Industrie aktuell 1 2022 - WKO
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industrie aktuell 1 2022 Industrieforum Anstieg der Energiekosten muss gestoppt werden Industriepolitik Nichteisen-Metalle (NE) – unverzichtbar für unser aller Leben Industriekonjunktur aktuell Kostensteigerungen treffen die Industrie mit voller Wucht
Bundessparte Industrie (BSI) Industriewissenschaftliche Institut (IWI) Industriellenvereinigung (IV) Die Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer Das Industriewissenschaftliche Institut (IWI) setzt Die Industriellenvereinigung (IV) ist die freiwillige und Österreich vertritt mit ihren Fachverbänden die einen markanten industrieökonomischen For unabhängige Interessenvertretung der österreichi Interessen von mehr als 5.000 Mitgliedsunterneh schungsschwerpunkt in Österreichs Institutsland schen Industrie und der mit ihr verbundenen Sek men. In der österreichischen Industrie sind mehr als schaft. Seit 1986 steht das Institut für die qua toren. Seit 1946 nimmt die IV an allen Gesetzwer 440.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. litativ anspruchsvolle Verschränkung zwischen dungsprozessen als anerkannter Partner der Politik Die Industrieunternehmen Österreichs sind mit Theorie und Praxis. teil. Eine Bundesorganisation, neun Landesgruppen einer Exportquote von 66 Prozent stark inter Das intensive Zusammenspiel unterschiedlicher und das Brüsseler IV-Büro vertreten die Anliegen national vernetzt. Die Bundessparte Industrie ist Forschungsbereiche dient dazu, Produktions ihrer aktuell mehr als 4.400 Mitglieder aus produ nicht nur für eine aktive Mitgestaltung der öster strukturen systemorientiert zu analysieren und zierendem Bereich, Kredit- und Versicherungswirt reichischen Industriepolitik zuständig, sondern auch darauf aufbauend zukunftsweisende wirtschafts schaft, Infrastruktur und industrienaher Dienstleis für die Koordination und die inhaltliche Artikulierung politische Konzepte zu entwickeln. Besondere tung – in Österreich und Europa. Die IV-Mitglieder aller industrierelevanten Interessen vor allem in der Schwerpunkte finden sich in der Analyse lang repräsentieren mehr als 80 Prozent der heimischen Kollektivvertragspolitik, im Umwelt- und Energie fristiger makroökonomischer Entwicklungsten Produktionsunternehmen. Ihr Anspruch an der bereich, in der Forschungs- und Technologiepolitik denzen sowie in der Untersuchung industrieller Schnittstelle zwischen Unternehmen und Politik ist sowie in der Infrastrukturentwicklung. Netzwerke (Clusteranalysen). es, mit innovativen Konzepten und Expertise Öster reichs Gesellschaft zukunftsfit zu gestalten. Bundessparte Industrie der Industriewissenschaftliches Institut Industriellenvereinigung Wirtschaftskammer Österreich Mittersteig 10/4, 1050 Wien Schwarzenbergplatz 4, 1031 Wien, Österreich Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien Telefon: +43 1 513 44 11-0 Telefon: +43 1 71135 - 0 Telefon: 05 90 900-3460 Telefax: + 43 1 513 44 11-2099 Internet: www.iv.at, www.facebook.com/ Telefax: 05 90 900-113417 Internet: www.iwi.ac.at, industriellenvereinigung, Internet: wko.at/industrie, E-Mail: office@iwi.ac.at www.twitter.com/iv_news E-Mail: bsi@wko.at Vorstand E-Mail: office@iv.at Bundespräsidium Vorsitzender Hon.Prof. Dr. Wilfried STADLER, Präsidium Obmann Mag. Sigi MENZ, Ottakringer Getränke AG Wirtschaftsuniversität Wien, Vorstandsvor- Präsident Georg KNILL, Knill Gruppe Stellvertreter Vorstandsvorsitzender KommR DI sitzender des IWI Vize-Präsidentin Dipl.-Ing. Dr. Sabine Dr. Clemens MALINA-ALTZINGER, Reform-Werke Mag. Markus BEYRER, Business Europe HERLITSCKA MBA, Vorstandsvorsitzende Bauer & Co. Ges.m.b.H. Dr. Wolfgang DAMIANISCH, Kassier des IWI Infineon Technologies Austria AG Stellvertreter GF Thomas SALZER, Mag. Christian DOMANY, Unternehmensberater Vize-Präsident Philipp VON LATTORFF, Salzer Papier GmbH GF Mag. Andreas MÖRK, Bundessparte Industrie Geschäftsführer Boehringer Ingelheim kooptiert gem. § 63 (2) WKG: der Wirtschaftskammer Österreich RCV GmbH & Co KG Regional Center Vienna COO Günter DÖRFLINGER, MBA, Christof Dr. Erhard FÜRST, Vize-Präsident Dipl.-Ing. F. Peter MITTERBAUER, Industries Global GmbH Gen.-Sekr. Karlheinz KOPF, Wirtschaftskammer Vorstandsvorsitzender MIBA AG CEO Mag. Christian KNILL, Knill Energy Österreich, stv. Vorstandsvorsitzender des IWI Holding GmbH Gen.-Sekr. Mag. Christoph NEUMAYER Geschäftsführung GD KommR Ing. Wolfgang HESOUN, Siemens AG Industriellenvereinigung, stv. Vorstandsvor- Generalsekretär Mag. Christoph NEUMAYR Österreich sitzender des IW Vize-Generalsekretär Ing. Mag. Peter KOREN Geschäftsführer Vorst.dir. DI Dr. Manfred MATZINGER-LEOPOLD, Vize-Generalsekretärin Dr. Claudia MISCHENSKY Mag. Andreas MÖRK Münze Österreich FH-Hon.-Prof. Dr. Dr. Herwig W. SCHNEIDER, Industriewissenschaftliches Institut Kuratorium Vorsitzender Hon.Konsul KommR Veit Schmid-Schmidsfelden, Rupert Fertinger GmbH Dir. Mag. Dr. Johannes Turner,OeNB Geschäftsführer FH-Hon.-Prof. Dr. Dr. Herwig W. Schneider Wissenschaftlicher Leiter Univ. Prof. DI Dr. Mikuláš Luptáčik 2 industrie aktuell | 2022 | 1
inhalt editorial konjunktur Mag. Sigi Menz Kommentar zur internationalen Dramatische Lage am Energiemarkt 4 Konjunkturentwicklung FH-Hon.-Prof. Dr. Dr. Herwig W. Schneider 30 forum Kostensteigerungen treffen die Industrie Anstieg der Energiekosten muss mit voller Wucht gestoppt werden 6 Mag. Andreas Mörk 32 Hohe Energiepreise als Gefahr für den konjunktur nach branchen Industriestandort Österreich 10 Branchenübersicht 34 Interview: Gesamtindustrie 35 „Ein Investitionsplan in der Höhe von Bergwerke und Stahl 35 18 Milliarden Euro liegt vor.“ Stein- und keramische Industrie 36 DI Mag. (FH) Gerhard Christiner, Technischer Glasindustrie 36 Vorstand APG & Mag. Thomas Karall, Chemische Industrie 37 Kaufmännischer Vorstand APG 14 Papierindustrie 37 PROPAK – Industrielle Hersteller von Produkten aus Papier und Karton 38 politik Bauindustrie 38 Die Maritime Wirtschaft Österreichs Holzindustrie 39 in Zahlen 18 Lebensmittelindustrie 39 Textil-, Bekleidungs-, Kommentar: Schuh & Lederindustrie 40 Bis hierher – und immer weiter? NE-Metallindustrie 40 Dr. Wilfried Stadler, Vorsitzender Metalltechnische Industrie 41 Industriewissenschaftliches Institut 20 Fahrzeugindustrie 41 Elektro- und Elektronikindustrie 42 inhalt Interview: Offenlegung, Impressum 42 „Business as usual ist für die EEI nach wie vor nicht in Sicht.“ Mag. Marion Mitsch, Geschäftsführerin FEEI 23 Serie: Nichteisen-Metalle (NE) – unverzichtbar für unser aller Leben 24 Interview: „Die NE-Metallindustrie trägt wesentlich zur Fotos: beigestellt Nachhaltigkeit und Klimaneutralität bei.“ KR DI Alfred Hintringer, Obman Fachverband NE-Metallindustrie 28 industrie aktuell | 2022 | 1 3
