JAGD in Bayern - Bayerischer Jagdverband eV

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JAGD in Bayern - Bayerischer Jagdverband eV
April 4 | 2022   B1795E

JAGD
   in Bayern
JAGD in Bayern - Bayerischer Jagdverband eV
NEU

                                                                                                              MADE BY BLASER.
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                                                                                                                                                GENIAL.
                                                                                                                                                EINFACH.
                                                                                                              ALLES DRAN. ALLES DRIN.

                                                                                                              FÜR DIE JAGD BEI TAG UND NACHT.
                                                                                                              DIE NEUEN BLASER ZIELFERNROHRE

Abgabe von Waffen und Munition nur an Inhaber einer Erwerbserlaubnis. Beachten Sie die rechtlichen
Erwerbs- und Nutzungsbedingungen für Wärmebildoptiken in Ihrem Land.                                 © 2022
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                                                                                                                         Angesprochen

                  Liebe Waidkameradinnen
                      und Waidkameraden,

am kommenden Wochenende werden die Vertreterin-
nen und Vertreter der BJV-Kreisgruppen in Augsburg zum
Landesjägertag zusammenkommen, um Bilanz zu ziehen
über die vergangenen 16 Monate und um ein Präsidium zu
wählen für die nächsten vier Jahre. Während ich diese Zei-
len schreibe, sind wir jedenfalls voller Hoffnung, zum ersten
Mal seit drei Jahren wieder alle zusammen ordentlich tagen
zu dürfen, einschließlich Jägerabend, Hubertusmesse und
Festabend.
                                                               dringend erforderliche Evaluierung in der Diskussion mit
Diese Landesversammlung wird die Aufgabe haben, den            Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU)
Bayerischen Jagdverband so aufzustellen, dass er in der        voranzutreiben. Und auch mit den zuständigen Ministern
Lage ist, mit unseren Partnern aufseiten der Grundeigen-       in der neuen Bundesregierung, Nancy Feser (SPD) und Cem
tümer und aufseiten der anerkannten Naturschutzverbän-         Özdemir (GRÜNE), müssen im Hinblick auf Jagdrecht und
de auf Augenhöhe zu verhandeln und zu handeln, sowohl          Waffenrecht ebenso Gespräche geführt werden wie mit
fachlich als auch intellektuell. Die Personal-Fluktuation in   Christian Lindner oder Karl-Heinz Busen von der regie-
der Geschäftsstelle konnte bereits dazu genutzt werden,        rungsbeteiligten FDP.
bestehende Defizite in den Bereichen Wildbiologie und Di-
gitalisierung zu beseitigen und eine kaufmännische Steu-       Und unsere Daueraufgabe, die bayerischen Jäger wieder als
erung zu installieren.                                         die Experten für Natur inmitten unserer Gesellschaft zu po-
                                                               sitionieren, dürfen wir über alledem nicht vergessen. Denn
Die „BJV Schießstand App“ und die „BJV WildExperte App“        es gibt mächtige Widersacher, die genau das verhindern
sind bereits in Anwendung, zur Landesversammlung wird          möchten! Lesen Sie dazu auch den Bericht zum Theßenvitz-
es eine App geben, mit der Bayerns Jäger auch Reviere und      Papier ab Seite 16 in dieser Ausgabe.
Reviereinrichtungen darstellen, ihre Erlegungen erfassen
und ihre Streckenlisten bearbeiten und an die UJB über-        Beste Grüße & ein kräftiges Waidmannsheil
mitteln können. Unsere Öffentlichkeitsarbeit wird wieder
wahrgenommen, Aktionen wie „Besucherlenkung“ oder              Ihr
„Hilfe für die Gams" findet europaweit Unterstützung. Fehl-
entwicklungen des Jagdrechts und des Waffenrechts konn-
ten wir verhindern, die „JAGD in Bayern“ wurde zu einem
echten Jagdmagazin umgestaltet.

Darüber hinaus werden die Ergebnisse der Sonderauswer-
tungen zum „Forstlichen Gutachten“ uns fordern, dessen         Ernst Weidenbusch, Präsident des Bayerischen Jagdverbandes e. V.

                                 Der Bayerische Jagdverband – anerkannter Naturschutzverband

                                                                                                                           4-2022   JAGD
                                                                                                                                       in Bayern
                                                                                                                                                   3
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22

     Revierpraxis
     Was ist los mit „unserem Wald“? | 8                Schutz für Wald und Wild | 26

                                                                                                       Fotos: S.8 K.I.Photography/stock.adobe.com, S. 22 Martin/stock.adobe.com, S. 36 Menno Schaefer/stock.adobe.com
     Die Entwicklung naturnaher Bestände braucht Zeit   Projektvorschlag für „Schule fürs Leben“

     Der Forst-Wald-Konflikt | 12                        Rehkitzrettung per Drohne | 40
     „Forst-Jagd“ ist nicht „Wald-Wild“                 Rechtliche Rahmenbedingungen

     Das Theßenvitz-Papier | 16                         Kurzwaffen für die Jagd | 44
     Eine Bilanz                                        Vor- und Nachteile unterschiedlicher Systeme

     Ein Ammenmärchen | 22                              Klick für Klick zur Präzision | 48
     Waldumbau ohne Schutzmaßnahmen                     Anschießen im Revier
                                                                                                                                                                                                                        S.48 W. Baumgartner; Titel: grizzlybaerin/stock.adobe.com

                                                        Naturschutz
                                                        Jagd blüht | 50
                                                        Wir bringen Bayern zum Blühen!

        48                                              Schmetterlinge im eigenen Garten | 52
                                                        Insektenlebensraum schaffen

4    JAGD
        in Bayern
                    4-2022
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                                                                                            Inhalt

                                              Landwirtschaft
                                              Hasenapotheke | 34
                                              Eine Wildackermischung näher betrachtet

                                              Eine ökologische Falle | 38
                                              Gefährlicher Lebensraum Grünroggen

                                              Rubriken
                                          8   Angesprochen | 3

                                              JAGD aktuell | 6

Jagdkultur                                    BJV Intern | Heftmitte

Verkehrte Welt am Hasenhaus | 30              BJV-Frischlinge | 56
Satire und Karikatur in Wien
                                              Firmennews und Kleinanzeigen | 58

                                              Impressum | 62
Wildbret
                                              Jagdkolumne | 66
Rezepte zum Sammeln | 53
Confierte Graugans

Gut gerupft | 55
Expertentipp zum Gänserupfen

Wildbiologie
Passion und Wissen sind gefragt | 36
Hilfe für Hühnervögel

Die Menge macht das Gift | 42
Botulismus: Warum ist er so gefährlich?
                                                36
                                                                                   4-2022   JAGD
                                                                                               in Bayern
                                                                                                           5
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                                                                                     Schilder zur
                                                                                     Besucherlenkung
                                                                                     Revierinhaber aufgepasst: Unsere Aktion „Schütze
                                                                                     uns und unseren Lebensraum“ geht in die nächste
                                                                                     Runde! Bayerische Revierinhaber haben auch dieses
                                                                                    Jahr wieder die Möglichkeit, unsere Schilder zur Be-
                                                                                    sucherlenkung gratis zu bestellen. Im Rahmen der
                                                                                   Aktion können Revierinhaber die 70x90 cm großen
                                                                                   Schilder zur Besucherlenkung ordern und zwar jähr-
                                                                                   lich ein Schild pro angefangene 500 Hektar Revier-
                                                                                  größe. Die Maßnahme ist gefördert aus Mitteln der
                                                                                  Jagdabgabe, den Eigenanteil von zehn Prozent über-
                                                                                 nimmt der BJV für Sie. Machen Sie mit und helfen Sie,
                                                                                 unsere Bevölkerung für die Anliegen unseres Wildes
                                                                                 zu sensibilisieren!                                   IK

                                                              Weitere Informationen und das Bestellformular für
                                                              Ihre Besucherlenkungsschilder finden Sie hier.

