Bouquet JANUAR BIS APRIL 2019 - Sardinien Insel der Hundertjährigen

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Bouquet JANUAR BIS APRIL 2019 - Sardinien Insel der Hundertjährigen
53. AUSGABE > MAGAZIN 1/2019

Bouquet
JANUAR BIS APRIL 2019

 Sardinien
   Insel der Hundertjährigen

 Philosophie
   Tagträume

 Bremensien
   Die Eiswette
   34. Bremer Samba-Karneval
   Bremer Stadtmusikanten

                                Mit Sonderseiten
                               „KaF – Kunst aus Findorff“
Bouquet JANUAR BIS APRIL 2019 - Sardinien Insel der Hundertjährigen
2   BOUQUET 1/2019

    Sommerfest in der Residenz
Bouquet JANUAR BIS APRIL 2019 - Sardinien Insel der Hundertjährigen
BOUQUET 1/2019        3

                                                                              Editorial
Liebe Leserinnen und liebe Leser,
Jedes Mal, wenn wir in der Redaktion die erste Jah-    Veröffentlichung des Märchens der Gebrüder Grimm
resausgabe von BOUQUET angehen, überkommt              im Jahr 1819 widmet sich vom 23. März bis 1. Sep-
mich eine gewisse Wehmut und zugleich eine große       tember 2019 die Kunsthalle Bremen in einer großen
Vorfreude auf ein neues Jahr. Im Spätsommer begin-     Sonderausstellung dem Bremer Wahrzeichen „Den
nen wir mit unserer Arbeit am neuen Heft. Einerseits   Bremer Stadtmusikanten“ mit Kunst, Kitsch und Ka-
noch ganz erfüllt vom Sommer, bereiten wir uns doch    rikatur. Die BOUQUET skizziert in ihrem neuem Teil
schon auf den kommenden Herbst und den Winter          „Bremensien“ die Besonderheiten der Freien Hanse-
vor. Jede einzelne Blüte sehen wir nun mit besonde-    stadt Bremen und stellt Ihnen die wohl bekanntes-
rer Aufmerksamkeit an, jeden Apfel, der vom Baum       ten Tiere der Stadt vor: Das Märchen erzählt von 4
in den Korb wandert, betrachten wir als einen beson-   Tieren – dem Esel, dem Hund, der Katze und dem
deren Schatz – denn bald werden all diese Farben,      Hahn. Alle diese Tiere sind alt geworden und nützen
die Düfte und die Wärme für eine ganze Reihe von       ihren Besitzern nicht mehr. Bevor sie getötet werden,
Monaten verschwunden sein.                             können sie entkommen. Zufällig treffen die Tiere auf-
                                                       einander und folgen dem Vorschlag des Esels nach
Die Jahreszeiten sind für mich eine der wunderbars-    Bremen zu gehen. Dort wollen sie als Stadtmusikan-
ten Erfindungen der Natur. Altvertraut und doch        ten ihren Lebensunterhalt verdienen.
immer wieder anders macht uns jeder Wechsel neu-
gierig und zwar genau dann, wenn wir das Gefühl        Die BOUQUET stellt Ihnen textlich und mit vielen
haben, es sei nun genug Sommer, Herbst, Winter         wunderschönen Bildern das Phänomen der Hun-
oder Frühling gewesen.                                 dertjährigen von Sardinien vor, dort kommen auf
                                                       100.000 Einwohner durchschnittlich 21 Menschen,
Lassen Sie es mich mit den bekannten Worten von        die über 100 Jahre alt sind. Belegbare Gründe, wa-
Albert Camus umschreiben: „Mitten im Winter erfuhr     rum die Menschen hier so alt werden, gibt es noch
ich endlich, dass in mir ein unvergänglicher Sommer    nicht. Jedoch vermuten Altersforscher, dass der rela-
ist!“                                                  tiv stressfreie, ländliche Lebensstil sowie genetische
                                                       Komponenten eine Rolle spielen. Der Rest bleibt das
Auch jetzt ist es wieder so weit, der Sinn steht uns   Geheimnis der Sarden...
nach Veränderung, heißen Sie das neue Jahr und seine
Vielfältigkeit herzlich willkommen.                    Viel Freude mit BOUQUET!

Anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der ersten       Herzlichst Ihre

     Sven Beyer - Geschäftsführer                                   Angela Bauriedl - Redaktion BOUQUET
Bouquet JANUAR BIS APRIL 2019 - Sardinien Insel der Hundertjährigen
4   BOUQUET 1/2019

    Inhalt
                                            2    Sommerfest
                                                 in der Residenz

                                            3    Editorial

                                            6 Sardinien:
     6                                           Insel der Hundertjährigen

    Sardinien: Insel der Hundertjährigen
                                           10    Philosophie:
                                                 Tagträume

                                           12    Essay:
                                                 Wohin geht die Reise?

                                           14    Bericht:
                                                 Reisen ist Leben
     10                                    16    Nachbarn der Residenz
    Philosophie: Tagträume
                                                 Magda Pauli

                                           18    Kolumne:
                                                 „Hatschi“! - Gesundheit!

                                           19    Sonderseiten:
     19                                    bis
                                           38
                                                 KaF
                                                 Kunst aus Findorff
    Sonderseiten:
    KaF - Kunst aus Findorff
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39   Gedicht:
     Der Stern

40 Bremensie:
     Die Bremer Eiswette

42   Bremensie:
     Bremer Samba-Karneval
                                                             40
44 Kolumne:                  Bremensie:
                             Die Bremer Eiswette
     Die Bremer
     Stadtmusikanten

45   Gedicht:
     Neujahrsgedicht

46 Auf einen Espresso...

                                                             46
     Mirco Wienberg

48 Sicherheitstipps
     für Seniorinnen         Auf einen Espresso… Mirco Wienberg

     und Senioren

50   Küchen der Welt -
     Vietnam

52   Kulinarik:
     Leckeres aus der

                                                              50
     ResidenzKüche

54   Vorschau –
     Kultur – Programm       Küchen der Welt - Vietnam
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    Sardinien
    Insel der Hundertjährigen

    A
           n verschiedenen Orten der Erde, die als      Warum die Männer auf Sardinien den Frauen in
           Blue Zones bezeichnet werden, gibt es sta-   der Lebenserwartung nicht hinterherhinken ist
           tistische Häufungen extrem Hochaltriger,     bislang unklar.
    dazu zählen: Sardinien, Ikaria in Griechenland,
    Loma Linda in Kalifornien, die Nicoya-Halbinsel     Zu den Faktoren, die die verbreitete Langlebig-
    in Costa Rica und die japanische Insel Okinawa.     keit unterstützen, gehört die proteinreiche Er-
                                                        nährung mit Fisch, der Einsatz der vielfältigen
    Neben möglichen genetischen Eigenschaften           Kräuter der Insel, der ausgiebige Aufenthalt an
    teilen die Bewohner dieser Orte grundsätzlich       der frischen Meeresluft und nicht zuletzt der
    die folgenden Einflüsse und Gewohnheiten: Ein       hausgemachte Rotwein. Manche Sarden sagen
    stressarmes Leben, einen starken Familienver-       von sich, noch nie im Leben Wasser getrunken
    band und vielfältige soziale Kontakte, körper-      zu haben.
    liche Aktivität sowie ausgewogene und nicht
    übermäßige Ernährung.                               Das Gläschen Cannonau, wie der sehr dunkle,
                                                        schwere Rotwein heißt, gehört zum Leben der
    In insgesamt 14 Bergdörfern im Osten Sardi-         Sarden unbedingt dazu. So gut wie jeder Bau-
    niens leben mehr als 31 über Hundertjährige pro     er auf Sardinien hat seinen eigenen Weinberg.
    100.000 Einwohner, während der Durchschnitt         Aber die Alten trinken maßvoll. Und wie wis-
    in ganz Sardinien immer noch bei 21 liegt.          senschaftliche Studien bestätigen, ist gerade
                                                        Rotwein dank der darin enthaltenen natürlichen
    In den Dörfern auf Sardinien ist das Verhältnis     Pflanzenschutzstoffe sogar gut für die Gesund-
    von Frauen zu Männern zwei zu eins, und im ge-      heit – vorausgesetzt, die Dosis stimmt.
    birgigen Innern der Insel steht es sogar eins zu
    eins zwischen Männern und Frauen.
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                                       Zu den weiteren Vermutungen gehört, dass der
                                       relativ stressfreie, ländliche Lebensstil ebenso
                                       dafür verantwortlich sein könnte oder sogar ein
                                       gewisses Maß an Inzucht, das sich in einer seit
                                       Jahrhunderten abgeschlossen lebenden Inselbe-
                                       völkerung gar nicht vermeiden lässt. Auch ein
                                       besonders risikoloses Leben scheinen die Sarden
                                       nicht zu führen. Viele der heute Überhundert-
                                       jährigen waren jahrzehntelang starke Raucher,
                                       und als Jugendliche waren sie genauso risiko-
                                       freudig wie alle jungen Menschen auf der Welt.

