INKLUSIV AKTUELL EINKAUFSSTRASSENSTUDIE

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                                                                              Magazin für
                                                                              Menschen
                                                                              mit und ohne
                                                                              Behinderungen

                                      Ausgabe 01/2020    Heftnummer 233

                                                                   AKTUELL
                                                                   EINKAUFSSTRASSENSTUDIE

                                                                   NEUES ANGEBOT
                                                                   ÖZIV SUPPORT BERATUNG

                                                                   INTERVIEWS
                                                                   MIT PRÄSIDENT UND
                                                                   GENERALSEKRETÄR DES ÖZIV
Foto: uschi dreiucker / pixelio.de

                                                                               www.oeziv.org
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ÖZIV // Vorwort Präsident

VORWORT
Liebe Mitglieder,                        Fotos: Privat

Seit Jahresbeginn haben wir ja eine neue
Regierung mit einem Regierungsprogramm
und das erste Quartal des neuen Jahres neigt
sich bereits dem Ende zu: wir haben die Zeit
genützt und in etlichen Ministerien bereits
Antrittsbesuche absolviert, um auf die Anliegen
von Menschen mit Behinderungen aufmerk-
sam zu machen.
                                                         Herbert Pichler und Rudolf Kravanja
Bei unseren bisherigen Gesprächspartner*innen
stießen wir jedenfalls auf Interesse und offene
Ohren und wir sehen der künftigen Zusammen-              zu schaffen. In einer Presseinformation, die
arbeit mit Zuversicht entgegen. Das Positive am          auf unserer Website www.oeziv.org im Bereich
aktuellen Regierungsprogramm ist jedenfalls,             „Medien & Presse“ abrufbar ist, haben wir
dass Menschen mit Behinderungen so vielfältig            unsere Ideen zum Thema Pflege bereits de-
abgebildet sind wie in keinem Regierungspro-             poniert – und natürlich haben wir die Themen
gramm zuvor. Dieser Umstand stimmt uns                   auch beim Antrittsbesuch im Sozialministerium
optimistisch, auch wenn viele Punkte noch recht          angesprochen.
vage gehalten sind.
                                                         Mit Nachdruck widmen wir uns natürlich auch
Zu verbessern gibt es für Menschen mit Behin-            dem Dauerbrenner „Barrierefreiheit“, sowie
derungen jedenfalls noch eine ganze Menge.               allen Themen, die zur Gleichberechtigung von
Insbesondere benötigen wir eine dringende                Menschen mit Behinderungen dringend not-
Trendumkehr am Arbeitsmarkt. Während in                  wendig sind!
den letzten Jahren die Arbeitslosenzahlen
insgesamt kontinuierlich zurückgingen, stiegen           Auch ÖZIV-intern haben wir einiges vor: wir
sie bei Menschen mit Behinderungen bzw.                  wollen uns bemühen, dass alle Landes-, Mit-
gesundheitlichen Vermittlungseinschränkun-               glieds- und Bezirksorganisationen sowie der
gen Monat für Monat an. Schon im letzten Jahr            Bundesverband näher zusammenrücken. Nur
hat eine Arbeitsgruppe von verschiedenen                 so können wir unsere Größe und Präsenz
Organisationen strategische Vorschläge für               in jedem Bundesland ausnützen, um erster
einen inklusiven Arbeitsmarkt vorgelegt. Der             Ansprechpartner der Politik zu sein. Auf die
5-Parteien-Entschließungsantrag im Parlament             Kooperation mit allen Funktionär*innen,
(siehe Seite 36) ist ein erster Schritt in die rich-     ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbei-
tige Richtung.                                           ter*innen freuen wir uns sehr!

Am politischen Jahresprogramm der Bun-                   Ihr Präsident Herbert Pichler &
desregierung steht das Thema „Pflege“. Da                Ihr Generalsekretär Rudolf Kravanja
der ÖZIV maßgeblich an der Einführung des
Pflegegeldes Anfang der 1990er Jahre beteiligt
war, werden wir uns zu diesem Thema jeden-
falls massiv einbringen. Unser oberstes Ziel
dabei ist es, Menschen mit Behinderungen aus
dem Pflegegeld herauszulösen und für diesen
                                                         Herbert Pichler &
Bezieherkreis stattdessen ein „Inklusionsgeld“           		          Rudolf Kravanja
www.oeziv.org                                                                                  INKLUSIV   3
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ÖZIV // Inklusiv Inhalt

     ÖZIV Bundesverband

     03                            16                          24
     VORWORT                       INTERVIEW                   ÖZIV-MEDIENPREIS
     Präsident & Generalsekretär   mit ÖZIV-Generalsekretär    Siegerartikel von
     des ÖZIV Österreich           Rudolf Kravanja             Mareike Boysen

     07                                                        27
     VORWORT                                                   FAIR FÜR ALLE
     Geschäftsführung                                          ÖZIV Bundesverband nun
     des ÖZIV Österreich                                       zertifiziert

     08                                                        28
     EINKAUFSSTRASSEN-                                         FORUM LICHTERKETTE
     STUDIE 2019
     zur Barrierefreiheit                                      30
                                                               KONKRETE
                                   18                          FORDERUNGEN
                                                               Frauen mit Behinderungen
                                   ES IST NOCH EIN
                                   WEITER WEG
                                   Statements Klaus Widl und
                                   Margarete Brennsteiner

                                   20
                                   SUPPORT BERATUNG
                                   erweiterte Angebote
     12
     INTERVIEW
     mit ÖZIV-Präsident
     Herbert Pichler
                                                               32
                                                               AUSSTELLUNGSBESUCH
                                                               Ein besonderer
                                                               Museumsbesuch

                                   22
                                   MIT SPITZER FEDER
                                   Keine Scheu, aber Respekt

4         INKLUSIV                                                                 www.oeziv.org
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ÖZIV // Inklusiv Inhalt

                                 ÖZIV Regional
                                                              IMPRESSUM

                                                              Herausgeber und Verleger:

34                               45                           ÖZIV Bundesverband,
                                                              Interessenvertretung für

KURZNACHRICHTEN                  ÖZIV TIROL                   Menschen mit Behinderungen
                                                              1110 Wien, Hauffgasse 3-5, 3. OG

38                               48
                                                              T: +43 (0)1/513 15 35
                                                              buero@oeziv.org

ÖZIV ARBEITS-                    ÖZIV VORARLBERG              Erscheinungsweise:
                                                              4-mal jährlich
ASSISTENZ
STOMA-Selbsthilfe                                             Vertrieb:
                                                              Österreichische Post AG,

40
                                                              Lesezirkel

                                                              Chefredaktion:
ÖZIV RECHT                                                    Hansjörg Nagelschmidt
Pflegekarenz und
                                                              Mitarbeiter*innen dieser Ausgabe:
Pflegeteilzeit                                                Angelika Parfuss, Doris Kreindl,

42
                                                              Daniela Rammel, Birgit Büttner,

DIESMAL:
                                 50                           Isabella Aigner, Nicole Weidinger,
                                                              Wolfi Drabek, Reinhard Leitner, Man-
                                                              fred Fischer, Nicole Weidinger
                                 ÖZIV KÄRNTEN
IN HAMBRUG                                                    Layout:
mit Reimhard Reiseleitner
                                 52                           CK Medienverlag GmbH,
                                                              9020 Klagenfurt

                                 ÖZIV BURGENLAND              Medieninhaber, Satz,

                                 54
                                                              Anzeigen und Druck:
                                                              Die Medienmacher GmbH
                                                              8151 Hitzendorf, Oberberg 128
                                 CLUB 81                      Zweigstelle: 4800 Attnang-Puchheim,
                                                              Römerstraße 8

                                 56
                                                              T: +43 (0)7674/62 900-0
                                                              office@diemedienmacher.co.at

                                 ÖZIV WIEN                    Zulassungsnummer:

44                               58
                                                              GZ15Z040585 N
                                                              ZVR: 453063823

ÖZIV TERMINE
Events und Veranstaltungen       CBMF                         Bei bezahlten Anzeigen liegt die inhalt-
                                                              liche Verantwortung beim Auftragge-
                                                              ber. Alle Rechte, auch die Übernahme
                                                              von Beiträgen nach §44 Abs. 1 und 2
                                                              Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten.
                                                              Für unverlangt eingesandte Manuskrip-
   Wir danken den nachfolgenden Firmen und                    te und Fotos sowie Satz- und Druckfeh-
   Institutionen für einen Druckkostenbeitrag:                ler übernehmen wir keine Haftung.

   Gemeinde Roitham, 4661 Roitham • Fa. Eckerstorfer Stefan   Sollten Sie ÖZIV INKLUSIV nicht mehr
   e.U., 4113 St.Martin im Mühlkreis • Gebr. Ing. Angermay-   erhalten wollen, so können sie das
   er, BaugesmbH, 4481 • Asten Marktgemeinde Wagrain,         Magazin jederzeit abbestellen.

   5602 Wagrain • Fleischerei, Johannes Traunmüller, 4203     Anregungen und Infos an:
   Altenberg • Rosenbauer International AG, 4060 Leonding     redaktion@oeziv.org
   • Stadtgemeinde Schwanenstadt, 4690 Schwanenstadt •
   Gemeinde Piesendorf, 5721 Piesendorf

www.oeziv.org                                                                               INKLUSIV     5
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ÖZIV // Vorwort

VORWORT
Liebe Leserinnen und Leser!

