JUGENDKANAL - JA ODER NEIN? - CHRONOLOGIE DES GEMEINSAMEN JUGENDANGEBOTS VON ARD UND ZDF - BR

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JUGENDKANAL - JA ODER NEIN? - CHRONOLOGIE DES GEMEINSAMEN JUGENDANGEBOTS VON ARD UND ZDF - BR
PROGRAMMFORSCHUNG

Jugendkanal – ja oder nein?
Chronologie des gemeinsamen Jugendangebots von
ARd und ZDF
Genia Baranowski

Dieser Artikel fasst die Geschichte         tenstadl« gefordert
des gemeinsam von ARD und ZDF               (Gangloff, 2013, S. 87).
geplanten Jugendkanals zusammen.
Außerdem wurden VertreterInnen
von ARD, ZDF und der Politik dazu           Erste Schritte
befragt (Stand: März 2015).                 in Rich­tung
                                            Jugendkanal
Chance oder Fehlentscheidung? Die
Meinungen im Oktober 2014 waren             Schon in der Ver-
gemischt. Damals hatten die Minis-          gangenheit hatte es
terpräsidentInnen beschlossen, dass         Befür worterInnen
der von ARD und ZDF ursprünglich            eines Jugendkanals
crossmedial geplante Jugendkanal nur        gegeben.4 Besonders
als Internetangebot starten wird (zur       Peter Boudgoust, seit
Chronologie der Entscheidungen s.           2007 Intendant des
Abb. 1).1                                   SWR, hat sich inner-
Dass die beiden Sendeanstalten              halb der ARD jahre-
überhaupt ein gemeinsames Jugend-           lang dafür eingesetzt.
angebot konzipiert hatten, lag daran,       Sein Versuch, EinsPlus
dass jüngere Menschen, besonders im         (SWR) und Einsfesti-
Fernsehen, zunehmend private statt          val (WDR) zu einem
öffentlich-rechtliche Angebote bevor-       Jugendprogramm zu
zugen (vgl. z. B. Giersch, 2008, s. auch    fusionieren, war aller-
Feierabend et al. in dieser Ausgabe). Mit   dings spätestens 2011
dem Jugendkanal sollte dem »seit Jah-       wegen Uneinigkeiten
ren drohenden Generationenabriss«           gescheitert.5 Die da-
entgegengewirkt und der Zielgruppe          malige WDR-Inten-
der 14- bis 29-Jährigen ein »öffent-        dantin Monika Piel,
lich-rechtliches mediales Zuhause«          die 2011 den ARD-
geboten werden.2 Denn zum Auftrag           Vorsitz von Boud-
der öffentlich-rechtlichen Rundfunk-        goust übernommen
anstalten gehört es, Programm für alle      hatte, sprach sich
Altersgruppen zu machen, wie auch           laut Medienberich- Abb.     1: Chronologie der Entscheidungen über den von ARD
                                                                    und ZDF geplanten Jugendkanal
der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor             ten mehr als einmal,
kurz vor der Entscheidung noch einmal       unter anderem aus
bekräftigte. Das bestehende Programm        finanziellen Gründen,
könne jedoch nicht extrem verjüngt          gegen einen eigenen Jugendkanal aus.6 junge Zielgruppen zu entwickeln. Und
werden, so Marmor, da dann ältere           Das Thema »Jugend« war aber noch dass dies durchaus auch die Diskus-
ZuschauerInnen verloren gingen. 3           nicht vom Tisch.                            sion über den Jugendkanal befördern
Auch die Politik hatte ein Jugendan-        »2011 entschied der SWR, dass auf Eins­ soll, weil der SWR einfach mal zeigen
gebot »zwischen KiKA und Musikan-           Plus versucht wird, ein Programm für wollte, so können wir uns vorstellen,

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PROGRAMMFORSCHUNG

dass solch ein Programm aus-                                                                            man habe in der Vergangen-
sehen könnte«, sagt EinsPlus-                                                                           heit ein derartiges Projekt nie
Programmchef Ale­xander von                                                                             abgelehnt. Allerdings habe erst
Harling im Interview. In einem                                                                          die Finanzierung seitens der
»Entwicklungslabor« habe                                                                                ARD geklärt werden müssen.14
er gemeinsam mit Wolfgang                                                                               Damals wurde auch spekuliert,
Gushurst, Programmchef                                                                                  dass man mit dem Jugendka-
des Jugendradios DASDING                                                                                nal der Politik zuvorkommen
(SWR), sowie Hörfunk-, Fern-                                                                            wollte, die in Erwägung zog,
                                   © Pixabay

seh- und OnlinekollegInnen                                                                              Digitalkanäle zu reduzieren
junge Formate entwickelt, die                                                                           (Schader, 2013).