forum kommentar Dramatische Lage am Energiemarkt Erwartet wurde ein geordneter Einstieg in die Energiewende. Tatsächlich ist die Industrie mit großen Sorgen hinsichtlich Versorgungssicherheit und einer extrem volatilen Preisentwicklung konfrontiert. Autor: Mag. Sigi Menz Für die Industrie war immer klar, dass die Ener war somit unausweichlich mit der Energiewende giewende zu einer Verteuerung der Energiekosten verbunden. In keiner Weise zu erwarten war aber führen wird. Klar war auch, dass erneuerbare Ener der dramatische Anstieg an Energiekosten, der im gieträger (Sonne, Wind, Wasserkraft) in ihrer Er Laufe des letzten Jahres zu beobachten war, und giebigkeit relativ starken Schwankungen unter der sich zuletzt aufgrund des furchtbaren Ukrai liegen können – was im Jahr 2021 mit eine nekrieges weiter beschleunigt hat. Die Energie Ursache für steigende Energiepreise war. Ein ge rechnungen haben ein Ausmaß erreicht, das die wisses Maß an Kostendruck und Preisvolatilität Liquiditätsreserven vieler Unternehmen in Re kordgeschwindigkeit aufsaugt und so auch die dringend not wendigen Investitionen in neue energiesparende Technologien aufschiebt. Angesichts dieser Situation ist die Politik gefordert, alle verfüg baren Möglichkeiten zur Ein dämmung der überzogenen Preisentwicklung einzusetzen und gleichzeitig für eine höchst mögliche Versorgungssicherheit zu sorgen. Die österreichische Industrie fordert seit langer Zeit eine stär kere Diversifizierung der Ener gieversorgung Österreichs und eine Verringerung einseitiger Abhängigkeiten. Die Politik hat diesbezügliche Anstrengungen bislang wenig unterstützt. Im Gegenteil, sie hat unter Umwelt gesichtspunkten den verstärkten Einsatz von Gas – als relativ Mag. Sigi Menz, umweltfreundlichem Primär Foto: IV/Alexander Müller Obmann der energieträger – aktiv gefördert Sparte Industrie und und dabei auf eine sinnvolle Aufsichtsrat der Ausweitung der Bezugsquellen Ottakringer verzichtet. Damit besteht Getränke AG heute eine überproportionale 4 industrie aktuell | 2022 | 1
kommentar forum Abhängigkeit von Gasimporten aus Russland. Diese Realität ist seitens der Politik zur Kenntnis Die Politik ist gefordert, alle verfüg- zu nehmen. Solange keine Alternativen zur baren Möglichkeiten zur Eindämmung Verfügung stehen, kann und darf seitens der Politik keine Einschränkung des Gasbezuges aus Russland der überzogenen Preisentwicklung erfolgen, da dies völlig unverhältnismäßig die einzusetzen und für eine höchstmögli- wirtschaftlichen Interessen Österreichs schädigt. che Versorgungssicherheit zu sorgen. Statt irrealer Sanktionsphantasien sollte die Po litik rasch und konsequent Maßnahmen setzen, um kurzfristig Energiereserven aufzubauen und handlungen durch die drohende Lohn-Preis-Spi mittelfristig Abhängigkeiten zu vermeiden. Damit rale ebenso problematisch wie der dadurch würde auch politisch ein viel stärkeres Signal an generierte Abfluss an Kaufkraft ins Ausland und Russland gesendet werden, als durch Sanktionen die vielfach dramatischen Auswirkungen auf die – die in der Art und Weise auf Dauer nicht durch Geldpolitik. haltbar erscheinen. Zu diesen politischen Maß nahmen zählt einerseits die möglichst rasche Was also kann – und muss – die Politik tun, um Befüllung vorhandener Gasspeicher, andererseits der Energiepreisentwicklung gegenzusteuern? aber auch die Diversifizierung des Energieange Die Politik verfügt über ein umfangreiches Inst bots. Teil dieser Diversifizierung ist die Erschlie rumentarium, das sie einsetzen kann: Da zählt ßung anderer Quellen für den Bezug von Erdgas, die Strompreiskompensation für energieintensive gleichzeitig auch die Implementierung der Strate Betriebe, das Aussetzen von Energiesteuern und gien für Wasserstoff und grünes Gas sowie den –abgaben, die Aussetzung der CO2-Bepreisung weiteren Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung. ohne Verzicht auf den Klimabonus sowie die rasche Für entsprechende Energieprojekte muss es zu Einrichtung des angekündigten Dekarbonisierungs einer deutlichen Beschleunigung der Genehmi fonds zur Unterstützung der notwendigen Inves gungsverfahren kommen. All dies sind keine in der titionen für eine Transformation der Industrie zu aktuellen Krise sofort wirkenden Maßnahmen, sie erneuerbaren Energiequellen. Angesichts der können aber die Energiemärkte beruhigen und Marktsituation ist hier wohl nicht an ein entweder- damit sogar kurzfristig preisdämpfend wirken. oder dieser Maßnahmen zu denken, sondern ein kumulierter Einsatz der Instrumente. Zudem muss Der beispiellose Preisanstieg auf den Energie die Politik auf die schwierige Liquiditätslage der märkten ist zerstörerisch: Er raubt den Unterneh Unternehmen reagieren, indem (wie in vergange men kurzfristig Liquidität und Wettbewerbsfähig nen Wirtschaftskrisen) staatliche Haftungen für keit; er nimmt den Unternehmen aber auch jeden Überbrückungsfinanzierungen gewährt werden finanziellen Spielraum, die künftigen Kosten der sowie das Instrumentarium der Kurzarbeit auch Energiewende zu tragen. Wenn daher die Politik für Zwangslagen aufgrund der gegenwärtigen jetzt nicht an allen verfügbaren Stellschrauben Lage am Energiemarkt zur Verfügung steht. dreht, um die Energiepreisexplosion einzudäm men, führen alle Planungen über einen „European In der gegenwärtigen Situation muss die heimische Green Deal“ ad absurdum. Dafür sind dann schlicht Politik rasch und konsequent jene wirtschaftspo keine Investitionsmittel mehr verfügbar. Ganz ab litischen Entscheidungen treffen, die den Bestand gesehen davon, dass nur rasche Gegenmaßnah der Industrie in Österreich absichern hilft und damit men ein volles Durchschlagen der Energiepreise einerseits das hohe Niveau an Wertschöpfung, Be auf die Inflationsrate verhindern können; und eine schäftigung und Einkommen absichert und ande aufgrund der Energiekosten explodierende Preis rerseits die Voraussetzungen für eine erfolgreiche steigerung ist im Hinblick auf künftige Lohnver Energiewende bewahrt. industrie aktuell | 2022 | 1 5