Mit viel Elan sind wir beim Bundesverband ins
Jahr 2020 gestartet. Etliche Projekte hatten wir
natürlich schon länger in Vorbereitung, können
aber nunmehr auch darüber berichten.

Beispielsweise starteten wir mit Jahresbeginn
in vorerst drei Pilotbundesländern (Wien,
Salzburg und Tirol) mit einem neuen Angebot,
nämlich der ÖZIV SUPPORT Heranführungsbe-
ratung. Wir arbeiten dabei eng mit den Verant-
wortungsträger*innen der ÖZIV Landesorga-
nisationen und SUPPORT Teams in Tirol und
                                                   Gernot Reinthaler und Erika Plevnik
Salzburg zusammen. In Wien wird SUPPORT ja
vom Bundesverband selbst durchgeführt.
                                                   Seite 27) Derzeit sind weitere Zertifizierungen
Ziel des neuen Angebotes ist es, die Lebenssi-     im Laufen – und ÖZIV INKLUSIV wird berichten.
tuation der Klient*innen zu verbessern, denn
viele Menschen mit Behinderungen haben             Schon Tradition hat unsere Einkaufsstra-
unterschiedliche Fragen, die unter den Nägeln      ßen-studie. Dieses Mal hat das Team von
brennen. Vorrangig werden Grundprobleme            ÖZIV ACCESS die barrierefreie bzw. stufenlose
besprochen, wie beispielsweise Fragen zu           Zugänglichkeit von Geschäftslokalen in den
Mobilität, finanzielle Unterstützungsleistungen,   Einkaufsstraßen der Landeshauptstädte Ei-
Wohnen, chronische Erkrankungen, Rehabilita-       senstadt, Innsbruck, Salzburg und St, Pölten
tion etc. Hilfestellung gibt es außerdem bei be-   erhoben. So viel sei an dieser Stelle verraten:
hördlichen Anträgen wie Feststellungsbescheid,     zufrieden sind wir mit den Ergebnissen nicht!
Behindertenpass, Reha- oder Pflegegeld sowie       Denn im Durchschnitt war nur jedes zweite Ge-
Berufs- und Invaliditätspension. Ab der Seite      schäft ohne Stufe zu erreichen. Die Detail-er-
20 können Sie weitere Details über das neue        gebnisse stellen wir Ihnen ab Seite 8 vor.
Angebot erfahren.
                                                   Viel getan hat sich auch bei unseren Landes-
Aufmerksame Leser*innen der ÖZIV INKLUSIV          und Mitgliedsorganisationen: neue Koopera-
kennen natürlich das Gütesiegel FAIR FÜR           tionen, Magic Moments, Auszeichnungen des
ALLE, das Unternehmen und Institutionen            Bundeslands, viele Veranstaltungen für die Mit-
kennzeichnet, die sich intensiv und umfassend      glieder. Ab Seite 45 finden Sie einen Überblick,
mit dem Thema Barrierefreiheit beschäftigen.       was in den Bundesländern so alles passiert.

Rund 20 Behindertenorganisationen waren an         Herzliche Grüße
der Entwicklung von FAIR FÜR ALLE beteiligt,
Seit letztem Jahr ist die Koordinierungsstel-
le des Zertifikats beim ÖZIV Bundesverband
angesiedelt. Grund genug für uns, dass wir uns
                                                   Erika Plevnik &
nunmehr ebenfalls dem Zertifizierungsprozess
gestellt haben und nunmehr mit dem Zertifikat
                                                   		       Gernot Reinthaler
ausgezeichnet wurden (Siehe Bericht auf den              Geschäftsführung des ÖZIV Bundesverbandes

www.oeziv.org                                                                              INKLUSIV   7
INKLUSIV AKTUELL EINKAUFSSTRASSENSTUDIE
ÖZIV // Coverstory

    EINKAUFSTRASSEN-
    STUDIE 2019
     zur Barrierefreiheit in Eisenstadt, Innsbruck, Salzburg und St. Pölten
                                                                                       Text: Angelika Parfuss

    I
      m Jahr 2019 wurden die Ergebnisse von 2017        sind nur 41,4% der Geschäfte ohne Stufen. Das
      (Erhebung on Innsbruck, Salzburg und St.          entspricht 46 Geschäften.
      Pölten) wiederholt und um die Daten aus
    Eisenstadt ergänzt.                                 Das schlechteste Ergebnis ist mit nur 40,0%
                                                        stufenlos zugänglichen Geschäftslokalen in der
    In folgender Tabelle sind die Detailergebnisse      Stadt Salzburg zu finden (195 Geschäftslokale).
    zu der erhobenen Stufenzahl nach Städten.           Das bedeutet, in Eisenstadt und Salzburg ist

                         Anzahl           Stufenlos       1 Stufe                            3 Stufen
        Stadt 2019                                                        2 Stufen
                        Geschäfte         (bis 3cm)      (ab 3cm)                           und mehr

        Eisenstadt          111             41,4%          34,8%           21,7%               13,1%

        Innsbruck           576             58,3%          21,9%            9,7%               10,1%

         Salzburg
                            488             40,0%          37,5%           12,9%                9,6%
          (2020)

        St. Pölten          213             61,0%          27,2%            7,5%                4,3%

      Gewichteter        (Summe)
                                            50,9%         29,8%            10,7%               8,5%
      Durchschnitt         1.388

    Durchschnittlich 50,9% der untersuchten Ein-        nicht einmal jedes zweite Geschäft ohne Stufen
    gänge aller Geschäftslokale in den erhobenen        erreichbar.
    Einkaufsstraßen sind stufenlos zugänglich. Das
    entspricht 707 von insgesamt 1.388 Geschäf-         Im Vergleich zu den Daten aus dem Jahr 2017
    ten. Insgesamt 414 Geschäftslokale (29,8%)          gab es kaum Änderungen.
    haben eine Schwelle oder Stufe. Die restlichen
    267 Eingänge (19,2%) haben zwei oder mehre-                            Ergebnis           Ergebnis
    re Stufen.                                                               2017            2019/2020
                                                          Städte im
                                                                          stufenlose         stufenlose
                                                          Vergleich
    Die Auswertung macht die großen Unterschie-                           Geschäfts-         Geschäfts-
    de in den einzelnen Städten deutlich. Sankt                             lokale             lokale
    Pölten hat mit 61,0% das beste Ergebnis - das         Eisenstadt     Keine Daten           41,4%
    entspricht 130 Geschäftslokalen. Innsbruck
                                                           Innsbruck        58,0%              58,3%
    weist mit 58,3 % das zweitbeste Ergebnis auf.
    Das entspricht insgesamt 336 Geschäftsloka-            Salzburg         39,2%              40,0%
    len, die stufenlos zugänglich sind. In Eisenstadt      St. Pölten       57,6%              61,0%

8         INKLUSIV                                                                            www.oeziv.org
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ÖZIV // Coverstory

Wie man an den Daten im Vergleich sieht,            Jahr 2017 konnten nicht die gesamten Straßen
hat sich die Barrierefreiheit nur in St. Pölten     erhoben werden. Die Daten aus Eisenstadt
und Salzburg geringfügig verbessert. Dieses         kommen neu dazu.) Daher kam es in den ein-
Ergebnis ist auf den Umbau in der Linzer            zelnen Branchen zu größeren Änderungen. Wie
Gasse (Salzburg) und in der Kremser Gasse           man aber auch feststellen kann, ist die Ten-
(St. Pölten) zurückzuführen. In beiden Städten      denz ähnlich. Bei den größten Branchen wie
konnten nach einem Umbau im Jahr 2017, im           „Fachhandel“ (48,8%) und die „Gastronomie
Jahr 2019, beziehungsweise 2020 mehr Daten          und Hotellerie“ (46,3%) sind nicht einmal die
erhoben werden, da der Umbau hier bereits           Hälfte aller erfassten Geschäftslokal stufenlos
beendet war.                                        geblieben. Kaum Verbesserung gab es auch
                                                    in der „Mode“-Branche. Hier waren von 360
In Innsbruck ist das Ergebnis annähernd gleich-     Geschäften nur 183 ohne Stufen zu erreichen –
geblieben. Hier gab es eine marginale Verbes-       nur ein Prozent mehr als im Jahr 2017.
serung von 0,3 Prozentpunkten.
                                                    Wie man anhand der untenstehenden Tabelle
In Eisenstadt wurden im Jahr 2017 noch keine        erkennen kann, verfügen einzig Einkaufszentren
Daten erhoben. Die Studie soll sukzessiv um         und der orthopädische Fachhandel zu 100
Landeshauptstädte erweitert werden.                 Prozent über stufenlose Eingänge. Hierzu ist
                                                    allerdings anzumerken, dass nur die Eingänge
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass im Jahr        zu den Einkaufszentren erhoben wurden. Die
2019/2020 mehr Geschäfte erhoben wurden             Eingänge der innen liegenden Geschäftslokale
als im Jahr 2017. (Auf Grund von Bauarbeiten        berücksichtigten wir nicht. Hier ist anzu-
in der Kremser-Gasse und Linzer Gasse im            nehmen, dass es auch innerhalb der

