigkeit ihres Entscheidens und Handelns erkennen
                                             – Entfernt wohnende Angehörige und           lassen (vgl. Breitsameter, 2020). Dabei scheint
                        Prof. Dr. Christof     Freunde, die sich mittlerweile in großer   gerade die Organisation des Sterbens, die Vielfalt
                           Breitsameter        Zahl in den gastfreundlichen Hospizen      der Akteure, ihrer Perspektiven und bewährter
                                               einfinden, verbinden den Besuch und        normativer Muster dafür zu sorgen, dass ein
                                               das Abschiednehmen mit einem klei-         Gespür für das situativ Richtige entsteht. Der
                                               nen Urlaubstag im Hotel, während           Einzelne wäre überfordert, all das im Blick zu
                                               Sterbende mit viel, manchmal auch          behalten, aber der qua Organisation hergestellten
                                               zu viel Besuch sich fragen, warum sie      Summe der Bemühungen Einzelner kann man
                                               so viel Besuch haben.                      zutrauen, den richtigen Beitrag zum Wohl der
                                             – Oftmals gerät das Ideal der Bewusst-       Patientin/des Patienten/des Gastes zu leisten.
                                               heit des Sterbens selbst in einen
                                               Zielkonflikt mit dem Ideal der Schmerz-    In der Figur der Sterbenden zeigt sich damit wie in
                                               freiheit. Wer kann sich seines Sterbens    einem Brennglas der Charakter moderner Gesell-
                      Dr. Andreas Walker
                                               bewusst werden, wenn er sediert ist?       schaft: Es sind stets die unterschiedlichen Erwar-
                                               Hier treten beide Ideale als Lösung und    tungen der Akteure, die Problemlösungshorizonte
                                               als Problem zugleich zu Tage.              ihrer Perspektiven und die mitgebrachten normativen
                                                                                          Muster, die eine konkrete Situation bestimmen.
                                             Aus einer ethischen Perspektive zeigt        Das vielleicht eindrücklichste Beispiel dieser Per-
                                                                                                                                                    Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

                                             sich, was kaum verwundert, dass situa-       spektivendifferenzen bezieht sich auf die Akzeptanz
                                             tive Forderungen gegeneinander ausbal-       des Sterbens. Als Organisationsmitarbeitern
                                             anciert werden müssen und manchmal           erscheint professionellen Sterbebegleiterinnen und
                                             nicht gleichzeitig berücksichtigt werden     -begleitern dies als erstrebenswertes Ziel. Unsere
                                             oder gar in Konflikt zueinander treten       Ergebnisse zeigen jedoch, dass solche Erwartungen
                         Katharina Mayr
                                             können. Geht es darum, konkurrierende        Patientinnen und Patienten oftmals überfordern.
                                             Forderungen einigermaßen in eine Ba-         Sich seines eigenen Todes bewusst zu werden – das
                                             lance zu bringen oder bestimmte Forde-       ist leichter gesagt als getan (vgl. Saake et al. 2019).
Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen - Oktober 2020 Ausgabe 85 AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE - ALPHA NRW
9

                                      Deshalb ist es bemerkenswert, dass mit den unter-         derten Perspektivendifferenzen prägen
                                      schiedlichen Akteursgruppen auch neue Freiheiten          den Alltag weitaus stärker, als es unter
                                      im Umgang mit dem Thema Sterben entstehen.                dem Etikett der Ganzheitlichkeit sichtbar
                                      Während sich eine medizinische Perspektive                werden kann. Die beteiligten Akteure
                                      bemüht, die Zustimmung zum Therapieende ein-              entwickeln jeweils sehr unterschiedliche
                                      zuholen, sind Pflegekräfte mit Waschen, Eincremen,        normative Erwartungen, die sich besser
                                      Kämmen und vielem mehr beschäftigt und reden              verstehen lassen, wenn man auch „ganz-
                                      dabei über die Tomaten im Garten, über Urlaubs-           heitliche“ Organisationen als Organisa- Dr. Niklas Barth
                                      ziele und Enkelkinder. Sie denken, sie müssten            tionen versteht. Als ganzer Mensch mit
                                      eigentlich auch – im Sinne der Ganzheitlichkeit –         unterschiedlichen Adressierungen und den damit
                                      über das Sterben reden, aber es entlastet nicht nur       verbundenen Freiräumen kann sich ein Sterbender
                                      sie, sondern auch Sterbende, wenn das Sterben             oder eine Sterbende gerade dort erfahren, wo es
                                      nicht zum Thema wird. Auch Seelsorgerinnen und            innerhalb der Organisation zu Differenzen und
                                      Seelsorger haben aufgrund ihrer eigenen Perspek-          Differenzierungen kommt.
                                      tive andere Freiheiten und Einschränkungen. Sie
                                      reden über ähnliche Themen wie die Pflegekräfte
                                      und verstehen diese als Hinweis auf die Trauer über       Literatur
                                      den bevorstehenden Tod. Vielleicht geht es Ster-          Breitsameter, C. (2020). Die Semantik des „guten Sterbens“
                                      benden in solch einem Moment tatsächlich um die               aus ethischer Perspektive. Ethik in der Medizin, 32, online
                                                                                                    first.
                                      Tomaten, die Urlaubsziele und die Enkelkinder,            Dasch, B., Blum, K., Gude, P., Bausewein, C. (2015). Place of
                                      vielleicht denken sie sich aber auch während des              Death: Trends over the Course of a Decade—a Population-
                                      Gesprächs ihren Teil.                                         Based Study of Death Certificates from the Years 2001 and
                                                                                                    2011. Deutsches Ärzteblatt, 112, S. 496–504.
                                                                                                Saake, I., Nassehi, A., Mayr, M. (2019). Gegenwarten von
                                      Die Fachliteratur zu Hospizen und Palliativstationen          Sterbenden. Eine Kritik des Paradigmas vom „bewussten“
                                      und auch unsere Interviews zeigen, dass das                   Sterben. Kölner Zeitschrift für Psychologie und Sozialpsy-
                                      Personal von Hospizen und Palliativstationen oft              chologie, 71, S. 27-52.
                                      nicht die Organisationsförmigkeit ihrer Arbeit in
                                      Rechnung stellt. Es grenzt sich kritisch von einer
                                      leistungsfähigen Akutmedizin ab, wendet sich                                                         DFG-Projekt
                                      ganzheitlichen Idealen zu und verliert dabei die                                             „Vom Guten Sterben“
                                      Leistungsfähigkeit der eigenen Organisation als                                                      Konradstr. 6
                                      Organisation aus dem Blick. Das Konzept der ganz-                                                80801 München
                                      heitlichen Sterbebegleitung prämiert die scheinbar
                                      gerade nicht organisationsförmigen Elemente der
                                      Organisation, die zeitliche Flexibilität, die Gastlich-
                                      keit gegenüber dem Umfeld der Sterbenden, die
                                      persönliche Ansprache, unterschlägt aber, dass
                                      auch dies alles organisiert werden muss und – so
                                      unsere Interviews – in vielen Einrichtungen offen-
                                      bar sehr professionell organisiert wird. Die mit den
                                      Perspektivendifferenzen verbundenen Probleme
Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

                                      und Lösungen werden zum Schluss auch dadurch
                                      immer wieder verdeckt, dass alle Unterschiede mit
                                      dem Tod der Sterbenden ja ein gleichsam natürli-
                                      ches harmonisches Ende zu finden scheinen.

