Ist das kunst Oder kitsch? - null41

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Ist das kunst Oder kitsch? - null41
ist das kunst
                                                                         oder kitsch?
                                                                         Es ist Kitsch. Der Sammler dahinter ist dafür
                                                                         umso interessanter. ein besuch in luzerns zweitem kkl.
Monatszeitschrift für Luzern und die Zentralschweiz mit Kulturkalender

                                                                         poesie, die rockt
                                                                         patti smith im interview

                                                                         Beethoven, roll over
                                                                         findet die klassische musik künftig noch publikum?
NO 10 Oktober 2014 CHF 8.– www.null41.ch 10
                                         9 771424 958000
Ist das kunst Oder kitsch? - null41
Hier spricht
                                                                                                                                                                                                                                    ANZEIGEN

 der     Autor!
Pedro Lenz, Franz Hohler,
 Peter Bichsel, Guy Krneta,
Michael Fehr, Matto Kämpf,
  Nora Gomringer, Bern ist
überall, Manuel Stahlberger,
  Arno Camenisch, Gabriel
 Vetter, Stefanie Grob, Niko
Stoifberg, Heike Fiedler, Die
Gebirgspoeten, Jens Nielsen,
   Michael Stauffer u.v.a.
 Bücher und Hörbücher im Luzerner Verlag
     Der gesunde Menschenversand.                   Ein Film wie ein Netz aus GoldfädenEMMEN    FELDHÄUSERKunstgriffe –
                                                                                          – Märchenhafte
Aktuell: Bücher von Pedro Lenz, Guy Krneta,             Kein falscher Ton, kein flaches Bild. SRF KULTUR, MICHAEL SENNHAUSER
     Matto Kämpf und Rolf Hermann.                     /cure.film        Ab 23. Oktober im Kino
                                                                                                Mit “Emmen Feldhäuser” wird eine architektonisch und städtebaulich einmalige Überbauung mit einer grossen Bandbreite unter-
                                                                                                schiedlichster Wohntypen im Eigentum realisiert. Insgesamt werden 95 Einheiten in 16 unterschiedlichen Typen angeboten. Neben
                                                                                                räumlich spannenden Etagenwohnungen unterschiedlicher Grösse in kleinen Mehrfamilienhäusern, stechen vor allem die mehrge-
                                                                                                schossigen Einfamilienhäuser ins Auge, bei denen sich auf je 2 – 4 Geschossen individuelle Wohnwelten entfalten.
                                                                                                                                                                                                                                     Freiräume - Als Kontrast zum öffentlichen parkartigen Freiraum zwischen den Baufeldern wird im Hof eine L
                                                                                                                                                                                                                                     Gärten entwickelt. Ein lockerer Obsthain, bestehend aus zahlreichen edlen und alten Obstsorten (Pro Specie
                                                                                                                                                                                                                                     wie atmosphärische Gerüst des Hofes. Jeweils ein Obstbaum gehört zur Grundausstattung jedes einzelnen Ga
                                                                                                                                                                                                                                     Beitrag an das Kollektiv. Die Obstbäume finden sich aber auch im gemeinschaftlichen gassenartigen Freira

         www.menschenversand.ch
                                                                                                                                                                                                                                     privaten Gärten aufspannt und über vier Wege mit dem öffentlichen Freiraum verbunden ist. Die durch Garte
                                                                                                Mittels einer einfachen Transformation, dem Kippen einer Etagenwohnung, entsteht ein Einfamilienhaus mit hoher individueller         geprägte Gasse oszilliert zwischen Innen- und Aussenraum und ist Ort der Begegnung und der Nachbarsch
                                                                                                Wohnqualität. Die Bewohner kommen in den Genuss, keine Nachbarn über oder unter sich zu haben. Ausserdem erhält jeder seinen         Nutzung (Früchte) haben die Obstbäume aber vor allem auch eine starke assoziative Qualität, die im dichten Ga
                                                                                                eigenen Hauseingang, Garten, Dachterrasse und Keller. Die Gartenhäuser im Inneren des Blocks, haben ihre Adresse aber ebenfalls      Obstwiesen in der nahe gelegenen Kulturlandschaft erinnern. Die Dächer aller Häuser werden ebenfalls in das
                                                                                                an der Vorderseite der Ringbebauung.                                                                                                 gen, bei den Einfamilienhäusern mit privater, bei den Mehrfamilienhäusern mit gemeinschaftlicher Nutzung
                                                                                                                                                                                                                                     geht nicht.
                                                                                                Städtebau - Der Reichtum des Raumangebots findet in der Fassaden- und Freiraumgestaltung sowie in der Setzung der klein-
                                                                                                massstäblichen Gebäudemassen seinen Ausdruck. Mit dem Freiraumkonzept “Cadrage” der Landschaftsarchitekten Rita Illien               Die Farbgestaltung zieht sich dabei auch durch die Gestaltung des öffentlichen Raumes. Bespielungen der W
                                                                                                und Klaus Müller wird die Vorstellung eines Strassenraums als weiträumig angelegte “Parklandschaft” uminterpretiert, welche          schiedlichste Interaktionen zwischen öffentlichem und privatem Raum. So lassen sich zum Beispiel Fensterö
                                                                                                Baufelder und Blöcke umgibt. Somit gibt es die laute Strassen- und ruhige Hofseite, typischer Blockrandbebauungen nicht mehr.        zum Tischtennis spielen nutzen. Auch Bänke und Tische als Teil der Wände bereichern den öffentlichen Raum.
                                                                                                Ein ungewöhnlicher Ansatz, welcher Potenziale für eine frische Deutung von öffentlichem und privatem Aussenraum und deren
                                                                                                Beziehung zum Wohnen eröffnet.                                                                                                       Wohnungen und Bewohner - Da eine grosse Bandbreite unterschiedlicher Bewohner angesprochen werden
                                                                                                Mit den Feldhäusern wird dieser Ansatz aufgegriffen und weiterentwickelt. Statt einer Blockrandbebauung mit seriell wiederholten     einer Hauptnutzfläche von 30 – 130 m2 in verschiedenen Segmenten und Ausbaustandards angeboten. Mehr

                                                   Vreudeder
                                                                                                Hauseingängen und übereinandergestapelten Wohnungen, der augenscheinlichsten Lösung, wird der Typus des “durchlässigen               wohnungen, sind vorzugsweise in den begehrten Baufeldecken angeordnet, wodurch sehr helle, zweiseitig be
                                                                                                und bespielten Blocks” eingeführt. Dieser kommt einer durchmischten Siedlung gleich, welche gleichzeitig die Vorgabe der abge-       hen. Ähnlich den Einfamilienhäusern, werden auch Gartenhäuser angeboten, welche in die Gartenlandschaft g
                                                                                                schlossenen Baufelder respektiert und sich in den Kontext einbindet. Es entsteht eine städtebaulich klarer Blockabschluss, des-      ausgerichtet sind. Die pflegeleichten Wohnungen sind barrierefrei und werden gemäss SIA 500 behindertenge
                                                                                                sen Fassaden die Lebendigkeit der Innenwelt nach aussen abbilden. Die Farben der unterschiedlichen Häuser unterstreichen die         Die Einfamilienhäuser sind als autarke Einheiten konzipiert. Hierbei werden die Vorzüge, welche allgemein entw
                                                                                                individuelle Vielseitigkeit der Siedlung.                                                                                            tum oder mit Einfamilienhäusern assoziiert werden, hybridartig kombiniert: Zentrumsnähe, günstiger Kaufpreis
                                                                                                Der vorgestellte Hybrid, welcher sich sowohl an ländlichen, als auch städtischen Typologien bedient, nimmt direkten Bezug auf die    Privatsphäre, Wohnen auf mehreren Geschossen, ein eigener Garten und Nachbarschaft statt Anonymität.
                                                                                                historischen Siedlungsstrukturen des Kantons Luzern. Gemeinden / Städte wie Beromünster, Willisau oder Sursee zeigen, dass           Die Häuser verfügen über zwei private Hauseingänge – im EG und in der Einstellhalle–, einen Keller und e
                                                                                                eine hohe Bebauungsdichte mit Mehr- und selbst mit Einfamilienhausstrukturen auch im weniger urbanen Kontext hohe räumliche          man in die 2 – 4 Geschosse und auf die Dachterrasse gelangt. Auch diese Einheiten sind SIA 500 konform, mi
                                                                                                Qualitäten, spannende Querbezüge und nachbarschaftliche Nähe erzeugt. – Passende Vorbilder für Emmen und ein sympathischer           Wohngeschoss sowie umrüstbaren Treppen, je nach Bedarf. Die 12 Typen unterscheiden sich in Grösse, Dimens

                                                         an
                                                                                                Eingang ins Feldbreitequartier.                                                                                                      Fassade, Ausrichtung und Ausstattung deutlich. Sie sind zudem über den gesamten Block verstreut und so glei

                                                                                                                                                               Ring aus Mehrfamilienhäusern                                                                   Ring aus Einfamilienhäusern mit

                                                                          Verdichtung.
                                                                                                                                                                                                                                                              doppelseitiger Orientierung

                                                                                                                                                               Aufbrechen des Blocks zur Adressbildung                                                        Auffüllen des Innenraums mit individuellen
                                                                                                                                                               für Wohnraum im grünen Innenhof                                                                kleinen Einfamilienhäusern

                                                        Vo r t r a g v o n W i n y M a a s , M V R D V

                                              Winy Maas – das M im international                                                                               am
                                              bekannten Holländischen Architekturlabel                                                                         13. Oktober
                                              MVRDV – spricht über Urbanismus, Leben                                                                           2014
                                              zwischen Dichte und Erholung und sein                                                                            im KKL
                                              Projekt FELDHÄUSERMVRDV in Emmen.                                                                                Auditorium

                                                                                      Am Montag, 13. Oktober 2014, 18.00h
                                                                                      Im Auditorium des KKL Luzern
                                                                                      Mit anschliessendem Umtrunk

                                                                                      Keine Anmeldung erforderlich.
                                                                                      Wir freuen uns auf Ihr zahlreiches Erscheinen!

