Inklusion Film 9 - Vision Kino
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IMPRESSUM Herausgeber Schlussredaktion Vision Kino gGmbH – Sabine Genz, Maren Wurster Netzwerk für Film- und Medienkompetenz Sarah Duve (V.i.S.d.P.) Lektorat Rifka Ajnwojner, Mandy Rosenhan, Lisa Haußmann, Große Präsidentenstraße 9 Natália Wiedmann 10178 Berlin Tel.: +49 (0)30 27577 - 571 Dank an: Marlies Baak-Witjes (FILM+SCHULE NRW), Fax: +49 (0)30 27577 - 570 Natalie Gravenor und Cuni Ploner (EYZ Media), E-Mail: info@visionkino.de Maria Frahling, Marina Bänke (Bürgerhaus Benno- www.visionkino.de haus), Jana Hornung (FILMERNST), Telke Reeck (Blickwechsel e. V.), Gunhild Schönenberg-Gadatsch Autorin (Förderschullehrerin an der Selztalschule in Nieder- Claudia Ziegenfuß Olm), Andrea Nadolny (Schule am Haus Langendreer, Bochum), Gudrun Sommer (doxs! dokumentarfilme Redaktion für kinder und jugendliche) Michael Jahn, Reinhard Middel Layout Fachliche Beratung www.tack-design.de Dr. Ingo Bosse, TU Dortmund VISION KINO ist eine gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung der Film- und Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Sie wird unterstützt von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Filmförderungsanstalt, der Stiftung Deutsche Kinemathek sowie der „Kino macht Schule“ GbR, bestehend aus dem Verband der Filmverleiher e. V., dem HDF Kino e. V., der Arbeitsgemeinschaft Kino – Gilde deutscher Film kunsttheater e. V. und dem Bundesverband kommunale Filmarbeit e. V. Die Schirmherrschaft über VISION KINO hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übernommen. 5. Auflage © VISION KINO, Januar 2018 2
INHALT EDITORIAL 4 1 INKLUSION UND FILMBILDUNG 6 1.1 Was bedeutet Inklusion? 6 1.2 Chancen einer inklusiven Filmbildung 8 2 VORAUSSETZUNGEN UND RAHMENBEDINGUNGEN INKLUSIVER FILMBILDUNG 10 2.1 Barrierefreier Film 10 2.2 Barrierefreie Filmvorführungen im Kino 11 2.3 Inklusiver Kinobesuch 17 3 METHODEN INKLUSIVER FILMBILDUNG 22 3.1 Filmbildung in heterogenen Lernarrangements 22 3.2 Film verstehen – rezeptive Methoden 25 3.3 Film erleben – aktive, handlungsorientierte Methoden 37 4 AUS DER PRAXIS 53 4.1 Siehste Töne!? Hörste Bilder!? 53 4.2 Auf ins Leben! Meine Medien – meine Möglichkeiten 57 4.3 Kultur aktuell – Film 60 ANHANG 64 3 Informationsangebote 64 3 Projekte und Initiativen 66 3 Filmtipps 68 3 Unterstützende Technologien 77 3
EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, Der Praxisleitfaden richtet sich an alle inklusions- und filmpädagogisch Interessierten, vorrangig wer einmal erlebt hat, wie sich Kinder und Jugend- an Lehrkräfte und (Medien-)Pädagogen/innen, liche für Film und Kino begeistern, vermag sich aber auch an engagierte Kinobetreiber/innen und vorzustellen, welche außergewöhnlichen und im Multiplikatoren/innen. Er bietet Hilfestellungen für wahrsten Sinne des Wortes umfassenden Mög- die Beschäftigung mit Film in heterogenen Lern- lichkeiten das Medium Film in einer inklusiven gruppen ab der 1. Klasse. Zunächst geht es um die Bildungslandschaft bieten kann. Filme offerieren Klärung der Fragen, welche Voraussetzungen erfüllt nicht nur einen emotionalen Zugang zu vielfältigen sein müssen, damit ein umfassend barrierefreies Themen, Perspektiven, Lebenswelten und Kulturen. Filmerleben für alle möglich wird. Darauf aufbau- Wie kaum ein anderes Medium und kaum einer an- end stellt der Leitfaden eine Vielzahl an Methoden deren Kunstform gelingt es dem Film, eine Vielzahl und Übungen vor, mit deren Hilfe sich Filme – bei- von Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrer spielsweise nach einem Kinobesuch – rezeptiv und sozialen Herkunft und ihrer Bildung zu faszinieren inklusiv erschließen lassen. Praktische Tipps für ei- – unabhängig auch von Beeinträchtigungen und gene Filmübungen, von denen vor allem Lernschwä- Einschränkungen. chere sowie Schüler/innen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen profitieren können, runden das So verwundert es nicht, dass Angebote wie die Methodenkapitel ab. Schließlich werden drei Pro- SchulKinoWochen gerade von Schulen mit För- jekte mit praktisch erprobten Ansätzen inklusiver derschwerpunkt sehr intensiv wahrgenommen Film- und Medienbildungsarbeit exemplarisch vor- werden. Bei der Auswertung dieser und anderer gestellt. Der Anhang verweist auf weiterführende Filmbildungsangebote hat sich jedoch auch gezeigt, Angebote, Projekte und Institutionen und enthält dass in der Umsetzung inklusiver Konzepte noch eine kleinere Auswahl pädagogisch geeigneter erheblicher Verbesserungsbedarf besteht und der Filme zum Themenkomplex Inklusion, Ausgrenzung Wunsch nach weiterer Unterstützung groß ist – und Behinderung. nicht nur bei der Überwindung baulicher oder tech- nischer Barrieren, die bei der Planung eines Kinobe- Uns ist bewusst, dass der Leitfaden nur eine suchs immer mitbedacht werden müssen, sondern Momentaufnahme in einem sich dynamisch ent- auch bei methodisch-didaktischen Fragen. Lehrkräf- wickelnden Feld sein kann, das es auch filmpäda- te sind im Schulalltag hinreichend damit vertraut, gogisch in weiten Teilen erst noch zu erschließen Hindernisse aus dem Weg zu räumen, verfügbare gilt. Um so mehr hoffen wir, dass unser praxisorien- Materialien zu überarbeiten oder Methoden für tierter Leitfaden vielfältige und hilfreiche Anre- heterogene Lernumgebungen anzupassen, wenn gungen für die filmbildnerische Arbeit liefern kann, beispielsweise die vorgeschlagenen filmdidak- um den Unterricht mit Kindern und Jugendlichen tischen Unterrichtsvorschläge den Kompetenzen inklusiv zu erweitern – und zu bereichern! der Schüler/innen nicht in wünschenswerter Weise gerecht werden. Eine stärker an den Bedürfnissen des inklusiven Schulalltags orientierte Film- und Viel Spaß und Inspiration bei der Lektüre wünscht Medienpädagogik sollte dies mehr als bisher antizi- Ihnen pieren und differenziertere Angebote machen. Mit dem Praxisleitfaden Inklusion und Film möch ten wir die vielfältigen Anregungen aufgreifen und einen Anstoß geben, die Chancen und uner- schlossenen Potenziale der Filmbildung für einen Sarah Duve inklusiven Unterricht noch stärker zu nutzen. Geschäftsführerin 4
