KEINE ALTERNATIVE FÜR BESCHÄFTIGTE - AFD-POSITIONEN UNTER DER LUPE - DGB BILDUNGSWERK ...

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Bezirk
                                     Mitte

Keine Alternative für Beschäftigte
AfD-Positionen unter der Lupe
KEINE ALTERNATIVE FÜR BESCHÄFTIGTE - AFD-POSITIONEN UNTER DER LUPE - DGB BILDUNGSWERK ...
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KEINE ALTERNATIVE FÜR BESCHÄFTIGTE - AFD-POSITIONEN UNTER DER LUPE - DGB BILDUNGSWERK ...
Inhalt   3

Vorwort              Warum diese Broschüre?                                                    4

Einleitung           Zwischen Provokation und Grenzverschiebung des Sagbaren:                  7
                     Die Medien- und Kommunikationsstrategie der AfD

Positionen der AfD   Staat und Steuern: Mehr Wettbewerb und Steuergeschenke für               12
                     Reiche und Unternehmen

                     Arbeit, Rente, Arbeitsmarktpolitik: Mehr arbeiten, weniger Sicherheit    17

                     Verdeckte Wahlwerbung und intransparenter Wahlkampf:                     22
                     Die Finanzen der AfD

                     Bildungspolitik: Uneingeschränktes Leistungsprinzip                      24

                     AidA, AVA und ALARM:                                                     26
                     Gewerkschaftsfeindliche Arbeitnehmerorganisationen in der AfD

                     »Hingehen, wo es weh tut.« Eine rechte bis rechtsextreme Kampagne        29
                     will sich auf die Betriebsratswahlen konzentrieren

                     Europapolitik: Europafeindlichkeit zu Lasten der Beschäftigten           32

                     Familienpolitik: Programm der Ausgrenzung und Diskriminierung            34

                     Gleichstellungspolitik:                                                  37
                     Zurückdrängung der Frauen aus der Arbeitswelt

Handlungs-           Für ein solidarisches Miteinander aller in Betrieb und Gesellschaft –    40
empfehlungen         Was kann ich tun?

                     Gewerkschaften und AfD – Positionen auf einen Blick                      42
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4   Vorwort

Warum diese Broschüre?

               »Man kann nicht ewig        ses Justizskandals und       griffsziele der AfD wurden,
               wie ein Stück Vieh          ihren Kampf wurde 1890       ist nicht überraschend. So
               leben!«                     zum ersten Mal in vielen     bezeichnete die AfD-Bun-
                                           Teilen der Welt der 1. Mai   destagsabgeordnete Bea-
              Diese Worte verwandte        als »Protest- und Gedenk-    trix von Storch ver.di als
              der Herausgeber der so-      tag« der Arbeiterbewe-       eine »offizielle Verbre-
              zialistischen Arbeiterzei-   gung begangen.               cherorganisation«. Enga-
              tung, August Spies, in                                    gierte Gewerkschaftsmit-
              seiner Rede auf einer Ar-         Dieses Beispiel ver-    glieder und Betriebsräte
              beiterdemonstration am       deutlicht, dass Gewerk-      wurden mehrfach als
              4. Mai 1886 auf dem Heu-     schaften sich seit ihrer     »Gesinnungswächter« dif-
              markt in Chicago.            Gründung im 19. Jahrhun-     famiert.
                                           dert als internationalis-
                   Zentrale Forderung      tisch ausgerichtete Orga-         Mit dieser Broschüre
              des Streiks war eine Re-     nisationen begreifen, die    wollen wir zeigen, warum
              duzierung der täglichen      konsequent für die Inte-     Positionen der AfD, die
              Arbeitszeit von zwölf auf    ressen aller abhängig Be-    aus einer Mischung aus
              acht Stunden. Spies          schäftigten streiten.        neoliberaler Wirtschafts-
              stammte aus der Rhön,             Aus ihrer eigenen       politik und völkischer Inte-
              der Sohn einer Försterfa-    leidvollen Geschichte wis-   ressenpolitik bestehen,
              milie wanderte aus wirt-     sen Gewerkschaften zu-       nicht mit gewerkschaftli-
              schaftlichen Gründen in      dem, dass die Ausschal-      chen Positionen vereinbar
              die USA aus. Alle Flug-      tung der freien Gewerk-      sind:
              blätter, die zur Demons-     schaften am 2. Mai 1933           Gewerkschaften for-
              tration aufriefen, waren     eine der ersten Aktionen     dern die Wiedereinfüh-
              zweisprachig (Englisch       der Nationalsozialisten      rung der Vermögens-
              und Deutsch), denn die       nach der Machterlangung      steuer und eine verfas-
              amerikanische Arbeiterbe-    war.                         sungsgemäße Auswei-
              wegung wusste, dass               Darum ist das konse-    tung der Erbschaftssteuer
              man die neu zugezoge-        quente Engagement ge-        – die AfD fordert deren
              nen Kolleginnen und Kol-     gen rassistische und neo-    Abschaffung.
              legen aus Deutschland        nazistische Positionen            Gewerkschaften strit-
              einbinden musste, damit      und das Streiten für eine    ten vehement für die Ein-
              sie sich nicht als Streik-   solidarische Gesellschaft    führung eines allgemein-
              brecher einsetzen ließen.    für viele Gewerkschafte-     en gesetzlichen Mindest-
                   1887 wurden Spies       rinnen und Gewerkschaf-      lohns – die AfD war vehe-
              und weitere drei Mitstrei-   ter selbstverständlich.      ment dagegen und nannte
              ter zum Tode verurteilt,                                  den Mindestlohn ein
              weil sie für eine Bomben-    Dass Gewerkschaf-            »Jobkiller-Gesetz«.
              explosion verantwortlich ten und ihre engagierten              Gewerkschaften ste-
              gemacht wurden. In Erin- Mitglieder nicht zuletzt         hen für ein inklusives
              nerung an die Opfer die- deshalb zu einem der An-         Schulsystem mit Bil-
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Vorwort   5

dungschancen für alle –        den Richtungswechsel hin       nicht am Werkstor!« noch
die AfD fordert, in der Bil-   zu mehr gesellschaftli-        größere Bedeutung. Tau-
dung müsse »uneinge-           chem Zusammenhalt und          sende von Betriebsratsan-
schränkt das Leistungs-        zu guter Arbeit für alle,      gehörigen machen einen
prinzip« gelten.               und sie fordern einen          guten Job und streiten mit
                               Staat, der finanziell so       Unterstützung der Ge-
      Trotz dieser grundle-    ausgestattet ist, dass er      werkschaften engagiert
genden Unterschiede in         seinen umfangreichen so-       für die Interessen ihrer
den Positionen haben bei       zialen Aufgaben nach-          Kolleginnen und Kollegen
den       zurückliegenden      kommen kann.                   – oftmals unter schwieri-
Wahlen auch viele Ge-                                         gen Bedingungen und
werkschaftsmitglieder ihr           Die Ergebnisse der        gegen den Druck von der
Kreuz bei der AfD ge-          erwähnten Studie lassen        Geschäftsleitung.
macht.                         sich auch als Auftrag in-           Sie sind damit eine
      Laut der von der         terpretieren, demokrati-       wesentliche Stütze einer
Hans-Böckler-Stiftung ver-     sche Mitbestimmung in          demokratischen und soli-
öffentlichten Studie »Ein-     der Arbeitswelt ernst zu       darischen Gesellschaft.
stellungen und soziale         nehmen. Vor diesem Hin-        Eine tarifvertragliche Absi-
Lebenslage« war die Mo-        tergrund erhält die alte ge-   cherung und eine gute be-
tivation dabei weniger die     werkschaftliche Forde-         triebliche Vertretung, die
Zustimmung zur AfD als         rung »Demokratie endet         nicht spaltet, sondern ver-
vielmehr die Unzu-
friedenheit mit dem
Bestehenden. Viele
Menschen fühlen
sich politisch nicht
ausreichend vertre-
ten, nehmen staatli-
che Institutionen
nicht als handlungs-
fähig wahr und
fürchten eine wei-
tere Entgrenzung
und größere Unsi-
cherheiten am Ar-
beitsplatz.
      Auch Gewerk-
schaften kritisieren
in vielen Punkten
die herrschende Po-
litik, fordern aber
einen grundlegen-
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6   Vorwort

              sucht, das gemeinsame         Betriebsratswahl 2018 zu
              Interesse aller Beschäftig-   organisieren.
              ten in den Blick zu neh-           Mit der vorliegenden
              men, ist in diesem Sinne      Broschüre wollen wir allen
              eine aktive Arbeit gegen      Interessierten in kompak-
              rechte Vereinfachungen        ter Form aufzeigen, was
              und Schuldzuweisungen.        die AfD insbesondere bei
                   Eine klare Haltung im    gewerkschaftlichen Kern-
              Betrieb und am Arbeits-       themen fordert und wel-
              platz mit starken Interes-    che fatalen Konsequen-
              senvertretungen ist umso      zen eine Umsetzung die-
              wichtiger, da die AfD im      ser Forderungen hätte.
              Verbund mit anderen
              rechten Kräften versucht,          Wir hoffen, damit jene
              ihre nationalistischen »Lö-   Kolleginnen und Kollegen
              sungsvorschläge« auch in      argumentativ zu unterstüt-
              die Betriebe zu tragen.       zen, die gemeinsam mit
              Unter dem Slogan »Pa-         uns der versuchten ge-
              trioten schützen Patrio-      sellschaftlichen und be-
              ten« werden Beschäftigte      trieblichen Spaltung durch
              aufgefordert, antigewerk-     die AfD etwas entgegen-
              schaftliche Listen für die    setzen möchten.