                                                          Hochschule Luzern Technik & Architektur | MVRDV | GKS Architekten
                                                                    Senn Development | Nederlandse Ambassade

                                                                                               0 1                 5                10
                                                                                                    N

                                                                                               0        5     10             20

                                                                                                Situationsplan M 1:500
Ist das kunst Oder kitsch? - null41
editorial

                               Kuriose dinge

Immer wieder mal steht man vor der Entscheidung:               Das kulturelle Leben in Stadt und Land ist derweil
Behalte ich das oder werfe ich es weg? Die schöne           in vollem Gange. Und in Luzern findet diesen Monat
Kuchendose aus New York, die Brosche vom Urgrosi,           eine Premiere statt: Hier steigt das erste Schweizer
die spezielle handgeschnitzte Flöte aus diesem finni-       Spoken-Word-Festival. Luzern war für diese Szene
schen Dorf, wie hiess es noch mal? Wenn man all             schon früh eine wichtige Stadt. Und auch die legen-
den Krimskrams behalten würde, der sich in einem            däre Poetin Patti Smith freut sich, hierherzukommen,
Leben ansammelt, wäre der Keller jeweils schnell ge-        wie wir im Interview erfahren. (Seite 18)
füllt. Ganz bewusst hat Walter Zimmermann genau
das gemacht: Er hat lange Zeit kuriose Dinge aller             Eine Dernière haben wir in eigener Sache an-
Art gesammelt und sich so ein kleines Museum, eine          zukünden: Mit dieser Ausgabe verlassen Christoph
Art begehbare Biografie geschaffen. Und er nennt es         Fellmann, Urs Emmenegger und Reto Bruseghini
liebevoll: KKL. (Seite 8)                                   die ehrenamtliche externe 041-Redaktion. Während
   Gesammelt wird im Herbst auch unter freiem               zehn und mehr Jahren haben sie viel Energie ins
Himmel: Die Pilzsaison ist heuer besonders ergiebig,        Kulturmagazin gesteckt und es massgebend geprägt.
und Pilzkontrolleure haben allerhand zu tun. Einige         Nun wollen sie Platz für neue Kräfte machen, als Au-
wenige Pilzsammler sind allerdings auf ein Exemp-           toren werden die drei aber weiterhin aktiv sein. Wir
lar aus, von dem jede Kontrollstelle abraten würde.         danken ihnen ganz herzlich für ihre enorm wertvolle
Wir gingen mit auf Tour. (Seite 12)                         und grossartige Arbeit!
                                                            Martina Kammermann
                                                            kammermann@kulturmagazin.ch

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Ist das kunst Oder kitsch? - null41
Inhalt

                                                18 gedichte, die rocken
                                                	Die Rock’n’Roll-Poetin Patti Smith im Inter-
                                                   view.

                                                20   das klingende wort
                                                     Anlässlich des ersten Luzerner Spoken-Word-
                                                     Festivals: ein Blick in die Geschichte der
                                                     Beziehung von Klang und Sprache.

                                                22frisch vereint
                                                  Wie machen sich das Historische und das
                                                	Natur-Museum Luzern zusammen? Ein Ge-
                                                  spräch mit Gesamtleiter Christoph Lichtin.

8 das andere museum
Zu Besuch im herrlichen Kitsch-Kabinett
Lindeneck.                                           KOLUMNEN
                                                6	Gabor Feketes Hingeschaut
                                                7  Lechts und Rinks: Eine Aufsicht für Roh-
                                                   stoffriesen? Endlich!
                                                24	Gefundenes Fressen: Die vielen Seiten der
                                                   Kartoffel
                                                40 11 Fragen an: Martin Jann
                                                69 Kämpf / Steinemann
                                                70 Käptn Steffis Rätsel
                                                71	Das Leben, wie es ist

                                                     SERVICE
                                                25 Kunst. Glaube, Aberglaube, Wahn: Im Haus
12 die andere Pilzsaison                           für Kunst Uri.
                                                28 Musik. Endlich: Die neue Pink-Spider-Platte.
Ein Trip ins Napfgebiet.                        32 Bühne. Baron Münchhausen im Brockenhaus.
                                                35 Wort. Ein neuer Roman aus Emmenbrücke.
                                                38 Kino. Andrea Štakas Zweitling bleibt im Vagen.
                                                66 Kultursplitter. Tipps aus der ganzen
                                                	Schweiz
                                                67 Ausschreibungen / Namen&Notizen /
                                                   Preise

                                                     KULTURKALENDER
                                                41   Kinderkulturkalender
                                                43   Veranstaltungen
                                                61   Ausstellungen

                                                Titelbild: Matthias Jurt

14 generationenkluft
Wie wirkt der Klassikbetrieb der Überalterung
seines Publikums entgegen?                          PROGRAMME DER KULTURHÄUSER
                                                42 ACT / Kleintheater
                                                44 LSO / Luzerner Theater
                                                46 HSLU Musik / Stattkino
                                                48 Stadtmühle Willisau / Romerohaus
                                                50 Südpol / Zwischenbühne
                                                54	 Neubad / Chäslager
                                                56 ACT / Kulturlandschaft
                                                                                                    Bild: M. Jurt

                                                60 Kunstmuseum Luzern / Kunsthalle
                                                62 Museum Bellpark / Nidwaldner Museum
                                                64 Historisches Museum / Natur-Museum

                                     4
schön gesagt

           «Von der Musik leben zu können, ist ziemlich unwahrschein-
           lich. Aber ohne Musik zu leben, ist noch unwahrscheinlicher.»
                                                                                                         Pink Spider, Singer-songwriterin (Seite 28)

                                                          guten tag                                                                   Aufgelistet

           Guten Tag, NZZ am Sonntag                            Guten Tag, Namensrevolutio-                             Dinge, die man sammeln kann:
           Als Sonntagsausgabe der NZZ kommst du ein            näre
           wenig lockerer und bildreicher daher als dein        Blegistrasse 7? Hm, das klingt ziemlich veraltet.
           renommiertes Mutterblatt, und dein Gesell-           Dann können wir die eigentlich ohne Probleme in         - 120 Staubsauger: Jack Copp aus
           schafts-Bund greift dabei gerne auch mal etwas       «Porscheplatz» umbenennen!, dachte sich wohl            	England
           «weichere» Themen auf – schliesslich wollen          der Gemeinderat Rotkreuz auf ein Begehren von
           auch anspruchsvolle Leser zwischendurch mal          Porsche Schweiz hin. Im September dann (wer             - 922 Nachttöpfe: Ida Lobsiger aus Bern
           ein bisschen Gossip. Aber kürzlich kamen wir         hätte das gedacht?) revidierte die Gemeinde ihren
           dann doch ins Stutzen: ein Interview mit der         Entscheid wegen Einsprüchen aus der Bevölke-            - 824 Stoff-Schafe: Michelle Sullivan aus
           RTL-Bachelorette, in dem sie ihre Dating-Tipps       rung. Weil der «Nachweis des öffentlichen Inter-        	England
           verrät? Gut, wir sehen schon, das Ganze hat auch     esses kaum zu erbringen sei». Aha. Aber halt, da
           eine «gesellschaftliche» Ebene, und vielleicht war   war doch noch was mit Namensänderungen? Ah,             - 6016 Kotztüten verschiedener Airlines:
           unsere Skepsis verstärkt, weil die Scripted-Reali-   genau: Eric Weber, Rechtspopulist und Mitglied          	Nick Vermeulen aus Holland
           ty-Junggesellin direkt auf einen Bericht über ver-   im Grossrat Basel, reichte im Juni kurzerhand ei-
           folgte Homosexuelle in Uganda folgte. Jedenfalls                                                             - 4500 Miniaturbücher: Jozsef Tari aus
                                                                nen Vorstoss ein, ob man nicht Basel-Stadt in
           fragten wir uns: Was bringt die Qualitätszeitung                                                             	Ungarn
                                                                «Eric-Weber-Stadt» umbenennen könne (worauf
           als Nächstes? Exotische Kochtipps aus dem            der Regierungsrat antwortete: «Wir raten davon          - ca. 22,1 Gramm Fusseln aus seinem
           Dschungelcamp? Oder «Alleine leben leicht ge-        ab.»). Ok, der spielt in einer anderen Liga als die       Bauchnabel: Graham Barker aus
           macht – zehn Grundregeln» von einem Bauer,           Gemeinde Rotkreuz. Zum Glück sind wir noch                Australien
           ledig und suchend?                                   nicht so weit, dass unsere Nachkommen in McLit-
                                                                tau oder Ebikon-Nokia aufwachsen. Nein! Sie ma-         - 3049 Interpretationen des Songs
           Allzeit flirtbereit, 041 – Das Kulturmagazin         chen höchstens bei der lokalen Ausscheidung des           «Amazing Grace»: Allan Chasanoff &
                                                                UBS Kids Cup mit. Am Schluss gibt’s massig UBS-         	Raymon Elozua aus den USA
                                                                Shirts, -Getränkeflaschen und -Chäppis für alle!
                                                                                                                        - 11111 «Bitte nicht stören»-Schilder:
                                                                I’m lovin’ it, 041 – Das Kulturmagazin                    Jean-François Vernetti aus dem Wallis

