JAGD in Bayern - Bayerischer Jagdverband eV
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
NEU MADE BY BLASER. MADE IN GERMANY. GENIAL. EINFACH. ALLES DRAN. ALLES DRIN. FÜR DIE JAGD BEI TAG UND NACHT. DIE NEUEN BLASER ZIELFERNROHRE Abgabe von Waffen und Munition nur an Inhaber einer Erwerbserlaubnis. Beachten Sie die rechtlichen Erwerbs- und Nutzungsbedingungen für Wärmebildoptiken in Ihrem Land. © 2022
JAGD Angesprochen Liebe Waidkameradinnen und Waidkameraden, am kommenden Wochenende werden die Vertreterin- nen und Vertreter der BJV-Kreisgruppen in Augsburg zum Landesjägertag zusammenkommen, um Bilanz zu ziehen über die vergangenen 16 Monate und um ein Präsidium zu wählen für die nächsten vier Jahre. Während ich diese Zei- len schreibe, sind wir jedenfalls voller Hoffnung, zum ersten Mal seit drei Jahren wieder alle zusammen ordentlich tagen zu dürfen, einschließlich Jägerabend, Hubertusmesse und Festabend. dringend erforderliche Evaluierung in der Diskussion mit Diese Landesversammlung wird die Aufgabe haben, den Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) Bayerischen Jagdverband so aufzustellen, dass er in der voranzutreiben. Und auch mit den zuständigen Ministern Lage ist, mit unseren Partnern aufseiten der Grundeigen- in der neuen Bundesregierung, Nancy Feser (SPD) und Cem tümer und aufseiten der anerkannten Naturschutzverbän- Özdemir (GRÜNE), müssen im Hinblick auf Jagdrecht und de auf Augenhöhe zu verhandeln und zu handeln, sowohl Waffenrecht ebenso Gespräche geführt werden wie mit fachlich als auch intellektuell. Die Personal-Fluktuation in Christian Lindner oder Karl-Heinz Busen von der regie- der Geschäftsstelle konnte bereits dazu genutzt werden, rungsbeteiligten FDP. bestehende Defizite in den Bereichen Wildbiologie und Di- gitalisierung zu beseitigen und eine kaufmännische Steu- Und unsere Daueraufgabe, die bayerischen Jäger wieder als erung zu installieren. die Experten für Natur inmitten unserer Gesellschaft zu po- sitionieren, dürfen wir über alledem nicht vergessen. Denn Die „BJV Schießstand App“ und die „BJV WildExperte App“ es gibt mächtige Widersacher, die genau das verhindern sind bereits in Anwendung, zur Landesversammlung wird möchten! Lesen Sie dazu auch den Bericht zum Theßenvitz- es eine App geben, mit der Bayerns Jäger auch Reviere und Papier ab Seite 16 in dieser Ausgabe. Reviereinrichtungen darstellen, ihre Erlegungen erfassen und ihre Streckenlisten bearbeiten und an die UJB über- Beste Grüße & ein kräftiges Waidmannsheil mitteln können. Unsere Öffentlichkeitsarbeit wird wieder wahrgenommen, Aktionen wie „Besucherlenkung“ oder Ihr „Hilfe für die Gams" findet europaweit Unterstützung. Fehl- entwicklungen des Jagdrechts und des Waffenrechts konn- ten wir verhindern, die „JAGD in Bayern“ wurde zu einem echten Jagdmagazin umgestaltet. Darüber hinaus werden die Ergebnisse der Sonderauswer- tungen zum „Forstlichen Gutachten“ uns fordern, dessen Ernst Weidenbusch, Präsident des Bayerischen Jagdverbandes e. V. Der Bayerische Jagdverband – anerkannter Naturschutzverband 4-2022 JAGD in Bayern 3
22 Revierpraxis Was ist los mit „unserem Wald“? | 8 Schutz für Wald und Wild | 26 Fotos: S.8 K.I.Photography/stock.adobe.com, S. 22 Martin/stock.adobe.com, S. 36 Menno Schaefer/stock.adobe.com Die Entwicklung naturnaher Bestände braucht Zeit Projektvorschlag für „Schule fürs Leben“ Der Forst-Wald-Konflikt | 12 Rehkitzrettung per Drohne | 40 „Forst-Jagd“ ist nicht „Wald-Wild“ Rechtliche Rahmenbedingungen Das Theßenvitz-Papier | 16 Kurzwaffen für die Jagd | 44 Eine Bilanz Vor- und Nachteile unterschiedlicher Systeme Ein Ammenmärchen | 22 Klick für Klick zur Präzision | 48 Waldumbau ohne Schutzmaßnahmen Anschießen im Revier S.48 W. Baumgartner; Titel: grizzlybaerin/stock.adobe.com Naturschutz Jagd blüht | 50 Wir bringen Bayern zum Blühen! 48 Schmetterlinge im eigenen Garten | 52 Insektenlebensraum schaffen 4 JAGD in Bayern 4-2022
JAGD Inhalt Landwirtschaft Hasenapotheke | 34 Eine Wildackermischung näher betrachtet Eine ökologische Falle | 38 Gefährlicher Lebensraum Grünroggen Rubriken 8 Angesprochen | 3 JAGD aktuell | 6 Jagdkultur BJV Intern | Heftmitte Verkehrte Welt am Hasenhaus | 30 BJV-Frischlinge | 56 Satire und Karikatur in Wien Firmennews und Kleinanzeigen | 58 Impressum | 62 Wildbret Jagdkolumne | 66 Rezepte zum Sammeln | 53 Confierte Graugans Gut gerupft | 55 Expertentipp zum Gänserupfen Wildbiologie Passion und Wissen sind gefragt | 36 Hilfe für Hühnervögel Die Menge macht das Gift | 42 Botulismus: Warum ist er so gefährlich? 36 4-2022 JAGD in Bayern 5
JAGD aktuell Schilder zur Besucherlenkung Revierinhaber aufgepasst: Unsere Aktion „Schütze uns und unseren Lebensraum“ geht in die nächste Runde! Bayerische Revierinhaber haben auch dieses Jahr wieder die Möglichkeit, unsere Schilder zur Be- sucherlenkung gratis zu bestellen. Im Rahmen der Aktion können Revierinhaber die 70x90 cm großen Schilder zur Besucherlenkung ordern und zwar jähr- lich ein Schild pro angefangene 500 Hektar Revier- größe. Die Maßnahme ist gefördert aus Mitteln der Jagdabgabe, den Eigenanteil von zehn Prozent über- nimmt der BJV für Sie. Machen Sie mit und helfen Sie, unsere Bevölkerung für die Anliegen unseres Wildes zu sensibilisieren! IK Weitere Informationen und das Bestellformular für Ihre Besucherlenkungsschilder finden Sie hier. Illegale Tötung des Starnberger Gänsegeiers – BJV schließt sich Strafanzeige des LBV und der GLUS an. Nun herrscht Gewissheit im Fall des am 18. Januar in Starn- berg von einem Jäger geborgenen, verendeten Gänse- geiers: Er ist illegal durch Einwirkung einer Schusswaffe zu Tode gekommen. Im Körper des Vogels wurde ein Geschoss gefunden. Der Bayerische Jagdverband e. V. verurteilt die illegale Tötung von Greifvögeln aufs Schärfste. „In dieser Angelegenheit hat der BJV eine Null-Toleranz-Politik,“ so Präsident Ernst Weidenbusch „deshalb werden wir uns im ausdrücklichen Einvernehmen mit dem Vorsitzenden der Kreisgruppe Starnberg, Hartwig Görtler, der Strafanzeige gegen Unbekannt des LBV und der GLUS anschließen.“ Das Beschießen von Greifvögeln stellt eine Straftat dar. „Wir hoffen, dass die zuständigen Ermittlungsbehörden in der Lage, sind den Verant- In der Region Starnberg kam ein Gänsegeier illegal durch ein wortlichen zur Rechen- Geschoss zu Tode. Foto: Gunther Zieger_LBV Bildarchiv schaft zu ziehen,“ so Weidenbusch weiter. „Ob Jagdscheininhaber oder nicht, derjenige, der dies ein Krimineller!“ Der BJV als anerkannter Naturschutzver- vorsätzlich getan hat, ist band setzt sich vehement dafür ein, dass ein solcher Ver- stoß gegen das Naturschutzgesetz streng geahndet wird. Das betreffende Geschoss stamme aus der Waffe eines Straftäters, erklärt Weidenbusch weiter, mit diesem wurde Deutlich erkennbar: – ob bleifrei oder nicht – die Tötungsabsicht des Schützen ein Geschoss. erfolgreich vollzogen. Die Bayerische Jägerschaft verzichtet Foto: Röntgenbild-Klinik für vielerorts auch ohne entsprechende Gesetzesvorlage be- Wiederkäuer, LMU München reits freiwillig auf bleihaltige Munition. PM/BJV 6 JAGD in Bayern 4-2022