Unsere Angebote 3 SchulKinoWochen Das bundesweit größte Filmbildungsangebot bietet ein umfangreiches Programm an Filmen, Kinovorstellungen und Filmgesprächen für Schulklassen sowie Begleitmaterialien und Fortbildungsmöglichkeiten. 3 FilmTipps Die monatlich erscheinenden FilmTipps informieren über Inhalt und Umsetzung aktueller, bildungsrelevanter Filme und bieten Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit. 3 kinofenster.de Das filmpädagogische Online-Angebot bietet Besprechungen bildungsrelevanter Filme, Hintergrundtexte und Unterrichtsvorschläge, Links zu Begleitmaterialien sowie eine umfassende Datenbank mit Terminen, Adressen und Literaturhinweisen. 3 Publikationen Leitfäden für Lehrkräfte und Eltern, Filmhefte und didaktische DVDs bieten praxisnahe Informationen für die Schulkinoarbeit. Unter dem Titel „Deutsch lernen mit Filmen: sehen, verstehen & besprechen“ hat VISION KINO im Jahr 2016 zu fünf Kinder- und Jugendfilmen Materialien veröffentlicht, die sich besonders für den Unterricht in Klassen mit neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen eignen. Auch die aktualisierte und erweiterte Neuauflage der didaktischen DVD „Film (er)leben!“, die sich an Lehrkräfte inklusiver Lerngruppen von der 1. bis zur 6. Klasse richtet und barrierefreie Film- und Unterrichtsmaterialien enthält, stellt zusätzliche Arbeitsmaterialien für den Spracherwerb und die Sprachförderung bereit. Neu ist auch die Veröffentlichung der Unterrichts-DVD „Film verstehen I Geschichte: Holocaust“ für die Sekundarstufen I und II, die Themen des Holocaust mithilfe von Ausschnitten aus Spielfilmen aufgreift und dabei die Vermittlung von historischem Wissen mit dem Erwerb von Filmkompetenz verknüpft. 3 Kongress „Vision Kino: Film – Kompetenz – Bildung“ Das alle zwei Jahre stattfindende Forum zum Thema Filmbildung für Akteure aus Bildung, Kultur, Filmbranche und Politik. 5
1. INKLUSION UND FILMBILDUNG 1.1 Was bedeutet Inklusion? (1) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, sofortige, wirksame und geeignete Maßnahmen zu Inklusion ist ein Menschenrecht. Niemand sollte in ergreifen, um unserer Gesellschaft auf Grund von Behinderung, Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Identität, sozialer a) in der gesamten Gesellschaft, einschließlich oder ethnischer Herkunft oder Religionszuge- auf der Ebene der Familien, das Bewusstsein für hörigkeit ausgegrenzt und diskriminiert werden. Menschen mit Behinderungen zu schärfen und Ausgangspunkt inklusiven Denkens ist deshalb die die Achtung ihrer Rechte und ihrer Würde zu Anerkennung von Vielfalt, Verschiedenartigkeit und fördern; Individualität aller Menschen – eine Behinderung b) Klischees, Vorurteile und schädliche Praktiken ist dabei nur ein Merkmal unter vielen. Der Blick gegenüber Menschen mit Behinderungen, wird frei für Chancen sowie Möglichkeiten in der einschließlich aufgrund des Geschlechts oder individuellen Kompetenzentwicklung eines/r Jeden. des Alters, in allen Lebensbereichen zu Persönliche Fähigkeiten, Geschlecht, Alter oder bekämpfen; die soziale und ethnische Herkunft sollen nicht länger als Gründe für eine Benachteiligung dienen. c) das Bewusstsein für die Fähigkeiten und den Inklusion will neben der Gleichstellung von Men- Beitrag von Menschen mit Behinderungen zu schen mit Behinderung deshalb auch jede andere fördern. Form von Diskriminierung abschaffen. Die schrittweise Umsetzung von Inklusion kann dazu beitragen, dass Menschen in unterschiedlichen Weitere Informationen zur Inklusion gesellschaftlichen Handlungsfeldern endlich gleich- wertig mitbestimmen und mitgestalten können. 3 UN-Behindertenrechtskonvention: Individuelle Bedürfnisse finden Berücksichtigung www.behindertenbeauftragter.de und die Unterschiedlichkeit von Menschen wird als > Staatliche Koordinierungsstelle nach Artikel 33 Gewinn für das Gemeinwesen erkannt. UN-Behindertenrechtskonvention > Download 3 UN-Behindertenrechtskonvention verständlich Ausgangspunkt für den Inklusions-Diskurs ist die erklärt: www.aktion-mensch.de/inklusion/ Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention un-konvention.php (BRK) durch die Bundesrepublik Deutschland am 26. März 2009, die sich damit zur Umsetzung eben- 3 Online-Handbuch mit Spielen, Materialien, jener verpflichtet hat. Zu den zentralen Grundsätzen Biografien und Gesetzestexten zur Inklusion als des Abkommens zählen Forderungen nach Teilhabe, Menschenrecht: Selbstbestimmung, Nichtdiskriminierung, Chancen- www.inklusion-als-menschenrecht.de gleichheit, Barrierefreiheit und die Anerkennung 3 Digitale Volltextbibliothek mit Texten und von Behinderung als Teil menschlicher Vielfalt. Materialien zum Thema Integration und Inklusion Besonders Artikel 8 des Abkommens verdeutlicht, von Menschen mit Behinderungen: dass eine inklusive Gesellschaft nur dann zum http://bidok.uibk.ac.at Tragen kommen kann, wenn sich überall ein neues Bewusstsein dafür bildet und durchsetzt: 6
INKLUSION UND FILMBILDUNG 1 Inklusion als Herausforderung mögliche Bildungsziel zu erreichen, eröffnet allen für Schule und Bildung Menschen die Chance auf ein eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben. Die Partizipation von Menschen mit Einschrän- kungen in der Gesellschaft ist eine Aufgabe, die Gerade wegen des immensen Aufwandes wird von der frühkindlichen Erziehung an umgesetzt Inklusion oft als utopische Zielvorgabe verstanden. werden muss. Demzufolge sind die Anforderungen Inklusive Richtlinien innerhalb des deutschen von Inklusion an das Gemeinwesen und hierbei Bildungssystems umzusetzen, ist keine leichte besonders an das Bildungssystem enorm. Ein grund- Aufgabe. Vielen Bildungsträgern ist bisher unklar, legender Mentalitäts- und Paradigmenwechsel ist wie die zusätzlich benötigten Ressourcen bereit unumgänglich, gerade auch im Hinblick auf das gestellt werden können. Zum Beispiel, wenn es selektive Schulsystem in Deutschland. Mit einer an entsprechenden Rahmenbedingungen und einfachen additiven Ergänzung oder Anpassung der Lernumgebungen für eine individuelle Förderung in bestehenden Schulstrukturen ist es nicht getan. Regelklassen fehlt: Schulgebäude sind nicht barri- Bisher werden Schüler/innen entsprechend der erefrei, den Lehrern/innen fehlt die entsprechende ,passenden‘ Schulform unterrichtet, sie müssen Ausbildung und inklusive Unterrichtskonzepte sich in das bestehende Schulsystem integrieren. befinden sich bis dato lediglich in der Entwicklung. Inklusive Bildung hingegen zielt darauf, dass sich das Für den Prozess der Umgestaltung schulischer Bildungssystem anpasst – und zwar an die Bedürf- Lebenswelten bedarf es deshalb dreierlei: inklusiver nisse aller Schüler/innen. Lernende mit einem Schulstrukturen, inklusiver Schulkulturen sowie zusätzlichen Förderbedarf sind dann nicht länger inklusiver Lehr- und Lernmethoden. Erst wenn ein ,Sonderfall‘, der vorsieht, sie örtlich getrennt, das Zusammenspiel aus Lernort, kompetentem inhaltlich und methodisch anders zu unterrichten als Lehr- und Betreuungspersonal sowie binnendif- ,Regelschüler/innen‘. Vielmehr haben auch sie das ferenziertem Unterricht im Schulalltag sukzessive Recht auf gemeinsamen Unterricht in