Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik - Année politique ...

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Ausgewählte Beiträge zur
Schweizer Politik
  Suchabfrage           20.03.2020

  Thema                 Keine Einschränkung
  Schlagworte           Keine Einschränkung
  Akteure               Schweizer Demokraten (SD)
  Prozesstypen          Keine Einschränkung
  Datum                 01.01.1997 - 01.01.2017

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK   01.01.97 - 01.01.17
Impressum
Herausgeber
Année Politique Suisse
Institut für Politikwissenschaft
Universität Bern
Fabrikstrasse 8
CH-3012 Bern
www.anneepolitique.swiss

Beiträge von
Ackermann, Nadja
Barras, François
Beer, Urs
Benteli, Marianne
Bernath, Magdalena
Brändli, Daniel
Burgos, Elie
Bühlmann, Marc
Clivaz, Romain
Eperon, Lionel
Frick, Karin
Füzesséry, Alexandre
Gerber, Marlène
Hirter, Hans
Hohl, Sabine
Huguenet, François
Käppeli, Anita
Müller, Eva
Schoenholtz, Stephan
Schär, Suzanne
Zumbach, David

Bevorzugte Zitierweise

Ackermann, Nadja; Barras, François; Beer, Urs; Benteli, Marianne; Bernath, Magdalena;
Brändli, Daniel; Burgos, Elie; Bühlmann, Marc; Clivaz, Romain; Eperon, Lionel; Frick,
Karin; Füzesséry, Alexandre; Gerber, Marlène; Hirter, Hans; Hohl, Sabine; Huguenet,
François; Käppeli, Anita; Müller, Eva; Schoenholtz, Stephan; Schär, Suzanne; Zumbach,
David 2020. Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik: Schweizer Demokraten (SD),
1997 - 2015. Bern: Année Politique Suisse, Institut für Politikwissenschaft, Universität
Bern. www.anneepolitique.swiss, abgerufen am 20.03.2020.

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK          01.01.97 - 01.01.17
Inhaltsverzeichnis

Allgemeine Chronik                                                                    1
    Grundlagen der Staatsordnung                                                      1
        Politische Grundfragen                                                        1
            Verfassungsfragen                                                         1
        Rechtsordnung                                                                2
            Bürgerrecht                                                              2
            Datenschutz und Statistik                                                3
            Grundrechte                                                              3
            Innere Sicherheit                                                        4
            Kriminalität                                                             5
        Institutionen und Volksrechte                                                6
            Bundesrat                                                                6
            Volksrechte                                                              6
            Wahl- und Abstimmungsverfahren                                            7
        Wahlen                                                                        7
            Wahlen in kantonale Parlamente                                            7
            Eidgenössische Wahlen                                                   10
    Aussenpolitik                                                                    11
            Beziehungen zur EU                                                       11
    Landesverteidigung                                                              16
            Militäreinsätze                                                         16
            Militärorganisation                                                     18
    Wirtschaft                                                                      18
        Landwirtschaft                                                              18
            Agrarpolitik                                                            18
            Agrarprodukte                                                           20
    Sozialpolitik                                                                   20
        Bevölkerung und Arbeit                                                      20
            Bevölkerungsentwicklung                                                 20
        Soziale Gruppen                                                             22
            Migrationspolitik                                                       22
            Asylpolitik                                                             22
            Familienpolitik                                                         23
    Bildung, Kultur und Medien                                                      23
        Kultur, Sprache, Kirchen                                                    23
            Kirchen und religionspolitische Fragen                                  23
            Sprachen                                                                24

Parteien, Verbände und Interessengruppen                                             25
       Parteien                                                                      25
          Grosse Parteien                                                            25
          Konservative und Rechte Parteien                                           26
       Verbände                                                                      31
          Überparteiliche politische Interessen / Think Tanks                        31

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK   01.01.97 - 01.01.17   I
Abkürzungsverzeichnis
SPK-SR           Staatspolitische Kommission des Ständerats
VBS              Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und
                 Sport
AUNS             Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz
NGO              Nichtregierungsorganisation
SPK-NR           Staatspolitische Kommission des Nationalrats
EU               Europäische Union
EDI              Eidgenössisches Departement des Inneren
EVD              Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung
EGMR             Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EMRK             Europäische Menschenrechtskonvention
EWR              Europäischer Wirtschaftsraum
KFOR             Kosovo Force
NEAT             Neue Eisenbahn-Alpentransversale
LSVA             Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe
SGB              Schweizerischer Gewerkschaftsbund
EDA              Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten
NATO             North Atlantic Treaty Organization
GSoA             Gruppe für eine Schweiz ohne Armee
VPM              Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis
MG               Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung (Militärgesetz)
SOG              Schweizerische Offiziersgesellschaft

CIP-CE           Commission des institutions politiques du Conseil des États
DDPS             Département fédéral de la défense, de la protection de la population et
                 des sports
ASIN             Action pour une Suisse Indépendante et Neutre
ONG              Organisation non gouvernementale
CIP-CN           Commission des institutions politiques du Conseil national
UE               Union européenne
DFI              Département fédéral de l'intérieur
DFE              Département fédéral de l'économie, de la formation et de la recherche
CrEDH            Cour européenne des droits de l'homme
CEDH             Convention européenne des droits de l'homme
EEE              l'Espace économique européen
KFOR             Force pour le Kosovo
NLFA             Nouvelle ligne ferroviaire à traverser les Alpes
RPLP             Redevance sur le trafic des poids lourds liée aux prestations
USS              Union syndicale suisse
DFAE             Département fédéral des affaires étrangères
OTAN             L'Organisation du traité de l'Atlantique nord
GSsA             Groupe pour une Suisse sans Armée
VPM              Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis
LAAM             Loi fédérale sur l'armée et l'administration militaire (Loi sur l'armée)
SSO              Société Suisse des Officiers

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK           01.01.97 - 01.01.17   II
Allgemeine Chronik
                     Grundlagen der Staatsordnung
                     Politische Grundfragen
                     Verfassungsfragen
BUNDESRATSGESCHÄFT   Am 18. April fand die Volksabstimmung über die neue, totalrevidierte Verfassung statt.
DATUM: 18.04.1999
HANS HIRTER
                     Mit Ausnahme von links- und rechtsextremen Kleinparteien (PdA, FP, SD) sprachen sich
                     alle nationalen Parteien und auch alle massgeblichen Interessenverbände für die neue
                     Verfassung aus. Unter den Regierungsparteien fiel der Entscheid bei der SVP am
                     knappsten aus: die von den Zürcher Nationalräten Hans Fehr und Schlüer angeführte
                     Opposition unterlag an der Delegiertenversammlung mit 185:92 Stimmen. Für die
                     rechtsbürgerlichen Kritiker ging die Reform über eine Nachführung hinaus. Sie sei
                     vielmehr Ausdruck eines unakzeptablen, von der politischen Mitte und der Linken
                     geprägten Politikverständnisses. Die Sektion Zürich der SVP und in ihrem Gefolge auch
                     diejenigen von Kantonen, wo die SVP erst in den letzten Jahren gegründet worden ist
                     (unter anderem BS, LU, SO, SG), gaben die Nein-Parole aus. Bei der SP, deren Fraktion
                     die neue Verfassung anlässlich der parlamentarischen Verhandlungen ebenfalls heftig
                     kritisiert hatte, entschied sich der Parteivorstand mit 34:3 Stimmen für die Ja-Parole.
                     Die von Nationalrat Rennwald (JU) formulierte Kritik bemängelte das Fehlen von linken
                     Politikinhalten, also gerade das Gegenteil von dem, was der Verfassung von SVP-Seite
                     vorgeworfen wurde.