crossmedial angelegt gewesen Abb. 2: Der gemeinsame Jugendkanal von ARD und ZDF:                        In den folgenden Mona-
                                   zähes politisches Ringen um ein Angebot für 14- bis 29-Jährige
seien. Ein Jugendkanal »durch                                                                           ten signalisierte das ZDF
die Hintertür« sollte durch die                                                                         immer wieder Offenheit
Verjüngung aber nicht entste-                                                                           für das Projekt,15 allerdings
hen. Dies hatte von Harling                                                                             nur unter entsprechenden
schon damals gesagt.7                       kennzeichnend. Die Kommission zur Rahmenbedingungen, also »eine klare
2012 mehrten sich befürwortende Ermittlung des Finanzbedarfs der Beauftragung durch die Bundesländer,
Stimmen. So sprachen sich beispiels- Rundfunkanstalten (KEF) hatte ver- eine ausreichende Finanzausstattung,
weise die Rundfunkräte des BR 8 langt, dass die ARD ihre Personalaus- zusätzliches Personal, eine Öffnung des
und des MDR9 für einen öffentlich- gaben um 42 Millionen Euro und das Telemedienangebots unter anderem
rechtlichen Jugendsender aus. Im Juni ZDF um 75 Millionen senken.12 Hinzu mit dem Wegfall der 7-Tage-Regelung
2012 ging fälschlicherweise, mit Bezug kam die damals anstehende Reform und der Möglichkeit, auch Kaufserien
auf einen Artikel des Handelsblattes, der Rundfunkgebühr zur Haushalts- und Spielfilme in der Mediathek zu zei-
durch die Presse, dass der MDR für die abgabe ab 2013.                                         gen«. Außerdem wurde bekannt, dass
ARD einen trimedialen Jugendkanal Im Oktober 2012 diskutierten der das ZDF den Digitalsender zdf.kultur aus
plane. Später teilte der MDR jedoch bayerische Ministerpräsident Horst Spargründen einstellen wollte.16
mit, er wolle lediglich den Umbau des Seehofer, ZDF-Intendant Dr. Thomas Die rheinland-pfälzische Ministerpräsi-
Digitalsenders EinsPlus unterstützen. Bellut und BR-Intendant Ulrich Wil- dentin Malu Dreyer erinnerte im April
Monika Piel schränkte zudem ein, helm öffentlich über die Zukunft der 2013 daran, dass die Rundfunkkommis-
wenn überhaupt, werde nur an einen Digitalkanäle – mit dem Ergebnis, dass sion ARD und ZDF gebeten habe, bis
»jungen Kanal« gedacht. Außerdem »ARD und ZDF auch einen gemeinsa- spätestens zu diesem Zeitpunkt ein Kon-
kündigte sie Gespräche mit der Politik men Jugendkanal zukünftig für denk- zept für die künftige Ausrichtung der Di-
über die Zukunft der Digitalkanäle an.10 bar« hielten (Schwanebeck, 2013, S. 22). gitalkanäle vorzulegen. Bisher lägen den
                                                                                               Ländern aber keine zwischen ARD und
                                                                                               ZDF abgestimmten Konzepte vor.17 Bis
Auf dem Prüfstand: die                      Ein gemeinsamer Jugend-                            sich die Sendeanstalten diesbezüglich
öffentlich-rechtlichen                      sender: Die ARD will                               annäherten, dauerte es noch. In dem
Digitalkanäle                               verhandeln                                         ARD-Vorschlag, zdf_neo und ZDFinfo
                                                                                               mit anderen öffentlich-rechtlichen An-
Damals hatten verschiedene Politi­ Im November 2012 meldete die ARD als geboten zu einem gemeinsamen ARD/
kerInnen postuliert, dass ARD und ZDF Resultat einer IntendantInnen-Sitzung ZDF-Jugendkanal zu verschmelzen, sah
ihre Digitalkanäle reduzieren oder neu schließlich, dass sie die Gründung eines der ZDF-Fernsehrat im Mai 2013 keinen
ausrichten sollten. Der damalige Leiter gemeinsamen Jugendkanals von ARD Sinn, unter anderem mit Verweis auf die
der sächsischen Staatskanzlei, Johan- und ZDF unterstützen werde. Der SWR, Erfolge der ZDF-Digitalkanäle.18