                                      Die professionellen Routinen und die damit ver-
                                      bundenen Perspektivendifferenzen rücken dabei
                                      zu Unrecht in den Hintergrund. Die von uns geschil-
Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen - Oktober 2020 Ausgabe 85 AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE - ALPHA NRW
10

     UNTERWEGS IN DER TRAUER
     Die „TrauerWege“ auf dem Herrenberger Waldfriedhof – ein Bürgerprojekt
     ANNEROSE MÄRKLE

     D
                  en Weg, den Du vor Dir hast, kennt kei-    det, mit Vertreterinnen aus den verschiedenen
                  ner. Nie ist ihn einer so gegangen, wie    Kirchengemeinden, des Hospizdienstes und der
                  Du ihn gehen wirst. Es ist Dein Weg. Mit   Stadt Herrenberg. Bei der späteren Umsetzung
                  diesem Satz beginnen die Stationen auf     waren aber auch viele Handwerker, Bürger und
     den „TrauerWegen.“ Die TrauerWege auf dem Wald-         Schülergruppen beteiligt.
     friedhof bieten den Menschen einen Ort, an dem          Zunächst besuchte die Projektgruppe bereits
     sie ihrer Trauer, aber auch den „kleinen Abschieden     bestehende Trauerwege in der Umgebung und setzte
     im Leben“ Raum geben und ganz individuell               sich ausgiebig mit dem Thema Trauer auseinander.
     begegnen können. Das Begehen dieser Wege kann           Zeitnah wurde ein Areal auf dem Waldfriedhof
     dabei unterstützen, einen Weg zu finden mitten im       besichtigt, in dem viele Bäume, Gestrüpp, Unter-
     Leid.                                                   holz und sumpfartige Flächen vorherrschten.
                                                             Dieses Gelände war nicht als Grabfläche vorgese-
     Mit dem Tod konfrontiert zu sein, ist immer schmerz-    hen. Der Wald als Kraftquelle, als Ort der Ruhe und
     haft. Wohin mit der Trauer, wenn plötzlich die Welt     Geborgenheit, stellte sich als der ideale Platz für
     im Chaos zusammenbricht, wenn die Gefühle über-         die TrauerWege heraus.
     handnehmen und mitten im Alltag das gewohnte
     Umfeld plötzlich zu einer fremden Welt wird? Ganz       Die TrauerWege haben ihren besonderen Reiz, nicht
     gleich welcher Religion, Konfession oder Glaubens-      nur in der Natur, sondern auch mit der Natur. Jede
     richtung die Menschen angehören, dort inmitten          Jahreszeit hat ihren ganz besonderen Charme.
     der ursprünglichen Natur können sie zur Ruhe und
     Besinnung kommen. An neun Stationen finden sie          Trauernde berichten, dass sie den Weg nicht nur ein-
     ganz unterschiedliche Anregungen, über das Leben        mal begehen, sondern immer wieder an diesen Ort
     und den Tod, über Gott und die Welt, über sich, die     zu unterschiedlichen Jahreszeiten und Anlässen
     eigene Vergänglichkeit, aber auch über Hoffnung         kommen. Hier haben sie das Gefühl, nicht alleine
     und Lebensmut nachzudenken.                             in ihrer Situation zu sein. Es ist möglich, den ganz
                                                                                        individuellen Weg in der
     Bereits im Frühjahr                                                                Trauer, im selbstgewähl-
     2012 kam die Idee auf,                                                             ten Tempo und mit der
     diese Wege anzulegen.                                                              eigenen Intensität zu
     Ein Vorstandsmitglied                                                              gehen.
     des Ökumenischen
     Hospizdienstes in der                                                             Die TrauerWege sind im
     Region Herrenberg                                                                 Kreis angelegt und haben
                                                                                                                    Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

     warb dafür, weil es eine                                                          keinen Anfang und kein
     andere Form sei, um                                                               Ende. An den beiden
     Trauernde anzuspre-                                                               gegenüberliegenden Ein-
     chen.                                                                             gängen liegt jeweils ein
                                                                                       entwurzelter Baum. Dann
     Recht bald hat sich                                                               folgen die neun Statio-
     dann die „Projektgrup-                                                            nen mit Texten und Lied-
     pe TrauerWege“ gebil-                                                             versen. Es werden aber
                                                                          Trauerwege
11

                                        auch Fragen gestellt und Gefühle benannt, die zum      den Wurzeln die Farben des Regenbogens, des
                                        Nachdenken einladen. Die Natur begleitet die auf-      Lebens hervor. Bunt wie ein Kaleidoskop für alle
                                        kommenden Gedanken und Gefühle.                        Gefühle.

                                        Im Folgenden werden einzelne Stationen beschrie-       Station: Unwegsames Gelände
                                        ben, um einen ersten Eindruck davon zu gewinnen,       Schüler haben Rinden, Tannenzapfen, Wurzeln,
                                        mit welcher Symbolik die Gefühle und das Erleben       Steine und Moos gesammelt und in einem Terrain
                                        von trauernden Menschen dargestellt werden.            platziert.
                                                                                               Die Füße der Trauernden stehen oft auf unsicherem
                                                                                               Boden – sie geraten schnell mal aus dem Gleichge-
                                                                                               wicht. Beim Betreten dieser Station gilt es, behutsam
                                                                                               einen Fuß vor den anderen zu setzen. Alte und ver-
                                                                                               traute Wege fühlen sich fremd an und können zur
                                                                                               Herausforderung werden. Solche Erfahrungen kön-
                                                                                               nen die Trauernden mitunter auch in ihrer Seele
                                                                                               spüren.