                                       Einige Wissenschaftler vermuten das Geheim-
                                       nis der Sarden in den Genen. Tatsächlich gibt
                                       es Anhaltspunkte, dass das für die Männlichkeit
                                       verantwortliche Y-Chromosom leicht veränderte
                                       Erbanlagen enthält. Doch auch die so genann-
                                       ten Mitochondrien, die „Kraftwerke“ der Zelle,
                                       könnten besonders gut vor den schädlichen Ab-
                                       bauprodukten des Stoffwechsels geschützt sein,
                                       die den Alterungsprozess beschleunigen. Hand-
                                       feste Beweise für diese Vermutungen existieren
                                       jedoch noch nicht. Daran wird ebenso gearbei-
                                       tet, wie an dem Verdacht, dass die Menschen auf
                                       Sardinien ein außerordentlich stabiles Immun-
                                       system besitzen könnten. Normalerweise wird
Rita, 104 Jahre (Gavoi)
                                       das Immunsystem im Alter schwächer. Doch bei
                                       den Sarden beginnt eben diese Immunkompo-
                                       nente im Alter zwischen 60 und 70 noch einmal
                                       besonders stark zu werden. Aber vielleicht färbt
                                       die Langlebigkeit ja auch nur ab.

                                       In zwei Punkten sind sich die Wissenschaftler si-
                                       cher: Bewegung und Ernährung der Inselbewoh-
                                       ner tragen zu großen Teilen bei zu ihrem langen
                                       Leben. Auf dem Weg zu ihren Feldern legen sie
                                       täglich mehrere hundert Höhenmeter zurück.
                                       Dass sich Treppensteigen positiv auf die Lebens-
Peppino, 103 Jahre (Cabras)            erwartung auswirkt, ist allerdings kein Geheim-
                                       nis.

                                       Essensgewohnheiten der Sarden
                                       Die Speisekarte birgt schon eher eine Über-
                                       raschung: Von traditioneller mediterraner,
                                       fleischarmer Diät mit viel Fisch wollen die Sar-
                                       der nichts wissen. Fisch? „Niemals“, lautet meist
                                       die energische Antwort der alten Menschen auf
                                       diese Frage. Wo auch immer man sie stellt: Hier
Giovanna Maria, 102 Jahre (Cuglieri)   in den Bergen hat man „eine Abneigung gegen
Bouquet JANUAR BIS APRIL 2019 - Sardinien Insel der Hundertjährigen
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    das Meer“. Eine typische Mahlzeit beginnt mit
    getrockneten Würsten oder Schinken und den
    „Thipula“. Das sind Krapfen aus Kartoffelpüree,
    Mehl und Ei. Auf die Vorspeisen folgen oft die
    „Culurgiones“, birnenförmige Ravioli, die mit
    Püree, Pecorino und frischer Minze gefüllt sind.
    Danach kommen die Fleischgerichte: Hammel
    oder Schwein oder beides, begleitet von einem
    gemischten Salat. Zum Nachtisch gibt es Obst
    oder Kuchen.

    In den Familien gehört es zur Tradition, quasi als   Anna, 100 Jahre (Cagliari)
    Milchvorrat auf vier Beinen eine Ziege im Hof zu
    halten, und deren Milch gab (und gibt es heute
    noch) es zum Frühstück und darin eingebrockt
    ein wenig „Pane pistoccu“, wie das harte, haltba-
    re Sardenbrot der Berge heißt.

    Die Sarden fragen nicht nach Erlaubnis, wann
    (oder was) sie essen dürfen! Gesundheitsex-
    perten mögen noch so plausible Begründungen
    für diese oder jene Ernährungsregel geben – die
    Leute in den Bergen lachen über solche Theori-
    en. Sie essen, wenn sie Hunger haben, und sie
    essen, was gerade da ist – aber bei den Alten        Angelo, 100 Jahre (Alghero)
    sind die Portionen sehr bescheiden.

    Ganz und gar mediterran allerdings sind der
    Genuss und die Geselligkeit, die die Mahlzeiten
    begleiten.

    Lebenseinstellung der Sarden
    Das Wichtigste: Die Familie ist den Sarden heilig.
    Egal, was kommt, man zieht an einem Strang.
    Im Zusammenspiel der Generationen bekommt
    die harte Arbeit, die das Selbstversorgerleben je-
    dem Einzelnen abverlangt, damit einen tieferen       Vitorio, 103 Jahre (Perdsdefugo)
    Sinn. Und jeder weiß: Im Ernstfall bin ich nicht
    alleine – auch nicht im Alter. Im Gegenteil, die
    Alten sind der familiäre Mittelpunkt, um den das
    Leben kreist. Man hört hier keine Klagen. Die
    Menschen sind zufrieden. Sie finden immer ei-
    nen Grund zu lachen. Von Verbitterung im Alter
    ist hier nichts zu spüren.

    Villagrande Strisaili - ein Bergdorf

    Villagrande Strisaili ist eines der 14 Bergdör-
    fer im Osten der Insel Sardinien, in denen pro
                                                         Guilio, 104 Jahre (Sperate)
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100.000 Einwohner 31 über Hundertjährige le-
ben. Deswegen ist das Dorf seit 1999 eine Art
Echtzeitlabor. Biologen, Demografen, Genetiker
und Endokrinologen versuchen, dem Rätsel der
Langlebigkeit auf die Spur zu kommen.

Die Lebens- und Gesundheitsberaterin Ulla
Rahn-Huber ging dem Geheimnis der Langle-
bigkeit der Sarden nach und schrieb in ihrem
Buch „Das Geheimnis der Hundertjährigen von
Sardinien“: „Ich habe den 95-jährigen Michelino
Scudub aus Villagrande Strisaili gefragt, ob er
100 Jahre alt werden will, da wurde er fast är-      Paolo, 103 Jahre (Borutta)
gerlich: „Das ist schon viel zu nah, ich will viel
länger leben!“ Scudub ist ein Energiebündel.
Sobald er morgens seinen Kaffee getrunken hat,
wandert er die steile Straße aufwärts, in der er
wohnt, und steigt in seinen Fiat Panda. Mit dem
verlässt er sein Dorf, um über die vielen Haarna-
delkurven der sardischen Berge einen seiner Ge-
müseäcker zu erklimmen. Wenn er nachmittags
nach Hause zurückkehrt, macht er Mittagsschlaf
und danach seinen Rundgang durchs Dorf, um
die obligatorischen Schwätzchen zu halten. Soll-
te Freitag sein, wird er noch eine Gymnastik-Ses-
sion einlegen.“
                                                     Ignio, 103 Jahre (Villanova Strisali)

Die Hundertjährigen im Portrait
Im Sommer 2018 hatte ich die Ehre die Mittel-        Besonders beeindruckt hat mich eine Fotoaus-
meerinsel Sardinien zu besuchen. Ich war über-       stellung von Hundertjährigen in Alghero. Die
rascht von der Weltgewandtheit und Offenheit         Stadt hat die lebensnahen Porträts von insge-
der Einwohner. Aber auch vom Traditionsbe-           samt 20 Einwohnern der Insel, die über 100
wusstsein und dem Festhalten an alten Riten          Jahre alt sind, an markanten Stellen der Altstadt
und Gebräuchen. Und vor allem von der Sorge          als großflächige Fotografien zur Schau gestellt.
um die Naturbelassenheit der Insel, die die Sar-     In der Zeit von März bis Oktober 2017 hat die
den über alles schätzen und auch zu hüten bereit     Künstlerin Daniela Zedda diese Menschen in
sind.                                                ihrem authentischen Lebensraum abgelichtet
                                                     und an den Fassaden der Stadt eine wunderbare
                                                     Schau der späten Lebensfreude gestaltet. Leider
                                                     reichte meine freie Zeit während des Urlaubs
                                                     nicht aus, um alle Bilder zu finden und zu foto-
                                                     grafieren. Allein für die Suche nach der ältesten
                                                     fotografierten Einwohnerin brauchte ich eine
                                                     geschlagene dreiviertel Stunde.

                                                     Wohlsein – auf ein langes und sinnerfülltes Le-
                                                     ben!