nes Beermann, hatte beispielsweise federführend für EinsPlus zuständig,
gefordert, die Digitalkanäle von ARD werde dazu mit der Medienpolitik
und ZDF ganz abzuschaffen. Sie hätten und dem ZDF verhandeln. Ziel sei es, Gemeinsames Digital- und
nicht geschafft, jüngere Zielgruppen dass EinsPlus und ein ZDF-Digitalkanal Jugendkanalkonzept:
anzusprechen. Niedrige Quoten und zu einem gemeinsamen ARD/ZDF- ARD und ZDF einigen sich
hohe Kosten ständen in keiner gesun- Jugendkanal für die 14- bis 29-Jährigen
den Relation.11 Auch sonst waren für fusionieren.13 Monika Piel, damals schei- Letztlich konnten sich ARD und ZDF
die Zeit Neuerungen sowie Sparzwänge dende ARD-Vorsitzende, betonte nun, aber doch auf ein Digitalkonzept und

                                                                                            28/2015/1                              29
PROGRAMMFORSCHUNG

einen Jugendkanal einigen. Letzterer       der ARD EinsPlus und Einsfestival weg-     Bei ihrer Konferenz im März 2014 ei-
sollte trimedial sein und 45 Millionen     fallen würden.22 Gleichzeitig mehrten      nigten sich die MinisterpräsidentInnen
Euro pro Jahr kosten. Die ARD wollte       sich kritische Medienstimmen. Spie-        dann tatsächlich erneut nicht auf das
davon zwei, das ZDF ein Drittel über-      gel Online schrieb zum Beispiel, dass      crossmediale Konzept. ARD und ZDF
nehmen. Die Federführung sollte beim       das Jugendkanal-Projekt »politisch         sollten es noch einmal überarbeiten,
SWR liegen. Inhaltlich waren Musik,        tot« sei. Die MinisterpräsidentInnen       um Fragen zur Finanzierbarkeit zu
Information, Film und Unterhaltung         wären angeblich teils, hauptsächlich       beantworten.28
geplant.19                                 von Unionsseite, nicht sicher, dass
Alexander von Harling war intensiv in      die Digitalkanäle am Ende nicht doch
                                                                                                »Politisch tot«?
die Konzeption des crossmedialen Ju-       teurer würden. Teils empfänden sie
gendangebots involviert und zuständig      das inhaltliche Konzept von ARD und
für deren Koordinierung. Grundlage         ZDF als mangelhaft. 23 Die Berliner        Soweit zumindest die offizielle Be-
des Konzepts seien damals Untersu-         Zeitung schrieb über »erste Details«       gründung der Pressemitteilung. Oder
chungen über die Mediennutzung und         zum Jugendkanal24 und bezeichnete          zögerten die MinisterpräsidentInnen
Themeninteressen der Zielgruppe und        das Konzept dann als »erschreckend         womöglich doch, weil das inhaltliche
die redaktionellen Erfahrungen der         wackliges Programmgerüst«.25 Unter         Konzept so mangelhaft war, wie es ei-
»jungen« Hörfunkwellen der ARD             anderem wurde es in dem Medium             nige Medien behaupteten? Alexander
gewesen, erzählt er im Interview.          als arrogant gegenüber der Zielgrup-       von Harling sagt dazu, es habe in der Tat
Crossmedial besetzte Arbeitsgruppen        pe bewertet, dass auf Scripted Reality     massiven Widerstand von Einzelnen ge-
hätten sich beispielsweise innerhalb       verzichtet und stattdessen Doku-Soaps      gen das Konzept gegeben. Außer aber
der ARD damit beschäftigt, was das         gezeigt werden sollten. Dass aus Kos-      von Dr. Thomas Wind, der in der Szene
Angebot erfolgreich machen und             tengründen auch Wiederholungen aus         nicht weiter bekannt sei, sei aus dem se-
gleichzeitig den öffentlich-rechtlichen    dem Bestand der öffentlich-rechtlichen     riösen journalistischen oder politischen
Auftrag erfüllen könne. Auch wirt-         Sender ausgestrahlt werden sollten,        Raum nie eine wirkliche inhaltliche
schaftlichen Fragen wurde nachge-          war ebenfalls ein Kritikpunkt. Auch die    Kritik formuliert worden, auch nicht
gangen. Ein kleines Team innerhalb         Konzept-Nachbesserungen wurden in          von ExpertInnen. Die negative Stim-
des federführenden SWR habe diese          der Presse negativ eingestuft (z. B. Der   mung sei aus wenigen Zeitungen und