                                                                                               Hier findet man folgende Fragen: „Wie kann ich ein
                                                                                               kleines bisschen mehr Stabilität bekommen und
                                                                                               meinen Schritten wieder trauen?“ „Wodurch finde
                                                                                               ich für einen kleinen Moment mein Gleichgewicht
                                                                                               wieder?“

                                                                                               Station: Raum für mICH
                                                                                               Manchmal brauchen Trauernde Abstand. Sie möch-
                                                                                               ten sich zurückziehen, und sich in den hintersten
                                                                                               Winkel eines Schneckenhauses verkriechen. Diese
                                                                                               Möglichkeit bietet der sehr zentral gelegene „Raum
                                                                                               für mICH.“ Zwar umschließen hohe Palisaden den
                                                                                               Raum, der in Schneckenform angelegt ist. Gleich-
                                                                                               zeitig gewähren die Palisaden schmale Lichtblicke
                                                                                               nach außen. Das Wort Ich ist mit Großbuchstaben
                                                                                               geschrieben. ICH brauche Orte der Trauer, in denen
                                                                                               ICH versuchen kann, mich zu spüren.
                                      Station: Entwurzelter Baum

                                        Eingangsstation: Entwurzelter Baum
                                        „Ich fühle mich entwurzelt. Nichts ist mehr, wie es
                                        war. Ich habe den Boden unter den Füßen verloren.
                                        Mein Leben ist auf den Kopf gestellt. Ich fühle mich
Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

                                        verletzlich.“

                                        Dieser Text beschreibt eine typische Empfindung,
                                        die Trauernde häufig schildern. Auf Tafeln werden
                                        für den Trauerprozess relevante Fragen gestellt:
                                        „Wer oder was gibt mir Halt?“ „Wie kann ich mich
                                        wieder verwurzeln und was brauche ich dazu?“
                                        Dabei schimmern zwischen den in die Höhe ragen-        Station: Raum für mICH
12

     Die Fragen an dieser Station lauten: „Was von mei-   Der Wunsch der Menschen, die diesen Weg gestaltet
     nen Gefühlen möchte ich nach außen tragen und        haben, ist, dass Trauernde hier einen Ort erleben,
     mit anderen teilen?“ „Was möchte ich hier lassen     an dem sie sich verstanden und vielleicht sogar
     an Gedanken und auf den Tafeln aufschreiben?“        geborgen fühlen können. Dass sie kleine Momente
     „Welche Last möchte ich am liebsten gemeinsam        des Trostes erfahren und ein wenig Entlastung spü-
     mit einem Stein hier ablegen?“                       ren, weil sie entdecken, dass sie mit den so fremden
                                                          Empfindungen nicht allein sind.

                                                                                  Die TrauerWege sind für die
                                                                                  Besucher kostenlos und zu den
                                                                                  Öffnungszeiten des Waldfried-
                                                                                  hofs in Herrenberg zu jeder
                                                                                  Jahreszeit begehbar. Von März
                                                                                  bis Oktober finden einmal
                                                                                  monatlich samstags öffentliche
                                                                                  Führungen statt. Die Termine
                                                                                  können der Homepage des
                                                                                  Hospizdienstes entnommen
                                                                                  werden.

                                                                                  Seit der Einweihung im Sommer
                                                                                  2015 haben zudem viele Verei-
                                                                                  ne, Schulklassen, Hospizdiens-
                                                                                  te, Konfirmandengruppen und
                                                                                  sonstige Gruppen das Angebot
                                                                                  einer individuellen Führung auf
                                                                                  Anfrage in Anspruch genommen.

                                                             Station: Labyrinth
                                                                             Die Gesamtkosten des Projekts
                                                                             wurden zur Hälfte aus dem Bür-
     Station: Labyrinth                                   gertopf der Stadt Herrenberg als Bürgerprojekt
     „Mein Lebensweg geht weiter, ich will ihn gehen,     finanziert, die andere Hälfte kam durch Spenden
     und doch erscheint der Weg oft unendlich lang.       zusammen. Hinzu kamen rund 1000 Stunden
     Manchmal komme ich gut voran. Ich ahne das Ziel.     ehrenamtliche Eigenleistung.
     Es gibt kein Geradeaus nur ein Weiter.“
                                                          Wer Interesse an einer Führung oder Fragen zu dem
     Diese Fragen regen zum Nachdenken an: „Wohin         Projekt hat, kann sich an die Autorin wenden.
     führt mich mein Weg?“ „Was ist meine Mitte?“

     Manche Trauernde beschreiben ihr Leben als ein
     Gehen im Labyrinth. Es ist ein mühevolles Gehen,                                Annerose Märkle
                                                                                                                    Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

     mit weiten Wegen, aber es ist – im Gegensatz zu                                 Ökumenischer Hospizdienst
     einem Irrgarten – ein Weg ohne Sackgassen. Wenn                                 Mozartstr. 12
                                                                                     71083 Herrenberg
     er im eigenen Tempo gegangen wird, wenn die
                                                                                     Tel.: 0 70 32 - 2 06 11 55
     Umwege angenommen werden, dann wird man                                         hospiz@evdiak.de
     ankommen: in der Mitte, bei sich, bei Gott, im                                  www.hospiz-herrenberg.de
     Leben. Das Labyrinth ist nicht nur ein Symbol für
     Trauerwege, sondern auch für Lebenswege.
13

                                      WENN EINE VON UNS GEHT!

                                      I
                                              ch finde, wir arbeiten sehr professionell in   Wenn dann eine Kollegin lebensbedrohlich krank
                                              der Begleitung der Menschen, die uns um        wird, wenn das Leiden groß ist, wenn sie eines Ta-
                                              Unterstützung bitten,“ so die Koordinatorin    ges nicht mehr da ist, ist es anders.
                                              eines großen Hospizdienstes, „und wir be-
                                      schäftigen uns auch häufig mit dem Thema Distanz       Das ist der Grund, warum wir in dieser Ausgabe mit
                                      und Nähe, damit uns dies weiterhin gut gelingt.        der Rubrik „Wenn eine von uns geht!“ beginnen
                                      Aber …“ so sagt sie weiter, „wenn es eine von uns      möchten – mit Gedanken über die Verstorbenen
                                      trifft, dann sind wir mitunter wie gelähmt.“           oder auch mit Reflexionen dazu, wie die Kollegin-
                                                                                             nen/der Dienst mit dieser besonderen Situation
                                      Natürlich ist es anders, „wenn es eine von uns         umgegangen sind – und so ist sie auch damit
                                      trifft“. Im Hospizdienst, im Hospiz, auf der Pallia-   verbunden, den Menschen und das, was ihn aus-
                                      tivstation oder im palliativmedizinischen Dienst ar-   machte, zu würdigen.
                                      beiten wir mit Menschen zusammen, denen wir in
                                      kurzer Zeit sehr nah gekommen sind, weil wir uns       Dabei geht es nicht nur um die prominenten Perso-
                                      ihnen in existentiellen Fragen nahezu uneinge-         nen (prominere = hervorragen), wie wir sie mit
                                      schränkt geöffnet und große Nähe zugelassen ha-        Petra Afonin in dieser Ausgabe finden.
                                      ben, weil wir ihnen in vielen Überzeugungen ähn-       Es geht um die Menschen, die wichtig waren, die
                                      lich sind und weil sie uns über die Jahre ans Herz     Menschen mit und ohne Bühne, mit und ohne
                                      gewachsen sind.                                        Verdienstkreuz, mit lauter und mit leiser Stimme,
                                                                                             deren Tod uns bestürzt und die fehlen werden.