                     In der Kampagne schlugen die Wellen nicht sehr hoch. Auf Befürworterseite fiel vor
                     allem der grosse Einsatz des aus dem Amt scheidenden Justizministers Koller auf. Im
                     redaktionellen Teil der Presse war die Stimmung durchwegs positiv, hingegen waren
                     praktisch keine Inserate für die neue Verfassung auszumachen. Die nicht zuletzt in
                     Leserbriefen sehr aktiven Gegner behaupteten, dass sich die Schweiz mit der
                     Verfassung internationalem Recht unterstellen würde (weil darin der auch bisher
                     geltende Vorrang des Völkerrechts nun explizit erwähnt ist), sie zu einem Ausbau des
                     Sozialstaats führe und sich überhaupt die alte Verfassung bewährt habe. In den
                     Inseraten sprachen sie vor allem davon, dass die neue Verfassung eine «Liquidation der
                     Schweiz» einleiten würde; zudem stellten sie darin auch eine ganze Reihe von schlicht
                     falschen Behauptungen auf (z.B. dass in der neuen Verfassung die Begriffe
                     «Schweizerische» und «Eidgenössische» gestrichen worden seien). Neben den
                     erwähnten SVP-Kantonalsektionen, der FP und den SD beteiligten sich auch weit
                     rechtsaussenstehende Organisationen wie der VPM (mit der ihm nahestehenden
                     Zeitschrift «Zeit-Fragen») und «Pro Libertate» an der Kampagne. Dieses über das
                     übliche Mass von Abstimmungspropaganda hinausgehende Verdrehen von Tatsachen
                     durch die Gegner rief in der letzten Woche vor der Abstimmung den Bundesrat mit
                     einer Gegendarstellung auf den Plan.

                     Volk und Kantone hiessen die totalrevidierte Bundesverfassung am 18. April mit einer
                     relativ knappen Mehrheit von 59.2 Prozent und bei 12 2/2 gegen 8 4/2 Ständestimmen
                     gut. Die Beteiligung fiel mit 35.9 Prozent recht mager aus; besonders niedrig war sie in
                     der Romandie, wo nur gerade 21.6 Prozent von ihrem Stimmrecht Gebrauch machten.
                     Mitverantwortlich dafür war sicher auch der Beschluss des Bundesrates, diese Vorlage
                     in Anbetracht ihrer besonderen Bedeutung allein, d.h. nicht im Multipack mit anderen,
                     für die Stimmbürgerinnen und -bürger attraktiveren Vorlagen zu präsentieren. Am
                     meisten Ja-Stimmen gab es in der französischen Schweiz (mit Ausnahme des Wallis)
                     und im Tessin. Ähnlich deutlich fiel die Zustimmung auch in den Grossstädten der
                     Deutschschweiz aus. Gegen die totalrevidierte Verfassung sprachen sich die kleinen
                     Kantone der Innerschweiz (ohne Zug), die Ostschweiz (ohne Graubünden) sowie der
                     Aargau und das Wallis aus.

                     Bundesbeschluss über die Neue Bundesverfassung
                     Abstimmung vom 18. April 1999

                     Beteiligung: 35.9%
                     Ja: 969'310 (59.2%) / 12 2/2 Stände
                     Nein: 669'158 (40.8%) / 8 4/2 Stände

                     Parolen:
                     – Ja: SP, FDP, CVP, SVP (8*), LP, LdU, EVP, EDU (1*); SGB, CNG, Vorort, SGV, SBV.
                     – Nein: FP, SD, PdA; Centre patronal.

                     ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK          01.01.97 - 01.01.17   1
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen 1

                              Rechtsordnung
                              Bürgerrecht
PARLAMENTARISCHE INITIATIVE   In der Differenzbereinigung zu der 1995 vom Nationalrat beschlossenen Verkürzung der
DATUM: 20.06.1997
HANS HIRTER
                              Frist für die ordentliche Einbürgerung setzte sich der vom Ständerat vertretene Status
                              quo durch. Zuerst stimmte der Nationalrat mit 94:64 Stimmen der von Aeby (sp, FR)
                              1996 in der kleinen Kammer erfolglos eingebrachten Kompromissformel einer
                              Kantonskompetenz zur Verkürzung der minimalen Wohnsitzpflicht von zwölf auf acht
                              Jahre zu. Obwohl der Ständerat diese Lösung ein zweites Mal ablehnte, und Keller (sd,
                              BL) mitteilte, dass seine Partei beschlossen habe, das Referendum gegen
                              diesbezügliche Kantonskompetenzen zu ergreifen, hielt der Nationalrat mit 76:74
                              Stimmen daran fest. Die nach dem dritten ablehnenden Entscheid der kleinen Kammer
                              einberufene Einigungskonferenz stellte sich mit 13:9 Stimmen hinter den Ständerat.
                              Damit beschränkte sich die Teilrevision des Bürgerrechtsgesetzes auf eine
                              Liberalisierung der Voraussetzungen für die erleichterte Einbürgerung von Kindern mit
                              einem schweizerischen Elternteil. 2

KANTONALE POLITIK             Nachdem sich Regierung und Parlament dagegen ausgesprochen hatten, lehnten auch
DATUM: 29.09.1997
HANS HIRTER
                              die Aargauer Stimmberechtigten eine Volksinitiative der Schweizer Demokraten für eine
                              obligatorische kommunale Volksabstimmung zu allen Einbürgerungsentscheiden ab. Das
                              Resultat fiel mit einem Nein-Stimmenanteil von 71.7 Prozent deutlich aus. 3

KANTONALE POLITIK             Im Kanton Aargau lehnten die Stimmberechtigten mit einem Neinstimmen-Anteil von
DATUM: 29.11.2002
HANS HIRTER
                              61% eine Volksinitiative der Schweizer Demokraten für obligatorische kommunale
                              Volksabstimmungen an der Urne über Einbürgerungen ab. Demnach werden diese
                              Entscheide weiterhin von der Gemeindeversammlung oder – in den Städten – vom
                              Parlament gefällt. In Zürich bestätigte die Kantonsregierung einen Beschluss der
                              Exekutive der Stadt Zürich, eine Volksinitiative der SVP für einen Urnenentscheid über
                              Einbürgerungen als ungültig zu erklären. Sie bestätigte dabei die Begründung der
                              Stadtregierung, dass die Initiative zu unlösbaren Widersprüchen zwischen dem
                              Informationsanspruch der Stimmenden und dem Recht der Gesuchsteller auf den
                              Schutz ihrer Privatsphäre führen würde. Die SVP rekurrierte gegen die
                              Ungültigkeitserklärung beim Bundesgericht. Im Kanton Luzern reichten die Grünen eine
                              Volksinitiative für ein Verbot von Volksentscheiden (sei es an der
                              Gemeindeversammlung oder an der Urne) bei kommunalen Einbürgerungsbeschlüssen
                              ein. Zuständig sollen in Zukunft die Exekutive oder eine spezielle Kommission sein. 4

VOLKSINITIATIVE               Am 1. Juni lehnten Volk und Stände die von der SVP eingereichte Volksinitiative zur
DATUM: 01.06.2008
HANS HIRTER
                              Einbürgerungspolitik („für demokratische Einbürgerungen“) deutlich ab. Diese wollte
                              erreichen, dass erstens jede Gemeinde selbst bestimmen kann, nach welchem
                              Verfahren sie einbürgern will, und dass zweites dieser Entscheid endgültig, das heisst
                              nicht beschwerdefähig sein soll. Die Initiative widersprach damit dem Urteil des
                              Bundesgerichts aus dem Jahre 2003, wonach ein negativer Entscheid begründet
                              werden muss und eine Beschwerde, zum Beispiel wegen Diskriminierung oder Willkür
                              gegen diesen eingereicht werden kann. Die Initiative griff aber auch in die kantonale
                              Hoheit über die Gemeindeorganisation ein.
                              Das Resultat fiel bei einer Beteiligung von 45% mit 1'415'249 Nein gegen 804'730 Ja
                              deutlich aus. Nur gerade im Kanton Schwyz, wo die Urnenabstimmung über
                              Einbürgerungen Tradition hat, stellte sich eine Mehrheit (60%) hinter die SVP-Initiative.
                              Relativ knapp abgelehnt wurde das Begehren in den Kantonen der Zentral- und der
                              Ostschweiz. In den grossen Mittellandkantonen Bern und Zürich stimmten weniger als
                              40% für die Initiative. Am geringsten fiel die Unterstützung in der Romandie aus, wo
                              mehr als 80% mit Nein stimmten. Die nach der Abstimmung durchgeführte
                              repräsentative Befragung ergab, dass die Sympathisanten der SVP nahezu geschlossen
                              für, die Anhänger der drei anderen Regierungsparteien und die Parteiunabhängigen
                              aber sehr deutlich dagegen gestimmt hatten.