Entwicklungen jeweils mit dem ZDF          Spiegel, 9/2014), zumal das Konzept im     Meldungen immer weiter perpetuiert
abgestimmt, das konstruktiv an allen       März 2014 auf newsroom.de komplett         worden, ohne dass dafür namentlich
Vorschlägen mitgearbeitet habe.            veröffentlicht wurde.26 Fast zeitgleich    eine Quelle genannt worden sei. Wer
                                           schrieb die Mainzer Allgemeine Zeitung,    newsroom.de »gefüttert« habe und
                                           dass das Projekt nach ihren »Informa­      warum, darüber könne nur spekuliert
das Konzept in der Kritik                  tionen« vor dem »Aus« stünde, weil         werden. Aber: »Sicherlich waren es
                                           sich vor allem Sachsen, Bayern und         keine Freunde des Konzepts.« Zur
Im Oktober 2013 vertagten die Mi-          Hessen dagegen aussprächen.27 »News-       Kritik des Zielgruppenforschers sagt
nisterpräsidentInnen das von ARD           room.de-Informationen« zufolge seien       er: »Dass wir uns nicht mit der Ziel-
und ZDF vorgelegte Konzept, da             die MinisterpräsidentInnen angeblich       gruppe beschäftigt hätten, ist falsch.
noch offene Punkte geklärt werden          vom »dürftigen« Konzept des Jugend-        Alles, was wissenschaftlich relevant
sollten. Das Angebot sollte nicht zu       kanals »geradezu geschockt« gewesen.       ist, floss mit ein.« Dies hätte der Leiter
einer Gebührenerhöhung führen.             Auch die Nachbesserungen könnten           des Hans-Bredow-Instituts nach einer
Um die Zielgruppenbelange bei der          nicht überzeugen. So sei beispielsweise    unabhängigen Überprüfung bestätigt.
Programm­entwicklung zu berück-            die Zielgruppe als zu homogen konst-
sichtigen, sollte ein »Jugendbeirat«       ruiert, kritisierte Zielgruppenforscher
                                                                                             Fernseh-Ausspielweg
eingerichtet werden. 20 Auch Markt-        Dr. Thomas Wind auf newsroom.de.
analysen sowie eine Einschätzung           Dass sie laut Konzept aus »Digital Na-              sehr umstritten
der KEF wurden verlangt.21 ARD und         tives« bestehe, denen die »Suche nach
ZDF teilten daraufhin mit, dass die        Orientierung und ihrem Platz in der        Eine der Kritikerinnen ist Jacqueline
Detailfragen geklärt werden würden.        Gesellschaft« gemeinsam sei, bezeich-      Kraege, Staatssekretärin und Medi-
Man habe den Ländern zugesagt, die         nete Wind als oberflächliche und allge-    enbeauftragte des Landes Rheinland-
Finanzobergrenze von 45 Millionen          meine Beschreibungen. Zudem habe           Pfalz.29 Für sie liegt die Problematik
Euro einzuhalten. Zum Digitalkonzept       sich keine der im Konzept angeführten      des besagten Konzepts darin, dass es
hieß es, dass bei einer Entscheidung für   Studien auf die gesamte Gruppe der         damals schwierig gewesen sei, sich an-
den Jugendkanal zdf.kultur sowie bei       14- bis 29-Jährigen bezogen.               hand eines beschriebenen Papiers das

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PROGRAMMFORSCHUNG

Projekt vorzustellen. Auch nach einer       Die Entscheidungsbegründung: Man            teiligten weiterentwickelt hätten. Die
filmischen Präsentation sei »Skepsis«       sei vom Nutzungsverhalten der jungen        Gefahr, die Zielgruppe endgültig an die
geblieben, bei wenigen Ländern bis          Menschen ausgegangen und habe den           privaten Fernsehanbieter zu verlieren,
zum Schluss. »Dies kam auch daher,          Ansatz gewählt, durch die »Online-«         sieht sie nicht. Die Pflicht der öffent-
dass sie nicht glaubten, dass man           statt durch die »Fernseh-Brille« zu         lich-rechtlichen Sender, auch in ihren
die Zielgruppe wirklich mit einem           schauen. Lutz Marmor sagte dazu,            anderen Programmen junge Formate
crossmedialen Angebot, bei dem der          es erschwere den Start des Kanals,          aufzusetzen, würde nicht entfallen.
