Hohes Alter, aber nicht für alle - Wie sich die soziale Spaltung auf die Lebenserwartung auswirkt

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Hohes Alter, aber nicht für alle - Wie sich die soziale Spaltung auf die Lebenserwartung auswirkt
Berlin-Institut            für Bevölkerung
                                                                                                                         und Entwicklung

                                                                                                  gefördert vom

            Hohes Alter, aber
            nicht für alle
            Wie sich die soziale Spaltung auf die Lebenserwartung auswirkt

20. Jahrhundert +++ koronare Herzkrankheit weltweit Todesursache Nummer eins +++ Wohlstandsrisiken wie Rauchen oder krankhaftes Übergewicht er
+ große regionale und soziale Unterschiede +++ gut Gebildete werden tendenziell älter +++ wer früher stirbt, war länger arm +++ Zugewinn an Lebensze
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ISBN: 978-3-946332-92-3
                                                Der GfK Verein ist eine 1934 gegründete Non-Profit-Organisation zur Förderung
                                                der Marktforschung. Er setzt sich aus rund 600 Unternehmen und Einzelpersonen
Die Autorin                                     zusammen. Zweck des Vereins ist es, innovative Forschungsmethoden in enger
                                                Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Institutionen zu entwickeln, die Aus- und
Sabine Sütterlin, 1956, Diplom in Natur­        Weiterbildung von Marktforschern zu fördern und die für den privaten Konsum
wissenschaften an der ETH Zürich. Freie         grundlegenden Strukturen und Entwicklungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Poli-
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Berlin-In-   tik zu verfolgen sowie deren Auswirkungen auf die Verbraucher zu erforschen. Die
stitut für Bevölkerung und Entwicklung.         ­Studienergebnisse werden den Mitgliedern des Vereins kostenlos zur Verfügung
                                                 gestellt. Der GfK Verein ist Gesellschafter der GfK SE.

Das Berlin-Institut dankt dem GfK Verein für    Weitere Informationen unter: www.gfk-verein.org.
die Förderung des Projekts.
INHALT
DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE...............................................................................................2

1. DIE AUSGANGSLAGE.......................................................................................................3

2. WAS VERLÄNGERT, WAS VERKÜRZT DAS LEBEN?.........................................................10

3. DIE FOLGEN DES LÄNGEREN LEBENS............................................................................16

4. GROSSE UNTERSCHIEDE.............................................................................................. 21
   4.1 USA...............................................................................................................................................21
   4.2 DEUTSCHLAND......................................................................................................................... 24
   4.3 OSTEUROPA...............................................................................................................................25
   4.4 ENTWICKLUNGS- UND SCHWELLENLÄNDER................................................................... 26

5. WIE GEHT ES WEITER?.................................................................................................. 31

6. WAS TUN?.....................................................................................................................36

QUELLEN...........................................................................................................................38

                                                                                                                                    Berlin-Institut 1
DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE
Seit gut einem Jahrhundert steigt die mitt-     In den weniger entwickelten Teilen der Welt       Jahre beträgt. Aber auch in Deutschland gibt
lere Lebenserwartung global stetig, steil       setzte der Anstieg der Lebenserwartung spä-       es große regionale und soziale Unterschiede.
und scheinbar unaufhaltsam, nachdem sie         ter ein. Zwischenzeitlich stagnierte oder fiel    Und die Schere scheint sich weiter zu öffnen.
zuvor stets niedrig geblieben und heftigen      sie sogar, vor allem durch die HIV/Aids-Epide-    Zudem treibt die zunehmende Alterung die
Einbrüchen durch Hungersnöte und Seuchen,       mie, die von den 1990er Jahren an besonders       Gesundheitskosten hoch. Alles in allem heißt
Kriege und Katastrophen unterworfen war.        in Afrika und Asien zahlreiche Todesopfer         das: Selbst wenn Einzelne Altersrekorde
Von geschätzt rund 30 Jahren um 1900 ist        forderte. Heute klafft zwischen mehrheitlich      erreichen, dürfte es künftig schwieriger wer-
die Menschheit heute bei einem Durchschnitt     reichen Weltregionen und Afrika zwar immer        den, den Durchschnitt zu erhöhen.
von rund 71 Jahren angelangt – ein Zugewinn     noch eine Lücke bei der Lebenserwartung
an Lebenszeit von etwa dreieinhalb Jahren       von 17 Jahren. Aber die Tendenz zeigt auch        Auch in den Teilen der Welt, die in Entwick-
pro Jahrzehnt. Frauen in Japan, die welt­       in den Schwellen- und Entwicklungsländern         lung begriffen sind, ist der weitere Zuwachs
weiten Spitzenreiterinnen, kommen heute im      nach oben.                                        an Lebenszeit teilweise gefährdet. Immer
Mittel auf fast 87 Jahre.                                                                         noch sterben viel zu viele Menschen und vor
                                                 Kann sich dieser Trend immer weiter fort­        allem Kinder unter fünf Jahren an Infektions-
In den früh industrialisierten Ländern setzte   setzen? Langlebigkeits-Optimisten sind            krankheiten. Prävention wäre relativ einfach,
der Anstieg zuerst ein. Dank besserer Er-       ­davon überzeugt, dass schon heute Men-           so schützen Moskitonetze vor Malaria, Kon-
nährung und Hygiene, Zugang zu sauberem          schen leben, die im Prinzip 150 Jahre alt        dome vor Ansteckung mit HIV/Aids. Aber es
Trinkwasser und medizinischen Fortschritten      werden können. Dafür spricht, dass die           fehlt oft an Geld, an Zugang zu diesen Mitteln
wie Impfungen und Antibiotika gingen die         Lebenserwartung jede zuvor vermutete Ober-       – oder an Wissen, wie Risiken zu vermeiden
Infektionskrankheiten zurück, die früher vor     grenze noch stets durchbrochen hat und ein       sind. Trotz vieler Fortschritte ist auch Unter-
allem Kinder massenhaft dahingerafft hatten.     Abflachen der Tendenz nicht zu erkennen ist.     ernährung nach wie vor verbreitet. Sie macht
Mit zunehmendem Wohlstand traten Herz-           Zudem nährt die biomedizinische Forschung        Menschen anfälliger für Infektionen und
Kreislauf-Erkrankungen wie Arterio­sklerose,     bei manchen die Zuversicht, dass sich das        hindert sie daran, ihre Potenziale zu entfal-
Herzinfarkte und Schlaganfälle an ihre           Altern eines Tages aufhalten und der Tod         ten. Weil überall bessergestellte Mittelschich-
Stelle als häufigste Erkrankungs- und Todes­     hinausschieben lassen könnte.                    ten entstehen, nimmt gleichzeitig die Zahl
ursachen. Von den 1960er Jahren an konnten                                                        der Menschen rasant zu, die an krankhaftem
neue Medikamente und Therapien, aber auch       Doch es gibt auch Entwicklungen, die zumin-       Übergewicht leiden. Diese „doppelte Krank-
vermehrte Aufklärung über die Risiken von       dest regional beziehungsweise in bestimm-         heitslast“ ist eine der Herausforderungen, die
falscher Ernährung, Bewegungsmangel und         ten Schichten der Gesellschaft den Anstieg        es zu bewältigen gilt, wenn das Ziel lautet,
Rauchen diese „Zivilisationskrankheiten“        bremsen. Die Gesundheit und damit die Le-         mehr gesundheitliche Gleichheit herzustel-
zurückdrängen. Zudem wurde es dank mo-          benserwartung werden wesentlich von zwei          len. Denn nur so können die heute Benachtei-
derner Medizin möglich, mit diesen Erkran-      Faktoren bestimmt: dem Sozialstatus und           ligten in puncto Lebenserwartung aufholen.
kungen länger zu überleben. So verschiebt       dem Bildungsgrad. In vielen Industrieländern
sich der Rückgang der Sterblichkeit in den      ist die Gesellschaft gespalten in Gruppen, die    Kann sich der Anstieg immer weiter fortset-
meisten Industrieländern in immer höhere        ein sehr hohes Alter erreichen und dabei lan-     zen? Die Antwort bleibt offen. Wesentlich
Altersgruppen.                                  ge fit und gesund bleiben, und weniger Privi-     wichtiger sind jedoch andere Fragen: Wie
                                                legierte, die tendenziell eher riskante Verhal-   gehen wir damit um, dass wir immer älter
                                                tensweisen pflegen, denen der Lebensstress        werden? Wie bleiben wir möglichst lange
                                                zusetzt, die häufiger erkranken und früher        gesund? Und wie lässt sich eine alternde Ge-
                                                sterben. Besonders deutlich zeigt sich das        sellschaft gestalten? Die wichtigsten Hand-
                                                in den USA, wo die Differenz zwischen dem         lungsfelder fasst Kapitel 6 zusammen.
                                                Bezirk (County) mit der höchsten und jenem
                                                mit der niedrigsten Lebenserwartung rund 20