Tatiana, 102 Jahre (Cagliari)                        > Angela Bauriedl
Bouquet JANUAR BIS APRIL 2019 - Sardinien Insel der Hundertjährigen
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     Tagträume

     T                                                     Inhalt und Dauer von Tagträumen
            agträume haben uns ständig begleitet,
            sie waren immer da, in unserer Kindheit
            (dort vor allem), in der Jugend, aber auch     Tagträume kann es zu allen, den wichtigen wie
     in den späteren Jahren – bis heute. Wir können        auch den trivialen Umständen unseres Lebens
     Tagträume willentlich herbeiführen, wenn wir          geben. Dabei scheinen der Phantasie kaum
     unsere Gedanken bewusst schweifen lassen und          Grenzen gesetzt zu sein; doch kann das Gehirn
     uns dabei in die innere Welt unserer Phantasie-       seine Traumbilder stets nur aus dem Bestand
     bilder versetzen. Tagträume entstehen aber auch       der von ihm abgespeicherten Daten des eigenen
     von sich aus, immer dann nämlich, wenn unser          Erfahrungs- und Empfindungshorizonts schöp-
     Verstand gerade nicht auf die Bewältigung einer       fen. Wir bauen uns Luftschlösser und neue
     vor uns liegenden Aufgabe konzentriert ist, wir       Wirklichkeiten, denken uns auch die Erfüllung
     vielmehr in entspannter Stimmung sind und un-         von Wunschvorstellungen aus, z.B. wie eine Be-
     sere Gedanken kein bestimmtes Ziel haben.             gegnung mit jemandem, an dem uns viel liegt,
                                                           ausgehen könnte. Wir gestalten gedanklich auch
     So ist es z.B. auch bei einer Arbeit, die uns nicht   Vergangenes um, etwa indem wir uns ausmalen,
     viel Aufmerksamkeit abverlangt, oder bei einer        wie wir eine erlebte Situation erfolgreich – wohl
     uns wenig fesselnden Veranstaltung. Denn un-          anders als wie in Wirklichkeit geschehen – be-
     ser Gehirn ist nie müßig, und immer dann, wenn        wältigt hätten. Übrigens haben die meisten Tag-
     wir es nicht zur Lösung eines bestimmten Vorha-       träume einen angenehmen Inhalt. Hier bringt
     bens beanspruchen, wird es von sich aus aktiv         sich anscheinend ein uns innewohnendes Har-
     und bringt die Phantasien der Tagträume her-          moniebedürfnis zur Geltung.
     vor. Wir nehmen diese durchaus bewusst wahr,
     befinden uns aber doch in einer Art von Trance.       Die Dauer von Tagträumen ist sehr verschie-
     Unsere Aufmerksamkeit entfernt sich dabei von         den; sie können sehr lange andauern oder sich
     den Sinneseindrücken aus der Außenwelt, und           auf wenige Sekunden beschränken. Interessant
     wir erleben eine leichte Form von Bewusstseins-       ist, wie viel Zeit wir insgesamt mit Tagträumen
     erweiterung.                                          verbringen. Forschungsbefunde sprechen dafür,
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dass deutlich mehr als ein Drittel der gesamten
Zeit unseres Wachseins von Tagträumen beglei-
tet wird: Das wäre ja dann wirklich ein bemer-
kenswert großer Teil unseres gesamten Lebens!

Sind Tagträume sinnvoll?
Tagträumen stand man früher eher ablehnend
gegenüber. Sigmund Freud etwa sah in ihnen
Hinweise auf eine mögliche Neurosenentwick-
lung. Und ein Tagträumer wurde meist als je-
mand verstanden, der als Phantast oder Tage-
dieb für ein tätiges Leben wenig taugte. Diese
Sicht hat sich heute aber durchaus gewandelt.

Zwar wäre es nicht gut, wenn jemand übermä-
ßig von düsteren und belastenden Phantasie-
bildern betroffen wird; hier kann sich u.U. die
Frage einer depressiven Verstimmung stellen.
Und es ist auch nicht sinnvoll, wenn man sich
zu sehr in seiner Phantasiewelt verliert und die
Anbindung an das reale Leben dadurch leidet.
Aber für alle die Tagträume, die sonst das Dasein
der Menschen ständig begleiten, fällt das Urteil
anders aus:                                         Heute geht man davon aus, dass das Tagträu-
                                                    men eine ungemein produktive und bedeutsa-
So weiß man heute, dass sich die Lösung einer       me Tätigkeit ist. Die Tagträume, die unseren
Aufgabe mitunter eher durch ein ungezwun-           Alltag in so weitem Ausmaß ausfüllen, sind für
genes Vor-sich-hin-Sinnieren im Tagtraum als        uns wichtig, um uns im Leben zurechtzufinden.
durch ein angestrengtes und konzentriertes          Wir brauchen sie ebenso wie die Träume unseres
Nachdenken finden lässt. Die im Tagtraum sich       Nachtschlafes. „Bewahr dir deine Träume“, rät
ständig vollziehenden Neuverknüpfungen von          uns auch Charles Baudelaire, meint aber auch:
Gedankeninhalten im neuronalen Netz des Ge-         „Viel schöner als der Weise träumt der Narr“. _
hirns fördern das Denken und einen voraus-
schauenden Blick. Das Gehirn wird dabei orga-       Eines ist jedenfalls klar: Die menschliche Evolu-
nisiert und trainiert. Das Schweifenlassen der      tion hat uns nicht ohne Sinn mit einem Gehirn
Gedanken, mit dem verschiedenartige Szenarien       ausgestattet, das immer wieder zum Träumen
durchgespielt werden, begünstigt die Fähigkeit,     neigt und Phantasien hervorbringt.
unterschiedliche Blickwinkel einzunehmen und
neue Perspektiven und innovative Gedankenket-       Geben wir uns also ohne Widerstreben unseren
ten zu entwickeln. So vermag das Tagträumen         Tagträumen hin. Das ist für uns ungleich besser,
auch die eigene Kreativität zu beflügeln. Beken-    als etwa einen großen Teil des Tages vor dem
nende Anhänger von Tagträumen unter Künst-          Fernsehgerät zu verbringen!
lern (so Woody Allen, Joanne K. Rowling) und
Wissenschaftlern (auch Albert Einstein) haben       > Dr. Hartwin von Gerkan
bekundet, sie verdankten ihre besten Ideen ih-
ren Tagträumen. Nicht zuletzt können Tagträu-
me uns Gewissheit darüber geben, was uns ge-
fühlsmäßig wichtig ist und was wir erstreben.            Dr. Hartwin von Gerkan lebt seit 2011
Und sie tragen dazu bei, negative Gefühle zu             in der Residenz in der Contrescarpe.
bewältigen.
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     Wohin geht die Reise?
     W
               as war das für ein herrlicher Som-         weiteres. Es ist kein Problem, wenn es beim Ein-
               mer 2018!! Sogar hier in Bremen wo-        steigen heißt: „Bitte steigen Sie links ein. Die
               chenlang nur Sonne! Sonne! Sonne!          rechte Tür ist defekt.“ Beim Aussteigen ist das
     Bis 36° im Schatten. Und kein Tropfen Regen!         natürlich auch zu beachten. Beeilung! Der Zug
     Es war nicht mehr auszuhalten! Um zu überle-         hält nur kurz in Bremen! Als etwas belastend
     ben, ging ich täglich ins Schwimmbad, was ich        empfand ich es bei einer Temperatur von nahe-
     normalerweise vermeide. Mich tröstete die Aus-       zu 30° - drinnen wie draußen - allerdings, als
     sicht, im August für drei Wochen nach Sylt zu        es hieß: „Leider funktioniert die Klimaanlage im
     fahren. Herrlich! Dort kann man sich von der         Wagen Nr. 14 nicht. Bitte suchen Sie sich bei Be-
     Hitze in Bremen erholen, weil bei frischer See-      darf einen Platz in einem anderen Wagen!“ Weil
     luft mit Sicherheit moderatere Temperaturen          bei mir Bedarf bestand, ging ich auf die Suche.
     herrschen. Allerdings bekam ich Ende Juli die        Dass der Speisewagen gesperrt war, weil sich
     Nachricht aus Sylt, es sei dort entsetzlich heiss,   die geöffneten Fenster nicht schließen ließen,
     kein Lüftchen rege sich, das Meer sei spiegelglatt   war zwar ärgerlich, aber nicht zu ändern. Man
     und voller Quallen! An Schwimmen sei nicht zu        war schon dankbar, wenn einem ein nahezu
     denken! Na toll! Aber - na ja, manche Leute nei-     bewusstloser Bahnangestellter eine Flasche lau-
     gen zu Übertreibungen; bestimmt ist es nur halb      warmen Wassers oder Cola verkaufte.
     so schlimm.
                                                          Überraschenderweise herrschte auf Sylt abso-
     Das größte Problem am Verreisen ist das Koffer-      lut kein Sommerwetter wie in Bremen, sondern
     packen. Eigentlich ein Grund für mich, zu Hause      eine äußerst frische Brise. Während der ganzen
     zu bleiben. Aber diesmal bei der Hitze war es        drei Wochen waren es 18 bis 20°. Dabei Wind-
     natürlich relativ einfach: Leichte Hosen, dünne      stärke 3 oder 4, sogar mal 6! Brrrr! Und die Son-
     Jacke, Shirts, Badesachen, Socken, Sandalen          ne hatte sich ziemlich verausgabt, in den gan-
     und selbstverständlich jede Menge Sonnen-            zen drei Wochen gab es nur 5 oder 6 Tage, an
     schutzmittel. Na gut, sicherheitshalber auch ein     denen die Sonne zeitweise schien. Gut, dass ich
     warmer Pulli – natürlich nicht den ganz dicken -,    meinen Anorak dabei hatte! Aber wie sah es im
     Halbschuhe und Anorak. Das war vermutlich            Übrigen mit meiner Ausstattung aus? Im Koffer
     alles überflüssig, aber man weiß ja nie!             befand sich hauptsächlich Hochsommerliches.
                                                          Also war ich gezwungen, umgehend bei „Steffi“
     Die Reise selbst könnte nicht einfacher sein:        in der Friedrichstraße zwei flotte Pullis zu kau-
     Direkte Zugverbindung Bremen – Westerland in         fen. Und mich erfasste heftige Sehnsucht nach
     knapp 4 1/2 Stunden, mit Sitzplatzreservierung       meiner dicken, flauschigen Strickjacke, die mich
     Wagen Nr. 14. Selbstverständlich verkraftet der/     stets zuverlässig vor Frösteln bewahrte und auch
     die einigermaßen gesunde und intelligente Rei-       hier bewahrt hätte, wenn sie nicht zu Hause im
     sende die Mängel bei der Deutschen Bahn ohne         Kleiderschrank hängen würde.
13