einer Schule gelingt, kann eine bestmögliche Schulbildung für ihrer Wahl. Sie erhalten je nach ihren Möglichkeiten alle Schüler/innen, sei es mit oder ohne Förderbe- eine individuelle Chance zur Entwicklung, ohne dass darf, erreicht werden. dabei Leistungsorientierung allein ausschlaggebend wäre. 3 Index für Inklusion (Hrsg. Martin-Luther- Inklusion ist allerdings nicht mit einem karitativen Universität Halle-Wittenberg): Projekt zu verwechseln, das lediglich auf Schüler/ www.inklusionspaedagogik.de innen mit einer Benachteiligung zugeschnitten ist. Von einem inklusiven Schulsystem profitieren 3 Aktuelle Informationen zum Thema Inklusion aus alle Lernenden. Ein differenziertes, offenes und dem Bildungsbereich, auch als Newsletter: flexibles Schulsystem schafft es am ehesten, den www.bildungsklick.de Bedürfnissen aller Heranwachsenden gerecht zu 3 Informationen zum Thema inklusive Bildung als werden; anstelle sozialer Benachteiligung eröffnet Angebot des gemeinnützigen Vereins „bildung es Chancen auf Bildungsgerechtigkeit. Im inklusiven neu denken e. V.“: Unterricht erleben die Schüler/innen individuell www.bildung-neu-denken.de ausgerichtete und binnendifferenzierte Lernumge- bungen. Sie erfahren, was Vielfalt und Unterschied- 3 Informationen über die Inklusionspolitik der lichkeit im Umgang miteinander bedeuten, aber einzelnen Bundesländer, zusammengestellt vom auch, wie und wo Lerninhalte und gemeinsame Kölner Elternverein „mittendrin e. V.“: Interessen adäquat geteilt werden können. Soziale www.eine-schule-fuer-alle.info Kompetenz wird erlernt und ein Bewusstsein für 3 Informationsplattform für Inklusion mit Literatur- Werte und gesellschaftliche Verantwortung aufge- datenbank und Didaktikpool: baut. Erst die Möglichkeit, das individuell höchst- www.inklunet.de 7
1.2 Chancen einer nikation sowie die Interaktion innerhalb der Gruppe qualitativ gestärkt. Filmbildung bietet gerade für inklusiven Filmbildung Schüler/innen mit zusätzlichem Förderbedarf aber In den Lehrplänen für die unterschiedlichen noch mehr Chancen zur persönlichen Entwicklung: Schulformen und -fächer ist die Auseinandersetzung mit Medien inzwischen fester Bestandteil des 3 Grundlegende Stimulation der Sinne, genauso wie Bildungsauftrags. Schüler/innen erlernen und die gezielte Erweiterung von Sinneseindrücken erproben den souveränen und selbstbewussten 3 Erweiterung der Kommunikations- und Ausdrucks- Umgang mit Medien. Ziel ist es, ihnen in einer von fähigkeiten durch die „Sprache des Films“ Medien geprägten Umwelt die Orientierung zu erleichtern. Dazu gehört auch die Beschäftigung 3 Erweiterung der nichtlautsprachlichen Ausdrucks- mit dem Medium Film, wie es der Beschluss der möglichkeiten Kultusministerkonferenz der Länder zur „Medien- 3 Unterstützung der emotionalen Entwicklung, bildung in der Schule“ vom März 2012 ausdrücklich genauso wie die Stärkung des Selbstwertgefühls noch einmal bekräftigt hat. Lag der Fokus durch Erfolgs- und Kompetenzerlebnisse lange Zeit auf einer stärker rezeptiv und inhaltlich orientierten Filmbildung, so sind innerhalb der 3 Möglichkeit, die eigene Begrenztheit zu überwinden Filmbildungspraxis in den letzten Jahren vielfältige und in andere Rollen zu schlüpfen und kreative Methodenangebote entwickelt worden. 3 Gezielte Förderung von autonomem Handeln und Filmbildungsansätze, die auch die Bedürfnisse von selbstgesteuertem Lernen Menschen mit einer Behinderung angemessen berücksichtigen, sind dabei bisher nur unzureichend 3 Förderung von kooperativen und sozialen zum Tragen gekommen. Filmpädagogische Konzepte Fähigkeiten durch filmbezogene sowie projekt- und und Methoden, die den verschiedenen Anfor- ergebnisorientierte Lernformen derungsniveaus in einem sonderpädagogischen 3 Anregung zur Reflexion problematischer Medien- Lernumfeld oder dem gemeinsamen Unterricht von nutzungsweisen heterogenen Lerngruppen in der Praxis gerecht werden, stehen noch am Anfang ihrer Entwicklung. 3 Medial unterstütztes Angebot zur Selbstwahrnehmung Dabei kann gerade inklusive Filmbildung gesell- 3 Reflexive Auseinandersetzung mit den eigenen schaftliche und schulische Inklusionsprozesse auf Lebensentwürfen und der Lebensumwelt vielfältige Weise unterstützen. 3 Möglichkeit, aus der Position des/der Beobachteten Inklusive Filmbildung bietet jedem/r Schüler/in in die Position des/der Beobachters/in zu wechseln einer heterogenen Lerngruppe Raum, eigene 3 Eröffnung und Erweiterung von Partizipations- und Fähigkeiten sowie Fertigkeiten zu erkennen und zu Beteiligungsmöglichkeiten. entwickeln. In besonderer Weise wird das durch die Einbeziehung audiovisueller Medien ermöglicht. Sie eröffnen neuartige Handlungs-, Erfahrungs- und Grundlage und Voraussetzung für eine gelingende Kommunikationsräume, in denen Lehrer/innen Umsetzung inklusiver Filmbildungsmöglichkeiten optimal auf die individuellen Bedürfnisse ihrer sind jedoch Kenntnisse über barrierefreie Filmvor- Schüler/innen eingehen können. Die Heranwach- führungen, unterstützende Technologien sowie senden entdecken im Lernen mit und über Film neue inklusive Unterrichtseinheiten. Wenn all diese Ausdrucksformen, ihr Selbstbewusstsein wird durch Komponenten zusammenfließen, können Schüler/ kreatives Filmschaffen gestärkt, Erfolgserlebnisse innen mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen werden initiiert. Ebenso werden Zuversicht in das Film als Angebot zum gemeinsamen Austausch und eigene Handeln vermittelt und die soziale Kommu- als Möglichkeit für den eigenen, kreativen Ausdruck erleben. 8
INKLUSION UND FILMBILDUNG 1 Barrierefreiheit Einen Überblick über barrierefreie Techniken bei inklusiven Kinoveranstaltungen finden Sie auf den Inklusive Filmbildung hält vielfältige Chancen Seiten 13–16. zur Mitgestaltung und Partizipation bereit. Deshalb muss sie für Jede/n erreichbar sein. So Hinweise auf unterstützende Technologien, die selbstverständlich das klingt, so schwierig ist die für praktische Filmprojekte nutzbar sind, finden Sie Sicherstellung. Ein – im weiter gefassten Sinne – auf den Seiten 11–13. barrierefreier Zugang zu Medien und damit auch zu Film im Kino und außerhalb davon bleibt Menschen mit Behinderung oft verwehrt. Artikel 9 der UN- Inklusive Unterrichtseinheiten Behindertenrechtskonvention verlangt deshalb den Ziel inklusiver Klassen ist das gemeinsame Lernen gleichberechtigten Zugang zu „Information und innerhalb einer heterogenen Schülerschaft. Die Kommunikation, einschließlich Informations- und Bedürfnisse, Kompetenzen und Ausgangssituationen Kommunikationstechnologien und -systemen“ für der Schüler/innen variieren dabei unterschiedlich Menschen mit Behinderung. Inklusive Filmbildung stark