                                                  Stufenlos       Anzahl Ge-         Stufenlos
           Daten nach Branchen
                                                    2017        schäfte gesamt       2019/2020
   Prozentsatz der stufenlosen Geschäfte
                                                  (bis 3cm)       2019/2020          (bis 3cm)
                Branche (A) Apotheke               61,5%               15              53,3%
          Branche (B) Bank und Post                66,7%               23              82,6%
   Branche (C) Beratungsstellen, Reisebüro,
                                                   47,4%               30              50,0%
                 Immobilien
         Branche (E) Einkaufszentrum               100,0%               6              100,0%
           Branche (F) Fachhandel                  48,2%              279              48,8%
    Branche (G) Gastronomie und Hotel              45,0%              246              46,3%
   Branche (H) Orthopädischer Fachhandel           50,0%                6              100,0%
  Branche (K) Körperpflege und Gesundheit          48,3%               86              45,4%
    Branche (L) Lebensmittel und Bäckerei,         62,7%               67              58,2%
                 Branche (M) Mode                  49,8%              360              50,8%
       Branche (Ö) Ämter und Behörden              58,3%               30              60,0%
   Branche (S) Sakralbauten und Kultstätten        72,7%               14              57,1%
       Branche (T) Veranstaltungsstätten           50,0%                8              87,5%
     Branche (V) Verschiedenes (Trafiken)          60,7%              149              56,4%
     Branche (X) Leerstehende Geschäfte            44,4%               69              36,2%

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INKLUSIV AKTUELL EINKAUFSSTRASSENSTUDIE
ÖZIV // Coverstory

      Geschäftslokal mit 2 Stufen, Eisenstadt Innenstadt 2019

     Einkaufszentren einen sehr hohen Grad an             der vorliegenden Ergebnisse würde man sich
     stufenlosen Eingängen gab.                           wünschen, dass Barrierefreiheit wesentlich
                                                          besser umgesetzt wäre.
     Eine deutliche Steigerung gab es in der Bran-
     che der „Banken und Post“ (von 66,7% auf             Barrieren im baulichen sowie gestalterischen
     82,6%) und der Branche „Veranstaltungsstät-          Bereich und insbesondere die Barrieren in den
     ten“ (von 50,0% auf 87,5%). Einen Rückgang           Köpfen stellen eine erhebliche Einschränkung
     gab es in der Kategorie „Verschiedenes“, in der      für Kund*innen mit Behinderungen dar. Die
     viele Trafiken erfasst wurden (von 60,7% auf         selbstbestimmte Wahl eines Geschäftsloka-
     56,4%), und auch bei den „Apotheken“ (von            les wird mancherorts stark eingeengt und
     61,5% auf 53,3%), der Branchen „Körperpflege         manchmal sogar unmöglich gemacht. Obwohl
     und Gesundheit“ (von 48,3% auf 45,4%) sowie          manche Einkaufsstraßen eine relativ hohe
     „Lebensmittel und Bäckerei“ (von 62,7% auf           Zugänglichkeit aufweisen, darf nicht vergessen
     58,2%). Die größte Reduktion betrifft die erfass-    werden, dass es noch Etliches zu tun gibt.
     ten „Sakralbauten“ (von 72,7% auf 57,1%) und
     ist auf die vergrößerte Stichprobe zurückzufüh-      Das ist schade, denn so entgehen den Ge-
     ren.                                                 schäftsinhabern Kunden. Auch Menschen mit
                                                          Mobilitätseinschränkung oder Rollstuhlfah-
     Insgesamt ist festzustellen, dass keine der un-      rer*innen gehen gerne einkaufen. Das findet
     tersuchten Einkaufsstraßen zur Gänze barrie-         auch Isabella Aigner. Sie ist Mitarbeiterin von
     refrei ist. Durchschnittlich betrachtet ist gerade   ÖZIV ACCESS und Rollstuhlnutzerin. „Ich als
     einmal jedes zweite Geschäftslokal der unter-        sehr aktive Rollstuhlfahrerin lege großen Wert
     suchten Einkaufsstraßen stufenlos zugänglich.        darauf, auch beim Einkaufen viele Möglichkei-
     Es gab große Unterschiede zwischen den               ten zu haben. Damit dies möglich ist, sind ein
     Städten zu verzeichnen. So hatte St. Pölten an       barrierefreier also stufenloser Zugang in den
     relativen Zahlen gemessen die bisher besten          Geschäften und möglichst breite Gänge für
     Ergebnisse. Die Stadt Salzburg und Eisenstadt        mich die Voraussetzung. Außerdem benötige
     hingegen haben noch großen Aufholbedarf.             ich barrierefreie Umkleidekabinen mit Hal-
                                                          tegriff. Wenn ich etwas besorge oder neues
     Entsprechend dem Bundes-Behindertengleich-           Gewand haben möchte, bevorzuge ich Ein-
     stellungsgesetz sollten bereits seit 2016 alle       kaufsstraßen mit mindestens 70% stufenlosen
     Geschäftslokale barrierefrei sein. Angesichts        Geschäftslokalen.“

10        INKLUSIV                                                                            www.oeziv.org
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11
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ÖZIV // Bundesverband

     „DER ÖZIV SOLL IN JEDEM
     BUNDESLAND ERSTER
     ANSPRECHPARTNER FÜR DIE
     (LANDES-)POLITIK WERDEN“
      ÖZIV-Präsident Herbert Pichler im Interview

                                                      Fotos: Michael Janousek/Österreichischer Behindertenrat

     Am Delegiertentag im Sep-       möchte. Das Gespräch führte         bist du zudem Präsident
     tember 2019 wurde Herbert       INKLUSIV-Chefredakteur              des Behindertenrats. Wie
     Pichler zum neuen ÖZIV-Prä-     Hansjörg Nagelschmidt.              passen diese beiden Ämter
     sidenten gewählt. Mit ÖZIV                                          zusammen und was willst
     INKLUSIV sprach er über seine   Beim letzten ÖZIV Ver-              du als ÖZIV-Präsident in den
     Pläne für den ÖZIV, das neue    bandstag wurdest du zum             nächsten Jahren erreichen?
     Regierungsprogramm, aktuel-     Präsident des ÖZIV Bundes-
     le behindertenpolitische The-   verbands gewählt, wo du             Herbert Pichler: Beide Funk-
     men und welche politischen      schon länger als Vize-Präsi-        tionen passen sehr gut zuein-
     Forderungen er durchsetzen      dent aktiv warst. Seit 2017         ander. Ich würde sogar sagen,

12        INKLUSIV                                                                            www.oeziv.org
ÖZIV // Bundesverband

dass es in der Doppelfunktion     dass wir nach außen mit einer     Schul-Inklusion ist mir eben-
einen Synergie-Effekt gibt.       Stimme sprechen. Meine Visi-      falls sehr wichtig.
Natürlich muss ich dabei auf      on dazu ist, dass wir in jedem
eine Abgrenzung der beiden        Bundesland mit denselben          Behindertenpolitik ist – wie
Funktionen achten. Deswegen       Anliegen auftreten – so kön-      wir immer so schön sagen
war es sinnvoll Rudolf Kra-       nen wir auch Einheitlichkeit      – eine Querschnittsmate-
vanja zum Generalsekretär         in vielen wichtigen Fragen in     rie, die viele Bereiche und
zu bestellen (siehe Interview     ganz Österreich erreichen.        Ministerien betrifft. Welche
Seiten 16 bis 17), der gemein-                                      behindertenpolitischen The-
sam mit der Geschäftsführung      Seit Jänner steht die neue        men liegen dir für die nä-
künftig auch Aushängeschild       türkis-grüne Regierung            here Zukunft besonders am
sein soll, damit der ÖZIV ent-    und damit auch ein neues          Herzen? Wir bitten dich um
sprechend präsent bleibt und      Regierungsprogramm. Zu-           deine Statements zu einzel-
nicht untergeht. Dabei spielt     frieden mit den Plänen der        nen Themenbereichen…
eine entsprechende politische     Regierung, was Menschen
Positionierung von Generalse-     mit Behinderungen betrifft?       Herbert Pichler: Was mir
kretär und Geschäftsführung       Gibt es Punkte, wo du dir         leider wirklich im Regie-
eine wesentliche Rolle.           mehr erwartet hättest?            rungsprogramm fehlt, ist die
                                                                    Reform des Bundesbehin-
Als Präsident des ÖZIV ist        Herbert Pichler: Viele Punk-      dertenbeirats. Es ist richtig,
es mir sehr wichtig, dass         te sind sehr oberflächlich        dass Behindertenpolitik
wir als Verein noch näher         beschrieben, da hätte ich         Querschnittsmaterie ist und
zusammenwachsen und einen         mir schon etwas mehr Tiefe        deshalb passt es nicht, dass
gemeinsamen Weg gehen             erwartet. Andererseits ergibt     diese Agenden nur beim
wollen. Ein wichtiges Ziel        sich dadurch auch eher die        Sozialministerium liegen und
ist, in allen Bundesländern       Chance der Mitgestaltung als      andere Ministerien immer auf
eine entsprechend starke          wenn schon alle Details fix       das Sozialministerium weiter-
Interessenvertretung zu sein      vorgegeben wären.                 verweisen. Richtig wäre aus
– schließlich ist der ÖZIV der                                      meiner Sicht eine Ansiedlung
einzige Verband im Behinder-      Ich kann mich an kein Regie-      des Beirats beim Bundes-
tenbereich, die es schaffen       rungsprogramm erinnern, in        kanzleramt. Ich denke, zu
kann, in jedem Bundesland         dem Menschen mit Behinde-         diesem langfristigen Thema
erster Ansprechpartner für        rungen so vielfältig abgebildet   wäre eine breite Diskussion
die Politik zur Verfügung zu      wurden, wie im aktuellen          nötig. Denn derzeit fehlt die
stehen. Der ÖZIV hat durch        Programm. Das ist als sehr        Auseinandersetzung des
seine Präsenz in jedem Bun-       positiv zu beurteilen. Dieses     Bundeskanzleramts sowie der
desland vom Burgenland bis        Mal kommen Menschen mit           unterschiedlichen Ministerien
nach Vorarlberg dafür die         Behinderungen nicht nur in        mit dem Thema Behinderung.
besten Voraussetzungen, die-      einem kurzen Absatz sondern
se wichtige Rolle zu besetzen.    an vielen unterschiedlichen       Thema Arbeitsmarkt
Auch wenn viele Gesetze auf       Stellen vor: bei der Arbeits-     Herbert Pichler: Mit der
Bundesebene gemacht wer-          marktpolitik, der Schulpolitik,   Arbeitsmarktpolitik der
den, spielt der Föderalismus      Gesundheitspolitik und so         letzten Jahre bin ich sehr
eine große Rolle. Als ÖZIV        weiter. Besonders gut gefällt     unzufrieden! Mein Eindruck
können wir in den jeweiligen      mir auch, dass ganz klar          ist, dass sich das AMS in
Bundesländern nahe an der         die Forderung „Gehalt statt       10-Jahresschritten etwas
Landespolitik viel erreichen,     Taschengeld“ im Regierungs-       Neues überlegt, um Men-
wenn wir schnell und AKTIV        programm festgehalten wur-        schen mit Behinderungen
agieren.                          de, da dies ein wesentlicher      loszuwerden bzw. an das
Um bestmöglich behinderten-       Schritt zu gleichberechtigter     Sozialministeriumservice
politischen Einfluss ausüben      Teilhabe ist. Und die aus-        weiterzureichen. 1998 wurde
zu können, ist es sehr wichtig,   drücklich angesprochene           die besondere Zielgruppe