    Illegale Tötung des Starnberger Gänsegeiers –
    BJV schließt sich Strafanzeige des LBV und der GLUS an.
    Nun herrscht Gewissheit im Fall des am 18. Januar in Starn-
    berg von einem Jäger geborgenen, verendeten Gänse-
    geiers: Er ist illegal durch Einwirkung einer Schusswaffe zu
    Tode gekommen. Im Körper des Vogels wurde ein Geschoss
    gefunden. Der Bayerische Jagdverband e. V. verurteilt die
    illegale Tötung von Greifvögeln aufs Schärfste. „In dieser
    Angelegenheit hat der BJV eine Null-Toleranz-Politik,“ so
    Präsident Ernst Weidenbusch „deshalb werden wir uns im
    ausdrücklichen Einvernehmen mit dem Vorsitzenden der
    Kreisgruppe Starnberg, Hartwig Görtler, der Strafanzeige
    gegen Unbekannt des LBV und der GLUS anschließen.“
    Das Beschießen von Greifvögeln stellt eine Straftat dar. „Wir
    hoffen, dass die zuständigen Ermittlungsbehörden in der
                                         Lage, sind den Verant-            In der Region Starnberg kam ein Gänsegeier illegal durch ein
                                         wortlichen zur Rechen-            Geschoss zu Tode.                Foto: Gunther Zieger_LBV Bildarchiv
                                         schaft zu ziehen,“ so
                                         Weidenbusch weiter. „Ob
                                         Jagdscheininhaber oder
                                         nicht, derjenige, der dies        ein Krimineller!“ Der BJV als anerkannter Naturschutzver-
                                         vorsätzlich getan hat, ist        band setzt sich vehement dafür ein, dass ein solcher Ver-
                                                                           stoß gegen das Naturschutzgesetz streng geahndet wird.
                                                                           Das betreffende Geschoss stamme aus der Waffe eines
                                                                           Straftäters, erklärt Weidenbusch weiter, mit diesem wurde
                                         Deutlich erkennbar:               – ob bleifrei oder nicht – die Tötungsabsicht des Schützen
                                         ein Geschoss.                     erfolgreich vollzogen. Die Bayerische Jägerschaft verzichtet
                                         Foto: Röntgenbild-Klinik für      vielerorts auch ohne entsprechende Gesetzesvorlage be-
                                         Wiederkäuer, LMU München          reits freiwillig auf bleihaltige Munition.            PM/BJV

6   JAGD
       in Bayern
                   4-2022
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 Bleiverbot – jeder vierte Jäger wird laut FACE die Jagd aufgeben
 Wenn das Verbot der Verwendung von Bleimunition Reali-
 tät wird, werden geschätzt 25 Prozent der Jäger die Jagd
 ganz aufgeben und mindestens 30 Prozent weniger häu-
 fig jagen. Dies ergab sich aus einer europaweiten Umfrage
 von FACE (Vereinigung der europäischene Jagdverbände)
 zu den Auswirkungen eines Bleiverbots unter einer reprä-
 sentativen Stichprobe von Jägern im europäischen Wirt-
 schaftsraum mit über 18.000 Antworten.
 Der Umfrage zufolge sind 34 Prozent der Schusswaffen
 nicht mit bleifreier Munition kompatibel. Die einmaligen
 Kosten für den Ersatz dieser Schusswaffen könnten sich auf
 bis zu 14,5 Milliarden Euro belaufen, und das ist eine vor-
 sichtige Schätzung. Darüber hinaus schätzt die Europäische
 Chemikalienagentur ECHA selbst, dass das durchschnittli-
 che jährliche Jagdbudget eines Jägers 3.000 Euro beträgt,
 sodass sich der wirtschaftliche Verlust für die EU aufgrund
 der Einstellung und Verringerung der Jagdaktivitäten auf      Die Umsetzung des Bleiverbots wird laut einer Umfrage weit-
 mindestens 5,7 Milliarden Euro belaufen würde.                reichende Folgen haben.          Foto: zorandim75/stock.adobe.com
 Der Umfrage zufolge sind nur 30 Prozent der Jäger in der
 Lage, die potenzielle Beschränkung ohne weiteres in der
 vorgegebenen Zeit zu erfüllen. Die aus der Umfrage her-
 vorgegangenen Daten machen erneut klar, dass das vor-         effektive Ergebnisse zu erzielen und die negativen Aus-
 geschlagene Verbot von Bleimunition angesichts des Zeit-      wirkungen der Beschränkung zu minimieren. Das Verbot
 plans und des Umfangs des aktuellen Vorschlags erhebliche     von Bleischrot in Feuchtgebieten ist bereits in Kraft, bis
 sozioökonomische Auswirkungen auf die Jägerschaft ha-         15. Februar 2023 müssen EU Mitgliedsstaaten dies umge-
 ben wird. In den Bereichen Sportschießen, Jagd, Sammeln       setzt haben. Machen Feuchtgebiete mehr als 20 Prozent
 von Feuerwaffen, Handel und Industrie sind in Europa mehr      der Landesfläche aus, kann dort bereits ab 15. Februar 2024
 als 600.000 Menschen beschäftigt, der Jahresumsatz be-        ein Bleiverbot verhängt werden. Für Büchsenmunition sind
 läuft sich auf rund 40 Milliarden Euro.                       die Fristen gestaffelt, für Kaliber unter 5,6mm gelten fünf
 Längere Fristen und eine breitere Zusammenarbeit mit          Jahre als Übergangsfrist, für größere Kaliber jedoch nur 18
 allen Beteiligten - in erster Linie mit Jägern und Herstel-   Monate. Nach Plan der ECHA sollen die genannten Fristen
 lern von Referenzmunition - sind notwendig, um wirklich       bereits 2023 anlaufen.                      www.euractive.com/ IK

                                                                                                                           Anzeige

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JAGD in Bayern - Bayerischer Jagdverband eV
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                                              ich
                            Bäumchen wechsel D

    Was ist los mit
                                           „unserem“ Wald?
                                                             Foto: K I Photography/stock.adobe.com

8   JAGD
       in Bayern
                   4-2022
JAGD in Bayern - Bayerischer Jagdverband eV
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                                                                                                                 ich
                                                                                               Bäumchen wechsel D

               Bei der Erforschung der Wälder nimmt Deutschland im europäischen
                    Vergleich eine Spitzenposition ein. Die Entwicklung naturnaher
                            Bestände braucht Zeit. Panikmache ist nicht zielführend.

A    nhand des Forstlichen Gutachtens wird der Versuch
     unternommen, den Waldbesitzern, Forstverwaltungen
und der Jägerschaft einen Eindruck über die Zukunftsfä-
higkeit des Waldes zu vermitteln. Doch nur wenige wissen,
wie es um den Wald über die eigene Reviergrenze hinaus
bestellt ist. Damit fehlt vielen ein wichtiger Baustein zur
Einschätzung des Waldzustands vor Ort. Mit diesem Arti-
kel soll eine grobe Einordnung ermöglicht und der Zustand
des Waldes in Bayern, Deutschland und Europa dargestellt
werden.
Dass wir in Deutschland ein besonderes Verhältnis zum
Wald haben, drückt sich nicht nur in den Texten deutscher
Dichter aus, sondern kann auch daran abgelesen werden,
dass wir im europäischen Vergleich bei der Erforschung der
Wälder mit Abstand die Spitzenposition einnehmen.

Nadel- oder Blattverlust

Die Vitalität eines Baumes wird anhand des Nadel- bzw.
Blattverlustprozents gemessen. Dieser Wert ergibt sich
aus der Abweichung der tatsächlich betrachteten zu einer
komplett belaubten Baumkrone. Im Fachjargon wird von
der Kronenverlichtung gesprochen, die zur besseren Dar-        Die Kronenverdichtung gibt Auskunft über die Vitalität der
stellung in fünf Klassen unterteilt wird (siehe Tabelle 1).    Bäume.                            Foto: ThomBal/stock.adobe.com
Im Vergleich zu unseren Nachbarländern befindet sich der
deutsche Wald mit 37,5 Prozent in den Klassen 2 bis 4 im-
merhin im Mittelfeld - zusammen mit Belgien (33,9 Pro-
zent). Tschechien, Frankreich und Luxemburg haben mit
56,7 Prozent, 57,4 Prozent und 54 Prozent deutlich höhere      Nach dem „Technical Report of ICP Forest 2021“ ergibt sich
Anteile der Klassen 2 bis 4, die Schweiz und Polen dafür mit   für viele Länder ein mehr oder weniger stark ausgeprägter
26,4 Prozent und 19,4 Prozent entsprechend weniger.            Abwärtstrend in den letzten zehn bis 20 Jahren hin zu im-
                                                               mer stärker verlichtenden Wäldern. Auch wird in dieser Stu-
                                                               die darauf eingegangen, zu welchem Anteil die verschiede-
                                                               nen Baumbestandteile von Schäden betroffen waren. Die mit
  Tabelle 1: Einteilung der Kronenverlichtung in fünf ver-
                                                               Abstand meisten Schadsymptome wurden an den Blättern
  schiedene Klassen anhand des Nadel- bzw. Blattverlustes.
                                                               festgestellt (29 Prozent). Darauf folgen Stammschäden zwi-
  Klassen Nadel-/Blattverlust Kronenverlichtung                schen Wurzelansatz und Krone (14 Prozent).
        0   Bis 10 %              Keine
        1   > 10 - 25 %           Leichte (Vorwarnstufe)
        2   > 25 - 60 %           Mittlere                     Die Schadensverursacher
        3   > 60 - < 100 %        Starke
        4   100 %                 Tot (nur stehendes           Schaden an Leittrieben und Knospen machten zusammen
                                  Totholz)                     nur knapp 1,5 Prozent aus. Im Hinblick auf die Schadens-
                                                               verursacher stehen Insekten und abiotische Faktoren wie