                              Abstimmung vom 1. Juni 2008

                              ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK         01.01.97 - 01.01.17   2
Beteiligung: 45,2%
                     Ja: 804'730 (36,2%) / 1 Stand
                     Nein: 1'415'249 (63,8%) / 19 6/2 Stände

                     Parolen: Ja: SVP, EDU (1)*, SD, Lega, FPS; SGV.
                     Nein: FDP (2)*, CVP, SP, GP, GLP, EVP, LP, CSP, PdA; SGB, Travail.Suisse.
                     * In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen 5

                     Datenschutz und Statistik
BUNDESRATSGESCHÄFT   Am 17. Mai nahm das Volk den Bundesbeschluss mit 953'173 Ja zu 947'493 Nein äusserst
DATUM: 17.05.2009
HANS HIRTER
                     knapp an. Am deutlichsten fiel die Zustimmung im Kanton Luzern mit 58% aus, am
                     deutlichsten war die Ablehnung im Jura mit 56% Nein. Die in der Geschichte der
                     nationalen Volksabstimmungen zweitkleinste Differenz zwischen der Anzahl Ja- und
                     Nein-Stimmen (5780) löste Hunderte von Beschwerden mit der Forderung einer
                     Neuauszählung aus. Da aber nirgendwo konkrete Unregelmässigkeiten moniert wurden,
                     blieben sie erfolglos. Gemäss der Vox-Analyse waren die Zweifel an der Datensicherheit
                     bei einer zentralen Speicherung der Passinformationen das wichtigste Motiv für die
                     Nein-Stimmenden gewesen. Unterschiede im Stimmverhalten liessen sich kaum
                     feststellen. So opponierten Junge, trotz des Einsatzes der Jungparteien nicht mehr
                     gegen die neuen Pässe als ältere Personen, und auch die Bildung und die Sprachregion
                     spielten keinen Einfluss.

                     Abstimmung vom 17. Mai 2009

                     Beteiligung: 45,2%
                     Ja: 953 173 (50,1%)
                     Nein: 947 493 (49,9%)

                     Parolen: Ja: FDP, CVP (2)*, EVP (1)*, BDP; economiesuisse, SGV, SBV.
                     Nein: SVP (2)*, SP (1)*, GP, CSP, EDU, SD, Lega, FPS, PdA; Travail.Suisse.
                     Stimmfreigabe: GLP.
                     * In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen 6

                     Grundrechte
VOLKSINITIATIVE      Sowohl die Gewährleistung der neuen Tessiner Kantonsverfassung, wodurch das
DATUM: 29.09.2015
KARIN FRICK
                     Gesichtsverhüllungsverbot von Bundesrat und Parlament als bundesrechtskonform
                     akzeptiert wurde, als auch das Urteil des EGMR vom Juli 2014, welches das Burkaverbot
                     in Frankreich offiziell als EMRK-konform einstufte, verhalfen der Burka-Kontroverse in
                     der Schweiz zu Aufwind. Anfang 2015 kündigte das Egerkinger Komitee um den
                     Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann, das seinerzeit die Minarett-Initiative aus
                     der Taufe gehoben hatte, denn auch an, auf nationaler Ebene eine Initiative für ein
                     Verhüllungsverbot nach Tessiner Vorbild einzureichen, und zwar parallel zu Wobmanns
                     parlamentarischer Initiative mit dem gleichen Anliegen. Obwohl die SPK-NR das
                     Anliegen im April 2015 mit knapper Mehrheit unterstützt hatte, glaubte der Initiant nicht
                     an den Erfolg über den parlamentarischen Weg. Deshalb und nicht zuletzt auch aus
                     wahltaktischen Gründen – im Hinblick auf die bevorstehenden eidgenössischen Wahlen
                     im Oktober 2015 erhoffte sich die SVP einen positiven Effekt von der Initiative, wie der
                     Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger unumwunden zugab – trat das Egerkinger
                     Komitee am 29. September 2015 vor die Medien, um die endgültige Lancierung der
                     Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» bekanntzumachen. Der Initiativtext sei bei
                     der Bundeskanzlei eingereicht worden und so bald als möglich wolle man mit der
                     Unterschriftensammlung beginnen, liess das Komitee, dem neben Walter Wobmann
                     weitere SVP-Exponentinnen und -Exponenten sowie Mitglieder der EDU, der Lega und
                     der Schweizer Demokraten angehörten, in der Presse verlauten. Inhalt des
                     Initiativtextes war erstens das Verbot, sein Gesicht im öffentlichen Raum oder an
                     öffentlich zugänglichen Orten (ausgenommen Sakralstätten) zu verhüllen oder zu
                     verbergen, sowie zweitens das Verbot, eine Person zu zwingen, ihr Gesicht aufgrund
                     ihres Geschlechts zu verhüllen. Ausnahmen sollten aus gesundheitlichen,
                     sicherheitsrelevanten und klimatischen Gründen sowie aus Gründen des einheimischen
                     Brauchtums gestattet sein, um etwa Mundschutzmasken für Pflegepersonal,
                     Motorradhelme, Kälteschutz beim Wintersport oder Fasnachtsmasken nicht unter

                     ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK          01.01.97 - 01.01.17   3
Strafe zu stellen. In den Augen der Gegnerinnen und Gegner sollte die Initiative ein
                    Problem lösen, das gar nicht existiere, sei doch die Wahrscheinlichkeit, in der Schweiz
                    einer Burkaträgerin zu begegnen «nicht viel höher als auf dem Mars», wie «La Liberté»
                    karikierend schrieb.
                    Die Alarmglocken schrillen liess die Initiative unterdessen in der Tourismusbranche, die
                    sich – unter der Frankenstärke und Buchungsrückgängen aus dem Euroraum ächzend –
                    gerade an der steigenden Anzahl zahlungskräftiger Gäste aus den Golfstaaten erfreute.
                    Verböte die Schweiz die Burka, so die Befürchtung, würde diese Klientel zukünftig auf
                    Reisen in die Schweiz verzichten und auch sonst könnte die Schweiz als bisher als offen
                    und tolerant wahrgenommene Destination einen beträchtlichen Imageschaden erleiden
                    und auch andere Touristen abschrecken. Eine prompte Reaktion auf das neuste Projekt
                    des Egerkinger Komitees kam auch aus der Gemeinde Egerkingen (SO): Per
                    Communiqué distanzierte sich der Gemeinderat in aller Form vom Egerkinger Komitee,
                    das sich im Namen auf seinen Gründungsort beruft, und dessen «ideologisch
                    verbrämter Gesinnung», wie der Tages-Anzeiger berichtete, und forderte das Komitee
                    auf, den Namen Egerkingen nicht mehr zu verwenden.
                    Die Debatte um das Verhüllungsverbot loderte im Nachgang der Terroranschläge von
                    Paris Mitte November 2015 noch einmal heiss auf. Während Kritiker des Burkaverbots
                    befürchteten, durch die Einführung eines solchen könnte die Schweiz vermehrt in den
                    Fokus von Dschihadisten rücken und in der Folge auch Ziel von zukünftigen Attentaten
                    sein, zeigten sich die Initianten in den Medien wenig beeindruckt von den jüngsten
                    Geschehnissen. Selbst durch Drohungen von Fundamentalisten wollten sie sich nicht
                    einschüchtern lassen, denn nach den Anschlägen in Paris sei die Initiative «aktueller
                    denn je»; es gehe letztlich darum, «unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung zu
                    schützen», so Wobmann gegenüber der «Schweiz am Sonntag».
                    Wie man das Burkaverbot schon vor dem offiziellen Inkrafttreten wirkungslos machen
                    könnte, zeigte sich derweil im Kanton Tessin, dessen Regelung Pate für das nationale
                    Verbot gestanden hatte: Der französisch-algerische Unternehmer Rachid Nekkaz
                    kündigte im Dezember in Locarno (TI) medienwirksam an, alle Bussen für Burka- oder
                    Nikabträgerinnen im Tessin – ungeachtet deren Höhe – zu übernehmen. 7

                    Innere Sicherheit
VOLKSINITIATIVE     Im Februar kam die 2007 von verschiedenen linken Organisationen lancierte
DATUM: 13.02.2011
NADJA ACKERMANN
                    Volksinitiative ‚Für den Schutz vor Waffengewalt‘ zur Abstimmung. Die Initiative
                    forderte ein Verbot der privaten Aufbewahrung von besonders gefährlichen Waffen,
                    einen Bedarf- und Fähigkeitsnachweis sowie die Einführung eines nationalen
                    Waffenregisters. Das Initiativkomitee, das das Sturmgewehr im Kleiderschrank als Relikt
                    des Kalten Krieges ansah, erhoffte sich mit der Neuregelung eine verbesserte Suizid-
                    und Gewaltprävention. Nachdem 2010 bereits beide Räte und der Bundesrat die
                    Ablehnung der Initiative empfohlen hatten, bekämpfte eine breite bürgerliche Allianz
                    aus SVP, FDP, CVP, BDP, EDU, Schweizer Demokraten, Gewerbeverband, Bauernverband
                    und Schiessverband die Waffen-Initiative. Die Gegner der Initiative befürchteten vor
                    allem die Opferung traditioneller Werte zugunsten einer Scheinsicherheit. Die Initiative
                    würde Zeichen eines Misstrauens in die Verantwortlichkeit der Bürger darstellen.
                    Getroffen würden zudem jene, die verantwortungsvoll mit Waffen umgingen –
                    Verbrecher würden sich hingegen nicht an die Regelung halten. Der BDP-Präsident
                    Hans Grunder sah in der Initiative sogar das versteckte Ziel der Abschaffung der Armee.
                    Auch rechneten die Gegner mit erheblichen administrativen Mehrkosten.