Fast jeden Morgen, wenn ich im Hotelzimmer           Wenn ich die Menschenmassen auf Sylt sehe,
die Gardine aufzog, der gleiche deprimierende        wundert es mich nicht im Geringsten, dass sei-
Anblick: Düstere Wolken über einem aufgewühl-        tens der Raumfahrtexperten für die Zukunft die
ten grauen Meer. Und das Mitte August nach           Möglichkeit anvisiert wird, dass die Menschen
einem zuvor superheißen Sommer! Ob Sie es            regelmäßig zum Mond reisen und sich dort auch
glauben oder nicht, es gab 2 bis 3 Menschen, die     ansiedeln könnten. Für die Hinfahrt braucht
sich regelmäßig frühmorgens ins Meer stürzten.       man nicht mal seinen Jahresurlaub zu opfern,
                                                     sie dauert nur drei Tage. Des Weiteren hat man
Wenn sich die Sonne mal sehen ließ, saß ich          den Mars im Visier. Hier sieht es schon anders
natürlich im Strandkorb. Hier ergab sich ein un-     aus, man ist für die Hinreise immerhin ein hal-
glaublicher Zufall: Meine Strandkorbnachbarin,       bes Jahr unterwegs. Aber auch wenn eines Tages
Frau Sch. aus F., früher Journalistin, war we-       Tomaten und Salat auf dem Mond wachsen soll-
gen ihres Asthmas nach Sylt übergesiedelt. Das       ten, wird er nie konkurrieren können mit unse-
Asthma war verschwunden. Aber lebenslang das         rer wunderschönen, lebendigen, bunten, chaoti-
ganze Jahr über auf Sylt? „Der Winter ist schreck-   schen, wenn auch ständig von Katastrophen und
lich!“ vertraute sie mir an. Und weiter: „Durch      Kriegen heimgesuchten Erde.
meinen Beruf bin ich viel herumgekommen, aber
eigentlich stamme ich aus Bremen!“ „Ich auch,“       Wieder zurück in Bremen - Sonnenschein, Wär-
sagte ich. „Wo haben Sie in Bremen gewohnt?“         me, kein rauer Wind! Es ist wunderbar, wieder
Frau Sch.: „Am Wandrahm, gegenüber der Feu-          zu Hause zu sein. Übrigens werde ich mich ganz
erwehr!“ Und weiter: „Unter anderem war ich          sicher nicht auf die Reise zum Mond begeben!
bei Radio Bremen. Aber zu allererst war ich bei      Dort ist mir das Wetter zu unsicher.
der Firma X an der Bürgermeister-Smidt-Straße
beschäftigt.“ Ich: „Dann kennen Sie gewiss auch      > Erika Rauser
unseren früheren Nachbarn, Herrn Y, der dort
in der Geschäftsführung tätig war?“ Frau Sch.:
„Natürlich!“ Langweilig war es also keineswegs;
nur herrschte nicht das richtige Wetter. Mein
Vorrat an Sonnenschutzmitteln wird vermutlich
bis an mein Lebensende reichen, weil er weitge-
hend geschont wurde.

Wohin eventuell die nächste Reise gehen soll,
das muss ich mir sehr gut überlegen. Wobei mir
– fortgeschrittenes Alter, alleinstehend – natür-
lich Grenzen gesetzt sind.

Hinsichtlich ihrer Reiseziele haben die Men-
schen bekanntlich breit gefächerte Ambitionen.
Der eine fährt seit 40 Jahren ins Sauerland,
der andere will nach Peru, einer bevorzugt die
Nordsee, der nächste die Riviera. Zum Beispiel
hat der japanische Milliardär Yusaku Maezawa
einen ausgesprochen exklusiven Geschmack. Er
hat bereits für 2023 beim SpaceX-Chef ein Ticket
für die Fahrt zum Mond gekauft. Als gewiefter
Geschäftsmann hat Herr Maezawa weise voraus-
schauend gehandelt, um nicht Gefahr zu laufen,
dass die Tickets 2023 eventuell vergriffen sind.

                   Erika Rauser lebt seit 2011 in der Residenz in der Contrescarpe.
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     Reisen ist Leben
     „Nur Reisen ist Leben, wie umgekehrt Leben Reisen ist.“
     (Jean Paul, 1763 - 1825, deutscher Dichter, Publizist und Pädagoge)

     Im Januar 1941 stand ich zum ersten Mal auf Al-             tet Clas Schierenbeck, der als Übungs- und Fahr-
     pinskiern. Von meinen Eltern habe ich das Ski-              tenleiter beim Bremer Skiclub fungiert. Es stellte
     laufen gelernt. Nach dem Krieg reiste ich mit mei-          sich heraus, dass Käthe Seidel aus Rablinghausen
     nen Eltern nach Österreich und in die Schweiz.              1963 einen Tipp bekommen hatte und deswegen
     Im Oktober 1968 bin ich beim Bremer Ski-Club                zu Fuß bis zur Planneralm wanderte und so den
     (BSC) eingetreten. Später lief ich mit der Gruppe           kleinen Ort für den Bremer Skiclub entdeckte.
     vom BSC auf der Planneralm/Steiermark (Öster-               Seitdem organisiert der Skiclub regelmäßige Fa-
     reich). Jetzt bin ich seit 50 Jahren beim BSC.              milien- und auch Singlefahrten in das österreichi-
                                                                 sche Skigebiet. Auf der Januarfahrt 2013 wurde
     Planneralm: „Vor 50 Jahren entdeckte Käthe                  das 50-jährige Jubiläum dann mit Unterstützung
     Seidel die Planneralm und veränderte damit das              von Bürgermeister Karl Lackner ausgelassen ge-
     Vereinsleben des Bremer Skiclubs. Seit 1963 ver-            feiert. Lackner dankte den Bremern besonders für
     anstaltet der Skiclub jährlich vier Fahrten in das          ihren Anteil an den touristischen Entwicklungen
     kleine Skigebiet in der Steiermark. Für die skibe-          des Skigebiets Planneralm. (…)“ (Auszug aus dem
     geisterten Bremerinnen und Bremer ist die Plan-             Weser-Kurier, 12.05.2013)
     neralm schon wie ein zweites Zuhause. Auch die
     Almbewohner freuen sich immer wieder über die               Im August / September 1965 bin ich mit meinen
     Gäste aus Norddeutschland.                                  Eltern zum 1. Mal mit dem Flugzeug nach Athen
                                                                 (Griechenland) geflogen. Ferner flogen wir ge-
     Im Skigebiet Planneralm sind sogar die Taxifahrer           meinsam nach Korfu, Rhodos und Kreta.
     aus Bremen, und der Lift-Chef ist großer Werder-
     fan. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn der           Später unternahm ich 15 Mal mit dem Reisever-
     Bremer Skiclub fährt seit 50 Jahren in das kleine,          anstalter baumeler Wanderreisen.
     aber auch höchstgelegene Skigebiet in der Steier-
     mark. „Ich saß im Taxi zum Skiort und mein Ta-              Baumeler ist spezialisierter Veranstalter von Ak-
     xifahrer, der zufällig auch aus Bremen kam, hatte           tivreisen auf der ganzen Welt. Die angebotenen
     vor 20 Jahren schon mit Käthe Seidel gesprochen,            Reisen sind authentisch, genussvoll, innovativ,
     die ihm von der Planneralm erzählte – also haben            abenteuerlich und bieten hohe Erlebniswerte.
     wir angefangen, genauer nachzuforschen“, berich-            Der Schwerpunkt der Reiseziele liegt in Europa
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mit seiner großen, vielfältigen Natur, Landschaft    die Sehnsucht danach. Sich lebendig fühlen, Neues
und Kultur. Auch bei Übersee-Reisen konzentriert     erleben, Spaß haben, der grauen Eintönigkeit un-
sich baumeler-Reisen nicht auf Palmenstrände,        seres Alltags (für kurze Zeit) entgehen, alte Sor-
sondern auf einen Einblick in die Lebensweise der    gen (vermeintlich) hinter uns lassen – all das ist
Bewohner. Ihre Reisen sollen zum Kennen- und         es doch, was wir mit dem Reisen verbinden. Ein
Verstehenlernen anderer Länder und Menschen          paar Zitate über das Reisen und Leben von Dich-
beitragen und echte Begegnungen und überra-          tern und Denkern:
schende Erlebnisse im Reiseland vermitteln. Da-
rauf sind baumeler-Reiseleiter sensibilisiert, sie   „Reisen ist die Sehnsucht nach dem Leben!“
sind gut ausgebildet, professionell und vermitteln   (Kurt Tucholsky)
Mehrwert.
                                                     „Eine Reise ist ein Trunk aus der Quelle des Lebens.“
Dann reiste ich 14. Mal mit den Studiosus-Rei-        (Christian Friedrich Hebbel)
sen. Auf diesen Reisen habe ich viel gelernt und
Interessantes erlebt.                                „Viel zu spät begreifen viele
                                                     die versäumten Lebensziele:
Studiosus Reisen ist ein deutscher Reiseveran-       Freuden, Schönheit und Natur,
stalter mit Sitz in München. Er bietet Studienrei-   Gesundheit, Reisen und Kultur.
sen in mehr als 100 Länder weltweit an. Dabei        Darum, Mensch, sei zeitig weise!
wird insbesondere auf die Vermittlung der dorti-     Höchste Zeit ist’s! Reise, reise!“
gen Kultur und die Begegnung mit Land und Leu-       (Wilhelm Busch)
ten Wert gelegt.

