Kinderheilkunde Monatsschrift - BLE-Medienservice
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Monatsschrift Sonderdruck · Juni 2022 Kinderheilkunde Zeitschrift für Kinder- und Jugendmedizin Organ der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin Organ der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde Ernährung und Bewegung im Kleinkindalter Aktualisierte Handlungs empfehlungen des bundesweiten Netzwerks Gesund ins Leben Bestell-Nr. 3418 www.springermedizin.de
Konsensuspapiere Monatsschr Kinderheilkd https://doi.org/10.1007/s00112-022-01519-3 Angenommen: 11. Mai 2022 Ernährung und Bewegung im © BLE / www.gesund-ins-leben.de 2022 Kleinkindalter Redaktion Arndt Borkhardt, Düsseldorf Aktualisierte Handlungsempfehlungen des bundesweiten Stefan Wirth, Wuppertal Netzwerks Gesund ins Leben Michael Abou-Dakn1,2 für Nationale Stillkommission am Max Rubner-Institut (MRI) Karlsruhe · Ute Alexy1,3 für Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) e. V. Bonn · Kirsten Beyer1,4 · Monika Cremer5 · Regina Ensenauer1,6 · Maria Flothkötter7 · Raimund Geene1,8 · Claudia Hellmers1,9 für Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi) e. V. Edemissen · Christine Joisten1,10 für Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) e. V. Frankfurt a. M. · Berthold Koletzko1,11 für Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) e. V. Berlin · Jutta Mata1,12 · Ulrich Schiffner1,13 für Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ) e. V. Würzburg · Irene Somm1,14 · Melanie Speck1,15 · Anke Weißenborn1,16 · Achim Wöckel1,17 für Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) e. V. Berlin 1 Wissenschaftlicher Beirat, Netzwerk Gesund ins Leben, Bonn, Deutschland; 2 St. Joseph Krankenhaus Berlin-Tempelhof, Berlin, Deutschland; 3 Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Bonn, Deutschland; 4 Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin, Charité – Universitätsmedizin, Berlin, Deutschland; 5 Idstein, Deutschland; 6 Institut für Kinderernährung, Max Rubner-Institut (MRI), Karlsruhe, Deutschland; 7 Netzwerk Gesund ins Leben, Bundeszentrum für Ernährung (BZfE), Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Bonn, Deutschland; 8 Alice Salomon Hochschule Berlin, Berlin, Deutschland; 9 Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Hochschule Osnabrück, Osnabrück, Deutschland; 10 Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft, Deutsche Sporthochschule Köln, Köln, Deutschland; 11 Kinderklinik und Kinderpoliklinik, LMU Klinikum München, Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Deutschland; 12 Fakultät für Sozialwissenschaften, Universität Mannheim, Mannheim, Deutschland; 13 Poliklinik für Parodontologie, Präventive Zahnmedizin und Zahnerhaltung, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg-Eppendorf, Deutschland; 14 Netzwerk Handlungsforschung und Praxisberatung, Köln, Deutschland; 15 Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur, Hochschule Osnabrück, Osnabrück, Deutschland; 16 Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin, Deutschland; 17 Frauenklinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Deutschland Einleitung Kleinkindalter größer und die Ernährung vielfältiger. Kinder entwickeln Vorlieben, Eine ausgewogene, altersgerechte Er- werden auch beim Essen selbstständiger nährung, reichlich Bewegung und aus- und übernehmen familiäre und kulturelle reichend Schlaf fördern eine gesunde Gewohnheiten. Mit allen Sinnen und in Entwicklung und das Wohlbefinden des Interaktion mit den Eltern2 und anderen Kleinkindes. In keiner anderen Lebens- Bezugspersonen lernen sie zu essen – zu phase ändert sich die Ernährung so stark Hause genauso wie in der Kita oder in wie in den ersten Lebensjahren. Von der Kindertagespflege. Eltern und Bezugs- der Ernährung mit ausschließlich Mut- personen können die Entwicklung eines termilch (oder Säuglingsanfangsnahrung) gesunden Ernährungsverhaltens von Kin- geht sie allmählich über die Beikost- dern auf vielfältige Weise unterstützen phase in die Familienernährung1 über [138]. [71]. Die Lebensmittelauswahl wird im Neben der Ernährung spielt Bewegung eine große Rolle. Sie fördert die Gesundheit 1 Der Begriff „Familie“ umschließt in diesen Empfehlungen alle Lebensgemeinschaften, in 2 Der Begriff „Eltern“ steht für alle wichtigen QR-Code scannen & Beitrag online lesen denen Kleinkinder zu Hause sind. Bezugspersonen des Kindes. Monatsschrift Kinderheilkunde 1
Konsensuspapiere Zusammenfassung Hintergrund: Eine ausgewogene, altersgerechte, nachhaltige Ernährung und reichlich [193] und ist insbesondere für Kleinkinder Bewegung fördern eine gesunde Entwicklung und das Wohlbefinden des Kleinkindes. ein wichtiges Mittel, um Wissen über ih- Entsprechende Verhaltensweisen früh zur Gewohnheit zu machen, kann das spätere re Umwelt zu erwerben, ihre Umwelt zu Verhalten beeinflussen – und damit kurz-, mittel- und langfristig die Gesundheit „begreifen“, auf sie einzuwirken, Kenntnis- fördern. Die Handlungsempfehlungen zu Ernährung und Bewegung im Kleinkindalter se über sich selbst, ihre Fähigkeiten und liegen nun aktualisiert vor und sollen Fachkräften als Basis für die Beratung von ihren Körper zu erlangen und mit ande- Familien mit Kleinkindern dienen. ren Personen zu kommunizieren [166]. Im Methodik: Auf Basis von aktuellen systematischen Reviews, Metaanalysen, Leitlinien Kleinkindalter differenzieren sich fein- und und weiteren belastbaren Studiendaten zu den Themen Ernährung und körperliche grobmotorische3 Fähigkeiten und Fertig- Aktivität im Kleinkindalter (1 bis 3 Jahre) bewerteten Vertreterinnen und Vertreter der keiten aus, und die Bewegungen werden im Netzwerk verbundenen Fachgesellschaften und Institutionen die wissenschaftliche komplexer und gezielter. In einer Umge- Evidenz und aktualisierten die bisherigen oder formulierten zu einigen Themen bungs- und Alltagsgestaltung, die zu Be- erstmalig Handlungsempfehlungen. Dabei wurden auch Nachhaltigkeitsaspekte wegung anregt, können Kleinkinder ih- berücksichtigt. Der Prozess wurde vom Netzwerk Gesund ins Leben koordiniert. re körperlichen Fähigkeiten gut