              Jörg Köhlinger                Corinna Hersel                Melanie Pohner
              Bezirksleiter                 ver.di Thüringen              DGB-Bildungswerk
              IG Metall Bezirk Mitte                                      Thüringen e.V.
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Einleitung   7
         Zwischen Provokation und Grenzverschiebung des Sagbaren:
                   Die Medien- und Kommunikationsstrategie der AfD
Der Vorsitzende der Thü-       native 2013, startete im       Kritik am »Mainstream«
ringer AfD-Landtagsfrak-       Netz. Dies hatte den Vor-

                                                                                               »
tion, Björn Höcke, bilan-      teil, mit einer geringen       Die Aktivitäten in den so-
zierte in einem Vortrag im     Personenzahl und weni-         zialen Medien begründet
November 2017 die Ent-         gen finanziellen Mitteln       die AfD auch mit einer Kri-
wicklung der völkischen        eine gewisse Reichweite        tik an den konventionellen
Bewegung in den letzten        zu erzielen. Der Strategie,    Medien. Sowohl der öf-
Jahren. Er stellte fest, der   für die Verbreitung der ei-    fentlich-rechtliche Rund-
eigene Erfolg sei »nicht       genen Botschaften voll
                                                                                                     Auf der einen
                                                              funk als auch die
zuletzt dem Faktor zu ver-     aufs Internet zu setzen, ist   Printmedien seien von
                                                                                                     Seite stilisiert
danken, der nicht einmal       die AfD bis heute treu ge-     oben gesteuert, von »Sys-        sie sich als Opfer,
politischer, sondern tech-     blieben.                       tempresse« oder »Lü-             das von den Me-
nologischer Natur ist, ich          Auch wenn Zahlen          ckenpresse« ist die Rede.        dien totgeschwie-
spreche vom Internet«,         mit Vorsicht zu genießen       Deshalb möchte die AfD           gen wird. Auf der
und direkt ans Publikum        sind, weist die AfD unter      dem öffentlich-rechtlichen
gewandt:                       allen im Bundestag vertre-
                                                                                               anderen Seite nutzt
                                                              Rundfunk am liebsten die
     »Wir wissen, ohne         tenen Parteien die meis-       Finanzierungsgrundlage
                                                                                               sie jede Gelegen-
die seit über 20 Jahren        ten virtuellen Unter-          entziehen und die GEZ-           heit, in Talkshows
andauernde Internetauf-        stützerinnen und Unter-        Gebühren abschaffen.             ihre Themen zu
klärung säßen wir hier         stützer auf: Mit rund                Die Presse ist in die-     provokant zu set-
heute nicht zusammen.«         380.000 »Gefällt mir«-An-      sen Denkmustern nicht            zen.
Zu ähnlichen Befunden          gaben hat die offizielle Fa-   »vierte Gewalt« im Staat,
kommt die Süddeutsche          cebook-Seite der AfD           sondern Mittel der Herr-
Zeitung. Sie hält am 2.        mehr als doppelt so viele      schenden zur systemati-
Mai 2017 fest: »Ohne Fa-       »Likes« wie die SPD oder       schen Verleumdung. The-
cebook wäre der Aufstieg       die CDU, die Facebook-         men würden bewusst un-
der AfD so nicht möglich       Seite der Thüringer AfD        terdrückt, es gebe eine
gewesen.« Doch was ist         wird immerhin rund             »linke Gesinnungsdikta-
das Besondere an der           22.000 Mal »gemocht«.          tur«, so der Vorwurf.
Kommunikationsstrategie             Glaubt man der            Dabei fährt die AfD im
der AfD in den sozialen        Trendstudie »digital cam-      Umgang mit der Presse
Netzwerken?                    paigning« zur Bundes-          eine Doppelstrategie:
                               tagswahl 2017, so er-                Auf der einen Seite
Die Zahlen                     reichte die AfD in der         stilisiert sie sich als Opfer,
                               Wahlkampfphase mit ca.         das von den Medien tot-
Die AfD hat seit ihrer         1,6 Millionen Interaktionen    geschwiegen oder ver-
Gründung im Jahr 2013          gut 44 Prozent aller Inter-    zerrt dargestellt wird. Auf
konsequent auf soziale         aktionen mit politischen       der anderen Seite nutzt
Medien zur Verbreitung         Parteien im Netz.              sie jede Gelegenheit, in
ihrer Positionen gesetzt.                                     Talkshows ihre Themen
Bereits die Vorgängeror-                                      provokant zu setzen –
ganisation, die Wahlalter-
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8   Einleitung

                       und das mit großem Er-        staltungen entscheidet sie  respondent der vom
                       folg: Eine Analyse von        jedoch sehr willkürlich,    Springer-Verlag heraus-
                       204 Sendungen der fünf        welche Journalistinnen      gegebenen Tageszeitung
                       relevantesten politischen     und Journalisten Zugang     Die Welt. AfD-Bundes-
                       Talkshows von ARD und         erhalten und welche aus-    sprecher Alexander Gau-
                       ZDF im Zeitraum Oktober       geschlossen werden.         land war 14 Jahre lang
                       2015 bis Anfang März                                      Herausgeber der Märki-
                       2017 ergab, dass über         Gemeinsamkeiten der         schen Zeitung. Der Pres-
                       den      Themenkomplex        AfD mit den Massen-         sesprecher der AfD im
                       Flüchtlinge, Islam, Terror/   medien                      Sächsischen Landtag, An-
                       IS, Populismus/Extremis-                                  dreas Harlaß, war 20
                       mus insgesamt über 90         Ungeachtet der Kritik der Jahre lang Redakteur bei
                       Mal geredet wurde. Zum        AfD an den Medien gibt der Bild-Zeitung in Dres-

»
                       Vergleich: Über Armut und     es zahlreiche Überein- den, zuvor arbeitete er als
                       Ungleichheit wurde im         stimmungen zwischen der Redakteur bei der sächsi-
                       gleichen Zeitraum nur         Kommunikationsstrategie schen Morgenpost und
                       sechs Mal debattiert.         des Rechtspopulismus beim Privatradio PSR.
                            Themen wie NSU,          und den Massenmedien:
                       Rassismus und rechte          Personalisierung, Emotio- Politik der provokanten
       Über Armut      Gewalt wurden jeweils nur     nalisierung, Dramatisie- Nadelstiche
       und Ungleich-   in einer Sendung behan-       rung und eine Tendenz zu
heit wurde im glei-    delt, der Klimawandel         Eskalation und kalkulier- In dem internen AfD-Pa-
                       kam überhaupt nicht vor.      tem Skandal sind beiden pier »Manifest 2017« of-
chen Zeitraum nur      Wenn sich Vertreterinnen      eigen. Dafür eignen sich fenbart die AfD ganz
sechs Mal debat-       und Vertreter der AfD da      soziale Medien besonders unverblümt ihre Kommu-
tiert.                 noch beschweren, mit          gut. Hier geht es oft genug nikationsstrategie: »Die
                       ihren Themen nicht gehört     nicht um den Austausch AfD muss – selbstver-
                       zu werden, leiden sie ent-    von Argumenten oder ständlich im Rahmen und
                       weder unter massivem          Fakten, sondern um die unter Betonung der frei-
                       Realitätsverlust      oder    Verstärkung von Gefühlen heitlich-demokratischen
                       schüren absichtlich Vor-      wie Wut oder Angst.         Grundordnung unseres
                       behalte gegen Medien-               Zudem waren wich- Landes – ganz bewusst
                       schaffende.                   tige Personen der AfD frü- und ganz gezielt immer
                                                     her selbst für genau jene wieder politisch inkorrekt
                           Auch der eigene Um-       Medien tätig, die sie heute sein, zu klaren Worten
                       gang mit der Presse ist       kritisieren: AfD-Mitgründer greifen und auch vor sorg-
                       doppelzüngig: Abstrakt        Konrad Adam war 21 fältig geplanten Provoka-
                       verteidigt die AfD die        Jahre lang Feuilletonre- tionen nicht zurück-
                       Presse- und Redefreiheit      dakteur der Frankfurter schrecken.« Ziel sei es,
                       gegen ein angebliches         Allgemeinen         Zeitung die politischen Gegner zu
                       Meinungsdiktat, bei eige-     (FAZ) und danach über provozieren (»Je nervöser
                       nen öffentlichen Veran-       sechs Jahre lang Chefkor- und je unfairer die Altpar-
Einleitung   9

teien auf Provokationen         vor allem Abgeordnete           2017 mit der Silhouette
reagieren, desto besser.«)      oder bekannte Parteimit-        eines Mannes, der an sei-

