Welt - Die Badische Landesbühne

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Welt - Die Badische Landesbühne
Weltten
g e s c h i c h
Welt - Die Badische Landesbühne
2019.2020
1               2
Welt - Die Badische Landesbühne
Martin Behlert   Lukas Bendig
2                           3
Welt - Die Badische Landesbühne
Alexander Chico-Bonet   Kim Vanessa Földing
4                                         5
Welt - Die Badische Landesbühne
Colin Hausberg   Cornelia Heilmann
6                                7
Welt - Die Badische Landesbühne
Hannes Höchsmann   Stefan Holm
8                            9
Welt - Die Badische Landesbühne
Frederik Kienle   René Laier
10                       11
Welt - Die Badische Landesbühne
David Meyer   Yasmin Vanessa Münter
12                              13
Welt - Die Badische Landesbühne
Evelyn Nagel   Franziska Plüschke
14                             15
Welt - Die Badische Landesbühne
Vivien Prahl   Tim Tegtmeier
16                       17
Elena Weber   Sina Weiß
18                  19
franziska plüschke
                                                           #hungerkünstler
                                                           Tanztheater für Jugendliche		                     46

                                                           carsten brandau
                                                           himmel und hände
                                                           Ein preisgekröntes poetisches Kinderstück         47

                                                           otfried preußler/john von düffel
                                                           räuber hotzenplotz und die mondrakete
                                                           Die Rückkehr des liebenswerten Bösewichts         48
Daniel Kehlmann
Die Vermessung der Welt			                                 holger schober
Eine Hommage an zwei deutsche Genies            Seite 28   sonnenstrahl im kopfsalat
                                                           Ein Klassenzimmerstück zum Thema Demenz           50
Günther Weisenborn/Konstantin Wecker
Der Illegale 					                                         sergej gößner
Eine literarische Revue				                          30    what on earth ?!
                                                           Eine Stückentwicklung über Umweltschutz und
Pierre Barillet/Jean-Pierre Grédy                          Zukunftsangst					                                51
Das Schmuckstück
Eine Komödie mit Frauenpower und Live-Chansons       32    katharina schlender/brüder grimm
                                                           rapunzel oder wen die liebe trifft
Bettina Wilpert                                            Eine moderne Märchenadaption über Liebe und Mut   52
nichts, was uns passiert
Ein brisanter Roman auf der Bühne		                  34
                                                           BLB Extra					                                    62
Rainer Werner Fassbinder/Fritz Müller-Scherz
Welt am Draht			              		                           Stadtgeschichten 				                             98
Ein Science-Fiction-Klassiker			                     36    Theaterpädagogik				                              112
                                                           Service						                                     126
Thomas Brasch
Mercedes					                                              Kontakte					                                     140
Zwei Versuchspersonen, eine Liebesgeschichte,
viele Umwege        				                             38
                                                           Auf den vorhergehenden Seiten erzählte das
Eugène Labiche                                             Ensemble Kurzgeschichten in einem Bild.
Das Sparschwein				                                        Fotos: Sonja Ramm
Eine französische Boulevardkomödie als                     Lichtgestaltung: Marco Wörle
Freilichtstück					                                  40    Assistenz: Isabel Junker

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Sehr geehrte Damen und Herren,                                         Liebe Theaterfreundinnen und Theaterfreunde,
Weltgeschichten – mit diesem Motto hat die Badische Landesbüh-         ich lade Sie herzlich zur Spielzeit 2019.2020 der Badischen Lan-
ne ihre Spielzeit 2019.2020 überschrieben. Es ist eine besondere       desbühne ein! Es ist eine Jubiläums-Spielzeit, denn unsere Lan-
Spielzeit für das 1949 gegründete Theater: Es feiert sein 70.          desbühne feiert im Herbst ihren 70. Geburtstag. Dazu herzlichen
Jubiläum, zu dem ich herzlich gratuliere! Als „Kulturwerk des          Glückwunsch! In diesen 70 Jahren hat sich das Theater nicht nur
württembergisch-badischen Unterlandes“ hat die Geschichte der          zur wichtigsten Kulturinstitution für den ländlichen Raum Nordba-
Landesbühne in Neckarsulm begonnen, bevor das Theater 1952             dens entwickelt. Es ist hier in Bruchsal zu einem wichtigen Stand-
nach Bruchsal umgezogen ist. In den folgenden Jahren hat es            ortfaktor geworden. Es bereichert das Leben in unserer Stadt. Ich
vielleicht nicht die ganze Welt bereist, aber mit seinen Inszenie-     denke an die vielen unvergessenen Theatererlebnisse, die in den
rungen das kulturelle Leben in den Städten und Regionen Baden-         vergangenen Jahren Anlass zur Zusammenkunft, Anlass für ge-
Württembergs, insbesondere im Norden Badens, bereichert.               meinsamen Kunstgenuss, Anlass für Begegnungen und Gespräche
Bereits seit 1980 ist die Badische Landesbühne mit einer eigenen       gegeben haben.
Sparte für das Kinder- und Jugendtheater unterwegs. Die junge          Die Badische Landesbühne steht für bemerkenswerte Interpreta-
BLB setzt sich in ihren Inszenierungen mit der Lebenswelt junger       tionen von Klassikern und unterhaltsame Komödienabende im
Menschen auseinander und ist nicht nur für die Schulen der Regi-       Großen Haus, für Neuentdeckungen und intime Kammerspiele im
on ein wichtiger Kooperationspartner.                                  Hexagon. Die junge BLB erreicht mit ihrem Programm Kinder und
Was aber ist die Welt, von der die Landesbühne erzählen will? Zu-      Jugendliche aller Altersstufen und ist wichtiger Kooperationspart-
nächst die Vorstellung von unserem Planeten Erde, von Menschen         ner für die Schulen. Die Reihe Café Europa hat längst ihr Stamm-
bevölkert und geprägt. Unsere Welt – damit ist auch die ganze          publikum gefunden und die Bürgertheater-Gruppen bringen in
Menschheit gemeint, in räumlicher wie zeitlicher Hinsicht. In die-     mitreißenden Stückentwicklungen ihre Expertise als Bürgerinnen
ser Mannigfaltigkeit ist Welt kaum zu beschreiben. Auch mehrere        und Bürger dieser Stadt auf die Bühne. Ganz besonders freut
Welten sind vorstellbar und in der Unendlichkeit des Universums        mich, dass die Landesbühne Mittel aus dem Innovationsfonds
möglich. Wir selbst können mit Hilfe digitaler Technologie künst-      Kunst des Landes Baden-Württemberg akquirieren konnte, um
liche Welten simulieren – und stellen damit das Individuum, das        ein Theaterprojekt zur Stadtgeschichte in Angriff zu nehmen.
sich dazwischen zurechtfinden muss, auf die Probe. Angesichts          Stadtgeschichten basiert auf einem Rechercheprozess, der allen
ökologischer Katastrophen, kriegerischer Konflikte und der kras-       Bürgerinnen und Bürgern offensteht. Ich lade Sie herzlich dazu
sen Ungleichheit der Lebensverhältnisse auf unserem Planeten           ein, an den Treffen der Geschichtswerkstatt teilzunehmen, Ihre
lautet allerdings die hier drängendste Frage: Wie können wir die       Kenntnisse und Ihre Neugierde einzubringen.
Welt zu einem besseren Ort machen?                                     Dem Intendanten Carsten Ramm, dem Ensemble, den Mitarbeite-
Die Badische Landesbühne wird sich in vielen Weltgeschichten den       rinnen und Mitarbeitern der Badischen Landesbühne wünsche ich
Fragen und Themen rund um die Welt nähern. Ich wünsche ihr             eine erfolgreiche Spielzeit. Und Ihnen allen viel Freude beim Ent-
eine erfolgreiche Spielzeit und Ihnen viele interessante, unterhalt-   decken des Programms der kommenden Saison und beim Besuch
same und anregende Theaterbesuche.                                     der Vorstellungen.