2 Hohes Alter, aber nicht für alle
1               DIE AUSGANGSLAGE
Altersrekorde und Mittelwerte                   hatten. Noch 1872 überlebte im Deutschen                                                           Der „epidemiologische Übergang“
                                                Reich jedes vierte Neugeborene das erste
Alle Lebewesen sterben irgendwann. Selbst       Lebensjahr nicht.7 Um zu ermessen, wie                                                             In vormodernen Zeiten waren es im Wesentli-
bei Einzellern, die sich durch Teilung oder     alt die Menschen in einem Gebiet zu einer                                                          chen Seuchen wie Pest, Cholera, Typhus oder
Knospung vermehren, können Alterns­             bestimmten Zeit wurden, und um Bevölke-                                                            Pocken, die sporadisch Bevölkerungen dezi-
prozesse einsetzen und schließlich die          rungen vergleichen zu können, zählt nicht die                                                      mierten und die Sterblichkeit hochschnellen
Lebensfunktionen erlöschen.1 Große Unter-       maximal mögliche Lebensspanne, sondern                                                             ließen, aber auch Hunger und chronische
schiede bestehen allerdings bei der Zeit-       der Durchschnitt: die mittlere Lebenserwar-                                                        Mangelernährung, Naturkatastrophen und
spanne, die einem Individuum zwischen dem       tung*. Dieser statistische Wert gibt an, wie                                                       kriegerische Ereignisse. Heute stehen Herz­
Beginn seines Lebens und dem Tod bleibt:        viele Jahre ein Mensch vom Zeitpunkt seiner                                                        infarkte und Schlaganfälle an erster Stelle
Den Langlebigkeitsrekord im Tierreich hält      Geburt an durchschnittlich leben könnte,                                                           unter den zehn häufigsten Todesursachen
ein Exemplar der Islandmuschel, dessen Alter    wenn sich die gegenwärtigen Sterberisiken                                                          weltweit (siehe Kasten S. 6).
Forscher auf 507 Jahre datierten.2 Dagegen      nicht ändern (siehe Kasten S. 4).
haben Bauchhaarlinge, das sind mikrosko-                                                                                                           Dieser Wandel in der Rangfolge der todesur-
pisch kleine wasserbewohnende Würmer,                                                                                                              sachenspezifischen Sterblichkeit, der Rück-
vom Ausschlüpfen bis zum Ende ihres Lebens      Geburtstagskerzen werden knapp                                                                     gang der Sterblichkeit insgesamt und damit
nur drei bis vier Tage.3                                                                                                                           auch der Anstieg der Lebenserwartung sind
                                                Schätzungen der Vereinten Nationen                                                           3,5   Ausdruck der sozioökonomischen Entwick-
                                                zufolge hatten 1990 weltweit 95.000
Wie alt kann der Homo sapiens werden? Die       Menschen ihren 100. Geburtstag hinter                                                              lung, die in Europa mit der I­ ndustrialisierung
bis jetzt höchste dokumentierte Lebensspan-     sich. 2015 waren es bereits fast fünfmal                                                           eingesetzt hat. Der amerikanische Epidemio-
                                                                                                                                             3,0
ne beträgt 122 Jahre und 164 Tage: In diesem    mehr. Nach der mittleren Variante der                                                              loge Abdel R. Omran brachte dafür erstmals
wahrhaft biblischen Alter verstarb 1997 die     ­Bevölkerungsvorausberechnung der                                                                  1971 das Modell des „epidemiologischen
                                                 Vereinten ­Nationen dürfte sich ihre
Französin Jeanne Calment.4 Das maximal                                                                                                       2,5   Übergangs“ in die Diskussion: Dieser habe
                                                 Zahl bis 2050 gegenüber heute
erreichbare menschliche Alter ist seit Beginn    ­verachtfachen.                                                                                   sich in drei Stufen vollzogen, langsam im
des 19. Jahrhunderts um 20 Jahre gestiegen.                                                                                                        Westen, beschleunigt in Japan, und sei in
                                                                                                                                             2,0
Seit 1950 hat sich in den Industrieländern                                                                                                         Entwicklungsländern noch im Gange. Auf der
die Zahl der mindestens Hundertjährigen in                                                                                                         ersten Stufe, dem „Zeitalter der Hungersnöte
jedem Jahrzehnt verdoppelt.5 Weltweit gibt                                                                                                   1,5   und Seuchen“, schwankt die mittlere Lebens-
es zurzeit 43 Personen, die bereits ihren                                                                                                          erwartung demnach heftig auf und ab, bleibt
110. Geburtstag feiern konnten, sogenannte                                                                                                         jedoch insgesamt niedrig. Auf der zweiten
­„Supercentenarians“. Mit wenigen Ausnah-                                                                                                    1,0   Stufe gehen die Epidemien allmählich zurück,
 men leben sie in Industrieländern, vor allem                                                                                                      sodass die Sterblichkeit sinkt und die Le-
 in Japan, den USA und Europa.6                                                                                                                    benserwartung allmählich auf etwa 50 Jahre
                                                                                                                                             0,5
                                                                                                                                                   zunimmt. Auf der dritten Stufe verdrängen
Schon immer gab es Einzelne, die vergleichs-                                                                                                       Omran zufolge „menschengemachte“, also
weise alt wurden. Bis in die frühe Neuzeit                                                                                                    0    lebensstilbedingte Erkrankungen Infektionen
fielen jedoch viele Menschen Infektionen,                                                                                                          endgültig als wichtigste Todesursachen.10
                                                1990
                                                       1995
                                                              2000
                                                                     2005
                                                                            2010
                                                                                   201 5
                                                                                           2020
                                                                                                  202 5
                                                                                                          2030
                                                                                                                 2035
                                                                                                                        2040
                                                                                                                               2045
                                                                                                                                      2050

Krankheiten oder Verletzungen zum Opfer,
bevor sie das Erwachsenenalter erreicht          Zahl der Personen ab 100 Jahren weltweit
                                                 in Millionen, 1990 bis 2050, ab 2020 Projektion                                                   * Wo nichts anderes angegeben, ist im Folgenden stets
                                                 (Datengrundlage: UN Population Division8)                                                         die mittlere Lebenserwartung bei Geburt gemeint.

                                                                                                                                                                                         Berlin-Institut 3
Die kardiovaskuläre Revolution –
   Leben, Tod und Sterberisiko                                                                  und Rückschläge

   Die Sterblichkeit oder Sterberate ist neben der Geburtenrate und dem Saldo von Zu- und       Neue Medikamente und Therapien, aber auch
   Abwanderung ein wesentlicher Faktor für die demografische Entwicklung. Sie wird              vermehrte Aufklärung über die Risiken, etwa
   gewöhnlich als Zahl der Todesfälle pro 100.000 Einwohner angegeben, insgesamt oder           einer zu salz- und fettreichen Kost, haben seit
   sortiert nach Altersgruppen und Todesursachen.                                               Ende der 1960er Jahre dazu geführt, dass in
                                                                                                den Industrieländern die Sterblichkeit auf-
   Um die Sterblichkeitsverhältnisse einer Bevölkerung unabhängig von deren Größe und           grund von Gefäßerkrankungen, Herzinfarkten
   Altersstruktur beurteilen zu können, kommen Sterbetafeln zum Einsatz. Sie beinhalten         und Schlaganfällen deutlich zurückgegangen
   statistische Modelle, die auf den erfassten Daten zu Zahl und Alter der in einem be-         ist. So hat sich der Zugewinn an Lebens­
   stimmten Zeitraum Gestorbenen und zur Durchschnittsbevölkerung beruhen. Daraus               jahren in immer höhere Altersgruppen verla-
   lassen sich Sterbewahrscheinlichkeiten für die einzelnen Altersjahre berechnen. Die          gert. Der Effekt war so ausgeprägt, dass von
   Sterbetafel zeigt in Form einer Tabelle, nach Geschlecht getrennt, wie viele Personen        einer „kardiovaskulären Revolution“ die Rede
   der zu Beginn des betrachteten Zeitraums vorhandenen Bevölkerung gestorben sind              ist. Manche sehen darin eine vierte Stufe des
   und wie viele überlebt haben.                                                                epidemiologischen Überganges.19