                    Die Initiative wurde am 13. Februar 2011 an der Urne mit 56,3%-Nein-Stimmen bei einer
                    Stimmbeteiligung von 49,2% verworfen. Dabei wurden die bereits im
                    Abstimmungskampf sichtbaren Gräben bestätigt. Die grösste Zustimmung fand die
                    Initiative in der Westschweiz: Genf (61%), Basel-Stadt (58,9%), Waadt (53,7%),
                    Neuenburg (53,2%) und Jura (52%), aber auch Zürich (50,4%) nahmen die Initiative an.
                    Die Gegner der Initiative konzentrierten sich in der Zentral- und Ostschweiz: Appenzell
                    Innerroden (72,3%), Obwalden (71,9%), Schwyz (70,9%) und Uri (70,6%). Die Vox-Analyse
                    zeigte, dass den Stimmbürgern die Entscheidung leicht fiel und viele sich früh
                    positionierten. Dabei hing der Stimmentscheid stark von der politischen Ausrichtung
                    und den politischen Wertevorstellungen ab: Personen, die für eine offene und moderne
                    Schweiz sind, stimmten ebenso massiv Ja, wie jene, die eine verschlossene und
                    traditionelle Schweiz vertreten, Nein sagten. Es gewann damit dieselbe Schweiz die
                    Abstimmung, die sich bereits bei der Minarett- und der Ausschaffungsinitiative
                    durchsetzte. Die drei Hauptargumente der Befürworter polarisierten laut der VOX-
                    Analyse stark: Dass die Waffe zuhause gefährlich und unzeitgemäss sei und die
                    Selbstmordrate erhöhe, wurde von den Gegnern strikt abgelehnt. Sie argumentierten

                    ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.97 - 01.01.17   4
ihrerseits mit einer bereits genügenden Gesetzeslage und der Wahrung der
                    persönlichen Freiheit und der Eigenverantwortung. Die Diskreditierung des
                    Milizsystems der Armee war das Hauptargument des überparteilichen Komitees der
                    Gegner, dessen vom Werber Alexander Segert illustrierten Kampagne mit kaputten 1.-
                    August-Lampions an die Emotion der Stimmbürger appellierte.

                    Abstimmung vom 13. Februar 2011

                    Beteiligung: 49,2%
                    Ja: 1'083'312 (43,7%) / 5 1/2 Stände
                    Nein: 1'395'812 (56,3%) / 15 5/2 Stände

                    Parolen:
                    – Ja: CVP-Frauen, CSP, EVP, Grüne, GLP, PdA, SP, Sp-Frauen, GSoA, SEK, SGB, TravS,
                    FMH.
                    – Nein: FDP-Liberale, FDP-Frauen, CVP (5)*, BDP, EDU, SVP, SVP-Frauen, AVF, JCH,
                    SBV.
                    * In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen 8

                    Kriminalität
VOLKSINITIATIVE     Die Volksabstimmung über die Volksinitiative fand am 30. November statt und endete
DATUM: 30.11.2008
HANS HIRTER
                    mit einem knappen Sieg der Initiantinnen. Die Kampagne war praktisch inexistent
                    gewesen. In den Medien erklärten zwar Politiker und Juristen die Unzulänglichkeiten
                    des Volksbegehrens. Befürworter, die ihre Argumente vortrugen, liessen sich aber kaum
                    finden. Inserate und Plakate waren fast keine auszumachen. Etwas intensiver verlief die
                    Diskussion in der Westschweiz, wo die Initiantinnen und ihre 2001 nach belgischem
                    Vorbild gegründete Organisation „Marche blanche“ und deren Präsidentin Christine
                    Bussat zu Hause sind, und wo sie am Fernsehen auftraten. Von den Parteien stellten
                    sich nur die SVP und die kleinen Rechtsparteien EDU, Lega und SD hinter das
                    Volksbegehren, ohne aber dafür viel Werbung zu machen.

                    Ähnlich wie 2004 bei der Volksinitiative für die lebenslängliche Verwahrung von Sexual-
                    und Gewalttätern gab es wieder eine Überraschung: Das Volk stimmte der Initiative mit
                    1'206'323 Ja gegen 1'119'119 Nein zu, und bei den Ständen waren die Befürworter mit 16
                    4/2 Ja gegen 4 2/2 Nein in der Mehrheit. Die Beteiligung lag mit 47,5% leicht über dem
                    Mittel. Abgelehnt hatten einzig die Westschweizer Kantone Genf, Waadt, Neuenburg
                    und Bern, sowie Obwalden und Appenzell Innerrhoden. Am deutlichsten Ja sagten die
                    Westschweizer Kantone Freiburg und Wallis sowie Tessin, Schwyz, St. Gallen und
                    Schaffhausen. In der Presse wurde dieses Ergebnis als ein Bekenntnis zugunsten der
                    Opfer von Gewalttaten und für härtere Strafen interpretiert. Die Vox-Analyse zeigte,
                    dass trotz der unterschiedlichen Parolen die Parteisympathie keine Rolle für den
                    Abstimmungsentscheid gespielt hatte. Eine gewisse Rolle kam hingegen der formalen
                    Bildung zu, indem Personen mit einem Hochschulabschluss die Vorlage ablehnten,
                    allerdings mit einem Neinanteil von 56% auch nicht überwältigend. Das Hauptargument
                    der Befürwortenden war, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern eine derart schwere
                    Straftat sei, dass sie nie verjähren dürfe.

                    Abstimmung vom 30. November 2008

                    Beteiligung: 47,5%
                    Ja: 1'206'323 (51,9%) / 16 4/2 Stände
                    Nein: 1'119'119 (48,1%) / 4 2/2 Stände

                    Parolen: Ja: SVP (3)*, EDU, SD, Lega.
                    Nein: FDP (2)*, CVP (2)*, SP, GP, BDP, GLP, EVP, LP, CSP, PdA, FPS.
                    *In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen 9

                    ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK       01.01.97 - 01.01.17   5
Institutionen und Volksrechte
                     Bundesrat
VERWALTUNGSAKT       Die Reaktion auf die vom Bundesrat im Vorjahr in die Vernehmlassung gegebenen
DATUM: 20.08.1999
HANS HIRTER
                     Vorschläge für eine Regierungsreform fiel eher negativ aus. Die Variante mit einem
                     gestärkten Bundespräsidenten fand bei den grossen Parteien keinen Anklang, da sich
                     dessen Rolle nicht mit dem weiterhin vorgesehenen Kollegialitätsprinzip würde
                     vereinbaren lassen. Einzig der Vorort und der Bauernverband sowie die Grünen und die
                     Schweizer Demokraten sprachen sich dafür aus. Eine zweistufige Regierung mit
                     Bundesräten als Regierungskollegium und ihnen unterstellten Fachministern fand in
                     abgewandelter Form, d.h. mit einer gleichzeitigen Stärkung des Präsidialamtes, zwar bei
                     der FDP Anklang, nicht aber bei der SVP. Die SP und die CVP wie auch der
                     Gewerkschaftsbund und der Gewerbeverband beurteilten dieses Modell zwar
                     grundsätzlich positiv, lehnten jedoch eine Verkleinerung des Bundesrates auf fünf
                     Mitglieder ab. Der Bundesrat beschloss in der Folge, dieses zweistufige Modell weiter zu
                     verfolgen und sich mit den Details einer solchen Regelung, wie z.B. der Frage, ob die
                     Fachminister     vom    Parlament     oder   der     Regierung    zu    wählen    seien,
                     auseinanderzusetzen. 10