Theresia Bauer MdL                                                     Cornelia Petzold-Schick
Ministerin für Wissenschaft, Forschung                                 Oberbürgermeisterin der Stadt Bruchsal und Vorsitzende des
und Kunst des Landes Baden-Württemberg                                 Trägervereins der Badischen Landesbühne

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Liebes Publikum,
     Weltgeschichten heißt unser Motto für die neue Spielzeit und für
     dieses Buch. Hier greifen die Koordinaten Zeit und Raum inein-
     ander. Den Raum erfassen wir mit Karten und Plänen. Mit dem
     immer schneller werdenden Wandel unserer Welt verändern sich
     diese Abbildungen. Und um herauszufinden, wie eine zukünftige
     Welt aussehen könnte, brauchen wir die Phantasie. Sie hilft uns,
     zu erkennen, welche Veränderungen notwendig sind und welche
     wir besser verhindern sollten; wie wir uns verändern und wo wir
     standhalten müssen.
     Die Zeit wird mit der Uhr gemessen. Interessanter aber ist sie als
     ein Mosaik von Geschichten aus ganz verschiedenen Welten. Die
     Stücke unseres neuen Spielplans sind Teile dieses großen Mosa-
     iks. Aber nicht nur Weltgeschichten beschäftigen uns, sondern
     auch Stadtgeschichten: Unter diesem Titel starten wir im Septem-
     ber ein Projekt, in dem Bruchsaler Geschichten zu Theater werden
     sollen, und das sich bis zum Frühjahr 2021 erstrecken wird. In
     diesem Buch erzählen Bruchsalerinnen und Bruchsaler, was sie
     in Bezug auf die Geschichte ihrer Stadt umtreibt. Als Anregung
     vielleicht auch für Sie!
     Und uns beschäftigt natürlich auch die Geschichte unseres The-
     aters: Mit einer Ausstellung in der Sparkasse Kraichgau feiern wir
     im nächsten Frühjahr den 70. Geburtstag der Badischen Landes-
     bühne, die 1949 von Franz Mosthav in Neckarsulm als „Unterlän-
     der Volksbühne“ gegründet wurde und die 1952 nach Bruchsal
     umzog.
     Die Weltgeschichten der neuen Spielzeit erzählen von Menschen
     und ihren Konflikten, vom Alltäglichen wie vom Besonderen, von
     Traditionen wie von Neuentdeckungen, vom Bewahrens- wie vom
     Verändernswerten – und damit bilden wir auf der Bühne die Viel-
     falt ab, die das Zusammenleben auf unserem Planeten ausmacht.
     Der Vielfalt Raum zu geben – das ist eine der originären Aufgaben
     von Kunst und Theater. In der Baden-Württemberger Erklärung der
     VIELEN heißt es: „Heute begreifen wir die Kunst und ihre Einrich-
     tungen als offene Räume, die Vielen gehören. Unsere Gesellschaft
     ist eine plurale Versammlung. Viele unterschiedliche Interessen
     treffen aufeinander und finden sich oft im Dazwischen. Demokra-
     tie muss täglich neu verhandelt werden – aber immer unter einer
     Voraussetzung: Es geht um Alle, um jede*n Einzelne*n.“
     Vom neuen Spielplan erhoffe ich, dass er wieder Ihr Interesse
     weckt. Ich lade Sie herzlich dazu ein, in vielen Geschichten unsere
     Welt zu entdecken.
     Herzlichst Ihr

     Carsten Ramm
     Intendant

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Spielzeit
 2019.2020
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Der Naturforscher Alexander von Humboldt und der Mathemati-
                   ker Carl Friedrich Gauß sind zwei der bedeutendsten deutschen
                   Gelehrten im beginnenden 19. Jahrhundert. Zwei Wissenschaftler,
                   wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten; und doch verein-
                   te sie ein Leben lang ein und dasselbe Ziel: die Vermessung
                   der Welt. Während sich der Empiriker Humboldt zusammen mit
                   Aimé Bonpland durch Urwald und Steppe kämpfte, den Orino-
                   ko befuhr, in Erdlöcher kroch, die höchsten Berge bestieg und
                   unzählige Selbstversuche machte, bewies der Analytiker Gauß die
                   Krümmung des Raumes von seinem Schreibtisch aus. 1828 lädt

 Daniel Kehlmann
                   Humboldt den Mathematiker zum Naturforscherkongress nach
                   Berlin ein. Gauß, ein mürrischer Eigenbrötler und Misanthrop,
                   hat jedoch keine große Lust, seine Heimatstadt zu verlassen. Da

Die Vermessung
                   Humboldt aber hartnäckig bleibt, steigt er schließlich doch, wenn
                   auch höchst widerwillig, in die Kutsche. Begleitet wird er von sei-
                   nem Sohn Eugen, den Gauß für einen völlig beschränkten Nichts-
                   nutz hält. Und so kommt es, dass sich die beiden mittlerweile

der Welt
                   gealterten Geistesgrößen zum ersten Mal begegnen. Während sie
                   darüber debattieren, wer von beiden seinem Lebensziel näher
                   gekommen sei und was wahre Wissenschaft ausmache, verteilt
                   Eugen Flugblätter in der großen Stadt. Er träumt von einem freien
                   Deutschland und wird prompt verhaftet.
                   Mit hintergründigem Humor zeichnet Kehlmann in Die Vermes-
                   sung der Welt das Bild zweier bedeutender Männer mitsamt ihren
                   Sehnsüchten und Schwächen – und schildert phantasievoll ihre
                   Gratwanderung zwischen Lächerlichkeit und Größe, Scheitern und
                   Erfolg. Wir zeigen den philosophischen Abenteuerroman und Welt-
                   bestseller anlässlich des 250. Geburtstags des herausragenden
                   Universalgenies Alexander von Humboldt (1769-1859).

                   Daniel Kehlmann
                   Daniel Kehlmann wurde 1975 in München geboren. An der
                   Universität Wien studierte er Philosophie und Germanistik. 1997
                   erschien mit Beerholms Vorstellung sein erster Roman. Kehlmann
                   schreibt Essays und Rezensionen für verschiedene Magazine und
                   Zeitungen und hatte Poetikdozenturen in Mainz, Wiesbaden und
                   Göttingen inne. Er wurde mit zahlreichen Preisen, u. a. mit dem
                   Kleist-Preis und dem Thomas-Mann-Preis, ausgezeichnet. 2018
                   wurden ihm der Friedrich-Hölderlin-Preis und der Frank-Schirrma-
                   cher-Preis verliehen. Mit Die Vermessung der Welt hat er einen der
                   erfolgreichsten deutschen Romane der Nachkriegszeit vorgelegt.

                   Inszenierung: Arne Retzlaff
                   Ausstattung: Ella Späte
                   Puppenspiel: Detlef Heinichen

                     Premiere: 19. September 2019

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Günther Weisenborn, ein junger Schriftsteller aus dem Rhein-
land, wurde 1928 in Berlin gefeiert: Sein Stück U-Boot S 4 war an
der Volksbühne ein großer Erfolg. Weisenborn zog nach Berlin,
schrieb Theaterstücke und unter dem Titel Barbaren einen ersten
Roman. Sein künstlerisches Schaffen fand mit der Machtergrei-
fung Hitlers 1933 ein jähes Ende: Sein Roman wurde verbrannt,
seine Stücke verboten. Weisenborn schrieb unter Pseudonym
weiter und schloss sich 1937 einer Widerstandgruppe an, die von
der Gestapo den Namen „Rote Kapelle“ bekam. 1942 folgten Ver-
haftung, Verurteilung und Inhaftierung im Zuchthaus Luckau, wo
er 1945, kurz bevor er hingerichtet werden sollte, befreit wurde.
Zurück in Berlin schrieb er das Schauspiel Die Illegalen, in das er
seine Erfahrungen aus dem Widerstand einfließen ließ. Ob als jun-
ger Wilder in der späten Weimarer Republik oder als kompromiss-
loser Autor im Nachkriegsdeutschland: Weisenborn hat immer
wieder klar Stellung bezogen. Er verstand es, Poesie und politi-
sche Haltung miteinander zu verbinden. Als beständiger Mahner
gegen Wiederbewaffnung, Atomkrieg und rechten Ungeist blieb er
bis in die sechziger Jahre unbequem für die Herrschenden.
Mit der literarischen Revue Der Illegale widmen wir uns einem
einstmals vielbeachteten und erfolgreichen Autor, der nach sei-
nem Tod 1969 bald in Vergessenheit geriet. In einer Collage aus
seinen Texten, Szenen und Songs wollen wir ihn wiederentdecken
und im Kontext seiner Zeit vorstellen. Dabei werden erstaunliche
und zum Teil erschreckende Parallelen zur Gegenwart deutlich.

Konstantin Wecker
Als Liedermacher, Sänger und Komponist gehört Konstantin We-
cker, 1947 in München geboren, zu den vielseitigsten Künstlern
im deutschsprachigen Raum: Er veröffentlichte rund 40 Alben,
aber auch Lyrik und Romane. Für Der Illegale hat Wecker Songtex-
te und Gedichte Weisenborns neu vertont. „Je mehr ich mich mit
dem Werk Weisenborns beschäftigt habe, umso begeisterter war
ich“, sagte er dazu in einem Interview.