entfalten Empfehlungen: Kleinkinder sollen ihre Mahlzeiten in einem regelmäßigen Rhythmus [166]. bekommen. Sie sollen an den Mahlzeiten der Familie teilnehmen und so oft wie möglich Eine ausgewogene, bedarfsgerechte, gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern essen. Die Beachtung der Hunger- und pflanzenbetonte Ernährung und reichlich Sättigungssignale des Kindes trägt zur Entwicklung eines gesundheitsfördernden Bewegung gelten im ganzen Leben als Essverhaltens bei. Die empfohlene Kleinkindernährung enthält reichlich pflanzliche Schlüssel zur Vorbeugung von Überge- Lebensmittel und tierische Lebensmittel in mäßigem Umfang. Kleinkinder sollen sich auf vielfältige Weise bewegen. Eltern sollen Bewegungserfahrungen aktiv unterstützen. wicht und nichtübertragbaren Krankhei- Bildschirmmedien sind für Kleinkinder nicht empfehlenswert. ten, wie z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes mellitus Typ 2. Entsprechen- Schlüsselwörter de Verhaltensweisen im frühen Kindesalter Bildschirmmedien · Vegetarische Ernährung · Nachhaltigkeit · Diversitätssensibilität · zur Gewohnheit zu machen, kann auch Familienmahlzeiten das Verhalten im weiteren Leben positiv beeinflussen [49, 114, 176, 177] und sich daher auch langfristig auf die Gesundheit auswirken. haben daher nicht nur nutritive und ge- gehören Kinder- und Jugendärztinnen und Über die Effekte auf Gesundheit und sundheitsfördernde Aspekte im Blick, son- -ärzte, Zahnärztinnen und -ärzte, Ernäh- Wohlbefinden von Kindern bzw. der gan- dern geben auch Hinweise auf eine res- rungs- und Bewegungsfachkräfte, Hebam- zen Familie hinaus beeinflusst der Lebens- sourcenschonende Lebensmittelauswahl. men, Familienpflegerinnen und -pfleger, stil auch Umwelt, Klima, Tierwohl und vie- Sie sollen so zu einem bedarfsgerechten, Fachkräfte in Gemeinschaftseinrichtungen les mehr. Eine Veränderung hin zu einer gesundheitsfördernden und nachhaltigen für Kleinkinder, Kindertagespflegeperso- nachhaltigeren, ressourcenschonenderen Ernährungsverhalten von Anfang an bei- nen und weitere Berufsgruppen. Ernährung und Landwirtschaft, die Ge- tragen. Gute Rahmenbedingungen kön- – Der Abschnitt „Essen lernen“ gibt Hin- sundheit und Wohlbefinden des Menschen nen dies unterstützen. Dazu zählt z. B., dass weise zur Gestaltung von Mahlzeiten, schützt, ist dringend notwendig [182, 204, gesunde und nachhaltig produzierte Le- zur Beachtung der Hunger- und Sät- 208] und wird auch politisch unterstützt bensmittel im Handel zur Verfügung ste- tigungssignale von Kindern und zur [37]. Der reichliche Verzehr von pflanz- hen und diese transparent und einfach ge- Erweiterung der Lebensmittelvielfalt. lichen Lebensmitteln, deren Produktion kennzeichnet – und damit leicht aus dem – Der Abschnitt „Ernährung“ beinhaltet deutlich weniger Treibhausgasemissionen Sortiment wählbar – sind. Dies ist derzeit Empfehlungen zur Gewichtung der Le- als tierische Lebensmittel erzeugt, gilt als nur begrenzt gegeben [182]. In welchem bensmittelgruppen im Rahmen einer wichtiger Pfeiler einer nachhaltigen Ernäh- Maße Familien mit ihrem Lebensstil zum bedarfsgerechten, nachhaltigen Ernäh- rung [115, 143, 147]. Obst und Gemüse Umwelt- und Klimaschutz und zum Tier- rung und nimmt zu vegetarischer und der Saison verursachen zumeist geringe wohl beitragen wollen und können, ist veganer Ernährung Stellung. Darüber Treibhausgasemissionen. Mit der Verwen- individuell unterschiedlich. Möglichkeiten hinaus enthält der Abschnitt Hinweise dungvonLebensmittelnaus ökologischem zur Veränderung des Lebensstils und der zum Schutz vor Lebensmittelinfektio- Landbau haben Familien eine weitere Op- Ernährungsgewohnheiten können im Rah- nen. tion, die Ernährung nachhaltiger zu ge- men einer individuellen Beratung gemein- – Der Abschnitt „Nahrungsmittelunver- stalten [204]. sam mit den Familien erarbeitet werden träglichkeiten“ macht deutlich, dass Die aktualisierten Handlungsempfeh- (s. Abschnitt Diversitätssensible Beratung). eine Einschränkung der Lebensmittel- lungen zur Ernährung von Kleinkindern Die Handlungsempfehlungen zu Ernäh- auswahl nicht ohne ärztliche Diagnose rung und Bewegung im Kleinkindalter sol- erfolgen sollte. 3 Unter Motorik sind sämtliche Funktions- und len allen Berufsgruppen mit Kontakt zu Fa- – Der Abschnitt „Körperliche Aktivität“ Steuerungsprozesse, die Bewegungsabläufen milien mit Kleinkindern als Grundlage für zeigt Empfehlungen zur Förderung von zugrunde liegen, zu verstehen. ihre Arbeit und die Beratung dienen. Dazu Bewegung sowie zur Begrenzung von 2 Monatsschrift Kinderheilkunde
Inaktivität und zu ausreichend Schlaf Methoden Empfehlungen und Entspannung im Kleinkindalter auf. Um die Handlungsempfehlungen zu Er- Diversitätssensible Beratung nährung und Bewegung im Kleinkindalter Wie diese Empfehlungen umgesetzt wer- aus dem Jahr 2013 [102] zu aktualisieren, Empfehlung. den, wird u. a. durch die Art der Bera- wurden im ersten Schritt aktuelle Emp- – Fachkräfte sollten junge Familien zu tung beeinflusst. Die Autorinnen und Au- fehlungen nationaler und internationaler einem gesunden Lebensstil motivie- toren empfehlen eine professionelle Hal- Fachgesellschaften und -institutionen/-or- ren und im Dialog beraten. In einer tung und Gesprächsführung, die sich der ganisationen recherchiert. Diese Recher- wertschätzenden Haltung interes- spezifischen Werte, Einstellungen, Erfah- che wurde durch Literaturrecherchen in sieren sie sich für die Lebensrealität rungen, Bedürfnisse und Ressourcen und PubMed, Cochrane Library und Google der Familie, ihre Erfahrungen mit damit der Diversität von Familien bewusst Scholar zu systematischen Reviews, Meta- Ernährung und Bewegung und ihre ist. Dies kann die Chancen für Verhaltens- analysen, Leitlinien und weiteren belast- Einstellungen. Sie gehen auf Beden- veränderung erhöhen. baren Studiendaten seit 2013 mit Such- ken und Vorbehalte ein, respektieren Die Empfehlungen gelten für gesun- begriffen der entsprechenden Handlungs- die Entscheidungsfreiheit der Familie de Kinder zwischen einem und 3 Jahren felder (Essen lernen, Ernährung, körper- und setzen gemeinsam mit den Eltern (erster Geburtstag bis