                                                                                                              4-2022   JAGD
                                                                                                                          in Bayern
                                                                                                                                      9
JAGD in Bayern - Bayerischer Jagdverband eV
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                                               ich
                             Bäumchen wechsel D

                                                                                        Der Waldumbau ist aufgrund der
                                                                                        klimatischen Veränderungen
                                                                                        wichtig; allerdings geht er nur so
                                                                                        schnell, wie ein Baum wächst.
                                                                                        Foto: K I Photography/stock.adobe.com

                                                                                            lust seit 2013, sank jedoch zuletzt im
                                                                                            Jahr 2020 etwas.
                                                                                            Betrachtet man die Absterberate,
                                                                                            zeigt sich zunächst ein negatives
                                                                                            Bild. Besonders stark gestiegen ist
                                                                                            die Absterberate bei der Fichte (von
                                                                                            < 1 Prozent in 2019 auf rund 4,3
                                                                                            Prozent in 2020) und Laubbaum-
                                                                                            arten außer Buche und Eiche (von
                                                                                            etwa 0,25 Prozent in 2017 auf rund
                                                                                            1,7 Prozent in 2020). Grund hierfür
                                                                                            dürfte das Zusammenspiel aus Tro-
                                                                                            ckenstress, Insektenbefall und Wind-
                                                                                            wurf sein.

                                                                                            Geht der Wald zugrunde?

                                                                                           Die mittlere Kronenverlichtung in
                                                                                           Bayern deckt sich bei den Laub-
                                                                                           bäumen größtenteils mit den Wer-
     Windwurf an den vordersten Positionen (beide bei je einem       ten der deutschlandweiten Erfassung, wobei die Buche in
     Drittel der 1843 Kontrollflächen nachgewiesen). Der direkte      Bayern eine etwas geringere Kronenverlichtung (29,4 Pro-
     Einfluss des Menschen, zum Beispiel durchc Rückeschä-            zent in 2020 und 23,8 Prozent in 2021) aufweist als der
     den, war auf 18 Prozent der Kontrollflächen nachweisbar.         Bundesdurchschnitt (ca. 31 Prozent in 2020). Die Kronen-
     Für die Flächen mit menschenverursachten Schäden wird           verlichtung der Fichte liegt mit 24,9 Prozent in 2020 und
     als Schwerpunktgebiet Süddeutschland hervorgehoben.             24,3 Prozent in 2021 deutlich unter dem nationalen Durch-
     Die Einflussgruppe Wild spielt bei den Schäden nur eine          schnitt von etwa 29 Prozent (2020). Bei der Kiefer ist es al-
     untergeordnete Rolle und konnte lediglich auf fünf Prozent      lerdings umgekehrt: in Bayern weist sie eine mittlere Kro-
     aller Flächen festgestellt werden. Jedoch wird auch hier        nenverlichtung von 35,1 Prozent in 2020 bzw. 34,1 Prozent
     Deutschland neben Ungarn, Spanien und den baltischen            in 2021 auf, beim Bund liegt diese nur bei rund 23 Prozent
     Staaten als Schwerpunktgebiet aufgeführt.                       (2020).
     Blickt man auf die Ergebnisse der nationalen Waldzu-            Sind diese insgesamt doch recht negativen Trends ein Zei-
     standserhebung von 2020, ist besonders bei der Fichte seit      chen dafür, dass der Wald zugrunde geht? Nein, natürlich
     2017 eine starke Verschlechterung zu sehen. Doch auch           nicht! Denn auch wenn der deutsche Wald einen negati-
     bei den übrigen Nadelbaumarten haben die letzten Jahre          ven Gesundheitstrend hat, gibt es genügend Aspekte zur
     – wohl vorwiegend aufgrund der Trockenheit – schlech-           Annahme, dass er nicht zugrunde geht. Eine Stimmung
     tere Werte bei der Kronenverlichtung hervorgerufen. Die         der Angst zu verbreiten ist mit Sicherheit nicht zielfüh-
     Buche unterliegt seit den 2000ern starken Schwankungen          rend. So legen die Ergebnisse der Waldzustandserhebung
     bezüglich der Kronenverlichtung. Sie stieg zuletzt auf ein      nahe, dass besonders die Bäume mit deutlicher Kronen-
     Rekordhoch von mehr als 30 Prozent. Für die Eiche ergibt        verlichtung zu starker Ausbildung von Samen neigen. Da
     sich seit Mitte der 90er ein gleichbleibendes Bild. Bei allen   gerade bei der Buche und anderen Laubbäumen der Trend
     anderen Laubbaumarten steigt der prozentuale Blattver-          der Kronenverlichtung auf weiterhin steigende Verlichtung

10   JAGD
        in Bayern
                    4-2022
EL RANGE
                                                                                 WEGWEISENDE

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hindeutet, ist anzunehmen, dass in den kommenden Jah-
ren die Fruchtbildung bei diesen Arten ansteigt und sich
somit viele neue Bäume natürlich verjüngen werden. Und
genau diese Baumarten sind die für den Waldumbau hin zu
Mischbeständen so wichtigen Arten. Wo vor 20 Jahren noch
alle drei Jahre eine Vollmast zu erwarten war, ist inzwischen
ein Intervall von nur zwei Jahren eingetreten.

Geduld mit dem Waldumbau haben
Der Wald(um)bau wird außerdem finanziell so stark geför-
dert wie noch nie. Auch die Holzbodenfläche in Deutsch-
land hat einen leicht positiven Trend. Es gibt zudem
Waldbesitzer/-bewirtschafter, die bereits vor 30 Jahren

                                                                                           NEW
angefangen haben, ihren Wald umzubauen. Doch die Ver-
änderung kommt nur langsam (der Anteil an Laubbäumen
in der Verjüngung nimmt stetig zu) und kann eben nicht
schneller sein, als ein Baum wächst. Der Trugschluss ist,
dass ein kompletter Waldumbau in einer, zwei oder drei
Legislaturperioden umsetzbar ist. Je schnelllebiger die Ge-
sellschaft wird, desto weniger Verständnis wird dem lang-
samen Waldwachstums und somit der Dauer des Wald-
umbaus entgegengebracht. Deshalb ist auch der Druck
auf die Waldbesitzer immens hoch. Wer einen 50-jährigen
Fichtenbestand hat, wird von vielen angefeindet, weil er ja
augenscheinlich nichts für die Rettung des Waldes unter-
nimmt. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass der jetzige
Waldbesitzer meist nicht der Begründer des vorherrschen-
den Bestandes war. Im Übrigen hätte ein vorzeitiger Holz-
einschlag und eine darauffolgende Anpflanzung von Edel-
laubhölzern wenig mit Nachhaltigkeit zu tun. Dass einige
Gruppierungen unter den Waldbesitzern/-bewirtschaftern
diesem Druck nicht standhalten und sich versuchen zu
rechtfertigen, indem sie anderen Gesellschaftsgruppen die
Schuld am vermeintlich scheiternden Waldumbau zuwei-
sen, ist nur verständlich. Der gesamten Problematik jedoch
höchst abträglich. Schließlich sollten alle gesellschaftli-
chen Gruppen, die den Wald mit ihrem Handeln beeinflus-
sen können, zusammenarbeiten.                             ♦

                            Carl Baucks

                            hat Forstwissenschaften und
                            Wildtierökologie studiert und
                            ist beim BJV Ansprechpartner
                            für Fragen und Angelegen-
                            heiten zu diesen Themen. Er
                            ist Mitglied im Hochwildaus-
                            schuss und in der Verwaltung
                            der Landesjagdschule tätig.

                                                                          SEE THE UNSEEN
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                                           sch
                         Wald, Wild und Men

                                  Friedrich Reimoser, Honorarprofessor
                             an der Universität für Bodenkultur in Wien,
                                        erläutert das Spannungsdreieck
                                    Grundeigentümer – Jäger – Behörde.