und sind durch verschiedenste Faktoren als Teil umfassender Medienbildung in der Schule beeinflusst (z. B. Sprache, Alter, nationale, kulturelle, sollte niemanden zurücklassen und muss als erstes ethnische oder soziale Herkunft, bestimmte Förder- barrierefreie Zugänge sicherstellen. schwerpunkte, Behinderung oder andere Beeinträch- tigungen und Einschränkungen). Um dieser Hete- Mehr zum Thema ,barrierefreier Film‘ finden Sie rogenität auch in der schulischen Filmbildung mehr auf Seite 10. und mehr gerecht zu werden, sollten entsprechende Angebote möglichst kreativ, individualisierend und vor allem binnendifferenziert gestaltet sein. Für die Unterstützende Technologien Vorbereitung inklusiver Unterrichtseinheiten sind Zahlreiche technische Entwicklungen ermöglichen folgende pädagogischen Orientierungsleitlinien und fördern eine lebendige und aktivierende besonders relevant: binnendifferenzierte Lernar- Inklusionspädagogik. Es ist offensichtlich, dass rangements, Raum für Handlungsalternativen und dieses Entwicklungsfeld derzeit einen enormen zur individuellen Entwicklung, Lebenswelt- und Aufschwung erlebt. Schon jetzt gewährleisten Subjektorientierung, wenig Frustrationsmomente, zum Beispiel Audiodeskriptionen und Untertitel viele Erfolgserlebnisse, strukturiertes Arbeiten, das gemeinsame Erschließen von Film in einer Prozessorientierung, Handlungsorientierung/ Gruppe mit hör- und sehbehinderten Kindern und Aktivierung, Anschaulichkeit, Stärkung des Selbst- Jugendlichen. Assistive Technologien erleichtern wertgefühls sowie der Ausdrucksfähigkeit. es wiederum Heranwachsenden mit motorischen Beeinträchtigungen, an handlungsorientierten Ausführlichere Hinweise zu inklusiven Unter- Projekten teilzunehmen. Adäquate technische richtseinheiten sowie methodischen Überlegungen Hilfsmittel tragen dazu bei, den medizinischen und finden Sie auf den Seiten 22-52. defizitären Blick auf Kinder und Jugendliche mit Behinderung zu überwinden. Der Blick wird frei für eine menschenrechtliche Perspektive, innerhalb Allgemeine Infos zu Film im Unterricht derer junge Menschen wegen einer Behinderung 3 Praxisleitfaden für Lehrkräfte (Hrsg. VISION nicht länger von pädagogischen Projekten und KINO): „Schule im Kino. Tipps, Methoden und Angeboten ausgeschlossen werden müssen. Informationen zur Filmbildung“, beziehbar unter: Vielmehr obliegt es den Lehrenden, sich um eine www.visionkino.de > Publikationen > Leitfäden barrierefreie Gestaltung von Unterrichtseinheiten > Praxisleitfaden für Lehrkräfte zu bemühen. E-Mail: bestellung@visionkino.de 9
2. VORAUSSETZUNGEN UND RAHMENBEDINGUNGEN INKLUSIVER FILMBILDUNG 2.1. Barrierefreier Film Von Hindernissen beim Kinobesuch sind aber auch Personen mit Lern- und Sprachschwierigkeiten, Die Vision einer inklusiven Gesellschaft und kognitiven oder sozialen Beeinträchtigungen die damit verbundenen Anforderungen haben betroffen. Die Orientierung an unbekannten Orten mittlerweile auch das Kino erreicht. Gerade als kann für sie zu einer Hürde werden, genauso wie außerschulische Einrichtung kann es zur Begeg- die Filmvorführung selbst, wenn die Konzentrations- nungsstätte für verschiedene Schulformen und spanne überreizt wird oder die filmische Narration heterogene Schüler/innengruppen werden. Für ein zu komplex ist. Hier wird deutlich, wie notwendig inklusives Filmerlebnis bietet der Ort des Kinos und unterstützend barrierefreie Filmbildungsange- damit an sich günstige Voraussetzungen. Und doch bote auch für inklusive Schulkinoveranstaltungen ist der barrierefreie Zugang noch lange nicht für sein können. Neben baulich-technischen Aspekten alle Spielstätten Realität. Erst wenn die Ausstattung von Barrierefreiheit müssen in diesem Zusam- eines Kinos ebenso wie die seines Umfelds und menhang ebenso besondere Anforderungen an die Präsentation der Filme barrierefrei organisiert Filmauswahl, Filmlänge sowie Filmvermittlung für sind, kann von einem tatsächlich offen gestalteten heterogene Zuschauergruppen beachtet werden. Kino- und Filmangebot die Rede sein. Das erfordert entsprechende finanzielle Investitionen, die insbesondere von vielen kleinen und mittleren Kinos nicht ohne weiteres geleistet werden können. Initiativen für den Ausbau barrierefreier Filme Barrierefreiheit bedeutet nicht nur die bauliche Auch wenn es verschiedene Optionen für barrie- Anpassung von Veranstaltungsorten, zum Beispiel refreie Vorführungen gibt, steckt deren flächende- an die Bedürfnisse von Menschen mit körperlichen ckende Umsetzung noch in den Anfängen. Hier sind Beeinträchtigungen. Auch Filme selbst müssen vor allem Kinobetreiber/innen, Verantwortliche barrierefrei rezipierbar sein, wie etwa durch der Filmbranche und auch Fernsehanstalten dazu akustische Bildbeschreibungen oder erweiterte angehalten, die Bedürfnisse von Menschen mit einer Untertitel für hörbehinderte Menschen. Beide Behinderung verstärkt in den Blick zu nehmen. Eine barrierefreien Filmoptionen wurden in Deutschland Auswahl von Initiativen zeigt, wie es gehen kann: trotz der geringen Herstellungskosten bisher nur für sehr wenige Kino- und Fernsehproduktionen Bereits etwas länger setzt sich die Deutsche Hör- angeboten. Seit Januar 2014 verpflichtet die Filmför- film gGmbH (DHG) für den barrierefreien Film ein. derungsanstalt (FFA) jedoch alle Förderempfänger Seit 1998 besteht ihr Anliegen darin, sehbehinderten zur Herstellung von wenigstens einer Endfassung und blinden Menschen die visuell geprägte Welt des Films in jeweils einer Version mit deutscher der Kunst und Kultur auditiv zugänglich zu machen. Audiodeskription und mit deutschen Untertiteln. Neben den bisher erstellten Audiodeskriptionen Damit ist die Erstellung einer barrierefreien Endfas- zu mehr als 2.000 Filmen erarbeitet die DHG sung für Hörgeschädigte und Sehbehinderte nicht auch akustische Bildbeschreibungen zu anderen nur für DFFF-geförderte Projekte, sondern auch für kulturellen Angeboten wie Theaterstücken, Aus- alle Filme mit FFA-Förderung gesetzlich verankerte stellungen und Stadtführungen. Zu den Koope- Förderungsvoraussetzung. rationspartnern gehören u. a. die Internationalen 3 Zum Filmförderungsgesetz (FFG): Filmfestspiele Berlin. www.ffa.de > FFG und Regelungen 3 www.hoerfilm.de 10