www.oeziv.org                                                                              INKLUSIV   13
ÖZIV // Bundesverband

                                       beispielsweise AMS und SMS         Tatsache ist, dass die Un-
                                       besser kooperieren, alle           terschiede bei der Barriere-
                                       AMS-Berater*innen werden           freiheit nicht nur innerhalb
                                       gemeinsam mit dem ÖZIV             Österreichs zum Teil sehr
                                       besser geschult, und alle          groß sind, auch länderüber-
                                       sozialökonomischen Betriebe        greifend ergeben sich hier
                                       werden wieder für betroffene       Riesenunterschiede. Ein po-
                                       Personen geöffnet.                 sitives Beispiel wäre Kanada:
                                                                          selbst im kleinsten Dorf, oder
                                       Davor wurde schon erreicht,        in abgelegenen Naturparks
                                       Menschen mit Behinderungen         wird dort auf barrierefreie
                                       nach 20 Jahren endlich wieder      Ein- und Zugänge geachtet,
                                       als besondere Zielgruppe           weil das Thema von Anfang
                                       beim AMS zurückzuholen.            an mitberücksichtigt wird.
                                       Wichtig ist auch, dass es für      Dort ist das eine Selbstver-
                                       die Zielgruppe entsprechende       ständlichkeit, während bei
                                       Sonderfördergelder gibt.           uns Barrierefreiheit immer
                                                                          noch als zusätzlicher Aufwand
                                       Beim Ausgleichstax-System ist      betrachtet wird. Ebenso die
     „Menschen mit Behinderun-         es ganz wichtig, vom Bestra-       skandinavischen Länder ha-
     gen“ aufgehoben, 2008 wurde       fungssystem wegzukommen.           ben in Europa diesbezüglich
     erstmals der Pilotversuch der     Derzeit betrifft das System        eine Vorbildfunktion.
     Gesundheitsstraße eingeführt,     aufgrund der Unternehmens-
     wo bei der PVA aus rein me-       struktur rund 3 Prozent der        Thema Inklusive Schulen
     dizinischer Perspektive über      Betriebe. Künftig fordern wir      Herbert Pichler: Es ist wirk-
     Arbeitsfähigkeit geurteilt wird   von allen Unternehmen einen        lich höchst an der Zeit im
     und Themen wie persönliche        kleinen Solidaritätsbeitrag, der   Bildungsbereich einen konkre-
     Assistenz, Hilfsmittel etc.       sich vom Umsatz oder Gewinn        ten Etappenplan zu erstellen,
     keine Berücksichtigung in der     berechnet. Im Gegenzug sol-        bis wann das Ziel inklusive
     Beurteilung finden, was be-       len solche Unternehmen, die        Bildung erreicht werden soll.
     sonders bei jungen Menschen       Menschen mit Behinderungen         Der Prozess selbst sollte dann
     mehr als problematisch ist.       beschäftigen einen entspre-        entsprechend begleitet und
     Und 2018 dann die Idee mit        chend spürbaren Bonus erhal-       evaluiert werden, weil es hier
     dem Algorithmus, der zur          ten. Ein großer Zusatzeffekt       Ängste und Unsicherheiten
     Folge hat, dass Menschen mit      der Maßnahme: zumindest            gibt. Es geht auch darum
     gesundheitlichen Einschrän-       einmal im Jahr wird jedes          Fronten aufzuweichen, die ja
     kungen in jener Gruppe            Unternehmen dann mit dem           in der Bildungsfrage beson-
     landen, in der es so gut wie      Thema Beschäftigung von            ders starr sind. Letztendlich
     keine Unterstützung mehr          Menschen mit Behinderungen         ist gute Ausbildung essenziell
     durch das AMS gibt. Das wür-      konfrontiert.                      wichtig für bessere Chancen
     de grundsätzlich immerhin                                            am Arbeitsmarkt – ich weiß
     rund 84.000 gesundheitlich        Thema Barrierefreiheit             das als ehemaliger Sonder-
     beeinträchtigte und behinder-     Herbert Pichler: Kaum eine         schüler aus eigener Erfahrung.
     te Menschen betreffen, die so     andere Organisation ist
     aufs Abstellgleis geschoben       so stark und engagiert am          Ein Thema, dem sich die
     werden.                           Thema Barrierefreiheit dran-       Regierung in diesem Jahr
                                       geblieben wie der ÖZIV. Das        besonders widmen möchte,
     Immerhin haben wir es             Thema wäre sonst nämlich           ist das Thema „Pflege“.
     gemeinsam mit der Behinder-       mit Ablauf der Übergangsfrist      Welche Forderungen bzw.
     tenanwaltschaft geschafft,        aus dem Fokus geraten, aber        Wünsche werden von Seiten
     hier drei Verbesserungen          dank des ÖZIV ist das nicht        des ÖZIV Bundesverbands
     zu erreichen: künftig sollen      passiert.                          hier erhoben?

14        INKLUSIV                                                                          www.oeziv.org
ÖZIV // Bundesverband