            Forst-Jagd-
                 Konflikt
                        – was steckt dahinter?
     D   er sogenannte Forst-Jagd-Kon-
         flikt hat eine sehr lange Tradition.
     Er besteht in seinem Kern aus dem
                                                 als zuständig für das Wild gesehen.
                                                 Die Schuld für Schäden durch Wild
                                                 wird deshalb primär ihm angelastet.
     Spannungsdreieck Grundeigentümer
     – Jäger – Behörde. Das Ausmaß von
     Wildschäden und der Forst-Jagd-             „Forst-Jagd“ ist
     Konflikt hängen oft nicht zusam-             nicht „Wald-Wild“
     men. Was aber hält diesen Konflikt
     dann eigentlich am Leben? Welche            Die missverständliche Formulierung      lich um einen „Mensch-Mensch-Kon-
     Faktoren spielen eine Rolle in die-         „Wald-Wild-Problem“ (statt Forst-       flikt“. Forst-Jagd-Konflikte können
     sem vielschichtigen Spannungfeld?           Jagd-Konflikt) wird hier nicht ver-      aber auch dann existieren, wenn
     Die drei Hauptbeteiligten am Konflikt        wendet, denn erstens sind Wildtiere     vorgegebene Probleme, zum Bei-
     vertreten unterschiedliche Stand-           selbst Teil des Ökosystems Wald und     spiel Wildschäden objektiv gar nicht
     punkte und haben dabei meist ver-           können deshalb diesem so nicht ge-      nachweisbar sind. Umgekehrt können
     schiedene Ziele. Bisweilen entsteht         genübergestellt werden, und zwei-       Wildschäden vorhanden sein, ohne
     sogar der Eindruck, als würde diese         tens haben Vegetation und Tiere im      dass ein Forst-Jagd-Konflikt besteht.
     Auseinandersetzung in einem Rol-            Wald für sich kein Problem miteinan-    Der Konflikt ergibt sich erst aus dem
     lenspiel gepflegt, um daraus gewisse         der. Ein Problem ergibt sich erst aus   subjektiv wahrgenommenen oder
     Vorteile zu generieren. Wechselseiti-       der Sicht der Menschen verschiedener    aus einem inszenierten Konfliktver-
     ge Schuldzuweisungen und Feind-             Interessengruppen im Zusammen-          halten der „Konflikt-Partner“. Auf un-
     bildpflege sind an der Tagesordnung.         hang mit Pflanzenfressern und Wald-      persönlicher Ebene geht es um ge-
     Der Umgang mit den Schalenwildar-           vegetation. Gemeint sind also eigent-   nerelle Schuldzuweisungen zwischen
     ten wird in den Diskussionen in den         lich Förster und Jäger und nicht Wald   den verschiedenen Interessenvertre-
     Vordergrund gestellt. Der Jäger wird        und Wild. Es handelt sich grundsätz-    tungen, wie zwischen der Behörde,

12   JAGD
        in Bayern
                    4-2022
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                                                                                                                      sch
                                                                                                    Wald, Wild und Men

                                        Die eindimensionale Betrachtungsweise „Wald vor Wild“ verhindert einen konstruk-
                                        tiven Dialog gleichgestellter Partner. Die ungleichen Positionen werden mancherorts
                                                 wie in einem skurrilen Rollenspiel gepflegt. Foto: Robert Kneschke/ stock.adobe.com
der Jägerschaft und der Grundeigen-
tümervertretungen. Dabei handelt
es sich um ein gruppenbezogenes
Konfliktverhalten, das teilweise auch
für Machtgerangel zwischen den In-       Konflikts beitragen, sofern sie Schä-            Entschädigungen helfen zwar dem
teressengruppen instrumentalisiert       den präventiv vermeiden und den                 Grundbesitzer, aber nicht dem Wald.
wird. Durch Ideologien und vorge-        Konflikt tatsächlich lösen wollten.              Die Jägerschaft nimmt bei Wildscha-
fasste Meinungen sind sachliche Dis-                                                     densdiskussionen oft die Rolle des
kussionen oft nur schwer oder nicht                                                      Schuldigen an und beteuert, sie wür-
möglich. Auf persönlicher Ebene hin-     Entschädigungen helfen                          de das Problem durch mehr Abschuss
gegen ist die Konfliktintensität häufig                                                    lösen. Es ergibt sich daraus auch eine
                                         dem Wald nicht
weniger stark ausgeprägt.                                                                Rechtfertigung gegenüber Jagdgeg-
Der primär Jagdberechtigte ist der       Wenn Wildschäden vermieden wer-                 nern, jagen zu müssen. Die Schalen-
Grundeigentümer, nicht der Jäger.        den sollen, reicht es jedenfalls nicht,         wildabschüsse stiegen zwar vielerorts
Die Grundeigentümer könnten und          Jagdpacht und Entschädigungszah-                deutlich an, aber das Rot-, Reh- und
müssten wesentlich zur Lösung des        lungen für Wildschäden zu kassieren.            Schwarzwild wurde kaum irgendwo

                                                                                                                   4-2022   JAGD
                                                                                                                               in Bayern
                                                                                                                                           13
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                         Wald, Wild und Men

                                                                                             Forstwirtschaftliche Nutzung
                                                                                             und nachhaltige Jagd müssen
                                                                                             nicht im Widerspruch stehen.
                                                                                             Foto: Kletr/stock.adobe.com

                                                   Leitsatz „Wald vor Wild“? Prof. Dr. Friedrich Reimoser kritisierte bei der
                                                   25. Österreichischen Jägertagung (2019), dass die Zusammenhänge rund um die
                                                   Schalenwildarten zu sehr vereinfacht würden. „Ökologisches, ganzheitliches
                                                   Systemdenken ist schwierig und mühsam und heute weniger üblich denn je“, so
     weniger. Die Bereitschaft der Jäger,          der Wildökologe. Der Trend gehe zu Oberflächlichkeit, Simplifizierung und Ge-
     mit weniger Wild leben zu wollen, hält        neralisierung. Als ein Beispiel dafür erwähnte er den Satz „Wald vor Wild“. Das
     sich zudem sehr in Grenzen.                   oberösterreichische ÖJV-Vorstandsmitglieds Joseph Klaffenböck hatte daraufhin
     In letzter Zeit häufen sich aber auch         gefragt, ob die bayerische Landesregierung, die den Satz ins Gesetz geschrieben
     Fälle, wo sich Jäger ehrlich bemühen,         hat, folglich nur aus Deppen bestehe. Reimoser darauf: „Die Bayerischen Staats-
     den Wildbestand zu reduzieren, dies           politiker die ins Gesetz geschrieben haben ‘Wald vor Wild‘ sind nicht Deppen, aber
     jedoch nicht immer gelingt. Ein Grund         sie waren offensichtlich aus der traditionellen Entwicklung in Bayern – Feindbild-
     ist der stark angestiegene Jagddruck,         pflege Förster- Jäger – nicht in der Lage in dem Punkt ökologisch zu denken, als sie
     wegen der höheren Abschussvorga-              diesen Gesetzestext formuliert haben“. Wild sei Teil des Waldes.                  IK
     ben und verlängerten Schusszeiten
     Auch nicht jagdliche Beunruhigun-
     gen haben stark zugenommen. Das
     Wild ist scheuer geworden. Wild-            Komponente für die Wichtigkeit des             eine Konfliktlösung auch nicht gerade
     bestandsregulierung ist eine stets          amtlichen Forstpersonals haben.                leichter.
     wiederkehrende und zeitaufwendi-            Mangelnde Waldverjüngung wird oft
     ge Dienstleistung für die Land- und         automatisch auf ein Wild- und da-
     Forstwirtschaft.                            mit Jagdproblem reduziert, also hin-           Einfluss der Gesellschaft
                                                 sichtlich der Problemlösung aus dem
                                                 forstlichen Verantwortungsbereich              Die Mehrfachnutzung des Wildle-
     Die Rolle der Behörde                       einfach ausgelagert.                           bensraumes wurde immer inten-
                                                 Dies lenkt den Blick von waldbau-              siver, vor allem für Freizeit-und Er-
     Die Forstsachverständigen der Be-           lichen Maßnahmen ab, die zur Er-               holungszwecke des Menschen. Eine
     hörden müssen die Wildschadens-             reichung der erwünschten Waldver-              erfolgreiche Bejagung des Schalen-
     vermeidung insbesondere im Ob-              jüngung ebenso erforderlich sind.              wildes wurde dadurch schwieriger.
     jektschutzwald einfordern. Dieser           Jäger sind Kritik gewöhnt, Förster und         Es kommt vermehrt zu Wildkonzen-
     wichtige Aufgabenbereich erfordert          Waldbesitzer jedoch kaum.                      trationen in schwer zugänglichen
     und rechtfertigt eine dauerhafte, in-       Forstliche Fehler und Unterlassungen,          Schutzwaldlagen. Naturentfremdung
     tensive behördliche Überwachung.            die Wildschadensprobleme verstärkt             und gleichzeitige Naturidealisierung
     Würde es keine Wildschäden ge-              haben, werden oft nicht gesehen.               der urbanen Bevölkerung, Anti-Jagd-
     ben, hätte die Forstbehörde weniger         Um von Fehlern und Unterlassungen              Gruppen, Tierrechts- und Tierschutz-
     zu tun und wäre weniger wichtig.            in der Vergangenheit abzulenken. Die           gruppierungen schränken mögliche
     Ein ausgeprägter Forst-Jagd-Konflikt         Entwicklung des gesellschaftlichen             Maßnahmen zur effizienteren Wild-
     könnte so gesehen auch eine positive        und ökologischen Umfeldes macht                standsregulierung und Konfliktmin-