   Die voraussichtliche mittlere Lebenserwartung für eine bestimmte Geburtskohorte              Aus Sicht einiger Wissenschaftler hat die Welt
   berechnet sich jeweils aus den Sterbetafeln der vorangegangenen Periode. In Deutsch-         von den 1990er Jahren an eine fünfte Stufe
   land fasst die amtliche Statistik jeweils drei Jahre zusammen. Die aktuellen Angaben zur     erreicht – in der die Sterblichkeit teilweise
   Lebenserwartung bedeuten somit, dass sich aus dem Trend der Sterbetafeln 2013/2015           wieder zunimmt. Das liegt daran, dass sich
   voraussagen lässt, welches Alter die heute Geborenen im Durchschnitt erreichen kön-          neue Gefahren wie HIV/Aids ausgebreitet
   nen – vorausgesetzt, die Sterblichkeitsverhältnisse bleiben gleich.                          haben, gleichzeitig überwunden geglaubte
                                                                                                Infektionskrankheiten wie Tuberkulose zu-
   Aus den Periodensterbetafeln lässt sich auch bestimmen, mit wie vielen verbleibenden         rückkehren, neuartige Seuchen ausbrechen,
   Lebensjahren eine bestimmte Altersgruppe, etwa die der 60- oder 65-Jährigen, im Mit-         Autoimmun- und Entzündungskrankheiten
   tel rechnen kann, also die fernere Lebenserwartung. Heutige Rentner können damit             um sich greifen.20 Auch die globale Zunahme
   statistisch auf eine längere durchschnittliche Gesamt-Lebenserwartung kommen als             von krankhaftem Übergewicht (Adipositas),
   heute Geborene, denn wer den 65. Geburtstag erlebt, hat schon viele Risiken hinter sich      das weitreichende gesundheitliche Ein-
   gelassen.9 Wo nichts anderes angegeben, ist im Folgenden jedoch stets die Lebens­            schränkungen nach sich ziehen kann, wird
   erwartung bei Geburt gemeint. Je nach Quelle und Berechnungszeitpunkt können die             der fünften Stufe zugerechnet.21
   angegebenen Werte voneinander abweichen, da nicht aus allen Ländern vollständige
   Datensätze vorliegen.                                                                        Das zeigt: Sozioökonomische Entwicklung
                                                                                                und epidemiologischer Übergang bringen
                                                                                                nicht automatisch Fortschritte bei der Le-
                                                                                                benserwartung mit sich. Es gibt auch Rück-
Ob die Übergänge in Stufen erfolgen oder         Versorgung zur Verfügung stand, ergab sich     schläge. Denn über die Zeit haben sich die
kontinuierlich, ist umstritten. Fest steht je-   ein Zugewinn an Lebenszeit.11 Zunächst         Rahmenbedingungen, die über Sterberaten
doch, dass sie sich nicht von allein ergeben.    wirkte sich dies überwiegend positiv auf die   und Trends bei der Lebenserwartung ent-
Wann immer die Sterblichkeit von Bevölke-        Überlebenswahrscheinlichkeit von Kindern       scheiden, höchst unterschiedlich entwickelt,
rungen oder einzelnen Gruppen historisch         und Jugendlichen aus. Denn in den ersten       selbst in Ländern, in denen der Prozess der
zurückgegangen ist, hat dies auf Beobachtun-     Lebensjahren ist das Risiko besonders hoch,    Industrialisierung früh eingesetzt hat, und
gen und wissenschaftlichen Erkenntnissen         an Infektionen oder Parasitenbefall zu ster-   erst recht in den sich entwickelnden Teilen
sowie daraus abgeleiteten Maßnahmen und          ben. Menschen, die bereits das Erwachsenen-    der Welt.22
Aufklärung beruht: Wo es sauberes Trink­         alter erreicht haben, begannen erst im 20.
wasser gab und Abwässer ordentlich entsorgt      Jahrhundert vom allgemeinen Rückgang der
wurden, wo Impfungen und Antibiotika             Sterblichkeit zu profitieren, unter anderem,
viele Infektionskrankheiten zurückdrängen        weil sich die Lebens- und Arbeitsbedingun-
konnten und eine flächendeckende ärztliche       gen verbesserten.12

4 Hohes Alter, aber nicht für alle
Der bisherige Anstieg:                                  Die höchste mittlere Lebenserwartung haben               Um Antworten auf diese Fragen zu finden,
Historisch ohne Beispiel                                mit fast 84 Jahren für die Berechnungs­                  betrachten wir im Folgenden zunächst die
                                                        periode 2010/2015 die Bewohner der chine-                bisherige Entwicklung der Lebenserwartung
Um 1900 lag der weltweite Durchschnitt der              sischen Sonderverwaltungszone Hongkong.24                global und in einzelnen Regionen. Wir be-
Lebenserwartung bei etwa 30 Jahren – eine               Im Ländervergleich ist Japan mit 83,7 Jahren             schreiben, welche Faktoren den bemerkens-
Schätzung, da zu dieser Zeit kaum verläss­              der globale Spitzenreiter, dicht gefolgt von             werten Anstieg der Lebenserwartung im früh
liche Angaben für wenig entwickelte Länder              der Schweiz, Singapur, Spanien, Australien,              entwickelten Teil der Welt bewirkt und in den
vorlagen. In Großbritannien betrug der Wert             Italien, Island und Israel – allesamt hoch               Schwellen- und Entwicklungsländern einge-
damals 45,6 Jahre, in Deutschland rund 43               entwickelte Staaten. Doch zwischen Japan                 leitet haben. Wir skizzieren kurz, wie sich die
Jahre.23 Der Anstieg, der danach einsetzte, ist         und dem Schlusslicht, dem westafrikanischen              gestiegene Lebenserwartung, zusammen mit
historisch und biologisch beispiellos. Bis zur          Sierra Leone, klafft zurzeit eine Differenz von          dem Rückgang der Geburtenzahlen, auf die
Mitte des 20. Jahrhunderts hatte der globale            rund 34 Jahren. Beträchtliche Unterschiede               Gesellschaften und die Wirtschaft der In-
Durchschnittswert bereits auf rund 47 Jahre             finden sich auch innerhalb Europas: In ei-               dustrienationen (und längst auch der ersten
zugenommen. Und der Trend nach oben hält                nigen süd- und westeuropäischen Ländern                  Schwellenländer) auswirkt. Dann betrachten
an: Aus den Sterbetafeln der Periode 1995               werden die Menschen älter als 82 Jahre, in               wir die Datenlage für verschiedene Regionen.
bis 2000 ergab sich ein globaler Mittelwert             der Russischen Föderation erleben sie im                 Abschließend folgt eine Darstellung, welche
von 65,6 Jahren, nach der jüngsten Aus­                 Mittel nicht einmal den 70. Geburtstag.25                weiteren Entwicklungen sich abzeichnen und
wertung 2010 bis 2015 liegt er bei rund 70,5            Warum ist das so? Wie geht es weiter? Kön-               welche Strategien denkbar sind, um die er-
Jahren.                                                 nen diese Unterschiede verringert werden?                wähnten Unterschiede auszugleichen.
                                                        Und lässt sich der Trend beliebig fortsetzen?

Zuerst sinkt die Kindersterblichkeit ...                                              ... später gewinnen die Älteren Lebenszeit hinzu
500                                                                                   90
450
                                                                                      80
400
350                                                                                          Lebenserwartung mit 65
                                                                                      70
300
                                                                                                                              mittlere Lebenserwartung
250                                                                                   60

200
                                                                                      50
1 50
100                                                                                   40
 50
  0                                                                                    0
  1750          1800           1850          1900           1950               2013
                                                                                              1921
                                                                                            –1930
                                                                                              1931
                                                                                           –1940
                                                                                             1881
                                                                                           –1890
                                                                                             1891
                                                                                           –1900
                                                                                             1901
                                                                                            –1910
                                                                                              1911
                                                                                            –1920

                                                                                             1941

                                                                                             1971
                                                                                           –1950
                                                                                             1951

                                                                                           –1980
                                                                                           –1960
                                                                                             1961
                                                                                            –1970

                                                                                             1981
                                                                                           –1990
                                                                                             1991
                                                                                           –2000
                                                                                             2001
                                                                                           –2010
                                                                                             2011
                                                                                            –2016
                                                                                             1861
                                                                                           –1870
                                                                                             1871
                                                                                           –1880

Zahl der Kinder je 1.000 Lebendgeborene, die innerhalb der ersten fünf                Mittlere Lebenserwartung und fernere Lebenserwartung 65-Jähriger
­Lebensjahre sterben in Schweden, 1751 bis 2013                                       in Jahren in Schweden, 1861 bis 2015
 (Datengrundlage: Our World in Data)                                                  (Datengrundlage: Statistics Sweden13)

In Schweden gibt es verlässliche Aufzeichnungen zur Lebenserwartung seit 1751. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts lag die Kindersterblichkeit höher als sie
heute in einem Entwicklungsland wie Angola ist. Schweden hat sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom rückständigen Agrar- zum Industrie­
land entwickelt. In diesem Zeitraum sank die Kindersterblichkeit deutlich ab, die Lebenserwartung stieg an. Von Mitte des 20. Jahrhunderts an sank dann
auch die Sterblichkeit in den höheren Altersgruppen und die fernere Lebenserwartung im Alter von 65 Jahren legte zu.