Herbert Pichler: Heuer ist       Herbert Pichler: Seit Jahr-
das „Jahr der Pflege“ und wir    zehnten hat sich der Weiße
haben dazu auch beim Dele-       Hof einen exzellenten Ruf
giertentag einen entsprechen-    erarbeitet und großartige
den Beschluss verabschiedet.     Erfolgsstories in der REHA von
Unser oberstes Ziel ist es,      Unfall-Opfern etc. vorzuwei-
Menschen mit Behinderungen       sen. Diese Struktur mutwillig
(mindesteingestufte Personen     aufzugeben für einen neuen
nach §4a BundespflegeGe-         Standort in Wien, ist für uns
setz) aus dem Pflegegeld         nicht nachvollziehbar. Ich
herauszulösen und für diesen     fordere die AUVA als Träger
Bezieherkreis stattdessen ein    des REHA-Zentrums auf, eine
„Inklusionsgeld“ zu schaffen.    Absiedelung vom bewährten
Wir wollen auch erreichen,       Standort nicht gegen die Inte-
dass mehr Personengrup-          ressen der selbstbetroffenen
pen dieses Inklusionsgeld        Menschen durchzuführen.
beziehen können und eine         Der Standort Klosterneuburg
Mindesteinstufung erhalten.      zeichnet sich durch seine
Damit würde die teils ent-       naturnahe und ruhige Lage         Behinderungen. Das große
würdigende Bettelei bei der      aus, die einen wesentlichen       ABER betrifft jedoch das The-
Pflegegeld-Einstufung – wie      Faktor bei der Genesung und       ma Mobilität und öffentliche
es das jetzt teilweise gibt –    Erholung der Menschen spielt.     Verkehrsmittel: hier besteht
wegfallen!                       Diese Vorteile wären in Meid-     ein enormes Kommunikati-
                                 ling wohl kaum gegeben.           onsdefizit seitens der Wiener
Mit dem „Inklusionsgeld“                                           Linien, die uns Interessensver-
wäre dann ausreichend            Die wichtigste Wahl im Jahr       treter*innen lediglich Ergeb-
Geld zur Verfügung um eine       2020 ist wohl die Wiener          nisse präsentieren, aber nicht
bundeseinheitliche Regelung      Landtagswahl im Herbst.           wirklich an einer Einbindung
der persönlichen Assistenz zu    Wie stellt sich aus deiner        interessiert sind – und das oft
schaffen, das Ziel „Lohn statt   Sicht die Situation von           sehr kurzfristig. Das bringt
Taschengeld“ zu erreichen        MmB in Wien dar? Was ist          die Barrierefreiheit im öffent-
oder einen One-Stop-Shop         im Vergleich zu anderen           lichen Verkehr wirklich in Ge-
für Hilfsmittel zu etablieren.   Bundesländern besonders           fahr und so fordern wir hier
Eingebunden in die Finan-        gibt und wo hat die Bundes-       einen Dialog auf Augenhöhe,
zierung werden sollten aus       hauptstadt Schwächen bzw.         wie er beispielsweise bei den
meiner Sicht auch die Sozial-    Nachholbedarf?                    ÖBB gegeben ist.
versicherungen, das AMS und
die Länder – Vorbild dieser      Herbert Pichler: Grundsätz-       Vielleicht noch ein
Neuregelung könnte das           lich ist in Wien die Lebens-      Schluss-Statement von dir?
fit2work-Modell sein, wo dies    qualität sehr hoch. Wien ist
bewährte Praxis ist. Wenn wir    sehr fortschrittlich, was das     Zum Abschluss des Interviews
das schaffen würden, wären       persönliche Assistenz-System      möchte ich noch sagen, dass
wir der Inklusion – auch im      betrifft. Allerdings hat das      die Erreichung unserer ehr-
Sinne der Selbstbestimmung       persönliche Assistenzbudget       geizigen Ziele uns als ÖZIV
– einen sehr großen Schritt      seit der Einführung leider ei-    dann gelingen wird, wenn wir
näher!                           nen riesigen Wertverlust erlit-   alle gemeinsam in die gleiche
                                 ten. Zudem betreibt die Stadt     Richtung gehen und ich freue
Ein Statement zur kolpor-        Wien auf verschiedensten          mich da auf die Zusammenar-
tierten Schließung des           Ebenen vorbildliche Partizipa-    beit mit allen Mitarbeiter*in-
REHA-Zentrums „Weißer            tion – beispielsweise bei der     nen, Funktionär*innen und
Hof“?                            gemeinderätlichen Interessen-     Ehrenamtlichen. Und darauf
                                 vertretung für Menschen mit       freue ich mich sehr!

www.oeziv.org                                                                             INKLUSIV   15
ÖZIV // Bundesverband

     „GLEICHBERECHTIGUNG
     STEHT AN ERSTER STELLE!“
      Seit September 2019 ist Rudolf Kravanja Vizepräsident und Generalsekretär
      des ÖZIV Bundesverbands und Präsident des ÖZIV Kärnten seit 2012.

                                                                 Interview: Hansjörg Nagelschmidt • Foto: Privat

                                                         österreichweit vom ÖZIV im Bund und auf Lan-
                                                         desebene verbessern.

                                                         Meine Aufgabe sehe ich als österreichweiter
                                                         Koordinator und Impulsgeber, Visionen zu ent-
                                                         wickeln und diese auch umzusetzen.

                                                         Welche Schwerpunkte hast du dir für 2020
                                                         vorgenommen?

                                                         Die Herausforderung 2020 wird es sein, eine
                                                         gute Kommunikationsplattform zu schaffen, um
                                                         alle Funktionäre in Österreich gut und ausrei-
                                                         chend zu informieren.

                                                         Österreich hat eine neue Regierung, wo auch
                                                         wieder Kontakte und Netzwerke erweitert bzw.
                                                         aufgebaut werden müssen. Eine verlässliche
                                                         und vertrauensvolle Interessenvertretung kann
                                                         nur mit guter Gesprächs-/Verhandlungsbasis
                                                         zur Politik gelingen.
     Generalsekretär Rudolf Kravanja
                                                         Was möchtest du mittel- bis langfristig als

     K
         napp nach dem letzten ÖZIV Verbands-            Generalsekretär des ÖZIV Bundesverbands
         tag wurdest du zum Generalsekretär              erreichen?
         des ÖZIV Bundesverbands bestellt.
     Welche Aufgaben wirst du in dieser Positi-          Zusammenhalt und Kommunikationsaustausch
     on, die es in dieser Form bisher nicht gab,         in den Bundesländern; eine starke österreich-
     erfüllen?                                           weite Interessenvertretung.

     In der Regel ist der Generalsekretär Leiter der     In welchen Bereichen siehst du die größten
     Verwaltung, der Organisation und unterhalb des      Herausforderungen für den ÖZIV in den
     Präsidenten angesiedelt. Ein Generalsekretär ist    kommenden Jahren? Welche Maßnahmen
     das Bindeglied zwischen der Organisation und        sind geplant um den ÖZIV zukunftsfit zu
     der Politik und für das Tagesgeschäft verant-       machen?
     wortlich. Diese Funktion soll die Dienstleitungs-
     angebote und gezielte Interessenvertretung,         Eine der größten Herausforderungen sind die
     die Anliegen von Menschen mit Behinderungen         gewachsenen Strukturen. Jedes Bundesland,

16        INKLUSIV                                                                               www.oeziv.org
ÖZIV // Bundesverband

                   jede Region hat im ÖZIV seine eigene Ge-           Sind die Dauerthemen des ÖZIV – nämlich
                   schichte, die ich allerdings nicht als Schwäche,   Barrierefreiheit und Inklusion – schon in
                   sondern als Stärke sehe. Es wird auch bestimmt     ausreichendem Maß bei den politischen
                   keine leichte Aufgabe sein, die Regionen bei       Entscheidungsträger*innen angekommen?
                   Themen zu vereinen und zu bewegen, die Vision
                   des Ganzen zu sehen. Diese Vision muss ich den     Nein, doch wir sind permanent dabei diese, wie
                   Funktionär*innen vermitteln. Die beste Maß-        auch andere wichtige Themen österreichwert zu
                   nahme dafür werden viele Gespräche, mit noch       positionieren, aufzuzeigen, vorzustellen, einzu-
                   mehr Menschen sein. Konsequent, zielstrebig,       bringen, umzusetzen, … Dies ist sicherlich eine
                   aufmerksam und wenn es sein muss, wiederho-        Aufgabe, die nicht von heute auf morgen lösbar
                   lend. Kommunikation ist der Schlüssel.             sein wird, doch wir werden bis zur Umsetzung
                                                                      weiterarbeiten.
                   Wie dürfen wir uns das Zusammenspiel zwi-
                   schen Präsident, Präsidium, der Geschäfts-         Welche Verbesserungen für Menschen mit
                   führung, Landes-/Bezirksorganisationen und         Behinderungen sind deiner Meinung nach
                   dir als Generalsekretär vorstellen?                am dringlichsten anzugehen? Was erwartest
                                                                      du dir von der neuen Regierung in Sachen
                   Wie schon vorab beschrieben, habe ich eine         Behindertenpolitik?
                   verantwortungsvolle Funktion bewusst über-
                   nommen. Es kommt mir nur zu Gute, dass ich         Da in unserer Verfassung geschrieben steht,
                   weitere wichtige Positionen ausüben darf. Als      dass alle Menschen gleich sind, hoffe ich auf
                   Bindeglied stehe ich im permanenten Aus-           eine Regierung, die in Sachen Behindertenpo-
                   tausch, denn nur so kann man vorankommen.          litik keine halben Sachen machen wird. Wir als
                   Durch professionelles Zusammenarbeiten auf         ÖZIV werden genau darauf achten und uns als
                   allen Ebenen werden wir es schaffen unsere         verlässlichen Partner der Regierung anbieten.
                   Werte weiter zu bringen.                           Die Frage, welche Verbesserungen am dring-
                                                                      lichsten anzugehen sind, stelle ich mir gar nicht.
                   Was motiviert dich an deiner Tätigkeit für         Die Gleichberechtigung von Menschen mit und
                   den ÖZIV?                                          ohne Behinderungen steht an erster Stelle.
                                                                      Hierfür brauchen wir eine gute inklusive Schule.
                   Die Menschen, unsere Mitglieder geben mir          Bildung ist alles, ob für Menschen mit oder
                   Kraft und Motivation. Sie fordern mich, als auch   ohne Behinderungen. Menschen ohne Bildungs-
                   ÖZIV, und das ist gut so. Nur wenn ein Motor       chancen gehen der sozialen Armut entgegen.
                   etwas zum Verbrennen hat, gibt dieser auch
                   Vollgas.
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                   www.oeziv.org                                                                                INKLUSIV   17
ÖZIV // Bundesverband

     „ES IST NOCH
      EIN WEITER WEG!“
      ÖZIV INKLUSIV bat die (neu-)gewählten Vizepräsident*innen um
      Statements über ihre Pläne und Ziele, die sie in ihrer Funktionsperiode für
      den ÖZIV erreichen wollen. Margarete Brennsteiner (ÖZIV Salzburg) und
      Klaus Widl (CBMF) sendeten uns ihre Statements.