                                                                                              »
und die Grenze des Sag-         glieder diese Art von Sha-      ner charakteristischen
baren zu verschieben. So        repics oder einfache Kom-       Mützenform unschwer als
formulierte es auch der         mentare für provokante          SA-Mann zu erkennen
Thüringer Landesvorsit-         Aussagen.                       war. Andreas Harlaß von
zende Björn Höcke ge-                Diese werden dann          der AfD in Sachsen pos-
genüber dem FAZ-Jour-           von politisch Andersden-        tete einem Artikel der
nalisten Justus Bender          kenden oder Medien-             Frankfurter Rundschau
                                                                                                   Je nervöser
auf einem Bundespartei-         schaffenden aufgegriffen        zufolge auf seinem priva-          und je unfairer
tag. Der Journalist Peter       und kritisiert. Damit ist die   ten Facebook-Profil das       die Altparteien auf
Weissenburger reagierte         Provokation gelungen und        Foto eines so genannten       Provokationen rea-
auf die täglichen Medien-       die überregionale Bericht-      Julleuchters, wie ihn die     gieren, desto bes-
berichte: »Und täglich ver-     erstattung gesichert. Soll-     SS benutzte. Auch mit         ser.
greift sich die AfD im Ton.     te die Kritik zu heftig         Gewaltbildern wird immer
Vergreift sich? Oder greift     werden, rudert die AfD          wieder kokettiert. So pos-
bewusst daneben?«               halbherzig zurück.              tete Stephan Brandner,
                                     Immer wieder finden        AfD-Bundestagsabgeord-
     Zur konkreten Umset-       sich dabei auch Anspie-         neter für Thüringen, in der
zung dieser Strategie           lungen auf den National-        Vergangenheit ein Bild
setzt die AfD überwiegend       sozialismus. So bewarb          von einer Stahlzwille mit
auf so genannte Share-          die AfD Thüringen eine          der Bildüberschrift »Neu-
pics: Bilder, die in sozialen   Demonstration zum 1. Mai        erwerb« oder er twitterte
Netzwerken leicht
geteilt werden kön-
nen, und die neben
einem         themati-
schen, oft provozie-
renden Bild einen
provokanten, reiße-
rischen Spruch in
Form eines Zitates
oder einer Behaup-
tung beinhalten. Die
Grundlage bilden
hier nicht selten aus
dem Zusammen-
hang gerissene Aus-
sagen oder Informa-
tionen aus parla-
mentarischen Anfra-
gen. Gerne nutzen
10   Einleitung

                    ein Bild mit einer Machete  AfD-Sphäre ist thematisch   Media-Strategie der AfD«.
                    und dem Kommentar           umgrenzt und inhaltlich     Der Medienwissenschaft-
                    »Warten auf die Antifa«.    abgeriegelt. Bei AfD-       ler Bernd Gäbler stellt zu-
                                                nahen Nutzern steuerten     sammenfassend         fest,
                    Gefangen in der Echo- starke Einstellungen das          dass es das Ziel der AfD
                    kammer                      Auswahlverhalten bei der    sei, eine eigene Ziel-
                                                Informationssuche«, so      gruppe zu festigen und
                    Spätestens seit dem US- die Autorinnen und Auto-        diese durch eigene, unge-
                    Präsidentschaftswahl- ren.                              filterte Medien zu bearbei-
                    kampf 2016 ist klar,             Diese thematische      ten. Twitter sei eine Art
                    welche Bedeutung soziale und perspektivische Ein-       Volksempfänger für die
                    Medien für die politische schränkung nimmt die AfD      AfD.
                    Meinungsbildung haben. jedoch nicht nur hin, sie              Auch hierin liegt für

»
                    Entgegen der Annahme, scheint sie auch systema-         die AfD ein Grund für die
                    dass durch das Internet tisch zu befördern, indem       Ablehnung der konventio-
                    eine umfassende und plu- sie die Leserinnen und         nellen Medien, denn viele
                    rale     Meinungsbildung Leser ihrer Seiten regel-      seriöse Medien versu-
                    möglich sei, zeigen Unter- recht von den Meinungen      chen,       Behauptungen
                    suchungen, dass sich po- Andersdenkender ab-            rechtspopulistischer Sei-
     Im Netz wird   litische     Einstellungen schirmt. Eine Datenana-      ten zu überprüfen. So
     das geteilt,   durch die Informationen lyse der Twitter-Aktivitäten    haben die Tagesschau
was ins eigene      aus sozialen Netzen eher der AfD zeigt auf, wie die     und auch einige Printme-
                    verstärken und Perspekti- Reichweite von Stellung-      dien einen Faktencheck
Weltbild passt.     ven verengen.               nahmen von offiziellen      eingeführt, mit dem Ge-
                          Im Netz wird das ge- AfD-Accounts durch das       rüchte und Behauptungen
                    teilt, was ins eigene Welt- Weiterleiten durch nicht    auf ihren Wahrheitsgehalt
                    bild passt. Expertinnen offizielle Unterstützer-        überprüft werden – oft mit
                    und Experten sprechen accounts verstärkt wird.          dem Ergebnis, dass sie
                    vom so genannten Echo-           Dabei bleibt bewusst   nicht stimmen.
                    kammer-Effekt. Die von unklar, wer dahinter
                    Facebook & Co. auf per- steckt. Nutzerinnen und
                    sönliche Vorlieben zuge- Nutzer, die abweichende
                    schnittenen Nachrichten Kommentare            äußern,
                    verstärken dies. In einer werden rasch gesperrt.
                    großangelegten Datenre- So »schützt« man die ei-
                    cherche konnte die Süd- genen Leserinnen und
                    deutsche Zeitung bele- Leser vor der Auseinan-
                    gen, dass die geteilten dersetzung mit anderen
                    und konsumierten Inhalte Positionen. Der Tages-
                    des AfD-Umfelds sehr viel spiegel bezeichnet dies
                    beschränkter als bei an- als eine »undurchsichtige,
                    deren Parteien sind: »Die aber effektive Social-
Einleitung   11

    Ein Beispiel:
Wie schwierig der Umgang      zuvor noch in einer Sitzung Metall mit Björn Höcke und
mit der AfD-Medienstrate-     des Parlaments festge- seinen Anhängern sympa-
gie sein kann, zeigt eine     stellt: »Letztlich handelt es thisieren würde. Die Ge-
Demonstration der Sie-        sich um eine unternehme- werkschaft widersprach
mens-Beschäftigten in Er-     rische Entscheidung, wenn dem in einer Pressemittei-
furt.                         Siemens bis zu elf der welt- lung am nächsten Tag ent-
      Über 1.200 Menschen     weit 23 Standorte von schieden: »Gegen den
beteiligten sich am 21. No-   Power and Gas schließen Willen der Anmelder und
vember 2017 in Erfurt an      und verkaufen wird.« Den- gegen die Interessenlage
einem Schweigemarsch,         noch war die AfD zu Be- der Siemens-Beschäftigten
mit dem gegen den dro-        ginn der Demonstration haben sich auch AfD-Poli-
henden Verkauf des Sie-       präsent. Rasch wurden tiker medienwirksam mit
mens-Werks demonstriert       Fotos gemacht, die sugge- Symbolen ihrer Partei unter
werden sollte. Der Be-        rierten, AfD-Politikerinnen die Demonstranten ge-
triebsrat hatte gemeinsam     und -Poltiker mit entspre- mischt«, heißt es darin.
mit der IG Metall zu den      chenden Regenschirmen Dennoch dürfte die Klar-
Protesten aufgerufen. Mit     und einem Schild seien die stellung nicht alle erreicht
dabei waren auch einige       ganze Zeit über in der ers- haben und der AfD gelang
ungebetene Gäste: Mitglie-    ten und zweiten Reihe mit- es zum Teil, die Aufmerk-
der der AfD-Landtagsfrak-     gelaufen.                     samkeit vom eigentlichen
tion in Thüringen.                  Schnell tauchte im Inhalt der Demonstration
      Der AfD-Abgeordnete     Netz die Behauptung auf, auf sich selbst zu lenken.
Thomas Rudy hatte zwar        dass die Gewerkschaft IG
12   Positionen der AfD