VORAUSSETZUNGEN UND RAHMENBEDINGUNGEN 2 Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenver- Zum anderen unterstützen diesen Prozess neue band e. V. richtet seit 2002 jährlich den Deutschen technologische Entwicklungen in der Filmprojektion Hörfilmpreis aus. Intention dieses Preises ist es, und -rezeption. So ermöglicht etwa die Einführung Hörfilm-Produktionen, Initiativen und Projekte aus- der digitalen Vorführtechnik die zusätzliche Nut- zuzeichnen, die auf besondere Weise zur Verbrei- zung von Bild- und Tonspuren für Untertitelungen tung und Weiterentwicklung des Hörfilms beigetra- und Audiodeskriptionen. Es ergeben sich völlig neue gen haben. 2012 gewann in der Kategorie Kino WER Möglichkeiten, Filme barrierefrei zugänglich zu WENN NICHT WIR von Andres Veiel (D 2011), für machen und inklusiv zu vermitteln. die besondere Qualität der Filmbeschreibung erhielt CHANDANI UND IHR ELEFANT von Arne Birken- stock (D 2009) einen Sonderpreis. 3 www.deutscher-hoerfilmpreis.de Tipps: 3 „Handreichung und Checkliste für barrierefreie Auch das Filmfestival Aktion Mensch (2006-2013) Veranstaltungen“, erstellt vom Bundeskompetenz- mit bundesweiten inklusiven Kinovorführungen zentrum Barrierefreiheit (BKB) und K Produktion, hatte Beispielcharakter. Aktion Mensch ermöglichte unter: in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Kinobetrei- www.k-produktion.de > Download bern/innen ein umfassendes barrierefreies Angebot: Dazu gehörten Audiodeskriptionen für sehbehinder- 3 Dossier „Handlungsfelder barrierefreier Kinoge- te Menschen, spezielle Tonspuren für Schwerhörige, staltung zur Erstellung einer Zielvereinbarung“, Untertitelungen für Hörbehinderte, aber auch so- erstellt von der Interessenvertretung Selbstbe- genannte Induktionsschleifen für Hörgeräteträger/ stimmt Leben in Deutschland e. V. - ISL: innen. Die anschließenden Filmgespräche wurden www.isl-ev.de > Projekte > Zielvereinbarungen durch Gebärdensprach- und Schriftdolmetscher/ zur Barrierefreiheit innen begleitet. 3 Informationen zum Filmfestival unter: www.aktion-mensch.de > Filmfestival 2.2 Barrierefreie Filmvor- führungen im Kino Wie sehr das Kino ein geeigneter Ort für inklusive Begegnungen sein oder werden kann, zeigt sich exemplarisch an zwei Entwicklungstrends: Zum einen werden Kinobetreiber/innen durch internationale Rechtsabkommen wie die UN- Behindertenrechtskonvention, aber auch nationale Zielvereinbarungen mit anerkannten Behinder- tenverbänden verstärkt dazu aufgefordert, ihre Angebote barrierefrei zu gestalten. In den jeweiligen gesetzlichen Normierungen wird die Teilhabe am kulturellen Leben für Menschen mit Behinderungen als, Bürger- und Menschenrechtsaspekt‘ anerkannt und explizit herausgestellt. 11
Eine Auswahl barrierefreier Lösungen für Filmvorführungen im Kino Art der Behinderung Barrierefreie Lösungen Körperliche Behinderung • Barrierefreie und rollstuhlgerechte Zugänge zum Kinosaal und den sanitären Anlagen • „Rollstuhl“-Sitze • Transfer-Sitze • Treppenlift Lernschwierigkeiten und kognitive Behinderung • Untertitel und Informationsangebote in Leichter Sprache • Voice-Over-Synchronisation • Orientierungssysteme am Veranstaltungsort (Leichte Sprache, Piktogramme) Hörbehinderung und Gehörlosigkeit • Untertitel mit zusätzlicher Beschreibung von Filmtönen und -geräuschen • Filmangebote in Gebärdensprache • Induktionsschleifen für Hörgeräteträger/innen • Infrarot-Kopfhörer • Informationsangebote in Gebärdensprache • Gebärdensprachdolmetscher/in Sehbehinderung und Blindheit • Audiodeskription (Hörfilmfassung): a) digital (DCP) b) Live-Einsprache • Orientierungssysteme am Veranstaltungsort (Tastkanten, Bodenindikatoren, Lautsprecherdurchsagen) • barrierefreie Informationsangebote: zum Beispiel in Brailleschrift, akustisch (u.a. Telefonservice) oder digital verfügbar (E-Mail, Internet) 12
VORAUSSETZUNGEN UND RAHMENBEDINGUNGEN 2 Barrierefreie und rollstuhlgerechte Erweiterte Untertitel Zugänge Für Schwerhörige und Gehörlose sind Untertitel Für Rollstuhlfahrer/innen oder Personen mit einer bei einem Kinobesuch unbedingt notwendig. Gehbehinderung ist es wichtig, alle Bereiche in Einige Kinobetreiber/innen haben sich zwar bereits einem Kino problemlos und ohne Hindernisse darauf spezialisiert, Filme auch als Original mit zu erreichen – angefangen beim Eingang, über Untertiteln (OmU) zu zeigen, doch das ist für den Kartenkauf, die barrierefreie Toilette bis hin Kinobesucher/innen mit einer Hörbehinderung zum Kinosaal. Dafür sind ebene Flächen, Rampen, meist noch zu wenig. Sie benötigen speziell Fahrstühle, aber auch breite Türen wichtig. Denn erstellte Untertitel, die auch Beschreibungen der selbst eine Stufe kann zur unüberwindbaren Hürde im Film vorkommenden Umgebungsgeräusche und werden, wenn es sich bei dem Rollstuhl um ein der musikalischen Elemente beinhalten. großes und schweres Elektromodell handelt. Im Kinosaal selbst stellt sich die Frage, ob der Rollstuhl Diese besondere Form von Untertiteln ist in der beliebig neben jede Sitzreihe platziert werden Kinolandschaft bisher eine Seltenheit und findet kann oder spezielle Bereiche in der ersten oder sich lediglich in Sonderprogrammreihen wieder. letzten Reihe vorgesehen sind. Es sollten auch für Das könnte sich zukünftig ändern: Mit der ange- Rollstuhlfahrer/innen optimale Plätze geschaffen kündigten Einführung einer Subtitle-Brille von Sony werden, um Filme bestmöglich sehen und hören zu (auch ,Entertainment Access Glasses‘ oder ,Closed können. Alternativ könnten auch abbaubare Sitze je Caption Glasses‘) können Kinobesucher/innen mit nach Bedarf entsprechenden Freiraum für Gäste in einer Hörbehinderung problemlos auf Untertitel einem Rollstuhl schaffen. zu allen Filmen zurückgreifen, ohne dass dies von anderen Zuschauern/innen wahrgenommen Räumliche Barrierefreiheit in Kinos ist aber auch werden wird. Die Brille projiziert die Untertitel in für Menschen mit anderen Behinderungen und bis zu sechs verschiedenen Sprachen direkt auf die Einschränkungen von Bedeutung. Blinde und Gläser. Helligkeit und Entfernung der Untertitel zur sehbehinderte Menschen können sich zum Beispiel Kinoleinwand sind mit dem benutzerfreundlichen mittels spezieller Tastkanten, Bodenindikatoren Design individuell und passgenau einstellbar. Auch und Lautsprecherdurchsagen selbstständig durch 3 D-Filme lassen sich durch zusätzliche Clip-Ons die Kinos bewegen. Menschen mit einer kognitiven problemlos betrachten. Voraussetzung für einen Beeinträchtigung orientieren sich wiederum besser, genussvollen Kinobesuch sind lediglich qualitativ wenn die Räumlichkeiten übersichtlich gestaltet hochwertige Untertitel – eine neue Herausforde- sind und Hinweise in Leichter Sprache oder als rung für die hierauf spezialisierten Firmen. Neben Piktogramme angeboten werden. Von all diesen der Anzeige von Untertiteln können im Kino aber barrierefreien Angeboten profitieren letztlich auch auch Audiodeskriptionen für Sehbehinderte über viele andere Kinobesucher/innen: Ein Fahrstuhl wird das System angeboten werden. Mit der App GRETA ebenso gerne von Eltern mit Kinderwagen genutzt, & STARKS wurde von debese.film ein vergleichbares und Angaben in Leichter Sprache helfen oftmals Angebot für Smartphones entwickelt (siehe S.14). Menschen, die die deutsche Sprache noch erlernen. Und da Kinobesucher/innen älter und infolgedessen nicht selten in ihrer Mobilität, beim Sehen und Hören beeinträchtigt werden, wird Barrierefreiheit im Alter auch für sie ein wichtiges Thema. Überblick über Normen, Gesetze und Richtlinien für eine bauliche Barrierefreiheit: © Sony Europe Limited www.nullbarriere.de 13