                                                                                             Fotos: Privat

     Kaus Widl (CBMF):
     Ich bekleide die Funktion des
     ÖZIV Vizepräsidenten zwar
     erst seit September vorigen
     Jahres, bin jedoch mit und im
     ÖZIV „groß“ geworden, war
     ich doch auch schon bisher
     über 25 Jahre im Bundes-
     vorstand ehrenamtlich tätig,
     habe an der Entstehung und
     Entwicklung des Projekts
     ÖZIV SUPPORT mitgearbeitet
     und durfte die allererste
     SUPPORT- und Coaching-Aus-
     bildung sowie den Lehrgang
     zum ÖZIV-Gleichstellungsbe-
     rater selbst absolvieren. Des
     Weiteren war ich auch 6 Jahre
     hauptberuflich im ÖZIV Bun-
     desverband als Chefredakteur
     und Öffentlichkeitsmitarbeiter
     tätig, wo es einer meiner ers-
     ten Arbeiten war, die letzten     Verbesserung der Lebens-         bilden dabei die Leitlinie zur
     noch lebenden ÖZIV-Zeitzeu-       situation, und damit die         Umsetzung.
     gen aufzusuchen, um ausrei-       selbstbestimmte und gleich-
     chend Archiv- und Fotomate-       berechtigte Lebensführung        Konnten wir als gut vernetzte
     rial zur Geschichte des ÖZIV’s    von Menschen mit Behinde-        Interessenvertretung schon
     zusammenzutragen, um diese        rungen, im Vordergrund. Das      zahlreiche wichtige Gesetze-
     letztlich in einer Festbroschü-   im Jahr 2006 in Kraft getrete-   sänderungen für Menschen
     re niederzuschreiben und zu       ne Bundes-Behindertengleich-     mit Behinderungen anstoßen
     dokumentieren.                    stellungsgesetz und die vor      und umsetzen, so sind diese
                                       über 11 Jahren von Österreich    immer nur als Zwischener-
     Entsprechend der Leit-            ratifizierte UN-Konvention       folge auf einem noch langen
     bild-Missionen unseres            über die Rechte von Men-         Weg Richtung vollumfassen-
     Verbands steht für mich die       schen mit Behinderungen          der Inklusion, Partizipation,

18        INKLUSIV                                                                         www.oeziv.org
ÖZIV // Bundesverband

                   Selbstbestimmung und gleich-     Ausmaß an bürgernahen
                   berechtigte Teilhabe von         Erfahrungen und kennen die
                   Menschen mit Behinderungen       Bedarfslagen von Menschen
                   zu sehen.                        mit Behinderungen sehr
                                                    genau.
                   Die Arbeit unserer laufenden
                   Periode im ÖZIV-Präsidium        Die Themenlage ist vielfältig:
                   wird daher maßgeblich davon      besonders am Herzen liegt
                   bestimmt sein, einerseits alle   mir der Themenkomplex
                   unsere ÖZIV-Projekte und         Pflege. Bei der häuslichen
                   -Angebote nach den Grund-        Pflege, die nach wie vor in
                   sätzen „Hilfe zur Selbsthilfe“   erster Linie von Angehörigen
                   und „Hilfe durch selbst Be-      geschultert wird, benötigen
                   troffene“ erfolgreich weiter-    wir dringend Verbesserungen.
                   zuführen, und anderseits un-     Insbesondere in ländlichen
                   seren eingeschlagenen Weg        Gebieten ist die Versorgungs-
                   einer starken Interessenver-     lage teilweise sehr lückenhaft,
                   tretung weiter fortzusetzen      wenn pflegende Angehörige
                   und werden uns dabei auch        beispielsweise durch Krank-       Behinderungen, die derzeit
                   weiterhin nicht scheuen, Pro-    heit selbst ausfallen. Wenn       leider regelmäßig von einer
                   bleme öffentlichkeitswirksam     hier nicht bessere und ra-        amtlichen Stelle zur nächsten
                   aufzuzeigen und mit Hartnä-      schere Hilfe angeboten wird,      weiterverwiesen werden.
                   ckigkeit weiterzuverfolgen.      laufen wir Gefahr, dass die       Bereits die erste Anlaufstelle
                                                    Säule der Angehörigen-Pflege      sollte den Ratsuchenden
                   Margarete Brennsteiner           zusammenbricht. Auch die          alle Möglichkeiten aufzeigen
                   (ÖZIV Salzburg):                 Entscheidungen über Pflege-       und mit allen Unterlagen (in
                                                    geld-Einstufungen müssen im       Checklistenform) versorgen.
                   Insgesamt möchten wir            Sinne der betroffenen Perso-
                   erreichen, dass bei der Sozi-    nen rascher erfolgen.             Nicht zuletzt wünsche ich mir
                   algesetzgebung sowohl auf                                          für ehrenamtlich arbeitende
                   Bundes- und Landesebene          Dringende Verbesserungen          Funktionär*innen von Behin-
                   der ÖZIV – und auch andere       wünsche ich mir auch für          dertenorganisationen neue
                   Behindertenverbände stärker      Eltern von Kindern mit            Formen der Anerkennung.
                   gehört und eingebunden
                   werden, denn schließlich
                   verfügen wir über ein großes
                                                                         Wir danken den nachfolgenden
                                                                         Firmen und Institutionen für einen
                                                                         Druckkostenbeitrag:
                                                                         Alois Hinterer GmbH, Metallbau, 4820 Bad
                                                                         Ischl • Gemeinde Inzing, 6401 Inzing • Markt-
                                                                         gemeinde St. Georgen im Attergau, 4880
                                                                         St. Georgen im Attergau • Marktgemeinde
                                                                         Sattledt, 4642 Sattledt • Gemeinde Zell an
                                                                         der Pram, 4755 Zell an der Pram • Gemeinde
                                                                         Weißenstein, 9721 Weißenstein • Marktge-
                                                                         meinde Seeboden am Millstätter See, 9871
                                                                         Seeboden am Millstätter See • Gemeinde
                                                                         Stockenboi, 9713 Zlan • VIF Gerüstbau
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                                                                         ware GmbH, 4020 Linz

                   www.oeziv.org                                                                             INKLUSIV    19
ÖZIV // Bundesverband // SUPPORT

     SUPPORT BERATUNG
      ÖZIV Bundesverband für Menschen mit
      Behinderungen erweitert seine Angebotsschiene                                  Text: Doris Kreindl
                                                                                            Foto: iStock

     „M
                   otivierende Ge-     Um diesen Anfragen nun         Grundprobleme besprochen,
                   spräche, vertrau-   noch besser entgegenzukom-     wie beispielsweise bei Fragen
                   enswürdig und       men, hat der ÖZIV seine An-    zu Mobilität, finanzielle Unter-
             offen!“ „Ich wurde        gebotsschiene nun erweitert.   stützungsleistungen, Wohnen,
     nach einer Kündigung im           Seit 1. Jänner 2020 können     chronische Erkrankungen,
     Krankenstand sehr res-            sich jetzt Menschen mit oder   Rehabilitation u. v. m. Hilfe-
     pektvoll begleitet“, erzählen     ohne Feststellungsbescheid     stellung gibt es außerdem
     SUPPORT-Klient*innen, die         in den Pilotbundesländern      bei behördlichen Anträgen
     sich mit ihren Anliegen im        Wien, Salzburg und Tirol an    wie Feststellungsbescheid,
     ÖZIV wenden. „Ob Behin-           SUPPORT Beratung im ÖZIV       Behindertenpass, Reha- oder
     dertenpass, Förderungen           wenden. Das Angebot richtet    Pflegegeld sowie Berufs-und
     oder Jobsuche: Die Fragen         sich an alle Menschen mit      Invaliditätspension. Ziel des
     zum Thema Behinderung             Behinderungen oder chro-       neuen Angebotes ist es, die
     sind vielfältig“, berichten die   nischen Erkrankungen im        Lebenssituation der Klient*in-
     Berater*innen und Coaches         arbeitsfähigen Alter.          nen zu verbessern. „Damit
     aus allen Bundesländern von                                      steigen auch die Chancen in
     ihrem Arbeitsalltag.              Dabei werden vorrangig die     den Arbeitsmarkt einzustei-