JAGD aktuell Bleiverbot – jeder vierte Jäger wird laut FACE die Jagd aufgeben Wenn das Verbot der Verwendung von Bleimunition Reali- tät wird, werden geschätzt 25 Prozent der Jäger die Jagd ganz aufgeben und mindestens 30 Prozent weniger häu- fig jagen. Dies ergab sich aus einer europaweiten Umfrage von FACE (Vereinigung der europäischene Jagdverbände) zu den Auswirkungen eines Bleiverbots unter einer reprä- sentativen Stichprobe von Jägern im europäischen Wirt- schaftsraum mit über 18.000 Antworten. Der Umfrage zufolge sind 34 Prozent der Schusswaffen nicht mit bleifreier Munition kompatibel. Die einmaligen Kosten für den Ersatz dieser Schusswaffen könnten sich auf bis zu 14,5 Milliarden Euro belaufen, und das ist eine vor- sichtige Schätzung. Darüber hinaus schätzt die Europäische Chemikalienagentur ECHA selbst, dass das durchschnittli- che jährliche Jagdbudget eines Jägers 3.000 Euro beträgt, sodass sich der wirtschaftliche Verlust für die EU aufgrund der Einstellung und Verringerung der Jagdaktivitäten auf Die Umsetzung des Bleiverbots wird laut einer Umfrage weit- mindestens 5,7 Milliarden Euro belaufen würde. reichende Folgen haben. Foto: zorandim75/stock.adobe.com Der Umfrage zufolge sind nur 30 Prozent der Jäger in der Lage, die potenzielle Beschränkung ohne weiteres in der vorgegebenen Zeit zu erfüllen. Die aus der Umfrage her- vorgegangenen Daten machen erneut klar, dass das vor- effektive Ergebnisse zu erzielen und die negativen Aus- geschlagene Verbot von Bleimunition angesichts des Zeit- wirkungen der Beschränkung zu minimieren. Das Verbot plans und des Umfangs des aktuellen Vorschlags erhebliche von Bleischrot in Feuchtgebieten ist bereits in Kraft, bis sozioökonomische Auswirkungen auf die Jägerschaft ha- 15. Februar 2023 müssen EU Mitgliedsstaaten dies umge- ben wird. In den Bereichen Sportschießen, Jagd, Sammeln setzt haben. Machen Feuchtgebiete mehr als 20 Prozent von Feuerwaffen, Handel und Industrie sind in Europa mehr der Landesfläche aus, kann dort bereits ab 15. Februar 2024 als 600.000 Menschen beschäftigt, der Jahresumsatz be- ein Bleiverbot verhängt werden. Für Büchsenmunition sind läuft sich auf rund 40 Milliarden Euro. die Fristen gestaffelt, für Kaliber unter 5,6mm gelten fünf Längere Fristen und eine breitere Zusammenarbeit mit Jahre als Übergangsfrist, für größere Kaliber jedoch nur 18 allen Beteiligten - in erster Linie mit Jägern und Herstel- Monate. Nach Plan der ECHA sollen die genannten Fristen lern von Referenzmunition - sind notwendig, um wirklich bereits 2023 anlaufen. www.euractive.com/ IK Anzeige Wir präsentieren: NEU Zielfernrohr ockscharf ptimal ool ompakt Seit 1969 das Haus für Jagd & Wa en eer H ඣ Fürstenstraße 6 ඣ 87439 Kempten nline auf Tracht in Kempten im Allgäu ጴ0831 52274-0 ඣ n a en- eer e ඣ a en eer de die Pirsch:
REVIERPRAXIS ich Bäumchen wechsel D Was ist los mit „unserem“ Wald? Foto: K I Photography/stock.adobe.com 8 JAGD in Bayern 4-2022
REVIERPRAXIS ich Bäumchen wechsel D Bei der Erforschung der Wälder nimmt Deutschland im europäischen Vergleich eine Spitzenposition ein. Die Entwicklung naturnaher Bestände braucht Zeit. Panikmache ist nicht zielführend. A nhand des Forstlichen Gutachtens wird der Versuch unternommen, den Waldbesitzern, Forstverwaltungen und der Jägerschaft einen Eindruck über die Zukunftsfä- higkeit des Waldes zu vermitteln. Doch nur wenige wissen, wie es um den Wald über die eigene Reviergrenze hinaus bestellt ist. Damit fehlt vielen ein wichtiger Baustein zur Einschätzung des Waldzustands vor Ort. Mit diesem Arti- kel soll eine grobe Einordnung ermöglicht und der Zustand des Waldes in Bayern, Deutschland und Europa dargestellt werden. Dass wir in Deutschland ein besonderes Verhältnis zum Wald haben, drückt sich nicht nur in den Texten deutscher Dichter aus, sondern kann auch daran abgelesen werden, dass wir im europäischen Vergleich bei der Erforschung der Wälder mit Abstand die Spitzenposition einnehmen. Nadel- oder Blattverlust Die Vitalität eines Baumes wird anhand des Nadel- bzw. Blattverlustprozents gemessen. Dieser Wert ergibt sich aus der Abweichung der tatsächlich betrachteten zu einer komplett belaubten Baumkrone. Im Fachjargon wird von der Kronenverlichtung gesprochen, die zur besseren Dar- Die Kronenverdichtung gibt Auskunft über die Vitalität der stellung in fünf Klassen unterteilt wird (siehe Tabelle 1). Bäume. Foto: ThomBal/stock.adobe.com Im Vergleich zu unseren Nachbarländern befindet sich der deutsche Wald mit 37,5 Prozent in den Klassen 2 bis 4 im- merhin im Mittelfeld - zusammen mit Belgien (33,9 Pro- zent). Tschechien, Frankreich und Luxemburg haben mit 56,7 Prozent, 57,4 Prozent und 54 Prozent deutlich höhere Nach dem „Technical Report of ICP Forest 2021“ ergibt sich Anteile der Klassen 2 bis 4, die Schweiz und Polen dafür mit für viele Länder ein mehr oder weniger stark ausgeprägter 26,4 Prozent und 19,4 Prozent entsprechend weniger. Abwärtstrend in den letzten zehn bis 20 Jahren hin zu im- mer stärker verlichtenden Wäldern. Auch wird in dieser Stu- die darauf eingegangen, zu welchem Anteil die verschiede- nen Baumbestandteile von Schäden betroffen waren. Die mit Tabelle 1: Einteilung der Kronenverlichtung in fünf ver- Abstand meisten Schadsymptome wurden an den Blättern schiedene Klassen anhand des Nadel- bzw. Blattverlustes. festgestellt (29 Prozent). Darauf folgen Stammschäden zwi- Klassen Nadel-/Blattverlust Kronenverlichtung schen Wurzelansatz und Krone (14 Prozent). 0 Bis 10 % Keine 1 > 10 - 25 % Leichte (Vorwarnstufe) 2 > 25 - 60 % Mittlere Die Schadensverursacher 3 > 60 - < 100 % Starke 4 100 % Tot (nur stehendes Schaden an Leittrieben und Knospen machten zusammen Totholz) nur knapp 1,5 Prozent aus. Im Hinblick auf die Schadens- verursacher stehen Insekten und abiotische Faktoren wie 4-2022 JAGD in Bayern 9