Hörfilm / Audiodeskription Tipps für prämierte Hörfilme: Ein Kinofilm mit Hörfilmservice bietet den blinden 3 WER WENN NICHT WIR (Andres Veiel, D 2011) und sehbehinderten Kinobesuchern zusätzliche Bildbeschreibungen (Audiodeskription) und 3 DER MIT DEN FINGERN SIEHT somit die Chance, bestmöglich am Kinoerlebnis (Savas Ceviz, D 2011) teilzuhaben. Eine Übertragung der Audiodeskription 3 CHANDANI UND IHR ELEFANT per Funkkopfhörer oder eine auf dem persönlichen (Arne Birkenstock, D 2009) Smartphone installierte App wie GRETA & STARKS von debese.film machen dies technisch möglich. 3 LIPPELS TRAUM (Lars Büchel, D 2009) 3 DER VORLESER (Stephen Daldry, USA/D 2008 In den Dialogpausen werden Beschreibungen von Orten, Landschaften, Gegenständen, Personen, Handlungen, aber auch der Gestiken und Mimiken gegeben. Die Bildebene eines Films wird komplett hörbar und damit für Blinde erfahrbar. Erstellt wer- Wichtige Akteure im Bereich Hörfilm: den die Textpassagen von sogenannten ,inklusiven‘ 3 Hörfilm e. V. – Vereinigung Deutscher Teams, bestehend aus sehenden und nicht sehenden Filmbeschreiber: www.hoerfilmev.de Filmbeschreibern/innen. Die eigentliche Kunst besteht für sie darin, mit der Audiodeskription die 3 Deutsche Hörfilm gGmbH: www.hoerfilm.de filmische Stimmung und Atmosphäre erlebbar zu 3 Deutscher Hörfilmpreis: machen. www.deutscher-hoerfilmpreis.de Der Deutsche Hörfilmpreis, vergeben vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e. V., belohnt genau deshalb besonders gelungene Leichte Sprache Hörfilmfassungen von Fernseh- und Kinofilmen. Eine nicht zu unterschätzende Barriere für den Umgang mit Medien im Alltag von Menschen mit einer Behinderung oder anderen Einschränkungen ist eine komplizierte Sprache. Davon betroffen sind GRETA & STARKS: keineswegs nur Menschen mit Lernschwierigkeiten Die beiden Apps GRETA & STARKS wurden für oder kognitiven Beeinträchtigungen. Schwerhörige Menschen mit auditiver oder visueller Beein- und Gehörlose etwa empfinden Deutsch oft als trächtigung entwickelt. Indem die Apps die ge- Fremdsprache, da ihr Sprachvermögen und ihre sprochenen Filmbeschreibungen und Untertitel Schriftsprachkompetenz bisweilen eingeschränkt vom eigenen Smartphone abspielen, ermöglichen sind. Und Menschen mit einer Sehbehinderung fällt sie in jedem Kino einen unkomplizierten, barriere- es besonders bei komplizierten Texten im Internet freien Zugang zum Film. Die Apps erkennen schwer, angemessen zu navigieren. selbstständig den Filmstart und spielen die Mit Angeboten in Leichter Sprache sollen Texte Audiodeskription oder Untertitel synchron zum und Sprache einfacher zu verstehen sein. Damit Film ab. Die ersten Filme, zu denen GRETA & sollen Originaltexte jedoch nicht vollständig ersetzt, STARKS einen barrierefreie Zugang ermöglichten, sondern zusätzliche Angebote geschaffen werden. waren DER MEDICUS, BUDDY, IMAGINE. Auch im Kino kann eine komplexe Sprache für manche Besucher/innen zu einer Barriere bei der Orientierung werden. Abhilfe schaffen können 14
VORAUSSETZUNGEN UND RAHMENBEDINGUNGEN 2 (digitale) Programmhinweise und Orientierungs- Gebärdendolmetscher/innen schilder in Leichter Sprache oder als Piktogramme. Die seit 2002 hierzulande rechtlich anerkannte Auch vereinfachte Untertitel oder spezielle Voice- Deutsche Gebärdensprache (DGS) ist eine visuell- over-Synchronisationen per Funkkopfhörer, die manuelle Sprache, die in einer Mischung aus Mimik, die Dialoge in Leichte Sprache übertragen, sind Körperhaltung und Gebärden entsteht. In Deutsch- geeignet, die Filmrezeption zu unterstützen. Dies land wird sie von ca. 200.000 Menschen verwendet. bedeutet jedoch eine qualitative und filmästhetische Für die Gehörlosenkultur war Gebärdensprache Veränderung der originären Filmfassung. Alternativ schon immer eine eigenständige Sprache und Mittel können zusätzliche Begleitmaterialien in Leichter zum Ausdruck. Nicht alle Gebärdensprachler/ Sprache zur Verständlichkeit von Filmen beitragen innen verfügen aufgrund ihrer Höreinschränkung und im Sinne einer inklusiven Filmpädagogik über eine sichere Schriftsprachkompetenz oder die eingesetzt werden. Fähigkeit zu sprechen. Für sie sind lautsprachbeglei- Einige wichtige Regeln für Leichte Sprache (auch tende Gebärden oder ein Kommunikationsangebot für den Einsatz in filmpädagogischen Kontexten): in deutscher Gebärdensprache deshalb unerlässlich. 3 Einfache und kurze Wörter verwenden, Fremdwör- Bei Kinoveranstaltungen können Gebärdendol- ter, Fachbegriffe und Abkürzungen vermeiden. metscher/innen wichtige Vorab-Informationen zu 3 Schwere Wörter sollten erklärt werden. Filmen geben und bei nachfolgenden Gesprächen simultan übersetzen. Was die Filmvielfalt selbst 3 Für die gleichen Aussagen immer die gleichen betrifft, ist eine Auswahl in Gebärdensprache Wörter verwenden. bislang sehr überschaubar. Alternativ könnte das 3 Bildliche Sprache und Redewendungen möglichst Angebot von Übersetzungen nach dem Prinzip der vorsichtig und zurückhaltend einsetzen. Tagesschau ausgeweitet werden. Filme wie DEAF JAM (Judy Lieff, USA 2011) machen allerdings Mut 3 In einem Satz nur eine Aussage treffen / kurze für eigenständige Produktionen. Der Dokumentar- Sätze verwenden. film begleitet die Schülerin Aneta, die als Gebär- 3 Im Layout serifenlose und dunkle Schrift auf hellem densprachlerin in die Welt des Poetry Slams eintritt. Grund verwenden, am besten Arial mit mindestes Judy Lieff hat es auf eindrückliche Weise geschafft, Schriftgröße 14. ein hörendes wie nicht-hörendes Filmpublikum damit anzusprechen. Vertiefende Informationen zur Leichten Sprache: Mehr zum Thema Gehörlosigkeit: 3 Deutscher Gehörlosen-Bund e. V.: 3 Lebenshilfe: www.lebenshilfe.de > Leichte www.gehoerlosen-bund.de/dgb/ Sprache > Mit-Bestimmen > Leichte Sprache 3 Taubenschlag (Portal für Gehörlose und Schwer- 3 Netzwerk Leichte Sprache: hörige): www.taubenschlag.de www.leichtesprache.org 3 Bundesverband der Gebärdensprach 3 Mensch zuerst - Netzwerk People First dolmetscher/innen Deutschlands e. V. (bgsd): Deutschland e. V.: www.bgsd.de www.people1.de > Leichte Sprache 3 Online-Handbuch. Inklusion als Menschenrecht: www.inklusion-als-menschenrecht.de > Gegenwart > Übersetzungsspiel: Schwere Sprache - Leichte Sprache 15