20        INKLUSIV                                                                       www.oeziv.org
ÖZIV // Bundesverband // SUPPORT

gen“, sind die Angebotslei-      Angebote SUPPORT Beratung         mit der Erweiterung der
ter*innen aus Wien, Salzburg     und Coaching des ÖZIV ge-         ÖZIV-Angebote, leisten wir
und Tirol überzeugt.             braucht und angenommen.           einen wesentlichen Beitrag
                                 Derzeit werden jährlich mehr      zur Weiterentwicklung des
Eine Übernahme von SUP-          als 600 Menschen erfolgreich      Inklusiven Arbeitsmarktes.“
PORT Beratung in die Schiene     in den Arbeitsprozess einge-
SUPPORT Coaching ist nach        gliedert oder weitervermittelt.   Die Angebote werden vom
Klärung der Grundproble-         „Das Hauptanliegen von Men-       Sozialministeriumservice
matik möglich. Im Coaching       schen mit Behinderungen ist       finanziert und können kosten-
wird der Umgang mit der          es ein eigenständiges Leben       los in Anspruch genommen
Behinderung oder Krankheit       zu führen“, betont Geschäfts-     werden.
im Privat- und Berufsleben       führer Gernot Reinthaler im                        Gefördert durch
und deren Auswirkungen           ÖZIV-Bundesverband. „Und
besprochen. Typische Frage-
stellungen sind: Wie schaffe
ich Klarheit gegenüber            SUPPORT BERATUNG
meinen Arbeitgeber*innen          Alle Menschen mit Behinderungen/chronischen Erkrankun-
und Kolleg*innen hinsichtlich     gen im arbeitsfähigen Alter. Das Angebot kann kostenlos in
meiner Erkrankung oder            Anspruch genommen werden.
Behinderung? Was kann ich
tun, dass es mir besser geht?     Wir bieten Beratungen zu behindertenrelevanten Fragen
Wie gehe ich mit meiner           • im Bereich Mobilität, finanzielle Unterstützung, Wohnen,
eigenen Erkrankung um? Wie           Förderungen, Chronische Erkrankungen, Rehabilitation
schaffe ich den Wiederein-           u. v. m.
stieg in den Beruf mit meiner     • bei behördlichen Anträgen z. B. Behindertenpass, Fest-
Behinderung? Coaching soll           stellungsbescheid, Pflege- und Rehageld, Berufs- und
die Klient*innen vor allem           Invaliditätspension
bestärken und motivieren          • zu sozialen Einrichtungen und Angeboten
die eigenen Fähigkeiten und
Talente zu entdecken.             SUPPORT COACHING
                                  Menschen mit Behinderungen/chronischen Erkrankungen im
„Wir nehmen uns sehr viel         arbeitsfähigen Alter. Ab einem Grad der Behinderung (GdB)
Zeit für die verschieden          von 50%. Das Angebot kann kostenlos in Anspruch genom-
Anliegen. Denn wichtig ist        men werden.
uns die Schaffung einer Ver-
trauensbasis, um Menschen         Wir unterstützen Sie:
mit Behinderungen zu ihren        • beim (Wieder-)Einstieg ins Berufsleben
täglichen Herausforderungen       • bei der Klärung von Problemen in Berufs- und
individuell und bestmöglich          Privatleben
zu beraten“, sind sich die An-    • bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Krankheit
gebotsleiter*innen einig. Die     • bei der Entdeckung von Talenten und Fähigkeiten
inklusiven Teams verfügen
über umfassende Ausbildun-
gen und Berufserfahrun-           Zufriedene Klient*innen-Stimmen
gen. Bei umfangreichen            „Ich habe mehr Selbstvertrauen, und ich stelle mich neuen
Fragestellungen arbeiten die      Situationen.“
Berater*innen eng mit sozia-      „Lange Einheiten der Coachingberatung. Tolle Erfahrung und
len Einrichtungen zusammen        Techniken, meine Zustände wurden ernst genommen.“
oder informieren über weiter-     „Praktische Hinweise – Alles was sich tatsächlich umsetzten
führende Angebote.                lässt.“
                                  „Super Beratung! Super Coaching!“
Mehr denn je werden die

www.oeziv.org                                                                             INKLUSIV    21
ÖZIV // Kolumne - Mit spitzer Feder

     SMALL TALK
      Keine Scheu aber Respekt                                               Gastautor: Manfred W.K. Fischer

     I
       n einer Gesellschaft befindet   hinderung erfragen wollen –
       sich ein behinderter Mensch     eben Taktgefühl und Respekt
       im Rollstuhl. Irgendwie ist     sind gefragt.
     man neugierig auf diese Per-
     son – klar. Man will Kontakt      Bahnt sich ein längeres Ge-
     herstellen, aber wie?             spräch an, sollte man sich auf
                                       die Ebene des Gegenübers be-
     Hinzugehen, ihm kräftig auf       geben, d.h. sich auf einen Ses-
     die Schulter zu klopfen und       sel setzen oder in die Hocke
     jovial zu fragen: „Na seit wann   gehen. Auch die verwendete
     bist du schon an den Rollstuhl    Sprache muss eine „normale“
     gefesselt? Ich musste nach ei-    sein. Man braucht sich weder
     nem Radunfall auch mal zwei       in Babysprache noch beson-
     Wochen in so einem Ferrari        ders laut mit dem Menschen
     sitzen“, wäre ein kommunikati-    im Rollstuhl unterhalten.
     ver Mega-Gau. Warum?                                                 schwingt darin abwertend mit,
                                       Formulierungen wie „an den         dass sie eine attraktive, aber
     Meist führt Unsicherheit zu       Rollstuhl gefesselt“ oder „Wa-     wahrscheinlich naive Frau ist.
     solchen kommunikativen            gerl“ sind tabu. Ist sie schlag-   Sie wird über eine Eigenschaft
     Ausrutschern. Jemanden, den       fertig, würde sie sagen: „Ach,     prägend charakterisiert.
     man nicht kennt, gleich beim      können Sie mich bitte losbin-
     ersten Kontakt die Schulter       den.“ Der Mensch im Rollstuhl      Gleich ist es, wenn man
     auszukegeln *grins* und ihn       fühlt sich nämlich nicht an        Menschen mit Behinderungen
     sofort zu duzen, ist respektlos   diesen gefesselt, denn dieser      nur als „der/die Behinderte“
     und lässt jedes Taktgefühl        verleiht ihm Mobilität und Be-     bezeichnet. Auch „Behinderte“
     vermissen. Durch Antatschen       weglichkeit. Hätte sie keinen,     sind in erster Linie Menschen.
     und das Du engeren Kontakt        wäre sie wahrscheinlich nicht      Die Behinderung ist nur eine
     herstellen zu wollen, ist der     bei diesem Event. Sie benützt      von vielen Eigenschaften,
     falsche Weg.                      auch kein „Wagerl“ oder einen      die sie haben – wie blaue
                                       „Ferrari“, sondern einen „Roll-    Augen, braune Haare oder
     Small Talk-Themen                 stuhl“.                            ein aufbrausendes Wesen. Sie
     Worüber kann man mit Men-                                            wollen nicht auf diese EINE
     schen mit Behinderungen           Sprache ist die Kleidung der       Eigenschaft reduziert werden.
     überhaupt sprechen? Über          Gedanken                           Daher sind die Formulie-
     ALLES! Auch mit einer Roll-                                          rungen „Mensch/Frau mit
     stuhlfahrerin kann man das        Mit unserer Wortwahl               Behinderungen“, „behinderter
     Wetter erörtern, über einen       erzeugen wir Bilder und Vor-       Journalist“ oder „Mensch mit
     neuen Cocktail oder die poli-     stellungen im Kopf unseres         Beeinträchtigung“ besser.
     tische Lage und vieles Andere     Gegenübers, bewusst wie
     sprechen. Man soll nicht gleich   unbewusst. Bezeichnen wir          Viele Formen der Behinde-
     seine plumpe Neugier stillen      beispielsweise eine blonde         rung
     und alle Details über ihre Be-    Frau nur als „Blondine“,           Aber zurück zum Begegnen

22        INKLUSIV                                                                            www.oeziv.org
ÖZIV // Kolumne - Mit spitzer Feder

in lockerer Gesellschaft. Es        gegnungen mit Menschen mit            Phänomen im Weltall erzählte,
gibt unterschiedliche Behin-        veränderten Gliedmaßen oder           rief er aus: „Bist du gelähmt!“.
derungsformen – blinde oder         ohne Hände. Sollte ich diesen         Ich meinte mit einem Lächeln
gehörlose Menschen etwa.            die Hand reichen? Ja natürlich,       nur kurz und bündig „Ja“. Der
                                    reichen Sie ihm die Hand –            Blick in seine erschrockenen
Wie mache ich einen blinden         selbst, wenn er keine Hände           Augen machte jede weitere
Menschen darauf aufmerk-            hat, wird er Ihnen zeigen, wie        Diskussion über diesen Ausruf
sam, dass ich mit ihm spre-         er die Begrüßung gerne hätte.         unnötig.
chen möchte? Treten sie vor
ihn hin, tippen Sie ihn leicht      Humor hilft bei der Kommu-            Erstabdruck in der Zeitschrift
am Arm an und stellen Sie           nikation                              „RehaTreff“ 1/2019 (Leimers-
sich mit ihrem Namen vor.                                                 heim, Deutschland).
Schon wird die Kommunikati-         Haben Sie keine Angst vor
on in Gang kommen.                  Redewendungen. Sagen Sie
                                    ruhig „Auf Wiedersehen“ zu
Bei gehörlosen Menschen tre-
ten Sie in deren Gesichtsfeld
                                    einem blinden Menschen oder
                                    fragen Sie eine Rollstuhlfahre-
                                                                           Zum Autor:
und tippen Sie die Person           rin, ob sie mit Ihnen auf einen
                                                                           Manfred Fischer ist roll-
vielleicht noch an. Sprechen        Drink zur Bar „gehen“ möchte.
                                                                           stuhlfahrender Journalist
Sie wie sonst auch. Lauter zu       An diesen gängigen Formulie-
                                                                           und Sensibilisierungs-
sprechen nützt nichts(!). Ist ein   rungen stoßen sich Menschen
                                                                           trainer. Er lebt mit seiner
Dolmetscher dabei, sehen Sie        mit Behinderungen in der
                                                                           Familie in Ostermiething
beim Gespräch immer zum             Regel nicht.
                                                                           in Österreich. 2018 erhielt
gehörlosen Menschen, denn
                                                                           er den Medienpreis des
mit ihm unterhalten sie sich.       Manche Floskeln werden ein-
                                                                           österreichischen Behin-
                                    fach unbedacht verwendet. Als
                                                                           dertenverbands ÖZIV.
Große Unsicherheit verspürte        ich vor kurzem einem Freund
ich selbst bei den ersten Be-       etwas über ein erstaunliches