14   JAGD
        in Bayern
                    4-2022
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                                                                                                                                           Jagd & Tracht

derung ein und bauen zusätzliche
Konfliktfelder auf. Positive Beispiele                                                                                         Mauser-Kompakt-Paket
zeigen, dass der Forst-Jagd-Konflikt
oft leicht gelöst werden konnte oder
                                                                                                                              leise, präzise, führig
erst gar nicht zustande kam, wenn                                                                                             ͻ DĂƵƐĞƌDϭϮDyͣ^͞
die Beteiligten wirklich eine Lösung                                                                                            >ŽĐŚƐĐŚĂŌŵŝƚ
wollten. Warum aber sind positive
                                                                                                                                ,ĂŶĚƐƉĂŶŶƵŶŐ
Beispiele so selten? Es stellt sich so-
mit die Frage: Wem könnte der Forst-
                                                                                                                              ͻ ǀĞƌƐƚĞůůďĂƌĞƌ
Jagd-Konflikt Vorteile bringen?                                                                                                  ^ĐŚĂŌƌƺĐŬĞŶ
Und: Welche Nachteile - und für wen                                                                                           ͻ ĂƵŇćŶŐĞϰϳĐŵ
einen Wegfall dieses Konflikts entste-                                                                                           ŵŝƚ'ĞǁŝŶĚĞ
hen? Im Grunde besteht ein kompli-
                                                                                                                              ͻ DĂƵƐĞƌ
ziertes Interessengeflecht, das über
den meist allein diskutierten Aspekt
                                                                                                                                ^ĐŚĂůůĚćŵƉĨĞƌ
„untragbare Wildschäden – mehr                                                                                                ͻ DĂƵƐĞƌ,ĞdžĂͲ
schießen“ deutlich hinausgeht. Bleibt                                                                                           >ŽĐŬͲDŽŶƚĂŐĞ
also die Frage: Wollen alle Beteiligten
mehr Klarheit über die Hintergründe
schaffen?
                                                                 Wenn Jäger und Waldbesitzer an
                                                             einem Strang ziehen, funktioniert der
Forst-Jagd-Dialog stärken                                             Waldumbau auch mit Wild.
                                                                               Foto: Inge Knol/stock.adobe.com
Angesichts der skizzierten Zusam-                                                                                                                    • Paket 1
menhänge wird sich am grundsätz-
                                                                                                                                              njƵŵĞƵĐŚƚĂďƐĞŚĞŶϲϬ
Wildschäden – objektiv gesehen –                            Jagd-Dialog“ eine gute Plattform, sich
abnehmen als dass der Forst-Jagd-                           verstärkt um eine kritische Wirkungs-
Konflikt abnimmt.                                            analyse der Hintergrundfaktoren zu
Wenn Wildschäden abnehmen kann                              bemühen, möglichst frei von vorge-
                                                                                                                                                   • Paket 2
als Reaktion die Schadenssensibilität                       fassten Meinungen.                   ♦                                                     zum
                                                                                                                                              ĞƵĐŚƚĂďƐĞŚĞŶϲϬ
                                       ist Honorarprofessor an der Universität für Bo-
                                       denkultur Wien. Seine aktuellen Arbeitssch-
                                       werpunkte sind unter anderem „Forstliche Ein-
                                       flüsse auf Wildtierhabitate und deren Wild-
                                                                                                                                           WĂŬĞƚĞŽŚŶĞ^ĐŚĂůůĚćŵƉĨĞƌ
                                       schadensanfälligkeit“. Mehr dazu lesen Sie hier:                                                    ĂƵĨŶĨƌĂŐĞ͘
                                       http://wildlife.reimoser.info/

Literaturhinweis: Reimoser, F., 2018: Wildschadensproblem und Forst-Jagd-Konflikt im Alpenraum – Hintergründe,
Entwicklungen, Perspektiven. In: Lintzmeyer, K. (ed.) Jahrbuch des Vereins zum Schutz der Bergwelt e.V., München,
83. Jahrgang, S. 61-116; ISSN 0171-4694
JAGDPOLITIK
                                   umbau
                Strategien zum Wald

                                           Hintergrund: photoschmidt/stock.adobe.com

16   JAGD
        in Bayern
                    4-2022
JAGDPOLITIK
                                         umbau
                      Strategien zum Wald

Geheimer Plan
      von der
 Demontage
    der Jagd

 Jeder aufmerksame Betrachter hat bemerkt,
       dass Corona dazu geführt hat, dass die
 bayerischen Jäger von der Teilnahme an den
   Aufnahmen zum „Forstlichen Gutachten“
                  ausgeschlossen wurden und
              Hegeschauen abgesagt wurden.
  Zufall oder System? Wir haben recherchiert
     und sind in der Historie der bayerischen
   Forstpolitik einschlägig fündig geworden.

                                   4-2022   JAGD
                                               in Bayern
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„F     lächenbrand in Bayern“, so lautete der Titel eines
            schonungslos enthüllenden Artikels, erschienen
     im Februar 2010 in der Jagdzeitschrift Wild & Hund, sorgfältig
                                                                      wirft, findet Hornungs damalige Vorwürfe schon auf den
                                                                      ersten Seiten bestätigt. Die angeblich verfilzte Struktur der
                                                                      Jagd, die behauptete Spezl- und Amigowirtschaft mit der
     recherchiert und treffend bissig geschrieben von Chef-            Politik und die vermeintlich uneinsichtigen Jäger werden
     redakteur Heiko Hornung. Ihm war ein Strategiepapier zu-         gleich zu Anfang als die größten Hindernisse für den Wald-
     gespielt worden, das minutiös die Vorgehensweise zur Dis-        umbau deklariert, die intakte Beziehung zwischen Forstzu-
     kreditierung der bayerischen Jäger zur Schaffung eines            sammenschlüssen und Jägerinnen und Jägern als „Bezie-
     neuen Bildes der Jagd, das des „guten“ Jägers und einer          hung mit 90 Prozent Harmoniesoße“ verspottet.
     neuen Generation von Förstern als „Heilsbringer“ für den         Im Weiteren wird schnell klar, dass die Zerstörung die-
     Waldumbau darlegt. Hornung spricht von einem „gehei-             ser Harmonie, der guten Beziehung zwischen zwei damals
     men Plan“, nach dem alle Aktionen zum Thema Waldum-              weitestgehend zufriedenen Partnern zentraler Teil des
     bau ablaufen. Eine Gruppe von Ministerialen und Beamten          Plans ist. Gebetsmühlenartig propagierte Projektziele sind
     im Landwirtschaftsministerium habe auf allen Ebenen der          die Etablierung des Försters mittels Imagekampagnen als
     herkömmlichen Jagd den Krieg erklärt. Ziel sei es, das tradi-    „Heilsbringer für den Waldumbau“ und die Wahrnehmung
     tionelle Bild der Jagd, wie es der Bayerischen Jagdverband       „Was ist gute Jagd“ in Richtung „Eine Dienstleistung für den
     e. V. (BJV) repräsentiere, zu demontieren und zu zerstören.      gesunden Wald“ zu verschieben. „Es braucht starke Partner
     Dieser Skandal erschütterte Bayerns Jägerschaft - ein Be-        und einen starken medialen Rückenwind, der den Referenz-
     raterplan, der dem Ministerium eine unerbittliche Metho-         rahmen „was gute Jagd ist“ verschiebt und einem „neuen“
     dik zur effizienten Umsetzung von „Wald vor Wild“ empfahl.        Typus des Jägers soziale Anerkennung zollt,“ heißt es hierzu.
     Staatsminister Brunner erklärte ihn eilends und vermeint-
     lich entrüstet für gegenstandslos. Doch wurde er das wirk-
     lich? Es ist an der Zeit, Bilanz zu ziehen.