Induktionsschleife Tipp: Hörgeräteträger/innen profitieren in Kino- 3 ROTKÄPPCHEN (D 2011, 8 Min.). vorführungen vor allem von sogenannten Das Märchen in deutscher Gebärdensprache Induktionsschleifen. Sie werden als Ringschleife entstand im Rahmen eines Trickfilmworkshops um den gewünschten Raum verlegt und mit einem mit Kindern der Ernst-Adolf-Eschke-Schule für Verstärkergerät verbunden. Die im Hörgerät Gehörlose in Berlin. Das Besondere: Die Kinder eingebaute Telefonspule, kurz T-Spule, empfängt haben alles selbstgemacht, mit Unterstützung schließlich den Filmton als ,induktives‘ Signal. Er der Filmemacherinnen Britt Dunse und Isabelle wird ohne Nebengeräusche und störungsfrei gehört. Schmidt. Auch Filmgespräche lassen sich problemlos über- Trickfilm und ,Making-of‘ sind auf der Webseite tragen, wenn der Saal- und Filmton über das gleiche des Gehörlosenverbandes Berlin e. V. zu sehen: System laufen. Um herauszufinden, ob ein Kino über Induktionsschleifen verfügt, existieren verschiedene www.deafberlin.de > Suche nach „Rotkäppchen Hinweissymbole. Oft zeigen sie den Buchstaben ,T‘ in DGS“ und ein symbolisiertes Ohr. Schriftdolmetscher/innen Verzeichnis bundesweiter induktiver Höranlagen in kulturellen Einrichtungen: Schwerhörige und vor allem spätertaubte Menschen www.schwerhoerigen-netz.de > induktive Höranla- benötigen Schriftsprache, da sie Gesagtes nur gen in öffentlichen Gebäuden schwer oder gar nicht verstehen. An einer Kino- vorstellung mit Untertiteln können sie problemlos teilhaben. Zu einer Hürde werden allerdings Filmgespräche. Dabei können Schriftdolmetscher/ innen helfen, indem sie das Gesagte wortwörtlich Materialien für den inklusiven Einsatz oder zusammenfassend aufschreiben. Der Text wird Auch Kinoprogramme, Filmplakate und andere simultan auf eine Leinwand projiziert, so dass Hörge- Filminformationstexte sollten möglichst barriere- schädigte das Gespräch mitlesen können. In diesem arm, d. h. inklusionsgeeignet gestaltet sein. Nur Zusammenhang könnte eine Weiterentwicklung der so können sich Menschen mit einer Behinderung bereits erwähnten Subtitle-Brille die Übertragung oder Einschränkung überhaupt selbstbestimmt der Schrifttexte zukünftig noch komfortabler für einen Film oder ein spezielles Kinoangebot machen. entscheiden und inklusive Veranstaltungen schrittweise Realität werden. Programmhefte und Filminfos in Leichter Sprache Weitere Hinweise: und Brailleschrift sind eine Variante, genauso wie digital lesbare Versionen, da spezielle Computer- 3 Bundesverband der Schriftdolmetscher techniken wie Screenreader oder Bildschirmlupen und Kommunikationshelfer e. V.: Barrieren aufheben. Kurze Videosequenzen in www.bundesverband-schriftdolmetscher.de Gebärdensprache oder extra Monats-Newsletter zu aktuellen Filmangeboten im Kino erleichtern es Personen mit einer Hörbehinderung, sich einen Überblick zu verschaffen. Ohne die Erstellung barrierearmer, entsprechend geeigneter Materialien wird sich auch eine inklusive Filmbildung in der Praxis nur schwerlich umsetzen 16
VORAUSSETZUNGEN UND RAHMENBEDINGUNGEN 2 lassen. Noch mangelt es an inklusionsspezifischen 2.3. Inklusiver Kinobesuch Methoden und Materialien, die für eine Vermittlung im Kino, für den Einsatz an Förderschulen oder für den gemeinsamen Unterricht entwickelt und Organisation erprobt worden sind. Eine medienpädagogische von Schulkinovorstellungen Begleitforschung, aber auch gezielte Studien zur Filmbildung in inklusiven Bildungskontexten sind Kinos bieten immer häufiger Filmvorführungen unerlässlich. Mit ihrer Hilfe lassen sich neue Wege für Schulklassen an. Schrittweise erweitern sie für die Praxis aufzeigen, wie Film durch eine bedürf- auch barrierearme oder barrierefreie Angebote, nisorientierte und chancengleiche Vermittlung für sofern die finanziellen Ressourcen der Spielstätten alle Schüler/innen zu einem gemeinsam teilbaren es zulassen. Um den Ansprüchen heterogener Erlebnis werden kann. Schülergruppen im Kino gerecht zu werden, bedarf es allerdings auch differenzierter Methoden und In diesem Zusammenhang wurde ein Pilotprojekt Begleitmaterialien, mit deren Hilfe eine inklusive, der Initiative FILM+SCHULE NRW gestartet, offene Ansprache möglich ist. in dessen Rahmen Lernende aus Förder- und Regelschulen im Dortmunder Kino sweetSixteen Auf das Kino als außerschulischen Lernort gemeinsam den barrierefrei vorgeführten Film konzentriert sich seit 2006 die Arbeit der VORSTADTKROKODILE (Christian Ditter, D 2009) SchulKinoWochen. Bundesweit veranstaltet von sahen. Bei der Arbeit mit dem Film erprobten die VISION KINO in Zusammenarbeit mit Partnern Schüler/innen zusammen mit Studenten/innen aus allen 16 Bundesländern, sind sie mit jährlich der TU Dortmund und den Projektveranstaltern/ rund 880.000 teilnehmenden Schülern/innen und innen ein erstmals dafür entwickeltes inklusives Lehrern/innen mittlerweile das hierzulande größte filmpädagogisches Begleitheft. Hier lag das filmpädagogische Projekt. Seit 2012 wird im Rahmen Augenmerk auf der inhaltlichen Aufarbeitung der SchulKinoWochen auch das Angebot an inklu- des Films anhand verschiedener Aufgabentypen siven Kinovorführungen für hörgeschädigte und und Schwierigkeitsstufen, die die unterschiedlich sehbehinderte Schüler/innen sukzessive ausgebaut. gelagerten Kompetenzen von Heranwachsenden Das filmische Angebot bei den SchulKinoWochen mitdenken und den jeweiligen Bedürfnissen in der reicht von Kinder- und Jugendfilmen, aktuellen Spiel- Filmvermittlung gerecht werden. Auch die Mischung filmen, Literaturverfilmungen, Animationsfilmen, aus rezeptiven und kreativ-aktivierenden Aufgaben Biopics, Dokumentarfilmen bis hin zu Filmklassikern. macht das Material für die Arbeit mit einer hetero- Das ständig aktualisierte Filmprogramm ist auf die genen Schülerschaft besonders attraktiv. Zusätzlich jeweiligen Fachlehrpläne der einzelnen Bundeslän- ermöglichen Informationen zu Grundbegriffen aus der abgestimmt. Über die regionalen Projektbüros der Filmanalyse, zum Aufbau des Drehbuchs sowie beziehbare Begleitmaterialien sowie im Rahmen zu den verschiedenen Filmberufen einen ersten der SchulKinoWochen angebotene Lehrerfortbil- Einstieg in die Thematik Film. Diese Informationen dungen erleichtern es den Lehrkräften, die Filme und andere Bestandteile des Begleitmaterials unterrichtsnah vor- und nachzubereiten. Durch die werden vereinfacht erläutert und in das Filmheft zunehmende Verfügbarkeit von Filmen mit Unter- entsprechend eingebunden. Eine Dokumentation titeln für Hörgeschädigte und Audiodeskriptionen dieses Pilotprojektes zur Gestaltung inklusiver wird in Zukunft das Angebot der SchulKinoWochen Schulkinoveranstaltungen ist auf der Homepage für Inklusionsklassen deutlich ausgeweitet. von FILM+SCHULE NRW zu finden. 3 Hinweise und aktuelle Termine zu den 3 Nähere Informationen dazu unter: SchulKinoWochen unter: www.schulkinowochen.de www.filmundschule.nrw.de 17