                                                                                                               Bezahlte Anzeige
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ÖZIV // Siegerartikel

      VERMESSUNGEN
      DER INNEREN WELT
      In der letzten Ausgabe des ÖZIV INKLUSIV berichteten wir über die
      Preisträger*innen des letzten ÖZIV-Medienpreises. Wir freuen uns ganz
      besonders, dass wir nunmehr den Sieger-Text von Mareike Boysen
      abdrucken dürfen. Erstmals erschienen ist der Artikel im Augustin
      Nr. 470 am 07.11.2018

                                                                            Text: Mareike Boysen • Foto: Privat

     D
           avid Sylvester Marek wurde in den 1970er
           Jahren vom staatlichen Bildungssystem in
           die Sonderschule abgeschoben. Nun ist
      eine Auswahl seiner Kurzgeschichten als Buch
      erschienen. Franzobel, der es herausgegeben
      hat, nennt Marek einen Hochbegabten. Die
      Orientierungspunkte einer schwierigen Künst-
      lerzusammenarbeit haben Mareike Boysen und
      Nina Strasser erkundet.

      Eine Hirnsuchmaschine wäre praktisch, sagt
      David Sylvester Marek. „Man beginnt zum Bei-
      spiel mit dem Wort Neubau. Dann bildet man
      mit jedem der sechs Buchstaben einen neuen
      Satz, eine Frage. Mit den Antworten, die man
      vermutet, bildet man wieder Sätze. Und so nä-
      hert man sich langsam dem Wesen des Wortes
      an. Das wäre eine Suchmaschine für das Hirn.“
      Den Innovationsgehalt seines Einfalls quittiert
      Marek, der an einem Tisch im Lokalbereich des
      Wiener Badeschiffs Platz genommen hat, mit
      einem süffisanten Lächeln. Franzobel, der ne-
      ben ihm sitzt, wirkt ratlos. „Ja, genau“, murmelt
                                                          Mareike Boysen
      er schließlich in Mareks Richtung.

      Beide, der vielfach ausgezeichnete Theater-         dem Titel „Das Geheimnisgeschichtenlexikon
      und Romanautor Franzobel aus Vöcklabruck            des David Sylvester Marek“ im Klever-Verlag
      und der Neo-Literat Marek aus Wien, tragen          erschien. „Ich habe mich dabei oft wie in einer
      an diesem Montagmoren ihren angegrauten             syntaktischen Waschmaschine gefühlt“, sagt
      Haarschopf kurz geschnitten, außerdem Brille,       Franzobel. „Davids Texte haben mich ziemlich
      einen grünen Pullover und Jeans. Darüber hin-       durchgeschleudert.“
      aus verbindet sie die zwölfmonatige Arbeit an
      einem Kurzprosaband, der im September unter         Ausgangspunkt der Zusammenarbeit war die

24         INKLUSIV                                                                             www.oeziv.org
ÖZIV // Siegerartikel

zehnte Auflage des Literaturpreises Ohren-            flandschaft und lauscht den Dialogen seiner
schmaus für Menschen mit sogenannter Lern-            enttäuschten Bewohner*innen. In einem Klos-
behinderung im Jahr 2016. Marek, der in einem         ter etwa antwortet ein Polizist einem Mann mit
Betreuungsangebot des Wiener Sozialträgers            Flöte, nachdem ihm dieser von „unheimlichen
Assist regelmäßig zu schreiben begonnen               Autobahngefühlen“ berichtet hat: „Mit Pelztie-
hatte, gewann ein Stipendium in Form einer            ren und einem Gemüsekessel bin ich vor ei-
Schreibbegleitung durch Jurymitglied Franzo-          nem offenen Kanaldeckel gestanden und habe
bel. Regelmäßig trafen die beiden sich an Ma-         einen Bauarbeiter in einem Garten angerufen.
reks Arbeitsplatz in Rudolfsheim-Fünfhaus, um,        Doch der konnte mir nur von Strumpfhosen in
so wenigstens schwebte es dem designierten            einem Schweinestall etwas erzählen. Ich weiß
Mentor vor, unterschiedliche Textformen und           nicht, wo ich jetzt endlich noch etwas finde.“
Stile zu besprechen. „Manchmal habe ich einen         Der Wittgenstein’sche Satz, die Grenzen einer
Zugang gefunden, aber man rennt bei David             Sprache bedeuteten die Grenzen der Welt ih-
auch immer wieder an“, sagt Franzobel. Mit            res Sprechers, gilt für Marek schlichtweg nicht,
seinen Versuchen, den Kurzgeschichten seines          der stattdessen zusammendenkt, was andere
Schützlings zu besserer Verständlichkeit zu ver-      streng getrennt voneinander verwahren.
helfen, sei er ausnahmslos gescheitert – und
habe schließlich aufgegeben. „David ist so ein        Surrealismus und Alltag.
authentischer surrealistischer Schreiber, dass        Wie so vieles andere, dem er begegne, habe
man ihm ohnehin nichts mehr beibringen kann           es auch dem Vorwort von Franzobel an Voll-
oder muss.“                                           ständigkeit und Präzision gemangelt, sagt
                                                      Marek, weshalb er ein eigenes hinzufügte. Eine
Landkarte der Assoziationen.                          elaborierte Beschwerde, die er darin vorbringt,
Das „hochbegabte Ergebnis einer Ménage à              bezieht sich auf Gespräche im Allgemeinen.
trois zwischen H. C. Artmann, Fritz Herzma-           Von denen werde er, schreibt er, zumeist ent-
novsky-Orlando und Elfriede Jelinek“ hat Fran-        täuscht. „Was soll denn so Großartiges jeden
zobel Marek im Vorwort zum Buch genannt.              Tag passieren, dass es dauernd eine Antwort
„Er ist ein surrealistischer Kartograf“, ergänzt er   gäbe auf die Frage, wie es gehe?“ Gefragt da-
im Interview. „Alles wird auf Geografie übertra-      nach, was stattdessen eine lohnende Unterhal-
gen: Beziehungen, Leben und Geschichte auf            tung mit sich bringe, sagt Marek auf dem Bade-
Garten, Gräben, Täler und Berge. Es gibt nichts,      schiff: „Ich habe mir neulich gedacht, wenn ich
was David nicht in der Vermessung seiner              alles aufschreibe, was die Leute so reden, wie
inneren Welt anzuordnen versuchte.“ Aus über          ordne ich es dann an, dass daraus ein Kabarett
1000 von Marek eng beschriebenen Din-A4-              entsteht? Wie mache ich das?“
Seiten traf Franzobel – zum ausgesprochenen
Leidwesen des Autors – eine für die Veröf-            Die Regeln mehrheitsfähiger Komik zu durch-
fentlichung bestimmte persönliche Auswahl.            schauen, fällt ihm, der bisweilen unfreiwillig
Zwischen A wie Aufreißzirkus und Z wie Zu-            zum Alleinunterhalter wird, ähnlich schwer
sammenziehungsaufbaustraße finden sich im             wie die Persönlichkeit eines Menschen zu
Buch auf 194 Seiten 88 Phänomene und deren            begreifen. Marek hält sich daher an Hilfskon-
hochpoetische Charakterisierungen innerhalb           struktionen in Listenform: Kriterienkataloge,
des Marek’schen Assoziationsgeländes. Durch-          Enzyklopädien, Steckbriefangaben. Sein Lieb-
gangsbaustellenzeitungsgalerie, Juwelierpassa-        lingsbezirk sei der dreizehnte, sagt er, seine
genentwicklungsgarten, Klomuschelbeweihräu-           Lieblingsbeschäftigung die Eisenbahn, seine
cherungsrosarotbrillenschlangengraben und             Lieblingssprache Latein und seine Lieblings-
Ruinenschlachtfeld sind darunter.                     mischfarbe Grün-Blau. Auf der monatelangen
                                                      Suche nach seiner Lieblingskirche, die er per
Aber auch Bekannten wie Ferkel, Konflikt,             Google Earth antrat, stieß er schließlich auf die
Liebe, Schulaufführung und Trost hat Marek            Liebfrauenkirche in Rankweil.
Texte mit einer Länge von immer eineinhalb
Buchseiten gewidmet. Der sogenannte „Idiot“           „Wenn alles zusammenpasst, wie ich es mir
durchstreift im gleichnamigen Text eine Dor-          denke, müsste die richtige Frau für mich bei

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