                                      Petra Afonin
                                      VON GERDA GRAF

                                      … wenn einer geht, dann spüren wir „Nachwehen“.        ßer Zärtlichkeit dem Leben und Sterben gegenüber
                                      Sei es ob der Verlorenheit, die wir erfahren und den   schuf Petra Afonin in diesen Stücken einen Rahmen
                                      nicht mehr erlebbaren Begegnungen. So wird auch        für die Endlichkeit menschlichen Daseins. Ihre
                                      sie uns fehlen, Petra Afonin, Schauspielerin und       schauspielerische Größe spiegelte sich wider in der
                                      Ehrenpreisträgerin der BAG Hospiz (DHPV), die am       Faszination des Publikums. Schwere Themen mit
                                      09.06.2020 im Alter von 65 Jahren verstorben ist.      künstlerischem Ausdruck zu versehen, gelang Petra
                                                                                             Afonin stets durch ihre sprachliche Gewandtheit.
Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

                                      Petra Afonin war Schauspielerin, Autorin, Regis-       Mit pointierter Formulierung erreichte sie prägnant
                                      seurin und Mitbegründerin des Prinz Regent Thea-       und präzise den wunden Punkt.
                                      ters Bochum. Für die Hospizlandschaft in NRW war
                                      Petra Afonin eine besondere Wegbegleiterin. In         Der letzten Lebensphase ein Ansehen geben, das
                                      weiteren Bundesländern hinterließ sie in unzähli-      berührend zum Nachdenken anregt und nachwirkt,
                                      gen Hospizdiensten mit den von ihr verfassten The-     das war ihr Anliegen, mit dem sie zur Botschafterin
                                      aterstücken „Bevor ich gehe, bleibe ich“ und „Es       der Hospizidee wurde. Eine Botschaft, die auch po-
                                      ist nie genug“ einen bleibenden Eindruck. Mit gro-     litisch Wirkung zeigte. So bezeichnete die Schirm-
14

                                 © afonin.de

                                Petra Afonin

     herrin des DHPV, Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin,       mehr denn je überzeugt – eine einzigartige Mög-
     die Schauspielerin und Kabarettistin Petra Afonin      lichkeit, dass Menschen einander tief berühren“,
     als ein „Ausnahmetalent“ des künstlerischen            so Petra Afonin*.
     Ausdrucks in der Darbietung existenzieller Krisen-
     situationen. Wer Petra Afonin erleben durfte, kam      Die Krebsdiagnose traf Petra Afonin in der Fülle ih-
     wieder, um sie erneut zu begreifen. Ob in der          rer Schaffenskraft. Sie hat ihre eigene Todesanzei-
     stationären oder ambulanten Hospizarbeit – allge-      ge mitgestaltet und verlässt uns hier mit dem Satz
     genwärtig war ihr Tun. So unterstützte Petra Afonin    „What a wonderful world“.
     nicht nur die Öffentlichkeitsarbeit in der gesamten
     Hospizbewegung, es gelang ihr ebenso, das Thema        Wir werden ihr leidenschaftliches Engagement ver-
     sensibel in die Gesellschaft zu tragen. Für dieses     missen.
     unermüdliche Engagement wurde Petra Afonin auf
     Initiative unterschiedlicher Hospizdienste und u. a.
                                                                                                                                Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

     des stationären Bochumer Hospizes mit dem                                                  Gerda Graf
     Ehrenpreis der BAG Hospiz (DHPV) im Jahr 2005                                  Ehrenvorsitzende DHPV
     ausgezeichnet.                                          2.Vorsitzende Hospizbewegung Düren-Jülich e.V.

     Ich erinnere mich an die vielen Begegnungen mit
     ihr, die immer das Kennzeichen von Lebenslust und      * In: Bödiker, M.-L., Graf, G. et al. (2011). Hospiz ist Haltung,
     leidenschaftlicher Inszenierung trugen: „Theater         Kurshandbuch Ehrenamt, Ludwigsburg, hospizverlag, S.
     ist und bleibt – davon bin ich nach 30 Berufsjahren      205.
AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE                       15

                                      AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE –
                                      DIE SICHT DES NEUROLOGEN
                                      TORSTEN GREHL

                                      D
                                                  ie Amyotrophe Lateralsklerose ist eine     einer wichtigen Therapieentscheidung, initial zur
                                                 seltene Nervenerkrankung. Sie gehört        Verbesserung der Lebensqualität, da die Patientinnen
                                                 zu den neurodegenerativen Erkrankun-        und Patienten unter der Therapie nicht nur besser
                                                 gen, verläuft daher chronisch progre-       schlafen, sondern auch am Tage besser belastbar
                                      dient ohne bisher bekannte Ursache und betrifft        sind und keine Symptome einer Hyperkapnie wie
                                      nahezu ausschließlich die sogenannten Motoneu-         Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen und
                                      rone, also Nerven, die benötigt werden, um             Tagesmüdigkeit aufweisen. Erst später kann diese
                                      Muskeln aktiv zu steuern. Das bedeutet, dass           Therapie dann zu einer lebensverlängernden Maß-
                                      Patienten eine zunehmende Schwäche oder                nahme werden. Ähnlich sieht es bei der Tracheo-
                                      „Bewegungsstörung“ der betroffenen Muskeln ent-        stomie und einer intermittierenden, invasiven
                                      wickeln. Dabei können sowohl der Beginn der            Beatmung aus. Auch hierbei kann die Therapie
                                      Erkrankung als auch der Verlauf durchaus unter-        initial ausschließlich der Verbesserung der Lebens-
                                      schiedlich sein. So unterschiedlich, dass heute        qualität dienen, wenn eine Maskenbeatmung auf
                                      mindestens zehn Varianten, also Phenotypen             Grund z. B. eines profusen Speichelflusses oder
                                      unterschieden werden, die alle auch eine unter-        bei anderen Komplikationen nicht möglich ist. Der
                                      schiedliche Prognose haben. Allen gemeinsam ist        lebenserhaltende Aspekt ist hierbei aber natürlich
                                      jedoch, dass der zugrundeliegende Krankheitspro-       deutlicher und oft auch früher erreicht. Wann eine
                                      zess nicht ursächlich behandelt und der Verlauf der    intermittierende Beatmung begonnen werden
                                      Erkrankung daher nicht maßgeblich verändert            muss, ist sehr unterschiedlich und hängt stark vom
                                      werden kann. Die Krankheitsspanne variiert von         Phenotyp ab. In der Regel sind die Patienten zu
                                      wenigen Monaten bis zu vielen Jahren, selten sind      diesem Zeitpunkt bereits auch in anderen Körperre-
                                      sogar Krankheitsverläufe von über 10 Jahren mög-       gionen maßgeblich eingeschränkt und entsprechend
                                      lich. Im Durchschnitt versterben Patienten jedoch      hilfebedürftig.
                                      nach etwa 3-5 Jahren, die ALS ist daher eine der
                                      bösartigsten Erkrankungen auf neurologischem           Insgesamt ist die ALS eine Erkrankung, die das
                                      Fachgebiet und der Prototyp einer Erkrankung, die      Leben der Patientinnen und Patienten, aber auch
                                      palliativmedizinisch behandelt werden muss,            der Angehörigen, nicht nur durch die infauste Pro-
                                      eigentlich ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung.      gnose, massiv verändert und belastet. Gerade aber
                                      Die Patienten versterben in der Regel an der Schwä-    das Gefühl der Patienten zu einer Belastung für die
                                      che der Atemmuskulatur, was aber nicht bedeutet,       Angehörigen zu werden, führt zu einer der stärks-
                                      dass sie ersticken. Vielmehr kommt es im „norma-       ten Einschränkungen der Lebensqualität, weitaus
                                      len“ Krankheitsverlauf nicht zu einem relevanten       ausgeprägter als die reine körperliche Behinde-
Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