Schwerpunkt auf dem Fernsehen liegt,        wenn es kein eigenes TV-Programm            Der Konkurrenz müsse man sich stel-
erreicht.« Die jungen Menschen, die         gebe. Peter Boudgoust bemängelte,           len. Wenn es um eine grundsätzliche
sie erlebten, seien überwiegend im          dass der ursprüngliche Plan ein »in-        Flexibilisierung der Onlineangebote
Netz unterwegs. Was die inhaltliche         novativer, multimedialer, durchdachter      im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Konzeptionierung betrifft, hätten die       Ansatz« gewesen sei. Der Verband            geht, müssten zuvor Gespräche zum
MinisterpräsidentInnen, die keine Pro-      Privater Rundfunk und Telemedien            Beispiel mit den Printanbietern und
grammmacherInnen seien, eingeräumt,         e. V. (VPRT) zeigte sich erleichtert,       anderen Mitbewerbern geführt wer-
nicht wirklich beurteilen zu können, ob     der SWR-Ausschuss sprach von einer          den. Gleichzeitig müsse mit der EU-
es die Zielgruppe anspricht oder nicht.     »Fehlentscheidung«.33 Thomas Bellut         Kommission abgestimmt werden, dass
Vielmehr sei der Fernseh-Ausspielweg        hingegen begriff die Entscheidung als       der Wettbewerb nicht verzerrt werde.
sehr umstritten gewesen. Deshalb            »Ansporn, noch mehr Angebote für            Den Vorwurf mancher KritikerInnen,
hätte man sich im Oktober 2014 auch         junge Zuschauer zu machen«.34               dass aus dem Rundfunkbeitrag nun
dagegen entschieden.                                                                    eine Internetabgabe werde, sieht sie
Bis es dazu kam, bekräftigte Thomas                                                     nicht gerechtfertigt. Das Bundes-
Bellut im September 2014, dass eine         Die Gründe                                  verfassungsgericht habe in seinem
Beteiligung des ZDF am Jugendkanal                                                      letzten Urteil zum ZDF-Staatsvertrag
die Anerkennung des Personalbedarfs         Jacqueline Kraege sieht das Onlinean-       klargestellt, dass öffentlich-rechtliche
durch die KEF voraussetze. Hinter-          gebot, das direkt35 beauftragt werden       Sender, da sie eine zentrale Funktion
grund sei die Auflage der KEF, bis 2020     soll, als Chance. Denn durch die neuen      für die Meinungsvielfalt haben, auch
rund 560 Arbeitsplätze streichen zu         geplanten Freiräume im Internetbereich      eine Entwicklungsgarantie hätten. Sie
müssen.30 Kurz darauf sprach sich der       könne das Angebot für die öffentlich-       müssten die NutzerInnen auch über
ZDF-Personalrat gegen den Kanal aus,        rechtlichen Anstalten eine Experi-          die entsprechenden Ausspielwege
da zusätzliche Aufgaben nicht verkraft-     mentierfunktion haben und zu sehr           erreichen können.