REVIERPRAXIS ich Bäumchen wechsel D Der Waldumbau ist aufgrund der klimatischen Veränderungen wichtig; allerdings geht er nur so schnell, wie ein Baum wächst. Foto: K I Photography/stock.adobe.com lust seit 2013, sank jedoch zuletzt im Jahr 2020 etwas. Betrachtet man die Absterberate, zeigt sich zunächst ein negatives Bild. Besonders stark gestiegen ist die Absterberate bei der Fichte (von < 1 Prozent in 2019 auf rund 4,3 Prozent in 2020) und Laubbaum- arten außer Buche und Eiche (von etwa 0,25 Prozent in 2017 auf rund 1,7 Prozent in 2020). Grund hierfür dürfte das Zusammenspiel aus Tro- ckenstress, Insektenbefall und Wind- wurf sein. Geht der Wald zugrunde? Die mittlere Kronenverlichtung in Bayern deckt sich bei den Laub- bäumen größtenteils mit den Wer- Windwurf an den vordersten Positionen (beide bei je einem ten der deutschlandweiten Erfassung, wobei die Buche in Drittel der 1843 Kontrollflächen nachgewiesen). Der direkte Bayern eine etwas geringere Kronenverlichtung (29,4 Pro- Einfluss des Menschen, zum Beispiel durchc Rückeschä- zent in 2020 und 23,8 Prozent in 2021) aufweist als der den, war auf 18 Prozent der Kontrollflächen nachweisbar. Bundesdurchschnitt (ca. 31 Prozent in 2020). Die Kronen- Für die Flächen mit menschenverursachten Schäden wird verlichtung der Fichte liegt mit 24,9 Prozent in 2020 und als Schwerpunktgebiet Süddeutschland hervorgehoben. 24,3 Prozent in 2021 deutlich unter dem nationalen Durch- Die Einflussgruppe Wild spielt bei den Schäden nur eine schnitt von etwa 29 Prozent (2020). Bei der Kiefer ist es al- untergeordnete Rolle und konnte lediglich auf fünf Prozent lerdings umgekehrt: in Bayern weist sie eine mittlere Kro- aller Flächen festgestellt werden. Jedoch wird auch hier nenverlichtung von 35,1 Prozent in 2020 bzw. 34,1 Prozent Deutschland neben Ungarn, Spanien und den baltischen in 2021 auf, beim Bund liegt diese nur bei rund 23 Prozent Staaten als Schwerpunktgebiet aufgeführt. (2020). Blickt man auf die Ergebnisse der nationalen Waldzu- Sind diese insgesamt doch recht negativen Trends ein Zei- standserhebung von 2020, ist besonders bei der Fichte seit chen dafür, dass der Wald zugrunde geht? Nein, natürlich 2017 eine starke Verschlechterung zu sehen. Doch auch nicht! Denn auch wenn der deutsche Wald einen negati- bei den übrigen Nadelbaumarten haben die letzten Jahre ven Gesundheitstrend hat, gibt es genügend Aspekte zur – wohl vorwiegend aufgrund der Trockenheit – schlech- Annahme, dass er nicht zugrunde geht. Eine Stimmung tere Werte bei der Kronenverlichtung hervorgerufen. Die der Angst zu verbreiten ist mit Sicherheit nicht zielfüh- Buche unterliegt seit den 2000ern starken Schwankungen rend. So legen die Ergebnisse der Waldzustandserhebung bezüglich der Kronenverlichtung. Sie stieg zuletzt auf ein nahe, dass besonders die Bäume mit deutlicher Kronen- Rekordhoch von mehr als 30 Prozent. Für die Eiche ergibt verlichtung zu starker Ausbildung von Samen neigen. Da sich seit Mitte der 90er ein gleichbleibendes Bild. Bei allen gerade bei der Buche und anderen Laubbäumen der Trend anderen Laubbaumarten steigt der prozentuale Blattver- der Kronenverlichtung auf weiterhin steigende Verlichtung 10 JAGD in Bayern 4-2022
EL RANGE WEGWEISENDE Anzeige PRÄZISION hindeutet, ist anzunehmen, dass in den kommenden Jah- ren die Fruchtbildung bei diesen Arten ansteigt und sich somit viele neue Bäume natürlich verjüngen werden. Und genau diese Baumarten sind die für den Waldumbau hin zu Mischbeständen so wichtigen Arten. Wo vor 20 Jahren noch alle drei Jahre eine Vollmast zu erwarten war, ist inzwischen ein Intervall von nur zwei Jahren eingetreten. Geduld mit dem Waldumbau haben Der Wald(um)bau wird außerdem finanziell so stark geför- dert wie noch nie. Auch die Holzbodenfläche in Deutsch- land hat einen leicht positiven Trend. Es gibt zudem Waldbesitzer/-bewirtschafter, die bereits vor 30 Jahren NEW angefangen haben, ihren Wald umzubauen. Doch die Ver- änderung kommt nur langsam (der Anteil an Laubbäumen in der Verjüngung nimmt stetig zu) und kann eben nicht schneller sein, als ein Baum wächst. Der Trugschluss ist, dass ein kompletter Waldumbau in einer, zwei oder drei Legislaturperioden umsetzbar ist. Je schnelllebiger die Ge- sellschaft wird, desto weniger Verständnis wird dem lang- samen Waldwachstums und somit der Dauer des Wald- umbaus entgegengebracht. Deshalb ist auch der Druck auf die Waldbesitzer immens hoch. Wer einen 50-jährigen Fichtenbestand hat, wird von vielen angefeindet, weil er ja augenscheinlich nichts für die Rettung des Waldes unter- nimmt. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass der jetzige Waldbesitzer meist nicht der Begründer des vorherrschen- den Bestandes war. Im Übrigen hätte ein vorzeitiger Holz- einschlag und eine darauffolgende Anpflanzung von Edel- laubhölzern wenig mit Nachhaltigkeit zu tun. Dass einige Gruppierungen unter den Waldbesitzern/-bewirtschaftern diesem Druck nicht standhalten und sich versuchen zu rechtfertigen, indem sie anderen Gesellschaftsgruppen die Schuld am vermeintlich scheiternden Waldumbau zuwei- sen, ist nur verständlich. Der gesamten Problematik jedoch höchst abträglich. Schließlich sollten alle gesellschaftli- chen Gruppen, die den Wald mit ihrem Handeln beeinflus- sen können, zusammenarbeiten. ♦ Carl Baucks hat Forstwissenschaften und Wildtierökologie studiert und ist beim BJV Ansprechpartner für Fragen und Angelegen- heiten zu diesen Themen. Er ist Mitglied im Hochwildaus- schuss und in der Verwaltung der Landesjagdschule tätig. SEE THE UNSEEN
REVIERPRAXIS sch Wald, Wild und Men Friedrich Reimoser, Honorarprofessor an der Universität für Bodenkultur in Wien, erläutert das Spannungsdreieck Grundeigentümer – Jäger – Behörde. Forst-Jagd- Konflikt – was steckt dahinter? D er sogenannte Forst-Jagd-Kon- flikt hat eine sehr lange Tradition. Er besteht in seinem Kern aus dem als zuständig für das Wild gesehen. Die Schuld für Schäden durch Wild wird deshalb primär ihm angelastet. Spannungsdreieck Grundeigentümer – Jäger – Behörde. Das Ausmaß von Wildschäden und der Forst-Jagd- „Forst-Jagd“ ist Konflikt hängen oft nicht zusam- nicht „Wald-Wild“ men. Was aber hält diesen Konflikt dann eigentlich am Leben? Welche Die missverständliche Formulierung lich um einen „Mensch-Mensch-Kon- Faktoren spielen eine Rolle in die- „Wald-Wild-Problem“ (statt Forst- flikt“. Forst-Jagd-Konflikte können sem vielschichtigen Spannungfeld? Jagd-Konflikt) wird hier nicht ver- aber auch dann existieren, wenn Die drei Hauptbeteiligten am Konflikt wendet, denn erstens sind Wildtiere vorgegebene Probleme, zum Bei- vertreten unterschiedliche Stand- selbst Teil des Ökosystems Wald und spiel Wildschäden objektiv gar nicht punkte und haben dabei meist ver- können deshalb diesem so nicht