Uraufführung
Inszenierung: Carsten Ramm
Musikalische Leitung: Oliver Taupp
Bühnenbild: Tilo Schwarz
Kostüme: Kerstin Oelker
                                                                      Günther Weisenborn
  Premiere: 21. September 2019
                                                                      Konstantin Wecker
Zu dieser Inszenierung gibt es unter dem Titel Flaschenpost aus dem
Widerstand ein besonderes theaterpädagogisches Projekt, geför-
dert durch den Freundeskreis Badische Landesbühne. Informatio-
nen dazu finden Sie auf Seite 121.
                                                                      Der Illegale
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Pierre Barillet
                                                                     Jean-Pierre Grédy
                                                                     Das Schmuckstück

                                                                     um. Ob sie bereit ist, den Chefsessel je wieder herzugeben? Und
                                                                     wie geht Robert wohl mit den bisher geheim gehaltenen Tatsa-
                                                                     chen um, die seine Ehefrau ihm nun unter die Nase reibt?
                                                                     Das Schmuckstück erlangte durch die Verfilmung mit Catherine
                                                                     Deneuve und Gérard Depardieu große Bekanntheit. Wir bringen
                                                                     die temporeiche Komödie über Emanzipation und Frauenpower
                                                                     mit einer kleinen Band und live gesungenen Chansons auf die
                                                                     Bühne.

                                                                     Pierre Barillet/Jean-Pierre Grédy
                                                                     Die französischen Autoren Barillet und Grédy begannen ihre
Suzanne Pujol hat sich nach 30 Jahren Ehe wohl oder übel an die      Zusammenarbeit 1950. Gleich ihr erstes gemeinsames Stück Le
Pascha-Allüren und die ironisch-herablassende Poltrigkeit ihres      Don d’Adèle wurde preisgekrönt. Das Autorenduo bekennt sich
Mannes Robert gewöhnt. Seine sexuellen Eskapaden hat sie schon       zum Unterhaltungstheater nach dem Vorbild der klassischen
lange durchschaut, mit der Rolle der bürgerlichen Hausfrau hat       französischen Komödie und gehört zu den weltweit bekanntesten
sie sich mehr oder weniger abgefunden. Unmut macht sich nun          Dramatikern des Boulevardtheaters. Sie haben über 30 Komödien
aber unter den Arbeitern von Roberts Regenschirmfabrik, die er       geschrieben, darunter Die Kaktusblüte, welche die Badische Lan-
von seinem Schwiegervater geerbt hat, breit. Höhere Löhne und        desbühne in der Spielzeit 2013.2014 mit großem Erfolg spielte.
sozialere Arbeitsbedingungen kommen für den skrupellosen
Kapitalisten aber nicht in Frage. Die Belegschaft tritt in Streik!
Nach einem Handgemenge wird Robert gefangen genommen.                Inszenierung: Carsten Ramm
Hilfesuchend wendet sich Suzanne an den kommunistischen              Musikalische Leitung: Mario Fadani
Bürgermeister Maurice Babin. Diesem gelingt es, den Unterneh-
mer freizubekommen, konfrontiert ihn aber gleichzeitig mit einer
                                                                     Bühnenbild: Ines Unser
unsauberen Buchführung. Robert erleidet einen Herzanfall. Dass       Kostüme: Kerstin Oelker
sein Sohn Laurent die Musikerin Floriane heiraten möchte, macht
die Sache nicht besser; muss er doch annehmen, deren Vater zu
sein! Während Robert zur Erholungskur geht, übernimmt Suzanne          Premiere: 14. November 2019
kurzerhand die Leitung der Firma und krempelt den Laden kräftig

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Sommer 2014. In Brasilien ist Fußballweltmeisterschaft, in
                  Deutschland Partystimmung, im Leipziger Studentenmilieu wird
                  mit viel Alkohol gefeiert. Anna ist 27 Jahre alt. Sie will dolmet-
                  schen, jobbt nach dem Studium in einer Kneipe und lernt Jonas
                  kennen. Er promoviert über ukrainische Popliteratur und hat eben
                  eine Trennung hinter sich. Die beiden sind sich sympathisch und
                  verbringen eine Nacht, aus der nichts folgt; kein gemeinsames
                  Frühstück, keine Verabredung. Zufällig treffen sie sich auf einer
                  Party wieder, völlig betrunken schleppt Jonas Anna ab. Aber sie
                  will diesmal keinen Sex und sagt nein – oder glaubt zumindest,
                  nein gesagt zu haben. Anna ist zu kraftlos, zu betrunken, um Jo-
                  nas aufzuhalten. Ihr ist klar, dass er ihr Selbstbestimmungsrecht
                  missachtet hat. Erst nach zwei Monaten Wut und Depression zeigt
                  sie ihn an. Aber was sie als Vergewaltigung erlebt hat, war für ihn
                  nicht der beste, aber ohne den geringsten Zweifel einvernehmli-
                  cher Sex. Er fühlt sich gebrandmarkt, stigmatisiert, sie sieht sich
                  als Falschbeschuldigerin diffamiert. Denn bald wird überall über
                  den Fall gesprochen, in der Universität, in der ganzen Stadt. Wer
                  hat Recht? Was ist in besagter Nacht wirklich passiert? Berichte
                  von Anna und Jonas, von Freunden, Verwandten, Uni-Professoren,
                  WG-Mitbewohnern und Arbeitgebern ergeben ein widersprüchli-
                  ches, komplexes Bild.
                  Der Roman nichts, was uns passiert thematisiert, welchen Einfluss
                  eine Vergewaltigung auf Opfer, Täter und das Umfeld hat und wie
                  unsere Gesellschaft mit sexueller Gewalt umgeht. Bettina Wilpert
                  erhielt für ihren Debütroman, der 2018 erschien, den aspekte-
                  Literaturpreis.

                  Bettina Wilpert
                  Bettina Wilpert wurde 1989 in Bayern geboren. In Potsdam, Berlin
                  und Leipzig studierte sie Kulturwissenschaft, Anglistik und Litera-
                  risches Schreiben. Sie war u. a. Stipendiatin des 20. Klagenfurter
                  Literaturkurses und Stipendiatin der Autorenwerkstatt Prosa 2017
                  des Literarischen Colloquiums Berlin. Ihre Texte wurden u. a.
                  in BELLA triste, Metamorphosen, outside the box, PS – Politisch
                  Schreiben und testcard veröffentlicht. Sie arbeitet als Trainerin für

Bettina Wilpert   Deutsch als Fremdsprache und lebt in Leipzig.

                  Inszenierung: Ruth Messing

nichts, was uns   Ausstattung: Johannes Frei
                  Musik: Fabian Kuss

passiert            Premiere: 16. November 2019

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Verblüffend spannend und klar, in einer Mischung aus Krimi und
                                                                      Science-Fiction verband der Fernsehfilm Welt am Draht aus dem
                                                                      Jahr 1973 das Spiel mit verschiedenen Wirklichkeitsebenen. Seine
                                                                      Themen – manipuliertes Bewusstsein, das Gefühl permanenter
                                                                      Überwachung und die zunehmende Durchdringung unserer Le-
                                                                      benswirklichkeit mit Technologie – sind im digitalen Zeitalter von
                                                                      bestechender Aktualität.

                                                                      Rainer Werner Fassbinder
                                                                      Rainer Werner Fassbinder (1945-1982) avancierte als Regie-
                                                                      Autodidakt zu einem der erfolgreichsten deutschen Nachkriegs-
                                                                      regisseure und wichtigsten Vertreter des gesellschaftskritischen
                                                                      Neuen Deutschen Films. Trotz seines frühen Todes hinterließ der
                                                                      „im Leben wie im Arbeiten berserkerhaft Vorwärtsstürmende“ (SZ)
                                                                      ein umfangreiches Werk, das als genial und provokant zugleich

Rainer Werner Fassbinder
                                                                      aufgenommen wurde.

                                                                      Fritz Müller-Scherz
                                                                      Fritz Müller-Scherz ist Drehbuchautor und war auch als Musiker

Fritz Müller-Scherz                                                   und Filmjournalist tätig. Über mehrere Jahre gehörte er zum Stab
                                                                      Rainer Werner Fassbinders. Als Darsteller ist Müller-Scherz durch
                                                                      Helmut Dietls Serie Kir Royal bekannt geworden.