                     HAUS
                      FÜR
                    KUNST
                      URI
           DANIOTH PAVILLON
                                                                                                                                                   save
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                    Aus der Tiefe rufe ich zu Dir:                                                                                                 date.
                    Gotteserfahrung & Teufelsküche
                    Eine Gruppenausstellung
                    kuratiert von Esther Maria Jungo
                                                                                                                                                Samstag
                    Bis 23. November 2014
                                                                                                                                                8.11.14
                                                                                                               ww
                                                                                                                 w.
                                                                                                                    w

                                                                                                                                                Sonntag
                                                                                                                    irfi

                    Herrengasse 2, 6460 Altdorf
                                                                                                                        nd
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                    Do/Fr 14 – 18 Uhr, Sa/So 11 – 17 Uhr
                                                                                                                                                9.11.14
                                                                                                                           sta

                    Telefon: 041 870 29 29
                                                                                                                             dt
                                                                                                                             .ch

                    www.hausfuerkunsturi.ch

                                                                                          5
Hingeschaut

Tim und sein Metzger
Letztes Jahr wurde ich zu meinem noch nicht runden 59. Ge-              ses riesige Steak, so etwas hatte ich noch nie gesehen oder geges-
burtstag nach Hamburg eingeladen. In einer kleinen, aber feinen         sen – und es stellte sich heraus, dass ich beim Vertrauensmetzger
Galerie sollte ich meine besten Fotos zeigen, und als Dankeschön        von Tim Mälzer gelandet war! Statt einer kleinen Vorspeise gab es
durfte ich einen Ort aussuchen, wo wir alle essen und feiern ge-        dann dieses fantastische Steak, es reichte für uns alle …
hen würden. Wir waren acht Leute, und ich dachte an Tim Mäl-            PS: Ich bitte alle Vegetarier, dass sie mir diesen Fotobericht verzei-
zers Restaurant Bullerei (er ist ein bekannter TV-Koch).                hen.
Da ich mittags noch eine kleine Vorspeise machen wollte, suchte
ich eine gute Metzgerei. In einem Schaufenster entdeckte ich die-       Bild und Text: Gabor Fekete

                                                                    6
lechts und rinks

Ein Blick in die Grube

Die Rohstoffbranche in der Schweiz soll durch eine Aufsichtsbehörde kontrolliert
werden. Aber sicher doch.
Anfang September regte die Erklärung von        prekären Staaten. Gleichzeitig organisieren       Es spricht nichts gegen ein bisschen
Bern (EvB) die Gründung einer Aufsicht          sich die Händler in komplizierten, schwer     Kontrolle über eine Branche, die für die
über den Schweizer Rohstoffmarkt an             überschaubaren Holdingstrukturen und          Schweiz nach dem Bankgeheimnis ein
(Rohma), analog der der Finanzmarktauf-         kümmern sich in aller Regel einen Deut        neues, grosses Reputationsrisiko bedeutet.
sicht (Finma). Eine solche Behörde soll die     um die Öffentlichkeit. «Wir informieren,      Die häufigsten Gegenargumente, die die
Steuerpolitik der Rohstofffirmen beobach-       wenn uns dies nützlich scheint, und nicht,    Vertreter der Branche und ihre politischen
ten, aber auch Hinweisen nachgehen über         wenn die Medien dies für nützlich halten»,    Adlaten anführten, sind denn auch wider-
Menschenrechtsverletzungen in den Ab-           hiess es so kürzlich bei Louis-Dreyfus, ei-   sprüchlich: Erstens habe der Rohstoffhan-
baugebieten, über Korruption und organi-        nem Genfer Konzern für Agrarrohstoffe,        delsplatz gar nichts zu verbergen, was eine
sierte Kriminalität, über ökologische Kata-     als das «NZZ Folio» anklopfte.                solche Aufsichtsbehörde interessieren
strophen – alles Probleme, auf die der Bun-                                                   könnte; und zweitens drohe der Wegzug
desrat letztes Jahr in seinem ersten Bericht        Eine Aufsicht über den Rohstoffmarkt      zahlreicher Rohstofffirmen, hiess es. Nun,
über die Rohstoffbranche hingewiesen hat.       könnte also zum Mindesten für ein wenig       es scheint doch schwer vorstellbar, dass so
Ziel der EvB ist es, mit der neuen Aufsichts-   Transparenz sorgen in einer notorisch öf-     ein unbefleckter Konzern aus der Schweiz
behörde den «Rohstofffluch» zu bekämp-          fentlichkeitsscheuen Branche. Zum Bei-        wegziehen würde, nur aus Prinzip. Denn
fen, also die Tatsache, dass viele der roh-     spiel könnte eine solche Behörde verlan-      unser Land ist nicht umsonst innert 30
stoffreichsten Staaten der Erde auch die        gen, dass die Rohstoffhändler die vollstän-   Jahren zum internationalen Handelszen-
ärmsten sind, dass sie nichts haben von ih-     dige Handels- und Produktionskette ihrer      trum für Rohstoffe aufgestiegen – gerade
ren Bodenschätzen.                              Ware ausweisen müssen. Man wüsste             wurde die Schweiz in einem Rating des
                                                dann, wo und unter welchen Bedingungen        World Economic Forums (WEF) wieder
    Es ist ein sinnvoller Vorschlag. Denn       das Palmöl, das Coltan oder der Bauxit ab-    zum «kompetitivsten Land» der Welt ge-
die Branche ist in der Schweiz sehr schnell     gebaut werden, und man wüsste, wo die         wählt, zum sechsten Mal in Folge.
sehr gross geworden. Rund 500 Handels-          Handelsgewinne (nicht) versteuert wer-
und Logistikhäuser vor allem in Genf und        den. Diese Transparenz auf institutioneller       Die Schweiz ist voller Standortvorteile.
Zug wickeln schätzungsweise einen Viertel       Ebene herzustellen, ist auch darum ange-      Eine funktionierende Aufsicht über die
des weltweiten Rohstoffmarktes ab, das          zeigt, weil es im Rohstoffhandel kaum eine    Rohstoffbranche könnte ein weiterer sein
sind Umsätze von jährlich zwischen 600          konsumierende Öffentlichkeit gibt, die auf    – für alle Händler, die ihr Geld sauber und
und 750 Milliarden Franken. Das ist gleich      punktuelle Kampagnen reagiert. Nah-           verantwortungsvoll verdienen und ver-
viel oder mehr als das Schweizer Bruttoin-      rungsmittel lassen sich boykottieren, wenn    steuern möchten.
landprodukt. Die Branche ist also riesig,       ihre Hersteller nicht sagen können, woher
aber sie ist auch jung und schnell, kurz, sie   der Kakao oder die Erdnüsse in ihren Pro-
arbeitet mit der Mentalität von Tradern         dukten stammen. Bei Öl und Erz ist das
und scheut kein Engagement in noch so           etwas schwierig.                              Christoph Fellmann, Illustration: Mart Meyer

                                                                     7
Das etwas andere KKL
  Der Luzerner Walter Zimmermann hat in seinem Leben
  allerhand kuriose Dinge in die Hände bekommen und
  daraus einen Ort geschaffen, der jedes Fotoalbum in den
  Schatten stellt: das Kitsch-Kabinett Lindeneck.
    Von Michael Sutter, Bilder: Matthias Jurt