                     Volksrechte
VOLKSINITIATIVE      Im Juni lancierte ein aus den Parteipräsidenten von SVP, SD und FP und weiteren
DATUM: 05.10.1999
HANS HIRTER
                     prominenten Politikern dieser Parteien (u.a. Blocher) gebildetes Komitee eine
                     Volksinitiative „für Volksabstimmungen über Volksinitiativen innert sechs Monaten
                     unter Ausschluss von Bundesrat und Parlament“. Diese verlangt, dass die
                     Bundeskanzlei unmittelbar nach der Einreichung einer ausformulierten Volksinitiative
                     einen Abstimmungstermin innerhalb der nächsten sechs Monate festlegt. Dabei braucht
                     es nicht nur keine formelle Stellungnahme oder Abstimmungsempfehlung des
                     Bundesrates und der Bundesversammlung mehr, sondern das Parlament darf auch
                     keine Gegenvorschläge ausarbeiten. Ersatzlos gestrichen würde gemäss dem
                     Initiativtext auch die Bestimmung, dass die Bundesversammlung eine Volksinitiative
                     wegen Verletzung des Grundsatzes der Einheit der Materie oder wegen Widerspruchs
                     zu zwingendem Völker- und Menschenrecht für ungültig erklären muss. In ganzseitigen
                     Inseraten in einer Vielzahl von Zeitungen stellten die Initianten ihren Vorstoss unter
                     dem Titel „Wenn in der Schweiz das Volk spricht, haben die Politiker zu schweigen“ vor.
                     Wegen diesem Inseratetitel bezeichnete zuerst die NZZ, später dann auch andere
                     Kritiker das Volksbegehren als „Maulkorb-Inititative“. Die Detailhandelskette Denner AG
                     unterstützte     das    Begehren      finanziell  und     beteiligte   sich    an    der
                     Unterschriftensammlung. Diese von einigen massgeblichen Politikern der Zürcher SVP
                     mitgetragene Initiative war aber auch in SVP-Kreisen nicht unumstritten. So distanzierte
                     sich der Aargauer Ständerat Reimann anlässlich der Debatte über die
                     Beschleunigungsinitiative ausdrücklich davon. Der Bundesrat selbst sah sich veranlasst,
                     in einer Stellungnahme die Stimmberechtigten vor der Unterzeichnung dieser Initiative,
                     welche die schweizerische Demokratie und deren demokratisch legitimierten
                     Institutionen in Frage stelle, zu warnen. 11

BUNDESRATSGESCHÄFT   In der Volksabstimmung vom 27. September waren Volk und Stände damit
DATUM: 27.09.2009
HANS HIRTER
                     einverstanden, auf die 2003 in die Verfassung aufgenommene allgemeine
                     Volksinitiative wieder zu verzichten. Eine Kampagne fand nicht statt; gegen die
                     Streichung ausgesprochen hatten sich nur die Lega und die PdA. Das Resultat fiel mit
                     einem Ja-Stimmenanteil von 67,9% (1 307 237 Ja gegen 618 664) und keinem einzigen
                     ablehnenden Kanton deutlich aus.

                     Abstimmung vom 27. September 2009

                     Beteiligung: 40,4%
                     Ja: 1 307 237 (67,9%) / 20 6/2 Stände
                     Nein: 618 664 (32,1%) / 0 Stände

                     Parolen:
                     – Ja: SVP, SP, FDP (1)*, CVP (2)*, GP (1)*, EVP, BDP, GLP, CSP, EDU (1)*, FPS, SD; SGV, SBV,
                     Travail.Suisse.
                     – Nein: Lega, PdA.
                     * In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen 12

                     ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK            01.01.97 - 01.01.17   6
Wahl- und Abstimmungsverfahren
VOLKSINITIATIVE     Am 1. Juni stimmte das Volk über die von rechtsbürgerlichen Kreisen eingereichte
DATUM: 01.06.2008
HANS HIRTER
                    Volksinitiative „Volkssouveränität statt Behördenpropaganda“ ab. Das Begehren
                    verlangte zur Hauptsache, dass sich die Landesregierung in Zukunft, abgesehen von
                    einer kurzen Verlautbarung, nicht mehr im Vorfeld von Volksabstimmungen äussern
                    darf. Die Kampagne war sehr lau. Ein aus Vertretern aller grossen Parteien ausser der
                    SVP gebildetes Komitee trat als Gegner in Erscheinung. Für die Initiative setzten sich
                    nur die SVP und die kleinen Rechtsaussenparteien EDU, SD und Lega ein. Dabei trat die
                    SVP kaum in den Vordergrund und verwendete ihre Propagandamittel in erster Linie
                    zugunsten der gleichzeitig zum Entscheid vorgelegten Einbürgerungsinitiative.

                    Abstimmung vom 1. Juni 2008

                    Beteiligung: 45,2%

                    Ja: 538 928 (24,8%) / 0 Stand
                    Nein: 1 634 196 (75,2%) / 20 6/2 Stände

                    Parolen: Ja: SVP (2)*, EDU (1)*, SD, Lega, FPS.
                    Nein: FDP, CVP, SP, GP, GLP, EVP, LP, CSP, PdA; Economiesuisse, SGV, SGB,
                    Travail.Suisse.
                    * In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

                    Die Initiative wurde deutlich, mit mit 1'634'196 Nein gegen 538'928 Ja (75%)
                    abgelehnt, kein einziger Kanton stimmte zu. Sogar der notorisch behördenkritische
                    Kanton Schwyz verwarf sie mit 59% Nein-Stimmen. Überdurchschnittlich stark war die
                    Ablehnung in den städtischen Agglomerationen und in der Westschweiz. In der
                    französischsprachigen Schweiz sprachen sich weniger als 20% für das Volksbegehren
                    aus. Mit der Ablehnung der Volksinitiative trat der im Vorjahr vom Parlament
                    beschlossene indirekte Gegenvorschlag in Kraft. 13

                    Wahlen
                    Wahlen in kantonale Parlamente
WAHLEN              Im Berichtsjahr wählten sechs Kantone (AG, GE, GR, NE, SO und VS) ihr Parlament neu.
DATUM: 01.01.1997
EVA MÜLLER
                    Hiess die Wahlsiegerin letztes Jahr noch SVP, so erzielte im Berichtsjahr mit 22
                    zusätzlichen Sitzen die SP die höchsten Gewinne. Sie legte dabei in der Deutschschweiz
                    auf Kosten der Grünen, dem LdU und linken Kleinparteien, in der Westschweiz hingegen
                    auf Kosten der bürgerlichen Parteien CVP, FDP und Liberale zu. Die CVP verlor
                    insgesamt neun, die FDP sechs und die LP vier Mandate. Dagegen gewann die SP in allen
                    sechs wählenden Kantonen Sitze dazu. In Genf errang der Linksblock gar erstmals eine -
                    wenn auch knappe - Mehrheit im Parlament. Damit ist Genf seit dem zweiten Weltkrieg
                    der erste Kanton, der ein Parlament mit linker Mehrheit erhielt, auch wenn sich diese
                    nur von der Sitzanzahl, nicht aber von den Wähleranteilen her ergab.

                    Die zweite Siegerin, die SVP, holte ihre zusätzlichen Sitze bei der Freiheits-Partei.
                    Während die SVP in den Kantonen Aargau und Solothurn 18 Sitze dazugewann, verlor die
                    Freiheits-Partei in diesen beiden Kantonen deren 18 und musste damit wie bereits im
                    letzten Jahr von allen Parteien die grössten Sitzeinbussen verbuchen. Aargauer und vor
                    allem Solothurner SVP lassen sich dem konservativen Flügel der SVP zuzählen. Dagegen
                    verlor in Graubünden die sich dem liberalen Flügel zuordnende SVP einen Sitz.

                    Die Grünen verloren insgesamt einen Sitz, überraschten aber in Genf, wo man wegen
                    des geltenden Quorums bereits über ein Ausscheiden der Partei aus dem Parlament
                    spekuliert hatte, mit einer klaren Wiedererstarkung und zwei Sitzgewinnen. Bei der
                    PdA/Linksallianz glichen sich zwei Sitzgewinne in Neuenburg mit zwei Sitzverlusten in
                    Genf aus. Der LdU verlor im Kanton Aargau nach internen Querelen drei Sitze und den
                    Fraktionsstatus, während die EVP ihre acht Sitze verteidigen konnte. Eher überraschend
                    legten im Aargau die Schweizer Demokraten um vier Sitze zu, und die religiös-rechte
                    EDU konnte mit einem Sitz neu ins Parlament einziehen. Im Kanton Graubünden verlor
                    die DSP einen Sitz.