    Staat und Steuern: Mehr Wettbewerb und Steuergeschenke
    für Reiche und Unternehmen
                          Seit Gründung der AfD ist   men ab 254.446 Euro pro ehemaligen Verfassungs-
                          die Steuerpolitik eines     Jahr.                       richter Paul Kirchhof 2003
                          ihrer Schwerpunktthe-                                   vorgestellte Modell sieht
                          men. Im Mittelpunkt steht,      Bereits in ihrem vor, die progressive Be-
                          Unternehmen und Bes-        Wahlprogramm zur Bun- steuerung von Einkom-
                          serverdienende steuerlich   destagswahl 2013 for- men abzuschaffen und
                          zu entlasten und im Ge-     derte die AfD »eine durch ein Stufenmodell
                          genzug sozialpolitische     drastische Vereinfachung mit 15 %, 20 % und 25 %
                          Aufgaben zurückzufah-       des Steuerrechts« und Besteuerung zu ersetzen.
                          ren.                        bekannte sich zum ‚Kirch-        Niedrige Einkommen
                                                      hof’schen Steuermodell‘. zwischen 10.000 und
                               Deutlich wird dies an Diesem Kurs blieb die 20.000 Euro sollen dabei
                          einem der Kernpunkte der Partei auch in den 2015 mit 15-20 % besteuert

»
                          Partei: der Reform der veröffentlichten         politi- werden. Für alle darüber
                          Einkommenssteuer. Die schen Leitlinien treu. liegenden Einkommen
                          Einkommenssteuer ist »Hierzu müssen die zahl- soll ein Spitzensteuersatz
                          eine der wichtigsten Fi- reichen Ausnahmetatbe- von 25 % gelten, auch für
                          nanzierungsquellen des stände gestrichen wer- Unternehmen und Kapi-
                          Staates und für rund ein den, wie es schon das taleigner – egal, ob es
      Dem Staat           Drittel der Staatseinnah- Kirchhof’sche Steuermo- sich um 25.000 Euro oder
      drohen damit        men verantwortlich. 2015 dell vorsah«, heißt es im 500.000 Euro Jahresein-
massive Einnahme-         beliefen sich die Einnah- Text der politischen Leitli- kommen handelt. Dafür
                          men aus der Einkom- nien. Auch die damalige soll die Körperschafts-
ausfälle und deut-        menssteuer auf 178 Mil- Parteivorsitzende Frauke und Gewerbesteuer abge-
lich weniger Geld         liarden Euro, sie lieferten Petry machte sich früh für schafft werden. Dem
für Infrastruktur         damit einen wesentlichen ein neues Stufenmodell Staat drohen damit mas-
oder Sozialausga-         Beitrag zur Finanzierung der Besteuerung stark: sive Einnahmeausfälle
ben.                      von gesellschaftlichen »Unser Konzept ist ange- und deutlich weniger Geld
                          Aufgaben wie Soziales, lehnt an die Ideen von für Infrastruktur oder Sozi-
                          Gesundheit oder Bildung. Paul Kirchhof«, bekannte alausgaben.
                               Bislang erfolgt die Petry im Interview mit der
                          Besteuerung von Einkom- Thüringischen Landeszei-             Der DGB lehnt einen
                          men progressiv: Wer hö- tung am 28. August 2013. Stufentarif als sozial un-
                          here Einkommen hat, wird                                gerecht ab. In den steuer-
                          auch höher belastet. Die        Das Steuermodell politischen Eckpunkten
                          Idee dahinter ist einfach: nach Kirchhof präsentiert des DGB zur Bundestags-
                          Starke Schultern sollen sich als Vereinfachung wahl 2017 heißt es dazu:
                          eine größere Last tragen des Steuersystems. Tat- »Die Lohn- und Einkom-
                          als schwache. Der höchs- sächlich handelt es sich mensteuer ist konsequent
                          te Einkommenssteuersatz aber um ein Steuerspar- am Maßstab der Steuer-
                          liegt derzeit bei 45 Pro- modell für Unternehmen gerechtigkeit auszurich-
                          zent und gilt für Einkom- und Reiche. Das vom ten. Die Steuerpflichtigen
Positionen der AfD   13

sollen nach ihrer finanziel-   steuersatz erst bei einem       Städte will die Partei auch
len Leistungsfähigkeit zur     deutlich höheren Einkom-        den Haftungsverbund zwi-

                                                                                              »
Finanzierung des Ge-           men ansetzt.«                   schen Bund, Ländern und
meinwesens beitragen.                                          Kommunen beseitigen.
Der Einkommensteuertarif            Im Grundsatzpro-           Bisher konnten überschul-
ist daher progressiv zu        gramm der Partei ver-           dete Städte und Gemein-
gestalten, so dass höhere      knüpft die AfD ihre Pläne       den auf die Unterstützung
Einkommen nicht nur in         zur Umstrukturierung der        von Land und Bund ver-
absoluten Beträgen, son-       Einkommenssteuer mit            trauen.
                                                                                                   Der Spitzen-
dern auch relativ, prozen-     der Forderung nach Über-             Geht es nach den               steuersatz ist
tual zum Einkommen,            prüfung der Gewerbe-            Vorstellungen der AfD,         hoch genug, meint
höher besteuert werden.«       steuer und einem höheren        sollen künftig auch Kom-       etwa die stellver-
Dies ist das Gegenteil von     Steuergrundfreibetrag.          munen und Bundesländer         tretende Bundes-
dem, was die AfD fordert.           Neben der Umlage           insolvenzfähig werden.         vorsitzende Beatrix
                               aus der Einkommens-             Dies hätte sowohl für die
     Einigen AfD-Spitzen-      steuer, die sich durch die      Beschäftigten im öffentli-
                                                                                              von Storch.
politikerinnen und -politi-    Steuerpläne der AfD dras-       chen Dienst als auch für
kern gehen die Forde-          tisch reduzieren würde, ist     die betroffene Bevölke-
rungen ihrer Partei noch       die Gewerbesteuer die           rung verheerende Auswir-
nicht weit genug, sie wol-     wichtigste      Einnahme-       kungen. Ginge eine Kom-
len die direkte steuerliche    quelle der Kommunen.            mune pleite, müsste sie
Entlastung von Unterneh-       Ihre Abschaffung würde          sämtliche kommunalen
men und Spitzenverdie-         die finanziellen Nöte vieler    Aufgaben einstellen. In-
nerinnen und -verdienern.      Städte und Gemeinden            nerhalb kürzester Zeit
     »Der Spitzensteuer-       weiter erhöhen. Die AfD         würden regionale Wirt-
satz ist hoch genug«,          entzöge damit den Kom-          schaft und öffentliches
meint etwa die stellvertre-    munen ihre Finanzmittel.        Leben lahm liegen.
tende Bundesvorsitzende             Konsequenz wäre,
Beatrix von Storch. Auch       dass viele Gemeinden            Besitzende großer Ver-
dies widerspricht den Vor-     und Städte ihre kommu-          mögen entlasten
stellungen der Gewerk-         nalen Aufgaben nicht
schaften. In den steuer-       mehr wahrnehmen könn-           Neben der Abschaffung
politischen Eckpunkten         ten. Kürzungen in der Ju-       der progressiven Einkom-
des DGB steht dazu, dass       gend- und Sozialarbeit,         menssteuer gehört die
es »im Interesse einer         bei der Unterstützung von       Abschaffung der Vermö-
leistungsgerechten Be-         Vereinen und bei Pflege-        gens- und der Erbschafts-
steuerung einerseits da-       und Kinderbetreuungsein-        steuer zu den weiteren
rauf an[kommt], den            richtungen wären die            Kernelementen der AfD-
Spitzensteuersatz zu er-       Folge.                          Steuerpläne. Auch hier
höhen. Ebenso wichtig ist           Gleichzeitig mit der fi-   profitieren vor allem Erbin-
es andererseits auch,          nanziellen Austrocknung         nen und Erben sowie Be-
dass ein erhöhter Spitzen-     der Gemeinden und               sitzerinnen und Besitzer
14   Positionen der AfD

                          großer Vermögen. Die          Der AfD-Vorsitzende Jörg      Erhebung der Erbschafts-
                          Vermögenssteuer ist der-      Meuthen meint: »Die Erb-      steuer 5,5 Milliarden Euro
                          zeit ausgesetzt und wird      schaftsteuer ist nicht nur    zugeflossen.
                          nach einem Beschluss          in der heutigen Ausgestal-
                          der damaligen Bundesre-       tung verfassungswidrig.       Steuerpolitischer Klien-
                          gierung seit 1997 nicht       Sie ist in egal welcher       telkurs zu Lasten der
                          mehr erhoben. Die AfD         Ausgestaltung leistungs-      Allgemeinheit
                          fordert nun deren gänzli-     feindlich, weil sie bereits
                          che Abschaffung, wäh-         versteuerte Einkommens-       Zum steuerpolitischen
                          rend der DGB für eine         erzielung erneut belas-       Klientelkurs der AfD passt
                          Wiedererhebung der Ver-       tet.«                         die Forderung nach »Wie-
                          mögenssteuer eintritt.             Auch in das Grund-       derherstellung des Bank-
                                                        satzprogramm der AfD hat      und Steuergeheimnis-