Vollendung des drit- liche Aktivität u. a.) und mit Bezug zur realistische Ziele. ten Lebensjahres) und vorwiegend für den Zielgruppe Kleinkinder ergänzt. Die Ergeb- häuslichen Bereich. Sie können aber auch nisse dieser Recherchen wurden von den Grundlagen der Empfehlung. Hand- für Kleinkinder in Gemeinschaftseinrich- Mitgliedern des Wissenschaftlichen Bei- lungsempfehlungen sind als Richtschnur tungen und der Kindertagespflege Ori- rats (s. Autorinnen und Autoren) diskutiert, für die professionelle Beratung, nicht aber entierung geben, wobei Gemeinschafts- bewertet und die Empfehlungen auf die- als Normvorgabefür Familienzu verstehen. einrichtungen spezielle Vorgaben z. B. zur ser Basis im Konsens verabschiedet. Eine Fachkräfte übertragen die Empfehlungen Hygiene oder bei der Zubereitung von darüber hinausgehende systematische Li- sowohl kontext- und situationssensibel Mahlzeiten beachten müssen. Der von der teraturrecherche und Evidenzbewertung als auch in Kenntnis der vorhandenen Deutschen Gesellschaft für Ernährung ver- wurde nicht durchgeführt, sodass die for- Ressourcen der Familie. Sie suchen ge- fasste DGE-Qualitätsstandard für die Ver- mulierten Handlungsempfehlungen dem meinsam mit den Familien nach Möglich- pflegung in Kitas [53] und das Merkblatt Evidenzniveau einer Expertenempfehlung keiten einer schrittweisen Verbesserung des Bundesinstituts für Risikobewertung unter Berücksichtigung aggregierter Evi- des Ernährungs- und Bewegungsverhal- (BfR) mit Handlungsempfehlungen zum denzquellen entsprechen. tens [179]. Studien zeigen, dass eine derart Schutz von besonders empfindlichen Per- Die Stärke der Empfehlungen wird diversitätssensible Beratung die Chancen sonengruppen vor lebensmittelbedingten in Anlehnung an die Leitlinienerstellung für die Umsetzung der Empfehlungen in Infektionen in Gemeinschaftseinrichtun- durch „soll“, „sollte“ oder „kann“ ge- den Familien entscheidend erhöht [12, gen [36] unterstützen die Verantwortli- kennzeichnet, wobei „soll“ eine starke, 79, 90, 98, 209]. chen bei der Umsetzung einer bedarfsge- „sollte“ eine mäßig starke und „kann“ rechten und nachhaltigen Ernährung und eine offene Empfehlung bedeuten. Die Hintergrundinformationen. Familien sicheren Verpflegung von Kleinkindern in Herleitung der Empfehlungen wird in den zeichnen sich durch eine große Vielfalt aus: diesen Einrichtungen. jeweiligen Abschnitten „Grundlagen der Sie unterscheiden sich in ihren Familienfor- Empfehlungen“ transparent dargestellt. men, ihrer Bildung, ihrem Lebensumfeld Netzwerk Gesund ins Leben. Gesund ins Die Handlungsempfehlungen werden u. v. m. Deutschland ist zudem ein Einwan- Leben ist ein Netzwerk von Institutionen, unterstützt durch: Berufsverband der derungsland. Es haben 40 % der Kinder Fachgesellschaften und Verbänden zur Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Berufs- unter 5 Jahren eine Migrationsbiografie Förderung der frühkindlichen Gesund- verband der Frauenärzte (BVF), Deutscher [186]. Sie stammen aus unterschiedlichen heit – von der Schwangerschaft bis ins Hebammenverband (DHV), Deutsche Ge- Herkunftsländern und -regionen, haben Kleinkindalter. Das Netzwerk gehört zum sellschaft für Kinder- und Jugendmedizin unterschiedliche Sprachkenntnisse und Bundeszentrum für Ernährung. Dieses (DGKJ), Deutsche Gesellschaft für Gynäko- z. T. auch eigene Migrationserfahrungen ist in der Bundesanstalt für Landwirt- logie und Geburtshilfe (DGGG), Deutsche etc. Kennzeichnend für eine professionelle schaft und Ernährung angesiedelt, im Gesellschaft für Hebammenwissenschaft Beratungshaltung ist es, sich bewusst zu Geschäftsbereich des Bundesministeri- (DGHWi), Deutsche Gesellschaft für Er- sein, dass die spezifischen Werte jeder ums für Ernährung und Landwirtschaft. nährung (DGE), Deutsche Gesellschaft einzelnen Familie, ihre kulturellen Einstel- Das Netzwerk Gesund ins Leben ist Teil für Sportmedizin und Prävention (DGSP) lungen, Überzeugungen und Erfahrungen des Nationalen Aktionsplans IN FORM – sowie Deutsche Gesellschaft für Kinder- sich auf die Wahrnehmung der Hand- Deutschlands Initiative für gesunde Er- zahnheilkunde (DGKiZ). lungsempfehlungen auswirken. Norm- nährung und mehr Bewegung. vorgaben sind daher nicht zielführend. Auch Furchtappelle und andere Überzeu- gungsstrategien sind für die Motivation Monatsschrift Kinderheilkunde 3
Konsensuspapiere zur Verhaltensänderung ungeeignet [156, für 2–3 h) sollten außer Wasser und tionen und Lernerfahrungen für das Kind 165]. Sie führen eher zu Widerstand (Re- ungesüßten Getränken auch keine [84]. aktanz) und Ablehnung – und zwar umso Milch/-produkte angeboten werden. Wie viele Mahlzeiten ein Kleinkind mehr, je weiter das Verhalten der Familie – Das Kind sollte so oft wie möglich braucht, ist von seinem geschlechtsab- von der Sollvorgabe entfernt ist [179, 180]. gemeinsam mit anderen Familienmit- hängigen Energiebedarf sowie der Menge Aussichtsreicher als das Ziel, das Er- gliedern essen. und Energiedichte der verzehrten Le- nährungs- und Bewegungsverhalten der – Mahlzeiten mit genügend Zeit und bensmittel und Speisen abhängig [213]. Familie zu optimieren [80, 192], ist ei- Ruhe und in freundlicher Atmosphäre Die European Society for Paediatric Gas- ne Stärkung der Selbstwirksamkeitserwar- sind wünschenswert. Um Ablenkung zu troenterology, Hepatology and Nutrition tung, d. h. der Erwartung, aufgrund der vermeiden, sollten Bildschirmmedien (ESPGHAN) hält für Kinder über 2 Jah- eigenen Kompetenzen und Erfahrungen ausgeschaltet sein. re mindestens 4 Mahlzeiten täglich für selbstwirksam handeln zu können. Bera- – Eltern sollten selbstständiges Essen ratsam [4]. tende erkennen und wertschätzen dazu unterstützen, sobald das Kind dazu in Für Kleinkinder ist es ein wichtiger Lern- das Selbstverständnis der Familie und ih- der Lage ist. prozess, bei Mahlzeiten sitzen zu bleiben, re Entwicklungswünsche [80, 90] und loten diese von Zeiten für andere Aktivitäten, gemeinsam mit der Familie Möglichkeiten Grundlagen der Empfehlungen. Regel- wie Spiel, Bewegung oder evtl. Medien- für ein gutes – nicht notwendigerweise mäßige Mahlzeiten, die eindeutig begon- konsum abzugrenzen