forum energiekosten Anstieg der Energiekosten muss gestoppt werden Die aktuellen Entwicklungen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine haben die Energiepreise weiter in die Höhe schnellen lassen. Jetzt braucht es Lösungen! S chon im vergangenen Jahr sind die Öl-, Gas- zusammen Faktoren, die den Unternehmen und Strompreise kontinuierlich gestiegen Kopfzerbrechen bereiten und sie an ihre Grenzen und erreichten Spitzenwerte. Der Krieg in bringen. Die Betriebe fordern daher schnelle Hilfe der Ukraine hat nun weitere, massive Kosten und mittel- und langfristige Lösungen, um dieser steigerungen verursacht. Erdöl kostet derzeit Spirale der Abhängigkeit entkommen zu können. ungefähr doppelt so viel, eine Megawattstunde Eine sofortige Entlastung bei den Energiekosten Gas etwa sechsmal so viel als im Jänner 2021. Die und eine Aufschiebung zusätzlicher Belastungen hohen Energiepreise stellen die Unternehmen vor wird gefordert, um die Wettbewerbsfähigkeit und große Herausforderungen, denn der produzierende bei vielen Betrieben sogar das Überleben zu Bereich ist mit einem Anteil von 40 Prozent der sichern. größte Verbraucher von Gas in Österreich. Die Versorgungssicherheit mit Erdgas ist daher für die Embargo von russischem Erdgas ist gesamte Industrie ein zentrales Thema. Die ausgeschlossen Verteuerung von Erdgas treibt zudem den Preis für elektrischen Strom, da die Grenzproduktion Ein Embargo von russischem Erdgas, wie von der von Strom mit Hilfe von Erdgas erfolgt. Der Anstieg EU angedacht, hätte für die heimische Industrie Foto: Pixabay des Erdgaspreises trifft also mittelbar auch viele katastrophale Folgen. Derzeit verbraucht energieintensive Unternehmen, die selbst kein Österreich gesamt rund acht Mrd. m³ Erdgas, davon Erdgas in der Produktion einsetzen. Alles benötigt die Industrie rund drei Mrd. m³. Die 6 industrie aktuell | 2022 | 1
energiekosten forum Energiekostenanstieg und Vergleich zu Mitbewerbern Absoluter Energiepreisanstieg Energiekostensituation verglichen mit Mitbewerb aus Deutschland (Angaben in Prozent, n=650) (Angaben in Prozent, n=618) 3% 2% 3% 3% 1% Sehr problematisch 8% Problematisch 16% 23% 33% 31% Neutral 31% 29% 64% Vorteilhaft & 61% Sehr vorteilhaft 48% 43% Energieintensive Industrie Nicht-energieintensive Energieintensive Industrie Nicht-energieintensive Industrie Industrie Die Grafiken beinhalten Rundungsunschärfen Quelle: WKO Bundessparte Industrie und Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik; IWI (2020) auf Basis der Statistik Austria (div. Jahre), Input-Output-Tabellen, Volkwirtschaftliche Gesamtrechnung 2019 95 % der Energieintensiven Industrie sehen den Energiepreisanstieg als problematisch oder sehr problematisch. Den Vergleich mit Mitbewerbern in Deutschland schätzen 66 % so ein, in der Nicht-Energieintensiven Industrie sind es „nur“ 37 %. größten Verbraucher sind dabei die Papierindustrie, Wirtschaftsforschungsinstitute WIFO und IHS ihre die Chemie/Petrochemie, die Eisen-/Stahlindustrie, BIP-Prognosen für 2022 – im Vergleich zur die Steine/Erden/Glasindustrie, die Nahrungs Dezember-Prognose 2021 – um 0,6 bis 1,3 Pro- mittel industrie, der Bergbau und die NE- zentpunkte nach unten revidiert Dementsprechend Metallindustrie. erwartet die OeNB ein BIP-Wachstum von 3,5 % (statt 4,3 %), das IHS 3,6 % (statt 4,2 %) und das Laut einer Kalkulation des Ökonomen Christian WIFO 3,9 % (statt 5,2 %). Die Inflation wird von Helmenstein für die Industriellenvereinigung allen Instituten kräftig nach oben revidiert. Laut würde ein Embargo für Energie und Rohstoffe 3,3 WIFO soll die Wertschöpfung in der heimischen Prozent Wirtschaftsleistung bis Ende des Jahres Industrie daher im heurigen Jahr trotz sehr guter kosten, denn die Industrie wäre massiv Auftragslage lediglich stagnieren. beeinträchtigt. Ein Lieferstopp von Erdgas hätte unterschiedliche Auswirkungen auf die Betriebe Internationaler Vergleich in verschiedenen Branchen. Für manche Firmen würde es eine gedrosselte Produktion bedeuten, Dass die steigenden Energiekosten die heimische andere könnten zwischenzeitlich gar nichts mehr Wirtschaft in Alarmbereitschaft versetzt, herstellen und müssten die Produktion einstellen. bestätigt auch eine Studie des Energieinstituts Ein Komplettausfall großer Betriebe, die andere der Wirtschaft (EIW) im Auftrag der Industriezweige mit ihren Waren versorgen, würde Wirtschaftskammer Österreich. Befragt wurden jedenfalls eine Kettenreaktion auslösen. Die dafür knapp 1.000 Betriebe quer durch die Effekte wären auch in anderen Branchen deutlich Branchen. Demnach sehen 83 Prozent den spürbar. Anstieg der Energiekosten als problematisch oder sogar sehr problematisch – insbesondere auch, weil sie die Preissteigerungen nicht an ihre Schock für die Weltwirtschaft Kunden weitergeben können. Die massiven Vor Ausbruch des Russland-Ukraine-Konflikts Kostensteigerungen belasten dadurch die wurde erwartet, dass sich die weltweite Erholung internationale Wettbewerbsfähigkeit der im Jahr 2022 fortsetzen würde. Doch der Krieg in heimischen Industrie, denn die Energieversorgung der Ukraine hat einen neuen negativen Schock für verteuert die Herstellungskosten. Es braucht jetzt die Weltwirtschaft ausgelöst, genau zu einem dringend Entlastungen, um zu verhindern, dass Zeitpunkt, an dem die Herausforderungen durch der Standort Österreich auf Dauer unattraktiv die Corona-Pandemie abzuflauen schienen. Für wird. Dies gilt insbesondere für energieintensive Österreich haben die OeNB sowie die beiden Branchen. industrie aktuell | 2022 | 1 7
forum energiekosten Zurückstellung von Investitionen in Forschung und Entwicklung (n=624) Information & Consulting 13% 20% 53% 13% Tourismus & Freizeitwirts. 21% 11% 18% 24% 26% Trifft definitiv zu Transport & Verkehr 6% 13% 16% 43% 22% Trifft eher zu Handel 3% 16% 21% 36% 24% Trifft eher nicht zu Trifft nicht zu Gewerbe & Handwerk 16% 11% 13% 43% 17% Keine Angbae Nicht-energieintensive Ind. 4% 4% 24% 64% 4% Energieintensive Industrie 16% 18% 24% 37% 4% 0% 20% 40% 60% 80% 100% Quelle: WKO, IWI (2020) auf Basis der Statistik Austria (div. Jahre), Input-Output-Tabellen, Volkwirtschaftliche Gesamtrechnung 2019 Österreich hat in den vergangenen 20 Jahren Märkten auf. Seit Herbst 2021 werden diese stark von der deutschen Energiewende und auch ‚Spreads deutlich größer. der Liberalisierung des Strommarktes profitiert. Die heimische Industrie und das Gewerbe haben Der zusätzliche Kostendruck im internationalen sich dank EU-weiter Öffnung des Markts rund Standortwettbewerb lässt sich anhand der 10 Prozent an Stromkosten erspart. Vor allem Antworten der Befragten der WKO-Studie klar die strompreisdämpfenden Effekte des starken differenzieren: Gegenüber Mitbewerbern in Ausbaus von Windkraft und Photovoltaik in Deutschland bewertet jeder zweite Betrieb die Deutschland führten im Zeitraum zwischen 2000 Situation als problematisch oder sogar sehr und 2020 zu einer gesamten Einsparung von 26 problematisch. In der energieintensiven Industrie Prozent. Wie Studien der Österreichischen sehen das sogar zwei Drittel der Unternehmen Energieagentur zeigen, hat sich die Situation in so. Gegenüber anderen EU-Staaten