 Welt am Draht                                                        Daniel Francis Galouye
                                                                      Daniel Francis Galouye (1920-1976) war während des Zweiten
                                                                      Weltkriegs Testpilot der US Navy und arbeitete danach als Repor-
                                                                      ter bei einer Tageszeitung in New Orleans. Er publizierte Kurz-
                                                                      geschichten in diversen Science-Fiction-Magazinen und verfasste
Mit Hilfe des Supercomputers Simulacron haben Wissenschaftler
                                                                      fünf Romane, darunter 1964 Simulacron-3. Der war Vorlage für
um Professor Vollmer am Institut für Kybernetik und Zukunftsfor-
                                                                      Fassbinders Welt am Draht und Josef Rusnaks The 13th Floor aus
schung, IKZ, eine Welt erschaffen, die von künstlichen Menschen
                                                                      dem Jahr 1999; auch in dem Film Matrix der Wachowski-Geschwis-
bewohnt wird. Die Forscher, darunter Vollmers Assistent Fred Stil-
                                                                      ter findet sich die Grundidee von Galouyes Roman wieder.
ler, haben Zugang zu dieser Welt. Einer ihrer Bewohner, ein Mann
namens Einstein, weiß, dass er in einer Simulation lebt. Er ist die
Kontaktperson der Forscher. Nachdem Professor Vollmer durch           Inszenierung: Carsten Ramm
einen Unfall ums Leben kommt, wird Stiller zum Technischen
Direktor des Instituts befördert. Dass sein Kollege Lause plötz-
                                                                      Bühnenbild: Tilo Schwarz
lich spurlos verschwindet und sich niemand an dessen Existenz         Kostüme: Kerstin Oelker
erinnern kann, ist nur einer von vielen rätselhaften Zwischenfällen   Musik: Hennes Holz
am IKZ, denen Stiller auf den Grund gehen will. Einen Hinweis er-
hält er von Einstein, dem es kurzzeitig gelingt, der Simulation zu
entkommen: Auch Stillers Wirklichkeit sei lediglich simuliert und
werde von einer höheren Ebene aus gesteuert.                            Premiere: 5. März 2020
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Zwei junge Menschen treffen sich im Nirgendwo: Sakko hat seinen
Job verloren und eine Abfindung bekommen. Arbeitslos, haltlos
und einsam steht er an der Straße und zählt die vorbeifahren-
den Autos. Um seinem Leben wieder Sinn zu geben, sieht er als
einzigen Ausweg die Verpflichtung bei der Armee. Oi kann Sakkos
Haltung nur schwer nachvollziehen. Für sie ist freie Zeit doppel-
te Zeit, arbeitslos oder Urlaub – das mache keinen Unterschied.
Wenn sie etwas braucht, klaut sie es im Supermarkt oder aus der
Umkleidekabine der Sauna. Und zur Not nimmt sie auch mal Geld
für Sex. Sakko und Oi, so grundverschieden ihre Haltungen zu
Leben und Arbeit auch sind, versuchen sich langsam anzunähern,
probieren unterschiedliche Rollen, Konstellationen, Versuchsan-
ordnungen aus, nehmen Rauschmittel und immer wieder neuen
Anlauf. Medium oder Bindeglied ihrer Begegnungen ist ein Auto,
das auch als Wunsch und Projektionsfläche dient: ein Mercedes.
Thomas Braschs sprachgewaltiges Stück Mercedes ist eine Lie-
besgeschichte. Es hat, so der Autor, mit Leonce und Lena zu tun,
„mit den beiden Königskindern, die sich zufällig begegnen und
ineinander verlieben, ohne zu wissen, dass sie diejenigen sind,
die füreinander bestimmt sind. Oder mit Romeo und Julia, denen
es verboten wird, sich zu lieben.“ Wie sie können Sakko und Oi
ihr Ziel nicht auf geradem Weg erreichen. So wird erst über den
Umweg von Experiment und Spiel für zwei gestrandete Einzel-
ne etwas möglich, was in der stupiden Realität nicht zustande
kommt: Nähe.

Thomas Brasch
Der Schriftsteller und Filmemacher Thomas Brasch (1945-2001)
war eine der markantesten Figuren der Neueren Deutschen Lite-
ratur. Aus seinen Texten spricht die individuelle Erfahrung eines
jungen Mannes mit dem Zwangssystem seines Vaters, der ein
hoher Parteifunktionär in der DDR war. Die unbedingte Sehnsucht
nach Utopie, die Beschreibung sozialer Unfreiheit und Auseinan-
dersetzung mit entfremdeter Arbeit, die „dem Mensch das Leben
wegfrisst“ (Katja Lange-Müller), machen ihn zu einem Autor von
bleibender Aktualität.

Inszenierung: Alexander Schilling
Ausstattung: Katharina Andes
                                                                    Thomas Brasch
 Premiere: 14. März 2020                                            Mercedes
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Eine Pokerrunde in der französischen Provinz: Champbourcy,

 Eugène Labiche    Rentier und Kommandant der freiwilligen Feuerwehr, seine
                   Schwester Léonida und seine Tochter Blanche, der Bauer Colladan,
                   der Apotheker Cordenbois und der junge Notar Félix zahlen in

 Das Sparschwein
                   ein Sparschwein ein, das nun randvoll ist und endlich geschlach-
                   tet werden müsste. Aber was anfangen mit dem Geld? Jeder hat
                   einen Vorschlag, wie man es verprassen könnte: Der Apotheker
                   will eine getrüffelte Pute, der Bauer auf den Jahrmarkt nach Crépy.
                   Ganz demokratisch soll nun abgestimmt werden. Léonida gelingt
                   es, ihren Bruder und ihre Nichte – und damit deren Verlobten
                   Félix – von einem Ausflug nach Paris zu überzeugen. Nicht ohne
                   Hintergedanken: Seit drei Jahren gibt sie eine Kontaktanzeige
                   auf, nun hat sich ein Heiratsvermittler gemeldet und macht ihr
                   Hoffnung auf ein Rendezvous in der Hauptstadt. Champbourcy,
                   seit längerem von Zahnschmerzen gequält, will die Gelegenheit
                   zum Arztbesuch nutzen. Der Ausflug nach Paris gewinnt also mit
                   knapper Mehrheit und schon am nächsten Morgen machen sich
                   die Provinzler auf den Weg.
                   Eugène Labiche zieht in Das Sparschwein alle Register: Tempo-
                   reich treibt er seine Protagonisten in die Fallen und Fettnäpfe
                   der Großstadt, führt die Eitelkeiten und den naiven Übermut der
                   Dörfler genüsslich vor, entzieht ihnen die in Aussicht gestellten
                   Vergnügungen und lässt ihre Träume gnadenlos zerplatzen. La
                   Cagnotte, so der französische Titel, wurde 1864 uraufgeführt und
                   zählt neben Die Affäre Rue de Lourcine und Ein Florentinerhut zu
                   den bekanntesten Komödien Labiches.

                   Eugène Labiche
                   Eugène Labiche (1815-1888) studierte Jura und arbeitete als
                   Journalist für kleine Zeitschriften, bevor er gemeinsam mit zwei
                   anderen Autoren sein erstes Stück schrieb. In der Folge gingen
                   aus seiner Theaterwerkstatt 173 weitere hervor. Labiche gab die
                   Grundstruktur vor, der Rest entstand in Teamarbeit mit einer gan-
                   zen Reihe von Co-Autoren. Nur sieben Stücke werden ausschließ-
                   lich ihm zugeschrieben. Fast ausnahmslos produzierte Labiche für
                   die großen Theater an den von Haussmann umgestalteten Pariser
                   Boulevards, die ihm ausgezeichnete Verdienste bescherten und
                   einer ganzen Gattung ihren Namen gaben: Boulevardkomödie.