                                                                                                       Hegejagd veraltet,
                                                                                                 überkommen und muffig

                             Ehrliche Distanzierung oder
                               nur Lippenbekenntnisse?                Es wird vorgeschlagen, „die zu erwartenden Spannungen
                                                                      (Generationswechsel, neue Milieus) im BJV produktiv zu
                                                                      nutzen, um die Vorstellung von „Jagd als Dienstleistung“
     Der Bayerische Staatsminister Helmut Brunner distanzierte        als attraktive Alternative zu positionieren. Gleichermaßen
     sich in einem Schreiben an die Kreisgruppen des BJV vom          ist es vorstellbar, die klassische „trophäenfixierte Hegejagd“
     12. März 2010 von dem Papier. Er sei erst einige Tage zuvor      als veraltet, überkommen und muffig zu positionieren.
     über den Abschlussbericht informiert worden, da er noch          Im gleichen Atemzug wird empfohlen, den Ökologischen
     vor seiner Amtszeit erstellt worden sei. „Von den darin ge-      Jagdverband Bayern dem Bayerischen Jagdverband öf-
     troffenen, völlig überzogenen Formulierungen zur Jagd             fentlich gleich zu stellen, und jeweils immer beide Spitzen
     und zum Bayerischen Jagdverband distanziere ich mich             zu öffentlichen Anlässen einzuladen und zu würdigen, und
     in aller Deutlichkeit,“ so Brunner, und weiter: „Darüber hin-    die Diskussion zum Thema Jagd zwischen beiden Verbän-
     aus habe ich das Arbeitspapier gestern offiziell für gegen-       den zu befördern. Bei einem Verband mit gerade einmal
     standslos erklärt. Wegen der unberechtigten pauschalen           1000 Mitgliedern bedeutet dies die Gleichstellung einer Art
     Vorwürfe gegen die Jägerschaft wird dieses Papier keinerlei      „radikaler Splitterpartei“ auf Rat einer staatlich bestellten
     jagdpolitische Bedeutung entfalten.“                             Projektgruppe.
                                                                      Das Strategiepapier, minutiös ausgearbeitet von dieser
                                                                      Gruppe bestehend aus forstlichen Praktikern im Revier-
                                                                      und im Leitungsdienst an den Landesforsten und der Lan-
             Beziehung mit 90 Prozent Harmoniesoße,                   desanstalt für Wald und Forstwirtschaft sowie aus Mitar-
                            Spezl- & Amigowirtschaft                  beiterinnen des Landwirtschaftsministeriums hatte klare
                                                                      Ziele: Die Grundbesitzer gegen die Jäger aufzuhetzen, be-
                                                                      stehende, vertrauensvolle Beziehungen zwischen Jägern,
     Wer einen Blick in den Abschlussbericht der Projektgrup-         Forstverbänden und Landratsämtern zu zerschlagen und
     pe Waldumbau – Klimawandel, nach der gleichnamigen               die traditionelle Jagd und den BJV vor aller Augen zu de-
     Unternehmensberatung auch Theßenvitz-Papier genannt,             montieren.

18   JAGD
        in Bayern
                    4-2022
JAGDPOLITIK
                                                                                                                umbau
                                                                                             Strategien zum Wald

                         Geheime Hetze gegen Jäger                setzen (größere Spielräume), mehr externe Beratung und
                           auf Steuerzahlers Kosten               Unterstützung ermöglichen. Ebenso solle eine Supervision
                                                                  für Mitarbeiter durch Revierleiter und Berater der forstli-
                                                                  chen Zusammenschlüsse eingeführt werden. Und dass die-
Aber was hatte die Jagd zu befürchten? Von einem gegen-           ses Konzept ebenso für die Exekutivorgane der Abschuss-
standslos erklärten Papier, das die Jagdpolitik in keiner         planung, die unteren Jagdbehörden umzusetzen sei, war
Weise beeinflussen wird? Beim Blick auf den jagdlichen             sich die Projektgruppe einig. Doch die Forderung, die Unte-
und vor allem forstlichen Zeitgeist scheint es jedoch, dass       ren Jagdbehörden weg von den Landratsämtern hin zu den
allein in der Zeit vor Brunners Erklärung die Saat dieses Ge-     ÄLF zu verlegen, damit die Abschussplanung getreu dem
dankengutes auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Heute, im         Leitsatz „Wald vor Wild“ konsequent durchgesetzt werden
Jahre 2022, drängt sich der Gedanke auf, als wäre genau           könne, war nicht umgesetzt worden.
diese Strategie doch irgendwie zur Umsetzung gekommen.            Da der Plan dann natürlich nicht aufgegangen war, drängt
Lassen Sie uns einige konkrete Projekte genauer unter die         sich Bild auf, dass in der Folge offensichtlich ein anderer
Lupe nehmen und machen Sie sich selbst ein Bild.                  Ansatz zum Zug kam: Die gute Beziehung zwischen Jägern
                                                                  und Unteren Jagdbehörden zu zerschlagen, indem der bra-
                                                                  ve Jäger fortan als schlecht, der angeblich ökologische Jäger
1. Planstellen umbesetzen                                         aber als Held des Waldumbaus und der Förster als heils-
Dass Strategien nur umgesetzt werden können, wenn die             bringender, einzig wissender Fachberater stilisiert wird. In
Schlüsselpositionen mit motivierten Befürwortern besetzt          dem eingeschränkten Handlungsrahmen in Bezug auf die
sind, ist hinlänglich bekannt. Auch für die Projektgrup-          UJB ein möglicherweise fruchtbares Konzept. Der bisher an-
pe stellte sich die vermeintliche Fehlbesetzung innerhalb         erkannte und geschätzte Partner, der traditionelle, waid-
der bestehenden Strukturen als Problem dar. Anstehende            gerechte Jäger, wird dort plötzlich argwöhnisch betrachtet,
Aufgaben und Projekte sind nur leistbar, wenn die Bereit-         fachlicher Rat in Sachen Jagd von Seiten der guten ökologi-
schaft besteht, für die Umsetzung im Aufgabenportfolio            schen Jäger und der Forstpartie nun lieber angenommen als
neue Prioritäten zu setzen. Dazu empfahl die Projektgrup-         der des wildzüchtenden Buhmannes. Durch die Entbürokra-
pe Arbeitsplatzanalysen und die Überprüfung möglicher             tisierung und dem Einräumen größerer Spielräume ist der
Personalumverteilungen im Staatsministerium für Land-             Genehmigung von bisher schwierig umzusetzenden Maß-
wirtschaft und Forsten.                                           nahmen plötzlich Tür und Tor geöffnet. Dass diese Strategie
Bereits im Jahr 2005 hatte die Reform der Bayerischen             tatsächlich so weiterverfolgt wurde, darüber kann sich jeder
Staatsforstverwaltung mit der Aufteilung in einen reinen          mit unverblendetem Blick ein eigenes Bild machen. Fakt ist,
Verwaltungszweig und in einen Forstbetrieb schon Aus-             dass die Hürden für Schonzeitaufhebungen oder gar ande-
wirkungen auf die Landesanstalt für Forstwirtschaft (LWF)         re, früher undenkbarer Maßnahmen wie die Nachtjagd auf
gehabt. Das „Forschungsschiff“ der Forstverwaltung wurde           wiederkäuendes Schalenwild oder Saufänge, heute lächer-
„hochseetauglich im Hinblick auf die Flutwelle der Reform         lich gering sind und von den Mitarbeitern der UJB nur allzu
gemacht“ und noch stärker auf die Bedürfnisse der privaten        gerne genommen werden. Ganz zu schweigen von der Frei-
und kommunalen Waldbesitzer ausgerichtet.                         gabe von „Schadhirschen“ im Bast oder gar dem Abschuss
Die so entstandene Abteilung zeigt heute eine auffällig            von Steinböcken aufgrund von Verbiss in Sanierungsflächen.
häufige Besetzung mit Fachkräften der forstlichen Hoch-
schulen Weihenstephan und Triesdorf, zwei Instituten, die
selbst in Forstkreisen öfter mal als „radikal“ betitelt werden.   3. Millionenschweres Medienpaket
                                                                  Die Öffentlichkeitsarbeit zur Verfestigung der neuen Posi-
                                                                  tionierung der Jagd war einer der wichtigsten Eckpfeiler der
2. Strategien für ÄLF und Untere Jagdbehörden                     Strategie. „Es muss uns gelingen, mittelfristig - in drei bis
Klar wird betont, dass sowohl Rahmen als auch Wahrneh-            fünf Jahren – das Bild des/der Förster/in in der Öffentlich-
mung der Ämter für Landwirtschaft und Forsten verscho-            keit zu schärfen und zu klären. Die Öffentlichkeit weiß zu
ben werden müssen. Die ÄLF sollen als Dienstleister für die       wenig bzw. das Falsche über die Aufgaben der Förster/in-
forstlichen Zusammenschlüsse Waldbesitzer/innen posi-             nen, schlimmstenfalls werden diese mit Jäger/innen ver-
tioniert werden. Die oben genannten Konzepte zur Um-              wechselt. Das verhindert eine eindeutige Kompetenzzu-
besetzung sollten auch hier Anwendung finden. Die Emp-             schreibung der Förster/innen in Sachen Waldkompetenz.
fehlungen lauteten wie folgt: Besetzung der Planstellen,          Erst wenn diese geklärt ist, kann die medienwirksame Deu-
Anheben der Fördersätze (erleichtert die Argumentation,           tungsmacht der ,klassischen Jäger/innen‘ gebrochen bzw.
erhöht den Anreiz), Richtlinien durchgängig mit „i.d.R.“ er-      ersetzt werden,“ hieß es dazu wörtlich (inklusive gendern)