liegen die den vergangenen Jahren jedoch stark verändert. Werte bei 58 Prozent (alle) und bis zu 71 Prozent Heute ist der Strompreis in Österreich – besonders (Industrie und energieintensive Industrie). im Winter – sehr oft deutlich höher als im Verglichen mit dem außereuropäischen Nachbarland Deutschland. Bis Oktober 2018 Mitbewerbern, bewerten insgesamt 58 Prozent, hatten Österreich und Deutschland die gleichen und sogar 78 Prozent aus der energieintensiven Strompreise im Großhandel. Die gemeinsame Industrie die Situation als problematisch oder Strompreiszone wurde dann getrennt, seitdem sehr problematisch. treten Preisunterschiede zwischen den beiden Investitionen gehen zurück Abdeckung Strombedarf durch Eigenerzeugung* Diese aktuellen Entwicklungen führen in den 50% Betrieben auch zu unerfreulichen Folgewirkungen 40% im Investitionsverhalten, nicht zuletzt da 30% wesentlich mehr Mittel für die Energieversorgung 20% 47% aufgewendet werden müssen: 40 Prozent geben 36% in der WKO-Umfrage an, dass die Situation 10% 7% negative Auswirkungen auf ihre Investitions 4% 6% 0% Nein Ja, 1 bis Ja, 26 bis Ja, 51 bis Ja, 76 tätigkeit im Kerngeschäft hat, in der energie 25 % 50 % 75 % bis 100 % intensiven Industrie sind es sogar knapp 50 Quelle: WKO, Statistik Austria, Konjunkturstatistik, Sonderauswertung in Prozent. Auch Investitionen in Forschung und Kammersystematik, endgültige Werte bis 2020 & vorläufige Werte für 2021 * Deckt Ihr Unternehmen einen Teil des Strombedarfs durch Eigenerzeugung Entwicklung sind betroffen – 27 Prozent generell aus erneuerbaren Quellen (z.B. PV, Wasserkraft, Produktions-Reststoffe,...) und 34 Prozent der energieintensiven Industrie 8 industrie aktuell | 2022 | 1
energiekosten forum Zurückstellung von Investitionen in Klimaschutz/Dekarbonisierung (n=628) Information & Consulting 19% 13% 19% 44% 6% Tourismus & Freizeitwirts. 22% 16% 19% 30% 14% Trifft definitiv zu Transport & Verkehr 9% 20% 20% 39% 13% Trifft eher zu Handel 5% 26% 26% 30% 12% Trifft eher nicht zu Trifft nicht zu Gewerbe & Handwerk 18% 20% 10% 38% 14% Keine Angbae Nicht-energieintensive Ind. 4% 9% 24% 61% 1% Energieintensive Industrie 17% 18% 21% 39% 6% 0% 20% 40% 60% 80% 100% Quelle: WKO, IWI (2020) auf Basis der Statistik Austria (div. Jahre), Input-Output-Tabellen, Volkwirtschaftliche Gesamtrechnung 2019 bringen die Tendenz zum Aufschub von dem EU-Beihilfenrecht. Investitionen zum Ausdruck. N Die Mehrzahl der EU-Staaten hat die Strompreiskompensation bereits umgesetzt. N Ersetzt der Industrie anteilig die im Strompreis Ausbau der erneuerbaren Energie bereits bezahlten CO2-Kosten. Neben der Suche nach neuen Lieferanten für die N Diese Maßnahme kostet rund 150 Mio Euro bis auf weiters benötigten Mengen an Erdgas, (nachträglich für 2021), 300-450 Mio Euro für steht natürlich auch der Ausbau der erneuerbaren 2022 (Grund für die Steigerung ist der dramatisch Energie im Fokus. Doch die Transformation des gestiegene CO2-Preis). Energiesektors geht nicht von heute auf morgen N Betriebe müssen erhaltene Beihilfen anteilig und kostet zudem auch Geld. Der Anteil der wieder in Umweltmaßnahmen investieren. erneuerbaren Energie in der österreichischen Industrie liegt bei 45 Prozent bezogen auf den Dekarbonisierungsfonds zur Beschleunigung von Endenergieverbrauch. Laut Berechnungen des AIT Klimaschutzmaßnahmen (mind. 200 Mio Euro) könnte mit dem erneuerbaren Energiepotenzial von 231 TWh der industrielle Endenergieverbrauch N Nach Vorbild des deutschen Förderprogramms in Österreich gedeckt werden. Was es jetzt zur Dekarbonisierung der Industrie – Hauptziel ist braucht, ist eine Beschleunigung bei den die Reduktion der Prozessemissionen in energiein- Genehmigungsverfahren, damit der Ausbau der tensiven Sektoren. erneuerbaren Energien schneller voran geht. N Anwendung von Differenzverträgen („Carbon Contracts for Difference“), um enormes Preisrisiko für Betriebe abzufedern. Geforderte Entlastungsmaßnahmen Die österreichische Industrie ist aufgrund der Gezielte Unternehmensbeihilfen gem. neuem dramatischen Lage am Energiemarkt in einer EU-Krisenrahmen im Laufe des Jahres bei extrem schwierigen Situation, die für viele überproportional gestiegenen Strom- und Unternehmen sogar existenzbedrohend ist. Die Gaskosten. Politik muss nun dringend handeln. N Der Fonds wurde von der EU-Kommission als Strompreiskompensation zur Vermeidung von Kriseninstrument vorgeschlagen und an strenge indirektem Carbon Leakage Kriterien geknüpft (nur bestimmte energieintensive Sektoren, nur über 3-Prozent-Anteil am Produkt N Die Strompreiskompensation ist bereits im ionswert). Regierungsprogramm enthalten und entspricht Autorin: Herta Scheidinger industrie aktuell | 2022 | 1 9
cover energiekosten Industrieunternehmen, die, wie die Aluminuimindustrie, viel Energie verbrauchen, schlagen wegen des Preisanstiegs Alarm. Hohe Energiepreise als Gefahr für den Industriestandort Österreich Die heimischen Industriebetriebe stehen vor großen Herausforderungen. Lieferkettenengpässe und explodierende Energiepreise setzen vor allem der energieintensiven Industrie zu. Wir haben nachgefragt. D er Preis für Aluminium übertrifft längst das geplant gebaut werden. Zudem sind wir mit bisherige Hoch, das in der Wirtschaftskrise extremen Preiserhöhungen im Bereich Energie 2008 erreicht worden war. Dazu ist die konfrontiert, die Strompreise haben sich im Aluminium-Branche vom Konflikt in der Ukraine Vergleich zu 2021 versiebenfacht und die Gaspreise Fotos: HAI, Vetropack, beigestellt zentral betroffen, denn die Zulieferung ist verzwölffacht. Diese Kostensteigerungen müssen gefährdet, steht doch mit RUSAL einer der größten wir an unsere Kunden weitergeben“, so Rob van Aluminiumplayer auf der Sanktionsliste. „Wir sehen Gils, CEO HAI. Die ausreichende und verlässliche erste Auswirkungen auf die Lieferketten und damit Versorgung mit Erdgas für die österreichische auf die Nachfrage. Wir sind davon aktuell weniger Industrie ist für van Gils sehr wichtig. „Neben der betroffen, da wir vor allem Komponenten für Suche nach alternativen Lieferanten für Erdgas E-Fahrzeuge liefern, welche derzeit noch wie sollten auch Maßnahmen auf der Verbrauchsseite 10 industrie aktuell | 2022 | 1