                    Die Bundesratsparteien SP, CVP, FDP und SVP legten insgesamt weiter zu (+24 Sitze),

                    ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK      01.01.97 - 01.01.17   7
auch wenn für diese Erstarkung ausschliesslich SVP und SP verantwortlich sind. Dieser
                    Trend, der die letzten Nationalratswahlen von 1995 geprägt hatte, setzte sich also auf
                    kantonaler Ebene fort.

                    Die letzten Parlamentswahlen von 1993 hatten unter dem Eindruck der Nichtwahl von
                    Christiane Brunner (sp, GE) zur Bundesrätin gestanden und hatten insbesondere im
                    linken Lager einen gewaltigen Solidarisierungs-Effekt ausgelöst ("Brunner-Effekt"). In
                    den fünf in diesem Jahr wählenden Kantonen Aargau, Solothurn, Genf, Neuenburg und
                    Wallis (Graubünden wählte 1994) hatte sich der Frauenanteil massiv erhöht; in
                    Solothurn und Neuenburg verdreifachte resp. verdoppelte sich ihre Vertretung sogar.
                    Die damals erzielten Mandatsgewinne konnten die Frauen 1997 nur zum Teil
                    verteidigen. In den Kantonen Aargau und Solothurn sank ihr Besitzstand um 2,5% resp.
                    um gar 4,8%. In Genf stagnierte er bei 36%, womit die Genfer Frauen
                    gesamtschweizerisch ihren Spitzenplatz aber verteidigen konnten. In Neuenburg und im
                    Graubünden erhöhte sich der Frauenanteil leicht, um eine Vertreterin resp. um zwei
                    Vertreterinnen. Dagegen machten die Walliser Frauen nach 1993 nochmals einen
                    gewaltigen Sprung nach vorne: Sie erhöhten ihre Sitzzahl um einen Drittel, von 10,8%
                    auf 16,2%. Gesamtschweizerisch nahm der Frauenanteil in den kantonalen Parlamenten
                    um zwei Sitze bzw. ein Promille ab (später ins Parlament nachrutschende bzw.
                    zurücktretende Frauen wurden nicht berücksichtigt) und lag damit Ende 1997 bei 23,1%
                    (694 von 2999).

WAHLEN              Im Kanton Zürich wurden Mitte April die Gesamterneuerungswahlen 2015 bereits zum
DATUM: 12.04.2015
MARC BÜHLMANN
                    dritten Mal nach dem Doppelproporzverfahren (doppelter Pukelsheim) durchgeführt.
                    Dieses Wahlverfahren, bei dem zuerst berechnet wird, wie viele Sitze einer Partei im
                    gesamten Kanton zustehen (Oberzuteilung), und anschliessend die Sitzgewinne den
                    Wahlkreisen zugeordnet werden (Unterzuteilung), wirkt sich auf das Verhalten der
                    Parteien aus. Listenverbindungen werden hier obsolet und im Prinzip haben auch
                    kleinere Parteien bessere Chancen, einen Sitz zu erobern. Damit es nicht zu einer zu
                    starken Fraktionalisierung kommt, wird der doppelte Pukelsheim im Kanton Zürich mit
                    einer Wahlhürde von 5 Prozent kombiniert: In mindestens einem Wahlkreis muss eine
                    Partei also wenigstens 5 Prozent der dortigen Wählerschaft von sich überzeugen
                    können, um an der Sitzverteilung teilnehmen zu können.
                    Das neue Verfahren hatte bereits bei seiner ersten Anwendung 2007 eine massive
                    Reduktion der antretenden Listen von 47 (im Jahr 2003) auf elf (im Jahr 2007) zur Folge
                    gehabt. Im aktuellen Wahljahr 2015 nahm diese Zahl wieder ein wenig zu: Insgesamt
                    standen 13 Listen zur Wahl, auf denen 1734 Kandidierende aufgeführt waren (2003: 1968
                    Kandidierende; 2007: 1641 Kandidierende; 2011: 1720 Kandidierende). Mit vollen Listen
                    in allen 18 Wahlkreisen und ergo 180 Kandidierenden traten die FDP, die SP, die SVP
                    sowie die GLP an; bei der EVP und den Grünen fehlte jeweils ein Kandidat für eine volle
                    Liste. Auch die CVP (173 Kandidierende), die Alternative Liste (170 Kandidierende) und
                    die EDU (158 Kandidierende) traten in allen Wahlkreisen an, während die BDP (85
                    Kandidierende) und die Piraten (59 Kandidierende) nicht in jedem Wahlkreis Personal
                    rekrutieren konnten. Lediglich in einem Wahlkreis traten die Juso (7 Kandidierende im
                    Bezirk Uster) und die «Integrale Politik» (IP ZH) (4 Kandidierende im Bezirk Affoltern) an.
                    Weil keine Listenverbindungen möglich sind, war das Engagement der Juso von der
                    Mutterpartei nicht gerne gesehen, da die Jungpartei die SP so Stimmen kosten könnte.
                    Die IP ZH, ein Ableger der 2007 gegründeten IP Schweiz trat zum ersten Mal an, konnte
                    aber kaum mit einem Überspringen der 5-Prozent-Hürde rechnen. Im Gegensatz zu
                    2011 traten die SD – wie bereits in Basel-Landschaft – nicht mehr zu den Wahlen an;
                    man wolle sich nach dem Debakel bei den lokalen Wahlen 2014 neu orientieren, gab
                    Kantonalpräsident Andreas Stahel zu Protokoll.
                    Insgesamt traten 159 der 180 Bisherigen wieder an, wesentlich mehr als in bisherigen
                    Jahren. Dies war freilich auch auf den Umstand zurückzuführen, dass mehr als ein
                    Viertel der 2011 gewählten Abgeordneten während der Legislatur zurückgetreten waren.
                    Der Frauenanteil unter den Kandidierenden lag bei 36 Prozent (2011: 34%), wobei bei
                    Links-Grün überdurchschnittlich und bei Rechts-Bürgerlich unterdurchschnittlich viele
                    Frauen kandidierten. Das Durchschnittsalter der Kandidierenden betrug 46 Jahre.
                    Die stärkste Partei im Zürcher Kantonsrat, die SVP (54 Sitze), hatte 2011 zum zweiten Mal
                    in Folge bei den Kantonsratswahlen eine Niederlage einstecken müssen. Auch bei den
                    nachfolgenden nationalen Wahlen hatte man ein Nationalratsmandat verloren und war
                    ebenso bei der Ausmarchung um den Ständerat unterlegen. Zudem hatte die
                    Volkspartei bei kantonalen Abstimmungen häufig Niederlagen über sich ergehen lassen
                    müssen. Vor den anstehenden Wahlen 2015 zeigte man sich deshalb auffallend bemüht,
                    die bürgerlichen Partner bei den Regierungsratswahlen nicht zu brüskieren, was
                    allerdings nicht gänzlich gelang: Weil einzelne FDP-Exponenten auch die