                                                8
Gesammelt hat der Mensch schon immer. Begonnen
    hatte es wohl mit Beeren und Früchten gegen den
    steinzeitlichen Hunger. Mit der Zeit entwickelte sich
    das Sammeln zu einer ideellen Beschäftigung, die im
    Zeitalter der europäischen Expansion auf die Spitze
    getrieben wurde. Im Zuge der Entdeckung fremder
    Kulturen gelangten massenweise unbekannte Güter
    nach Europa, die in Kuriositätenkabinetten und Wun-
    derkammern zur Schau gestellt wurden. Vermögende
    Grossbürger und Adelige präsentierten wahllos exoti-
    sche Tierpräparate, Muscheln und aufwendige Elfen-
    beinschnitzereien neben chirurgischen Instrumenten,
    Astrolabien und Spielautomaten. Die Schauen etab-
    lierten sich als gesellschaftliche Tätigkeit und dienten
    der Wissenschaft gleichermassen wie dem reinen Ver-
    gnügen.
        Walter Zimmermann mag nicht ans 19. Jahrhun-
    dert gedacht haben, als er begann, allerlei Gegenstän-
    de und Schätze zusammenzutragen und aufzubewah-
    ren. Doch kriegt man eine ähnlich vergnügliche Schau
    zu sehen, wenn man ihn an seinem Wohnort im idyl-
    lischen Dreilindenquartier in Luzern besucht. Der
    82-Jährige ist alleiniger Feldherr über das KKL, sein
    liebevoll selbst ernanntes Kitsch-Kabinett Lindeneck.
    Bereits an der Garderobe beim Treppenabgang zu den
    Kellerräumlichkeiten fallen einige Hellebarden und
    eine Armbrust mit aufgespiesstem Apfel auf. Militä-
    risch anmutende Dinge, die an längst vergangene
    Kriege erinnern. Sie lagern zusammen mit hölzernen
    Steckenpferden für Kinder. Diese seltsame Kombinati-
    on irritiert, und die Verwunderung steigert sich nach
    dem Öffnen der roten Türe zum Luftschutzraum: Hier
    stapeln sich unzählige Kopfbedeckungen, von der rus-
    sischen Panzerhaube über den Tropenhut aus dem Bi-
    afra-Krieg, vom UN-Blauhelm bis zur Rastamütze,
    farbige Wappenscheiben aus Glas, Bücher, Fotografi-
    en, Wimpel, jamaikanische Zigarettenschachteln der
    Marke Matterhorn, Kunstdrucke, gerahmte Urkun-
    den, Matrjoschka-Figuren, Wehrmachtsdolche, afri-
    kanische Holzmasken, Gradabzeichen, Heiligenfigu-
    ren, Zinnsoldaten und – als Herzstück der Wunder-
    kammer, – eine exklusive Sammlung an Spazierstöcken.
        Was sind das für Dinge? Woher kommt der ganze
    Krimskrams? Bevor diese Fragen beantwortet wer-

9
«Ich bin nie ein
Militärkopf gewesen.»
Alt Divisionär Walter Zimmermann inmitten seines Sammelsuriums

   10
kkl

den, öffnet Walter Zimmermann mit stoischer Ruhe             gen. Private Empfänge und Kontaktpflege gehörten
eine gute Flasche Weisswein und beginnt mit spürba-          genauso zum Aufgabenbereich wie Truppenbesuche
rem Schalk zahlreiche Anekdoten zu den noch zahl-            und Konferenzteilnahmen. Als Zeichen der Höflich-
reicheren Dingen zu erzählen.                                keit werden an solchen Anlässen gerne Geschenke
                                                             ausgetauscht, was Walter Zimmermann stets mit ei-
Ein halbes Leben im Dienst des Vaterlandes                   nem Victorinox-Sackmesser als Gegengabe erwiderte.
In der Zwischenkriegszeit im Jahr 1932 in Luzern             «So habe ich angefangen, all diesen Schnickschnack
geboren, ging Walter Zimmermann zwar nicht allzu             zusammenzutragen», schmunzelt er. Viele Gäste
gerne zur Schule, absolvierte aber dennoch eine Lehre        brachten Blumen, Schokolade, Alkoholika, doch ka-
               bei der Luzerner Landbank sowie die           men bei jeder Einladung auch viele exotische und teil-
               Textilfachschule in Wattwil. Jahrelang        weise äusserst kitschige Gegenstände in seine Hände.
               war er im Verkaufsmanagement von Leo          Dazu hat er im Ausland diverse Souvenirs gekauft und
               Bannwarts Kleiderboutiquen und der            ebenfalls in die Sammlung integriert.
               Warenhauskette Globus tätig. Früher,              Nach der Pensionierung zog Walter Zimmermann
               als jedermann noch ins Militär musste         mit seiner Familie von Deutschland zurück nach Lu-
               und auf der Luzerner Allmend ein Hin-         zern, in das in Familienbesitz befindliche Haus Lin-
               dernisparcours, schrottreife Übungs-          deneck im Dreilindenquartier. «Wir hatten in Bonn
               panzer und Bunkeranlagen standen,             einen grossen, leeren Kellerraum und als wir wieder
               begann die grüne Phase im Leben von           nach Luzern zurückkehrten, war dieser randvoll. Mei-
               Walter Zimmermann. Nach der obliga-           ne Frau wollte diesen Klamauk aber nicht in der Woh-
               torischen Rekrutenschule folgte die           nung haben!» So begann Walter Zimmermann sein
               Ausbildung zum Offizier und damit das         persönliches Reduit einzurichten, quasi als emotiona-
               sukzessive Abverdienen (oder Sam-             ler Erinnerungsbunker und begehbares Stück Ge-
               meln) von Diensttagen. Auf Anraten des        schichte. Es handelt sich nicht um eine militaristische
               bekannten Schweizer Nachrichten-Offi-         Selbstdarstellung, sondern zeigt auf, dass alt Divisionär
               ziers Max Waibel verlängerte der junge        Zimmermann den Blick für das Leben ausserhalb des
               Armeeangehörige seine Dienstbarkeit           Militärs nie gänzlich verloren hat. In konzentrierter
               als technischer Waffeninstrukteur, und        Form vereinen sich da auf engstem Raum unzählige
               daraus resultierte eine über dreissig-        zeitgeschichtliche Objekte, Dienst-Erinnerungen, Feri-
               jährige Karriere in der Uniform, die          ensouvenirs und kuriose Geschenke. Alle Objekte
               schliesslich in der Position als Divisionär   scheinen ihren fixen Platz zu haben, sind fein säuber-
(Kommandant der Geb Div 9, Bellinzona – hier legt er         lich sowie wohlüberlegt inszeniert und zeugen von der
Wert auf Genauigkeit) mündete, also einer der rang-          philanthropischen Ader des Walter Zimmermann.
höchsten Positionen der Armee. «Aber ich bin nie ein         «Gestern waren die Finnen da, heute seid ihr da, mor-
Militärkopf gewesen», ruft Walter Zimmermann und             gen kommen die Südafrikaner. Es hat sechs Stühle, die
betont, dass er zwar sehr gerne Militärdienst geleistet      rasch verfügbar sind, und zwei als Reserve», kommen-
habe, aber stets viel Wert auf Menschlichkeit und Fair-      tiert er in militärisch adaptierter Stimmlage. Er freut
ness legte. In der letzten Dienstperiode von 1989 bis        sich über regen Besuch, plaudert gerne über alte Zeiten
1994 diente er als Verteidigungsattaché mit diplomati-       oder lässt Tageszeitung lesend den Dingekosmos um
schem Status der Schweizer Armee in Deutschland.             ihn herum auf sich wirken.
Gleichzeitig wirkte er in Belgien, Luxemburg, Lettland
und Litauen. Mit dem Ende des Kalten Krieges kamen
noch die neuen Bundesländer der ehemaligen DDR
dazu. Die heisse Phase während des Falls der Berliner
Mauer hat er hautnah miterlebt, und als strategischer         Filmdoku über Walter Zimmermann
Berater des Botschafters war er in verteidigungspoliti-       Die Luzerner Künstlerin Franziska Schnell und HSLU-Master-
sche Lagebeurteilungen vor Ort involviert.                    studentin Rebekka Friedli haben unter dem Arbeitstitel «Abtre-
                                                              ten» insgesamt vier Stunden Videomaterial zu einer 40-minüti-
Man kommt nicht mit leeren Händen                             gen Kurzdokumentation zusammengeschnitten. Darin schildert
Der Verteidigungsattaché Zimmermann verfolgte in              Walter Zimmermann, ausgehend von seiner Sammlung im
                                                              Kitsch-Kabinett Lindeneck, sein eindrückliches Leben als Di-
den jeweiligen Gastländern aber nicht nur Militäri-
                                                              visionär der Schweizer Armee. Der Film befindet sich noch in
sches, sondern engagierte sich mit seiner Familie auch        Arbeit und wird bis Ende Jahr publiziert werden.
an gesellschaftlichen und kulturellen Veranstaltun-

                                                  11
pilzsaison

Die Pilzsaison ist dieses Jahr besonders ertragreich. Während die meisten Pilzsamm-
ler auf kulinarischen Genuss aus sind, sucht eine kleine Minderheit unter ihnen einen
weniger delikaten, dafür aber sehr wirkungsvollen Pilz: den Spitzkegeligen Kahlkopf.
Auf Sammeltour im Napfgebiet.
    Von Philippe Weizenegger