energiekosten cover erfolgen, wie z. B. den Anteil von Erdgas für die Stromerzeugung und Wärmeerzeugung möglichst durch andere Energieträger zu kompensieren. Steuerliche Mehrbelastungen wie die CO2-Steuer oder die EU-ETS-Zertifikate sollten temporär ausgesetzt werden. Eingriffe in den Energiemarkt sollten möglichst auf EU Ebene erfolgen, damit keine Verzerrungen im Wettbewerb auftreten, aktuell führen bereits einzelne Länder Obergrenzen ein, bzw. versuchen die eigene Volkswirtschaft zu schützen. Die Kosten für die Marktgebietstrennung zwischen Österreich und Deutschland haben sich mehr als verzehnfacht und sind nun höher als der Strompreis den wir in 2020 bezahlt haben“, so der HAI-CEO. Aufgrund der Kostenentwicklungen wird die Vetropack-Gruppe im laufenden Jahr weitere Preisanpassungen durchführen müssen. Einen weiteren Punkt bringt Gerald Mayer, CEO der AMAG, ins Spiel: „Die Preise für Energie sind bereits seit vorigem Sommer im Steigen. Die Ukraine-Krise beschleunigt diesen Trend „Die Strompreise haben dramatisch. Für die energieintensive Industrie, zu sich im Vergleich zu 2021 ver- der die AMAG mit einem Gesamtenergieverbrauch siebenfacht, die Gaspreise von 750 GWh pro Jahr zählt, bringt dies enorme verzwölffacht. Diese Kostenstei- Kostensteigerungen. Diese können in keiner Weise durch Einsparungen kompensiert werden, sondern gerungen müssen wir an unsere müssen direkt an die Abnehmer und in letzter Kunden weitergeben.“ Konsequenz an die Endkonsumenten Rob van Gils, CEO HAI weitergegeben werden. Die Preiserhöhungen können zu einer deutlichen Abschwächung des Wirtschaftswachstums führen. Durch die Glasindustrie leidet unter Preisanstieg unterschiedliche Preisentwicklung für Erdgas in Europa und den USA entsteht ein Wettbewerbs Die Vetropack-Gruppe hat als international nachteil für europäische Produzenten.“ Einen bedeutender Glasverpackungshersteller ihre schnellen Ausstieg aus Erdgas sieht er allerdings Produktionskapazitäten in den letzten Jahren nicht: „Aktuell und auch mittelfristig sehen wir laufend erhöht, um die hohe Nachfrage zu bedienen keine Alternativen zu russischem Erdgas. Ein und die Marktposition weiter auszubauen. Lieferstopp für Erdgas führt bei uns zum Stillstand „Unabhängig von dieser positiven Entwicklung der Produktion“, so Gerald Mayer, und weiter: stiegen jedoch in den letzten Monaten die Kosten „Erdgas ist und bleibt bis auf Weiteres der für Betriebsmittel wie Energie, Rohstoffe, Energieträger für das Einschmelzen von Verpackung und Transport extrem an. Mit der Aluminiumschrott und somit dem Recycling, für zunehmenden Inflation werden auch die das Aufwärmen der Walzbarren vor dem Personalkosten zunehmen. Aufgrund dieser Warmwalzen sowie für die Wärmebehandlung Kostenentwicklungen wird auch die Vetropack- unserer Walzprodukte. Damit hängen alle Gruppe im laufenden Jahr weitere Preisanpassungen Produktionsstufen und somit der gesamte durchführen müssen“, heißt es vom Unternehmen. Standort in Ranshofen von einer stabilen Doch Vetropack ist vom Ukraine-Krieg auch Versorgung mit Erdgas ab.“ unmittelbar betroffen. Wegen der militärischen industrie aktuell | 2022 | 1 11
forum energiekosten Strom und Gas als noch im Vorjahr. Trotz ihres schon sechzigprozentigen Anteils von erneuerbaren Energieträgern ist die Papier industrie noch immer stark von Gas abhängig. „Unternehmen mit integrierter Zellstoffproduktion tun sich hier leichter. Sie können die anfallenden Reststoffe energetisch nutzen. Bei Papierfabriken, die auf Altpapierbasis produzieren oder Zellstoff zukaufen müssen, sind Gaskraftwerke, die Strom und Wärme produzieren die beste verfügbare Technik, weil sie hocheffizient sind und geringe Trotz ihres schon sechzigprozentigen Anteils von erneuerbaren CO2-Emissionen verursachen“, erklärt Kurt Maier, Energieträgern ist die Papierindustrie noch immer stark von Gas abhängig. Präsident der Austropapier. Trotz des hohen Anteils an erneuerbaren Energieträgern sind Eskalation im Ukraine-Krieg und zum Schutz der deshalb viele Unternehmen auf Gas angewiesen. Mitarbeitenden stoppte die Vetropack-Gruppe im In allen Werken laufen Projekte, um von fossilen Februar temporär das Glaswerk in Gostomel in Energieträgern weniger abhängig zu werden. der Nähe von Kiew. „Angesichts der raschen und Kurzfristig benötigt die Industrie jedoch rasche ungewissen Entwicklung ist es unmöglich, die Entlastungen, um die Produktion aufrecht zu erhalten. Ein Importstopp von Gas hätte existenzielle Auswirkungen – nicht nur auf die Betriebe und ihre Mitarbeiter, sondern auch auf „Gaskraftwerke, die Strom und die Fernwärmeauskopplung und die Versorgung Wärme produzieren sind die mit Hygieneprodukten, in Papier verpackten beste verfügbare Technik, weil Lebensmitteln und Medikamenten. Die bisher von sie hocheffizient sind und gerin- der Regierung angekündigten Entlastungs ge CO2-Emissionen verursachen.“ maßnahmen helfen nicht ausreichend. Um sicherzustellen, dass nicht noch weitere Betriebe Kurt Maier, Präsident Austropapier und stillgelegt werden müssen, braucht es jetzt weitere CEO Heinzel Group Schritte zur Entlastung, zum Beispiel eine rasche Umsetzung der indirekten CO 2-Kosten kompensation. Das würde bedeuten, dass energieintensive Unternehmen die von Strom Auswirkungen auf unsere Unternehmensgruppe lieferanten eingepreisten CO2-Kosten rückerstattet für das Geschäftsjahr 2022 schon jetzt zu bekommen. quantifizieren. Für das restliche Jahr kann in unserem Glaswerk in der Ukraine nicht mehr Regionale Lieferketten fokussieren produziert werden. Das führt zu einer Reduktion Fotos: Lafarge, SKF, Laakirchen, Heinzel Group des Nettoumsatzes der Gruppe um rund zehn Auch für den Wälzlager-Erzeuger SKF hat die Prozent“, so das Unternehmen. Corona-Pandemie in den vergangenen Jahren die Rohmaterialverfügbarkeit durch Beeinträchtigung der globalen Transport- und Logistikketten spürbar Papierindustrie erschwert. Der Krieg in der Ukraine hat diese Österreichs Papierindustrie leidet enorm unter Entwicklung nochmals verschärft. „Wir gehen von den exorbitant gestiegenen Energiepreisen. Die einer weiteren Verknappung von Rohstoffen und energieintensiven Unternehmen der Papier Rohmaterialien bzw. von weiter steigenden Preisen industrie zahlen derzeit bis zu zehnmal mehr für im Energiebereich aus. Unsere Kernaufgabe besteht 12 industrie aktuell | 2022 | 1