                    ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK           01.01.97 - 01.01.17   8
Regierungsratskandidatinnen und -kandidaten von SP und GP unterstützten, verglich
der SVP-Kantonspräsident Alfred Heer die FDP mit einem Pudding, der einmal nach
links, einmal nach rechts neige.
Erklärtes Ziel der SP, die mit ihren Anliegen im Rat jeweils nur dann durchkam, wenn sie
Kompromisse hin zur Mitte eingehen konnte, war eine Steigerung des Wähleranteils um
zwei Prozentpunkte und eine damit verbundene Verstärkung der momentan 35-
köpfigen Fraktion. Die FDP (23 Sitze) befand sich im Aufwind; sie hatte nicht nur bei
den Kommunalwahlen 2014 zulegen können, sondern mit Filippo Leutenegger auch den
zweiten Sitz in der Zürcher Stadtregierung zurückerobert. Zum Mindestziel wurde
deshalb der Gewinn von drei Sitzen erklärt, womit man allerdings nur die Hälfte der
Verluste von 2011 wettgemacht hätte.
Die Grünen hatten 2011 mit der Wahl von Martin Graf in die Regierung einen Erfolg
gefeiert. Damals hatte man die Sitzzahl im Parlament (19 Sitze) mit einem leichten
Wählerzuwachs halten können. Dank dem Erfolg mit der kantonalen Kulturlandinitiative
erhoffte sich die GP auch bei den kantonalen Wahlen 2015 Aufwind. Die Grünen wollten
mindestens zwei weitere Mandate erringen und die viertstärkste Partei im Kanton
bleiben. Die GLP (19 Sitze) hatte kurz vor den Zürcher Wahlen mit dem überdeutlichen
Nein zu ihrer nationalen Initiative «Energie statt Mehrwert besteuern» eine herbe
Niederlage einstecken müssen. Es blieb abzuwarten, ob dies auf die kantonale
Wählerschaft abfärben würde. Die CVP (9 Sitze) hatte Ende März von sich reden
gemacht, als die Kandidatur des im Wahlkreis 3 (Stadtkreise 4 und 5) antretenden
Friedrich Studer für ungültig erklärt werden musste, weil der Präsident der CVP der
beiden Stadtkreise gar nicht mehr im Kanton Zürich wohnhaft war und so eine
Bedingung für seine Wählbarkeit verletzte. Zwar habe die CVP in diesem Wahlkreis
ohnehin keine Chance und die Listenstimmen würden trotzdem mitgezählt, die Sache
sei aber unschön, so der CVP-Stadtpräsident Markus Hungerbühler. Studer war aus
persönlichen Gründen in den Kanton Solothurn umgezogen.
Für die kleineren Parteien war das Überspringen der 5-Prozent-Hürde vordringlichstes
Ziel. Die EDU (5 Sitze) hatte dies 2007 und 2011 jeweils nur in einem Wahlkreis geschafft.
In Hinwil schien die Partei allerdings über eine relativ treue Wählerschaft zu verfügen.
Auch die EVP (7 Sitze) hatte damals über Gebühr zittern müssen. Da sich die EDU und
die EVP in den gleichen Wahlkreisen die christlichen Stimmen abspenstig machten,
drohte für beide Ungemach. Wenig Sorgen über die Wahlhürde musste sich die
Alternative Liste (AL) machen, da sie im Wahlkreis 3 – also in den Stadtkreisen 4 und 5 –
jeweils sehr stark abschneidet. In der Regel lag die AL hier jeweils gar noch vor der SVP
und der FDP. Entsprechend strebte die Linkspartei Fraktionsstärke an. Zu den drei
bisherigen Sitzen, unter anderem gehalten von Markus Bischoff, der auch für die
Regierungsratswahlen antrat, sollten also noch mindestens zwei weitere hinzu kommen.
Zittern musste hingegen die BDP, die ihre Kandidierenden auf einige Wahlkreise
konzentrierte. Vor vier Jahren noch hatte sie ihre sechs Sitze dank mehr als 5 Prozent
Wähleranteil in drei Wahlkreisen geschafft. Kaum Chancen konnten sich die Piraten und
die IP ausrechnen. Das Scheitern an der 5 Prozent-Hürde könnte mitunter zu
dramatischeren Sitzverschiebungen führen als leichte Wählerverschiebungen zwischen
den arrivierten Parteien.
In den Medien wurde der Wahlkampf insgesamt als lau bezeichnet, zumal kaum medial
verwertbare Skandale oder personalisierte Ereignisse, sondern insbesondere sachliche,
aber vermutlich nur wenig mobilisierende Podiumsdiskussionen im Zentrum standen.
Zu reden gab immerhin – auch das scheint ein Dauerbrenner kantonaler
Wahlkampagnen zu sein – die Plakatierung, die von den verschiedenen Gemeinden mit
unterschiedlichen juristischen Grundlagen sehr uneinheitlich bewilligt oder eben nicht
bewilligt wurde. Für Gesprächsstoff sorgte auch ein Plakat der SVP, das Bundesrätin
Simonetta Sommaruga zeigte, die von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
einen Begrüssungskuss erhielt. Das Plakat war mit dem Slogan «Wähle lieber SVP»
versehen. Zu reden gab der Umstand, dass die SVP den Schnappschuss ohne Erlaubnis
der Abgebildeten als Wahlwerbung verwendete, was rechtlich nicht zulässig ist. Weil die
Magistratin das Plakat aber weder kommentieren noch juristisch dagegen vorgehen
wollte, liess man die SVP gewähren.

Als grosse Siegerin der Zürcher Kantonsratswahlen 2015 ging die FDP hervor. Der
Freisinn konnte um ganze acht Mandate und 4.4 Prozentpunkte an Wählerstärke
zulegen (neu: 31 Sitze; 17.3% Wähleranteil). Dieses «triumphale Comeback» nach
«jahrzehntelangem Niedergang» – so der Tages-Anzeiger – verhalf dem Bürgerblock zur
absoluten Mehrheit, weil sowohl die SVP (54 Sitze) als auch die CVP (9 Sitze) ihren
Besitzstand wahren konnten: Beide legten leicht an Wähleranteil zu (SVP +0.4
Prozentpunkte; CVP +0.1 Prozentpunkte). Für rechtsbürgerliche Anliegen ist allenfalls
nicht einmal die CVP nötig, da auch die EDU ihre 5 Sitze zu verteidigen wusste
(Wähleranteil: 2.7%; +0.1 Prozentpunkte). Zu den Gewinnerinnen durfte sich aber auch

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK          01.01.97 - 01.01.17   9
die Linke zählen. Die SP holte mit einem Wähleranteil von 19.7 Prozent (+0.4
                    Prozentpunkte) einen zusätzlichen Sitz (neu: 36 Sitze) und die AL konnte gar zwei
                    zusätzliche Mandate für sich verbuchen und kommt nun auf 5 Sitze. Sie weiss neu 3
                    Prozent der Zürcher Wahlberechtigten hinter sich (+1.4 Prozentpunkte); in den
                    Stadtkreisen 4 und 5 sind es gar 17.7 Prozent. Die Gewinne der FDP und der Linken
                    gingen unter anderem auf Kosten der Mitte. Zwar konnte die EVP ihren Wähleranteil um
                    0.5 Prozentpunkte auf 4.3 Prozent steigern und damit einen Sitz gewinnen, die GLP und
                    die BDP mussten aber Federn lassen. Die BDP verlor einen Sitz (neu: 5 Sitze) und
                    verfügte nur noch über 2.6 Prozent Wähleranteil (-0.9 Prozentpunkte). Schlimmer
                    erging es der GLP, die 5 Sitzverluste verschmerzen musste (neu: 14 Sitze). Mit 7.6
                    Prozent Wähleranteil (-2.6 Prozentpunkte) überholten die Grünliberalen aber gar noch
                    die Grünen, für die die kantonalen Wahlen zum eigentlichen Debakel verkamen. Sie
                    verloren nicht nur ihren Sitz bei den Regierungsratswahlen, sondern mussten auch im
                    Parlament 6 Sitze räumen (neu: 13 Sitze). Der Verlust von 3.4 Prozentpunkten, der noch
                    einen Wähleranteil von 7.2 Prozent bedeutete, liess das Lager mit den grünen Anliegen
                    (GP und GLP) um einen Viertel schrumpfen. Für die Piraten, die Juso und die IP waren
                    die Hürden zu hoch. Insgesamt 15 wiederkandidierende Kantonsratsmitglieder wurden
                    abgewählt.
                    Wie schon bei den Wahlen im Kanton Basel-Landschaft und im Kanton Luzern verfügte
                    der Bürgerblock aus SVP, FDP und CVP damit auch im Kanton Zürich wieder über eine
                    komfortable Mehrheit im Parlament. Dies sei der erfolgreichen bürgerlichen Wahlallianz
                    «Top 5» zu verdanken, kommentierten bürgerliche Kreise. Der Fraktionschef der SP,
                    Markus Späth, gab allerdings in einem Interview zu Protokoll, dass die FDP und nicht die
                    Bürgerlichen gewonnen hätten. Er hoffe, die FDP werde jetzt wieder ein wenig
                    selbständiger und unabhängiger von der SVP und dass sich dies dann in bildungs-,
                    sozial- und gesellschaftspolitischen Fragen bemerkbar mache. Die Wählerinnen und
                    Wähler seien der grünen Anliegen überdrüssig und hätten «gemerkt, dass das nur
                    kostet und nichts bringt», erklärte hingegen SVP-Kantonsrat Hans-Peter Amrein am Tag
                    danach. Eine andere Interpretation lieferte indes CVP-Fraktionschef Philipp Kutter:
                    Umweltanliegen seien kein Alleinstellungsmerkmal der grünen Parteien, die
                    Energiewende beispielsweise sei breit abgestützt.
                    Die Niederlage der grünen Kräfte wurde in den Medien auch als Korrektur interpretiert,
                    nachdem diese vor vier Jahren stark vom Reaktorunfall in Fukushima profitiert hätten.
                    Eine Analyse der Wählerverschiebungen infolge einer Nachwahlbefragung zeigte in der
                    Tat, dass zahlreiche Wählerinnen und Wähler der GLP und der GP aus dem Wahljahr
                    2011 im aktuellen Wahljahr der Urne ferngeblieben waren. Zudem hatte die GP viele
                    Anhängerinnen an die SP und die AL verloren, während zahlreiche Wählerinnen und
                    Wähler der GLP zur FDP abgewandert zu sein schienen. Der Frauenanteil im Zürcher
                    Parlament nahm von 33.3 auf 33.9 Prozent nur leicht zu. Zu reden gab nach den Wahlen
                    vor allem die historisch tiefe Wahlbeteiligung von 32.7 Prozent (2011: 38.2%). Erklärt
                    wurde diese mit einer Entfremdung von der kantonalen Politik. Die lokale Verwurzelung
                    nehme durch Arbeitsmobilität und Anonymisierung ab, was mit einem sinkenden
                    Interesse an kantonaler Politik und eben auch einer abnehmenden
                    Partizipationsbereitschaft einhergehe. 14