ge- nachweisbar sind. Umgekehrt können schiedene Ziele. Bisweilen entsteht genübergestellt werden, und zwei- Wildschäden vorhanden sein, ohne sogar der Eindruck, als würde diese tens haben Vegetation und Tiere im dass ein Forst-Jagd-Konflikt besteht. Auseinandersetzung in einem Rol- Wald für sich kein Problem miteinan- Der Konflikt ergibt sich erst aus dem lenspiel gepflegt, um daraus gewisse der. Ein Problem ergibt sich erst aus subjektiv wahrgenommenen oder Vorteile zu generieren. Wechselseiti- der Sicht der Menschen verschiedener aus einem inszenierten Konfliktver- ge Schuldzuweisungen und Feind- Interessengruppen im Zusammen- halten der „Konflikt-Partner“. Auf un- bildpflege sind an der Tagesordnung. hang mit Pflanzenfressern und Wald- persönlicher Ebene geht es um ge- Der Umgang mit den Schalenwildar- vegetation. Gemeint sind also eigent- nerelle Schuldzuweisungen zwischen ten wird in den Diskussionen in den lich Förster und Jäger und nicht Wald den verschiedenen Interessenvertre- Vordergrund gestellt. Der Jäger wird und Wild. Es handelt sich grundsätz- tungen, wie zwischen der Behörde, 12 JAGD in Bayern 4-2022
REVIERPRAXIS sch Wald, Wild und Men Die eindimensionale Betrachtungsweise „Wald vor Wild“ verhindert einen konstruk- tiven Dialog gleichgestellter Partner. Die ungleichen Positionen werden mancherorts wie in einem skurrilen Rollenspiel gepflegt. Foto: Robert Kneschke/ stock.adobe.com der Jägerschaft und der Grundeigen- tümervertretungen. Dabei handelt es sich um ein gruppenbezogenes Konfliktverhalten, das teilweise auch für Machtgerangel zwischen den In- Konflikts beitragen, sofern sie Schä- Entschädigungen helfen zwar dem teressengruppen instrumentalisiert den präventiv vermeiden und den Grundbesitzer, aber nicht dem Wald. wird. Durch Ideologien und vorge- Konflikt tatsächlich lösen wollten. Die Jägerschaft nimmt bei Wildscha- fasste Meinungen sind sachliche Dis- densdiskussionen oft die Rolle des kussionen oft nur schwer oder nicht Schuldigen an und beteuert, sie wür- möglich. Auf persönlicher Ebene hin- Entschädigungen helfen de das Problem durch mehr Abschuss gegen ist die Konfliktintensität häufig lösen. Es ergibt sich daraus auch eine dem Wald nicht weniger stark ausgeprägt. Rechtfertigung gegenüber Jagdgeg- Der primär Jagdberechtigte ist der Wenn Wildschäden vermieden wer- nern, jagen zu müssen. Die Schalen- Grundeigentümer, nicht der Jäger. den sollen, reicht es jedenfalls nicht, wildabschüsse stiegen zwar vielerorts Die Grundeigentümer könnten und Jagdpacht und Entschädigungszah- deutlich an, aber das Rot-, Reh- und müssten wesentlich zur Lösung des lungen für Wildschäden zu kassieren. Schwarzwild wurde kaum irgendwo 4-2022 JAGD in Bayern 13
REVIERPRAXIS sch Wald, Wild und Men Forstwirtschaftliche Nutzung und nachhaltige Jagd müssen nicht im Widerspruch stehen. Foto: Kletr/stock.adobe.com Leitsatz „Wald vor Wild“? Prof. Dr. Friedrich Reimoser kritisierte bei der 25. Österreichischen Jägertagung (2019), dass die Zusammenhänge rund um die Schalenwildarten zu sehr vereinfacht würden. „Ökologisches, ganzheitliches Systemdenken ist schwierig und mühsam und heute weniger üblich denn je“, so weniger. Die Bereitschaft der Jäger, der Wildökologe. Der Trend gehe zu Oberflächlichkeit, Simplifizierung und Ge- mit weniger Wild leben zu wollen, hält neralisierung. Als ein Beispiel dafür erwähnte er den Satz „Wald vor Wild“. Das sich zudem sehr in Grenzen. oberösterreichische ÖJV-Vorstandsmitglieds Joseph Klaffenböck hatte daraufhin In letzter Zeit häufen sich aber auch gefragt, ob die bayerische Landesregierung, die den Satz ins Gesetz geschrieben Fälle, wo sich Jäger ehrlich bemühen, hat, folglich nur aus Deppen bestehe. Reimoser darauf: „Die Bayerischen Staats- den Wildbestand zu reduzieren, dies politiker die ins Gesetz geschrieben haben ‘Wald vor Wild‘ sind nicht Deppen, aber jedoch nicht immer gelingt. Ein Grund sie waren offensichtlich aus der traditionellen Entwicklung in Bayern – Feindbild- ist der stark angestiegene Jagddruck, pflege Förster- Jäger – nicht in der Lage in dem Punkt ökologisch zu denken, als sie wegen der höheren Abschussvorga- diesen Gesetzestext formuliert haben“. Wild sei Teil des Waldes. IK ben und verlängerten Schusszeiten Auch nicht jagdliche Beunruhigun- gen haben stark zugenommen. Das Wild ist scheuer geworden. Wild- Komponente für die Wichtigkeit des eine Konfliktlösung auch nicht gerade bestandsregulierung ist eine stets amtlichen Forstpersonals haben. leichter. wiederkehrende und zeitaufwendi- Mangelnde Waldverjüngung wird oft ge Dienstleistung für die Land- und automatisch auf ein Wild- und da- Forstwirtschaft. mit Jagdproblem reduziert, also hin- Einfluss der Gesellschaft sichtlich der Problemlösung aus dem forstlichen Verantwortungsbereich Die Mehrfachnutzung des Wildle- Die Rolle der Behörde einfach ausgelagert. bensraumes wurde immer inten- Dies lenkt den Blick von waldbau- siver, vor allem für Freizeit-und Er- Die Forstsachverständigen der Be- lichen Maßnahmen ab, die zur Er- holungszwecke des Menschen. Eine hörden müssen die Wildschadens- reichung der erwünschten Waldver- erfolgreiche Bejagung des Schalen- vermeidung insbesondere im Ob- jüngung ebenso erforderlich sind. wildes wurde dadurch schwieriger. jektschutzwald einfordern. Dieser Jäger sind Kritik gewöhnt, Förster und Es kommt vermehrt zu Wildkonzen- wichtige Aufgabenbereich erfordert Waldbesitzer jedoch kaum. trationen in schwer zugänglichen und rechtfertigt eine dauerhafte, in- Forstliche Fehler und Unterlassungen, Schutzwaldlagen. Naturentfremdung tensive behördliche Überwachung. die Wildschadensprobleme verstärkt und gleichzeitige Naturidealisierung Würde es keine Wildschäden ge- haben, werden oft nicht gesehen. der urbanen Bevölkerung, Anti-Jagd- ben, hätte die Forstbehörde weniger Um von Fehlern und Unterlassungen Gruppen, Tierrechts- und Tierschutz- zu tun und wäre weniger wichtig. in der Vergangenheit abzulenken. Die gruppierungen schränken mögliche Ein ausgeprägter Forst-Jagd-Konflikt Entwicklung des gesellschaftlichen Maßnahmen zur effizienteren Wild- könnte so gesehen auch eine positive und ökologischen Umfeldes macht standsregulierung und Konfliktmin- 14 JAGD in Bayern 4-2022