energiekosten forum Bei SKF geht man von einer weiteren Verknappung von Rohstoffen Für die Herstellung einer Tonne Zement werden im Durchschnitt 114,82 und Rohmaterialien bzw. von weiter steigenden Energiepreisen aus. kWh elektrischer Strom benötigt – eine dramatische Situation für Lafarge. darin, diese negativen Rahmenbedingungen der fossilen Brennstoffe ist gering (rund 10 Prozent bestmöglich abzufedern und nicht auf unsere und weniger). Lafarge hat ca. 30 Jahre und sehr Wettbewerbsfähigkeit durchschlagen zu lassen“, viele Investitionen gebraucht, um sich aus der sagt SKF-CEO Franz Hammelmüller, und weiter: Abhängigkeit von Kohle, Öl und Gas zu retten.Beim „Wir sind überzeugt, dass eine energiepolitische Lösung nur durch eine geeinte Vorgehensweise in Europa gefunden werden kann: kurzfristig durch möglichst schnelle Alternativen zur Gasversorgung „Wir haben heute beinahe von Russland sowie mittel- und langfristig durch die Unabhängigkeit von Gas-, gemeinsame und übergreifende Lösungen bei Öl- und Kohleimporten sowie Alternativenergien. Die Fokussierung auf regionale eine regionale Versorgung Lieferketten ist ein richtiger und wichtiger Schritt, um vergleichbare Situationen und Abhängigkeiten mit ressourcenschonenden in Zukunft zu vermeiden.“ Rohstoffen erreicht.“ Berthold Kren, CEO Lafarge Unabhängigkeit von Erdgas Die Kostenexplosion bei den Primärenergieträgern wie Kohle, Öl und Gas spürt man in den Zement Strom ist die Situation aber nach wie vor dramatisch. werken von Lafarge vor allem bei zugekauften Für die Herstellung einer Tonne Zement werden im Produkten, welche in der Erzeugung von diesen Durchschnitt 114,82 kWh elektrischer Strom Energieträgern abhängig sind. „Aufgrund der bereits benötigt. Mittel- und langfristig erwartet man bei in den späten 1980ern begonnenen und konsequent Lafarge einen Nachteil für den österreichischen fortgesetzten Strategie, aus Sekundär- und Standort, wenn die regionale Elektrizitätsversorgung Abfallstoffen Energie zu produzieren, haben wir nicht rasch verbessert wird. Bereits jetzt sind heute beinahe die Unabhängigkeit von Gas-, Öl- und eklatante Preisunterschiede mit Nachbarmärkten Kohleimporten sowie eine regionale Versorgung feststellbar und bei weiterer Verschlechterung der mit ressourcenschonenden Rohstoffen erreicht“, Lage wird das zu Verzerrungen am Markt führen. erklärt Berthold Kren. Erdgas hat nur noch eine Es ist dringender Handlungsbedarf gegeben, Netz- geringe Bedeutung für Lafarge. Fossile Brennstoffe und Versorgungskapazitäten beim Strom kommen nur bedingt zum Einsatz. Wenn sich der auszubauen. Ofen im Normalmodus befindet, dann werden vorwiegend Ersatzbrennstoffe eingesetzt, der Anteil Autorin: Herta Scheidinger industrie aktuell | 2022 | 1 13
cover interview | christiner & karall „Ein Investitionsplan in der Höhe von 18 Milliarden Euro liegt vor“ DI Mag. (FH) Gerhard Christiner, Technischer Vorstand der APG und Mag. Thomas Karall, Kaufmännischer Vorstand der APG, sprechen im Interview über ausbleibendes Gas aus Russland, die Energiewende, Genehmigungsverfahren und den Komplettumbau des österreichischen Stromnetzwerkes. DI Mag. (FH) Gerhard Christiner, Technischer Vorstand der APG und Mag. Thomas Karall, Kaufmännischer Vorstand der APG, im Interview. A ngesichts der aktuellen politischen Lage im Gerhard Christiner: Ohne Gaskraftwerke ist eine Osten Europas stellt sich die Frage der sichere Stromversorgung Österreichs derzeit nicht Zuverlässigkeit der Gaslieferungen aus möglich. Im Februar haben wir ein Drittel des Russland. Zunehmend werden Rufe laut, die einen Stroms aus Gas, ein Drittel aus Erneuerbaren schnellen Ausstieg aus der Abhängigkeit russischer gewonnen und ein Drittel haben wir importiert. Erdgaslieferungen verlangen. Stattdessen soll Wir brauchen mehr erneuerbare Energie. der Ausbau alternativer Energiequellen forciert werden, wofür aber einige Hürden genommen Für den Fall, dass Gaslieferungen aus dem Osten Fotos: APG, beigestellt werden müssen. ausbleiben, wäre es möglich, das Erdgas durch andere Energiequellen zu ersetzen? Wie stark ist die Stromproduktion in Österreich von Erdgasimporten aus Russland abhängig? Thomas Karall: Mittel und langfristig benötigen 14 industrie aktuell | 2022 | 1
interview | christiner & karall forum wir mehr Ausbau von erneuerbaren Energien und Was ist notwendig, um das Thema in der Bevölkerung einen dementsprechenden Netzausbau, um noch stärker zu verankern? mehr Strom aus grüner Energie zu gewinnen. Christiner: Um den Klimawandel zu bewältigen, Im Hinblick auf die Energiewende wird ohnehin ge- müssen wir als Gesellschaft kompromissbereit fordert, verstärkt auf alternative Energiequellen zu und veränderungswillig sein. Als Unternehmen bauen, auch um autark und somit unabhängig von heißt das, höchstmögliche Transparenz zu schaffen Energieimporten zu werden. Für eine autarke Strom- und die Menschen in die Entwicklungen frühzeitig versorgung aus alternativen Energiequellen in Ös- einzubeziehen. Die Energiewende sowie die terreich kommen Biogas, Wind, Sonne und Wasser- Elektrifizierung von der Gesellschaft, der Wirtschaft kraft in Frage. Welche Herausforderungen gilt es hier und der Industrie ist ein gesellschaftliches beim Ausbau der Netze zu bewältigen? Großprojekt das neben den erforderlichen Christiner: Wir befinden uns inmitten eines Systemumbaus, damit die Energiewende und die CO2-freie Stromversorgung von Gesellschaft, Um den Klimawandel zu Wirtschaft und Industrie gelingt. Bis 2030 muss der Stromverbrauch zu 100 Prozent mit nachhaltiger bewältigen, müssen wir als Energie gedeckt werden. Das bedeutet eine Gesellschaft kompromissbereit Verdoppelung der erneuerbaren Anlagen, die wir bereits jetzt in Österreich haben. Unsere Aufgabe und veränderungswillig sein. ist es, Österreich auch während dieser Umbauphase sicher mit Strom zu versorgen. In diesem Transformationsprozess ist es notwendig, im Gesamtsystem – Erzeugung, Stromnetz, Speicher technischen Um- und Ausbauten die – ausreichende Kapazitäten zu schaffen. Unsere wirtschaftlichen Voraussetzungen und vor allem nahezu täglichen Eingriffe in den Strommarkt – 241 einen von der Politik vorgegebenen Tagen im Jahr 2021 – zeigen, dass das Stromsystem Ordnungsrahmen benötigt. Wenn wir dieses immer öfter in den Grenzbereich fährt. Nur durch Verständnis gemeinsam entwickeln und in der unser hoch qualifiziertes Personal in unserer Umsetzung keine Verlierer zurücklassen, dann Steuerzentrale, die europäische Zusammenarbeit werden wir die Bevölkerung für diesen Weg sowie regelmäßige Simulationstrainings können gewinnen. Nur mit offensiver Kommunikation und derartige Zwischenfälle gemanagt werden. Einbeziehung möglichst aller Akteure und dem Verständnis zur Schaffung nachhaltiger Karall: Die Netzinfrastruktur der APG ist mit ihren Lebensbedingungen, für zukünftige Generationen, verfügbaren Kapazitäten am Limit und deswegen werden wir das Bewusstsein schaffen und somit ist ein zeitgerechter Um- und Ausbau das Gebot mögliche Widerstände gemeinsam überwinden. der Stunde. 2022 investieren wir rund 370 Milli- Wir müssen es schaffen von „not in my backyard“ onen Euro in unsere Strominfrastruktur. In den zu „as soon as possible“ zu kommen. kommenden zehn Jahren werden wir 3,5 Milliarden Euro in den Um- und Ausbau investieren. Verfüg- Was wäre aus Ihrer Sicht von staatlicher Seite zu bare State-of-the-Art-Technologien und die tun, um die Wende in Österreich zu schaffen? Weiterentwicklung von digitalen Plattformen, mittels derer alle Akteure des Stromsystems Karall: Die aktuellen Entwicklungen der Strom- und integriert und für Systemdienstleitungen nutzbar Energiepreise sowie die geopolitischen gemacht werden, unterstützen darüber hinaus die Entwicklungen in der Ukraine zeigen, wie wichtig Versorgungssicherheit 24/7 zu gewährleisten. eine rasche und sichere Transformation zu einem industrie aktuell | 2022 | 1 15