»
                              Auch die Erbschafts- die Forderung nach der             ses«. Laut der Partei hätte
                          steuer ist im Visier der Abschaffung der Erb-               die      Bundesregierung
                          AfD. Von ihrer Abschaf- schaftssteuer Eingang ge-           »das Steuer- wie auch
                          fung würden vor allem die funden. Dort heißt es:            das Bankgeheimnis fak-
                          Erbinnen und Erben gro- »[D]er Verwaltungsauf-              tisch aufgehoben«. Dabei
                          ßer Vermögen profitieren, wand für ihre Erhebung ist        spielt sie auf Abkommen
     Tatsächlich          da in Deutschland hohe überproportional hoch als            zum Austausch von Steu-
     sind allein im       Freibeträge bei Erbschaf- auch ihr Ertrag für die           erdaten mit anderen Staa-
Jahr 2014 der             ten und großzügige Aus- Staatseinnahmen              nur    ten an, durch das Steuer-
                          nahmeregelungen zum marginal.«                              hinterziehende leichter
Staatskasse durch         Beispiel für Familienunter-        Der DGB will hinge-      dingfest gemacht werden
die Erhebung der          nehmen und landwirt- gen eine verfassungskon-               können. Würden die Vor-
Erbschaftssteuer          schaftliche Betriebe gel- forme Trendwende bei der          schläge der AfD Realität,
5,5 Milliarden Euro       ten. Im Mittelpunkt der Erbschaftssteuer. In sei-           würde das die Ermittlun-
zugeflossen.              AfD-Agitation steht die nen steuerpolitischen Eck-          gen gegen Steuersünde-
                          vermeintliche »Leistungs- punkten zur Bundestags-           rinnen und -sünder erheb-
                          feindlichkeit« der Erb- wahl 2017 hält er fest:             lich erschweren.
                          schaftssteuer.                     »Um die Lasten ge-            Weiterhin fordert die
                              Mario Berger, wirt- recht zu verteilen, sollten         AfD eine Steuer- und Aus-
                          schaftspolitischer Sprecher die bisherigen Steuerprivi-     gabenbremse im Grund-
                          der AfD-Fraktion im Säch- legien für sehr hohe Ver-         gesetz und eine Ober-
                          sischen Landtag, kritisiert mögen, Einkommen und            grenze für alle Steuern
                          eine angebliche »linksrot- Erbschaften beseitigt und        und Sozialabgaben. Dass
                          grüne Neidpolitik, die es of- mit den erzielten Mehrein-    ihre Politik der Steuerge-
                          fenbar nicht ertragen kann, nahmen gesellschaftlich         schenke für Unternehmen
                          dass es Bürger mit Vermö- sinnvolle Aufgaben finan-         und Vermögende dazu
                          gen gibt« und fordert daher ziert werden.« Tatsächlich      führt, dass der Staat sei-
                          eine Abschaffung der Erb- sind allein im Jahr 2014          nen Aufgaben nicht mehr
                          schaftssteuer.                der Staatskasse durch die     im bisherigen Maß nach-
Positionen der AfD   15

kommen kann, ist
der Partei bewusst:
»Wir wollen die
staatliche Macht
über den Bürger be-
grenzen. Dazu ist es
erforderlich,      die
Staatsaufgaben zu
reduzieren und den
finanziellen Staats-
zugriff auf die Ein-
kommen und Ver-
mögen der Bürger
zu      reduzieren«,
heißt es im Grund-
satzprogramm der
AfD.
     Finanzieren will
die AfD die Steuer-
erleichterungen für
Reiche durch die Ein-         mit »Demokratie und            Finanzverwaltung« be-
schränkung der staatli-       Grundwerte« überschrie-        schränken. Wie dies kon-
chen Aufgaben. Dabei          ben ist, beklagt die Partei,   kret auszusehen hat, wird
folgt die Partei der neo-     dass »der öffentliche Sektor   im wirtschaftspolitischen
liberalen Logik einer um-     über sachgerechte Grenzen      Kapitel beschrieben:
fassenden Privatisierung      hinausgewuchert« sei. Im            Statt einer »staatli-
staatlicher Infrastruktur     weiteren Verlauf heißt es:     chen Planwirtschaft«, die
und der Zerschlagung ge-      »Nur ein schlanker Staat       sie derzeit am Werke
setzlicher Sicherungssys-     kann daher ein guter Staat     sieht, soll der Staat »Ei-
teme. Ziel ist der Rückzug    sein.« Die »ständige, viel-    gentum, Eigenverantwort-
des Staates auf allen Ebe-    fach ideologiegetriebene       lichkeit und freie Preisbil-
nen.                          Expansion der Staatsaufga-     dung« garantieren. »Der
     So liest sich das ver-   ben [ist an] finanzielle und   Schutz des Privateigen-
abschiedete wirtschafts-      faktische Grenzen« gesto-      tums ist dabei genauso
politische Programm teil-     ßen.                           unentbehrlich wie offene
weise wie ein Wunschzet-                                     Märkte, Vertragsfreiheit
tel von Arbeitgeberver-           Die Aufgaben des           und ein freier Wettbewerb
bänden.                       Staates will die AfD »auf      mit entsprechender Wett-
                              die vier klassischen Ge-       bewerbspolitik und Mono-
    Bereits in der Einleitung biete: Innere und äußere       polkontrolle.«
des ersten Kapitels des Sicherheit, Justiz, Aus-
Grundsatzprogramms, das wärtige Beziehungen und
16   Positionen der AfD

                          Der verbliebene Minimal-
                          staat soll auf die Aufgabe
                          der Bereitstellung kosten-
                          loser Infrastruktur für Un-
                          ternehmen und auf die
                          Aufrechterhaltung von
                          Ordnung und Sicherheit

                                                        Fazit
                          zurückgeworfen werden.
                               Ansonsten hat er
                          nach Einschätzung der
                          AfD dem Markt freien Lauf
                          zu lassen und darf nicht in
                          die Wirtschafts- oder So-        Die AfD steht für eine weitere

»
                          zialbeziehungen eingrei-         Umverteilung von unten nach
                          fen. Gesundheits-, Ar-           oben. Die Steuererleichterung
                          beitsmarkt-, Wohnungs-           für Unternehmen und Vermö-
                          bau- oder Sozialpolitik          gende soll durch Einschrän-
                          sind für die AfD keine re-       kungen staatlicher Maß-
                          levanten staatlichen Auf-        nahmen finanziert werden.
     AfD setzt auf        gaben. Hier setzt die
     umfassende           Partei auf eine umfas-           Während von der Entlastung
Privatisierung: »Je       sende Privatisierung: »Je        bei der Einkommens-, Ge-
                          mehr Wettbewerb und je
mehr Wettbewerb           geringer die Staatsquote,
                                                           werbe-, Erbschafts- und Ver-
und je geringer die                                        mögenssteuer vor allem die
                          desto besser für alle«,          Bezieherinnen und Bezieher
Staatsquote, desto        heißt es im Grundsatzpro-        hoher Einkommen und Ver-
besser für alle.«         gramm.                           mögende profitieren, sollen
                               Daher will sie prüfen,      die lohnabhängig Beschäftig-
                          »inwieweit vorhandene            ten durch die Privatisierung
                          staatliche Einrichtungen         der öffentlichen Daseinsvor-
                          durch private oder andere        sorge und dem Rückbau der
                          Organisationsformen er-          sozialen Sicherungssysteme
                          setzt werden können«.            die Zeche dafür bezahlen.
Positionen der AfD   17
                                                           Arbeit, Rente, Arbeitsmarktpolitik:
                                                           Mehr arbeiten, weniger Sicherheit
In der Renten- und Ar-        Betrachtet man die Aus-     rinnen einer allgemeinen
beitsmarktpolitik verfolgt    sagen zahlreicher Spit-     Lohnuntergrenze.