                   Inszenierung: Arne Retzlaff
                   Ausstattung: Ines Unser
                                                                 Theater
                    Premiere: 16. Juli 2020                      S mmer
                                                                 Bruchsal
40                                                                                 41
junge BLB
42               43
Liebe Weltbürgerinnen, liebe Weltbürger,
     was verbindet uns? Was haben wir verschiedenen Menschen
     miteinander zu tun? Fremde und Fremdes lösen zunächst Abwehr-
     verhalten aus, wir vermuten Gefahr und meinen, uns schützen
     zu müssen. Gegenseitig unseren Geschichten zuzuhören hilft
     uns, unser Gegenüber zu entdecken, das Gefühl der Fremdheit in
     Vertrauen zu verwandeln und damit die Grundlage für ein gedeih-
     liches Zusammenleben zu schaffen.
     Schließlich leben wir alle zusammen auf demselben Planeten und
     alle Lebewesen, die darauf existieren, haben dieselben Rechte.
     Zumindest in der Theorie. Wäre es nicht unser aller Aufgabe, die
     Reichtümer der Erde gleichmäßig zu verteilen? Warum funktio-
     niert das nicht? Und warum unternehmen zu wenige etwas gegen
     Ungerechtigkeit und Zerstörung? Der Autor Sergej Gößner reagiert
     darauf in What on Earth ?! mit einem eigens für uns entwickelten
     theatralen Diskussionsangebot.
     Vier Menschen suchen in #Hungerkünstler nach einem Stand-
     punkt. Sie beginnen bei sich, bei ihrem Körper: Franziska Plüsch-
     ke untersucht mit tänzerischen Mitteln Gründe und Konsequenzen
     unseres wachsenden Verlangens nach Selbstdarstellung, der „Ins-
     tagramisierung“ der eigenen Identität und der Sucht, sich immer
     wieder neu und „verbessert“ darzustellen.
     Noch mitten drin in der Entdeckung ihrer Gedankenwelt sind A
     und O. In Himmel und Hände lernen sie die Zeitrechnung kennen,
     schauen forschend in die Sterne und stellen fest, dass Anfang und
     Ende von allem in uns selbst liegen.
     Vom Ende eines Lebens, wenn die Erinnerungen zerfallen, erzählt
     der Autor Holger Schober. Mit Sonnenstrahl im Kopfsalat schreibt
     er erneut ein Stück für uns, diesmal beschäftigt er sich in ergrei-
     fenden, teils lustigen, teils tragischen Szenen mit dem Thema
     Demenz. Viele von uns sind familiär betroffen, aber was löst die
     Krankheit bei Kindern aus, wenn sich die Großeltern plötzlich
     selbst wie Kinder verhalten? Wie verändert Demenz unseren Alltag
     und unseren Umgang mit den Betroffenen?
     Wer möchte angesichts all der Probleme nicht manchmal die Erde
     verlassen? Einige Gurus aus dem Silicon Valley träumen davon,
     konkrete Pläne schmiedet bereits der Räuber Hotzenplotz, der mit
     einer Mondrakete seinen irdischen Zwängen entkommen will.
     Und auch Rapunzel, die Heldin unseres Theatersommerstücks,
     träumt von der Flucht. Ihr einsamer Turm wird ihr zu eng, sie will
     hinaus in die Welt, Geschichten erleben, hören, weitererzählen.
     Wie wir alle. Am besten natürlich draußen, aber auch immer
     wieder gern im Theater, wo wir euch Weltgeschichten erzählen!
     Kommt gucken und bringt alle mit – es gibt viel zu entdecken.
     Seid herzlich willkommen!

     Euer Joerg Bitterich
     Leitung junge BLB

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franziska plüschke                                                   carsten brandau
#hungerkünstler                                                      himmel und hände
Meine Hüfte ist zu breit, meine Brüste zu klein. Und wo ist der
Waschbrettbauch, von dem ich träume? Warum streben wir alle
                                                                    A und O entdecken gemeinsam die Welt. So häufig sie ihre
nach dem „perfekten“ Körper? Warum nehmen wir uns nicht ein-
                                                                    Freundschaft beschwören, so unterschiedlich sind sie doch.
fach so an, wie wir sind? Unter #Hungerkünstler lernen sich vier
                                                                    Während A seinen Kopf mit Vorliebe in den Himmel streckt und
Menschen kennen, die sich alle in einer Situation zwischen Todes-
                                                                    sich dort alles Mögliche ausdenkt, gräbt sich O mit seinen Händen
sehnsucht und Lebenshunger befinden. Die Welt um mich herum
                                                                    enthusiastisch eine tiefe Höhle in die Sandkiste. Gemeinsam sind
ist so chaotisch, da muss ich wenigstens Kontrolle über mein Ge-
                                                                    sie das A und O. Doch was das tatsächlich bedeutet, wird ihnen
wicht behalten. Warum sieht niemand, dass ich hungrig bin? Nach
                                                                    erst klar, als der erste Schultag naht. Himmel und Hände ist eine
Leben und Liebe? Warum wird Dicksein gleichgesetzt mit Faulsein?
                                                                    Geschichte über Freundschaft, dreckige Hände und die Sterne
Mit Mitteln des Tanztheaters untersuchen wir Essstörungen und
                                                                    am Himmel. Eine Geschichte vom Denken und vom Machen, von
Körperbilder. #Hungerkünstler ist nach Mit den Ohren sehen,
                                                                    der phantastischen Kraft der Sprache und von der beruhigenden
auf der Nase tanzen das zweite Tanztheaterstück, das Franziska
                                                                    Gewissheit, dass auf jedes Ende ein neuer Anfang folgt.
Plüschke an der Badischen Landesbühne entwickelt.
                                                                    Die Theaterstücke und Hörspiele von Carsten Brandau wurden
                                                                    mehrfach nominiert und ausgezeichnet. Für Himmel und Hände
Uraufführung                                                        erhielt er 2016 den Mülheimer KinderStückePreis.
Inszenierung/Choreographie: Franziska Plüschke
Ausstattung: Georg Burger                                           Inszenierung/Bühnenbild: Joerg Bitterich
Video/Musik: Nils Menrad                                            Kostüme: Kerstin Oelker
Ab 13 Jahren/ab 8. Klasse                                           Ab 5 Jahren/Kindergarten/Vorschule

  Premiere: 20. September 2019                                        Premiere: 22. September 2019

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otfried preußler
john von düffel
räuber hotzenplotz
und die mondrakete
Der Räuber Hotzenplotz ist aus dem Spritzenhaus entkommen
und Wachtmeister Dimpfelmoser ist außer sich! Kasperl will
das mit seinem Freund Seppel übernehmen, wie beim letzten
Mal. Aber Seppel ruht sich gerade so schön aus und könnte den
lästigen Räuber auf den Mond schießen! Das bringt Kasperl auf
eine Idee: Aus Kartons, Kleister und silbernem Klebeband bauen
die Jungs eine Mondrakete. Lauthals streiten sie darum, wer von
ihnen damit auf den Mond fliegen darf – der ja bekanntlich aus
purem Silber besteht. Für den Räuber Hotzenplotz, der längst auf
der Lauer liegt, ist klar: Niemand anderes als er werde zum Mond
fliegen und sich das Silber holen!
Die neuste Räuber-Hotzenplotz-Geschichte ist im Nachlass Otfried
Preußlers von dessen Tochter entdeckt worden. John von Düffel
hat sie mit viel Fingerspitzengefühl für die Bühne bearbeitet.

Otfried Preußler
Otfried Preußler (1923-2013) war einer der wichtigsten deutschen
Kinderbuchautoren. Sein Gesamtwerk aus 32 Büchern wurde in 55
Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

John von Düffel
John von Düffel, geboren 1966 in Göttingen, ist Dramaturg und
Autor. Er ist am Deutschen Theater Berlin engagiert und Autor
zahlreicher Bühnenstücke, Bühnenbearbeitungen sowie eigener
Romane.

Inszenierung: Joerg Bitterich
Ausstattung: Franziska Smolarek
Musik: Jonathan Wolters
Ab 6 Jahren/ab 1. Klasse

  Premiere: 1. November 2019

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holger schober
                                                                         sergej gößner
sonnenstrahl                                                             what on earth ?!
 im kopfsalat                                                          815 Millionen Menschen haben nicht genug zu essen. Der Durch-
                                                                       schnittsdeutsche verursacht im Jahr 37 kg Plastikmüll. Seit die
Was wäre, wenn du dich zwar noch an Erlebnisse aus deiner Kind-        Erde sich dreht, gab es fünf große Artensterben. Wir befinden
heit erinnern könntest, du aber keine Ahnung hättest, was du eben      uns im sechsten. Zu den Umweltproblemen kommen Kriege und
gemacht hast? So geht es David. Er ist dement. Und wer ist diese       wirtschaftliche Probleme. Etwa 157.000 Menschen starben 2016
Person, die da täglich vorbeikommt? Die Putzfrau? Die Postbotin?       durch bewaffnete Konflikte. Im Bundestag sitzt eine rechtspopu-
Sarah ist Davids Enkelin, sie wünscht sich, dass Opas „Kopfsalat“      listische Partei, meine Schulnoten sind schlecht, Mira knutscht mit
noch einmal von einem Sonnenstrahl erhellt würde. Sarah sagt ihm       Julius Winkler und meine Eltern wollen sich trennen. Wie kann ich
aber nicht, dass er krank ist. Sie lässt sich auf seine Weltwahrneh-   die Welt retten, wenn ich nicht einmal meine eigenen Probleme
mung ein. Sonnenstrahl im Kopfsalat ist ein Stück für zwei Perso-      bewältigen kann? What on Earth ?! beschäftigt sich mit Umwelt-
nen zum Thema Demenz, einem Phänomen, das in einer alternden           schutz und Zukunftsangst und sucht notwendige Utopien.
Gesellschaft immer wichtiger wird. Die beiden schlüpfen immer          Mit Mongos gewann Sergej Gößner 2018 den JugendStückePreis
wieder in andere Rollen und spielen mögliche Szenen aus dem            des Heidelberger Stückemarkts. Für What on Earth ?! hat er zu-
Leben einer an Demenz erkrankten Person durch. Dabei entsteht          sammen mit der jungen BLB das Stipendium des Arbeitskreises
eine spielerische Collage, mal humorvoll, mal traurig, mal berüh-      Junges Theater Baden-Württemberg gewonnen, das vom Ministe-
rend, mal frech. Holger Schober schreibt zum zweiten Mal einen         rium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-
Theatertext zur Uraufführung an der Badischen Landesbühne.             Württemberg gestiftet wird.