cover interview | christiner & karall nachhaltigen Energiesystem ist. Dazu braucht es Bereiche wie Gebäudesanierung, Mobilität, eine umgehende Gesamtsystemplanung sowie Speicher, Einsatz neuer Technologien dazuzählen, entsprechende Kapazitäten in den Bereichen Netze, dann ist gesamthaft von mehreren dutzenden Speicher, Produktion, Reserven und digitale Milliarden Euro für das Gesamtprojekt der Plattformtechnologien zur Nutzung der Flexibilitäten Energiewende auszugehen. aller Akteure des Systems. Dies alles muss umgehend erfolgen. Die Beschleunigung und In welchem Ausmaß werden Energiekosten für die Vereinfachung von Genehmigungsverfahren, der Österreicher steigen? Schutz von Planungs- und Bestandstrassen, ein modernes Regulierungssystem und die Schaffung Karall: Aufgrund der steigenden Investitionen in ausreichender Ressourcen auf Behördenseite sind der gesamten Energiewirtschaft werden die Ge- dabei ein zentraler Hebel. Nur dann kann das APG samtkosten für die Energiewende steigen. Dazu Investitionsprogramm von 3,5 Mrd. Euro bis 2032 gehört naturgemäß auch die Netzinfrastruktur. in die heimische Strominfrastruktur ihren Beitrag Der Netzentwicklungsplan der APG ist beim Re- zur Energiewende, der sicheren Transformation gulator bescheidet und somit auch unser Investi- sowie der Elektrifizierung aller Sektoren leisten. tionsplan für die nächsten Jahre legitimiert. Die Wir müssen so schnell wie möglich vom Planen ins Aufteilung der Kosten für die Energiewende ist Tun kommen. Das sind wir unseren Kindern schuldig. eine zutiefst gesellschaftspolitische Frage, die an anderer Stelle zu klären ist. Wie lange schätzen Sie, wird die Umstellung dauern und mit welchen Kosten wird sie verbunden sein? Wieviel Zeit wird der Netzumbau in Anspruch nehmen? Sind hier nicht Milliarden-Investitionen Christiner: Fakt ist, dass es energiepolitische dafür notwendig? Zielsetzungen auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene gibt, beispielsweise Strom aus Christiner: Der Netzentwicklungsplan 2021 100 Prozent Erneuerbaren bis 2030 oder das beinhaltet insgesamt 46 Projekte. Dieser beinhaltet Pariser Klimaschutzabkommen. Es liegt in der die Errichtung 20 neuer Umspannwerke – für die Verantwortung aller maßgeblichen Akteure alles Verbindung zu den Verteilernetzen, die sichere zu tun, damit wir vom Planen ins Tun kommen. Die Stromversorgung und als Einspeisepunkte für die erneuerbaren Energieträger – sowie wichtige Lei- tungsgroßprojekte. Im diesjährigen Netzentwick- lungsplan wurden 14 Projekte neu zur Genehmi- gung eingereicht und durch die Regulierungsbe- Wir investieren alleine heuer 370 hörde E-Control genehmigt. Die dringend erfor- Millionen Euro in die Modernisierung derlichen Maßnahmen gegen den Klimawandel unserer Strominfrastruktur. benötigen eine rasche Energiewende. Für die sichere Transformation des Stromsystems hin zu ausschließlich erneuerbaren Energien ist die Um- setzung der im Netzentwicklungsplan enthaltenen Projekte essenziell. Österreich liegt mit einer Zieldiskussion müssen wir sofort beenden. Es Versorgungssicherheit von 99,99 Prozent im braucht eine Fokussierung wie wir gemeinsam die weltweiten Spitzenfeld. Damit das auch während Projekte umsetzen können. Alleine im Bereich der der Transformation des Energiesystems so bleibt, Stromnetze liegt ein Investitionsplan in der Höhe benötigen wir den Ausbau der Kapazitäten des von 18 Milliarden Euro vor. Wir investieren alleine Stromnetzes synchron mit den weiteren Bereichen heuer 370 Millionen Euro in die Modernisierung des Stromsystems, wie Speicher, Kraftwerksre- unserer Strominfrastruktur. Wenn Sie dann noch serven, nachhaltiger Produktion und deren Inte- 16 industrie aktuell | 2022 | 1
interview | christiner & karall forum gration. Zusätzlich bedarf es der Nutzung digitaler auf Strom aus Erneuerbaren umsteigen können, Plattformtechnologien zur Integration aller Ak- ist ihr Überleben gesichert. Denn die hohen CO2 teure des Energiesystems. Damit vor allem die -Steuern wird sich auf Dauer niemand leisten Leitungsgroßprojekte zeitgerecht umgesetzt wer- können. Der Ausbau des österreichischen den können, bedarf es verbesserter Rahmenbe- Hochspannungsnetzes insgesamt, (z. B. Wein dingungen bei den Genehmigungsverfahren. Ein viertelleitung, Zentralraum Oberösterreich), wesentlicher Faktor für die Umsetzung der ermöglicht erst Projekte wie etwa eine Umstellung notwendigen Leitungsprojekte ist die Dauer der der voestalpine auf Wasserstoff oder auch Genehmigungsverfahren. Diese sind derzeit sehr Investitionen der Infineon in Villach. komplex und langwierig. Denken Sie etwa an die Salzburgleitung, die erst mit einer Verspätung von Welche Rolle wird Wasserstoff im Rahmen der zehn Jahren gebaut werden konnte. Um diese Energiewende spielen? Defizite zu beseitigen und den bereits zeitlich stark verzögerten Netzausbau, sowie die Strom- und Christiner: Grüner Wasserstoff könnte künftig eine Energiewende in Österreich zu beschleunigen, gilt wesentliche Rolle bei der Dekarbonisierung des es die Rahmenbedingungen zu verbessern. Energiesystems spielen und kann somit entschei- dend zur Flexibilisierung des Stromsystems beitra- Wird sich das nicht auch negativ auf den Industrie- gen. In der Hochlaufphase müssen Anreize gesetzt standort Österreich auswirken? werden, um einen Aufbau der Erzeugung von grü- nem Wasserstoff im Wettbewerbsmarkt zu ermög- Karall: Alle großen Leitungsprojekte der APG sind lichen. Zudem sollen Elektrolyseure und Pumpspei- essenziell für die Umsetzung der Energiewende cherkraftwerke künftig von Netznutzungs- und sowie der Elektrifizierung der Industrie in Netzverlustentgelten befreit werden. Österreich. Nur wenn Unternehmen, deren Prozesse stark auf fossilen Energien aufbauen, Autor: Stephan Scoppetta industrie aktuell | 2022 | 1 17