                                                                                        »
die AfD den Kurs einer ra-    zenfunktionärinnen und           Noch im April 2015
dikalen neoliberalen Um-      -funktionäre der AfD zur    wetterte die damalige Vor-
strukturierung und Dere-      Rentenpolitik, zeigt sich,  sitzende Frauke Petry in
gulierung.                    dass vielen die im Grund-   einer Pressemitteilung,
      Sie fordert in ihrem    satzprogramm veranker-      der Mindestlohn sei »neo-
Grundsatzprogramm eine        ten Pläne nicht weit genug  sozialistisch«, ein »Job-
Kopplung der Lebensar-        gehen. Der Parteivorsit-    Killer« und ein Ausdruck
                                                                                              Der Mindest-
beitszeit an die Lebenser-    zende Jörg Meuthen for-     »realitätsferner Sozialro-          lohn sei »neo-
wartung, mithin eine          dert einen »Systemwech-     mantik«. Geringqualifizier-   sozialistisch«, ein
deutliche Erhöhung des        sel in der Rentenversiche-  ten und »Beschäftigten in     »Job-Killer« und
Renteneintrittsalters. Be-    rung«. Er plädiert für ein  den klassischen Trink-        ein Ausdruck »rea-
sonders betroffen von der     Ende der gesetzlichen       geld-Branchen« drohe          litätsferner Sozial-
strikten Kopplung von Le-     Rentenversicherung und      durch den Mindestlohn Ar-
bensarbeitszeit und Le-       fordert stattdessen eine    beitslosigkeit und Armut.
                                                                                        romantik.«
benserwartung wären           »staatlich erzwungene pri-       Auch im Europawahl-
prekär Beschäftigte mit       vate Vorsorge«. Zumin-      kampf 2013 positionierte
geringen Löhnen und           dest die Parteiführung      sich die AfD gegen den
schlechten Arbeitsbedin-      setzt also auf einen we-    gesetzlichen Mindestlohn.
gungen. Ihre Lebenser-        sentlich umfassenderen      Er sei der »ökonomisch
wartung liegt unter dem       Abbau der sozialen Siche-   falsche Weg«, heißt es
Durchschnitt.                 rungssysteme als bisher     dazu im Wahlprogramm.
      Mit der Forderung       im Grundsatzprogramm        Zur sozialen Absicherung
nach einer Kopplung des       beschrieben.                von Geringverdienenden
Renteneintrittsalters an                                  steht dort: »Ein gesetzlich
die Lebenserwartung liegt     »Job-Killer« Mindestlohn festgelegter, flächende-
die AfD auf Linie der Ar-                                 ckender       Mindestlohn
beitgeberverbände, die        Wie in vielen anderen Po- kann dies nicht leisten, da
bereits seit Jahren für       litikfeldern hat die AfD viele Menschen in prekä-
eine solche Verknüpfung       auch in der Arbeitsmarkt- ren Arbeitsmarktsituatio-
werben. »Wenn Men-            politik keine Antworten auf nen nur wenige Stunden
schen eines Tages 100         die aktuell drängenden Arbeit haben.«
werden, würde sich rein       Fragen. Sämtliche ihrer          Zugleich forderte sie
theoretisch ein Rentenein-    arbeitsmarktpolitischen die Abschaffung des Min-
trittsalter von 85 Jahren     Vorstellungen bleiben destlohns in anderen EU-
ergeben«, so Ulrich Grillo,   vage. Deutlich wird dies Ländern. »Ebenso verhin-
Vize-Präsident des Bun-       unter anderem beim allge- dern dortige Mindestlohn-
desverbands der Deut-         meinen gesetzlichen Min- regelungen den Zutritt von
schen Industrie.              destlohn. Lange Zeit Berufsanfängern zum Ar-
                              gehörte die AfD zu den beitsmarkt. Ohne entspre-
                              entschiedensten Gegne- chende Reformen in
18   Positionen der AfD

                          diesen Ländern bleiben       Umstrukturierung des Ar- Werkverträge finden im
                          auch europäische Hilfen      beitsmarktes war.            Grundsatzprogramm der
                          ohne Wert«.                                               AfD keine Erwähnung,
                               Noch kurz vor dem            Das Grundsatzpro- sehr wohl aber im Europa-
                          Stuttgarter Grundsatzpro-    gramm lässt jedoch so- wahlkampf: »Die derzeiti-
                          grammparteitag im April      wohl die Höhe als auch gen gesetzlichen Rege-
                          2016 sprach sich AfD-        die Ausgestaltung des lungen, wie beispiels-
                          Bundessprecher        Jörg   Mindestlohns offen. Für weise das Entsendege-
                          Meuthen »gegen jede so-      die Gegner einer Lohnun- setz, sind weitgehend
                          ziale Vollkaskomentalität«   tergrenze in der Partei ausreichend«.
                          aus und stellte fest, die    bietet dies die Möglichkeit,
                          AfD »könne nicht nur eine    ihren Kurs weiter zu ver-        In einigen Landtags-
                          Partei der Geringverdie-     folgen. So sprach sich die wahlprogrammen verur-

»
                          ner und Arbeitslosen         Thüringer Landtagsfrak- teilt die AfD den
                          sein«.                       tion kurz vor dem Pro- Missbrauch von Leiharbeit
                               Im dann verabschie-     grammparteitag gegen und Werkverträgen, so
                          deten       Grundsatzpro-    eine Erhöhung des Min- zum Beispiel im Land-
                          gramm vollzog die Partei     destlohns aus. Auch Jörg tagswahlprogramm für
                          allerdings eine scheinbare   Meuthen stellt den ge- Baden-Württemberg:
      Es gibt Men-        Kehrtwende und sprach        setzlichen Mindestlohn           »Leiharbeit soll regu-
      schen, die ar-      sich überraschend für den    weiterhin in Frage: »Ich läre Arbeitsverhältnisse
beiten, aber dabei        Mindestlohn aus. Diesen      hätte mir allerdings ge- ergänzen, nicht ersetzen.
                          Kurswechsel nutzte die       wünscht, dass wir mehr Wir setzen uns ein für
nicht jene Produk-        Partei allerdings zugleich   differenzieren. Denn es eine sachgerechte Weiter-
tivität erreichen,        zur rassistischen Stim-      gibt Menschen, die arbei- entwicklung der bestehen-
die einem Mindest-        mungsmache: Der Min-         ten, aber dabei nicht jene den Regelungen zur
lohn von 8,50 Euro        destlohn schütze »vor        Produktivität erreichen, Leiharbeit und für wir-
entspricht.               dem durch die derzeitige     die einem Mindestlohn kungsvolle Kontrollen«.
                          Massenmigration zu er-       von 8,50 Euro entspricht. Zugleich wird aber auch
                          wartenden Lohndruck«,        Da hielte ich es für besser, die »Flexibilisierung des
                          heißt es nun zur Begrün-     dass man nicht die einzel- Arbeitsmarktes in Verbin-
                          dung.                        nen Betriebe zwingt, die- dung mit Entlastungen bei
                               Dabei verschweigt       sen Menschen trotzdem Steuern und Abgaben für
                          die AfD, dass die Auswei-    8,50 Euro zu zahlen, son- Arbeitnehmer und Unter-
                          tung des Niedriglohnsek-     dern dass der Staat deren nehmen« gefordert. Be-
                          tors in den vergangenen      Lohn durch Zuschüsse wusst verschwiegen wird,
                          15 Jahren in keinerlei Zu-   aufstockt«.                  dass eine Flexibilisierung
                          sammenhang mit dem                Nicht nur beim Min- des Arbeitsmarktes vor
                          verstärkten Zuzug Ge-        destlohn bleiben die Aus- allem zu Lasten der be-
                          flüchteter im Sommer         sagen der AfD unklar und troffenen Beschäftigten
                          2015 steht, sondern Er-      widersprüchlich. Auch die erfolgt.
                          gebnis einer neoliberalen    Themen Leiharbeit und
Positionen der AfD   19

In Sachsen sprach sich        rem die Auflösung der Bun-     besser ausgestattet wer-
die AfD in ihrem Wahlpro-     desagentur für Arbeit.         den. Die Kommunen wer-