und sich für das Es- perfektes – Gelingen aus (Konzept „hin- nen und beendet werden, strukturieren sen und Sattwerden Zeit zu nehmen. In reichend gute Familie“, [80, 192]). Die Moti- den Tag. Anzahl und Rhythmus der Mahl- einer Metaanalyse von Beobachtungsstu- vierende Gesprächsführung (Motivational zeiten können variieren und sind u. a. kul- dien waren längere Mahlzeiten positiv mit Interviewing, [126, 127]) bietet Methoden turell geprägt [163]. Die Empfehlung zu re- einem niedrigeren BMI und einer besseren zur Umsetzung dieser professionellen Hal- gelmäßigen Mahlzeiten steht im Einklang Ernährungsqualität assoziiert, wobei der tung. Zentral ist, Empfehlungen nicht mo- mit den Empfehlungen anderer Fachinsti- Einfluss von anderen Faktoren (Konfun- nologisch-direktiv vorzutragen, sondern in tutionen [40, 94]. dierung) nicht ausreichend berücksichtigt einen Dialog mit der Familie einzutreten, Untersuchungen aus einem systemati- wurde und dies das Ergebnis möglicher- Konfrontationen konsequent zu vermei- schen Review mit Metaanalyse, der Beob- weise verzerrt hat. Eine mögliche Erklärung den und die Entscheidungsfreiheit der Fa- achtungsstudien einschließt, deuten da- für die positive Assoziation ist, dass länge- milie zu respektieren [127]. Diese Art der rauf hin, dass häufigere Familienmahlzei- re Mahlzeiten eine bessere Wahrnehmung Gesprächsführung hat sich auch in der all- ten signifikant mit Merkmalen einer gesun- des Sättigungsgefühls erlauben oder ein gemeinen sowie in der pädiatrischen Ge- den Ernährung sowie einem niedrigeren längeres Sättigungsgefühl zwischen den sundheitsberatung als effektiv gezeigt [25, Body-Mass-Index (BMI) des Kindes assozi- Mahlzeiten bewirken [51]. 78]. Es ist wünschenswert, die Entwicklung iert sind – wenn auch mit kleiner Effekt- Gemeinsame Familienmahlzeiten sind dieses professionellen Beratungsansatzes stärke [50]. Ebenso wirkt sich die Gestal- wünschenswert [51]. In Beobachtungsstu- in der Aus- und Weiterbildung von Fach- tung der Mahlzeiten, d. h. Zeit und Ruhe, dien war zu sehen, dass Kinder, die häufiger kräften zu stärken. eine freundliche Atmosphäre und das aus- mit der Familie essen, mit mehr Genuss geschaltete Fernsehgerät, positiv auf das essen und ein weniger wählerisches Ess- Essen lernen im Kleinkindalter Ernährungsverhalten und das Gewicht des verhalten zeigen [201]. Im Familienalltag Kindes aus [19, 50, 51, 84, 153, 201]. ist es nicht immer möglich, dass alle Fa- Kinder lernen essen ähnlich, wie sie spre- Kleinkinder wollen gern selbst essen. milienmitglieder gemeinsam essen. Eltern chen lernen: durch eigenes Tun, Nachah- Dies zu unterstützen, fördert auch die Ent- sollten sich nicht unter Druck setzen (las- mung, in Beziehung und Interaktion mit wicklung der motorischen Fähigkeiten und sen). Denn positive Effekte werden bereits ihren Eltern. Diese können die Regulati- Fertigkeiten, die Autonomieentwicklung berichtet, wenn das Kind mit einem El- onsfähigkeit des Kindes für Hunger und des Kindes sowie seine Selbstregulations- ternteil zusammen isst [50]. Sättigung stärken und die Akzeptanz für fähigkeit [46, 138]. Die Art und Weise, wie eine Familie neue Lebensmittel fördern. die gemeinsamen Mahlzeiten gestaltet, ist Hintergrundinformationen. Die Familie mindestens genauso wichtig wie die Häu- Gemeinsame Mahlzeiten bzw. das Umfeld, in dem das Kind auf- figkeit gemeinsamer Mahlzeiten. Eine an- Empfehlungen. wächst, bildet den ersten und wichtigsten genehme Atmosphäre fördert die Kom- – Kleinkinder sollten ihre Mahlzeiten in sozialen Rahmen beim Essenlernen [29]. munikation [87] und war in Metaanaly- einem regelmäßigen Rhythmus be- Kleinkinder übernehmen familiäre und sen mit einem niedrigeren BMI des Kindes kommen (z. B. 3 Hauptmahlzeiten und kulturelle Rituale, Gewohnheiten und assoziiert [51]. Eltern sollten ein gesun- 2 kleinere Zwischenmahlzeiten). Mahl- Praktiken beim Essen und gestalten diese des Ernährungs- und Essverhalten vorle- zeiten wechseln sich mit essensfreien aktiv mit. Gemeinsame Mahlzeiten dienen ben und Kinder auch in die Vorbereitung Zeiten ab. somit nicht nur der Nahrungsaufnahme, der Mahlzeiten einbeziehen [51]. Fernse- – In den essensfreien Zeiten zwischen sondern sind gleichzeitig soziale Interak- her und andere Bildschirmmedien (z. B. Haupt- und Zwischenmahlzeiten (z. B. Smartphones) sollten während der Mahl- 4 Monatsschrift Kinderheilkunde
zeit ausgeschaltet sein. Essen ohne laufen- zu ermutigen. Eltern sollten keine z. B. Brabbeln, Hand zum Bauch/zum Mund des Fernsehgerät war in Studien signifikant Extraspeisen als Ersatz anbieten. führen, Hinwenden zur betreuenden Per- und konsistent mit einer besseren Ernäh- son oder zur Mahlzeit sowie selbst den rungsqualität und einem geringeren Risi- Grundlagen der Empfehlungen. Die Be- Löffel/die Gabel zum Mund führen [173]. ko für Übergewicht assoziiert ([17, 51, 84, achtung der kindlichen Selbstregulation Im Kleinkindalter essen zu lernen, heißt 159]; weitere Informationen zu Bildschirm- der Nahrungsaufnahme gilt als ein wichti- auch, Hunger und Sättigung als Regulati- medien s. Abschnitt Körperliche Aktivität ger Ansatzpunkt zur Förderung eines ge- onsmechanismen der Nahrungsaufnahme im Kleinkindalter, Begrenzung der Inakti- sunden Essverhaltens und einer normalen vom Bedarf nach emotionaler Zuwendung vität). Gewichtsentwicklung. Dies zeigen rando- zu unterscheiden [46]. Essen hat eine beru- Zwischen dem sechsten Lebensmonat misierte kontrollierte Studien, in denen higende, entspannende Wirkung. Gleich- und dem dritten Lebensjahr werden Kinder Eltern geschult wurden, die Hunger- und wohl sollten Eltern proaktiv auf die emotio- im Zuge ihrer motorischen und kognitiven Sättigungssignale des Kindes zu erken- nalen Bedürfnisse ihres Kindes eingehen Entwicklung körperlich und emotional zu- nen und angemessen darauf zu reagie- und es nicht mit Lebensmitteln beruhigen nehmend unabhängiger. Sobald sie dazu ren, mit moderater Evidenz [183]. Dage- oder gar trösten [52, 218]. in der Lage sind, sollten die Eltern ihnen gen waren restriktive Fütterungspraktiken Zu große Portionen können die Selbst- ermöglichen, das selbstständige