Anzeige Büchsenmachermeister Jagd & Tracht derung ein und bauen zusätzliche Konfliktfelder auf. Positive Beispiele Mauser-Kompakt-Paket zeigen, dass der Forst-Jagd-Konflikt oft leicht gelöst werden konnte oder leise, präzise, führig erst gar nicht zustande kam, wenn ͻ DĂƵƐĞƌDϭϮDyͣ^͞ die Beteiligten wirklich eine Lösung >ŽĐŚƐĐŚĂŌŵŝƚ wollten. Warum aber sind positive ,ĂŶĚƐƉĂŶŶƵŶŐ Beispiele so selten? Es stellt sich so- mit die Frage: Wem könnte der Forst- ͻ ǀĞƌƐƚĞůůďĂƌĞƌ Jagd-Konflikt Vorteile bringen? ^ĐŚĂŌƌƺĐŬĞŶ Und: Welche Nachteile - und für wen ͻ ĂƵŇćŶŐĞϰϳĐŵ einen Wegfall dieses Konflikts entste- ŵŝƚ'ĞǁŝŶĚĞ hen? Im Grunde besteht ein kompli- ͻ DĂƵƐĞƌ ziertes Interessengeflecht, das über den meist allein diskutierten Aspekt ^ĐŚĂůůĚćŵƉĨĞƌ „untragbare Wildschäden – mehr ͻ DĂƵƐĞƌ,ĞdžĂͲ schießen“ deutlich hinausgeht. Bleibt >ŽĐŬͲDŽŶƚĂŐĞ also die Frage: Wollen alle Beteiligten mehr Klarheit über die Hintergründe schaffen? Wenn Jäger und Waldbesitzer an einem Strang ziehen, funktioniert der Forst-Jagd-Dialog stärken Waldumbau auch mit Wild. Foto: Inge Knol/stock.adobe.com Angesichts der skizzierten Zusam- • Paket 1 menhänge wird sich am grundsätz- njƵŵĞƵĐŚƚĂďƐĞŚĞŶϲϬ Wildschäden – objektiv gesehen – Jagd-Dialog“ eine gute Plattform, sich abnehmen als dass der Forst-Jagd- verstärkt um eine kritische Wirkungs- Konflikt abnimmt. analyse der Hintergrundfaktoren zu Wenn Wildschäden abnehmen kann bemühen, möglichst frei von vorge- • Paket 2 als Reaktion die Schadenssensibilität fassten Meinungen. ♦ zum ĞƵĐŚƚĂďƐĞŚĞŶϲϬ ist Honorarprofessor an der Universität für Bo- denkultur Wien. Seine aktuellen Arbeitssch- werpunkte sind unter anderem „Forstliche Ein- flüsse auf Wildtierhabitate und deren Wild- WĂŬĞƚĞŽŚŶĞ^ĐŚĂůůĚćŵƉĨĞƌ schadensanfälligkeit“. Mehr dazu lesen Sie hier: ĂƵĨŶĨƌĂŐĞ͘ http://wildlife.reimoser.info/ Literaturhinweis: Reimoser, F., 2018: Wildschadensproblem und Forst-Jagd-Konflikt im Alpenraum – Hintergründe, Entwicklungen, Perspektiven. In: Lintzmeyer, K. (ed.) Jahrbuch des Vereins zum Schutz der Bergwelt e.V., München, 83. Jahrgang, S. 61-116; ISSN 0171-4694
JAGDPOLITIK umbau Strategien zum Wald Hintergrund: photoschmidt/stock.adobe.com 16 JAGD in Bayern 4-2022
JAGDPOLITIK umbau Strategien zum Wald Geheimer Plan von der Demontage der Jagd Jeder aufmerksame Betrachter hat bemerkt, dass Corona dazu geführt hat, dass die bayerischen Jäger von der Teilnahme an den Aufnahmen zum „Forstlichen Gutachten“ ausgeschlossen wurden und Hegeschauen abgesagt wurden. Zufall oder System? Wir haben recherchiert und sind in der Historie der bayerischen Forstpolitik einschlägig fündig geworden. 4-2022 JAGD in Bayern 17
„F lächenbrand in Bayern“, so lautete der Titel eines schonungslos enthüllenden Artikels, erschienen im Februar 2010 in der Jagdzeitschrift Wild & Hund, sorgfältig wirft, findet Hornungs damalige Vorwürfe schon auf den ersten Seiten bestätigt. Die angeblich verfilzte Struktur der Jagd, die behauptete Spezl- und Amigowirtschaft mit der recherchiert und treffend bissig geschrieben von Chef- Politik und die vermeintlich uneinsichtigen Jäger werden redakteur Heiko Hornung. Ihm war ein Strategiepapier zu- gleich zu Anfang als die größten Hindernisse für den Wald- gespielt worden, das minutiös die Vorgehensweise zur Dis- umbau deklariert, die intakte Beziehung zwischen Forstzu- kreditierung der bayerischen Jäger zur Schaffung eines sammenschlüssen und Jägerinnen und Jägern als „Bezie- neuen Bildes der Jagd, das des „guten“ Jägers und einer hung mit 90 Prozent Harmoniesoße“ verspottet. neuen Generation von Förstern als „Heilsbringer“ für den Im Weiteren wird schnell klar, dass die Zerstörung die- Waldumbau darlegt. Hornung spricht von einem „gehei- ser Harmonie, der guten Beziehung zwischen zwei damals men Plan“, nach dem alle Aktionen zum Thema Waldum- weitestgehend zufriedenen Partnern zentraler Teil des bau ablaufen. Eine Gruppe von Ministerialen und Beamten Plans ist. Gebetsmühlenartig propagierte Projektziele sind im Landwirtschaftsministerium habe auf allen Ebenen der die Etablierung des Försters mittels Imagekampagnen als herkömmlichen Jagd den Krieg erklärt. Ziel sei es, das tradi- „Heilsbringer für den Waldumbau“ und die Wahrnehmung tionelle Bild der Jagd, wie es der Bayerischen Jagdverband „Was ist gute Jagd“ in Richtung „Eine Dienstleistung für den e. V. (BJV) repräsentiere, zu demontieren und zu zerstören. gesunden Wald“ zu verschieben. „Es braucht starke Partner Dieser Skandal erschütterte Bayerns Jägerschaft - ein Be- und einen starken medialen Rückenwind, der den Referenz- raterplan, der dem Ministerium eine unerbittliche Metho- rahmen „was gute Jagd ist“ verschiebt und einem „neuen“ dik zur effizienten Umsetzung von „Wald vor Wild“ empfahl. Typus des Jägers soziale Anerkennung zollt,“ heißt es hierzu. Staatsminister Brunner erklärte ihn eilends und vermeint- lich entrüstet für gegenstandslos. Doch wurde er das wirk- lich? Es ist an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Hegejagd veraltet, überkommen und muffig Ehrliche Distanzierung oder nur Lippenbekenntnisse? Es wird vorgeschlagen, „die zu erwartenden Spannungen (Generationswechsel, neue Milieus) im BJV produktiv zu nutzen, um die Vorstellung von „Jagd als Dienstleistung“ Der Bayerische Staatsminister Helmut Brunner distanzierte als attraktive Alternative zu positionieren. Gleichermaßen sich in einem Schreiben an die Kreisgruppen des BJV vom ist es vorstellbar, die klassische „trophäenfixierte Hegejagd“ 12. März 2010 von dem Papier. Er sei erst einige Tage zuvor als veraltet, überkommen und muffig zu positionieren. über den Abschlussbericht informiert worden, da er noch Im gleichen Atemzug wird empfohlen, den Ökologischen vor seiner Amtszeit erstellt worden sei. „Von den darin ge- Jagdverband Bayern dem Bayerischen Jagdverband öf- troffenen, völlig überzogenen Formulierungen zur Jagd fentlich gleich zu stellen, und jeweils immer beide Spitzen und zum Bayerischen Jagdverband distanziere ich mich zu öffentlichen Anlässen einzuladen und zu würdigen, und in aller Deutlichkeit,“ so Brunner, und weiter: „Darüber hin- die Diskussion zum Thema Jagd zwischen beiden Verbän- aus habe ich das Arbeitspapier gestern offiziell für gegen- den zu befördern. Bei einem Verband mit gerade einmal standslos erklärt. Wegen der unberechtigten pauschalen 1000 Mitgliedern bedeutet dies die Gleichstellung einer Art Vorwürfe gegen die Jägerschaft wird dieses Papier keinerlei „radikaler Splitterpartei“ auf Rat einer staatlich bestellten jagdpolitische Bedeutung entfalten.“ Projektgruppe. Das Strategiepapier, minutiös ausgearbeitet von dieser Gruppe bestehend aus forstlichen Praktikern im Revier- und im Leitungsdienst an den Landesforsten und der Lan- Beziehung mit 90 Prozent Harmoniesoße, desanstalt für Wald und Forstwirtschaft sowie aus Mitar- Spezl- & Amigowirtschaft beiterinnen des Landwirtschaftsministeriums hatte klare Ziele: Die Grundbesitzer gegen die Jäger aufzuhetzen, be- stehende, vertrauensvolle Beziehungen zwischen Jägern, Wer einen Blick in den Abschlussbericht der Projektgrup- Forstverbänden und Landratsämtern zu zerschlagen und pe Waldumbau – Klimawandel, nach der gleichnamigen die traditionelle Jagd und den BJV vor aller Augen zu de- Unternehmensberatung auch Theßenvitz-Papier genannt, montieren. 18 JAGD in Bayern 4-2022