bar seien, wenn gleichzeitig Arbeits-       innovativen Konzepten führen. Aber
plätze gestrichen werden sollten.31         wurde die Bedeutung des Fernsehens
                                            nicht zu Unrecht geschmälert? Laut Un-      Der Ausblick
                                            tersuchungen schauen 14- bis 29-Jährige
Der Jugendkanal kommt                       am Tag immerhin noch 128 Minuten            Zum Gründungsgeschäftsführer wurde
nur im Netz                                 Fernsehen.36 »Das ist in der Tat richtig.   der stellvertretende ARTE-Programm-
                                            Aber der jetzt gewählte Ansatz soll auch    direktor Florian Hager bestellt (Stand:
Als die Ministerpräsidentenkonferenz        ein ganzes Stück in die Zukunft gerich-     März 2015).37 Die Hauptverantwortung
(MPK) dann ein reines Onlinejugend-         tet sein.« Man wolle ausprobieren, wie      für das Projekt liegt wieder beim SWR,
angebot beschloss, wurde bekannt,           junge Menschen mit einem auf Online         sagt von Harling, der in die Planun-
dass das Projekt auch in dieser Form        gestützten Angebot zu erreichen seien.      gen involviert ist. Er selbst hält das
rund 45 Millionen Euro pro Jahr kosten      Hörfunk- und Fernsehangebote könn-          Onlineangebot für eine Chance, das
solle. Die Digitalkanäle EinsPlus und       ten dort genutzt werden.                    Publikum gezielter anzusprechen. Dies
zdf.kultur sollten dafür wegfallen.                                                     sieht Dr. Eckart Gaddum (ZDF), Leiter
                                                                                        der Hauptredaktion Neue Medien,
                                             »Ein Ansatz für die Zukunft«
                                                                                        die innerhalb des ZDF die Federfüh-
     Entscheidung durch die
                                                                                        rung für das Jugendonlineprojekt hat,
         »Online-Brille«                    Warum die MPK zweimal Konzept-              ebenso. Im Fernsehen müssten Dinge
                                            nachbesserungen forderte, statt             hintereinanderpassen. Es unterliege
Auf die Regel, dass öffentlich-rechtliche   sich gleich für ein Onlineangebot zu        stark dem Zwang des Audience Flow.
Sendungen nur 7 Tage nach Ausstrah-         entscheiden? Kraege begründet dies          Online könne man hingegen einzelne
lung im Netz stehen dürften, solle bei      damit, dass sich im Verlauf des Diskus-     Formate für verschiedene Zielgruppen
dem Angebot verzichtet werden.32            sionsprozesses die Erkenntnisse der Be-     unabhängig voneinander anbieten.

                                                                                        28/2015/1                            31
PROGRAMMFORSCHUNG

     Das neue Jugendangebot soll                           6
                                                                Vgl. z. B. http://www.digitalfernsehen.de/ARD-Chefin-                      28
                                                                                                                                                http://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/
                                                                Monika-Piel-Kein-ARD-Jugendkanal.58401.0.html
         Mitte 2016 starten                                     [14.03.15]
                                                                                                                                                presse/pressemitteilung/pid/konferenz-der-­
                                                                                                                                                regierungschefinnen-und-regierungschefs-der-
                                                           7
                                                                Vgl. http://www.epd.de/fachdienst/fachdienst-­                                  laender/ [22.2.15]
                                                                medien/schwerpunktartikel/einsplus-chef-von-                               29
                                                                                                                                                Staatssekretärin und Bevollmächtigte des Landes
                                                                harling-will-den-digitalsender-ver [13.02.15]
Mit YouTube konkurrieren zu wollen,                                                                                                             Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa, Medien
                                                           8
                                                                http://www.br.de/unternehmen/inhalt/rundfunkrat/                                und Digitales sowie Leiterin der Rundfunkkommissi-
halten sowohl Gaddum als auch von                               rundfunkrat-resolution-fernsehkanal-­jugendliche102.                            on, deren Vorsitzland Rheinland-Pfalz ist
Harling für den falschen Weg. Aller-                            html [13.02.15]                                                            30
                                                                                                                                                https://presseportal.zdf.de/aktuelles/mitteilung/zdf-
dings sollten ARD und ZDF auf dieser                       9
                                                                http://www.mdr.de/mdr-rundfunkrat/presseinfor-                                  beteiligung-an-jugendkanal-setzt-­anerkennung-des-
                                                                mationen/presseinformation1700.html [13.2.15]                                   personalbedarfs-voraus/ [11.02.15]
Plattform präsent sein, sagt Gaddum.