                                      Problem der Sauerstoffaufnahme, sondern viel-          rung. Es ist daher entscheidend, bereits früh und
                                      mehr zu einem Problem, Kohlendioxid abzuatmen          auch kontinuierlich feste Bezugspersonen der
                                      und zwar in erster Linie in der Nacht und im Liegen.   Betroffenen mit in die Betreuung in der ALS Ambu-
                                      Die Patientinnen und Patienten versterben dann         lanz einzubinden.
                                      ohne Luftnot, Angst oder Schmerzen in einer CO2-
                                      Narkose. Für Patienten ist diese Information sehr      Die Betreuung im spezialisierten Setting erscheint
                                      wichtig, da es Ihnen die Angst nehmen kann, zu er-     schon daher sinnvoll, da ansonsten geschätzte
                                      sticken. Entsprechend gehört die Einleitung einer      8.000 ALS Patienten in Deutschland von etwa 7.500
                                      nicht-invasiven Maskenbeatmung in der Nacht zu         Neurologen beziehungsweise 1.500 niedergelasse-
16   AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE

     © G. Achtermann

     nen Neurologen behandelt werden. In wenigen            Aber auch der Zeitpunkt der Beatmung beziehungs-
     mittlerweile etablierten ALS Zentren in Deutschland    weise zur Versorgung mit einer Magensonde (PEG)
     werden hingegen im Jahr jeweils mehrere Hundert        kann in dem spezialisierten Setting einer ALS Am-
     ALS Patienten behandelt. Darüber hinaus sind           bulanz frühzeitig festgelegt und wenn gewünscht
     diese Ambulanzen untereinander, aber auch mit          auch praktisch durchgeführt werden. Die Anlage
     kleineren, aber interessierten Einrichtungen           einer PEG gehört dabei zu einer der wichtigsten
     vernetzt (MND-Netzwerk in Deutschland, MND =           Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität,
     motoneuron disease) und auch wissenschaftlich          was durch die Trennung der Ernährung vom soge-
     tätig. Durch die regelmäßige Betreuung in einer        nannten „Genussessen“ ab dem Zeitpunkt einer
     spezialisierten Ambulanz ist es möglich, sowohl auf    subjektiv empfundenen Einschränkung eben dieser
     die wechselnden Anforderungen der medikamen-           durch eine Schluckstörung erreicht werden kann.
     tösen, zumeist symptomatischen Therapie zu             Die Anlage sollte daher so früh wie nötig und nicht
     reagieren, aber auch die Heilmittelversorgung          so spät wie möglich erfolgen. Der lebenszeitverlän-
     anzupassen und insbesondere die Hilfsmittelver-        gernde Aspekt der PEG ist dann lediglich Folge
     sorgung zu koordinieren und zu optimieren.             weniger auftretender Komplikationen sowie der
                                                            Möglichkeit, einem weiteren Gewichtsverlust ent-
     Diesbezüglich hat sich seit über 10 Jahren ein Ver-    gegenzutreten, was die Dynamik der Erkrankung
     sorgungsnetzwerk „AmbulanzPartner“ etabliert,          positiv beeinflussen kann.
     über das Datenbank-basiert Versorgungsbedarfe
                                                                                                                  Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

     digital erfasst, dokumentiert und koordiniert wer-     Die palliativmedizinische Versorgung kann somit
     den können, was die Hilfsmittelversorgung der Pa-      über einen langen Zeitraum, auch in den letzten
     tienten in sämtlichen Krankheitsstadien erleichtert,   Lebensphasen, über die ALS Ambulanz erfolgen,
     den Ambulanzen Zeit spart und eine wertvolle Ver-      lediglich in der finalen Sterbebegleitung, die von
     sorgungsforschung möglich macht, deren Ergeb-          den Patienten sehr häufig in der gewohnten
     nisse wiederum direkt Einfluss auf die Qualität der    Umgebung gewünscht wird, ist eine Betreuung dann
     Behandlung der Patientinnen und Patienten neh-         so nicht mehr möglich. Hier wäre dann eine enge
     men kann.                                              Zusammenarbeit z. B. mit einem SAPV zu wünschen.
AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE                        17

                                      Natürlich gehören auch die frühzeitige Thematisie-     werden und als letztes auch die Fähigkeit der Augen-
                                      rung einer Vorsorgevollmacht sowie einer Patien-       bewegung und damit der Kommunikation verlieren.
                                      tenverfügung zu den Aufgaben einer spezialisierten     Für diesen Fall muss der Patient/die Patientin
                                      ALS Ambulanz. In unserer Ambulanz bieten wir ein       entscheiden, ob die lebenserhaltende Therapie,
                                      spezielles Dokument an, das sich an eine Patien-       also in der Regel die Beatmung, fortgesetzt oder
                                      tenverfügung der ALS Ambulanz der Charité in           aber eingestellt werden soll.
                                      Berlin anlehnt, aber in einigen Punkten verändert
                                      wurde. Der entscheidende Punkt ist dabei gar nicht,    Zusammengefasst versteht sich unsere ALS Ambu-
                                      welche Versorgungen von den Betroffenen                lanz daher als zentrale Anlaufstelle für Patientinnen
                                      gewünscht oder abgelehnt werden, da eine ALS-          und Patienten und deren Angehörige, um sämtliche
                                      Patientin/ein ALS-Patient im „normalen“ Krank-         Aspekte der Erkrankung betreuen zu können
                                      heitsverlauf, also ohne lebenserhaltende Beat-         (Gespräche führen, wiederholte Aufklärung, medika-
                                      mung, in der Regel kommunizieren kann, da die          mentöse Therapie, einschließlich Studienbetreuung,
                                      Augenbewegung bis zu diesem Zeitpunkt immer            Heilmittel- und Hilfsmittelversorgung, Einleitung der
                                      erhalten bleibt und somit in der Regel eine selbst-    Beatmung, der mechanischen Hustenassistenz,
                                      ständige Entscheidung über Maßnahmen wie NIV           der PEG, was in enger Kooperation mit der hiesigen
                                      (Nicht-Invasive Beatmung) oder PEG möglich bleibt.     internistischen Klinik erfolgt). Eine spezialisierte
                                      Eine Kommunikationsunfähigkeit tritt erst zu einem     Versorgung hat dabei auch direkt Einfluss auf die
                                      Zeitpunkt ein, an dem die Patienten bereits über       Lebensqualität der Patienten und Patientinnen.
                                      einen längeren Zeitraum lebenserhaltend beatmet