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                                                                                                                            in Bayern
                                                                                                                                        19
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                                   umbau
                Strategien zum Wald

     im Theßenvitz-Papier. Und weiter: „Es geht um den „media-         mit dem gleichen Zweck als Waldumbauschau vorstellen,
     len Humus“ den wir ausbringen, auf dem neue Sichtweisen           das heißt als Plattform, auf der der gute Jäger mit stolz
     entstehen und neue Handlungsoptionen gesellschaftlich             geschwellter Brust neben seiner vorbildliche Strecke, bei
     akzeptiert werden. Die Benchmark: Das Rauchverbot be-             der Masse statt Klasse das neue Mantra ist, die Huldigungen
     gann mit einer Neudefinition des Rauchens: Vom hedonis-            der Waldbesitzer entgegen nehmen kann.
     tischen Genießer zum suchtkranken Egoisten. Das Gleiche           Fakt ist, dass diese Einflussnahme über Multiplikatoren tat-
     machen wir bei den Themen „Gesunder Wald“ und „Zeitge-            sächlich bereits seit dem Jahr 2008 umgesetzt wurde. Seit
     mäße Jagd“.                                                       dem Jahr 2008 wurden an den 32 bayerischen Ämtern für
     In wie weit Teile des millionenschweren Medienpakets um-          Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an 47 Standorten
     gesetzt wurden, ist heute natürlich nicht mehr nachzuvoll-        drei sogenannte „Klinkenputzer“ aus den Reihen der Wald-
     ziehen. Empfunden wird es landauf landab tatsächlich so,          besitzer pro Amt entgeltlich beschäftigt. Das bedeutet,
     als wäre die Öffentlichkeitsarbeit eindeutig auf diese Stra-       staatlich finanzierte Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer
     tegie ausgerichtet. Fakt ist bei-                                                        unterstützten den Revierleiter bei der
     spielsweise, dass ein Vorschlag                                                          Akquise von anderen Waldbesitzerin-
     des Papiers einen Staatspreis                                                            nen und Waldbesitzern für ihre Ziele.
     „Rückenwind für die gute Jagd“             „Die  Demontage        des   BJV.             Kostenpunkt: knapp 750.000 Euro pro
     auszuloben tatsächlich Anwen-                Fast wäre es geglückt!“                     Jahr. Ob dies trotz Brunners Erklärung
     dung fand. Nicht als Staatspreis,                           Ernst Weidenbusch            weiterhin Anwendung fand, entzieht
     das war nach der Brunnerschen                                                            sich unserer Kenntnis, jedoch ist ein-
     Ansage ja nicht mehr möglich.                                                            deutig ein Paradigmenwechsel auf
     Als Pendant jedoch wurde 2010                                                            Seiten der Waldbesitzer zu beobach-
     der Wald-vor-Wild-Preis erstmals vom ÖJV vergeben. Ein            ten, ebenso findet die Idee der Abschaffung der Hegeschau
     Zufall? Oder hat dankenswerterweise dieser Jagdverband            in ihrer traditionellen Form immer wieder medialen Nie-
     eine Idee aus dem Papier doch umgesetzt nachdem es im             derschlag.
     Auftrag der Regierung nicht mehr möglich war?
     Leitlinien mit klaren Positionen für angeblich gute Jagd
     sowie ökonomischen und ökologischen Hintergründen zu              5. Den BJV demontieren und den ÖJV gleichstellen
     entwickeln und zu kommunizieren, ist den ideellen Ver-            Über die irrwitzige Idee, den ÖJV mit seiner Handvoll Mit-
     fechtern des Papiers ganz klar gelungen. Der ausgebrachte,        gliedern dem BJV öffentlich gleichzustellen, müssen nicht
     mediale Humus bietet wertvollen Nährboden für die ein-            allzu viele Worte verloren werden. Zu klar liegt auf der Hand,
     dimensionale Betrachtungsweise des Waldumbaus. Die                dass Funktionäre gezielt in wichtige Kreise eingeschleust
     Maximalreduktion des Schalenwildes scheint die einzige            wurden und über Gebühr zu Wort kommen. Auf die Ge-
     Möglichkeit, das Klima zu retten, so die bittere Wahrheit         schehnisse in unserem Verband zurückblickend, muss zu-
     über die öffentliche Wahrnehmung. Fakt ist, dass die Pres-         gestanden werden, dass auch hier Ansätze der Strategie
     searbeit in dieser Form mit traditionell und gemäßigt be-         wohl Anwendung gefunden haben. Die Spannungen des
     setzten Planstellen in Behörden und Institutionen so nicht        Generationswechsels im BJV sollten nicht nur produktiv,
     machbar gewesen wäre. Ansätze des damaligen BJV dem               sondern offenkundig gezielt auch hier zur Gehirnwäsche
     entgegenzuwirken, konnten diesen Gang nicht aufhalten,            genutzt werden. Scheinbar eingelullt und als willfähriger
     zu mächtig war offenbar die gegnerische Position.                  Partner vieler Interessensverbände zeigte der Bayerische
                                                                       Jagdverband oft keine klare Kante. Das Warum zu erörtern,
                                                                       wäre an dieser Stelle nicht zukunftsgerichtet. Doch fast
     4. Waldbesitzer infiltrieren                                       wäre es geglückt, den BJV zu demontieren.
     Die gestellte Aufgabe, den Referenzrahmen „Gesunde Jagd“          Die im Beitrag angedeuteten, möglicherweise zur Anwen-
     zu verschieben, sieht im Papier auch vor, dies über die ge-       dung gekommenen Handlungsketten sind selbstverständ-
     zielte Beeinflussung der Waldbesitzer und forstlichen Zu-          lich mindestens teilweise Spekulation. Doch laden wir Sie
     sammenschlüsse zu tun. Waldfreundliche Jagdgenossen               ein, sich darüber mit kritischem Blick auf die Situation im
     sollen in Position gebracht werden, Überreden, Stützen            Jahre 2022 eine Meinung zu bilden, ob der von Hornung
     und Stärken sind die Ansätze. Dazu sollen geeignete Mul-          betitelte „geheime Plan“ nicht etwa doch als „streng gehei-
     tiplikatoren, zu Wort kommen und öffentlich vorbildliche           mer Plan“ umgesetzt wurde? Und ebenso darüber, ob die
     Volksvertreter (Bürgermeister, Abgeordnete, Landräte) für         für das Projekt veranschlagten 20 Millionen Euro Steuer-
     ihr vorbildliches Engagement vom Waldbesitzerverband              gelder auf Umwegen doch zur Umsetzung der geplanten
     ausgezeichnet werden. Die Hegeschau könne man sich                Strategie augewendet wurden.                      Robert Pollner ♦

20   JAGD
        in Bayern
                    4-2022
Jahnke. Was sonst.

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Lügen, Schrot auf Rehe und andere
     Tabubrüche: Die JAGD in Bayern hat einen
         Autor interviewt, der sich ÖJV-Reviere
       genauer angeschaut und unter anderem
      ziemlich viel Verbissschutz entdeckt hat.

                                                     Würden Sie hier schießen? Einige
                                                  Vertreter des ÖJV nach Einschätzung
                                                    Dr. Rudolf Neumaiers wohl schon.
                                                               Foto: Martin/stock.adobe.com

22   JAGD
        in Bayern
                    4-2022
REVIERPRAXIS
                                                                               bau oh ne S chutzmaßnahmen
                                                                         Waldum

                           Ein Ammenmärchen
     JAGD in Bayern: Herr Dr. Neumaier, wie viele Wälder haben
     Sie jetzt unter die Lupe genommen und was ist Ihre wich-
     tigste Erkenntnis?
     Dr. Rudolf Neumaier: Ich habe mir etwa 40 Wälder ange-
     schaut. Die für mich überraschendste, oder nennen wir sie
     skandalträchtigste Entdeckung war: Die Geschichte, dass
     der Waldumbau bei konsequenter Rehwildbejagung ohne
     Schutzmaßnahmen funktioniert, ist ein Ammenmärchen.
     Sie ist als Propaganda-Lüge Baustein einer Ideologie, die
     sich gegen das Rehwild, gegen eine anständige Bejagung
     nach den immer noch geltenden Richtlinien zur Bejagung
     von Schalenwild in Bayern und damit letztlich gegen die in
     Ihrem Verband organisierte Jagd richtet.