Uraufführung                                                           Uraufführung
Inszenierung/Bühnenbild: Julia-Huda Nahas                              Inszenierung: Joerg Bitterich
Kostüme: Kerstin Oelker                                                Ausstattung: Ann Heine
Ab 10 Jahren/ab 5. Klasse                                              Ab 14 Jahren/ab 9. Klasse

  Premiere: 31. Januar 2020                                              Premiere: 7. Februar 2020

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Friedrike und Friedrich gehen zu zweit durchs Leben. Sie sind
                       Zwillinge. Gemeinsam schlagen sie das Buch ihrer märchenhaf-
                       ten Familiengeschichte auf und blicken in die Vergangenheit:
                       Ihre Großmutter Grete wünscht sich von Herzen ein Kind. Endlich
                       schwanger, überkommt sie Heißhunger auf die Rapunzeln aus
                       dem Garten ihrer Nachbarin. Gretes Mann wird beim Diebstahl
                       von der Zauberin Gotel erwischt. Nun hat er den Salat, denn die
                       Zauberin fordert dafür das Neugeborene! Sie liebt das Mädchen,
                       das sie Rapunzel nennt, über alles. Da sie jedoch Angst hat, je-
                       mand könnte ihr das Kind wegnehmen, schirmt sie es von der Au-
                       ßenwelt ab. Aber Rapunzel ist neugierig, will andere Jugendliche
                       treffen und sich ihren Platz in der Welt erobern. Ihrer Ziehmutter
                       passt das nicht, sie sperrt Rapunzel in einen Turm in einem ab-
                       gelegenen Wald. Rapunzel beklagt sich. Erhört wird sie von Prinz
                       Thomas, der weder kämpfen noch König werden will. Er bittet sie,
                       ihre langen Haare herunterzulassen und klettert an ihnen hoch:
                       Es ist Liebe auf den ersten Blick! Eifersüchtig auf das junge Glück
                       schickt Gotel Rapunzel in die Wüste, aber die Liebe ist stärker als
                       alles auf der Welt.
                       Katharina Schlenders moderne Theateradaption des bekannten
                       Grimm-Märchens erzählt von Liebe, Angst und Mut. Sie ist ein
                       humorvolles Plädoyer für Zweisamkeit und Unabhängigkeit.

                       Katharina Schlender
                       Katharina Schlender wurde 1977 in Neubrandenburg geboren.
                       An der Universität der Künste Berlin studierte sie Szenisches
                       Schreiben. Seit 2000 arbeitet sie als freischaffende Schriftstel-
                       lerin, vorwiegend als Theaterautorin. Für ihre Texte erhielt sie
                       zahlreiche Stipendien und Preise, so etwa den Jugendtheaterpreis
                       Baden-Württemberg für das Stück Plumpsack und 2001 den Kleist-
                       Förderpreis für junge Dramatik. 2003 war sie Preisträgerin des
                       Heidelberger Stückemarktes.

 katharina schlender   Brüder Grimm
                       Die Brüder Jacob (1785–1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859)

 brüder grimm          wurden im hessischen Hanau geboren. Ab 1807 begannen sie,
                       Märchen zu sammeln und aus mündlicher Überlieferung aufzu-
                       zeichnen. Ihre Märchensammlungen machten sie weltberühmt.

rapunzel               Inszenierung: Louis Villinger
                       Bühnenbild: Ines Unser

oder                   Kostüme: Kerstin Oelker
                       Ab 6 Jahren/ab 1. Klasse
                                                                 Theater
wen die liebe trifft     Premiere: 8. Mai 2020
                                                                 S mmer
                                                                 Bruchsal
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mit den ohren sehen,
auf der nase tanzen                                                   ein könig zu viel
Franziska Plüschke                                                    Gertrud Pigor
Manchmal vertrauen wir Menschen blind, wir beschnuppern uns           War ja klar, dass keiner der beiden für den anderen Platz machen
oder können uns überhaupt nicht riechen – und wer nicht hören         wollte. So sind König Karl und König Fritz mit ihren Heißluftbal-
mag, will vielleicht lieber fühlen? Die fünf menschlichen Sinne       lons zusammengerasselt und über der kleinen Insel abgestürzt.
sind Wunderwerke der Natur. Mit unseren Augen sehen wir unzäh-        Für zwei Könige ist so ein Eiland allerdings sehr eng. Wer also ist
lige Farben, das Hören ist die Grundlage der Kommunikation und        der Inselkönig? Wer der Untertan? Klein beigeben will jedenfalls
mit Zunge und Gaumen gehen wir auf Geschmacksreise. Beson-            weder Karl noch Fritz. Wenn sich da mal niemand einen Zacken
ders unmittelbar ist das Geruchsempfinden. Und der Tastsinn? Der      aus der Krone bricht.
König unter den Sinnen!                                               „Ein großer Überseekoffer, goldene Kostüme und ein paar Requi-
„Dieses Stück, das sich vor allem an Kinder ab vier Jahren richtet,   siten genügen – schon landen die beiden Könige Fritz und Karl im
nimmt die Zuschauer mit auf eine Entdeckungsreise aller Sinne         Kreise der Kinder. Vergnügt übernimmt das Publikum die Aufgabe
dank dynamischer Bewegungen und der besonderen Mimik. “               der Geräuschkulisse. Von den Schauspielern trennt sie nur eine
Bruchsaler Rundschau/Lena Hauke                                       Reihe halbierter Kokosnüsse, die die beiden im Kreis platziert ha-
                                                                      ben. Es sind die Körpersprache und die humoristischen Scheinge-
                                                                      fechte, die das Publikum fesseln.“ Bruchsaler Rundschau/Susanne
Uraufführung
                                                                      Maske
Inszenierung/Ausstattung/Choreographie:
Franziska Plüschke                                                    Inszenierung/Bühnenbild: Joerg Bitterich
Musik: Jonas Bolle                                                    Kostüme: Kerstin Oelker
Ab 4 Jahren/Kindergarten/Vorschule                                    Ab 4 Jahren/Kindergarten/Vorschule

 Wiederaufnahme ab Oktober 2019                                        Wiederaufnahme ab Oktober 2019
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die erstaunlichen
magdeburg hieß                                                         abenteuer der
früher madagaskar                                                     maulina schmitt
Zoran Drvenkar                                                        Finn-Ole Heinrich/Dita Zipfel
Dass Lars nicht in der Schule war, ist Frankie gleich aufgefallen.    Warum dürfen Eltern alles entscheiden? Maulina findet das extrem
Ob Lars krank ist? Seine Mutter wimmelt Frankie an der Haustür        ungerecht. Zumal Erwachsene manchmal echt bescheuert sind!
ab. Also steigt er durchs Fenster ein und findet Lars in seinem       Gründe für Maulattacken hat sie genug: dass sie mit Mama in eine
Kinderzimmer – mit einem blauen Auge. Das Auge tut weh wie            „Plastikwohnung“ ziehen muss und ihr Vater nun allein in ihrem
Zahnarzt ohne Spritze. Und es stammt auch nicht von einer Raufe-      Königreich „Mauldawien“ haust zum Beispiel. So nicht! Das König-
rei auf dem Schulhof, sondern von Lars’ Mutter. Am liebsten wür-      reich muss zurückerobert werden. Doch dann erfährt sie von der
de Lars abhauen. Frankie packt seine Tasche und zieht bei seinem      unheilbaren Krankheit ihrer Mutter. Ein Wunder muss her!
besten Kumpel ein. Bis es wieder gerecht ist.                         „In seiner Inszenierung des Stücks vermittelt Bitterich die ganze
„Ob Erzählstimme, Elternteil, Polizist oder Punk – Frederik Kienle,   Bandbreite der Gefühle eines Kindes, dessen Welt in Unordnung
Norhild Reinicke und Alexander Chico-Bonet wie auch Tim Tegt-         geraten ist: Wut, Verzweiflung, Hoffnung wider jede Vernunft. Er
meier überzeugen mit ihrer Vielseitigkeit und Ausdrucksstärke,        zeigt zugleich, dass auch in schweren Zeiten Schönes geschehen
aber auch mit einer Prise Humor, viel Optimismus, Mut und einer       kann und dass es in Ordnung ist, sich darüber zu freuen.“ Bruch-
kindlichen Direktheit.“ Bruchsaler Rundschau/Fabiola Just             saler Rundschau/Sibylle Orgeldinger

Inszenierung: Joerg Bitterich                                         Inszenierung: Joerg Bitterich
Ausstattung: Franziska Smolarek                                       Ausstattung: Georg Burger
Ab 8 Jahren/ab 3. Klasse                                              Ab 10 Jahren/ab 5. Klasse