                    Eidgenössische Wahlen
WAHLEN              Die EVP vertrete laut Vizepräsident Roland Bialek eine "Politik der Mitte" im Sinne von
DATUM: 24.10.1999
DANIEL BRÄNDLI
                    Brüderlichkeit und versuche damit den Konflikt zwischen Liberalismus und Sozialismus,
                    zwischen Freiheit und Gleichheit aufzuweichen. Sie sei ausserdem bestrebt,
                    Gerechtigkeitslücken in vielen Bereichen des politischen und wirtschaftlichen Lebens
                    zu stopfen und opponiere gegen "zu weit gegangene Liberalisierungen". PdA
                    -Präsidentin Christiane Jaquet-Berger sprach sich am nationalen Kongress in Le Locle
                    gegen eine Politik der Kompromisssuche an „runden Tischen“ aus, und kritisierte damit
                    die SP, die sich aus ihrer Sicht viel zu anpasserisch verhalte. Das FP-Wahlprogramm
                    umfasste vier Stossrichtungen. „Für freien Individualverkehr“, „Asylpolitik – Grenze zu!“,
                    „für Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ sowie „für gesicherte Sozialwerke“. Im
                    Parteiprogramm der SD wurde weiterhin vehement die Position gegen einen Beitritt der
                    Schweiz zur EU vertreten. Noch vor den Wahlen hatte das Präsidium das Referendum
                    gegen die bilateralen Verträge angekündigt. Die SD waren auch der Meinung, dass in
                    der Asylpolitik viel zu nachsichtig verfahren werde. Die Rezepte der SD für eine Schweiz
                    im neuen Jahrtausend lauten denn auch "Stopp der zerstörerischen Einwanderung,
                    Überfremdung und Übervölkerung unserer Heimat" oder "Schluss mit der
                    schleichenden Internationalisierung unseres Landes". 15

                    ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK          01.01.97 - 01.01.17   10
WAHLEN              Zu den grossen Verlierern der diesjährigen Wahlen zählten die rechten
DATUM: 27.10.1999
DANIEL BRÄNDLI
                    Oppositionsparteien FP und SD. Die EDU und die Lega konnten sich halten. Insgesamt
                    verloren sie im Vergleich zu 1991, als sie mit 10,8% ihre grösste Parteienstärke erlangt
                    hatten, ganze 6%. Umfragen zeigten, dass die verloren gegangenen Stimmen sich
                    hauptsächlich bei der SVP wiederfanden. Die FP (1999: 0,9%), ehemals stärkste unter
                    den kleinen Rechtsaussenparteien, brach bei den Wahlen regelrecht ein und verlor alle
                    ihre bisherigen sieben Nationalratssitze sowie rund drei Viertel des Wähleranteils von
                    1995. Die SD verloren im Vergleich zu den letzten Wahlen 1,3% und erreichten 1,8%.
                    Damit sind sie trotz des schlechten Wahlergebnisses neu die stärkste unter den kleinen
                    Rechtsaussenparteien. Da sie ihre Sitze in Zürich und Baselland verloren haben, muss
                    Parteisekretär Hess (BE) die Partei in der neuen Legislatur alleine im Parlament
                    vertreten. EDU und Lega gingen beinahe unverändert aus dem Rennen. Die EDU konnte
                    sich seit ihrer Gründung 1975 von Wahl zu Wahl geringfügig steigern und 1999 ihr Niveau
                    auf 1,3% Parteienstärke bestätigen. Der Berner Sitz blieb der Partei erhalten. Im Tessin
                    erlangte die Lega immerhin rund einen Fünftel aller Wählerstimmen. Mit
                    Parteipräsident Bignasca konnte sie den vor vier Jahren verlorenen zweiten Sitz wieder
                    zurückholen.

                    Die Oppositionsparteien aus dem linken Parteienspektrum (GP, PdA, Solidarités und
                    FGA) erreichten zusammen 6,9% Parteienstärke. Stärkste Partei in diesem Lager blieb
                    die GP. Während sie in der Deutschschweiz etwas an Boden verlor, konnte sie in der
                    Romandie (NE: +7,4%) an Stimmen dazugewinnen. Die GP büsste eines ihrer Zürcher
                    Mandate sowie den Aargauer Sitz ein und konnte in Genf und Neuenburg je einen Sitz
                    gewinnen. Damit ist sie im Nationalrat weiterhin mit 8 Mitgliedern als stärkste Nicht-
                    Regierungspartei vertreten. PdA und Solidarités, die ihre Wählerschaft fast
                    ausschliesslich in der Romandie haben, erreichten 1,0% und 0,5% Parteienstärke, die
                    feministischen und grünalternativen Gruppierungen FGA nur gerade 0,3%. Allerdings
                    kandidierten die FGA in den Kantonen Bern, Baselstadt und Zug auf gemeinsamen
                    Wahllisten mit der GP resp. der "BastA!" oder der SP. Die so erlangten Parteienstimmen
                    wurden nicht den FGA zugerechnet. In Zürich verlor die Gruppierung „Frauen macht
                    Politik“ (FraP) ihren bisherigen Sitz. 16

                    Aussenpolitik
                    Beziehungen zur EU
VOLKSINITIATIVE     Rejetée en 1996 par le parlement pour les mêmes motifs d'ordre constitutionnel que
DATUM: 08.06.1997
LIONEL EPERON
                    ceux invoqués contre l'initiative des jeunes, l'initiative des Démocrates suisses/Lega
                    "Négociations d'adhésion à l'UE: que le peuple décide!" a en revanche été soumise au
                    verdict populaire au début du mois de juin. Compte tenu de l'hostilité unanime des
                    partis gouvernementaux et de l'Action pour une Suisse indépendante et neutre (ASIN) à
                    l'encontre de ce texte, la campagne qui précéda le scrutin fut étonnamment calme en
                    comparaison des débats enflammés que suscite généralement la question européenne.
                    Craignant de pécher par excès d'optimisme à un moment où l'ensemble des
                    observateurs s'accordaient à reconnaître l'échec programmé de l'initiative, huit
                    associations proeuropéennes - regroupées au sein d'une "Plate-forme suisse Oui à
                    l'Europe" - décidèrent néanmoins de relancer le débat sur l'intégration en publiant à
                    cette fin un manifeste appelant la population à rejeter massivement l'initiative des
                    Démocrates suisses/Lega, d'une part, et prônant un rapprochement rapide de la
                    Confédération vers l'UE, d'autre part. Face à cette offensive qui reçut l'appui de
                    nombreux parlementaires, les auteurs de l'initiative créèrent à leur tour un comité de
                    soutien à leurs revendications auquel ne vinrent toutefois s'associer que des
                    représentants de l'Union démocratique fédérale (UDF) et du parti catholique populaire
                    (KVP). Contrairement aux craintes partagées par certains politiciens quant à un brusque
                    réflexe de fermeture de la part de l'opinion publique, ce déséquilibre des forces en
                    présence fut largement confirmé le soir de la votation, puisque l'initiative des
                    Démocrates suisses/Lega a été très nettement rejetée par le peuple - 1'189'440 voix
                    contre 416'720 -, ainsi que par tous les cantons.

                    Initiative populaire "Négociations d'adhésion à l'UE: que le peuple décide!"

                    Votation du 8 juin 1997

                    Participation: 35,4%
                    Non: 1 189 440 (74,1%)

                    ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.97 - 01.01.17   11
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