„Das Lachen ist mir vergangen.“                                     Drahtmanschette im Revier Linden-Ost, Land-
                                                                    kreis Rottal-Inn.           Fotos: Dr. Rudolf Neumaier
                      Dr. Rudolf Neumaier

     JAGD: Ein heftiger Vorwurf. Können Sie das mit Beispielen
     belegen?
     Neumaier: Nehmen wir das Revier Kay. Der frühere Jagd-
     pächter soll es mit der Hege völlig übertrieben haben. Dann
     übernahmen die Jagdgenossen die Regie. Reviernachbarn
     berichten, dass Drückjagden auf Rehe veranstaltet wurden,
     bei denen die Schützen mit Bussen herangekarrt. Später
     luden die Kayer busweise Waldbauern ein und zeigten, wie
     gut ihr Wald wachse, und das ohne Schutzmaßnahmen.
     Zeitungen berichteten darüber. Ein hochrangiger Vertreter
     vom ÖJV, ein pensionierter Förster, hat mir davon vorge-
     schwärmt und erzählt, es gebe dort keine Wildunfälle mehr.
     Ein Anruf bei der Polizei ergab: Es sind immer noch Wild-
     unfälle zu verzeichnen. Dann bin ich selbst hingefahren. Ich
     sah eingezäunte Bäume, die sogar noch im Zaun Plastik-
     Verbissclips trugen, ich sah gepflanzte Boscherl mit Schaf-     Zäune im ÖJV Revier. Im Rahmen ökologischer
     wolle, ich sah Naturaufkommen mit Plastik-Verbissclips.        Jagdkonzepte jedoch gar nicht vorgesehen.

                                                                                                          4-2022   JAGD
                                                                                                                      in Bayern
                                                                                                                                  23
jetzt wachsen der Wald, Eichen
                                                                                               und Kiefern. Auf die Frage, wie
                                                                                               er die Rehe schieße, wo doch
                                                                                               kaum Jagdeinrichtungen zu sei-
                                                                                               en, sagte er ganz freimütig: mit
                                                                                               Schrot.

                                                                                                  JAGD: Dann war dieser Mann
                                                                                                  doch immerhin ehrlich.
                                                                                                  Neumaier: Naja. Tannen muss-
     Ganz offen bekennt sich ein Förster zum gesetzeswidrigen Schrotschuss auf Rehwild.
                                                                                                  te er trotzdem mit Schafwolle
                                                                      Foto: Luise/stock.adobe.com
                                                                                                  schützen, das haben wir eher
                                                                                                  zufällig entdeckt. Und eine
                                                                                                  Pflanzung mit standortfremden
                                                                                                  Bäumen hat er eingezäunt. Dass
     Und das in einem Revier, wo der Wald angeblich so hervor-       mit Schrot auf Rehe geschossen wird, lässt vermuten, dass
     ragend zeigt, ob die Jagd stimmt. Da musste ich lachen. Aber    da ethische Prinzipien verdrängt wurden. Als ich den Förs-
     das Lachen ist mir vergangen, als ich die Drückjagdböcke        ter von der ANW auf dieses Tierschutzproblem ansprach,
     gesehen habe. In Lichtungsrichtung gab es keine Schuss-         sagte er: „Warum? Ist doch Niederwild!“
     auflagen. Die Schilderungen der Reviernachbarn stimmen
     wohl: Bei solchen Drückjagden ist freihändig auf ziehendes      JAGD: Viele Förster und der ÖJV empfehlen Eigenbewirt-
     oder flüchtendes Rehwild geschossen geworden.                    schaftungen. Das spare Arbeit. Wie sehen Sie das nach Ihren
                                                                     Recherchen?
     JAGD: Es ist ein absolutes Tabu, Rehwild in Bewegung zu be-     Neumaier: In Niederbayern war ich in Eigenbewirtschaf-
     schießen. Werden Tierschutz-Aspekte außer Acht gelassen?        tungen, in denen ein ehemaliger Berufsjäger zugange ist.
     Neumaier: Tabus werden ab und an ignoriert. Mit Schrotmu-       Der Mann tourt mit dem Märchen vom Waldumbau ohne
     nition auf Rehe zu schießen zum Beispiel. Ein hoher Vertre-     Schutzmaßnahmen durch ganz Bayern, macht das Mantra
     ter der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft          „Wald vor Wild“ zu einer Kampfansage und stellt die her-
     (ANW) wollte mir unbedingt den Stadtwald von Bamberg            kömmlichen Jagdpächter als Trophäenfetischisten hin. Ich
     zeigen. Der Stadtförster begann mit dem alten Lied: Frü-        habe solche Shows erlebt. „Schauen Sie, alles Naturauf-
     her sei viel zu wenig gejagt worden. Das war vielerorts tat-    kommen“, hat er mir vorgeraunt. Solche Geschichten hören
     sächlich so. Dann habe er, so der Stadtförster, erst mal den    Waldbauern gern. Und sie glauben sie auch so gern, dass
     Abschussplan ums Zwei- bis Dreifache überschossen. Und          sie auf Pachteinnahmen verzichten und lieber noch was für
                                                                     Jagdkonzepte bezahlen würden. Dafür stellen sie dann so-
                                                                     gar auf eigene Kosten Drückjagdböcke in und vor den Wald.

                                                                     JAGD: Vor den Wald? Lautet nicht eines der Versprechen sol-
                                                                     cher Leute, dass sie vornehmlich im Wald jagen?
                               Dr. Rudolf Neumaier                   Neumaier: So ließ sich jedenfalls auch der stellvertretende
                                                                     ÖJV-Vorsitzende Ulrich Haizinger im Bayerischen Fernse-
                               Der frühere SZ-Redakteur be-          hen zitieren. In seinem Revier habe ich auf etwa 400 Hektar
                               schäftigt sich seit vier Jahren mit   35 Hochsitze vor dem Wald gezählt. Auch dort arbeitet man
                               dem Thema Wald und Rehe. Im           übrigens mit Plastik-Verbissclips.
                               Zuge seiner Recherchen machte
                               er den Jagdschein. Mit seinem         JAGD: Wie funktioniert diese „Jagdbewirtschaftung“ dann
                               Enthüllungsbericht „Rehe – Zum        waldbaulich?
                               Abschuss freigegeben“ gewann          Neumaier: Wohl kaum besser als mit einem Jagdpächter,
                               er 2021 den DJV Journalistenpreis     der anständig mit dem Wild und trotzdem verantwor-
     in der Kategorie „Wildtier und Umwelt“. Derzeit schreibt er     tungsvoll mit den Flächen der Jagdgenossen umgeht. Ich
     ein Buch über Rehe.                                             dachte mir bei dem ehemaligen Berufsjäger: Was für ein
                                                                     Märchenonkel! Ich bin dann nochmal hingefahren. Mit ei-

24   JAGD
        in Bayern
                    4-2022
REVIERPRAXIS
                                                                                                       bau oh ne S chutzmaßnahmen
                                                                                                 Waldum

nem Förster. Wir sind ein bisschen tiefer in den Wald ge-
gangen. Wir entdeckten junge Tannen mit Verbissclips, und
zusätzlich waren sie noch bestrichen. Dann haben wir an
den Pflänzchen gezogen und festgestellt: Sie waren ge-
pflanzt. Von wegen Naturaufkommen. Vor kurzem bin ich
erst wieder durch eine andere Eigenbewirtschaftung spa-
ziert: Auf eineinhalb Kilometern an einem Wirtschaftsweg
entlang mindestens acht Pflanzungen mit Zäunen, in ei-
nem anderen Revierteil ebenfalls ein Zaun.

JAGD: Sowas zeigt man den Waldbauern wahrscheinlich
nicht, wenn man Werbung gegen Rehe macht. Was kann
man gegen solche Auswüchse tun?
Neumaier: Jäger haben Respektlosigkeiten gegenüber
dem Wild geschehen lassen. Jetzt sind welche aus betrof-
fenen Gebieten an mich herangetreten. Ihre grauenvollen
Geschichten von den Drückjagden in diesen Revieren las-
sen sich schwer verifizieren, aber auch da werden mit der
Zeit unerfreuliche Wahrheiten ans Tageslicht kommen.
Erst mal kann man auf jeden Fall solche Lügen sammeln
und bloßstellen. Es gibt Fotos von einer Douglasien-Kultur,                     Clips und Verbissschutzmittel auf einer angeblichen Natur-
die vor kurzem mit dem Staatspreis ausgezeichnet wur-                           verjüngung in Lohbruck. Es war eindeutig zu erkennen, dass
de. Auch dort wurde lauthals verkündet, es sei alles ohne                       hier gepflanzt worden war.                Foto: Dr. Rudolf Neumaier
Schutz und allein mit einer Anpassung des Rehwildbestan-
des vonstattengegangen. Aber es war gezäunt und teil-
weise angestrichen. Nach einem programmatischen Wald-
vor-Wild-Seminar fand in der Nähe eine Begehung von                             clips. Nicht nur auf Tannen, sogar auf Fichten! Es geht halt
Waldbauern und Förstern statt. Die natürlich gewachsenen                        oft nicht anders. Wenn man den Bäumchen Licht verschaf-
jungen Nadelbäume waren nicht geschützt. Wenn Sie da                            fen würde, wären sie schon aus dem Äser.
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