                                                                                                                                                      Berlin-Institut 5
Woran die Menschen am häufigsten               Herzkrankheit ist weltweit Nummer eins                                                                                                                                                                                                              Arme fallen oft Infektionen anheim
   sterben
                                                  56 Millionen Menschen sind 2015 weltweit gestor-                                                                                                                                                                                                    Übertragbare Krankheiten fordern in armen Ländern
                                                  ben, mehr als ein Viertel davon an Durchblutungs-                                                                                                                                                                                                   den weitaus höchsten Zoll an Leben. An erster Stelle
   Global betrachtet sind heute nichtüber-        störungen des Herzens oder Schlaganfällen. Unter                                                                                                                                                                                                    stehen dabei Lungenentzündungen und andere
   tragbare Erkrankungen die häufigsten           den zehn wichtigsten Todesursachen weltweit                                                                                                                                                                                                         Infektionen der unteren Atemwege. HIV/Aids war
   Todesursachen – und das in zunehmendem         stellen jene die Mehrheit, die durch einen gesund-                                                                                                                                                                                                  2015 aus der globalen Liste der zehn wichtigsten
   Maße. Den Spitzenplatz nehmen dabei            heitsfördernden Lebensstil teilweise vermeidbar                                                                                                                                                                                                     Todesursachen verschwunden, steht aber in den
                                                  oder aufschiebbar wären.                                                                                                                                                                                                                            ärmsten Weltregionen immer noch vorne mit dabei.
   Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein. Über die
   letzten 15 Jahre hinweg forderten Durch-
   blutungsstörungen der Herzkranzgefäße,                                                                                                                                     übertragbare Krankheiten,
   die bis zum Herzinfarkt führen können, und                                                                                                                                 Schwangerschafts-/Geburts-                                                                                              800.000
                                                  9
                                                                                                                                                                              komplikationen, Ernäh-
   Schlaganfälle in absoluten Zahlen die meis-                                                                                                                                rungsdefizite (Gruppe I)
   ten Todesopfer.                                8
                                                                                                                                                                              nichtübertragbare Erkran-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                      700.000
                                                                                                                                                                              kungen (Gruppe II)
                                                  7                                                                                                                                                                                                                                                   600.000
   Auf die Bevölkerung umgerechnet und                                                                                                                                        Verletzungen (Gruppe III)
   aufgegliedert nach armen, mittleren und        6
                                                                                                                                                                                                                                                                                                      500.000
   reichen Regionen ergibt sich ein etwas
   anderes Bild, wobei in vielen wenig entwi-     5
                                                                                                                                                                                                                                                                                                      400.000
   ckelten Ländern zuverlässige Statistiken
                                                  4
   über Todesursachen fehlen, sodass die
                                                                                                                                                                                                                                                                                                      300.000
   Daten häufig auf Schätzungen respektive        3
   Modellierungen beruhen. In einkommens-                                                                                                                                                                                                                                                             200.000
   schwachen Ländern geht gut die Hälfte (52      2
   Prozent) aller Todesfälle auf Ursachen der                                                                                                                                                                                                                                                         100.000
                                                  1
   „Gruppe I“ zurück: Darunter fallen nach der
   Definition der Weltgesundheitsorganisation     0                                                                                                                                                                                                                                                   0
   (WHO) übertragbare Krankheiten, Schwan-

                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Infektionen der unteren Atemwege

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Komplikationen bei Frühgeburten

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Geburtskomplikationen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Lungenentzündung und andere

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Durchfallerkrankungen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Schlaganfall
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Ischämische Herzkrankheit
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           HIV/Aids
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Tuberkulose
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Malaria

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Sauerstoffmangel und andere

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Verkehrsunfälle
                                                                                                 Infektionen der unteren Atemwege
                                                      Ischämische Herzkrankheit
                                                                                  Schlaganfall
                                                                                                     Lungenentzündung und andere

                                                                                                                                    Chronisch-obstruktive Bronchitis
                                                                                                                                                                       Luftröhren-, Bronchial- und Lungenkrebs

                                                                                                                                                                                                                 Diabetes mellitus

                                                                                                                                                                                                                                     Demenz
                                                                                                                                                                                                                                              Durchfallerkrankungen

                                                                                                                                                                                                                                                                      Tuberkulose
                                                                                                                                                                                                                                                                                    Verkehrsunfälle

   gerschafts- und Geburtskomplikationen
   sowie Ernährungsdefizite. In Ländern mit
   hohen Einkommen sind dagegen weniger
   als sieben Prozent der Todesfälle auf solche
   Ursachen zurückzuführen, die charakteris-
   tisch für eine frühe Phase des epidemiolo-
   gischen Überganges sind.

   Umgekehrt verhält es sich bei den nicht-
   übertragbaren Krankheiten, die in Gruppe
   II der Todesursachen zusammengefasst           Die zehn wichtigsten Todesursachen weltweit                                                                                                                                                                                                         Die zehn wichtigsten Todesursachen in Ländern
   werden und weltweit 70 Prozent aller Ster-     in Millionen Toten, 2015                                                                                                                                                                                                                            mit niedrigem Einkommen in Toten, 2015
   befälle verursachen. Neben chronischen         (Datengrundlage: WHO15)                                                                                                                                                                                                                             (Datengrundlage: WHO15)
   Atemwegserkrankungen wie COPD oder
   Asthma sowie Diabetes fallen darunter vor
   allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen und          Mit anderen Worten: In Industrieländern                                                                                                                                                                                                             Einige traditionelle Sterberisiken haben
   Krebs ins Gewicht.14 Der Anteil der letzte-    gehen neun von zehn Todesfällen auf das                                                                                                                                                                                                             jedoch zumindest teilweise ihren Schre-
   ren beiden an den Todesursachen beträgt        Konto von Herz-Kreislauf-Erkrankungen                                                                                                                                                                                                               cken verloren. Hunger, Naturkatastrophen
   37 Prozent in Ländern mit geringen Ein-        oder Krebs.15                                                                                                                                                                                                                                       und lebensgefährliche Arbeitsbedingun-
   kommen, 88 Prozent in reichen Nationen.                                                                                                                                                                                                                                                            gen, Gewaltausbrüche und Kriege mögen

6 Hohes Alter, aber nicht für alle
Eine steile These: Weiter linearer
  zwar regional und lokal viele Todesopfer             Unter den Umwelteinflüssen ist die Luft­                 ­Anstieg
  fordern, dies fällt aber im globalen Maßstab         verschmutzung im weltweiten Vergleich
  kaum ins Gewicht. Die Zahl der Krebs­                das bedeutendste Gesundheitsrisiko: Einer                Während die Lebenserwartung für beide
  erkrankungen nimmt zwar weltweit zu und              von acht Todesfällen geht auf das Konto                  Geschlechter in den vergangenen 200 Jahren
  dürfte infolge der demografischen Alterung           von Feinstaub und toxischen Verbrennungs-                angestiegen ist, haben Frauen durchgängig
  weiter steigen, aber mit einigen Arten von           rückständen in der Atemluft.17 In fast allen             einen Vorsprung gegenüber Männern be-
  Krebs können Erkrankte dank neuartiger               größeren Städten der Länder mit niedrigem                wahrt (siehe Kasten S. 9). Zu Beginn des 20.
  ­Therapien heute überleben.16                        und mittlerem Einkommen erreicht die Luft-               Jahrhunderts hatten neuseeländische Frauen,
                                                       qualität nicht die Normwerte der WHO. Aber               die nicht dem Volk der Maori angehören,
  Immer noch sterben sehr viele Menschen               auch offene Feuerstellen in Innen­räumen                 den Weltrekord in punkto Lebenserwartung
  an Infektionen, an Lungenentzündungen,               von Hütten und Häusern verursachen immer                 gehalten. Ende der 1930er Jahre übernahmen
  Durchfällen, HIV/Aids, Tuberkulose, Malaria,         noch viele Erkrankungen und Todesfälle,                  die Norwegerinnen und von der Jahrhundert-
  von denen die meisten eigentlich mithilfe            vor allem in Südostasien sowie in der WHO-               mitte an wechselten sich die Frauen Islands,
  von Antibiotika zu bekämpfen beziehungs-             Region Östlicher Mittelmeerraum, die von                 der Niederlande, Schwedens und kurzfristig
  weise mit Hygiene, modernen Medika-                  Pakistan bis Nordafrika reicht.18                        der Schweiz an der Spitze ab. Seit Anfang der
  menten und vor allem mit vorbeugenden                                                                         1990er Jahre liegen fast immer die japani-
  Maßnahmen in Schach zu halten wären. Die                                                                      schen Frauen vorn.
  mittelbaren Todesursachen sind hier letzt-
  lich andere: genereller Mangel an Geld oder
  fehlgeleitete Allokation von Mitteln, etwa im
  Gesundheits- und Bildungswesen.                                                                               Mittlere Lebenserwartung in Jahren für
                                                                                                                ausgewählte Länder, 1543 bis 2011
                                                                                                                (Datengrundlage: Our World in Data26)