JAGDPOLITIK umbau Strategien zum Wald Geheime Hetze gegen Jäger setzen (größere Spielräume), mehr externe Beratung und auf Steuerzahlers Kosten Unterstützung ermöglichen. Ebenso solle eine Supervision für Mitarbeiter durch Revierleiter und Berater der forstli- chen Zusammenschlüsse eingeführt werden. Und dass die- Aber was hatte die Jagd zu befürchten? Von einem gegen- ses Konzept ebenso für die Exekutivorgane der Abschuss- standslos erklärten Papier, das die Jagdpolitik in keiner planung, die unteren Jagdbehörden umzusetzen sei, war Weise beeinflussen wird? Beim Blick auf den jagdlichen sich die Projektgruppe einig. Doch die Forderung, die Unte- und vor allem forstlichen Zeitgeist scheint es jedoch, dass ren Jagdbehörden weg von den Landratsämtern hin zu den allein in der Zeit vor Brunners Erklärung die Saat dieses Ge- ÄLF zu verlegen, damit die Abschussplanung getreu dem dankengutes auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Heute, im Leitsatz „Wald vor Wild“ konsequent durchgesetzt werden Jahre 2022, drängt sich der Gedanke auf, als wäre genau könne, war nicht umgesetzt worden. diese Strategie doch irgendwie zur Umsetzung gekommen. Da der Plan dann natürlich nicht aufgegangen war, drängt Lassen Sie uns einige konkrete Projekte genauer unter die sich Bild auf, dass in der Folge offensichtlich ein anderer Lupe nehmen und machen Sie sich selbst ein Bild. Ansatz zum Zug kam: Die gute Beziehung zwischen Jägern und Unteren Jagdbehörden zu zerschlagen, indem der bra- ve Jäger fortan als schlecht, der angeblich ökologische Jäger 1. Planstellen umbesetzen aber als Held des Waldumbaus und der Förster als heils- Dass Strategien nur umgesetzt werden können, wenn die bringender, einzig wissender Fachberater stilisiert wird. In Schlüsselpositionen mit motivierten Befürwortern besetzt dem eingeschränkten Handlungsrahmen in Bezug auf die sind, ist hinlänglich bekannt. Auch für die Projektgrup- UJB ein möglicherweise fruchtbares Konzept. Der bisher an- pe stellte sich die vermeintliche Fehlbesetzung innerhalb erkannte und geschätzte Partner, der traditionelle, waid- der bestehenden Strukturen als Problem dar. Anstehende gerechte Jäger, wird dort plötzlich argwöhnisch betrachtet, Aufgaben und Projekte sind nur leistbar, wenn die Bereit- fachlicher Rat in Sachen Jagd von Seiten der guten ökologi- schaft besteht, für die Umsetzung im Aufgabenportfolio schen Jäger und der Forstpartie nun lieber angenommen als neue Prioritäten zu setzen. Dazu empfahl die Projektgrup- der des wildzüchtenden Buhmannes. Durch die Entbürokra- pe Arbeitsplatzanalysen und die Überprüfung möglicher tisierung und dem Einräumen größerer Spielräume ist der Personalumverteilungen im Staatsministerium für Land- Genehmigung von bisher schwierig umzusetzenden Maß- wirtschaft und Forsten. nahmen plötzlich Tür und Tor geöffnet. Dass diese Strategie Bereits im Jahr 2005 hatte die Reform der Bayerischen tatsächlich so weiterverfolgt wurde, darüber kann sich jeder Staatsforstverwaltung mit der Aufteilung in einen reinen mit unverblendetem Blick ein eigenes Bild machen. Fakt ist, Verwaltungszweig und in einen Forstbetrieb schon Aus- dass die Hürden für Schonzeitaufhebungen oder gar ande- wirkungen auf die Landesanstalt für Forstwirtschaft (LWF) re, früher undenkbarer Maßnahmen wie die Nachtjagd auf gehabt. Das „Forschungsschiff“ der Forstverwaltung wurde wiederkäuendes Schalenwild oder Saufänge, heute lächer- „hochseetauglich im Hinblick auf die Flutwelle der Reform lich gering sind und von den Mitarbeitern der UJB nur allzu gemacht“ und noch stärker auf die Bedürfnisse der privaten gerne genommen werden. Ganz zu schweigen von der Frei- und kommunalen Waldbesitzer ausgerichtet. gabe von „Schadhirschen“ im Bast oder gar dem Abschuss Die so entstandene Abteilung zeigt heute eine auffällig von Steinböcken aufgrund von Verbiss in Sanierungsflächen. häufige Besetzung mit Fachkräften der forstlichen Hoch- schulen Weihenstephan und Triesdorf, zwei Instituten, die selbst in Forstkreisen öfter mal als „radikal“ betitelt werden. 3. Millionenschweres Medienpaket Die Öffentlichkeitsarbeit zur Verfestigung der neuen Posi- tionierung der Jagd war einer der wichtigsten Eckpfeiler der 2. Strategien für ÄLF und Untere Jagdbehörden Strategie. „Es muss uns gelingen, mittelfristig - in drei bis Klar wird betont, dass sowohl Rahmen als auch Wahrneh- fünf Jahren – das Bild des/der Förster/in in der Öffentlich- mung der Ämter für Landwirtschaft und Forsten verscho- keit zu schärfen und zu klären. Die Öffentlichkeit weiß zu ben werden müssen. Die ÄLF sollen als Dienstleister für die wenig bzw. das Falsche über die Aufgaben der Förster/in- forstlichen Zusammenschlüsse Waldbesitzer/innen posi- nen, schlimmstenfalls werden diese mit Jäger/innen ver- tioniert werden. Die oben genannten Konzepte zur Um- wechselt. Das verhindert eine eindeutige Kompetenzzu- besetzung sollten auch hier Anwendung finden. Die Emp- schreibung der Förster/innen in Sachen Waldkompetenz. fehlungen lauteten wie folgt: Besetzung der Planstellen, Erst wenn diese geklärt ist, kann die medienwirksame Deu- Anheben der Fördersätze (erleichtert die Argumentation, tungsmacht der ,klassischen Jäger/innen‘ gebrochen bzw. erhöht den Anreiz), Richtlinien durchgängig mit „i.d.R.“ er- ersetzt werden,“ hieß es dazu wörtlich (inklusive gendern) 4-2022 JAGD in Bayern 19