Die Sonne scheint mir ins Gesicht und mit zusammengekniffenen              das Geheimnis des Zauberpilzes, es ist ein natürliches Halluzino-
Augen versuche ich der Strasse zu folgen. Wir fahren Richtung              gen, sozusagen LSD direkt aus der Natur. Die Fahrkarte in eine
Entlebuch, passieren Romoos und steuern den Napf an. Das Auto              andere Welt.
keucht die steilen Wege hinauf, wir gönnen ihm eine Rast. Von                  «Mit psychoaktiven Pilzen sieht man die Erde mit anderen Au-
jetzt an geht es zu Fuss weiter. Ich und – nennen wir ihn hier –           gen. Man fühlt sich verbunden mit der Natur und verschmilzt re-
mein Freund marschieren Richtung Holzwegen. «Der Sommer                    gelrecht mit der Welt.» Ich versuche mir diese Naturverbunden-
war kühl und vor allem nass, das mag der Zauberpilz», erläutert            heit vorzustellen, während mein Freund mir die Eigenheiten eines
mein Freund. Im Herbst macht sich der Stadtluzerner um die dreis-          Pilz-Trips erläutert. «Jegliche Reize prasseln ungefiltert auf dich
sig jeweils auf ins Napfgebiet, um diesen ganz speziellen Pilz zu          ein. Alles, was um dich herum passiert, scheint gleich wichtig zu
sammeln – hier oder im Jura kommt er nämlich besonders häufig              sein. Alles ist interessant und unglaublich faszinierend, sei es ein
vor. Der Zauberpilz heisst eigentlich Spitzkegeliger Kahlkopf. Oft         Strohhalm, ein Sandkorn oder eine Pfütze. Es herrscht keine Wert-
wird er auch Psilo oder Magic Mushroom genannt. Das kommt                  ordnung vor.»
von seinem lateinischen Namen Psilocybe semilanceata, er ist wie               Um an die Substanz Psilocybin zu kommen, müsste man nicht
über 180 andere Pilzarten psilocybinhaltig. Und Psilocybin, das ist        unbedingt auf Wanderschaft gehen. Seit der Schweizer LSD-Über-

Der geheimnisvolle

          Pilz
                                                                      12
Pilzsaison

vater Albert Hofmann den Wirkstoff entdeckte, kann man die Na-              chen die möglichen Folgen nicht auch Angst? «Nein. Wenn du bei
tursubstanz vollsynthetisch herstellen, und folglich gibt es sie            einem Trip Angst hast, kann der Schuss nach hinten losgehen.
auch in gezüchteter Form zu kaufen. Der Anbau, Verkauf und                  Das Psilocybin verstärkt den momentanen Gemütszustand. Man
Konsum von Psilos ist in der Schweiz allerdings strafbar – sowie            sollte daher psychisch gut beieinander sein, wenn man Psilos zu
auch das Sammeln von wilden Pilzen. So oder so würde mein                   sich nimmt», belehrt mich mein Freund. Dem pflichtet auch Ro-
Freund aber keine Pilze kaufen: «Erstens vertraue ich den gezüch-           ger Liggenstorfer bei: «Bei Menschen mit einer instabilen Psyche
teten Psilos nicht und zweitens gehört zu einem Pilz-Trip auch das          ist vom Gebrauch von Pilzen definitiv abzuraten.» Er ist der Grün-
Sammeln dazu, ja die Suche danach ist eigentlich genauso wich-              der des Verlags Nachtschatten, welcher sich selber als «Fachverlag
tig.»                                                                       für drogenmündige, unabhängige Menschen» bezeichnet. Als
    Als wir die ersten Wiesen überqueren, steigt in mir dieses ur-          langjähriger Drogenaufklärer sind ihm keine Fälle bekannt, bei
tümliche Gefühl des Sammlers hoch. Ich meine zu spüren, was                 welchen Konsumenten von Psilos langfristige Schäden davontru-
mein Freund mit der Wichtigkeit des Sammelns meint. Obwohl                  gen. Das hat sicher auch damit zu tun, dass der Pilzrausch eine
nur Begleiter, bin ich vorfreudig nervös. Mein Blick schweift su-           Randerscheinung am Drogenhorizont darstellt. Es ist eine wenig
chend, aber orientierungslos umher und ich merke, wie ungeübt               gesellschaftstaugliche Droge – die Partymassen suchen andere
mein Auge ist. Ich erinnere mich nochmals an die Merkmale und               Kicks. Und schmecken tut er übrigens überhaupt nicht, wie mir
irre weiter auf der Kuhwiese umher. Denn hier, auf gut gedüng-              mein Freund versichert.
tem Boden, sollten wir fündig werden.                                            Wir treffen denn auch keine anderen Zauberpilzsammler an,
                                                                            es dürften nur ganz wenige Leute sein, die sich im Herbst jeweils
               Geschichtenumwobenes Gewächs                                 auf diese Pilzsuche der anderen Art machen. Mein Freund plau-
Der Drang, sich von Pilzen berauschen zu lassen, existiert schon            dert währenddessen frei von der Leber. Als ich ihn frage, warum
seit Urzeiten. Der Ruswiler Ethnologe Kurt Lussi ist Autor ver-             er sich mithilfe von Psilos überhaupt in eine andere Dimension
schiedenster Bücher über den Volksglauben und die Volksmedizin              katapultieren will, hält er kurz inne: «Es gibt verschiedene Grün-
im Alpenraum und weiss von Pilzritualen aus der italienischen               de, wieso ich mir gelegentlich den Magen vergifte. Ich kann die
Neusteinzeit: «Im Val Camonica in der Lombardei fand man                    Natur, meine Mitmenschen und mich selbst völlig anders wahr-
Steinritzzeichnungen aus der Zeit um 6000 bis 3000 v. Chr. Sie              nehmen. Vorgegebene Strukturen unserer Gesellschaft lösen sich
zeigen Schamane oder Priester zusammen mit Darstellungen, die               im Rausch auf und ich verbinde mich mit der Natur, mit der Erde,
als Spitzkegelige Kahlköpfe interpretiert werden. Sie deuten da-            aus welcher wir alle stammen.»
rauf, dass die Pilze offenbar schon in der Steinzeit kultisch ver-               Schweissperlen bahnen sich auf meinem Gesicht einen Weg.
wendet wurden.» Aus der Schweiz gibt es keine direkten Belege               Ich gönne mir einen Schluck Wasser und scanne weiter den Bo-
für schamanische Rituale mit Pilzen. Dafür gibt es aber andere              den ab. Und da, plötzlich. Ganz unschuldig steht er da, dieser ge-
Spuren, die auf den Gebrauch von Pilzen hinweisen. «In verschie-            heimnisvolle Pilz. Der Spitzkegelige Kahlkopf. Die Fahrkarte in
denen Märchen und Sagen mit Zwergen finden wir Parallelen zu                eine andere Welt.
einem Pilz-Trip», sagt Lussi. «Der Zwerg kann mit seiner roten
Mütze und seinem Bart als Fliegenpilz gedeutet werden, der von
einem Vegetationsdämon beseelt ist. Ein Zwerg wird in den Er-
zählungen auch als Wächter von Höhlen beschrieben. Nur mit
seiner Hilfe kommt der Mensch, der in eine andere Bewusstseins-
dimension reist, durch einen Tunnel in die lichterfüllte Kristall-
höhle.» Dieses Muster erkenne man regelmässig in verschiedens-
ten schweizerischen und europäischen Märchen. Lussi ist daher
überzeugt, dass diese Märchen poetische Umschreibungen von
Realerfahrungen mit Pilzen sind.
    Der Zauberpilz inspirierte auch in neuerer Zeit zu literarischen
Erzeugnissen, so etwa Martin Suters Roman «Auf der dunklen
Seite des Mondes» (2000). Er handelt vom Wirtschaftsanwalt Urs
Blank, dessen Persönlichkeit sich nach einem Pilztrip drastisch
verändert und der schliesslich das Leben eines Wilden im Wald
führt. Auch wenn diese Geschichte wohl nicht realistisch ist, birgt
der Pilzkonsum natürlich Risiken. Es kann zu Panikattacken
kommen, und wie alle psychoaktiven Substanzen birgt auch Psi-
locybin die Gefahr, Psychosen auszulösen.
                                                                              Fachliteratur zu Psilos:
                      Nicht im Trend                                          Kurt Lussi: Im Reich der Geister und tanzenden Hexen. AT Verlag, Aarau 2002.
                                                                              Roger Liggenstorfer/Christian Rätsch (Hrsg.): Maria Sabina – Botin der heiligen
An diese negativen Wirkungen von Psilos zu denken, fällt beim                 Pilze, vom traditionellen Schamanentum zur weltweiten Pilzkultur.
Wandern durch die schönen Hänge des Napfs schwer. Aber ma-                    Nachtschattenverlag, Solothurn 1998.

                                                                       13
Vom
                                                 Mozart würde sich wälzen im Grab,
                                                 wenn er erführe, was sich allabendlich
                                                 am Bahnhof des St. Galler Örtchens
                                                 Heerbrugg zuträgt. Die Melodien aus sei-

Palast                                          nem umfangreichen Werk, die dort zwi-
                                               schen 19 und 22 Uhr aus den Lautspre-
                                              chern erklingen, werden nämlich nicht ge-

in die
                                             spielt, um Liebhaber der Wiener Klassik zu
                                             beglücken – sondern um herumlungernde
                                              Jugendliche zu vertreiben. Es klappt sogar:
                                               Statt sich am Bahnhof von Mozart be-

Garage?                                         schallen zu lassen, treffen sich die Ju-
                                                gendlichen nun lieber auf einem gut 50
                                              Meter entfernten Parkplatz.
                                      Am Bahnhof von La Chaux-de-Fonds führte klas-
                                  sische Musik diesen Frühling gar zu Sachbeschädi-
                                  gung. Die SBB testeten die Wirkung von Opern von
                                  Georges Bizet und Antonio Vivaldi auf Jugendliche
                                  und Randständige, die angeblich das Sicherheitsgefühl
                                  der Reisenden beeinträchtigen. Nach wenigen Tagen
                                  landete ein von der Decke gerissener Lautsprecher auf
                                  dem Perron, und in der Zeitung «L’Express» empörte
                                  sich eine junge Frau: «Das ist diskriminierend. Sie hät-
                                  ten uns auch einfach sagen können, dass wir stören.»
                                       Das muss alles nicht repräsentativ sein, und trotz-
                                     dem drängt sich der Verdacht auf: Wenn junge
                                        Menschen auf diese Weise auf die klassische
                                                      Klänge reagieren, sieht es irgend-
                                                        wie nicht gut aus für die Zukunft
                                                        dieser Musik.