  Der große Sprung im 20. Jahrhundert                                                                                                                             80
                                                                                               Großbritannien
  In England und Wales haben Gemeinden schon im ausgehenden Mittelalter Todesfälle             Deutschland
  registriert. Die daraus ermittelten Daten zur Lebenserwartung veranschaulichen die
                                                                                               Japan                                                              70
  starken Schwankungen durch Seuchen und andere Katastrophen. Von 1900 an stieg
                                                                                               China
  die Lebenserwartung im globalen Durchschnitt stetig an, obwohl Kriege und Epidemien
  zu zeitweiligen Einbrüchen führten. Den Anfang machten die Industrieländer. Etwas            Russland
  später, aber umso rasanter holten Japan und dann China auf. In sich entwickelnden            Südafrika                                                          60
  Ländern wie Südafrika oder Äthiopien setzte zeitverzögert ein den Industrienationen          Äthiopien
  vergleichbarer Anstieg ein.
                                                                                                                                                                  50

                                                                                                                                                                  40

                                                                                                                                                                  30

                                                                                                                                                                  20

                                                                                                                                                                 0
1543              1600                              1700                                1800                            1900                                  2011

                                                                                                                                                    Berlin-Institut 7
Die Demografen Jim Oeppen und James                                                         halb einer Bevölkerung abnehmen werde:                                   eindeutige Aufwärtstendenz feststellen. Doch
­Vaupel vom Max-Planck-Zentrum für die Bio-                                                 Je höher also die Lebenserwartung in einer                               von einem linearen Anstieg kann nicht die
 demografie des Alterns an der süddänischen                                                 Gesellschaft steige, desto weniger werde                                 Rede sein. Von den 1980er Jahren bis zur
 Universität Odense haben mithilfe einer                                                    sich unterscheiden, wie alt die Menschen bei                             Jahrtausendwende verzeichnete Afrika Stag-
 mathematischen Betrachtung dieser Daten                                                    ihrem Tod sind.28                                                        nation und Rückgang, in erster Linie wegen
 gezeigt, dass der Anstieg des jeweiligen                                                                                                                            der HIV/Aids-Epidemie.30
 Rekordwertes über 160 Jahre hinweg nahe-
 zu linear verlaufen ist. Oeppen und Vaupel                                                 Konvergenzen und Divergenzen                                             Auch innerhalb Europas hat die Lebenserwar-
 folgern daraus, dass die maximale Lebenser-                                                                                                                         tung nach 1900 einen sehr unterschiedlichen
 wartung theoretisch weiterhin linear anstei-                                               Betrachtet man nicht die Rekordwerte,                                    Verlauf genommen: Zunächst vergrößerten
 gen könnte.27 2016 leitete ein Team um James                                               sondern den Durchschnitt sowie die Varianz                               sich die Differenzen zwischen den einzelnen
 Vaupel aus den Daten von 44 Ländern mit                                                    der Länder bei der Lebenserwartung, ergibt                               Ländern, vor allem, weil in Süd-, Mittel- und
 hoher durchschnittlicher Lebenserwartung                                                   sich ein eher diffuses Bild. Die Unterschiede                            Osteuropa die Sterblichkeit aufgrund von
 eine mathematische Regel ab, der zufolge                                                   zwischen reichen und armen Ländern haben                                 Infektionen langsamer sank als im Norden
 mit der Zeit auch die Variationsbreite inner-                                              sich über die Zeit tatsächlich verringert. Für                           des Kontinents. Von 1920 an näherten sich
                                                                                            die meisten Länder lässt sich seit 1960 eine                             die Werte einander immer mehr an; 1960
                                                                                                                                                                     waren die Unterschiede für die Lebenserwar-
Wechsel an der Spitze der Langlebigkeit                                                                                                                              tung von Männern auf ein Minimum zusam-
                                                                                                                                                                     mengeschrumpft, 1970 für Frauen.31 Doch
Trägt man Jahr für Jahr die jeweils höchste erreichte mittlere Lebenserwartung ein – es ist stets die weibliche,                                                     bereits von 1965 an begannen die Trends
weil sie höher ist als die männliche – und verbindet die einzelnen Punkte, ergibt sich in hinreichender Nähe-
rung eine ansteigende Gerade. Diese haben die Biodemografen James Oeppen und James Vaupel 2002 in einer
                                                                                                                                                                     wieder auseinander zu laufen, vor allem weil
vielzitierten Arbeit unter dem Titel „Broken Limits“ erstmals veröffentlicht. Vermutete Obergrenzen wurden                                                           die Lebenserwartung hinter dem Eisernen
bisher stets durchbrochen. Oeppen und Vaupel leiten daraus ab, der lineare Anstieg der Maximalwerte werde                                                            Vorhang, in Osteuropa und der damaligen
sich fortsetzen.                                                                                                                                                     Sowjetunion, nicht weiter anstieg oder sogar
                                                                                                                                                                     zurückging.32
90                                                                                                                                         Jeweils höchste welt-
                    Australien
                                                                                                                                           weit erreichte mittlere   Der Abstand zwischen weiblicher und männ-
                                                                                                                                           ­Lebenserwartung          licher Lebenserwartung hat in den Industrie­
85                  Island
                                                                                                                                            für Frauen in Jahren,
                    Japan                                                                                                                   1840 bis 2014
                                                                                                                                                                     ländern im 20. Jahrhundert zugenommen.
                    Niederlande                                                                                                             (Quelle: Oeppen &        In einigen hat er sich in jüngster Zeit wieder
80
                    Neuseeland                                                                                                              Vaupel29)                verringert. Beides ist weniger auf biolo­
                    Norwegen                                                                                                                                         gische als vielmehr auf äußere Faktoren, auf
75                  Schweden                                                                                                                                         kulturelle, soziale und Umwelteinflüsse zu-
                    Schweiz                                                                                                                                          rückzuführen. Zunächst ging das hohe Risiko
70                                                                                                                                                                   für Frauen zurück, schon in jungen Jahren an
                                                                                                                                                                     Schwangerschafts- oder Geburtskomplikatio-
65                                                                                                                                                                   nen zu sterben. Derweil waren Männer zu-
                                                                                                                                                                     nehmend stärker gesundheitsgefährdenden
                                                                                                                                                                     Arbeitsbedingungen und anderen Risiken wie
60
                                                                                                                                                                     unfallträchtigem Fahrverhalten, Gewalt und
                                                                                                                                                                     Selbstmord ausgesetzt. Vor allem aber nahm
55
                                                                                                                                                                     der Tabakkonsum zu, der als bedeutendster
                                                                                                                                                                     messbarer Faktor gilt. Wo Frauen diese Ge-
50                                                                                                                                                                   wohnheit übernahmen, etwa in Dänemark,
                                                                                                                                                                     den Niederlanden und den USA, verlang-
45                                                                                                                                                                   samte sich in den 1980er und 1990er Jahren
                                                                                                                                                                     vorübergehend der Anstieg der weiblichen
     1840
            1850
                   1860
                          1870
                                 1880
                                        1890
                                               1900
                                                      19 10
                                                              1920
                                                                     1930
                                                                            1940
                                                                                   1950
                                                                                          1960
                                                                                                 1970
                                                                                                        1980
                                                                                                               1990
                                                                                                                      2000
                                                                                                                             2010
                                                                                                                                    2020

                                                                                                                                                                     Lebenserwartung.33, 34

8 Hohes Alter, aber nicht für alle
Briten mit hohem Sozialstatus leben gleich
lang wie die Durchschnittsbritin                            Männer sind zarter, Frauen häufiger krank
Normalerweise leben Frauen im Durchschnitt länger
                                                            Zahlenmäßig überwiegen bei den Neugeborenen die Jungen gegenüber den Mädchen
als Männer. Zwischen 1982 und 2011 ist der weib-
liche Vorsprung in England und Wales von 5,8 auf            im Verhältnis von 105 zu 100 leicht. Aber Mädchen überleben die ersten fünf Jahre ihres
auf 3,5 Jahre zusammengeschmolzen. Detaillierten            Daseins häufiger als Jungen, sodass die Zahl der Männer und Frauen im späteren Leben
statistischen Analysen zufolge sind in dem Zeitraum         wieder ausgeglichen ist. Auch die fernere Lebenserwartung im Alter von 50 ist für Frau-
zumindest hochqualifizierte Männer in verantwor-            en höher als für Männer. Diese Ungleichheit zwischen den Geschlechtern hält sich bis
tungsvoller beruflicher Position an den Mittelwert für
Frauen herangekommen.
                                                            heute, auch wenn sie je nach Land und auch im zeitlichen Verlauf variiert hat.