 Wiederaufnahme ab Oktober 2019                                        Wiederaufnahme ab November 2019
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krieg. stell dir vor,                                              auschwitz meine liebe
er wäre hier                                                       Holger Schober
Janne Teller                                                       Salomon hat heute Geburtstag. Das hat er so beschlossen, denn
                                                                   seinen wirklichen Geburtstag kennt er nicht. Nach dem Krieg war
Ein Gedankenexperiment: Es ist Krieg – nicht in Syrien, im Irak    niemand mehr da, der ihm darüber hätte Auskunft geben kön-
oder in Afghanistan, sondern hier, in Europa, in Deutschland. Es   nen. Salomon ist Jude und sein Leben ist verknüpft mit einem Ort
regieren Angst und Kälte, Gewalt und Hunger. Wer kann, flieht in   in Osteuropa – mit Auschwitz. Dort, im Konzentrationslager der
den Nahen Osten, wie der 14-jährige Protagonist der Geschichte.    Nazis, war er als Kind interniert.
Seine Familie lässt alles zurück und landet in einem ägyptischen   „Von der Aussage eines Holocaust-Überlebenden – ‚Auschwitz war
Flüchtlingslager. Sie sind in Sicherheit, aber in einem fremden    meine ewige Hassliebe‘ – ausgehend schrieb Holger Schober sein
Land ein neues Leben zu beginnen, ist alles andere als einfach.    Stück. Sicher geführt von Regisseur Joerg Bitterich gelingt es Tim
„Die Autorin Janne Teller hofft nach eigener Aussage, dass ihr     Tegtmeier, den alten Mann zu verkörpern, der die Stationen sei-
Text unpolitisch gelesen und ‚als eine Einladung an das Vorstel-   nes Lebens nachzeichnet. Am Ende nimmt das Stück eine überra-
lungsvermögen‘ verstanden wird. Wer der Einladung an der Badi-     schende Wendung und gibt damit nicht nur den Überlebenden
schen Landesbühne folgt, den wird das kurze Stück noch lange       eine Stimme, sondern auch denjenigen, die nie die Chance hatten,
nachdenken lassen.“ BNN/Sibylle Orgeldinger                        alt zu werden.“ Bruchsaler Rundschau/Sibylle Orgeldinger

Uraufführung                                                       Uraufführung
Inszenierung: Carsten Ramm                                         Inszenierung/Bühnenbild: Joerg Bitterich
Kostüm: Kerstin Oelker                                             Kostüme: Kerstin Oelker
Ab 12 Jahren/ab 7. Klasse                                          Ab 13 Jahren/ab 8. Klasse

 Wiederaufnahme ab Oktober 2019                                     Wiederaufnahme ab Dezember 2019

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marcello, marceline
kiwi on the rocks                                                      & das cello
Daniel Ratthei                                                         Edzard Schoppmann
                                                                       Gastspiel des BAAL novo Theater Eurodistrict
Kiwi will dazugehören, cool sein, krass sein, tough sein! Und
wenn sich doch mal Unsicherheit einstellt, gibt es ja Alkohol. Der     Zwei verspielte Wesen im Tohuwabohu der Liebe: Ein sich über-
macht locker, vertreibt die Angst. Nach einer durchfeierten Nacht      schätzender Clown, der über sich selber stolpert, und eine
knutscht Kiwi mit einem Typen. Während er immer zudringlicher          puppenhafte Tänzerin, die wie vom Himmel gefallen ist. Er, der
wird, wird ihr immer übler. Sie übergibt sich, direkt über ihn. Die    Clown, will ein „Konzert für zwei“ geben, solo! Doch alle Versu-
Geschichte von „Kotz-Kiwi“ macht via Facebook die Runde, die           che, das Konzert für Cello und Gitarre zu geben, enden in den
nächste Party wird zum Spießrutenlaufen. Die Scham spült Kiwi          Verstrickungen von verqueren Beinen, hüpfenden Saiten, schrä-
mit Tequila runter. Filmriss. Sie wacht auf, ist halbnackt und ange-   gen Noten und widerspenstigen Notenständern. Da taucht, wie
malt. Was ist passiert?                                                aus Träumen gesponnen, im Klang zwischen Wunsch und Wirk-
„Schauspielerin Yasmin Vanessa Münter lässt in die Innenwelt ei-       lichkeit sie auf: eine Tänzerin, halb Puppe, halb Fee, nicht ganz
ner 14-Jährigen blicken, in der Unsicherheit und Überheblichkeit,      von dieser Welt. Durch Liebe entschlüsselt öffnet sich der Kokon
Angst und Übermut dicht beieinanderliegen, erweckt Menschen            aus versteinerten Tränen und verborgenen Wünschen, und aus
und Schauplätze mit Worten, Gesten und wenigen Requisiten              ihm und ihr werden Menschen, die einander gern haben und fort-
zum Leben. Die Premiere erhielt im theater treppab begeisterten        an die Freuden und Nöte des Lebens miteinander teilen wollen.
Beifall und dürfte bei jugendlichen Zuschauern Fragen aufwerfen.“      Eine verzaubernde lyrisch-humorvolle Theaterphantasie über
Bruchsaler Rundschau/Sibylle Orgeldinger                               Sehnsucht und Einsamkeit, Zweisamkeit und erfülltes Leben. Für
                                                                       kleine und große Kinder.
Inszenierung/Bühnenbild: Ruth Langenberg
Kostüme: Kerstin Oelker                                                Inszenierung: Diana Zöller
Ab 14 Jahren/ab 9. Klasse                                              Ab 4 Jahren/Kindergarten/Vorschule

 Wiederaufnahme ab Oktober 2019                                         ab 15. März 2020
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BLB extra
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70 Jahre                                                        Unter der Intendanz von Dr. Rolf P. Parchwitz, die 1986 begann,

                                e
                                                                     hatte sich die BLB einen guten Ruf in der überregionalen Presse

       c h e L a n d e s bü h n                                      erarbeitet. Dazu trugen auch Tourneen nach Ungarn und Rumä-

 Badis
                                                                     nien bei. Statt eines Programmheftes gab es unter seiner Leitung
                                                                     zu jeder Inszenierung im Abendspielplan ein sogenanntes „Bunt-
                                                                     buch“. Wichtige infrastrukturelle Änderungen in dieser Zeit waren
                                                                     die Fertigstellung der Werkstätten in der John-Deere-Straße sowie
                                                                     der Bezug des Stadttheaters im Bürgerzentrum. 1993 wurde
Die Geschichte der Badischen Landesbühne begann am 29. Sep-
                                                                     Parchwitz von Peter Dolder abgelöst. Mit Musicals und unterhal-
tember 1949. Auf Initiative des Schauspielers Franz Mosthav wur-
                                                                     tenden Produktionen gelang es Dolder, die Zuschauerzahlen zu
de sie als „Kulturwerk des württemberg-badischen Unterlandes“ in
                                                                     erhöhen.
Neckarsulm gegründet. Mosthav wurde als Intendant eingesetzt.
                                                                     Seit 1998 ist Carsten Ramm Intendant der Badischen Landesbüh-
Der Jedermann von Hugo von Hofmannsthal war die erste Insze-
                                                                     ne. Seitdem bildet der zehntägige Theatersommer im Bruchsaler
nierung, die er zeigte. Um die finanzielle Lage des Theaters zu
                                                                     Schlossgarten den Abschluss jeder Saison. Eine Matineereihe
verbessern, wurde es 1951 in einen e. V. umgewandelt. Im Zuge
                                                                     – seit der Spielzeit 2004.2005 unter dem Namen Café Europa –
der Gründung des neuen Bundeslandes Baden-Württemberg im
                                                                     ergänzt den Spielplan. Das Kinder- und Jugendtheater wurde mit
Jahr 1952 und den damit verbundenen kulturpolitischen Über-
                                                                     einer eigenen Leitung und einer zweiten Theaterpädagogikstelle
legungen – es gab bereits eine „schwäbische“ Landesbühne in
                                                                     gestärkt. Die junge BLB hat 2017 mit dem theater treppab eine ei-
Esslingen – sollte auch eine Stadt im Badischen Sitzstadt einer
                                                                     gene Spielstätte bekommen. Einer der bisherigen Höhepunkte der
Wanderbühne werden. Franz Mosthav fasste Bruchsal ins Auge und
                                                                     Intendanz von Carsten Ramm war das Zukunftsfestival Utopolis
der Bruchsaler Gemeinderat stimmte dem Umzug zu. Erst ein Jahr
                                                                     in der Spielzeit 2014.2015, das die BLB im Rahmen der Heimatta-
darauf wurde Bruchsal vollwertiges Mitglied im Trägerverein.
                                                                     ge Baden-Württemberg veranstaltete. Das BLB Bürgertheater mit
Mosthav, auf dessen Spielplänen vor allem Klassiker der Theaterli-
                                                                     seinen drei Spielclubs ging hieraus hervor.
teratur zu finden waren und der bekannte Schauspielerinnen und
Schauspieler als Publikumsmagnete engagierte, blieb bis 1963
Intendant. Ihm folgte von 1964 bis 1972 Hans Pabst und ab 1972
Alf André. Beide setzten auf moderne Dramatik und zeitgenössi-
                                                                     Im Frühjahr 2020 feiern wir den
sche Texte. Insbesondere André verfolgte ambitionierte künstleri-    Geburtstag der Badischen Landesbühne
sche Ziele. Zu seinen Neuerungen zählten Stückentwicklungen zu       mit einer Fotoausstellung in den Räumen
Themen der Region, eine Studio-Bühne in den neu angemieteten
Räumen in der Wilderichstraße und die Gründung einer eigenen         unseres Premium-Partners Sparkasse
Sparte für das Kinder- und Jugendtheater.                            Kraichgau am Bruchsaler Friedrichsplatz.
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Bertolt Brecht
Apparaterlebnis
Mit der Erfindung des Rundfunks war der Mensch nicht mehr an
Raum und Zeit gebunden. Der Radioapparat übermittelte Ereig-
nisse, „als ob man direkt dabei wäre“ – wie ein Erlebnis. Um das
Publikum für das neue Medium zu gewinnen, veranstaltete die
Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG) 1929 in Baden-Baden ein
großes Festival und bestellte dazu beim erfolgreichen Duo der
Dreigroschenoper Brecht/Weill ein „Heldenlied“ zum Gedenken
an „große Sportsleute“. Da bot sich eine wie live gestaltete Re-
portage des Jahrhundertflugs von Charles Lindbergh geradezu
an. 1927 feierten Millionen Menschen über das Radio „Lindy“ als
den neuen Helden des technischen Zeitalters – ohne danach zu
fragen, welche wirtschaftlichen Hintergründe die Finanzierung des
Flugs ermöglichten. In Zusammenarbeit mit dem Brecht-Experten
Jan Knopf widmen wir uns der sensationellen Uraufführung von
Brechts Lindberghflug vor 90 Jahren.