Literaten wie Jean Paul, Wilhelm Busch, Kurt Tu-     > Helga Schädlich
cholsky und Co. wussten: „Reisen ist Leben“. Oder

                Helga Schädlich wohnt seit 2016 in der Residenz in der Contrescarpe.
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     Nachbarn der Residenz
     Die „GOLDENE WOLKE“ aus der Contrescarpe
     - Eine verklungene Bremer Melodie (Bremen 1954) -

     Hört man in Bremen den Namen „Melchers“ dann
     schwingt da fast immer ein bisschen Schwermut
     mit. Das Schicksal der Magdalene Melchers ge-
     hört untrennbar zur Geschichte der Familie.

     Vereinzelt gibt es noch Spuren in der Bremer In-
     nenstadt, die an die Familie Melchers erinnern.
     Doch Stellen wo man sich erinnern könnte, blei-
     ben oft ungenutzt. Nutzen wir doch diesen Arti-
     kel zum Erinnern!

     Schlägt man das Bremer Adressbuch aus dem
     Jahr 1875 - dem Geburtsjahr von Magdalene
     Melchers - auf, so findet man die Familie Mel-
     chers bereits in der Contrescarpe. Genauer ge-
     sagt eine halbe Spalte machen die Melchers aus.
     Es scheint so, als wenn die ganze Familie in meh-
     reren Häusern nebeneinander gewohnt hat.
                                                         Magdalene Melchers (1875-1970) im Jahr 1894

                                                         Geistige Urväter der „GOLDENEN WOLKE“ wa-
                                                         ren Rudolf Alexander Schröder, anerkannter
                                                         Schriftsteller, Architekt und Maler und sein Vet-
                                                         ter der Schriftsteller, Mäzen und Sportsmann
                                                         und Mitbesitzer des Insel-Verlages Alfred Walter
                                                         Heymel. Beide waren aus Paris und München
                                                         nach Bremen zurückgekehrt. Hier jedoch schien
                                                         ihnen 1903 die Bremer Gesellschaft bei dem
                                                         Erfolg des Norddeutschen Lloyd und der wirt-
                                                         schaftlichen Entwicklung zum Welthandelsplatz
                                                         zu selbstgefällig und so selbstzufrieden zu sein,
                                                         das sie Gustav Pauli (Ehemann von Magdalene
     Elternhaus von Magdalene Melchers                   Melchers) vorschlugen, etwas ändern zu wollen.
     Contrescarpe 1915/16                                Ihr Ziel „das geistige Niveau der Gesellschaft zu
                                                         heben“. Leseabende sollten den Anfang bilden.
     Das Umfeld, in dem Magdalene groß wird, kann        So scharte sich schon bald ein Kreis in der „GOL-
     man trefflich beschreiben mit „hanseatisch groß-    DENEN WOLKE“, der aus Kaufleuten, Rechts-
     bürgerlicher Atmosphäre“.                           anwälten, Musikern, Schriftstellern und ihren
                                                         Frauen bestand.
     Verfolgen wir mal den typischen Weg von Frau
     Melchers nicht weiter, sondern stimmen eine         Dem Lesekreis gehörten an: Lina und Robert
     „verklungene Bremer Melodie“ an:                    Voigt, Lina Segnitz, Dorrel Seebeck, Lisa Strube,
                                                         Agnes von Kapff und Gustava Tewes, ferner Mag-
              die „GOLDENE           WOLKE“.             dalene und Gustav Pauli und ihre Tante Aline,
BOUQUET 1/2019       17

                                                        gen, wie z.B. der Dichter Hugo von Hofmanns-
                                                        thal sie zu Tisch geführt habe oder wie der große
                                                        Kulturphilosoph und Dichter Rudolf Borchardt
                                                        während seines Vortrags vom schnarchenden
                                                        Alfred Walter Heymel „begleitet“ wurde. Förm-
                                                        lich fühlt man sich als Leser in die Situation ver-
                                                        setzt, als wenn man ihr gegenüber sitzt und ihr
                                                        zuhört. Aus aktuellem Anlass hören wir doch
                                                        mal was sie zu „ihm“ sagt:
                                                        „Nein Rilke, so sehr wir ihn damals schon ver-
                                                        ehrten und von seinem Genie überzeugt waren,
                                                        hätte in unsere Leseabende nicht gepasst. Er war
                                                        sehr unglücklich damals, ganz mit sich beschäf-
                                                        tigt und halb schon auf dem Weg von Worpswe-
                                                        de nach Paris.“

                                                        Wohingegen sie ihre erste Begegnung mit Paula
                                                        Becker Modersohn wie folgt beschreibt: „Sie
                                                        wich damals schon, von Fitgers unguten Kritiken
                                                        verscheucht, allem öffentlichen Leben immer
                                                        mehr aus (…) Ihre Stille aber, (…) ihre große
                                                        Schlichtheit, durchströmt von einer verhaltenen
                                                        Liebe, erschütterten mich. Ich habe sie später in
Die von Claus Homfeld geschaffene Büste Magda Paulis.   Worpswede noch öfter gesehen (…). Den stillen
                                                        Glanz, den sie ausströmte, empfinde ich noch
                                                        heute vor ihren Bildern.“
Georg Crüsemann, Sigmund Gildemeister und
einige andere. „Wir gaben keine Gesellschaften,         In der offiziellen Geschichtsschreibung wird die
wir waren eine.“                                        „GOLDENE WOLKE“ nicht erwähnt, und doch
                                                        hatte sie in den Kreisen, die es sich leisten konn-
Das wir heute noch etwas darüber „nachlesen“            ten, sich mit den schönen Dingen des Lebens zu
können, verdanken wir Magdalene Melchers                beschäftigen, großen Einfluss. „Diese glücklich
selbst. Nicht nur, daß sie vom ersten Augenblick        geborgene Oberklasse der Vorkriegszeit lebte
federführend mit dabei war, sie „führte“ Jahr-          nun einmal im Überfluss und war von der Gott-
zehnte später nochmal die Feder und hat das             gegebenheit sozialer Unterschiede noch so über-
alles in einem Buch „Die goldene Wolke – eine           zeugt, dass sie sich auch durch den Mangel an-
verklungene Bremer Melodie“ (erschienen in              derer nicht eingeschränkt fühlte.“
Bremen 1954 unter dem Namen Marga Berck)
aufgeschrieben. Dieses ist heute noch in der            Mit dem Buch „Die goldene Wolke“ hat diese
Stadtbibliothek ausleihbar und auch noch anti-          „ehemalige Nachbarin“ der Residenz in der
quarisch zu beziehen.                                   Contrescarpe etwas Besonderes geschaffen, was
                                                        dringend größerer Beachtung verdient hat.
Wie heißt es da im Vorwort von Werner Kloos:
„Es erfüllte die Chronistin (…) mit mächtigem           > Christine Renken | Karoline Lentz
Stolz, dass seit dem Auftreten der Wolkenkinder           THEATER INTERAKTIWo
das Klischee von dem nur in Geschäft und Ren-
dite denkenden Bremern nicht mehr stimmen
konnte.“                                                  Das THEATER INTERAKTIWo ist ein Privattheater,
                                                          welches im Jahr 2002 aus ehemaligen Ensemble-
Nimmt man sich das Buch zur Lektüre vor, dann             mitgliedern des Waldau Theater - Komödie
folgt man schon bald gespannt ihren Schilderun-           Bremen gegründet wurde.
18   BOUQUET 1/2019