86                                                          Eine eindeutige Erklärung für den weiblichen Überlebensvorteil gibt es nicht. Verschie-
                                                            dene biologische Faktoren kommen in Frage. So besitzen Frauen zwei X-Chromosomen,
84                                                          Männer nur eines. Wenn ein Gen, das auf dem X-Chromosom sitzt, in einer ungünstigen
                                                            Variante vorliegt, können Frauen dies kompensieren, falls sich eine vorteilhaftere Va-
                                                            riante des entsprechenden Gens auf dem zweiten X-Chromosom durchsetzt. Männer
82
                                                            haben diese „Reserve“ nicht. Möglicherweise spielen auch die Mitochondrien eine
                                                            Rolle: Diese „Kraftwerke der Zelle“ haben ein eigenes Erbgut und werden praktisch
80
                                                            immer von der Mutter an die Kinder vererbt; Mutationen, die sich dort im Laufe der Zeit
                                                            ansammeln, schaden tendenziell nur den männlichen Nachkommen, nicht aber den
78                                                          weiblichen.37 Zudem gibt es Hinweise, dass der weibliche Körper besser gerüstet ist, mit
                                                            Stress umzugehen. Auch die Hormone beeinflussen die Lebenserwartung: Das weib­liche
76                                                          Östrogen schützt vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und es sorgt nach neueren Erkennt-
                                                            nissen wohl auch dafür, dass die Schutzkappen an den Enden der Chromosomen,
74                                                          Telomere genannt, weniger schnell abgebaut werden und somit das Altern verlangsamt
                                                            wird.38
72
                                                            Allerdings haben Frauen über das ganze Erwachsenenalter hinweg eine höhere
70          Frauen der höchsten Statusgruppe                Erkrankungswahrscheinlichkeit als Männer. Auch der Grund für dieses „Morbiditäts-
            Frauen Durchschnitt                             Mortalitäts-Paradox“ ist nicht restlos geklärt. Eine Erklärung könnte gerade die durch-
            Männer der höchsten Statusgruppe                gängig höhere Sterblichkeit der Männer liefern: Demnach werden Männer etwa von
68
            Männer Durchschnitt                             Herz-Kreislauf-Erkrankungen tendenziell schneller dahingerafft; Frauen und körperlich
                                                            robustere Männer leben mit solchen Leiden weiter. Eine andere Hypothese gründet auf
                                                            der Feststellung, dass das Bindegewebe ausgeprägt auf weibliche Hormone anspricht
      1982 1987 1992 1997 2002 2007                         und womöglich deshalb Gelenk- und Knochenerkrankungen bei Frauen besonders häu-
     –1986 –1991 –1996 –2001 –2006 –2011
                                                            fig ­auftreten.
Entwicklung der Lebenserwartung von Männern
und Frauen der höchsten Statusgruppe und
im ­Durchschnitt in England und Wales seit 1982
(Datengrundlage: Office for National Statistics36)
                                                         Interessant ist in diesem Zusammenhang die      Tabakabstinenz bei Männern mit höherem
                                                         Entwicklung in Großbritannien: Hier haben       Status.35 Diese Entwicklung kann als Hinweis
                                                         die Männer massiv aufgeholt – und jene der      dafür gesehen werden, dass die sozioökono-
                                                         höchsten sozioökonomischen Gruppe, zu der       mischen Bedingungen die Lebenserwartung
                                                         etwa Ärzte, Architekten und Anwälte zählen,     entscheidend beeinflussen.
                                                         haben den Durchschnitt für Frauen erreicht.
                                                         Zu dem Aufholen beigetragen haben zum ei-
                                                         nen der Rückgang klassischer Männerdomä-
                                                         nen wie Schwerindustrie und Bergbau, zum
                                                         anderen Lebensstilfaktoren wie zunehmende

                                                                                                                                         Berlin-Institut 9
2                     WAS VERLÄNGERT, WAS
                      VERKÜRZT DAS LEBEN?
Sozialstatus und Bildung sind                      insgesamt zurückgingen. Eine Folge davon         im Alter von 65 Jahren schneller gesunken
­entscheidend                                      war, dass die Menschen in Erwartung eines        als im nationalen Durchschnitt. Im Vergleich
                                                   längeren Lebens mehr Ressourcen in ihr           über die Zeit zeigt sich, dass zwar alle Bil-
1980 beschrieb eine Arbeitsgruppe unter            eigenes Fortkommen und das ihres Nach-           dungsschichten von der kardiovaskulären
dem Vorsitz von Sir Thomas Black Erschre-          wuchses stecken konnten.3 Historisch hatten      Revolution und der Senkung der Sterblichkeit
ckendes für Großbritannien: Seit der Einfüh-      Reformen, die einer breiten Bevölkerungs-         im höheren Alter profitiert haben, aber nicht
rung des Nationalen Gesundheitsdienstes           schicht Zugang zu Schulen verschafften, stets     in gleichem Maße: Gebildete konnten stets
NHS im Jahre 1948 hätten sich die gesund-         eine Verbesserung des Gesundheitszustan-          höhere Zugewinne an Lebenszeit verbuchen.
heitlichen Ungleichheiten im Land, insbeson-      des der Bevölkerung und einen Anstieg der
dere an der Sterblichkeit gemessen, nicht wie     Lebenserwartung zur Folge: In Finnland half       Selbst in den am weitesten entwickelten
erwartet verkleinert, sondern seien größer        Ende des 19. Jahrhunderts eine umfassende         Ländern mit der geringsten sozialen Un-
geworden. Und zwar weniger, weil der NHS          Alphabetisierungskampagne der Bevölkerung         gleichheit haben die Unterschiede in der
versagt hätte, sondern vor allem wegen der        aus Hunger und Elend, spätere Reformen eb-        Sterblichkeit nach Bildung zugenommen. In
beträchtlichen Unterschiede bei Einkommen         neten ihr den Weg zu höherer Bildung – und        den skandinavischen Staaten, in Finnland,
und Bildungsniveau, bei Ernährung, Wohn-          immer längerem Leben. Der südostasiatische        Belgien, Frankreich und der Schweiz ist die
und Arbeitssituation, die sich auf die Gesund-    Stadtstaat Singapur hat sich seit 1959, als       Lebenserwartung höher Gebildeter stärker
heit auswirkten. Die britische Regierung, die     er erstmals eine eigene Regierung wählen          angestiegen als jene der bildungsferneren
den „Black Report“ in Auftrag gegeben hatte,      konnte, unter anderem durch den forcierten        Schichten.5 So hat sich in Finnland die ferne-
fand das Ergebnis offenbar so beschämend,         Ausbau des Bildungssystems von einem              re Lebenserwartung im Alter von 40 Jahren
dass sie ihn praktisch unter Verschluss hielt.1   ­malariaverseuchten Moloch voller Bordelle        zwischen 1971 und 1995 zwar für alle erhöht,
                                                   und Opiumhöhlen zu einem Wissenschafts-          aber die gut gebildeten, verheirateten Männer
Inzwischen haben viele Studien gezeigt, dass       mekka entwickelt. Singapur konnte die an-        und Frauen konnten sie stärker steigern als
die Sterblichkeit und damit die Lebenserwar-       fänglich extrem hohe Kindersterblichkeit auf     der Bevölkerungsdurchschnitt – und das,
tung entscheidend vom sozioökonomischen            nahe null senken und steht bei der Lebens­       obwohl ihre Lebenserwartung schon am
Status abhängen. Dieser beschreibt nicht           erwartung heute weltweit an dritter Stelle.      Beginn des Beobachtungszeitraums höher
allein das Einkommen einer Person oder                                                              lag. In dieser „Vorreiter“-Gruppe fanden sich
Bevölkerungsgruppe, sondern auch Erwerbs-                                                           beeinflussbare Todesursachen wie nikotin-
status und berufliche Stellung, familiären        „Vorreiter“ profitieren stärker                   oder alkoholbedingte Krankheiten, Verkehrs-
Status und Wohnsituation, gesellschaftliche       vom Anstieg                                       unfälle, Morde oder Selbstmorde wesentlich
Teilhabe und Zufriedenheit – und der höchste                                                        seltener als bei den übrigen Bevölkerungs-
erreichte Bildungsabschluss. Er ist einer der      In fast allen Ländern, für die Daten verfügbar   gruppen.6 Die weltweit größte Diskrepanz
wichtigsten Faktoren für die Entwicklung der       sind, leben Hochschulabsolventen im Durch-       zwischen den Bildungsschichten findet sich
Lebenserwartung.2                                  schnitt zwei bis zwölf Jahre länger als Lands-   in Litauen, Estland und Russland. Russische
                                                   leute, die höchstens eine Grundschule oder       Männer mit dem geringsten Bildungsniveau
Investitionen in Bildung haben in den Indus-       gar keine Schule besucht haben.4 Besonders       sterben im Mittel 13 Jahre früher als männ­
trieländern schon früh dazu geführt, dass         alt wird die Wissenschaftselite: Mitglieder       liche ­Akademiker.7
die Zahl der Schwangerschaften schon im           der Royal Society in Großbritannien und
Mädchenalter sank und die Geburtenzahlen          der nationalen Akademien in Deutschland,
                                                  ­Österreich und Russland haben eine über-
                                                   durchschnittlich hohe Lebenserwartung.
                                                   Dabei ist in dieser Gruppe die Sterblichkeit