                                                                                           »
gramm zur Landtagswahl        Deren Aufgaben sollen          den so künftig bei der
2014 gegen »Missbräu-         stattdessen künftig von den    Vermittlung von Erwerbs-
che in den Bereichen          kommunalen Jobcentern          losen alleine gelassen.
›Zeitarbeit‹ und ›Werkver-    übernommen werden.
trag‹ « aus.                       Im Gegensatz zu den            Zur Zukunft des Ar-
     Ein Jahr später im       kommunalen Jobcentern ist      beitslosengeldes II kursie-
Landtag plädiert sie in       die Bundesagentur bisher       ren in der Partei
                                                                                                  Die derzeitige
einer Pressemitteilung        für die Verwaltung der bei-    verschiedene Konzepte,               Wirtschaftspo-
des sächsischen Frakti-       tragsfinanzierten Arbeitslo-   die alle eines gemeinsam      litik ist alles andere
onsvorstandes von 2015        senversicherung zuständig.     haben: die Verschlechte-      als Werbung für
für das genaue Gegenteil           Mit der Auflösung der     rung der Situation der Be-    Unternehmensgrü-
und spricht von der »Zu-      Bundesagentur ist auch die     troffenen. Zahlreiche Lan-    dungen, beispiel-
rückdrängung marktfrem-       Arbeitslosenversicherung       desverbände fordern in
der merkel-sozialistischer    in ihrer bisherigen Form       ihren Programmen die
                                                                                           hafte Hemmnisse
Marktbürokratisierung«        gefährdet. »Wer die Bun-       Einführung von »Bürger-       sind Mindestlohn,
und schreibt weiter: »Die     desagentur für Arbeit auf-     arbeit statt Hartz IV«. Da-   Entgeltgleich-
derzeitige Wirtschaftspoli-   löst, beendet damit auch       runter wird die »gemein-      heitssgesetz und
tik ist alles andere als      die bisherige Arbeitslosen-    nützige Arbeit von Lang-      (Über-)Regulierun-
Werbung für Unterneh-         versicherung«, so Johan-       zeitarbeitslosen« verstan-    gen bei der Zeitar-
mensgründungen, bei-          nes Jakob, Arbeitsmarkt-       den. Im Programm zur
spielhafte Hemmnisse          experte des DGB. Zudem         Landtagswahl in Baden-
                                                                                           beit.
sind Mindestlohn, Entgelt-    werden so weitere Aufga-       Württemberg heißt es bei-
gleichheitsgesetz und         ben vom Bund an die            spielsweise:
(Über-)Regulierungen bei      Kommunen übertragen,           »Bürgerarbeit soll ca. 30
der Zeitarbeit.«              ohne dass diese finanziell     Wochenstunden umfas-
     Klare Konzepte
zu den Themen Leih-
arbeit und Werkver-
träge sind von der
Partei nicht zu erwar-
ten.
     Dies gilt auch für
den Umgang mit Er-
werbslosigkeit und
insbesondere für die
Zukunft des Arbeits-
losengeldes II. So
fordert die AfD in
ihrem Grundsatzpro-
gramm unter ande-
20   Positionen der AfD

                          sen und mit ca. 1.000        in den ersten Arbeitsmarkt    Geltung des Leistungs-
                          EUR monatlich sozialver-     festzustellen. Innerhalb      prinzips
                          sicherungspflichtig ent-     der ersten zwei Jahre
                          lohnt werden. Den Lang-      wäre die geschätzte Inte-     Dass es bei den Vorstel-
                          zeitarbeitslosen wird die    grationswahrscheinlich-       lungen der AfD nicht um
                          Ausübung sinnvoller Tä-      keit ohne die Teilnahme       Freiwilligkeit geht, belegt
                          tigkeiten eröffnet und die   an der Beschäftigungs-        die Aussage der damali-
                          Gesellschaft erhält einen    phase durchgängig mehr        gen Parteivorsitzenden
                          Gegenwert für die Unter-     als doppelt so hoch gewe-     Frauke Petry: »Aber es
                          stützungsleistungen. Die     sen.« Zu den Projektkos-      muss auch das Leistungs-
                          Hartz-IV-Reformen konn-      ten urteilt der Bericht:      prinzip gelten: Wer als
                          ten für eine Vielzahl von    »Hinsichtlich der Effizienz   Langzeitarbeitsloser eine
                          Langzeitarbeitslosen kei-    zeigt sich, dass das Mo-      Leistung vom Staat erhält,

»
                          ne Beschäftigungschan-       dellprojekt als Ganzes        muss dem Staat auch
                          cen eröffnen.«               eine deutlich negative Ef-    etwas zurückgeben.« Zu
                                                       fizienz aufweist.«            erwarten ist zudem, dass
                               Die von der AfD be-                                   Kommunen und Länder
                          worbene »Bürgerarbeit«             Im Gegensatz zum Pi-    die »Gemeinnützigkeit«
                          ist weder neu noch inno- lotprojekt der schwarz-gel-       der »Bürgerarbeit« groß-
     Wer vom Staat        vativ. Bereits unter der ben Bundesregierung ist in        zügig auslegen, um so auf
     als Langzeitar-      schwarz-gelben Regie- den Programmen der AfD               günstige Arbeitskräfte zu-
beitsloser eine           rungskoalition gab es von nicht davon die Rede, dass       rückgreifen und eigenes
                          2010 bis 2014 ein Pilot- diese »Bürgerarbeit« frei-        Personal einsparen zu
Leistung erhält,          projekt zur »Bürgerar- willig erfolgen soll. Schon         können. Dadurch würden
muss dem Staat            beit.« Eine Milliarde Euro anlässlich des damaligen        noch mehr Arbeitsplätze
auch etwas zurück         wurde investiert und fast Pilotprojekts warnte der         in der öffentlichen Da-
geben.                    50.000 »Bürgerarbeits- DGB in einer Stellung-              seinsvorsorge abgebaut.
                          plätze« geschaffen. Das nahme vor Zwangsmaß-
                          Vorhaben scheiterte auf nahmen:                             Neben der »Bürger-
                          ganzer Linie, von den Teil-        »Bürgerarbeit hört arbeit« kursieren noch an-
                          nehmenden konnten nur sich zunächst freundlich dere Konzepte zum
                          ganz wenige in einen so- an, es klingt nach freiwilli- Umgang mit Hartz IV in
                          zialversicherungspflichti- gem Engagement, ›Bür- der AfD. Die meisten stel-
                          gen Job vermittelt wer- ger tun etwas für andere len die Höhe des Arbeits-
                          den. Tatsächlich hatte die Bürger‹. Doch der Über- losengeldes II in den
                          Maßnahme sogar den ge- gang zur ›Arbeitspflicht‹ Mittelpunkt.
                          genteiligen Effekt.          ist fließend, je nach Aus-     In ihren politischen
                               Der Abschlussbericht gestaltung und gesetzli- Leitlinien äußert die AfD,
                          des Arbeitsministeriums chen Rahmenbedingun- dass Leistungsempfänger
                          notierte: »Es ist ein erheb- gen«.                      sich »solidarisch zeigen
                          lich negativer Effekt der                               [müssten], um die Belas-
                          Teilnahme auf Integration                               tung der Gemeinschaft so
Positionen der AfD   21

niedrig wie möglich zu
halten.« Für einige AfD-
Politikerinnen und -Politi-
ker bedeutet dies, die

                                  Fazit
Hartz IV-Leistungen zu
senken. Lydia Funke,
Landtagsabgeordnete der
AfD in Sachsen-Anhalt,
fordert in einem Interview
mit dem ZDF-Magazin
Frontal 21 die »Absen-               Die AfD legt bisher zu keiner
kung von Hartz IV logi-              arbeitsmarktpolitischen
scherweise, um die Men-              Frage – sei es beim Mindest-
schen wieder zu fordern,             lohn, bei der Leiharbeit oder
dass sie in Arbeit gehen.«           beim Arbeitslosengeld II –
                                     ein ausformuliertes Konzept
      Im       Grundsatzpro-         vor. Statt auf die Zurückdrän-
gramm entschied sich die             gung prekärer Beschäfti-
Partei vorerst für das Kon-          gungsformen setzt die AfD
zept der »aktivierenden              auf weitere neoliberale Dere-
Grundsicherung« bei gleich-          gulierung. Antworten auf die
zeitiger Abschaffung des Ar-         drängenden arbeitsmarktpo-
beitslosengeldes II. Dabei           litischen Fragen (u. a. Um-
sollen diejenigen, die arbei-        gang mit der Digitalisierung,
ten, »auf jeden Fall mehr            der zunehmenden atypi-
Geld zur Verfügung haben             schen Beschäftigung und
als derjenige, der nicht ar-         ihren Folgen für die sozialen
beitet, aber arbeitsfähig ist«,      Sicherungssysteme) bietet
um einen »Arbeitsanreiz« zu          die Partei nicht.
schaffen.
      Der Unterstützungsbei-         Auch die rentenpolitischen
trag soll mit wachsendem             Pläne sehen weitere Belas-
Einkommen absinken. Wie              tungen der abhängig Be-
in all ihren Vorstellungen zur       schäftigten vor. Statt auf die
Arbeitsmarktpolitik bleiben          bewährte gesetzliche Ren-
Höhe und genaue Ausge-               tenversicherung setzt die
staltung des Konzepts der            AfD auf private Vorsorge,
»aktivierenden Grundsiche-           von der vor allem private
rung« im Ungewissen.                 Konzerne und Versicherun-
                                     gen profitieren. Und sie plä-
                                     diert für die weitere
                                     Erhöhung des Rentenein-
                                     trittsalters.
22   Positionen der AfD

    Verdeckte Wahlwerbung und intransparenter Wahlkampf:
    Die Finanzen der AfD
                          Gerne inszeniert sich die     mer Hans Wall, der ehe-        Landtagswahlen durch
                          AfD als Vertreterin des       malige Präsident des           den »Verein zur Erhal-
                          »kleinen Mannes«, die         Bundesverbands der             tung der Rechtsstaatlich-
                          den Mächtigen auf die         Deutschen        Industrie     keit und der bürgerlichen
                          Finger klopft. Der über-      (BDI) Hans-Olaf Henkel –       Freiheiten« mit millionen-
                          bordende Lobbyismus           sowie Unternehmer und          fachen Gratiszeitungen,
                          solle eingedämmt und          Ex-BDI-Präsident Hein-         Großplakaten         sowie
                          die Parteienfinanzierung      rich Weiss. Letzterer kriti-   Werbevideos im Internet
                          solle transparent gestal-     sierte, die Politik der        unterstützt. Die Finanzie-
                          tet und eingeschränkt         großen Koalition werde         rung dieser Kampagne
                          werden, so die Forderun-      von »linken Ideologen«         ist bis heute ungeklärt.