                                                                               Dr. Torsten Grehl
                                                                               Leiter der Ambulanz für ALS und
                                                                               andere Motoneuronerkrankungen
                                                                               Oberarzt der Neurologischen Klinik
                                                                               Alfried Krupp Krankenhaus
                                                                               Alfried-Krupp-Str. 21
                                                                               45131 Essen
                                                                               Tel.: 02 01 - 4 34-4 14 26
                                                                               torsten.grehl@krupp-krankenhaus.de
                                                                               http://als-krupp-krankenhaus.de

                                      FRÜHZEITIGE PALLIATIVVERSORGUNG
                                      FÜR ALS-ERKRANKTE
Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

                                      FELIX GRÜTZNER

                                      M
                                                    it der Diagnose einer Amyotrophen       Belastungen mit sich, die alle Lebensbereiche ein-
                                                    Lateralsklerose (ALS) gerät das Le-     schließen. Zu dringlichen körperlichen, psychi-
                                                    ben der Betroffenen und ihrer Zuge-     schen und spirituellen Bedürfnissen kommen wirt-
                                                    hörigen aus den Fugen. Heilung ist      schaftliche, aber auch solche der Kommunikation
                                      nicht möglich und die meist rasch fortschreitende     und Mobilität, wenn z. B. die Sprachfähigkeit ab-
                                      Erkrankung bringt extreme Einschränkungen und         nimmt und eigenständige Bewegungen mehr und
18   AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE

     mehr unmöglich werden. Die Besonderheiten des                  zu. Deshalb bleibt für den Aufbau eines individuel-
     Krankheitsbildes ALS stellen deshalb hohe Anfor-               len Versorgungsnetzes wenig Zeit. Da in kurzer Zeit
     derungen an die Versorgung und Unterstützung.                  eine Vielzahl belastender Symptome auftreten
     „ALS-Patientinnen und -Patienten haben spezifi-                können, hat es sich bewährt, schon früh im Krank-
     sche Bedarfe und Bedürfnisse, die sich zum Teil er-            heitsverlauf die spezialisierte ambulante Palliativ-
     heblich von denen anderer Patientinnen unter-                  versorgung (SAPV) in das Versorgungskonzept
     scheiden. Zudem variieren diese innerhalb der                  einzupassen. Die dort vorhandenen Kenntnisse und
     Krankheitsverläufe der Patienten stark, sodass die             Erfahrungen sind nicht nur bei Luftnot, Angst vor
     Standardisierung der Behandlung und Begleitung                 dem Ersticken, Schluckstörungen oder übermäßi-
     nur eingeschränkt möglich ist“, erklärt Prof. Dr.              gem Speichelfluss hilfreich, sondern auch zur
     Lukas Radbruch, Lehrstuhlinhaber für Palliativme-              Koordination und Organisation der Versorgung.
     dizin an der Universität Bonn, der zwischen 2016               Eine solche intensive Betreuung ist indes nicht
     und 2018 ein Modellprojekt zur Versorgung dieser               ständig notwendig. In Phasen geringerer Belastung
     Patientinnen- und Patientengruppe geleitet und                 können Patientinnen und Patienten durch ihre Haus-
     durchgeführt hat.1                                             ärztinnen und -ärzte im Zusammenspiel mit dem
                                                                    Pflegedienst und anderen Mitversorgern gut
                                                                    betreut werden. Patientinnen und Patienten, Zuge-
                                                                    hörige, Haus- und Fachärztinnen und -ärzte wie
                                                                    auch Pflegende tun sich zu Beginn allerdings häufig
                                                                    schwer, Angebote der Palliativversorgung in Be-
                                                                    tracht zu ziehen, da diese eher als Option für die
                                                                    letzte Lebensphase verstanden werden. Dabei kön-
                                                                    nen sie hilfreiche Unterstützung im gesamten Ver-
                                                                    lauf einer unheilbaren Erkrankung sein. „Wenn die
                                                                    Menschen frühzeitig und behutsam Informationen
                                                                    über unsere Angebote erhalten, fällt es ihnen sehr
                                                                    viel leichter, diese auch anzunehmen“, so Andrea
                                                                    Gasper, die als Palliative-Care-Fachkraft im Bonner
                                                                    SAPV-Team immer wieder auch ALS-Patientinnen
                                                                    und -Patienten begleitet und darüber hinaus in der
                                                                    ALS-Ambulanz der Klinik für Neurodegenerative
                                                                    Erkrankungen & Gerontopsychiatrie am Universitäts-
                                                                    klinikum Bonn tätig ist. „Schon zu Beginn der
                                                                    Erkrankung haben die Patientinnen und Patienten
                                                                    und ihre Zugehörigen viele Fragen und einen hohen
                                                                    Informationsbedarf. Da geht es häufig um Behand-
                                                                    lungsmöglichkeiten, aber auch um so wichtige
                                                                    Dinge wie den Anspruch auf Pflegeleistungen der
                                                                    Krankenkassen oder die Versorgung mit Hilfsmit-
                                                                    teln.“ Wichtig werden auch ethische Fragestellun-
     Der Hilfe- und Pflegebedarf ist oftmals schon bei              gen, wenn beispielsweise der Zeitpunkt erreicht
                                                                                                                           Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

     der Diagnosestellung hoch und nimmt im Verlauf                 wird, an dem eine selbstständige Atmung nicht
     der Krankheit stetig und mit hoher Geschwindigkeit             mehr möglich ist. Als hauptsächliche Bedürfnisbe-
                                                                    reiche können Atmung, Ernährung, Kommunikation
     1 Radbruch, L., Gasper, A., Kern, M.: Modellprojekt zur        und Mobilität genannt werden.
       Entwicklung eines Konzeptes zur Palliativversorgung von
       Patient*innen mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) (2016-
       2018), durchgeführt im Auftrag von ALPHA NRW, gefördert      Das Modellprojekt zur „Entwicklung eines Konzep-
       durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales    tes zur Palliativversorgung von Patientinnen und
       des Landes NRW.                                              Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS)“
AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE                         19