10 Hohes Alter, aber nicht für alle
Entwicklung kann auch krank                            Rauchen: Beim Abbrennen und Inhalie-          giftigen Substanzen in rauchgeschwän-
   ­machen                                                ren von Zigaretten werden über 4.000          gerten Räumen selbst bei Nichtrauchern
                                                          chemische Verbindungen frei. Neben dem        zu Gesundheitsschäden führen kann.31
   Die „Wohlstandsrisiken“, die den An-                   Nikotin, das die erwünschte psychoaktive
   stieg der Lebenserwartung gefährden,                   Wirkung entfaltet, sind darunter auch         Obwohl der Anteil der Raucher weltweit in
   lassen sich an einer Hand abzählen:                    mindestens 250 schleimhautreizende            den letzten 25 Jahren gesunken ist, greift
   Rauchen, Alkohol und Drogen, unge-                     oder anderweitig schädliche und über          immer noch rund eine Milliarde Menschen
   sunde Ernährung, Bewegungsmangel,                      50 krebserregende Substanzen wie etwa         täglich zum Glimmstängel, etwa jeder
   Übergewicht. Mit den Folgen dieser                     Benzpyren.28, 29 Der Zusammenhang             vierte Mann und jede zwanzigste Frau. Da-
   vermeidbaren Lebensstilfaktoren für                    zwischen Tabakkonsum, Lungenkrebs             von lebt mit fast 80 Prozent die Mehrheit
   die Gesundheit und Sterblichkeit ließen                und Verengungen der Herzkranzgefäße           in Ländern mit mittlerem und niedrigem
   sich jedoch ganze Bände füllen. Hier                   ist spätestens seit Anfang der 1960er         Einkommen, wo entsprechend die durch
   nur eine kurze Übersicht mit Daten der                 Jahre wissenschaftlich gesichert. Doch        Tabakkonsum bedingte Krankheitslast
   ­Weltgesundheitsorganisation.                          erst eine Klage von 46 US-Bundesstaaten       und Sterblichkeit besonders hoch ausfal-
                                                          gegen „Big Tobacco“ auf Ersatz der öffent­    len. In 75 von 187 untersuchten Ländern
                                                          lich geförderten Behandlungskosten für        liegt der durchschnittliche Tagesver-
                                                          Erkrankungen, die auf Tabakkonsum             brauch pro Kopf bei 20 Zigaretten oder
Arme und wenig Gebildete sterben früher                   zurückzuführen sind, brachte die Ziga­        mehr. Ein hoher Anteil männlicher Rau-
                                                          rettenindustrie dazu, Werbung und             cher findet sich in Indonesien, in Russland
In Deutschland leben Frauen und Männer mit höhe-          Sponsoring, insbesondere für Jugendliche,     und seinen Nachbarstaaten, in China und
rem sozioökonomischem Status deutlich länger als
Vergleichsgruppen mit mittlerem oder niedrigem
                                                          einzuschränken.30 Heute steht auf jeder       seinen südlichen Nachbarn, aber auch in
Status. Das hat eine statistische Auswertung auf          Zigarettenschachtel, dass Rauchen die         Griechenland und einigen Balkanstaaten.
Grundlage des Bundes-Gesundheitssurveys erge-             Hautalterung beschleunigt, die Bronchien      Rauchen ist nach Bluthochdruck der
ben. Die Unterschiede seien zum Teil durch das            schädigt, Blutgefäße verstopft, das Risiko    zweitwichtigste Risikofaktor für einen
riskantere Gesundheitsverhalten der niedrigen
                                                          für Schlaganfall und Herzinfarkt erhöht       vorzeitigen Tod.32 Tabak tötet jährlich rund
Statusgruppe erklärbar, schreiben die Autoren:
Wenn man Rauchen, Adipositas und sportliche Inak-         und Krebs verursachen kann. Längst be-        sechs Millionen Menschen, zehn Prozent
tivität herausrechnet, „verringern sich die zwischen      kannt ist zudem, dass das Einatmen der        davon Passivraucher.33
den Statusgruppen beobachteten Unterschiede im
Mortalitätsrisiko um 28 Prozent bei Frauen und um
24 Prozent bei Männern.“

100                                                                            Geschätzte Überlebens­   Lernen heißt Risiken besser
 90
                                                                               wahrscheinlichkeit       ­einschätzen zu können
                                                                               in Prozent für 18- bis
 80                                                                            90-Jährige nach sozio­
                                                                               ökonomischem Status      Warum ist das so? Menschen mit einem
 70                                                                            und Geschlecht in        höheren Bildungsabschluss haben leichter
           Frauen
 60                                                                            Deutschland, 2011        Zugang zu dem Wissen darüber, welche
              hoher Sozialstatus                                               (Quelle: Robert Koch-    Verhaltensweisen der Gesundheit zuträglich
 50           mittlerer Sozialstatus                                           Institut8)
              niedriger Sozialstatus
                                                                                                        sind. Sie haben eher die Motivation, dieses
 40                                                                                                     Wissen vorbeugend umzusetzen und können
 30        Männer                                                                                       damit im Durchschnitt Risikofaktoren besser
 20
              hoher Sozialstatus                                                                        beherrschen als gering Gebildete.9 Das lässt
              mittlerer Sozialstatus                                                                    sich exemplarisch an der Veränderung der
 10           niedriger Sozialstatus                                                                    Rauchgewohnheiten in Deutschland zeigen:
  0                                                                                                     Seit in den 1960er Jahren ein Zusammenhang
      20     25 30     35   40 45 50      55   60 65 70    75   80 85 90                                mit Lungenkrebs und krankhaften Verände-
                                                                                                        rungen der Herzkranzgefäße wissenschaftlich
                                                                                                        belegt wurde, hat sich in Deutschland das

                                                                                                                                        Berlin-Institut 11
Rauchen überwiegend zu einem Merkmal              Das gilt unabhängig von der Hautfarbe. Es       Bildung und Gesundheit ist wichtiger, dass
wenig Gebildeter, Geringverdienender und          gibt aber einen Zusammenhang mit dem Ta-        formale Bildung besonders im Jugendalter,
sozial Benachteiligter entwickelt, während        bakkonsum: Dass die Kluft bei der Sterblich-    wenn sich die neuronalen Verschaltungen im
sich der Raucheranteil in der Oberschicht         keit zwischen den Bildungsschichten sich so     Gehirn komplett neu ordnen, höhere kogniti-
mehr als halbiert hat und in der Mittelschicht    sehr vergrößert hat, lässt sich zu mindestens   ve Fähigkeiten fördert: logisches Denken und
um gut ein Viertel zurückgegangen ist.10          einem Fünftel auf den Risikofaktor Rauchen      Kombinieren von Wissen, Risiken einschät-
                                                  zurückführen.11, 12                             zen und Entscheidungen treffen.13 Belege
In den USA ist die Lebenserwartung von
College-Absolventen in den letzten zwanzig        Es ist offensichtlich, dass einen höheren
Jahren weiter gestiegen, während sie bei          Bildungsabschluss eher erreicht, wer bei
all jenen stagniert, die nicht mehr als einen     ausreichender Auffassungsgabe nicht durch          Ernährung: Fehlernährung kommt
High-School-Abschluss, also eine sekundäre        einen niedrigen Sozialstatus in einem elitä-       in unterschiedlichen Ausprägungen
Schulbildung oder weniger erreicht haben.         ren Bildungssystem daran gehindert wird.           daher: Unter-, Über- und Mangelernäh-
                                                  Doch für den Zusammenhang zwischen                 rung. Die Zahl der weltweit Unterer-
                                                                                                     nährten ist in den letzten 20 Jahren um
                                                                                                     200 Millionen gesunken. Zugenommen
                                                                                                     hat offensichtlich die Zahl jener, die zu
   Alkohol und andere Drogen: Gebraute,           Andere psychoaktive Substanzen, ob legal           viel essen, vor allem zu viel Salz, Fette
   vergorene oder destillierte Getränke zu        oder illegal, als „weich“ oder „hart“ ange-        und Zucker, abzulesen an der steigen-
   konsumieren ist in den meisten Ländern         sehen, wurden nach letzter Schätzung im            den Häufigkeit von Adipositas und den
   legal. Über längere Zeit im Übermaß            Jahr 2008 von 155 bis 250 Millionen Men-           damit verbundenen stoffwechselbe-
   genossen, führt Alkohol zu Erkrankungen        schen konsumiert. Das sind 3,5 bis 5,7             dingten Erkrankungen (siehe Abschnitt
   der Leber und der Bauchspeicheldrüse,          Prozent der Weltbevölkerung zwischen 15            „Übergewicht“). Indessen kann auch
   zu Nervenschäden und eingeschränkten           und 64 Jahren. Am weitesten verbreitet             bei ausreichender Kalorienaufnahme
   Gehirnfunktionen, erhöht das Risiko für        ist dabei Cannabis mit geschätzt 129               ein Mangel an Vitaminen und Mineral-
   Krebs und macht psychisch wie körperlich       bis 190 Millionen Konsumenten, gefolgt             stoffen vor allem bei Kindern zu Ent-
   abhängig. Die Gefahr nimmt zu, sich selbst     von Amphetaminen und verwandten                    wicklungs- und Wachstumsstörungen
   und anderen Menschen bei Unfällen oder         Aufputschmitteln, Kokain sowie den                 und zu gesundheitlichen Defiziten und
   Gewaltausbrüchen Schaden zuzufügen.            Opioiden. Von letzteren ist Heroin wohl            zu kognitiven Einschränkungen führen.
   Sucht kann aber auch zu ­Depressionen,         das bekannteste, dazu zählen aber auch
   Angstzuständen und sozialer Isolierung         verschreibungspflichtige hochwirksame              Fehlernährung in all ihren Formen
   führen.                                        Schmerzmittel wie Morphium, Oxycodon               kann nicht nur krank machen und das
                                                  oder Fentanyl, die ebenfalls abhängig ma-          Leben verkürzen, sie hindert die Men-
   Weltweit gehen gut fünf Prozent der Le-        chen können. Der Gebrauch psycho­aktiver           schen auch daran, sich ihrem Potenzial
   bensjahre, welche die Menschheit durch         Substanzen verursache „erheb­liche                 gemäß zu entfalten und vermindert
   Krankheit oder vorzeitigen Tod verliert        gesundheitliche und soziale Probleme               ihre Produktivität – mit entsprechend
   (Disability Adjusted Life Years, DALYs), auf   für die Personen, die diese konsumieren,           negativen gesellschaftlichen und öko-
   das Konto von Alkohol. Pro Jahr sterben        wie auch für Angehörige ihrer Familien             nomischen Folgen. Schätzungen zu-
   weltweit 3,3 Millionen Menschen an den         und der Gemeinschaft, in der sie leben“,           folge zehren Übergewicht, Hunger und
   Folgen von Alkoholmissbrauch, das sind         beschreibt die WHO trocken und knapp               Mikronährstoffmangel zusammen vier
   fast sechs Prozent aller Todesfälle – die      die Auswirkungen. Geschätzte 0,7 Prozent           bis fünf Prozent des globalen Brutto­
   allerdings ungleich verteilt sind: Alkohol-    der globalen Krankheitslast gingen 2004            inlandsprodukts auf.36 Fehlernährung
   bedingte Todesfälle von Männern machen         auf das Konto von Kokain und Opioiden.             wirkt sich nicht nur auf die Gesundheit
   7,6 Prozent, von Frauen vier Prozent aller     Die sozialen Kosten illegaler Drogen               und Sterblichkeit des Einzelnen aus.
   Todesfälle weltweit aus. Männer trinken        belaufen sich in den Ländern, in denen             Die Neigung zu Übergewicht oder
   viel mehr als Frauen: 2010 belief sich ihr     Zahlen dazu vorliegen, auf zwei Prozent            Mangelerkrankungen wird über „epi-
   Pro-Kopf-Verbrauch auf 21,2 Liter puren        der ­Wirtschaftsleistung.35                        genetische“ Mechanismen auch an die
   Alkohols, Frauen kamen auf 8,9 Liter.34                                                           Nachkommen vererbt.37