                                                         Natürlich, die europäische klas-
                                                     sische Musik füllt auch nach drei
                                                      Jahrhunderten weltweit noch im-
                                                        mer riesige Konzertsäle. Die
Sinfoniekonzerte und                                     kürzlich zu Ende gegangene
Opernaufführungen finden                                  Sommerausgabe des Lucerne
weitgehend ohne junges                                     Festivals verzeichnete 80 000
                                                            Besucher und eine Rekord-
Publikum statt. Vielleicht                                   auslastung von 95 Prozent.
lässt sich die klassische                                     Zählt man die letztjährigen
Musik aber trotzdem in die                                    Veranstaltungen des Festi-
Zukunft retten.                                               vals an Ostern, im Sommer
                                                              und Spätherbst zusammen,
Von Markus Föhn                                               kommt man auf über
                                                              137 000 Menschen, die sich
                                                             für klassische Musik inter-
                                                            essieren. Noch mehr sind es
                                                           in Zürich: Alleine das Opern-
                                                          haus registrierte im vergange-

                             14
klassische Musik

nen Jahr eine Viertelmillion Eintritte. Offensichtlich           Festivals wartete in diesem Jahr mit Figurentheatern
wollen noch immer sehr viele Menschen klassische                 und Sitzkissenkonzerten für Kinder auf, mit Familien-
Konzerte, Opern und Ballette sehen und hören.                    konzerten und einem Jugendkonzert, in dem Igor
     Nur: Es gibt auch andere Zahlen, weniger gloriose.          Strawinskys «Geschichte vom Soldaten» als multime-
Zum Beispiel jene der Körber-Stiftung in Hamburg, die            diale Inszenierung aus Kammermusik, Erzählungen,
sich unter anderem auch in der Musikvermittlung en-              Tanz und Animation daherkam.
gagiert. Anfang Jahr veröffentlichte sie eine Studie, die            Das LSO wiederum schickt als Erweiterung seines
Deutschland – immerhin das Land Bachs und Beetho-                Horizonte-Programms diesen Herbst erstmals den Mu-
vens – ein phänomenales Desinteresse an klassischer              sikwagen durch die Zentralschweiz. Angelehnt an die
Musik attestiert. 88 Prozent der Befragten halten klas-          Idee einer Wanderbühne, soll er die Musik zu den Leu-
sische Musik gemäss Studie zwar für ein wichtiges kul-           ten bringen – vor allem zu jungen Leuten an Schulen,
turelles Erbe, aber bloss 20 Prozent haben im Jahr               denen der Wagen Möglichkeit sein soll, spielerisch und
2013 ein klassisches Konzert besucht.                                               experimentell mit Musik und Musi-
Bei den unter 30-Jährigen waren es                                                  kern in Berührung zu kommen. Zu-
gar lediglich 10 Prozent. Die Autoren                                               dem plant das LSO im Nachgang zu
der Studie stellen fest: «Konzerthäu-      Nicht die Musik ist das                  herkömmlichen Sinfoniekonzerten
ser erreichen immer weniger Men-           Problem, sondern ihre                    im KKL erstmals auch Nachtkon-
schen, vor allem nicht die Jungen.»                                                 zerte speziell für junge Erwachsene
Doch genau diese Jungen sind wich-           Darbietungsweise.                      aus dem Klub LSO U25. Die soge-
tig, wenn das heute schon stark über-                                               nannten Cap Concerts beginnen
alterte Publikum irgendwann nicht                                                   erst gegen 22 Uhr, kosten in Kombi-
einfach aussterben soll. Ohne Inno-                                                 nation mit dem Sinfoniekonzert ge-
vationsschub, so prognostizierte vor                                                rade mal 10 Franken und sollen –
einigen Jahren eine Studie der Uni-                                                 wenn die ergrauten Konzertbesu-
versität St.Gallen, verlieren die klas-                                             cher den Heimweg angetreten
sischen Konzerte in 30 Jahren über                                                  haben – jungen Klassikfreunden ei-
einen Drittel ihres Publikums.                                                      nen Austausch mit Gleichaltrigen
     Bei den Konzertveranstaltern ist                                               ermöglichen. «Wir meinen, dass es
die Nachricht angekommen, auch bei                                                  für Junge attraktiver ist, Konzerte
jenen in der Zentralschweiz. So sagt                                                zu besuchen, wenn das Konzert-
zum Beispiel Johannes Fuchs vom                                                     haus auch zum Treffpunkt wird»,
Lucerne Festival: «Man kann nicht so weitermachen                sagt Johanna Ludwig. Mitglieder des Klubs sollen auch
wie bisher.» Fuchs leitet das Kinder- und Jugendange-            bei der Entwicklung des Konzertprogramms mitreden
bot des Festivals; die Reihe «Young», die dieses Jahr            können.
erstmals auch über ein eigenes Ensemble aus jungen                   Alles schön und gut. Die Frage ist bloss: Lässt sich
Musikerinnen und Musikern verfügt, richtet sich mit              so die klassische Musik hinüberretten in die Zukunft?
ihren Veranstaltungen auch an ein Publikum, das sich             Einen Versuch ist es wahrscheinlich wert. Immerhin
vom Alter her eher in Discos und Clubs herumtreibt als           lassen mehrere Befragungen in verschiedenen Län-
an klassischen Konzerten. Und Johanna Ludwig, beim               dern den Schluss zu, dass sich keineswegs sämtliche
Luzerner Sinfonieorchester (LSO) zuständig für die               Jugendlichen von Mozart, Bizet und Vivaldi in die
Musikvermittlung, glaubt: «Wir müssen dem jungen                 Flucht schlagen lassen; ein Interesse an klassischer
Publikum aufzeigen, dass klassische Musik ein Erbe               Musik scheint durchaus zu bestehen. Kulturwissen-
ist, das wir nicht einfach übernehmen müssen, son-               schaftler wie Martin Tröndle von der Zeppelin-Uni-
dern selber gestalten können.»                                   versität in Friedrichshafen glauben daher: Nicht die
                                                                 Musik ist das Problem – sondern ihre Darbietungswei-
Nachtkonzerte, Musikwagen und Figurentheater                     se. Das klassische Konzert, wie es seit gut hundert Jah-
Die meisten grossen Orchester, Konzerthäuser und                 ren unverändert abläuft. 90 Minuten lang im feinen
Festivals tun mittlerweile einiges, um einem jungen              Tuch dasitzen und schweigen, auf keinen Fall zwi-
Publikum zu demonstrieren, was sich mit diesem Erbe              schen den Akten klatschen. Schon gar nicht schnell
alles anstellen lässt. Die Reihe «Young» des Lucerne             rausgehen und wieder reinkommen, geschweige denn,

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Unterschiedliche Meinungen und Ansichten sind der
 Herzschlag unserer Gesellschaft.
 Beim Genuss der hervorragenden Kulturszene unse-
 rer Stadt und der Freude über die hochstehenden
 und einzigartigen Erzeugnisse Luzerner Confiserie-
 Kunst sind wir uns zum Glück alle einig.
 Herzlich Willkommen in unserem neuen Confiserie-
 Fachgeschäft am Hauptsitz der Luzerner Kantonal-
 bank. Mit dem Umzug unseres Fachgeschäftes vom
 Viktoriaplatz erwartet Sie nun am neuen Ort eine
 einmalige Genuss-Oase mit bedeutenden Luzerner
 Spezialitäten.
      Ihre kulturbegeisterte Familie Bachmann

      Besuchen Sie unsere Backstube im Herzen
        von Luzern: www.confiserie.ch/film
            www.bachmann-stiftung.ch

   Pro eingelöstem Gutschein unterstützen wir im
  Dezember 2014 die IG Kultur Luzern mit Fr. 5.−.