                                      zielte darauf ab, die besonderen Bedarfe und           Tätigkeit sieht das Autorenteam der Empfehlungen
                                      Herausforderungen der Betroffenen, Zugehörigen         in fundierten Kenntnissen in Palliative Care und
                                      sowie die Anforderungen an Behandelnde und             Case Management sowie in einschlägigem Wissen
                                      Begleitende aufzuzeigen und ein passgenaues            und relevanten Erfahrungen zum Krankheitsbild
                                      Behandlungs- und Versorgungskonzept zu entwickeln.     ALS. Angesiedelt sein könnten die Lotsinnen und
                                      Das Projektteam hat Empfehlungen formuliert, die       Lotsen entweder in den spezialisierten Zentren
                                      dazu dienen sollen, die Zugangsmöglichkeiten und       oder in solchen Teams der SAPV, die einen Schwer-
                                      Versorgungsangebote zu verbessern. Versorgungs-        punkt in der Versorgung von ALS-Patientinnen/
                                      lücken und -engpässe können aus dem komplexen          -Patienten haben.
                                      und dynamischen Verlauf der Erkrankung heraus
                                      entstehen. So treten mitunter Krisen auf, die nur      Weitere Empfehlungen beziehen sich auf die Schaf-
                                      mit hohem Aufwand und einer Vielzahl beteiligter       fung einer regionalen ambulanten Ethikberatung.
                                      Berufe und Fachrichtungen überwunden werden            Sie kann in mit der ALS verbundenen Fragestellungen
                                      können. Zur aktuellen Situation heißt es im Pro-       Orientierung bieten und bei Entscheidungsfindun-
                                      jektbericht: „Bei der derzeitigen Versorgungslage      gen hilfreich sein. Zur Entlastung der Hausärztin-
                                      ist davon auszugehen, dass Patientinnen und            nen/-ärzte, Neurologinnen und Neurologen und
                                      Patienten mit ALS häufiger stationär im Kranken-       Palliativmedizinerinnen/-medizinern sowie aller
                                      haus behandelt werden, weil die hausärztliche Ver-     weiteren an der Behandlung und Begleitung betei-
                                      sorgung nicht ausreicht und Fachärztinnen/-ärzte       ligten Personen wird die Entwicklung eines speziellen
                                      wie auch Krankenhausambulanzen keine Hausbe-           prozessorientierten ALS-Behandlungspfades emp-
                                      suche gewährleisten. Obwohl die überwiegende           fohlen. Die Qualität der Versorgung könne, so führen
                                      Mehrzahl der Betroffenen möglichst lange im eige-      die Autorinnen und Autoren des Modellprojekts
                                      nen Zuhause bleiben möchte, wird dennoch oft ein       aus, durch die Einführung und Moderation regionaler
                                      Wechsel in eine Pflegeeinrichtung oder eine            und landesweiter, regelmäßiger Qualitätszirkel
                                      Pflege-Wohngemeinschaft vorgeschlagen, weil die        zur ALS gesteigert werden. Die oben genannten
                                      Versorgung zuhause nicht dauerhaft gewährleistet       Lotsinnen und Lotsen könnten diese ihrerseits initi-
                                      werden kann.“                                          ieren und verstetigen. Schließlich bedarf es
                                                                                             geeigneter multiprofessioneller Bildungsangebote,
                                      Abhilfe schaffen könnte demnach die Etablierung        um eine Überlastung und Überforderung der
                                      sogenannter Lotsinnen und Lotsen. Diese könnten        begleitenden Teams zu reduzieren.
                                      im Sinne einer frühzeitigen Integration ab dem Zeit-
                                      punkt der Diagnosestellung die Koordination und        Das wichtige Ziel, die Zugangswege zu den vorhande-
                                      die Vernetzung der Behandelnden übernehmen.            nen Angeboten zu verbessern, kann – so die Empfeh-
                                      Durch ihre frühe Einbeziehung kann Vertrauen auf-      lungen weiter – in erster Linie über die Bereitstellung
                                      gebaut und Unsicherheit abgebaut werden. Die           von geeigneten Informationen erreicht werden:
                                      kontinuierliche Betreuung durch eine Person kann       „Große Bedeutung kommt der Entwicklung von
                                      auch dazu beitragen, Redundanzen in der Behand-        Informationsmaterial über die Erkrankung ALS zu.
                                      lung zu vermeiden, den Informationsfluss sicher-       Analog zum Krebs-Kompass sollte ein ALS-Kompass
                                      zustellen und Entscheidungsprozesse zu begleiten.      erstellt werden als Informationsbroschüre mit den
                                      Lukas Radbruch: „Dies ermöglicht es, die Häufig-       Kontaktinformationen der neurologischen, pulmo-
Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

                                      keit von Krisensituationen zu reduzieren, bei          nologischen, palliativmedizinischen und hospiz-
                                      Änderungen der Prioritäten und Zielsetzungen der       lichen Einrichtungen, die zur Versorgung beitragen
                                      Patientinnen und Patienten insbesondere während        können, sowie Adressen zur Physiotherapie, Psycho-
                                      und nach Krisen. Beim Fortschreiten der Krankheit      therapie, Logopädie und von Pflegediensten, Sani-
                                      kann so rascher mit einer Anpassung der Therapie-      tätshäusern und Selbsthilfegruppen mit Angeboten
                                      ziele reagiert werden.“ Lotsinnen und Lotsen könnten   für Patientinnen und Patienten mit ALS.“
                                      es auch übernehmen, Versorgungslücken in der
                                      Region aufzudecken oder ungenutzte Ressourcen          Ein erster Schritt in diese Richtung wurde jetzt
                                      zu identifizieren. Anforderungen an die Lotsen-        getan: Erkenntnisse aus dem Modellprojekt sind in
20   AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE

     einen Leitfaden für eine patientenorientierte           Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
     Versorgung von an ALS-Erkrankten eingeflossen,          Leitfaden für eine patientenzentrierte Versorgung
     die als kostenlose Broschüre bei ALPHA NRW              Lukas Radbruch/Andrea Gasper/Martina Kern
     angefordert werden kann.                                (2020)
     Neben Grundwissen zum Krankheitsbild sind darin         Download: https://alpha-nrw.de/aktuelles/bro-
     eine Übersicht bestehender Versorgungsangebote,         schueren/#hilfen-fuer-den-alltag
     Behandlungsmöglichkeiten sowie die Beschrei-
     bung der häufigsten Begleitsymptome und ihre
     Linderung enthalten. Ein Adressverzeichnis enthält
     wichtige landes- und bundesweite Anlaufstellen.