Essen zu in Beobachtungsstudien mit höherer Ge- regulation des Kindes beeinträchtigen. Ei- lernen [46]. Wann genau das Kind jedoch wichtszunahme [183] und größere Portio- ne Metaanalyse von randomisierten kon- welche feinmotorischen Fähigkeiten und nen mit höheren Verzehrmengen [145] as- trollierten Studien zeigt, dass größere Por- Fertigkeiten besitzt, ist individuell sehr un- soziiert. Nichtresponsives Verhalten, wie tionen zu einer Zunahme der täglichen terschiedlich. Eine Befragung von Müttern z. B. Ablenkungen, Überzeugungsszenari- Energiezufuhr führen, auch dann, wenn ergab: Manche Kleinkinder können schon en sowie Essen zur Belohnung oder zur sich das Kind selbst große Portionen nimmt mit 11 Monaten selbstständig weiche Spei- Bestrafung, kann die Selbstregulation stö- [145]. sen (Pudding u. Ä.) mit dem Löffel aufneh- ren und ein wählerisches Essverhalten be- Viele Eltern sorgen sich, dass ihr Kind men und in den Mund führen, andere erst günstigen [11, 48, 54, 67, 138, 210]. Die Er- nicht genug isst und damit nicht genug zu- im Alter von 2 Jahren [41, 42]. Kleinere gebnisse sind jedoch heterogen und stam- nimmt. Die verzehrte Nahrungsmenge ist Gabeln und Löffel sowie Schüsseln statt men überwiegend aus Beobachtungsstu- jedoch interindividuell sehr unterschied- flacher Teller können beim Erlernen des dien, die Evidenz ist daher niedrig [51, lich, wie Daten aus der DONALD-Studie selbstständigen Essens hilfreich sein. Spe- 218]. (Abkürzung für: DOrtmund Nutritional and zielle Esslernbestecke (z. B. Schieber) sind Anthropometric Longitudinally Designed) nicht notwendig. Hintergrundinformationen. Über Hun- für Kinder im Alter von 3 Monaten bis ger und Sättigung kann das Kleinkind 6 Jahren zeigen [7]. Ist das Kind gesund, Beachtung von Hunger und die Energieaufnahme selbst regulieren aktiv und zufrieden, können Eltern davon Sättigung und die Verzehrmengen auf seine physio- ausgehen, dass es ausreichende Mengen Empfehlungen. logischen Bedürfnisse abstimmen. Eltern isst. Sorgen sich Eltern um das Körper- – Eltern sollen für ein ausgewogenes können diese Fähigkeit durch ein responsi- gewicht, sollten sie sich an Kinder- und Nahrungsangebot sorgen und das Kind ves Verhalten (engl. „responsive feeding“) Jugendärztinnen und -ärzte wenden. Das entscheiden lassen, wie viel es davon stärken: Wenn das Kind Hunger- oder Körpergewicht wird im Rahmen der Vor- isst. Eltern sollen somit auf die Hunger- Sättigungssignale zeigt, nehmen Eltern sorgeuntersuchungen erhoben und beur- und Sättigungssignale ihres Kindes diese wahr und reagieren angemessen teilt. Studienergebnisse weisen auf einen eingehen. und feinfühlig darauf [138]. kulturbedingten Unterschied in der elter- – Eltern bieten zunächst eine kleine Hunger und Sättigung zeigen Kleinkin- lichen Wahrnehmung des optimalen Kör- Portion an. Das Kind kann nachfordern, der durch Gesten oder verbal auf verschie- pergewichts ihres Kindes hin [160]. Zum bis es satt ist. Wenn sich das Kind dene Weise. In der Regel sind Hungersi- Beispiel halten Eltern mit türkischem Mi- selbst bedient, sollte es angehalten gnale für Eltern leichter wahrnehmbar als grationshintergrund, Eltern aus arabischen werden, sich zuerst eine kleine Portion Sättigungssignale [92, 122]. Eltern sollten Ländern sowie Eltern aus der ehemaligen zu nehmen. ihr Kind nicht zum Essen drängen oder Sowjetunion ihre Kinder häufiger für „zu – Eltern sollten ihr Kind zum Essen Druck ausüben [218]. Wenn ein Kind nicht dünn“ als Eltern aus Deutschland [160]. anregen, aber nicht durch Maßnahmen (mehr) essen will, oder wenn es Essen ab- Dies sollte bei der Beratung berücksich- wie Tricks, Überzeugungsszenarien, lehnt, sollten Eltern dies respektieren und tigt werden. Versprechen oder Spiele zum Essen die Mahlzeit eindeutig beenden (z. B. durch animieren. Wegräumen des Tellers). Häufig beobach- Erweiterung der Lebensmittelvielfalt – Essen sollte nicht zur Belohnung oder tete Sättigungssignale von Kindern im Al- Empfehlungen. zur Bestrafung eingesetzt werden. ter von 6 bis 24 Monaten sind z. B. das – Eltern sollten für ein vielfältiges Ange- – Beendet das Kind die Mahlzeit frühzei- Abwenden des Körpers oder des Blicks, bot sorgen und Kinder ermutigen, neue tig, oder will es nicht essen, genügt es, Kopf schütteln, Zappeln oder mit dem Lebensmittel/Speisen zu probieren. das Kind ein- bis zweimal zum Essen Essen spielen. Zu Hungersignalen zählen Monatsschrift Kinderheilkunde 5
Konsensuspapiere – Eltern sollten neue Lebensmittel/ Eine Metaanalyse von Interventionsstudi- ausspuckt, sich übergibt, oder wenn sie Speisen (wie Gemüse, Obst, Vollkorn- en berichtete zudem von einem höheren sich um das Gewicht ihres Kindes Sorgen produkte etc.) mehrfach und ohne Konsum, wenn Eltern ein bestimmtes Ge- machen. Zwang anbieten und eine mögli- müse wiederholt einzeln anboten [132]. cherweise zeitweilige Ablehnung des Eltern sollten neue Lebensmittel auch an- Ernährung im Kleinkindalter Kindes akzeptieren. Wiederholtes Pro- bieten, wenn das Kind diese nicht pro- bieren erhöht die Akzeptanz von neuen bieren möchte; die wiederholte visuelle Mit einer gezielten Auswahl der Lebens- Lebensmitteln/Speisen. Exposition kann die Bereitschaft zum Pro- mittel können Eltern gute Rahmenbedin- bieren erhöhen [130, 203]. gungen für eine ausgewogene und ab- Grundlagen der Empfehlungen. Über- Wenn Kleinkindern regelmäßig ver- wechslungsreiche Ernährung ihres Kindes sichtsarbeiten zeigen, dass ein vielfältiges schiedene Lebensmittel angeboten wer- schaffen, die auch die Umwelt schont. Die Angebot und das mehrmalige Probieren den, sind sieeher bereit, neue Lebensmittel Empfehlungen für eine ausgewogene, ab- von neuen Lebensmitteln die Akzeptanz auszuprobieren und eine größere Vielfalt wechslungsreiche Familienernährung gel- und auch die Verzehrmengen erhöhen zu akzeptieren [13]. Auch verschiedene ten ebenso für Kleinkinder mit erhöhtem können [13, 14, 18, 132, 184]. Abwechs- Texturen sind wünschenswert (z. B. weich, Allergierisiko. lung und Vielfalt tragen auch zum Genuss hart, faserig), um die Präferenz für Le- beim Essen bei. bensmittel mit „komplexeren“ Texturen Ernährungsweise