     „Hatschi“! _ „Gesundheit!“
     N
             ach zehn Jahren wird die Debatte darüber, ob der     frischen Luft, Sauna, viel Vitamin C), häufiges Hände-
             Gesundheits-Wunsch dem Niesenden gegenüber           waschen mit Seife, Händedesinfektion. Das Tragen eines
             zeitgemäß ist oder nicht, mit der Aufhebung des      Mundschutzes wäre zwar nützlich (zuhause, in der Fa-
     Verbots, Gesundheit zu wünschen, durch die Experten          milie), aber in der Öffentlichkeit eher aufsehenerregend
     für gutes Benehmen, nämlich durch die Knigge-Gesell-         (Sitzplatzgarantie?).
     schaft entschieden. Hurra! Für mich gehört es sich so!
     Was natürlich bei einem Heuschnupfen-Leidenden mit           Eine Erkältung muss man durchstehen, eine Impfung da-
     Nies-Attacken bis zu 30mal (selbst erlebt!) dann für den     gegen gibt es nicht. Es gibt, siehe Werbung, besonders
     Gesundheit-Wünschenden doch etwas ermüdend sein              für die schwerwiegende „Männererkältung“ u.a. nur den
     kann. Reagiert man nicht oder wendet man sich beim           qualvollen Ruf nach „Mama!“ Mit einer durch Viren aus-
     quälenden oder erlösenden Niesen eines anderen einfach       gelösten Grippe oder Influenza sieht das ganz anders aus.
     ab, hat das etwas von „Muss das sein?“ und „Kann er/sie      Hier ist die Impfung möglich, ggf. sogar Pflicht. Müßig zu
     sich nicht beherrschen?“, was leicht für den Niesenden       betonen, dass ältere Menschen mit einer verminderten
     als beleidigend wirken könnte.                               Immunabwehr und mit chronischen Erkrankungen zu
                                                                  der besonders gefährdeten Gruppe gehören. (Die Ständi-
     Außerdem begegnen wir in dieser Jahreszeit zunehmend         ge Impfkommission „StiKo“ empfiehlt die Influenza-Imp-
     den „Handschlagverweigerern“, die mit einem dogmati-         fung für alle Menschen über 60!).
     schen „Ich gebe keine Hand mehr!“ zur Begrüßung auf
     den Tisch klopfen oder andere Begrüßungsgesten an-           Aber bitte glauben Sie nicht, dass mit dem Jahreswechsel
     wenden. So befremdlich das Gefühl ist, dass eine ausge-      die Erkältungs- und Grippegefahr schon vorbei ist: Den
     streckte Hand ignoriert wird und man sie unverrichteter      Höhepunkt von Erkrankungen aus diesem Bereich haben
     Dinge wieder zurückziehen muss, so sinnvoll erscheint        wir - wie in jedem Jahr - nach Aussagen der Medizinwis-
     diese Maßnahme aus hygienischer Sicht für beide Begrü-       senschaftler erst ab Januar und mit dem Zenit im Februar
     ßungs-Partner.                                               noch vor uns!

     Hauptübertragungsquelle sind nun                             Und glauben Sie ja nicht, dass Sie mit dem Piks der
                                                                  Schutzimpfung aus dem Risiko einer Influenza heraus
     einmal die Hände.                                            sind! Ursache ist, dass dem in einem halbjährigen Ent-
                                                                  wicklungsverfahren im Frühjahr für die kommende Impf-
     In den öffentlichen Verkehrsmitteln kann täglich beob-       saison hergestellter Impfstoff das Erregerspektrum des
     achtet werden, wie in die Innenflächen von rechten und       Vorjahres zugrunde gelegt wird. Dieses verändert sich je-
     linken Händen geniest und gehustet wird. Allerdings          doch von Jahr zu Jahr. Deshalb betrug der Schutz für die
     reicht dabei eine Verweigerung des Handschlags als Vor-      Geimpften in der Winterzeit 2016/2017 lediglich 40%
     sichtsmaßnahme gegen eine Keimübertragung nicht aus:         (nur 15% in der Saison davor), und für Senioren wird
     Nieser und Huster klammern sich anschließend an den          er sogar eher noch geringer geschätzt, er gewährt somit
     Plastik-Haltegriffen fest, bedienen die Türöffner und hin-   keine Vollkasko-Versicherung! Insgesamt nur bis zu 25%
     terlassen für Nachfolgende einen infektiösen Hand- und       aller Deutschen lassen sich gegen Influenza impfen, das
     Fingerabdruck.                                               Robert-Koch-Institut erwartet, dass das Ziel der Weltge-
                                                                  sundheitsorganisation (WHO), mit einer 75%igen Impf-
     Auch das enge Beieinander in Bus und Bahn sind für eine      bereitschaft von älteren Menschen in Deutschland sobald
     Ansteckung förderlich. Würden wir Bakterien und Viren        nicht zu erreichen ist.
     mit unseren Augen wahrnehmen können, wir würden
     zweifellos geschockt sein und wahrscheinlich zumindest       Also muss man es halten, wie schon Heinz Erhardt es sah:
     vorübergehend das Haus nicht mehr verlassen.                 „Leute hütet euch vor diesen, die da husten, wenn sie nie-
                                                                  sen“! Also „Px“, wie der Bayer sagt: „Pleibens xsund!“.
     Dabei wäre mit geringem Aufwand mehr Sicherheit ge-
     geben: Niesen in die Armbeuge, Tragen von Handschu-          > Dr. Dirk Mittermeier
     hen, Maßnahmen zur Immunstärkung (Bewegung in der            Mediensprecher der „Seniorenvertretung Bremen“
BOUQUET KUNST/2019   19

KUNST AUS FINDORFF
Birte Plutat
Ingrid Kemnade
Manfred Schlösser
Peter Holz
Thomas Recker
Isa Fischer
Ursula Gottwald
Ursula Häckell
Frauke Beck-Domin

Ausstellung
in der Residenz
20   BOUQUET KUNST/2019

     Kunst entsteht!

     Frauke Beck-Domin                            Isa Fischer zeichnet im Hafen direkt vor dem Motiv

     Peter Holz in seinem Atelier „use_action!“
BOUQUET KUNST/2019        21

KaF? Was ist das denn?
„Was ist das denn für ein Kuh-Kaff?“                  So etwa die Gruppenausstellung hier in der Re-
                                                      sidenz in der Contrescarpe, die am Donnerstag,
Diese oder eine ähnliche Frage haben Sie sicher       7. Februar 2019, um 18:00 Uhr mit einer feierli-
schon einmal gehört. Oder sogar selbst gestellt.      chen Vernissage eröffnet wird.

Ein „Kaff“ ist laut Duden eine kleine, abgelege-      Kommen Sie vorbei!
ne, langweilige Ortschaft.
                                                      Vielseitige Kunstwerke und anregende Gesprä-
                                                      che erwarten Sie.
Aber: Kaff ist nicht gleich KaF!
KaF ist Kunst aus Findorff:                           Viele Grüße im Namen von KaF

Und obwohl seinerzeit in Findorff sicherlich          Dr. Peter Holz
die eine oder andere Kuh über die Bürgerwei-
de zum Schlachthof getrieben wurde, sind diese        Weitere Informationen unter:
Zeiten längst vorbei. Der Schlachthof ist seit vie-
len Jahrzehnten das Findorffer Kultur-Zentrum.        www.kaf-bremen.de
Viele von uns haben dort schon Theaterstücke,
Konzerte, Kunstausstellungen und andere kul-
turelle Veranstaltungen erlebt. Darum ist eine
Zeichnung des Schlachthofs auf der Titelseite
dieser Kunst-Beilage zu sehen und gleichzeitig
gewissermaßen unser „Firmenzeichen“.

KaF ist eine Gruppe von Künstlerinnen und Künst-
                                                       Mitwirkende       Birte Plutat
lern, die entweder in Findorff leben oder ihr Ate-     bei KaF           Ingrid Kemnade
lier in Findorff haben: Maler/innen, Zeichner/                           Manfred Schlösser
innen, Bildhauer/innen, Grafiker/innen u.a..                             Peter Holz
                                                                         Doro Schlüter-Durth
Wir haben uns im Dezember 2017 mit dem Ziel                              Thomas Recker
                                                                         Anna Ribeau
zusammengetan, Kunst aus Findorff - wie man
                                                                         Isa Fischer
so schön sagt – „nach vorne“ zu bringen.                                 Ursula Gottwald
                                                                         Ursula Häckell
Unser Anliegen ist es, unsere Arbeiten erlebbar                          Frauke Beck-Domin
zu machen und Kunst-Orte der Begegnung und                               Ingrid Lange-Schmidt
Kommunikation zu gestalten und zu bespielen.
                                                       Die Ausstellung wird kuratiert von Angela
                                                       Bauriedl und ist täglich vom 7. Februar 2019
Wir organisieren dazu Ausstellungen und ande-
                                                       bis zum 5. Mai 2019 von 11.30 bis 17.00 Uhr
re kulturelle Veranstaltungen in Findorff, „und        in der Residenz in der Contrescarpe geöffnet.
umzu“.                                                 Der Eintritt ist frei.
22   BOUQUET KUNST/2019