politik studie | maritime wirtschaft Die Maritime Wirtschaft Österreichs in Zahlen „Ocean industries are not developing in isolation, neither from one another nor from the ocean environment of which they are part. On the contrary, they interrelate and interact with other activities and their ocean surrounds in a myriad of different ways.“ (The Ocean Economy 2030, OECD) E s mag seltsam anmuten, Wirtschaftsaktivität Industriewissenschaftlichen Institutes (IWI) mit Meeresbezug in einem Staat zu analysie- erwirtschaften 361 österreichische Unternehmen ren, der seit rund 100 Jahren keinen eigenen einen inlandswirksamen Maritimen Jahresumsatz Zugang mehr zum Meer hat. Die Führungsrolle von bis zu 1,28 Mrd. Euro. Insgesamt sind in der österreichischer Firmen und Produkte in Nischen Maritimen Wirtschaft bis zu 4.182 Beschäftigte in am Weltmarkt sorgt aber trotzdem dafür, dass in Österreich tätig. Diese Unternehmenssubstanz ist Österreich eine Basis an international erfolgreichen mehrheitlich groß- und mittelbetrieblich strukturiert. Aktivitäten im Segment der Maritimen Wirtschaft Regional betrachtet zeigt sich, dass viele Standorte vorliegt. Laut einer Untersuchung des in seenreichen Gebieten vorzufinden sind (z. B. im Salzkammergut); zusätzlich sind die Landes hauptstädte aufgrund ihrer Attraktivität als Infobox Headquarter-Standort häufig vertreten. Die Europäische Union subsummiert dem Intensive volkswirtschaftliche Meer zurechenbare wirtschaftliche Aktivitä- Verflechtung ten unter „blue economy“, also der Blauen Wirtschaft. Sie umfasst alle Sektoren und Die Maritime Wirtschaft ist ein vernetzter Faktor sektorübergreifenden wirtschaftlichen im gesamtwirtschaftlichen Gefüge. Sie löst nicht Tätigkeiten, die auf Ozeanen, dem Meer oder nur in den eigenen Unternehmen Umsätze, Wert- Küsten basieren oder damit in Verbindung schöpfung oder Beschäftigung aus, sondern ist stehen. In ihrem Blue Economy Report fasst über Verflechtungen mit zahlreichen anderen die Europäische Union jährlich Stand und heimischen Branchen verbunden, sowohl auf der Entwicklung der Maritimen Wirtschaft Seite ihrer Zulieferer als auch auf der Seite der zusammen. Kunden. Über ihre wirtschaftliche Vernetzung mit anderen Wirtschaftsbereichen geben die Maritimen Klassische Maritime Segmente: lebende Unternehmen Impulse an die gesamte Meeresressourcen, leblose Meeresressour- österreichische Volkswirtschaft weiter. cen, standortgebundene Offshore Windkraftanlagen, Hafen-Aktivitäten, Die Kooperation mit anderen Unternehmensein- Schiffbau und -instandhaltung, Maritimer heiten sowie der Bezug von Vorleistungen werden Transport, Küstentourismus. neben direkten zusätzlich indirekte und induzier- te Effekte bewirkt. Bei den direkten Effekten han- Aufkommende Maritime Segmente: Meeres- delt es sich um Effekte, die unmittelbar durch die energie (Ocean Energy: floating wind energy, Maritimen Unternehmen in der österreichischen wave and tidal energy etc.), Meeresminerali- Volkswirtschaft zu beobachten bzw. zu messen en (marine minerals), Entsalzung sind. Indirekte Effekte der Maritimen Unternehmen (Desalination), Maritime Verteidigung, werden auf Seite der Nachfrage entlang der ge- Unterwasserkabel. samten Wertschöpfungskette des Vorleistungs- verbundes induziert (Backward-Linkages), indes- 18 industrie aktuell | 2022 | 1
studie | maritime wirtschaft politik Volkswirtschaftliche Effekte der Maritimen Wirtschaft x 1,97 x 2,24 x 2,56 10.722 3.464 2.524 2.524 598 240 3.076 Direkte Effekte 1.281 645 4.182 372 222 Indirekte Effekte 1.281 372 4.182 Induzierte Effekte Umsatz Wertschöpfung Beschäftigungsverhältnisse (in Mio. Euro) (in Mio. Euro) Anm.: Rundungsdifferenzen möglich. Auswertung nach ÖNACE 2008. Input-Output-Tabelle 2016. Output-zu-Output-Modell des IWI. Beschäftigungsverhältnisse (BV) werden mit den Angaben zu Mitarbeiterzahlen aus der Datenbank des IWI harmonisiert und modell-exogen ausgewiesen. Infolgedessen beruhen ebenso etwa die Arbeitnehmerentgelte mittelbar auf den Ergebnissen der IO-Analyse. Quelle: IWI (2020) auf Basis der Statistik Austria (div. Jahre), Input-Output-Tabellen, Volkwirtschaftliche Gesamtrechnung 2019 sen ergeben sich induzierte Effekte über den durch belaufen sich die kumulierten Arbeitnehmerentgelte die (direkt und indirekt) generierte Beschäftigung der Maritimen Unternehmen auf eine Summe von bzw. über den durch die generierten Investitionen 449 Mio. EUR, davon 208 Mio. EUR direkt sowie der Maritimen Wirtschaft österreichischen Volks- 121 Mio. EUR indirekt und 120 Mio. EUR induziert. wirtschaft ermöglichten Konsum. Werden die mittelbaren profitierenden Branchen Aus einer vonseiten des IWI realisierten betrachtet, so geht hervor, dass jene, die indirekt gesamtwirtschaftlichen Modellrechnung für das sowie induziert am meisten von der Maritimen Referenzjahr 2019 ergibt sich, dass mittels der Wirtschaft Nutzen ziehen, (gemessen an der Maritimen Wirtschaft ein gesamtwirtschaftlicher Wertschöpfung) u.a. das Grundstücks- und Umsatz in Höhe von 2,52 Mrd. EUR in Österreichs Wohnungswesen mit rund 56 Mio. EUR, der Wirtschaft ausgelöst wird; das entspricht in etwa Großhandel mit 39 Mio. EUR sowie mit rund 0,27 Prozent an gesamtwirtschaftlichem Anteil. In 26 Mio. EUR die Forschung und Entwicklung sind. weiterer Folge initiieren die Maritimen Unternehmen Die Beherbergung & Gastronomie profitiert mit 24 eine gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung in Höhe Mio. EUR. Es folgen u. a. die Branchen der Lagerei von 0,83 Mrd. EUR, wovon 0,37 Mrd. EUR direkt auf sowie Erbringung von sonstigen Dienstleistungen die Maritime Wirtschaft abzuleiten sind sowie sich für den Verkehr, des Einzelhandels, der Herstellung 0,22 Mrd. EUR an indirekten und 0,24 Mrd. EUR an von Metallerzeugnissen und der Erbringung von induzierten Wertschöpfungseffekten ergeben. Finanzdienstleistungen. Summa summarum können mehr als 10.700 abgesicherte Arbeitsplätze in der heimischen Die Maritime Wirtschaft kann auch in Österreich Volkswirtschaft den Unternehmen der Maritimen Wohlstand generieren. Mit jedem erwirtschafteten Wirtschaft zugerechnet werden. Direkt sind rund Euro wird in der heimischen Volkswirtschaft ein 4.200 Beschäftigte zuzuordnen, über indirekte weiterer Euro generiert. Mit jedem Arbeitsplatz Effekte bzw. Vorleistungsverflechtungen ergeben werden eineinhalb weitere Arbeitsplätze gesichert. sich rd. 3.100 Beschäftigte in Österreichs Wirtschaft Österreichs Wirtschaft ist stark, kreativ und sowie weitere rund 3.500 Beschäftigte über anpassungsfähig, auch in Segmenten, die auf den induzierte Effekte. ersten Blick überraschen mögen. In Vollzeitäquivalente (VZÄ) ausgewiesen, ergeben . sich durch die Aktivitäten der Maritimen Wirtschaft 9.300 VZÄ; direkt 3.900 VZÄ sowie weitere 2.600 Autor: Peter Luptáčik, wissenschaftlicher Bereichsleiter indirekte und 2.800 induzierte VZÄ. Insgesamt am Industriewissenschaftlichen Institut (IWI). industrie aktuell | 2022 | 1 19
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