wie beispielsweise Vollkornprodukte zu Empfehlungen. Hintergrundinformationen. Es ist wün- fördern [130]. – Mit einer ausgewogenen und ab- schenswert, bereits frühzeitig die Akzep- Eltern wecken die Neugier des Kindes, wechslungsreichen Familienernährung tanz für Lebensmittel mit hoher Nähr- wenn sie Speisen abwechslungsreich, ap- kann der Nährstoffbedarf des Klein- stoffdichte (Nährstoffdichte =ˆ Menge ei- petitlich und kindgerecht (z. B. hinsicht- kindes gedeckt werden. Kleinkinder nes Nährstoffs in einem Lebensmittel im lich Textur und Größe der Lebensmittel- können und sollen an den Mahlzeiten Verhältnis zu seinem Energiegehalt), wie stücke) anrichten und selbst genussvoll der Familie teilnehmen. Gemüse und Obst, zu fördern. Im frühen mitessen [130, 203]. Studien zum Lernen – Die empfohlene Kleinkind- und Famili- Kindesalter geprägte Geschmackspräfe- durch Beobachtung zeigen, dass Kleinkin- enernährung enthält: renzen bleiben bis ins Erwachsenenalter der ab dem zweiten Lebensjahr auf das j reichlich Getränke: am besten Wasser bestehen [135]. achten, was Eltern, Gleichaltrige und an- oder andere ungesüßte/zuckerfreie Die Geschmacksprägung beginnt be- dere Bezugspersonen essen, und dass sie Getränke, reits im Mutterleib [131] und setzt sich eher bereit sind, diese Lebensmittel eben- j reichlich pflanzliche Lebensmittel: im Säuglings- und im Kleinkindalter fort falls zu probieren und zu essen [130]. Gemüse, Obst, Getreide und Getrei- [20, 24, 124]. Da Geschmacksstoffe in die Essen ist ein Prozess vielfältiger senso- deprodukte (einschließlich Vollkorn), Muttermilch übergehen, machen gestill- rischer Erfahrung. Es ist wünschenswert, Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Nüsse te Kinder bereits früh verschiedene Ge- die sinnliche Wahrnehmung der Kinder (gemahlen, reine Nussmuse), schmackserfahrungen und scheinen neue zu unterstützen [86]. Sie sollten ermu- j mäßig tierische Lebensmittel: Lebensmittel leichter zu akzeptieren, als tigt werden zu entdecken, wie Speisen/ Milch/-produkte, Fleisch, Fisch, dies bei nichtgestillten Kindern der Fall ist Lebensmittel riechen, wie sie genau aus- Eier, [116]. Bis zum Alter von 2 Jahren sind Kin- sehen, welche Konsistenz und welchen Ge- j sparsam: Zucker und Süßigkeiten, der für neue Geschmackserfahrungen in schmack sie haben. (Jod)Salz, Fette mit hohem An- der Regel besonders offen. Die Phase, in teil gesättigter Fettsäuren sowie der am häufigsten neue Lebensmittel und Hinweis: Beim Übergang von Brei auf Snackprodukte. Speisen abgelehnt werden (Neophobie), feste Kost, bei der Einführung neuer Ge- – Wenn Mutter und Kind dies möchten, erreicht zwischen 2 und 6 Jahren ihren schmacksrichtungen oder dem Beginn kann auch im Kleinkindalter weiterge- Höhepunkt [61, 159]. des Selbstessens können Anpassungs- stillt werden. Was Kinder essen (mögen), hängt vom schwierigkeiten auftreten. Es kann Pha- – Eine ausgewogene Ernährung gesun- Angebot und auch von der Gewohnheit sen geben, in denen das Kind sehr wähle- der Kleinkinder kann ohne speziell an ab. Wiederholtes Anbieten und Probieren risch oder nicht am Essen interessiert ist. Kinder gerichtete Produkte erreicht von unbekannten Lebensmitteln können Meist gehen sie von selbst vorüber. Eltern werden. die Akzeptanz steigern. Dies wurde am sollten sich jedoch immer an Kinder- und – Nüsse und Mandeln im Ganzen oder häufigsten für den Obst- und Gemüse- Jugendärztinnen und Kinder- und Ju- in Stücken und andere harte Lebens- konsum untersucht – und ließ sich mit gendärzte wenden, wenn ihr Kind beim mittelstücke (z. B. Wurzelgemüse) moderater Evidenz in allen Altersstufen be- Essen übermäßig wählerisch ist, feste in Erdnussgröße bergen eine Aspi- obachten [14, 132, 184]. Möglicherweise Nahrung verweigert, eine ausgeprägte rationsgefahr (Verschlucken in die braucht ein Kind 8 bis 10 Probierversuche Unlust am Essen hat oder nie Hunger er- Luftröhre) und sollten für Kleinkinder (in einigen Fällen auch mehr), bevor es kennen lässt, nur bei extremer Ablenkung nicht zugänglich sein. ein Lebensmittel akzeptiert [67, 132, 184]. isst, wenn es ständig Essen hochwürgt, 6 Monatsschrift Kinderheilkunde
Grundlagen der Empfehlungen. Klein- durch das Familienessen, sowie die Ge- treidezufuhr gibt es nicht. Die traditionelle kinder brauchen pro Kilogramm Körper- wöhnung an das Trinken aus einem Becher mediterrane Ernährung, die mit gesund- gewicht mehr Nahrungsenergie als älte- oder einer Tasse sind für die Entwicklung heitlichen Vorteilen assoziiert ist, zeichnet re Kinder, Jugendliche und Erwachsene; eines gesunden Essverhaltens wünschens- sich neben Getreide (auch Vollkorn) v. a. aber die empfohlene Nährstoffzufuhr pro wert (s. Abschnitt Essen lernen im Klein- durch viel Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, 100 Kilokalorien (Nährstoffdichte) ist ähn- kindalter). Nüsse und Samen aus [77]; diese sind lich [56]. Daher ist mit einer ausgewoge- EineErnährungserhebungaus dem Jahr ebenfalls ballaststoffreich. Vollkornpro- nen Auswahl von herkömmlichen Lebens- 2008 zeigt, dass Kleinkinder in Deutsch- dukte sind nicht immer vertraut. Im Rah- mitteln in altersgerechten Mengen und land im Durchschnitt weniger pflanzliche men einer diversitätssensiblen Beratung Zubereitungen im Rahmen der Familie- Lebensmittel, wie Gemüse, Brot, Kartoffeln können unterschiedliche Möglichkeiten nernährung auch für Kleinkinder eine be- und Reis/Nudeln, aber auch weniger Fisch der Ballaststoffzufuhr vorgestellt werden. darfsgerechte Energie- und Nährstoffzu- verzehrten als empfohlen; Fleisch, Wurst, Tierische Lebensmittel sind in einer aus- fuhr möglich. Die empfohlene Gewichtung Eier und Süßigkeiten wurden dagegen in gewogenenErnährungvonKleinkindern in der unterschiedlichen Lebensmittelgrup- höheren Mengen verzehrt als empfohlen. mäßigem Umfang vorgesehen (. Tab. 1). pen entspricht nationalen und internatio- Die Zufuhr von gesättigten Fettsäuren und Milch und Milchprodukte sind dennoch nalen Empfehlungen [55, 71, 100, 196]. Zucker lag über den Empfehlungen, die Zu- wichtige Lebensmittel in der Kleinkinder- Ein reichlicher Verzehr von pflanzlichen Le- fuhr von mehrfach