JAGDPOLITIK umbau Strategien zum Wald im Theßenvitz-Papier. Und weiter: „Es geht um den „media- mit dem gleichen Zweck als Waldumbauschau vorstellen, len Humus“ den wir ausbringen, auf dem neue Sichtweisen das heißt als Plattform, auf der der gute Jäger mit stolz entstehen und neue Handlungsoptionen gesellschaftlich geschwellter Brust neben seiner vorbildliche Strecke, bei akzeptiert werden. Die Benchmark: Das Rauchverbot be- der Masse statt Klasse das neue Mantra ist, die Huldigungen gann mit einer Neudefinition des Rauchens: Vom hedonis- der Waldbesitzer entgegen nehmen kann. tischen Genießer zum suchtkranken Egoisten. Das Gleiche Fakt ist, dass diese Einflussnahme über Multiplikatoren tat- machen wir bei den Themen „Gesunder Wald“ und „Zeitge- sächlich bereits seit dem Jahr 2008 umgesetzt wurde. Seit mäße Jagd“. dem Jahr 2008 wurden an den 32 bayerischen Ämtern für In wie weit Teile des millionenschweren Medienpakets um- Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an 47 Standorten gesetzt wurden, ist heute natürlich nicht mehr nachzuvoll- drei sogenannte „Klinkenputzer“ aus den Reihen der Wald- ziehen. Empfunden wird es landauf landab tatsächlich so, besitzer pro Amt entgeltlich beschäftigt. Das bedeutet, als wäre die Öffentlichkeitsarbeit eindeutig auf diese Stra- staatlich finanzierte Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer tegie ausgerichtet. Fakt ist bei- unterstützten den Revierleiter bei der spielsweise, dass ein Vorschlag Akquise von anderen Waldbesitzerin- des Papiers einen Staatspreis nen und Waldbesitzern für ihre Ziele. „Rückenwind für die gute Jagd“ „Die Demontage des BJV. Kostenpunkt: knapp 750.000 Euro pro auszuloben tatsächlich Anwen- Fast wäre es geglückt!“ Jahr. Ob dies trotz Brunners Erklärung dung fand. Nicht als Staatspreis, Ernst Weidenbusch weiterhin Anwendung fand, entzieht das war nach der Brunnerschen sich unserer Kenntnis, jedoch ist ein- Ansage ja nicht mehr möglich. deutig ein Paradigmenwechsel auf Als Pendant jedoch wurde 2010 Seiten der Waldbesitzer zu beobach- der Wald-vor-Wild-Preis erstmals vom ÖJV vergeben. Ein ten, ebenso findet die Idee der Abschaffung der Hegeschau Zufall? Oder hat dankenswerterweise dieser Jagdverband in ihrer traditionellen Form immer wieder medialen Nie- eine Idee aus dem Papier doch umgesetzt nachdem es im derschlag. Auftrag der Regierung nicht mehr möglich war? Leitlinien mit klaren Positionen für angeblich gute Jagd sowie ökonomischen und ökologischen Hintergründen zu 5. Den BJV demontieren und den ÖJV gleichstellen entwickeln und zu kommunizieren, ist den ideellen Ver- Über die irrwitzige Idee, den ÖJV mit seiner Handvoll Mit- fechtern des Papiers ganz klar gelungen. Der ausgebrachte, gliedern dem BJV öffentlich gleichzustellen, müssen nicht mediale Humus bietet wertvollen Nährboden für die ein- allzu viele Worte verloren werden. Zu klar liegt auf der Hand, dimensionale Betrachtungsweise des Waldumbaus. Die dass Funktionäre gezielt in wichtige Kreise eingeschleust Maximalreduktion des Schalenwildes scheint die einzige wurden und über Gebühr zu Wort kommen. Auf die Ge- Möglichkeit, das Klima zu retten, so die bittere Wahrheit schehnisse in unserem Verband zurückblickend, muss zu- über die öffentliche Wahrnehmung. Fakt ist, dass die Pres- gestanden werden, dass auch hier Ansätze der Strategie searbeit in dieser Form mit traditionell und gemäßigt be- wohl Anwendung gefunden haben. Die Spannungen des setzten Planstellen in Behörden und Institutionen so nicht Generationswechsels im BJV sollten nicht nur produktiv, machbar gewesen wäre. Ansätze des damaligen BJV dem sondern offenkundig gezielt auch hier zur Gehirnwäsche entgegenzuwirken, konnten diesen Gang nicht aufhalten, genutzt werden. Scheinbar eingelullt und als willfähriger zu mächtig war offenbar die gegnerische Position. Partner vieler Interessensverbände zeigte der Bayerische Jagdverband oft keine klare Kante. Das Warum zu erörtern, wäre an dieser Stelle nicht zukunftsgerichtet. Doch fast 4. Waldbesitzer infiltrieren wäre es geglückt, den BJV zu demontieren. Die gestellte Aufgabe, den Referenzrahmen „Gesunde Jagd“ Die im Beitrag angedeuteten, möglicherweise zur Anwen- zu verschieben, sieht im Papier auch vor, dies über die ge- dung gekommenen Handlungsketten sind selbstverständ- zielte Beeinflussung der Waldbesitzer und forstlichen Zu- lich mindestens teilweise Spekulation. Doch laden wir Sie sammenschlüsse zu tun. Waldfreundliche Jagdgenossen ein, sich darüber mit kritischem Blick auf die Situation im sollen in Position gebracht werden, Überreden, Stützen Jahre 2022 eine Meinung zu bilden, ob der von Hornung und Stärken sind die Ansätze. Dazu sollen geeignete Mul- betitelte „geheime Plan“ nicht etwa doch als „streng gehei- tiplikatoren, zu Wort kommen und öffentlich vorbildliche mer Plan“ umgesetzt wurde? Und ebenso darüber, ob die Volksvertreter (Bürgermeister, Abgeordnete, Landräte) für für das Projekt veranschlagten 20 Millionen Euro Steuer- ihr vorbildliches Engagement vom Waldbesitzerverband gelder auf Umwegen doch zur Umsetzung der geplanten ausgezeichnet werden. Die Hegeschau könne man sich Strategie augewendet wurden. Robert Pollner ♦ 20 JAGD in Bayern 4-2022
Jahnke. Was sonst. Detaillierte Informationen zu dieser Aufnahme finden Sie unter www.nachtsichttechnik-jahnke.de/vergleich Nur Nachtsichtgeräte auf Restlichtverstärkerbasis liefern ein reales und kein errechnetes Bild. Entdecken Sie unsere Premium-Nachtsichtgeräte für die Jagd. Qualität, Leistung und Zuverlässigkeit ohne Kompromisse. Hergestellt in deutscher Handarbeit. Erfahren Sie jetzt mehr unter www.nachtsichttechnik-jahnke.de/was-sonst
Lügen, Schrot auf Rehe und andere Tabubrüche: Die JAGD in Bayern hat einen Autor interviewt, der sich ÖJV-Reviere genauer angeschaut und unter anderem ziemlich viel Verbissschutz entdeckt hat. Würden Sie hier schießen? Einige Vertreter des ÖJV nach Einschätzung Dr. Rudolf Neumaiers wohl schon. Foto: Martin/stock.adobe.com 22 JAGD in Bayern 4-2022
REVIERPRAXIS bau oh ne S chutzmaßnahmen Waldum Ein Ammenmärchen JAGD in Bayern: Herr Dr. Neumaier, wie viele Wälder haben Sie jetzt unter die Lupe genommen und was ist Ihre wich- tigste Erkenntnis? Dr. Rudolf Neumaier: Ich habe mir etwa 40 Wälder ange- schaut. Die für mich überraschendste, oder nennen wir sie skandalträchtigste Entdeckung war: Die Geschichte, dass der Waldumbau bei konsequenter Rehwildbejagung ohne Schutzmaßnahmen funktioniert, ist ein Ammenmärchen. Sie ist als Propaganda-Lüge Baustein einer Ideologie, die sich gegen das Rehwild, gegen eine anständige Bejagung nach den immer noch geltenden Richtlinien zur Bejagung von Schalenwild in Bayern und damit letztlich gegen die in Ihrem Verband organisierte Jagd richtet. „Das Lachen ist mir vergangen.“ Drahtmanschette im Revier Linden-Ost, Land- kreis Rottal-Inn. Fotos: Dr. Rudolf Neumaier Dr. Rudolf Neumaier JAGD: Ein heftiger Vorwurf. Können Sie das mit Beispielen belegen? Neumaier: Nehmen wir das Revier Kay. Der frühere Jagd- pächter soll es mit der Hege völlig übertrieben haben. Dann übernahmen die Jagdgenossen die Regie. Reviernachbarn berichten, dass Drückjagden auf Rehe veranstaltet wurden, bei denen die Schützen mit Bussen herangekarrt. Später luden die Kayer busweise Waldbauern ein und zeigten, wie gut ihr Wald wachse, und das ohne Schutzmaßnahmen. Zeitungen berichteten darüber. Ein hochrangiger Vertreter vom ÖJV, ein pensionierter Förster, hat mir davon vorge- schwärmt und erzählt, es gebe dort keine Wildunfälle mehr. Ein Anruf bei der Polizei ergab: Es sind immer noch Wild- unfälle zu verzeichnen. Dann bin ich selbst hingefahren. Ich sah eingezäunte Bäume, die sogar noch im Zaun Plastik- Verbissclips trugen, ich sah gepflanzte Boscherl mit Schaf- Zäune im ÖJV Revier. Im Rahmen ökologischer wolle, ich sah Naturaufkommen mit Plastik-Verbissclips. Jagdkonzepte jedoch gar nicht vorgesehen. 4-2022 JAGD in Bayern 23