                                                           10
                                                                ht tp://www. epd . de/fachdienst/fachdienst-                               31
                                                                                                                                                http://www.spiegel.de/kultur/tv/jugendkanal-zdf-
Ein Stück weit müsse man sich aber                              medien/schwerpunktartikel/ard-f%C3%BChrt-                                       personalrat-gegen-stellenstreichungen-a-993460.
auch auf die Inhalte, die teils von                             gespr%C3%A4che-%C3%BCber-zukunft-der-digi-                                      html [11.02.15]
                                                                talkan%C3%A4le [15.2.15]
Direktheit, Subjektivität und greller                                                                                                      32
                                                                                                                                                Vgl. z. B. http://www.vprt.de/thema/medienordnung/
                                                           11
                                                                Vgl. ebd.                                                                       duale-medienordnung/%C3%B6ffentlich-rechtlicher-
Sprache geprägt seien, einlassen. Das                                                                                                           rundfunk/%C3%B6ffentlich-rechtlicher-pr-58?c=0
                                                           12
                                                                http://www.kef-online.de/inhalte/bericht18/­
fände seine Grenzen dort, wo die                                viertes_3.html [15.02.15]
                                                                                                                                                [23.2.15]

öffentlich-rechtlichen Sender Prinzipi-                                                                                                         http://www.hna.de/kultur/tv-kino/jugendkanal-
                                                                                                                                           33
                                                           13
                                                                http://www.ard.de/home/intern/presse/presse-                                    netz-zr-4146382.html [12.02.15]
en wie Objektivität, Ausgewogenheit                             archiv/ARD__Gespraeche_ueber_neuen_Jugend-
                                                                kanal/251732/index.html [15.02.15]                                         34
                                                                                                                                                h t t p : / / w w w . z d f . d e / z d f - b e g r u e s s t -­
und Fairness zu beachten hätten. Diese                                                                                                          entscheidung-35482446.html [12.02.15]
                                                           14
                                                                http://www.epd.de/fachdienst/fachdienst-medien/
»Essentials« in ein Angebot für die Ju-                         schwerpunktartikel/ard-will-gespr%C3%A4che-                                35
                                                                                                                                                Also ohne den sonst üblichen vorherigen »Drei-
                                                                                                                                                Stufen-Test«.
gend zu übersetzen, sei eine spannende                          %C3%BCber-jugendkanal-f%C3%BChren [15.02.15]
                                                                                                                                           36
                                                                                                                                                ht tp://www. ard-zdf- onlinestudie . de/inde x .
Herausforderung.                                           15
                                                                Vgl. z. B: https://presseportal.zdf.de/aktuelles/­
                                                                                                                                                php?id=483 [2.2.15]
                                                                mitteilung/zdf-of fen-fuer-gespraeche-ueber-­
                                                                gemeinsamen-jugendkanal/772/select_catego-                                 37
                                                                                                                                                http://www.ard.de/home/intern/presse/presse-
                                                                ry/10/seite/157/ [15.02.15]                                                     archiv/Florian_Hager_soll_Jugendangebot_von_
         Eine »spannende                                   16
                                                                https://presseportal.zdf.de/aktuelles/mitteilung/                               ARD_und_ZDF_leiten/1694988/index.html [6.3.15]
       Herausforderung« für                                     perspektive-der-zdf-programmfamilie/772/­select_
                                                                category/22/seite/16/ [13.2.15]
     »durchgeknallte Kreative«                             17
                                                                http://www.rlp.de/no_ cache/einzelansicht/­
                                                                archive/2013/april/article/digitalkanaele-neu-­
                                                                ausrichten/ [10.3.15]
Um glaubwürdig und ansprechend                             18
                                                                http://www.pressepor tal.de/print/2478724-­
zu sein, müsse das Onlineangebot                                fernsehrat-keine-fusion-der-zdf-digitalkanaele-zdf-
                                                                weiter-offen-fuer.html [16.2.15]                                           LITERATUR
nicht nur relevante Themen aus der
                                                           19
                                                                h t t p : // w w w . f n p . d e /n a c h r i c h t e n / k u l t u r/
Lebenswelt der Zielgruppe aufgreifen,                           Gemeinsamen-Jugendkanal-der-Oef fentlich-                                  Der Spiegel (2014). »Dünnes« Konzept für den Jugend-
sondern auch von jungen Menschen                                Rechtlichen;art679,660183 [23.2.15]                                        kanal. Der Spiegel 9/2014, 127.
produziert werden, sagt von Harling,                       20
                                                                http://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/                               Gangloff, Tilmann (2013). Die verlorene Generation.