12 Hohes Alter, aber nicht für alle
dafür fanden amerikanische Psychologen bei
einer Feldstudie in einer ländlichen Gegend                                   Bewegungsmangel: Immer mehr                     Übergewicht: Die Grenze von Normal- zu
Ghanas sowie einer Auswertung von Daten                                       Menschen üben ihre berufliche Tätig-            Übergewicht liegt nach der geltenden
aus neun afrikanischen Ländern: Nach Abzug                                    keit im Sitzen aus. Autos, Rolltreppen,         Definition der Weltgesundheitsorganisa-
aller möglichen anderen Einflussgrößen                                        Aufzüge, Fernbedienungen, Fertignah-            tion bei einem Körpermasseindex (Body
ergab sich, dass Personen, die zumindest                                      rung, Lieferservices und andere zivi-           Mass Index, BMI) von 25, berechnet als
eine Grundschule besucht hatten, Ratschläge                                   lisatorische Errungenschaften sorgen            Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch
zum Schutz vor Infektionen effektiver um-                                     für mehr Bequemlichkeit – und weni-             die Körpergröße in Meter zum Quadrat.
setzten und häufiger Kondome benutzten als                                    ger körperliche Aktivität. Bewegung             Ab einem BMI von 30 spricht man von
solche ohne jegliche Schulbildung.14 Wissen                                   im Alltag und sportliche Betätigung             krankhaftem Übergewicht, Fettleibigkeit
zu besitzen und Erkenntnisse auswerten                                        halten indessen nicht nur den Bewe-             oder Adipositas. Da Fettgewebe, das sich
zu können, schützt somit vor irrationalem                                     gungsapparat fit, sie erhöhen auch              überwiegend in der Bauchregion ansam-
Handeln, wie es gerade in Afrika bezüglich                                    den Energieverbrauch und vermindern             melt, im Vergleich etwa zu Oberschenkel­
der Übertragungswege des HI-Virus bis heute                                   so das Risiko für Übergewicht, sie              polstern mit einem erhöhten Risiko für
weit verbreitet ist – mit tödlichen Folgen.                                   stärken das Immunsystem, können bei             Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkran-
                                                                              Migräne und Depressionen helfen und             kungen verbunden ist, muss bei Überge-
                                                                              einigen Krebserkrankungen vorbeugen.            wicht auch der Taillenumfang hinzugezo-
Bessergestellte rauchen immer seltener                                        Mangel an körperlicher Aktivität ist            gen werden: Die Grenze zur Adipositas
                                                                              der viertwichtigste Risikofaktor bei            liegt hier bei 88 Zentimetern für Frauen,
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte das Rauchen
                                                                              der weltweiten Sterblichkeit, gilt als          102 Zentimetern für Männer.39
bei Wohlhabenden zum guten Ton. Inzwischen ist es
überwiegend in sozial benachteiligten Bevölkerungs-                           Hauptursache für bis zu ein Viertel der
gruppen verbreitet – obwohl der Verbrauch einer                               Brust- und Dickdarmkrebsfälle, mehr             Ursache der Adipositas ist eine fatale
Schachtel Zigaretten pro Tag mittlerweile richtig ins                         als ein Viertel der Diabetes-Erkran-            Kombination aus Veranlagung, einem
Geld geht. Ein vergleichbarer Wandel hat sich auch in                         kungen und fast ein Drittel der welt-           Überangebot an Nahrung und Mangel an
anderen Industriestaaten vollzogen.
                                                                              weiten Belastung durch ischämische              Bewegung. Das im Laufe der Zeit ange-
45                                                                            ­Herzkrankheit.38                               sammelte Fettgewebe übernimmt irgend-
                                                                                                                              wann die Kontrolle über den Stoffwechsel:
40                                                                                                                            Mithilfe eigener Hormone stört es die
35                                                                                                                            normale Appetitregulierung im Gehirn,
                                                                           Wer früher stirbt, war länger arm                  schwächt die Wirkung von Insulin, steuert
30
                                                                                                                              Vorgänge in der Leber und setzt Entzün-
25                                                                         „Wohlstandsrisiken“ wie Rauchen, Fehl­             dungsreaktionen in Gang. Adipositas ist
                                                                           ernährung, Bewegungsmangel und Überge-             eine Krankheit mit Folgen: neben Typ-
20
                                                                           wicht kommen im Allgemeinen seltener vor,          2-Diabetes auch Fettleber, ­Bluthochdruck,
15                                                                         je besser gebildet die betrachtete Bevölke-
     Sozialstatus
10                                                                         rung oder Gruppe ist. Mit einer Ausnahme:
        hoch
                                                                           Adipositas ist in reichen, weit entwickelten
5       mittel
                                                                           Ländern vor allem bei wenig Gebildeten          einbezog, entscheidet bei gleicher Veranla-
        niedrig
0                                                                          verbreitet, in armen Ländern hingegen entwi-    gung und vergleichbarem Nahrungsangebot
                                                                           ckeln höher Gebildete eher eine ausgeprägte     das Einkommen darüber, wie viel Körperfett
     1965

            1970

                   1975

                          1980
                                 1985

                                        1990

                                               1995

                                                      2000

                                                             2005

                                                                    2010

                                                                           Fettleibigkeit, wie eine Auswertung von         eine Person zugelegt hat: Durchschnittlich
                                                                           Daten aus 70 Ländern zeigte. Je höher das       3,8 Kilogramm waren es bei der weniger
Raucheranteil in Prozent an der Bevölkerung ab
14 ­Jahren nach sozioökonomischem Status in
                                                                           Bruttoinlandsprodukt, desto mehr verschiebt     privilegierten Hälfte, nur 2,9 Kilogramm bei
Westdeutschland, ab 1995 Gesamtdeutschland,                                sich die Häufigkeit in die wenig gebildeten     der reicheren.17
1965 bis 2010                                                              Gruppen.16 Am stärksten wirkt sich der sozio-
(Datengrundlage: Institut für Demoskopie                                   ökonomische Status bei jenen Menschen aus,
Allensbach15)
                                                                           die ohnehin leicht zunehmen: Einer briti-
                                                                           schen Studie zufolge, die auch Genanalysen

                                                                                                                                                         Berlin-Institut 13
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