     Ingrid Kemnade
     Über meine Malerei
                                 Das     vorrangige    Hier beispielhaft einige Projekte:
                                 Ziel meiner Ma-
                                 lerei ist die Ver-    Menschen in Bewegung (In Motion);
                                 knüpfung       von
                                 „Kunst der Linie“
                                 mit dem „Spiel        Monochrome Maltechnik
                                 von Farben und        (bisher zu den einzelnen Farben
                                 Formen“, also das     Weiß…Grau….Rot…Gelb….Blau);
                                 Zusammenwirken
                                 und Aufeinander-      Erinnerungen an;
                                 treffen von Farben
                                 und Linien und
                                 Formen. In ihrem      Sprichwörter und Redensarten;
     Zusammenwirken und Aufeinandertreffen ar-
     beite ich mit verschiedensten Malmitteln und      Zeit für;
     Techniken, die untereinander experimentierend
     verbunden werden.                                 Balance.
     Obwohl die Ursprünge vieler meiner Bilder ge-     Ein besonderes Projekt war das Experimentie-
     genständliche/reale Motive und Hintergründe       ren mit weißer Farbe. Physikalisch ist Weiß die
     sind – male ich überwiegend nicht gegenstands-    Summe aller Farben. Da Weiß keinen negativen
     bezogen. Ich wähle verschiedenste Malmittel       Zusammenhang hat, gilt sie als vollkommenste
     und Techniken, die ich auch mit- und unter-       Farbe und fordert mich als Malerin durch ihre
     einander experimentierend verbinde. So ent-       zugeschriebene Symbolkraft besonders heraus.
     stehen Bilder in Acryl, Aquarell, (Ei-)Tempera,   Denn: Weiß ist nicht gleich Weiß.
     Öl, Wachs auf Leinwand, Stoff, Packpapier, Pap-
     pe, Holz- auch als Kollagen, Monotypien u.a. –    Und: Unsichtbares soll sichtbar werden – beson-
     auch versehen mit Drucken und Zeichnungen.        ders bei mehrschichtiger Malerei. Mein folgen-
                                                       des Gedicht hierzu symbolisiert mein künstleri-
     Themenbezogene Vorhaben (auch über längere        sches Tun.
     Zeiträume hinweg) stehen dabei im Mittelpunkt
     meiner Arbeiten.                                  www.ingridkemnade.de

     Farbe Blau                       Farbe Rot                        Impression
BOUQUET KUNST/2019           23

Unsichtbares in meinen Bildern

GEMALTES                                         Spuren
versteckt,                                       durchsichtig,
verklebt,                                        durchleuchtend,
verhüllt,                                        durchscheinend.
verändert.                                       durchlässig.
Verdeckte                                        Durchschimmernd
Farbschichten                                    Verborgenes.
    Farbschichten                                    Verborgenes
    abgewaschen,                                     gesucht,
    abgekratzt,                                      gefühlt,
    abradiert,                                       gespürt,
    abgespachtelt.                                   gefunden.
    Spuren                                               Sichtbar
    Abgemalte                                            Unsichtbares.
    Spuren.
                                                   Hinweis: Hiermit kennzeichne ich meine Bilder/ Texte

    Künstlerische Vita
    - Weiterbildungsstudium an der Hochschule für Künste, Bremen (Schwerpunkt Malerei),
      u.a. Till Meyer (Zeichnen), Isabel Valecka (Malen), Detlef Stein (Stilgeschichte)
    - Mitgliedschaften: KulturKataster Schwachhausen; Verein KUNST in der Provinz e.V.,
      Mitglied der Künstlergruppe Internetportal Bremer Quadrate (ehemals 15art15);
      Mitglied und –gründerin des KaF (Kunst aus Findorff)
    - Künstlerin in der Mal-KunstWerkstatt Buchenstraße 8a.
    - Einzel – und Gruppenausstellungen.
24   BOUQUET KUNST/2019

     Peter Holz
     „Leere Wände provozieren mich.“
     Das ist das Motto des Bremer Künstlers Peter
     Holz. Im Hinblick auf die KaF-Ausstellung hat
     Kulturmanagerin Angela Bauriedl mit ihm ge-
     sprochen.

     Herr Holz, was ist Ihre Motivation, Kunst zu
     machen?

     Neugier und Veränderungs-Lust sind zwei Le-        Kunst machen ist für mich ein Gegenmittel ge-
     benskräfte, die mich antreiben. Ich bin schnell    gen den oft monotonen Alltag.
     von einer Sache gelangweilt, wenn sie nur noch
     Routine ist und ich sie nicht weiter entwickeln,   Ich mache auch täglich etwas Ungewohntes,
     intensivieren und dadurch zu etwas Besonde-        etwa eine Flasche mit links aufschrauben oder
     rem machen kann.                                   mir mit links die Zähne putzen.
     Die Kehrseiten: Unzufriedenheit und Ungeduld.
     Nervt oft.                                         Sie beschreiben ihren künstlerischen Arbeits-
                                                        prozess als Transformation.
     Wie gehen Sie mit diesen Kehrseiten um?            Was müssen wir uns darunter vorstellen?

     Arbeit und Struktur. Ich begegne diesen inneren    Ich mag den Begriff „kreativ“ nicht. Klingt für
     Anteilen mit Disziplin, damit ich weiterkomme      mich nach „Schöpfung aus dem Nichts“. Wohin
     und mehr oder weniger zufrieden bin. Humor         wir auch kommen oder gehen, wir finden immer
     hilft übrigens auch.                               schon etwas vor. Bestes Beispiel: Unsere Geburt.
BOUQUET KUNST/2019        25

                                                   Sie bezeichnen Ihre Kunst als Material-Kunst.
                                                   Können Sie diesen Begriff erläutern?

                                                   Für mich ist die Physik, die „Mutter aller Wis-
                                                   senschaften“. Die unbelebte Materie ist die Aus-
                                                   gangssituation. Das Leben kam später. Ebenso
                                                   die Kunst. Die künstlerische Tätigkeit dient in
                                                   meinem Fall dazu, die Materie zu gestalten und
                                                   im übertragenen Sinne zu beleben.

                                                   Meine Bilder und alle Materialien, die ich in ih-
                                                   nen verarbeite, können zwar im herkömmlichen
                                                   Sinne nicht sprechen. Aber man kann, wenn
                                                   man will, mit ihnen nonverbal kommunizieren.

                                                   Eine letzte Frage: Welches Ziel verfolgen Sie
                                                   mit Ihrer Kunst?

                                                   Ich habe mir einen speziellen Blick auf die Welt
                                                   angewöhnt. Ich nehme alltägliche Dinge wahr
                                                   und frage mich ständig: „Wie kannst du das zu
Die Welt ist schon da. Oder: Ein Raum, den wir
                                                   einem Bild machen?“ Ein Gullydeckel zum Bei-
betreten, ein Mensch, dem wir begegnen. Mit
                                                   spiel oder die Anordnung festgetretener Kau-
dem Vorgefundenen gehen wir dann irgendwie
                                                   gummis auf dem Gehweg.
um: kümmern uns, ignorieren, gehen ran, neh-
men Abstand, verändern, zerstören usw.
                                                   Im Atelier, meinem Labor, verwandele ich mei-
Was tue ich als Künstler? Ich forme um, trans-
                                                   ne gespeicherten Wahrnehmungen mit meinen
formiere das Neuronen-Feuer in meinem Gehirn
                                                   Mitteln und Techniken zu etwas Besonderem,
mittels meiner Hände und meiner Werkzeuge in
                                                   nämlich zu Kunstwerken, die ich dann anderen
sinnlich wahrnehmbare Materie, nämlich Kunst-
                                                   Menschen zur Verfügung stelle. Wenn sie wol-
werke.
                                                   len, können sie dann ihrerseits ungewöhnliche
                                                   Wahrnehmungen machen und auf ungewöhnli-
In Ihrem Atelier kleben an den Wänden
                                                   che Gedanken kommen, auf die sie sonst nicht
Sinnsprüche. Unter anderem dieser von
                                                   gekommen wären.
Arthur Schopenhauer: „Das Schicksal mischt
die Karten; wir spielen.“
Was hat das mit Ihrer Kunst zu tun?
                                                   www.holzaufholz.de
In der Kunst wie im „echten Leben“ gibt es Din-
ge, die man beeinflussen kann und andere, die
einfach passieren; man muss mit ihnen umge-
hen.

Es ist der Widerspruch zwischen Zufall und Ab-
sicht, den ich spielerisch in meinen Bildern in-
szeniere.

Die Rohversionen meiner Bilder sind hochgradig
zufällig, die Endversionen dagegen vorsätzlich.
Es sind ja meine Entscheidungen, welche Linien
und Flächen ich mit welchen Farben und ande-
ren Substanzen betone und dadurch hervorhebe.
26   BOUQUET KUNST/2019

     Isa Fischer
     „Ich will, solange ich hier bin,
     die Augen auftun, bescheiden sehen und erwarten,
     was sich mir in der Seele bildet.“
                                               Goethe

     Isa Fischer zeichnet draußen direkt vor dem Mo-
     tiv. Sie streift durch die Stadt, fährt über Land
     oder durch den Hafen, führt Hocker, Papier, Tu-
     sche und Aquarellfarbe mit sich und findet im-
     mer wieder interessante Motive.

     Mit ihrer besonderen Vorliebe für Gebäude und
     Schiffe zeichnet sie im Auftrag oder für ihre ei-
     genen Projekte. Ihre Arbeiten stellt sie aus oder
     verwendet sie für künstlerische Bildbände, die
     sie im eigenen Verlag herausgibt.