»
                          gen der Partei. Doch          beherrscht, Folgen seien       Im September 2017
                          woher stammen die Mit-        »Beschlüsse wie die            schließlich erhob der
                          tel der jungen Partei und     Rente mit 63, die Frau-        Verein »LobbyControl«
                          wie hält sie es selbst mit    enquote, der Nachweis          schwere Vorwürfe gegen
                          der geforderten Transpa-      über die Gehälter von          die AfD wegen ihrer in-
                          renz?                         Frauen im Vergleich zu         transparenten Finanzen.
     Die Politik der           Seit ihrer Gründung      Männern in gleicher Po-        Der gemeinnützige Ver-
     großen Koali-        2013 sind die Finanzen        sition sowie generell die      ein, der über Machtstruk-
tion werde von            der AfD in der Diskus-        weitere Verbürokratisie-       turen und Einfluss-
»linken Ideolo-           sion. Finanzielle Unter-      rung der Wirtschaft«.          strategien in Deutsch-
gen« beherrscht,          stützung bekam sie                 Auch der in der           land und der EU aufklärt,
Folgen seien u. a.        dabei nicht in erster Linie   Schweiz lebende deut-          kam nach intensiven Re-
Beschlüsse wie die        von »kleinen Leuten«,         sche »Mövenpick-Milliar-       cherchen zu der Ein-
Rente mit 63.             sondern von einflussrei-      där« Baron August von          schätzung, dass es »sich
                          chen Personen aus der         Finck soll die AfD finan-      bei der verdeckten AfD-
                          Wirtschaft. So erhielt die    ziert haben.                   Wahlwerbung um die
                          Partei noch unter Partei-          Machte die AfD da-        wahrscheinlich größten
                          chef Bernd Lucke zwei         nach vor allem dadurch         intransparenten Geld-
                          Kredite über je 500.000       Schlagzeilen, dass sie         flüsse der letzten Jahre
                          Euro vom Hamburger            die Angst vor einer Wäh-       zugunsten einer einzel-
                          Reeder Folkard Edler,         rungskrise mit Hilfe ihres     nen Partei« handeln
                          der auch andere rechte        eigenen Goldshops in           dürfte. Es bestehe der
                          Einrichtungen finanziert.     bare Münze verwan-             Verdacht der illegalen
                          Weitere Finanziers wa-        delte, so wurde die AfD        Parteienfinanzierung, so
                          ren der Werbeunterneh-        seit März 2016 bei den         LobbyControl. Abgewi-
Positionen der AfD       23

ckelt wurde dies durch     FPÖ in Österreich und
die in der Schweiz an-     Vlaams Belang in Bel-
sässige Firma »Goal        gien tätig ist. Neben der
AG«, eine PR-Agentur,      Unterstützung für die
die insbesondere für die   Partei gab es auch ge-
Schweizer Volkspartei      zielte Kampagnen für
(SVP) und andere           einzelne Kandidaten wie
rechtspopulistische Par-   Jörg Meuthen oder
teien in Europa wie die    Guido Reil.

                     Fazit
                           Die AfD steht nicht für       nen unterstützt. Die For- Millionen und der Ver-
                           mehr Transparenz in der       derungen nach Abschaf- dacht illegaler Parteispen-
                           Politik und erhält ihr Geld   fung der Erbschaftssteuer den« findet sich unter:
                           nicht in erster Linie von     und Wiederherstellung
                           »einfachen Leuten«. Sie       des Steuergeheimnisses
                                                                                     www.lobbycontrol.de/wp-

                           wurde in der Vergangen-       passen dazu.
                                                                                     content/uploads/Hintergrund-

                           heit von einflussreichen      Das gesamte Hinter-
                                                                                     papier_Verdeckte_Wahlhilfe_

                           und finanzkräftigen Perso-    grundpapier »Geheime
                                                                                     AfD.pdf
24   Positionen der AfD

    Bildungspolitik: Uneingeschränktes Leistungsprinzip

                          In der Bildungspolitik wer-    Chancen, einen Hoch-            allem das Ziel einer ver-
                          den die Weichen für die        schulabschluss zu erwer-        stärkten sozialen Auslese.
                          ökonomische, soziale und       ben, wie in Deutschland.             Hohe Zugangsbe-
                          politische Teilhabe an der     Eine Ursache dafür ist,         schränkungen für einzelne
                          Gesellschaft gestellt. Ein     dass in weiten Teilen           Studiengänge schließen
                          gleicher Zugang zu Bil-        Deutschlands noch immer         insbesondere finanziell
                          dung entscheidet oftmals       am dreigliedrigen Schul-        schwächer gestellte Men-
                          über Chancengleichheit         system festgehalten wird.       schen aus. Während Kin-
                          oder -ungleichheit für den           Die AfD steht genau       der aus wohlhabenden
                          sozialen Aufstieg.             für diese Form der frühen       Elternhäusern auf Privat-
                                                         sozialen Auslese. Sie lehnt     unterricht und andere Un-
                               Die AfD verbindet ihre    die Gesamtschule ab und         terstützung zurückgreifen
                          bildungspolitische Pro-        will das dreigliedrige          können, bleibt dies Kin-

»
                          grammatik mit einem            Schulsystem beibehalten.        dern aus sozial benachtei-
                          überkommenen Familien-         Sie will es darüber hinaus      ligten Familien verwehrt.
                          bild. Es ist geprägt von re-   auch in den Bundeslän-          Die Forderung, das Pro-
                          aktionären Vorstellungen,      dern einführen, in denen        motions- und Habilitati-
                          Ausgrenzung und Diskri-        es bisher noch nicht exis-      onsrecht ausschließlich
                          minierung.                     tiert. Der Sozialwissen-        auf Universitäten und
     Die AfD will              So nimmt der Kampf        schaftler Andreas Kemper        Hochschulen mit Universi-
     den Zugang           gegen Vielfalt und sexu-       konstatiert daher: »Die         tätsstatus zu beschrän-
zum Studium und           elle Selbstbestimmung im       AfD will den Zugang zum         ken, dient ebenfalls
                          Grundsatzprogramm der          Studium und Gymnasien           diesem Zweck.
Gymnasium er-             Partei ebenso breiten          erschweren […] Ziel soll             Die Betroffenen ver-
schweren. Ziel soll       Raum ein wie die Agita-        sein, eine ›Elite‹ zu for-      sucht die AfD damit zu
sein, eine ›Elite‹ zu     tion gegen das »Gender-        men. Typischerweise trifft      trösten, dass nicht jeder
formen.                   Mainstreaming«, die »ge-       das Kinder aus einkom-          das Abitur oder einen
                          schlechterneutrale Spra-       mensschwachen Fami-             Hochschulabschluss be-
                          che«, die »Gender-For-         lien, die sich nicht teuren     nötige. Für die AfD »ge-
                          schung« oder »Geschlech-       Privatunterricht leisten        fährden das Streben nach
                          terquoten«.                    können.«                        immer höheren Abiturien-
                               Vor allem steht das                                       ten- und Akademikerquo-
                          Bildungsprogramm der                Auch an den Univer-        ten sowie unzureichende
                          AfD für die Ausgrenzung        sitäten will die AfD die Eli-   Kenntnisse von Haupt-
                          sozial Benachteiligter und     tenbildung verschärfen.         und Realschulabsolven-
                          extreme soziale Auslese.       Mit der im Grundsatzpro-        ten den Nachwuchs in
                          Es gibt kaum ein Indus-        gramm erhobenen Forde-          Ausbildungsberufen.«
                          trieland, in dem das Bil-      rung nach »leistungs- und            Statt den Arbeiterkin-
                          dungssystem so selektiv        eignungsbezogenen Aus-          dern den Weg an die Uni-
                          ist wie in Deutschland.        wahlverfahren für ver-          versität zu erleichtern,
                          Fast nirgendwo haben Ar-       schiedene Hochschul-            plädiert sie dafür, dass
                          beiterkinder so schlechte      typen« verfolgt sie vor         diese lieber eine vernünf-
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