ungesättigten Fettsäu- nährung, da sie sowohl zur Kalzium- als bensmitteln unterstützt eine gesundheits- ren darunter [89]. Neuere Daten werden auch zur Jodversorgung beitragen [96]. fördernde und nachhaltige Ernährungs- mit der Kinder-Ernährungsstudie zur Er- Wird jedoch viel Milch getrunken bzw. wer- weise [76, 123, 181]. In Beobachtungs- fassung des Lebensmittelverzehrs (KiESEL, den Milchprodukte in großen Mengen ver- studien mit Erwachsenen war der Verzehr Teil der Studie zur Gesundheit von Kindern zehrt, kann dies zu einer überhöhten Prote- von Vollkorngetreide invers mit Überge- und Jugendlichen (KiGGS), Welle 2) ab En- inzufuhr führen. Für das Kleinkindesalter wicht, koronarer Herzkrankheit, Diabetes de 2022 zur Verfügung stehen [81]. liefern zwei systematische Übersichtsar- Typ 2 oder Bluthochdruck assoziiert [21, Pflanzliche Lebensmittel sind die Basis beiten Hinweise für eine positive Assozia- 164, 170, 171]; ähnliche Ergebnisse zeigen einer ausgewogenen Ernährung und sol- tion zwischen der Zufuhr von tierischem sich auch für die Ballaststoffzufuhr [148, len reichlich verzehrt werden (. Tab. 1). Protein (vor allem Milchprotein) und dem 172]. Es erscheint daher angemessen, Kin- Vollkornprodukte enthalten mehr Vitami- Übergewichtsrisiko im späteren Kindesal- der früh an eine Vielfalt pflanzlicher Nah- ne, Mineralstoffe und Ballaststoffe als ter [188, 220]. Ein hoher Verzehr von Kuh- rungsmittel und damit auch unterschiedli- entsprechende Produkte aus niedrig aus- milch(-produkten) könnte sich auch ne- cher Ballaststoffquellen zu gewöhnen. Das gemahlenem Mehl. Daten aus einem US- gativ auf die Eisenversorgung auswirken schließt Vollkornprodukte ein. Es fehlen je- amerikanischen Ernährungs- und einem [60]. Allerdings zeigt die aktuelle Datenla- doch Daten und damit die Evidenz für ihre kanadischen Gesundheitssurvey deuten ge bei Kleinkindern und Kindern im Vor- gesundheitlichen Vorteile im Kleinkindal- darauf hin, dass eine höhere Ballaststoff- schul- bzw. im Grundschulalter eine Asso- ter. zufuhr bei Kleinkindern mit einer – wün- ziation von geringem oder keinem Kuh- Kleinkinder haben ein erhöhtes Aspi- schenswerten – geringeren Zufuhr von milchkonsum mit einer geringeren Körper- rationsrisiko, und Lebensmittel gehören (gesättigten) Fettsäuren, einer höheren größe [119] sowie einer geringeren Kno- zu den am häufigsten aspirierten Objek- Zufuhr von Vitamin B6, Magnesium, Eisen chenmineralisierung bis hin zu einem er- ten [22, 64, 174]. Durch kleinkindgerech- und Kalium sowie mit einer insgesamt höhtem Frakturrisiko [26, 109]. Um po- te Zubereitungs- und Darreichungsformen günstigeren Ernährungsweise verbunden tenziell negative gesundheitliche Auswir- kann auch das Aspirationsrisiko vermin- war [70, 178]. Potenzielle Nachteile für die kungen zu vermeiden, sollte auf einen dert werden. Nährstoffversorgung durch eine vermin- entsprechend gemäßigten Kuhmilchver- derte Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen zehr im Rahmen der Empfehlungen ge- Hintergrundinformationen. Gegen En- [155] und eine geringere Energiedichte achtet werden. Das lebensmittelbasierte de des ersten Lebensjahres geht die Bei- werden diskutiert. Für Industrieländer Konzept der optimierten Mischkost sieht kost in das Familienessen über [71]. Bei wie Deutschland ist die Datenlage da- im Kleinkindalter insgesamt 300 ml Milch gestillten Kindern bleiben Stillmahlzeiten zu unbefriedigend, und die Evidenz für (bzw. 300 g Joghurt und ähnliche Milch- ergänzend bestehen [103]. Das Kleinkind gesundheitliche Effekte von Vollkorn im produkte) pro Tag vor [100]. Die Deutsche kann und soll am Familienessen teilneh- Rahmen einer ausgewogenen Kleinkin- Gesellschaft für Kinderheilkunde und Ju- men. Verzehrstudien zeigen jedoch, dass dernährung fehlt. Lebensmittelbasierte gendmedizin empfiehlt für Kleinkinder ei- Kinder auch über das erste Lebensjahr hi- Empfehlungen zur Kleinkindernährung ne Begrenzung des Milchverzehrs auf bis naus teilweise noch erhebliche Mengen sehen bei Getreide eine Mischung aus zu 2 Tassen täglich (200–400 ml, [105]). von Beikostprodukten und Flaschennah- Nichtvollkorn- und Vollkornprodukten vor Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind rung erhalten (Säuglings[milch]nahrung, und betonen Vollkornprodukte als wün- für die Gesundheit und Entwicklung des spezielle Getränke für Kleinkinder, [57, 74]). schenswerte Wahlmöglichkeit [53, 59, Kindes von großer Bedeutung. Deshalb Frühe Erfahrungen mit unterschiedlichen 100]. Eine Evidenz für die unbedingte sollten bei der Zubereitung von Speisen Geschmacksrichtungen und Texturen, z. B. Notwendigkeit einer hohen Vollkornge- pflanzliche Öle (z. B. Rapsöl, Leinöl) ver- Monatsschrift Kinderheilkunde 7
Konsensuspapiere Tab. 1 Lebensmittelgruppen, Bedeutung für die Nährstoffversorgung und Empfehlungen zur Auswahl Lebensmittel- Vorrangig enthaltene Bevorzugt auswählen Besondere Hinweise gruppe Nährstoffe Reichlich Getränke Wasser Trinkwasser (Leitungswasser) Nicht ausschließlich Kräuter- oder Früchtetees anbie- (ungesüßt/ Mineralwasser ten und Sorten wechseln zuckerfrei) Ungesüßte Kräuter- und Früchtetees Gemüse, Obst, Beta-Carotin (Provit- Alle Gemüsearten, frisch oder tiefgekühlt Gemüse fettarm zubereitet, roh oder gegart Hülsenfrüchte, amin A), Folat, Vitamin Alle Salatarten Hartes Gemüse als Rohkost fein gerieben/zerkleinert, Nüsse B6, Vitamin C, Vitamin K, Alle Obstarten, frisch oder tiefgekühlt je nach individueller Ess- und Kaufertigkeit Kalium, Magnesium, Ei- Alle Arten von Hülsenfrüchten (Linsen, Festes Obst zerkleinert, je nach individueller Ess- und sen, Ballaststoffe, Protein Bohnen, Kichererbsen etc.) Kaufertigkeit (Hülsenfrüchte, Nüsse), Alle Arten von Nüssen und Samen Hülsenfrüchte immer garen ungesättigte Fettsäuren Nachhaltige Option: saisonales Angebot, Sprossen und Tiefkühlbeeren immer durcherhitzen (Nüsse) Produkte aus ökologischem Anbau Nüsse fein zerkleinert/gemahlen oder als reines Nuss- mus (ohne Zucker- und weitere Fettzusätze) Getreide, Ge- Kohlenhydrate, B-Vitamine, Vollkornprodukte mehrmals täglich Anteil an Vollkornprodukten mit zunehmendem Alter