Fr. 10.–
Ihr Eröffnungsgeschenk*

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 Für alle Feinschmecker Luzernerinnen und Luzerner
*Gültig bei einem Einkauf ab Fr. 20.– und nur im neuen
 Fachgeschäft bei der Luzerner Kantonalbank, Pilatus-
 strasse 14. Pro Einkauf ein16Gutschein einlösbar und
 nicht kumulierbar. Gültig bis 30. November 2014.
klassische Musik

ein Getränk mit in den Saal nehmen. Ein Applaus am             ten – mit Choreografen, Literaten, Galerien. «Bindet
Schluss, mehr lässt das enge Regelkorsett nicht zu.            man eine zusätzliche Kunstrichtung ein, hat man
                                                               plötzlich neue Interessengruppen im Konzertraum»,
            Neue Konzertformate gesucht                        sagt Schnider. «Leute, die sonst vielleicht nie auf die
Dies mag den Gepflogenheiten des Publikums entspro-            Idee gekommen wären, sich ein solches Konzert anzu-
chen haben, das Ende des 19. Jahrhunderts in die neu           hören, finden dann plötzlich: Klingt spannend.»
eröffneten Opernhäuser strömte – in die opulenten                  Musik verlässt ihre angestammten Häuser und fin-
Musikpaläste, die überall in der westlichen Welt zum           det so neue Hörer – dass das klappen kann, zeigt auch
Identifikationsforum eines selbstbewussten, kulturin-          das Beispiel der aus Zug stammenden Violinistin De-
teressierten Bildungsbürgertums wurden. Doch wäh-              borah Marchetti. Die 35-Jährige hatte in so gut wie
rend sich die Konzertformen zuvor immer wieder ver-            allen grossen Sälen Europas und Japans ihre Solo-Auf-
ändert hatten, erstarrte das klassische Konzert in die-        tritte; seit rund zwei Jahren jedoch spielt sie ihr Reper-
sen Sälen zu jener Form, die wir                                                   toire von Barock bis hin zu neuer
noch heute kennen. Und die kommt                                                   Musik auch an ungewöhnlichen
reichlich verknöchert und uncool                                                   Orten: in einer Garage, im Rappers-
daher für junge Menschen, die mit          Alles schön und gut.                    wiler Elektrizitätswerk, im alten
Pop- und Rockmusik sozialisiert            Die Frage ist bloss:                    Botanischen Garten Zürichs oder
wurden und für die die Opern- und                                                  im Plaza Club, einem Ausgehlokal
Konzerthäuser jegliche Repräsentati-     Lässt sich so die klassi-                 mitten im Zürcher Kreis 4. Das Pub-
onsfunktion verloren haben. Kultur-      sche Musik hinüberret-                    likum dabei: zu einem grossen Teil
wissenschaftler Tröndle plädiert da-                                               sehr jung, sehr hip, sehr begeistert.
her dafür, «die Kunstform Konzert          ten in die Zukunft?                         Vielleicht steht es also gar nicht
als ästhetisch-soziale Präsentations-                                              so schlecht um die Zukunft der
form zeitgemäss weiterzuentwi-                                                     klassischen Musik. Johannes Fuchs
ckeln» – nur so lasse sich der «Muse-                                              vom Lucerne Festival jedenfalls ist
alisierung des Konzerts» und der                                                   einigermassen optimistisch. «Es
«steten Veralterung des Publikums»                                                 gibt eine neue Generation von Mu-
entgegenwirken.                                                                    sikern mit klassischer Ausbildung,
     Vera Schnider weiss, wie sich das                                             die sich mit den bestehenden Wer-
Konzert weiterentwickeln liesse, sie                                               ken nicht einfach zufrieden gibt,
hat Erfahrungen mit verschiedenen                                                  sondern sie weiterentwickeln will»,
Formaten. Die 28-jährige Harfenis-                                                 sagt er. «Und es gibt Leute, die für
tin, die in Luzern studiert hat und                                                diese Weiterentwicklung empfäng-
heute in Bern lebt, spielt einerseits an                                           lich sind.» Irgendwann, glaubt er,
klassischen Konzerten für das Luzer-                                               werden die Impulse, die diese jun-
ner Sinfonieorchester oder das Zür-                                                gen Musiker aussenden, auf die Pa-
cher Kammerorchester. Andererseits                                                 läste der klassischen Musik über-
tritt sie mit Formationen wie dem                                                  springen: «Das war beim Theater
Ensemble Proton auf, das sich zeitgenössischer Musik           auch so – was die freie Szene jahrelang machte, kam
verschrieben hat, mit Werken, die Komponisten expli-           irgendwann auch bei den etablierten Stadttheatern an
zit für das Ensemble schreiben. «Wir sprechen mit die-         und hatte einen Innovationsschub zur Folge.»
ser Art von Musik keine Menschenmassen an. Aber
indem wir bewusst die klassische Konzertgestaltung                 Tröstliche Aussichten also. Tröstlich auch, dass sich
aufbrechen, gelingt es uns, ein neugieriges, junges Pu-        der Gemeinderat des St. Galler Örtchens Heerbrugg
blikum anzuziehen.»                                            nicht ganz sicher ist, ob es tatsächlich Mozart ist, der
     Die Konzertgestaltung aufbrechen, das heisst: Zum         die Jugendlichen vom Bahnhof vertreibt. Seit Beginn
Beispiel an Orten auftreten, an denen an anderen               der Beschallungsaktion schaut dort nämlich auch die
Abenden auch Jazz oder Rockmusik gespielt wird, um             Polizei öfters mal vorbei.
die Hemmschwelle möglichst tief zu halten. Und: Mit
Vertretern anderer Kunstrichtungen zusammenarbei-              Vorschau LSO-Jahresprogramm siehe Seite 27

                                                          17
«Viele
                                Lesungen
                                finde ich
                                langweilig»
                                Aber selbst liest Patti
                                Smith immer noch gerne.
                                Jetzt kommt die legen-
                                däre Rock’n’Roll-Poetin
                                erstmals nach Luzern.

                                Patti Smith
                                Man nennt sie Godmother of Punk, sie ist Poetin, Song-
                                writerin, Künstlerin und Sängerin. 1946 geboren, in New
                                Jersey aufgewachsen, zog es Patti Smith schon früh
                                nach New York. Schnell fand sie Anschluss bei Aussen-
                                seitern aller Art – und in der rebellischen Atmosphäre
                                der Sechzigerjahre ein optimales Biotop für ihre künst-
                                lerische Ambition. Mit der LP «Horses» (1975) gelang
                                ihr ein stilbildendes Werk. Sie brachte es zwar nie zum
                                Massenerfolg, doch gewann sie eine Anhängerschaft,
                                die ihr über Jahrzehnte die Treue hielt. Nach vier LPs zog
                                sie sich 1979 zurück, heiratete Fred «Sonic» Smith von
                                den legendären Band MC5, zog zwei Kinder auf. 1996,
                                nach dem Tod ihres Mannes, kam es mit «Gone Again»
                                zum Comeback. Seither ist sie präsent mit Konzerten,
                                Lesungen und ihren Büchern. Abseits des Mainstreams
                                erhebt sie ihre engagiert-kritische Stimme, wo immer sie
                                Ungerechtigkeiten wittert. Während sich Rockmusik im-
                                mer mehr zum Background-Sound unserer Gesellschaft
                                entwickelt hat, blieb sie dem ursprünglichen Charakter
                                des Rock’n’Roll treu: wild, unangepasst, rebellisch.