     Isa Fischer studierte nach dem Abitur Grafik-De-    wieder ein größerer Teil ihrer freiberuflichen
     sign an der Hochschule für Künste in Bremen. Mit    Tätigkeit als Grafik-Designerin geworden.
     ihren Professoren zeichnete sie schon während
     des Studiums oft draußen – auf Reisen und in
     der Umgebung der Hochschule. Seit 2012 kehrte
     sie verstärkt zu ihren „Ursprüngen“ zurück und
     seitdem ist die künstlerisch/zeichnerische Arbeit   www.hausgezeichnet.info
BOUQUET KUNST/2019   27
28   BOUQUET KUNST/2019

     Thomas Recker
                                                          Welt der Antike, der Tiere, der Pflanzen, der
                                                          Briefmarkensammler, viele Welten, aber wie
                                                          kommt man hin?
     Ein Künstler stellt sich vor
                                                           Ja, aber.......?
                                                          Blau, blau ist der Enzian, wenn Sie mich jetzt
                            Ich bin gelernter Töpfer,
                                                          fragen würden, was blau ist.
                            studierter Bildhauer und
                            Zeichner. Ich habe mein
                                                          Was will man wissen, wenn es um Ihre Arbei-
                            Leben lang von der Kunst
                                                          ten geht?
                            gelebt.
                                                          Meistens fragt man nicht, sondern erzählt so ein
                                                          Stück Lebensgeschichte, weit weg von Kunst, die
                          Mein Atelier habe ich in
                                                          wohl nur Anlass war … das ist dann der Wirk-
                          meinem Haus im Findorff.
                                                          lichkeit sehr nahe. Es gefällt mir.
                          Hauptarbeitsfeld waren
                          Aufträge durch Kunst im
                                                          Sind Sie unsicher?
                          öffentlichen Raum der
                                                          Nein, denn Wahrheit im Leben gibt es nicht, au-
     Stadt Bremen. Weitere Arbeitsfelder sind Klein-
                                                          ßer die Pfadfinder machen es!
     plastiken und Zeichnungen, in zahlreichen Aus-
     stellungen dokumentiert.

     Seine Philosophie:                                   www.thomasrecker.de

        Damit die Kunst nicht verlorengeht,
        soll sie ein Geheimnis bleiben.

     Zum Verständnis seiner Arbeiten - ein fiktives
     Interview -

     Sie teilen sich über Skulpturen, Bilder, Zeich-
     nungen mit, haben Sie eine Botschaft?
     Eine direkte nicht, ich will nur zeigen, dass mög-
     licherweise viele Menschen wissen, was läuft,
     aber trotzdem eine Kaninchenhaltung einneh-
     men, nämlich davor zu sitzen und zu warten,
     was passiert. Wie im Fernsehen.

     Wovor sitzen und wie Fernsehen?                      „Sag, was ist wichtig, was unwichtig?“
     Na, die Bilder kommen, die Ereignisse, man be-
     wegt sich nicht, kann teilhaben, Meinung haben,
     ein Brot essen, schadlos bleiben, braucht ja nicht
     aufzubrechen, nicht zu handeln. Ich glaube das
     so nicht: Erstens sind die Menschen im Fern-
     sehen viel kleiner als normal und zweitens ant-
     worten sie auch nicht, wenn ich mit ihnen rede.

     Das ist aber eine schwierig nachvollziehbare
     Betrachtungsweise, oder?
     Ist doch einfach, das sind wirkliche Bilder von
     der Wirklichkeit, eine zum Sehen, eine zum An-
     fassen oder die Innenwelt der Außenwelt der
     Innenwelt der Außenwelt … Es gibt ja auch die        „Wo soll ich hin?“ (2009)
BOUQUET KUNST/2019   29

Frauke Beck-Domin
„Es ist nicht wichtig, was du betrachtest,
sondern was du siehst.“
Henry David Thoreau (1817-1862)

                        Frauke Beck-Domin
                        über ihre Kunst:
                      „Das Reale mit dem In-
                      formellen     spannungs-
                      reich zu verbinden, reizt
                      mich am meisten. Die
                      Beziehung von Mensch
                      zu Mensch oder von
                      Mensch zu Natur, ist ein
                      inhaltliches Thema, was
mich nicht loslässt. Wenn sich die Stimmung
eines Motivs auf mich überträgt und ich beim
Malen restlos versinken kann, sodass es nichts
anderes mehr gibt - das beglückt mich immer
wieder!“

Beim Betrachten von Kunst gilt für mich:
„Das Gefühl ist der Deal“.
                                                  Mme

Zopf                                              Fuchs
30   BOUQUET KUNST/2019

                                                          auch die kopflosen Frauen halb abstrakt. „Rein
                                                          abstrakte Arbeiten nutze ich eher, um neue
                                                          Techniken auszuprobieren“, sagt Gottwald, „sie
                                                          lassen einem dafür maximale Freiheit“.

                                                          Auf die Kunst gekommen sei sie schleichend.
                                                          Erst machte sie eine Ausbildung zur Bürokauf-
                                                          frau, später zur Kunstmöbeltischlerin. „Ich hatte
                                                          immer Kontakte zur kreativen Szene, und dann
                                                          macht man automatisch auch etwas“, sagt die
                                                          1958 in Köln geborene Wahlbremerin. Sie mal-
                                                          te, widmete sich der Literatur und dem Theater.
                                                          „Ich war auf der Suche nach einer Sprache. Es

     Ursula Gottwald
                                                          geht immer um Kommunikation.“

                                                          2010 veränderte ein Kunstseminar Gottwalds
     Drei Lebensabschnitte                                Schaffen. Als die Kursleiterin Gottwalds Bau-
     Portrait der Künstlerin und einem farbenfrohen       marktpinsel durch einen Künstlerpinsel ersetzte,
     Triptychon                                           war diese begeistert. „Vorher musste ich die Farbe
                                                          förmlich überreden, auf die Leinwand zu gehen.“
                                                          Gottwald besuchte Kurse im Weiterbildungsstu-
     In dem Triptychon aus hochformatigen Einzelbil-      dium an der Hochschule für Künste und feilte an
     dern „Das Model“, „Die Flexible“ und „Die Alte       ihrer Technik. Zuhause macht die Künstlerin vor
     auf dem Eis“ widmet sich Ursula Gottwald drei        allem Skizzen, anderes erarbeitet sie im Atelier.
     Lebensabschnitten einer Frau in der Gesellschaft.
                                                          Die Herausforderung in der Kunst sieht Gott-
     Das Triptychon wurde durch ein Gemälde auf ei-       wald darin, dass sie „viele Ideen“ hat und über-
     ner Postkarte inspiriert. Bei der Betrachtung des    legen muss, was sie in Anbetracht der verfügba-
     Motivs mit drei tanzenden Meeresnymphen, frag-       ren Zeit davon machen will und kann. Zurzeit
     te sie sich nach dem damaligen und dem heutigen      experimentiert sie mit Aktmalerei.
     Schönheitsideal und den Eigenschaften als Frau.
                                                          Ob wir Kunst brauchen? – „Natürlich! Was wäre
     Gottwalds drei Bilder bezeichnen drei Le-            ohne Kunst? Kein Theater, keine Filme, keine Bil-
     bensphasen, sagt die Künstlerin: „Das Model“ im      der und keine Musik. Alle Kunstwerke in einem
     Gepardenfell trägt seine junge Haut zu Markte -      Buch zusammengefasst, würden die Geschichte
     Schule, Ausbildung - und geht nach dem Bauch-        des Menschen zeigen.“
     gefühl. „Die Flexible“ ist schon etwas reifer. Sie
     steht im „Urwald des Lebens“ mit Kindern, Beruf      Zu den Künstlern, die für Gottwald besonders
     und Partner. Für sie heißt es, immer schön ent-      bedeutend sind, zählen die Maler Franz Marc
     spannt und flexibel zu bleiben. „Die Alte“ tanzt     (1880 bis 1916) und Otto Mueller (1874 bis
     als Kuh in Salamanderhaut. Sie ist etwas dicker      1930) der Künstlervereinigung „Brücke“. An
     und lustvoll. „Denn mit ihrer Erfahrung kommt        Marc faszinieren Gottwald dessen Farbenfreu-
     sie überall hin. Sie braucht keine Kuh mehr vom      de und abstrahierten Naturbilder. „Die Brü-
     Eis zu holen, sondern tanzt selbst darauf“, er-      cke-Künstler malten alles bunt und halbabstrakt.
     klärt Gottwald.                                      Der Raum wird nicht gemalt, wie er wirklich ist
                                                          sondern wie er gefühlt ist.“
     Die Bilder sind 2017 entstanden. Sie wurden mit
     Öl auf eine Grundierung aus Acrylfarbe gemalt.
     Wie die meisten Darstellungen Gottwalds sind         www.ursula-gottwald.other-q.com

                   Text (gekürzt): Ilka Langkowski (Mediengruppe Kreiszeitung 20.04.2018)
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