jetzt wachsen der Wald, Eichen und Kiefern. Auf die Frage, wie er die Rehe schieße, wo doch kaum Jagdeinrichtungen zu sei- en, sagte er ganz freimütig: mit Schrot. JAGD: Dann war dieser Mann doch immerhin ehrlich. Neumaier: Naja. Tannen muss- Ganz offen bekennt sich ein Förster zum gesetzeswidrigen Schrotschuss auf Rehwild. te er trotzdem mit Schafwolle Foto: Luise/stock.adobe.com schützen, das haben wir eher zufällig entdeckt. Und eine Pflanzung mit standortfremden Bäumen hat er eingezäunt. Dass Und das in einem Revier, wo der Wald angeblich so hervor- mit Schrot auf Rehe geschossen wird, lässt vermuten, dass ragend zeigt, ob die Jagd stimmt. Da musste ich lachen. Aber da ethische Prinzipien verdrängt wurden. Als ich den Förs- das Lachen ist mir vergangen, als ich die Drückjagdböcke ter von der ANW auf dieses Tierschutzproblem ansprach, gesehen habe. In Lichtungsrichtung gab es keine Schuss- sagte er: „Warum? Ist doch Niederwild!“ auflagen. Die Schilderungen der Reviernachbarn stimmen wohl: Bei solchen Drückjagden ist freihändig auf ziehendes JAGD: Viele Förster und der ÖJV empfehlen Eigenbewirt- oder flüchtendes Rehwild geschossen geworden. schaftungen. Das spare Arbeit. Wie sehen Sie das nach Ihren Recherchen? JAGD: Es ist ein absolutes Tabu, Rehwild in Bewegung zu be- Neumaier: In Niederbayern war ich in Eigenbewirtschaf- schießen. Werden Tierschutz-Aspekte außer Acht gelassen? tungen, in denen ein ehemaliger Berufsjäger zugange ist. Neumaier: Tabus werden ab und an ignoriert. Mit Schrotmu- Der Mann tourt mit dem Märchen vom Waldumbau ohne nition auf Rehe zu schießen zum Beispiel. Ein hoher Vertre- Schutzmaßnahmen durch ganz Bayern, macht das Mantra ter der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft „Wald vor Wild“ zu einer Kampfansage und stellt die her- (ANW) wollte mir unbedingt den Stadtwald von Bamberg kömmlichen Jagdpächter als Trophäenfetischisten hin. Ich zeigen. Der Stadtförster begann mit dem alten Lied: Frü- habe solche Shows erlebt. „Schauen Sie, alles Naturauf- her sei viel zu wenig gejagt worden. Das war vielerorts tat- kommen“, hat er mir vorgeraunt. Solche Geschichten hören sächlich so. Dann habe er, so der Stadtförster, erst mal den Waldbauern gern. Und sie glauben sie auch so gern, dass Abschussplan ums Zwei- bis Dreifache überschossen. Und sie auf Pachteinnahmen verzichten und lieber noch was für Jagdkonzepte bezahlen würden. Dafür stellen sie dann so- gar auf eigene Kosten Drückjagdböcke in und vor den Wald. JAGD: Vor den Wald? Lautet nicht eines der Versprechen sol- cher Leute, dass sie vornehmlich im Wald jagen? Dr. Rudolf Neumaier Neumaier: So ließ sich jedenfalls auch der stellvertretende ÖJV-Vorsitzende Ulrich Haizinger im Bayerischen Fernse- Der frühere SZ-Redakteur be- hen zitieren. In seinem Revier habe ich auf etwa 400 Hektar schäftigt sich seit vier Jahren mit 35 Hochsitze vor dem Wald gezählt. Auch dort arbeitet man dem Thema Wald und Rehe. Im übrigens mit Plastik-Verbissclips. Zuge seiner Recherchen machte er den Jagdschein. Mit seinem JAGD: Wie funktioniert diese „Jagdbewirtschaftung“ dann Enthüllungsbericht „Rehe – Zum waldbaulich? Abschuss freigegeben“ gewann Neumaier: Wohl kaum besser als mit einem Jagdpächter, er 2021 den DJV Journalistenpreis der anständig mit dem Wild und trotzdem verantwor- in der Kategorie „Wildtier und Umwelt“. Derzeit schreibt er tungsvoll mit den Flächen der Jagdgenossen umgeht. Ich ein Buch über Rehe. dachte mir bei dem ehemaligen Berufsjäger: Was für ein Märchenonkel! Ich bin dann nochmal hingefahren. Mit ei- 24 JAGD in Bayern 4-2022
REVIERPRAXIS bau oh ne S chutzmaßnahmen Waldum nem Förster. Wir sind ein bisschen tiefer in den Wald ge- gangen. Wir entdeckten junge Tannen mit Verbissclips, und zusätzlich waren sie noch bestrichen. Dann haben wir an den Pflänzchen gezogen und festgestellt: Sie waren ge- pflanzt. Von wegen Naturaufkommen. Vor kurzem bin ich erst wieder durch eine andere Eigenbewirtschaftung spa- ziert: Auf eineinhalb Kilometern an einem Wirtschaftsweg entlang mindestens acht Pflanzungen mit Zäunen, in ei- nem anderen Revierteil ebenfalls ein Zaun. JAGD: Sowas zeigt man den Waldbauern wahrscheinlich nicht, wenn man Werbung gegen Rehe macht. Was kann man gegen solche Auswüchse tun? Neumaier: Jäger haben Respektlosigkeiten gegenüber dem Wild geschehen lassen. Jetzt sind welche aus betrof- fenen Gebieten an mich herangetreten. Ihre grauenvollen Geschichten von den Drückjagden in diesen Revieren las- sen sich schwer verifizieren, aber auch da werden mit der Zeit unerfreuliche Wahrheiten ans Tageslicht kommen. Erst mal kann man auf jeden Fall solche Lügen sammeln und bloßstellen. Es gibt Fotos von einer Douglasien-Kultur, Clips und Verbissschutzmittel auf einer angeblichen Natur- die vor kurzem mit dem Staatspreis ausgezeichnet wur- verjüngung in Lohbruck. Es war eindeutig zu erkennen, dass de. Auch dort wurde lauthals verkündet, es sei alles ohne hier gepflanzt worden war. Foto: Dr. Rudolf Neumaier Schutz und allein mit einer Anpassung des Rehwildbestan- des vonstattengegangen. Aber es war gezäunt und teil- weise angestrichen. Nach einem programmatischen Wald- vor-Wild-Seminar fand in der Nähe eine Begehung von clips. Nicht nur auf Tannen, sogar auf Fichten! Es geht halt Waldbauern und Förstern statt. Die natürlich gewachsenen oft nicht anders. Wenn man den Bäumchen Licht verschaf- jungen Nadelbäume waren nicht geschützt. Wenn Sie da fen würde, wären sie schon aus dem Äser. heute hinfahren, sehen Sie an der gleichen Stelle Plastik- Interview: Isabel Koch ♦ Anzeige Sicherheit zu En d e ge d a c h t Die Revolution in der Waffentechnik Verkauf nur an Erwerbsberechtigte Weltneuheit aus dem Hause Jakele Entdecken Sie alle Neuerungen auf www.jakele-j1.com Jakele Jagd + Natur GmbH & Co. KG Am Werkhaus 8 87480 Weitnau-Hofen T. +49 (0) 8375 2060 200 info@jakele.de www.jakele.de Jakele-Anzeige_J1_JiBayern_184x79mm_2022-02_V1_PSO-LWC improovish.indd 1 03.02.2022 14:47:14 4-2022 JAGD in Bayern 25
Sie können auch lesen