                                                                presse/pressemitteilung/pid/jahreskonferenz-der-                           Ein TV-Angebot für die Zielgruppe zwischen Ki.Ka und
ähnlich wie Gaddum und Kraege. Von                              ministerpraesidentinnen-und-­ministerpraesidenten-                         Musikantenstadl ist überfällig. tv diskurs, 17(1), 86-87.
Harling wünscht sich für das Projekt                            in-heidelberg/ [23.3.15]
                                                                                                                                           Giersch, Volker (2008). Ein nur noch seltenes Paar.
nicht nur Flexibilität in den Köpfen                       21
                                                                http://www.vprt.de/thema/medienordnung/­duale-                             Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Jugend – Stra-
                                                                medienordnung/%C3%B6ffentlich-rechtlicher-                                 tegien gegen den Generationenabriss. ARD-Jahrbuch
der Verantwortlichen, sondern auch                              rundfunk/%C3%B6ffentlich-rechtlicher-pr-38?c=0                             2008, 23-29.
»viele durchgeknallte Kreative«, die                            [23.2.15]
                                                                                                                                           Schader, Peer (2013). Abenteuer Jugend. journalist,
daran mitarbeiten können. Gaddum                           22
                                                                http://www.ard.de/home/intern/presse/presse-                               63(1), 56-61.
                                                                archiv/Jugendkanal__Offene_Fragen_werden_­
glaubt an den Erfolg: »Die Öffentlich-                          geklaert/442326/index.html [23.2.15]                                       Schwanebeck, Axel (2013). Die Zukunft der Digitalka-
                                                                                                                                           näle. Tutzinger Blätter 1/2013, 22-23.
Rechtlichen werden zeigen, dass sie das                    23
                                                                http://www.spiegel.de/kultur/tv/ard-zdf-projekt-
                                                                ministerpraesident-schiessen-jugendkanal-
können.«                                                        ab-a-930028.html [25.2.15]
                                                           24
                                                                h t t p : // w w w . b e r l i n e r-z e i t u n g . d e / k u l t u r/
 ANMERKUNGEN                                                    j u g e n d k a n a l - e r s t e - d e t a i l s - z u m - n e u e n -­
                                                                jugendkanal,10809150,24786538.html [11.3.15]
                                                           25
                                                                h t t p : //w w w. b e r l i n e r-z e i t u n g . d e /m e d i e n/
 1
     http://mpk-brandenburg.de/woidke-beratungen-im-
                                                                jugendkanal-von-ard-und-zdf-bloss-kein-scripted-­
     geiste-eines-solidarischen-foederalismus/ [23.2.15]
                                                                reality-,10809188,24810982.html [11.3.15]                                  DIE AUTORIN
 2
     www.ard.de/download/1015988/index.pdf (S. 34)         26
                                                                http://www.newsroom.de/news/detail/­$IWBNLVH
     [12.2.15]
                                                                PMSNR/­geplanter_jugendkanal_scheitern_ard_                                Genia Baranowski,
 3
     http://www.dbb.de/cache/teaserdetail-events/­              und_zdf_an_ihrem_­drftigen_konzept [22.2.15]
     artikel/oeffentlich-rechtliche-muessen-junges-pub-
                                                                                                                                           M.A. Erziehungs-
                                                           27
                                                                http://www.vprt.de/thema/medienordnung/­duale-
     likum-binden.html?type=98 [16.2.15]
                                                                medienordnung/%C3%B6ffentlich-rechtlicher-
                                                                                                                                           wissenschaft und
 4
     Z. B. Udo Reiter † (MDR), vgl. Giersch, 2008.              rundfunk/%C3%B6f fentlich-rechtlicher-pr-                                  Germanistik, ist
                                                                47?c=0 sowie http://www.allgemeine-zeitung.                                freie Journalistin in
 5
     ht tp://www. f r- online . d e/me die n/wir-sind-­
                                                                de/­politik/rheinland-pfalz/roessner-plaediert-fuer-­
     uneins,1473342,8015850.html [14.03.15]
                                                                jugendkanal_13956961.htm [23.2.15]                                         Niestetal.

32                                       28/2015/1
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