Bild: Robert Mapplethorpe/zvg
Woerdz

Was steht für Sie am Anfang: Wort oder Klang,                                                        Was können wir von Ihrem Auftritt in Luzern
Sprache oder Musik?                                                                                  erwarten? Neue Gedichte, neue Songs?
Immer das Wort. Ich bin nicht wirklich eine          «Jede Generation                                Am Woerdz werde ich voraussichtlich Ge-
Musikerin. Ich wollte immer eine Schrift-
stellerin sein.
                                                     hat auf neue For-                               dichte vortragen, aus meinem Buch lesen
                                                                                                     und singen. Die Leute sollen sich nicht zu
                                                     men gewartet und                                viele Texte anhören müssen, umso mehr als
In welcher Beziehung stehen bei Ihnen Poesie und                                                     es ja nicht ihre erste Sprache ist. Aber ich
Musik? Gehört das zusammen?                          sie bekommen – von                              bin nicht der Typ, der alles plant. Ich lasse
Viele meiner Songs beginnen mit einem
Text, mit einem Gedicht, und gehen dann
                                                     Rimbaud oder Jim                                die Leute, den Ort auf mich einwirken, viel-
                                                                                                     leicht etwas, das ich an diesem Tag erlebe.
über in Musik: Gloria zum Beispiel mit «Je-          Morrison oder eben                              Ich versuche spezifisch auf die Situation
sus died for somebody’s sins, but not mine
…» und so weiter. Oder Land und Birdland.
                                                     diesen Dichtern der                             einzugehen, lasse die Energie der Stadt, die
                                                                                                     Energie der Menschen einfliessen. Das in-
Als ich die schrieb, war ich 21 und habe sehr        Achtzigerjahre.»                                spiriert mich dann, to choose the one road or
viel improvisiert. Und ich mag das immer                                                             the other. Ich wollte übrigens unbedingt an
noch. Natürlich ist da eine starke Verbin-                                                           diesem Festival in Luzern dabei sein, ob-
dung zur Musik. Lyrik zu schreiben ist für                                                           wohl ich noch andere Verpflichtungen habe
mich sehr schwierig, ich tue mich schwer                                                             und die Organisation ziemlich kompliziert
damit. Manchmal schlägt etwas wie ein Ge-            Nun, ich habe wahrscheinlich während            war.
dankenblitz ein, aber das ist sehr selten. Ich       rund 50 Jahren Gedichte gelesen und Le-
schrieb einen kleinen Song für Amy Wine-             sungen gehört. In diesem Sinne war das et-      Wie und wann schreiben Sie an Ihren Texten?
house, This Is The Girl, den hab ich sehr            was Vertrautes. Ich habe Allen Ginsberg ge-     Ich stehe am Morgen früh auf, setze mich in
schnell geschrieben. Meistens dauert es län-         hört, William S. Burroughs und all diese Po-    ein möglichst leeres Café und schreibe dann
ger.                                                 eten. Neue Energie ist eingeflossen und eine    etwa eine Stunde lang in mein Notizbuch.
                                                     neue Generation hat ihre Art der Perfor-        Später übertrage ich es auf meinen Compu-
Sie leben in Manhattan. Wie wichtig ist die Stadt,   mance von Poesie entwickelt. Ein natürli-       ter. Ich schreibe jeden Tag in der einen oder
in der Sie leben, für Sie und Ihre Arbeit?           cher Prozess, jede Generation hat auf neue      andern Form. Songs dagegen schreibe ich
Nicht sehr wichtig. Sie war wichtig, als ich         Formen gewartet und sie bekommen – von          nicht sehr viele, die sind rar.
noch jünger war. Alle meine Freunde                  Rimbaud oder Jim Morrison oder eben die-
wohnten in New York. Nun sind die meisten            sen Dichtern der Achtzigerjahre. Ja, Jim        Woran arbeiten Sie im Moment? Ist eine neue CD
tot oder weggezogen. Die Stadt hat sich sehr         Morrison war so ein Poet, der spürte, dass es   zu erwarten?
verändert, sie ist sehr teuer geworden, sehr         nötig war, die Dinge voranzutreiben.            Nein, zurzeit arbeite ich an einem Buch,
materialistisch, sie ist nicht mehr dieselbe.                                                        und bin daran, es zu beenden. Ich schreibe
Und ich reise ja viel herum. Ich brauche             Was ziehen Sie vor, Lesungen oder Konzerte?     überhaupt sehr viel. Vielleicht werde ich
auch nicht viel, nur etwas Licht und einen           Persönlich finde ich viele Lesungen lang-       mich im Winter wieder mit einer neuen CD
kleinen Schreibtisch. Es genügt ein Platz in         weilig. Mich spricht zwar die Poesie an und     befassen.
einem Zug, ein Hotelzimmer oder ein Café.            ich lese gerne Gedichte, aber Lesungen von
New York ist sicher immer noch eine gross-           Gedichten finde ich nicht zwangsläufig at-      Können Sie uns etwas verraten über dieses Buch?
artige Stadt, aber heute bin ich eine Art            traktiv. Deshalb hab ich ja mit dem             Es ist schwierig zu erklären. Es ist anders als
Weltbürgerin, das ist ein Teil meines Lebens.        Rock’n‘Roll angefangen, weil mich das blosse    mein letztes Buch (Just Kids, über ihre
                                                     Vorlesen angeödet hat. Ich musste in eine       Freundschaft mit dem Fotografen Robert
Fühlten Sie sich als Teil der Spoken-Word-Szene,     andere Dimension ausbrechen. Also ich mag       Mapplethorpe). Es enthält zwar auch Erin-
als diese in den Achtzigerjahren aufkam?             Lesungen, aber ich mache nicht so viele in      nerungen, aber es ist mehr auf die Gegen-
Nein. In den Achtzigern bin ich ja nicht auf-        Amerika, sondern mehr im Ausland. Aber          wart ausgerichtet. Ich habe es vor ein paar
getreten. Ich lebte zurückgezogen in Detroit         da ist auch ein Problem: Ich spreche nur        Jahren begonnen, dann die Arbeit unter-
und zog meine Kinder auf. Ich war mit die-           Englisch, und obwohl in Europa viele Leute      brochen, um zu sehen, in welche Richtung
ser Szene nicht verbunden. Ich habe zwar             Englisch verstehen, ist es doch nicht ihre      es sich entwickelt. Nun bin ich daran, es ab-
immer geschrieben, das war sehr wichtig              Muttersprache. Und meine Gedichte sind          zuschliessen. Es ist wie eine Fahrt mit dem
für mich, aber als Autorin, weniger als Per-         manchmal ziemlich kompliziert. Deshalb          Zug, ich bin da mal eingestiegen, habe mich
formerin.                                            bringe ich dazwischen Songs. Songs sind         treiben lassen, nun ist die Zugfahrt bald zu
                                                     universeller, verständlicher. Ich lese gern,    Ende.
War diese Spoken-Word-Szene für Sie etwas Neu-       aber ich ziehe vor, beides zu tun, lesen und
es oder etwas Vertrautes, Selbstverständliches?      singen.                                         Interview: Meinrad Buholzer

                                                                          19
Woerdz

Am Klingen hängt, zum Klange drängt es die Sprache, ja Sprache ist
Klang. Darauf beruft sich die Lautpoesie. Ein Essay zum Luzerner
Spoken-Word-Festival Woerdz.
    Von Beat Mazenauer

gadji beri bimba
glandridi
N
          och immer ist sich die Forschung uneins, was           erhalten dichterische Weihen durch ihren lyrischen Vor-
          am Ursprung der menschlichen Sprache gestan-           trag, der das laute Publikum der stillen Leserschaft vor-
          den haben mag: der Schrei nach der Mutter, die         zieht. In ihren Songs und Liedern tritt die Literatur in
Imitation von Tierlauten, das Singen des Blues bei der           Dialog mit der Musik. Wesentlich dabei ist, dass die bei-
Feldarbeit. Auf jeden Fall waren es Laute, die sich all-         den Ausdrucksformen einander ebenbürtig sind. Aus ih-
mählich zu einer sinnfälligen, komplexen Sprache form-           rem Zusammenklang entsteht eine neue Form: synerge-
ten und verdichteten. Die Menschen verliehen ihr je eige-        tisch, synthetisch, synästhetisch. Vergleichbares gilt
ne Stimmen. Unter ihnen auch die Dichter. Sie neigten            auch, wenn sich eine Autorin wie Melinda Nadj Abonji
mit ihrer Kunst ganz natürlich zu Klang und Vielstim-            mit der «Human Beat Box» Jurczok 1001 zum Duett for-
migkeit. Die Rhapsoden besangen die Götter par cœur,             miert; wenn eine Dichterin wie Nora Gomringer ihren
etwas später überbrachten Minnesänger ihre Liebesbot-            eigenen Texten klangliches und gestisches Volumen ver-
schaft zum Klang der Laute, endlich deklamierten die             leiht; oder wenn ein Dichter-Komponist wie Gerhard
Dadaisten 1916 im Cabaret Voltaire ihre Unsinnspoesie,           Rühm das weite Klangspektrum seiner Sprechgedichte
um damit das gutbürgerliche Literaturempfinden zu                mit der Präzision eines Metronoms intoniert und zele-
traktieren. Lied, Gedicht, Spoken Word und Rap haben             briert. Dann erfüllen Texte auf einmal neue Räume, sie
also eine lange Geschichte.                                      wecken verblüffende Eindrücke. Aus dem performativ-
    Über die Poesie hat Lawrence Ferlinghetti, einer der         literarischen Dialog entsteht etwas Drittes, das im kollek-
legendären Beatnik-Dichter, vor Jahren einmal gesagt,            tiven Hörgenuss aufgeht.
dass sie «neue Welten und Wertvorstellungen in uns er-

                                                                 N
öffnet und ihre Offenbarung eine Revolution unseres In-                     ichts anderes will auch der «Poetry Slam», der
nenlebens und Geistes anstrebt». Um diese Botschaft                         der Legende nach 1985 in der «Get Me High
auch sinnlich fühlbar zu machen, haben die Beat-Revol-                      Lounge» in Chicago seine Taufe durch Marc
teure der Fünfzigerjahre wilde Rezitationsformen entwi-          Smith erlebte. Nicht allein, dass dieser poetische Wett-
ckelt: poetry performances. Eindringlich klingt Allen            streit meist bestens unterhält, sein Reiz liegt vor allem im
Ginsbergs «Howl» aus jenen Jahren nach. Zeitlich paral-          gemeinsamen Literaturerleben. Schreibende haben et-
lel verkündete in Wien H.C. Artmann seine «Acht-Punk-            was zu sagen, deshalb wenden sie sich ans Publikum. Je
te-Proklamation des poetischen Actes», in der er das poe-        nach Gelegenheit und Stil sucht sich diese «Botschaft»
tische Handeln über das Schreiben setzte. Davon beein-           leise, laute, witzige Ausformungen.
druckt dichtete Ernst Jandl seine «Sprechgedichte»,                  Gegen den Poetry Slam wird gerne vorgebracht, dass
deren Vortrag – «schtzngrmm t-t-t-t» – heute fast schon          seine Inszenierung im Wettstreit um die Publikumsgunst
Kultursport geworden ist.                                        zum Kalauer neige. Manchmal wohl wahr. Das konzen-
                                                                 trierte Lesen zu Hause bietet den Texten wie den Lesen-
   Aus diesem Blickwinkel betrachtet, weitet sich un-            den mit Sicherheit grössere geistige Freiheit. Dafür ver-
willkürlich der poetische Raum. Bob Dylan oder Mani              mag die öffentliche Darbietung intensiver zu packen.
Matter treten neben Heinrich Heine und Paul Celan. Sie           Beides ergänzt sich, wie der Dadaist Hugo Ball festhielt:

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