                                                     Dr. phil. Felix Grützner
                                                     Heinrich-Sauer-Str. 15
                                                     53111 Bonn
                                                     Tel.: 02 28 - 74 65 47
                                                     rheinland@alpha-nrw.de
                                                     www.alpha-nrw.de

     DIAGNOSE ALS WAS NUN E.V.
     CLAUDIA WEBER

     H
                allo, mein Name ist Matthias Weber. Ich     wurde die Krankheit schon 2000 sichtbar. Es fing
                bin 49 Jahre alt und seit 2006 weiß ich,    damit an, dass immer mehr Geschirr zerbrach, weil
                dass ich ALS habe.“ Mit diesen Worten       mein Mann es nicht mehr festhalten konnte. Auch
                begann für uns die Arbeit mit der Krank-    beim Fußball (er war Torwart im Verein) konnte er
     heit ALS. Als 2009 nach dem Tod von Matthias die       nicht mehr alle Bälle fangen, die auf ihn zuflogen.
     Entscheidung anstand, ALS-Patientinnen und             Wir haben es damit abgetan, dass er alt wird.
     -patienten mit Informationen und Wissen eine Hilfe     Niemand in unserem Umfeld kannte zu diesem
                                                                                                                      Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

     zu bieten, fanden sich seine Freunde und Familie       Zeitpunkt die Krankheit ALS.
     zusammen, um sich gemeinsam auf den Weg zu
     begeben, einen Verein zu gründen. ALS erfordert        Es ging dann damit weiter, dass er sich sehr verletzte,
     im Umgang mit den Menschen viel Mut und Kraft,         als beim Spülen ein Glas zersprang. Da zeigte sich
     mit der Diagnose verändert sich das Leben radikal.     zum ersten Mal, dass die Feinmotorik der Hände
                                                            nachließ. Dazu kamen Taubheitsgefühle in der Hand
     Als mein Mann Matthias die Diagnose ALS erhielt,       und im Arm. Zwischenzeitig ging alles wieder zurück,
     war er schon eine Zeit lang sehr krank. Im Rückblick   so als sei nichts gewesen. Dann veränderte sich
AMYOTROPHE LATERALSKLEROSE              21

                                      seine Sprache. Mein Mann hatte immer eine sehr
                                      klare Aussprache, doch nun begann er zu nuscheln.

                                      Im Jahr 2006 ging er zu einer Routineuntersuchung
                                      zum Arzt. Dabei fiel ein Muskelzucken auf seinem
                                      Rücken auf. Der Arzt kannte dieses Phänomen nicht
                                      und meinte, das müsse beobachtet werden, etwas
                                      Gutes könne es nicht sein. Ende 2006 konnte mein
                                      Mann mit der einen Hand sein Handy nicht mehr
                                      festhalten und musste die andere Hand zur Unter-
                                      stützung nehmen. Dann verschlechterte sich seine
                                      Aussprache zunehmend und der Arzt wies ihn mit
                                      Verdacht auf Schlaganfall in die Neurologie ein.

                                      Nach einer Woche wurde er mit der vorläufigen
                                                                                                © U. Ludwig

                                      Diagnose „Verdacht auf Erkrankung des ersten und
                                      zweiten Motoneurons“ entlassen. Zunächst hörte
                                      sich das für mich nicht schlimm an. Es war ja nur
                                      ein Verdacht, außerdem wusste ich zu dem Zeit-
                                      punkt nicht, was ein Motoneuron ist. Der zweite           che, das Schlucken und außerdem für das Atmen.
                                      Blick offenbarte etwas anderes: Das erste Moto-           Er ist auch der Trainer bei einem Sprachcomputer.
                                      neuron ist eine Nervenzelle, die eine Nervenleitfa-       Die Physiotherapeutin ist dafür zuständig, die
                                      ser bildet, die bis ins untere Rückenmark reicht. Es      Muskeln, die noch da sind, zu erhalten. Wichtig ist
                                      treten reflexgesteuerte Bewegungen auf, d. h. es          dabei, den Patienten nicht zu überfordern, denn
                                      erfolgt eine spastische Lähmung. Das zweite               dies könnte den Muskelabbau beschleunigen.
                                      Motoneuron ist die Vorderhornzelle, die motorische        Auch trainiert der Physiotherapeut das Fallen, was
                                      Endzelle, die die Muskulatur versorgt. Es erfolgt         – durch Schwindel ausgelöst – vorkommen kann.
                                      eine Lähmung der Arme und Beine, die auch die             Alles das hatte mein Mann.
                                      Rumpf- und Atemmuskulatur beeinträchtigt. Es
                                      kommt häufig zu Muskelzittern und Muskelkrämp-            Es fiel ihm immer schwerer, sich zu waschen und
                                      fen. Dann folgt noch die sogenannte Bulbärparalyse        anzuziehen. Die Arme wurden schlaffer und hingen
                                      der Alpha-Motoneurone: Hier sind das Sprechen             am Körper herunter. Auch essen war nicht einfach,
                                      und Schlucken beeinträchtigt und es kann auch             weil er den Arm nicht mehr heben konnte und
                                      zum Zwangslachen und Zwangsweinen kommen.                 auch, weil das Kauen und Schlucken ihn sehr
                                                                                                anstrengte. Also besorgten wir einen Warmhalte-
                                      Der Verdacht musste nun erst mal bestätigt wer-           teller und suchten nach Möglichkeiten, ihm etwas
                                      den. Dazu brauchte der Arzt den Entlassungsbrief,         zu essen zu geben, was leichter zu schlucken war.
                                      der – wie in vielen Fällen – sehr lange auf sich warten   Dabei war es uns wichtig, auf das Aussehen des
                                      ließ. Ohne diesen Brief gibt es keine Behandlung,         Essens zu achten, denn wer möchte schon etwas
                                      keine Neurologen oder Neurologinnen, keine                essen, was unansehnlich ist. Außerdem musste ich
Hospiz-Dialog NRW - Oktober 2020/85

                                      Therapeutinnen oder Therapeuten, keinen Schwer-           ihn immer häufiger füttern. Dann mussten wir
                                      behindertenausweis. Ist dieser Brief dann da, muss        darauf achten, dass er sich nicht verschluckt, denn
                                      der Verdacht bestätigt werden. Der Neurologe kann         wiederholtes Verschlucken begünstigt eine
                                      nun Rilutek verschreiben, das einzige Medikament          Lungenentzündung.
                                      für ALS Patienten, welches einen Glutamathemmer
                                      enthält und die Lebenserwartung verlängern kann.          Auch beim Toilettengang benötigte er vermehrt
                                                                                                Hilfe. Trinken ging nur noch mit dem Strohhalm.
                                      Nun erst konnten die Therapeuten ihre Arbeit auf-         Tabletten habe ich mit einem Mörser zerstoßen und
                                      nehmen. Der Logopäde ist zuständig für die Spra-          unter Joghurt gerührt, damit er die Medikamente
Sie können auch lesen