 Café Europa 13. Oktober 2019, 11 Uhr, Profa

                                                                     Friedrich Schiller
                                                                    Taucher, Glocke, Eisenhammer
                                                                    Der Lyriker Schiller hatte nie den ungeteilten Beifall seiner Leser
                                                                    gefunden. 1789 hatte er sich selbst eingestanden: „Das lyrische
                                                                    Fach sehe ich eher für ein Exilium, als für eine eroberte Provinz
                                                                    an.“ Nicht nur auf dem Gebiet der Lyrik führte die Zusammenar-
                                                                    beit mit Goethe – von 1794 an waren die beiden in enger Freund-
                                                                    schaft verbunden – zu einem produktiven Schub. Als „Balladen-
                                                                    jahr“ hat Schiller das Jahr 1797 bezeichnet, in dem der von ihm
                                                                    herausgegebene Musenalmanach mit Gedichten beider Autoren
                                                                    erschien. In ihrer Mischung von lyrischen, epischen und dramati-
                                                                    schen Elementen waren Balladen sehr populär. Diejenigen Schil-
                                                                    lers zielen auf die Vermittlung einer sittlichen Lehre und zeichnen
                                                                    sich durch ihre effektvolle, eingängige Sprache aus. Anlässlich
                                                                    seines 260. Geburtstages widmen wir Friedrich Schiller ein Pro-
                                                                    gramm mit modernen Interpretationen seiner Balladen.

                                                                     Café Europa 17. November 2019, 11 Uhr, Profa
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Literaturnobelpreis
  2019
Jedes Jahr Anfang Oktober hatte die Ständige Sekretärin der
                                                                    Rio Reiser
Schwedischen Akademie in Stockholm verkündigt, wem der
Nobelpreis für Literatur verliehen wurde. Im Herbst 2018 blieb      Keine Macht für Niemand
die goldverzierte Tür der Akademie zu, es wurde kein Literaturno-
belpreis verliehen. Das Gremium hatte sich seit November 2017       Als Ralph Möbius brach er Schule und Fotografenlehre ab und
in einen Missbrauchs- und Korruptionsskandal verstrickt. Dieser     zog 1967 nach Berlin. Als Rio Reiser schrieb er Theatermusik und
drehte sich um Jean-Claude Arnault, den Ehemann des Akade-          gründete die Band Ton Steine Scherben. Die „Scherben“ waren die
miemitglieds Katarina Frostenson. Mehrere Frauen der Akademie       erste deutschsprachige Band, die Rockmusik als Ausdruck einer
erhoben schwere Vorwürfe gegen Arnault, der schließlich wegen       Haltung verstand. Rio Reisers Texte rieben sich an herrschenden
Vergewaltigung verurteilt wurde. Dem Ehepaar wurde zudem            Strukturen und verliehen damit dem Lebensgefühl der Jugend der
vorgeworfen, Literaturnobelpreisträger vorab ausgeplaudert          70er Jahre – insbesondere der Kreuzberger Hausbesetzer-Szene –
zu haben. Aus Protest gegen mangelnde Konsequenzen in der           eine Stimme. Nach einer fehlkalkulierten Tour war die Band 1985
Akademie traten mehrere Mitglieder zurück, worauf das Gremium       hoch verschuldet und löste sich auf. Reiser begann eine erfolg-
handlungsunfähig wurde. Mittlerweile haben sich die Wellen mehr     reiche Solokarriere, die zehn Jahre später mit seinem plötzlichen
oder weniger gelegt. Im Herbst 2019 werden nun gleich zwei Lite-    Tod endete. „Der einzige, der über die ganz große Liebe, den
raturnobelpreise verliehen. Die Spannung ist in diesem Jahr also    brennenden Hass, das Steineschmeißen und die Sehnsucht singen
doppelt so groß! Im Café Europa stellen wir Werk und Leben der      kann, ohne zu lügen“, urteilte die taz. Am 9. Januar 2020 hätte
beiden Ausgezeichneten vor.                                         Rio Reiser seinen 70. Geburtstag gefeiert.

 Café Europa 8. Dezember 2019, 11 Uhr, Profa                         Café Europa 19. Januar 2020, 11 Uhr, Profa

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Friedrich Hölderlin
Albert Camus
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Leben heißt handeln                                                 Blumen
Am 4. Januar 1960 kam der Philosoph und Schriftsteller Albert       Ob Hölderlin am Ende seines Lebens wirklich „geistig umnachtet“
Camus bei einem absurden Autounfall ums Leben. Auch 60 Jahre        war, ist bis heute ungeklärt. Dass seine Poesie einen Höhepunkt
nach seinem Tod hat sein um die transzendentale Obdachlosig-        der abendländischen Literatur darstellt, ist heute jedoch unbe-
keit des Menschen kreisendes Werk nichts an Klarheit, Schärfe       stritten. Der eigentümliche Hölderlin-Sound ist geprägt durch die
und Faszination eingebüßt. Als Camus 1913 in der Nähe von           Weigerung des Autors, auf herkömmliche Weise zu schreiben. Er
Algier in ärmlichen Verhältnissen zur Welt kam, deutete nichts      ergibt sich durch eruptive Sätze mit überraschenden Perspektiv-
darauf hin, dass er eines Tages zum Pariser Starintellektuellen     wechseln, harten Zeilenbrüchen und gewagten Gedankensprün-
und zu einer Leitfigur der Résistance werden würde. Im Schatten     gen. Durch seine offene Schreibweise gilt Hölderlin, der im Jahr
der Hakenkreuzfahne entwickelte er in Essays und Romanen seine      2020 seinen 250. Geburtstag feiern würde, als Begründer der
„Philosophie des Absurden“. Die Situation des Menschen sei ab-      modernen Lyrik. In seinem Werk preist er die Schönheit der Natur,
surd, weil die Welt an sich keinen Sinn habe. Das Leben könne nur   erzählt von Einsamkeit, Anderssein und unglücklicher Liebe. Mit
durch die Revolte gegen das Absurde und durch den Kampf für         seinen Freunden Hegel und Schelling prägte er die philosophische
die Würde des Menschen Sinn erhalten. Diese permanente Revolte      Strömung des Deutschen Idealismus’ und propagierte die Welt als
ist gemäß Camus die Aufgabe der Kunst.                              Einheit der „Vielheiten“.

 Café Europa 16. Februar 2020, 11 Uhr, Profa                         Café Europa 22. März 2020, 11 Uhr, Profa
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