Vorbereitung des Kinobesuchs Tipps Das Kino ist ein sozialer Ort mit einer ganz eigenen 3 Barrierefreie Kinos in Ihrer Nähe finden: Erlebnisintensität. Besonders sensible Kinder und www.myhandicap.de > Adressverzeichnis Jugendliche können die Dunkelheit des Kinoraumes, die Unausweichlichkeit der übergroßen Leinwand, 3 Erkundigen Sie sich in den Kinos Ihrer Umgebung die Filmlautstärke, die engen Sitze und die vielen nach Extraprogrammen für Schulen und fragen fremden Menschen auch als befremdlich und Sie nach der barrierefreien Situation vor Ort. beängstigend empfinden – vor allem dann, wenn Vielleicht überzeugen Sie den/die Kinobetreiber/ sie das Kino als Erlebnisraum noch nicht kennen. in, zukünftig inklusive Programmreihen für Gerade Schüler/innen mit einer Behinderung oder Schulen zu initiieren. Einschränkung fühlen sich hier leicht verunsichert. 3 Informationen zur Organisation von Schulkino- Lehrkräfte sollten deshalb herausfinden, wie vorstellungen finden Sie auch im VISION KINO- vertraut die Heranwachsenden mit dem Kino bereits Praxisleitfaden für Lehrkräfte : „Schule im sind und über die Situation vor Ort entsprechend Kino. Tipps, Methoden und Informationen zur ,aufklären‘. Filmbildung“, beziehbar unter: www.visionkino.de > Publikationen > Leitfäden Kleine bis mittelgroße Kinosäle wirken über- E-Mail: bestellung@visionkino.de schaubarer, die geringere Zuschauerzahl oft entspannender – auch wenn Kinos dieser Art nicht 3 Aktuelle Hinweise und bundesweite Angebote zu unbedingt barrierefreier oder besser bestuhlt sind. organisierten Schulkinoveranstaltungen finden Im Idealfall betreten Sie mit Ihrer Schülergruppe Sie außerdem unter: vor allen anderen den Kinosaal, um sich in Ruhe www.kinofenster.de > Veranstaltungen umzuschauen und zusammenhängende Plätze zu finden. Sprechen Sie die Bedürfnisse Ihrer Lerngruppe bereits bei der Reservierung der Kinoveranstaltung an und fragen Sie nach einem/ einer Ansprechpartner/in vor Ort. Inklusive Filmfestivals Um einen Überblick über die wichtigsten organisatorischen Punkte zu behalten, sollten sich 3 Seit 1999 ermöglicht die Berlinale in Kooperation Lehrkräfte im Vorfeld eines geplanten Kinobesuchs mit der Deutschen Hörfilm gGmbH und seit 2007 eine Checkliste erstellen. Folgende Hinweise sind auch mit dem Hörfilm e. V. eine zunehmende hilfreich: Anzahl an Vorführungen von Filmen mit Audiode- skription. Näheres unter: www.hoerfilm.de > Kino > Berlinale bzw. auf der Website der Berlinale www.berlinale.de 3 Fünf Jahre lang organisierte Aktion Mensch das "Inklusive Filmfestival", bei dem alle Filmvorstel- lungen umfassend barrierefrei gestaltet wurden. Das letzte Festival wurde 2012/2013 unter dem Motto "überall dabei" an über 40 Stationen in ganz Deutschland ausgetragen. www.aktion-mensch.de > Filmfestival 18
VORAUSSETZUNGEN UND RAHMENBEDINGUNGEN 2 Filmauswahl Zusätzliche Betreuungspersonen sind vorhanden. Bei der Vorbereitung eines inklusiven Kinobesuchs Faltblätter, Veranstaltungshinweise, mit heterogenen Publikumsgruppen, aber auch Zusatzmaterialien existieren, gegebenenfalls bei der Sichtung eines Films in Räumlichkeiten auch als digitale Version, in Brailleschrift oder der Schule erfordert die Filmauswahl besonderes in Leichter Sprache. Fingerspitzengefühl. Eine filmische Unterforderung der Schüler/innen im Hinblick auf ihre Bedürfnisla- Der Veranstaltungsort ist verkehrstechnisch gen sollte dennoch vermieden werden. Zu oft und gut zu erreichen. zu schnell wird gerade für Förder- und auch Haupt- Der Eingang und alle wichtigen Räumlichkeiten schüler/innen nach ,niedrigschwelligen‘ Angeboten sind für Schüler/innen mit Geh- oder Sehbeein- verlangt. Damit geht die Annahme einher, dass zum trächtigungen zugänglich. Beispiel künstlerisch anspruchsvolle(re) Filme oder noch unbekannte Genres sie in ihrer Rezeptions- Barrierefreie Toiletten sind vorhanden. leistung überfordern würden. Erfahrungen zeigen Assistive Techniken wie Untertitel, Audio- jedoch, dass visuell ausdrucksstarke und sinnlich deskriptionen oder Gebärdendolmetscher sind zum erzählte Filme Schüler/innen mit einem Förder- Film bzw. zum Filmgespräch vorhanden. bedarf besonders ansprechen, da sie gerade nicht die herkömmlichen Sehgewohnheiten bedienen. Ein alternativer Aufenthaltsort und eine Viel häufiger fällt es den Lernenden schwer, die Betreuungsperson für Schüler/innen ist Aufmerksamkeit über eine ganze Filmlänge hin vorhanden, sollten sie die Vorstellung vorzeitig aufrecht zu erhalten. Auch komplexe narrative verlassen wollen. Handlungen verringern zusätzlich die Konzentra- Ein/e Ansprechpartner/in im Kino vor Ort tionsspanne. Kurzfilme oder mittellange Filme, die steht bereit. auch visuell anregen, können speziell für Schüler/ innen mit kognitiven Beeinträchtigungen gerade deshalb bei der Auswahl eine gute Alternative sein. Programme mit kürzeren Filmen eignen sich für inklusive Schulkinoveranstaltungen aber auch wegen der zusätzlichen Pausen und dem damit verbundenen Raum für Gesprächsangebote. Kino-Special: Die Filmauswahl beeinflussen ebenso Überle- Blick hinter die Kulissen gungen zu thematischen Anknüpfungspunkten im Nutzen Sie die Chance des Kinobesuchs und fragen Hinblick auf die Lebensrealität der Heranwachsen- Sie das Kinoteam, ob ein ,Blick hinter die Kulissen‘ den. Bei allen Anforderungen an Lehrplankompati- möglich ist. Vielleicht treffen Sie im Vorführraum bilität sollten gerade im gemeinsamen Unterricht auf den/die Filmvorführer/in, der über seine/ihre oder in Förderklassen audiovisuelle Medien für Arbeit erzählt. Oder der/die Kinobetreiber/in öffnet die Schüler/innen immer auch Angebote sein, sich die Pforten zum Archiv, in dem noch alte Filmrollen mit der eigenen Lebenswelt anregend und reflexiv gelagert sind. Neben dem visuellen Reiz können auseinanderzusetzen. Filme, die sich explizit dem auch Gerüche oder das Anfassen/Erfühlen der Thema Behinderung, Anders-Sein und Ausgrenzung Technik eine prägende Erfahrung sein. widmen, können hier eine interessante Plattform Doch Achtung! Für Schüler/innen mit bestimmten sein, sich über die Vorzüge und die Wertschätzung körperlichen Beeinträchtigungen sind diese Orte nur einer heterogenen Gesellschaft auszutauschen. In selten barrierefrei zugänglich. diesem Zusammenhang vermag eine schulische Auseinandersetzung mit entsprechenden Filmen 19
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