treideproduk- Magnesium, Eisen, Zink, Brot aus fein gemahlenem Vollkornmehl steigern te, Kartoffeln Ballaststoffe (Vollkornpro- Haferflocken und andere Getreideflocken Kein Brot oder Müsli mit ganzen Körnern, Nüssen oder dukte), Protein Müsli ohne zugesetzten Zucker, Honig grob zerkleinerten Nüssen (Aspirationsgefahr) oder andere Süßungsmittel Wenig frittierte und andere fettreiche Kartoffelzuberei- Nachhaltige Option: Produkte aus ökolo- tungen (z. B. Pommes frites, Reibekuchen) gischem Anbau Mäßig Milch und Protein, Fett, Kalzium, Jod, Pasteurisierte und hocherhitzte Milch/- Keine Rohmilch und Rohmilchprodukte/Rohmilchkäse Milchprodukte Vitamin B2, Vitamin B12 produkte (Schutz vor Infektionen) Nichtgesüßte Milch/-produkte Wenn gestillt wird, ersetzt Muttermilch einen Teil der Käse mit einem absoluten Fettgehalt unter Milch und Milchprodukte 30 % Nachhaltige Option: Milch und Joghurt aus artgerechter Tierhaltung/aus ökologi- scher Produktion Fleisch, Wurst, Protein, Fett, Vitamin B1, Mageres Fleisch Fleisch, Fisch und Ei immer gut durcherhitzen Fisch, Ei Vitamin B6, Vitamin B12, Fettarme Wurstsorten Keine Rohwurst Niacin, Biotin, Eisen, Zink, Meeres- und Süßwasserfische Wenig panierte, frittierte und andere fettreiche Zube- zudem in Meeresfisch: Fettreiche Meeresfische reitungen (z. B. Fischstäbchen) Vitamin D, Jod, langkettige Fischfilet ohne Gräten Omega-3-Fettsäuren Nachhaltige Option: Fleisch, Ei, Wurstwa- ren aus artgerechter Haltung/aus ökologi- scher Produktion, Fisch aus nachhaltiger Fischerei bzw. nachhaltig betriebenen Aquakulturen Sparsam Zucker, Süßig- Kohlenhydrate – Auch Häufigkeit des Zuckerverzehrs reduzieren keiten, süße Getränke, süße Backwaren, Snackprodukte Fette mit ho- Fett, gesättigte Fettsäuren – Pflanzliche Öle, wie z. B. Rapsöl, bevorzugen (Omega- hem Anteil an 3- und Omega-6-Fettsäuren) gesättigten Fettsäuren („feste“ Fette) wendet werden. Fisch, v. a. fettreicher Mee- Zuckergesüßte Lebensmittel und Ge- Kleinkindes ein Kariesrisiko dar [128]. Ei- resfisch wie Hering und Lachs, liefert lang- tränke, Süßigkeiten und Snackprodukte ne Begrenzung der Menge und Verzehr- kettige Omega-3-Fettsäuren (Eikosapen- haben einen hohen Energiegehalt und ei- häufigkeit ist ein wichtiger Pfeiler einer taensäure [EPA] und Dokosahexaensäure ne geringe Nährstoffdichte. Der Zucker- gesundheitsfördernden Ernährung sowie [DHA]), aber auch Jod, und sollte daher anteil naturbelassener (z. B. in Fruchtsäf- der Adipositas- und Kariesprävention [162, regelmäßig verzehrt werden. ten, Honig) und industriell erzeugter Nah- 194, 211]. Zum Schutz der Zähne im Klein- rungsmittel stellt zudem für die Zähne des kindalter sollten die Zähne regelmäßig ge- 8 Monatsschrift Kinderheilkunde
putzt [10, 128] und dafür eine Zahnpasta 57]. Für die ernährungsphysiologische [113], was bei Lebensmitteln/Speisen, die mit 1000 ppm Fluorid verwendet werden Beurteilung ist jedoch nicht allein der zusätzlich energiereich sind, im Hinblick [23]. Auch für Kleinkinder, die weitergestillt Verarbeitungsgrad, sondern vielmehr die auf das Übergewichtsrisiko unerwünscht werden, ist eine regelmäßige sorgfältige Zusammensetzung und der Energiege- ist. Das im Haushalt verwendete Salz sollte Zahnreinigung erforderlich [162]. halt des Lebensmittels richtungweisend. mit Jod angereichert sein. Bei einem Trink- Die Ernährungsweise und Auswahl Das gilt auch für verarbeitete Produk- wasserfluoridgehalt über 0,7 mg/l soll kein der Lebensmittel wirken sich nicht nur te, die durch Begriffe/Altersangaben auf Speisesalz verwendet werden, das zusätz- auf die Gesundheit des Kindes aus. Die der Verpackung oder durch ihre optische lich auch Fluorid enthält [23]. Produktionsweise von Lebensmitteln, die Gestaltung speziell an Kinder gerichtet Eine Supplementierung von Vitaminen Art der Tierhaltung, Verarbeitung und der sind, z. B. Milchgetränke für Kleinkin- und Mineralstoffen ist i. Allg. nicht not- Transport beeinflussen auch Klima, Boden, der, Frühstückszerealien, Püriertes aus wendig. Sie sollte nur auf medizinischen Wasser, Biodiversität und andere Umwelt- Quetschbeuteln oder Wurstwaren mit Rat und in ärztlicher Abstimmung erfolgen felder. Dazu kommen die damit ebenfalls Kinderoptik. Beikosterzeugnisse, die zur [5]. Das betrifft auch Vitamin D, das bei verbundene Wahrnehmung der sozialen „Ernährung von Säuglingen während der ausreichendem Aufenthalt im Freien unter Verantwortung sowie des Wohlergehens Entwöhnungsperiode und zur Ernährung dem Einfluss von Sonnenlicht in der Haut der landwirtschaftlich genutzten Tiere. von Säuglingen und Kleinkindern während gebildet wird, für das aber bei sehr ge- Für die Umweltwirkung ist u. a. entschei- der allmählichen Umstellung auf normale ringer Sonnenlichtexposition und dunkler dend, ob vermehrt pflanzliche und/oder Kost bestimmt sind“, müssen den Anforde- Hautpigmentierung ein erhöhtes Risiko für tierische Lebensmittel gewählt werden. rungen der Diätverordnung entsprechen einen Mangel besteht [27, 146]. Die Ga- Das größte Einsparpotenzial im Hinblick [1]. Bei Kräuter- und Früchtetees für Säug- be von Vitamin D zur Rachitisprophylaxe auf Umweltbelastungen (Treibhausgas- linge oder Kleinkinder ist der Zusatz von wird für Säuglinge bis zum zweiten erleb- emissionen, Landnutzung, Stickstoff- und Zucker, Honig u. Ä. verboten [2]. Zur Ein- ten Frühsommer empfohlen [202]. Phosphoreinträge) ergibt sich durch eine ordnung von Fertigprodukten bezüglich Kleinkinder nehmen häufig Gegenstän- fleischreduzierte und pflanzenbetonte Er- ihrer ernährungsphysiologischen Qualität de in den Mund, reden während des Kau- nährung [181]. Daten speziell zu Effekten sind die Nährwertkennzeichnung auf der ens, und ihr Kauvermögen ist – solange nachhaltiger Ernährung auf die Gesund- Verpackung sowie das Zutatenverzeichnis die Backenzähne noch fehlen – stark ein- heit von Kleinkindern gibt es derzeit hilfreich. Die zusätzliche freiwillige Kenn- geschränkt [28, 83, 174]. Kleine, runde Le- kaum. Wenn vorhanden, weist die Daten- zeichnung (Nutri-Score) hilft bei einem bensmittel, wie Nüsse, Samen, Beeren, Hül- lage aber darauf hin, dass der Ersatz von Vergleich von Lebensmitteln innerhalb senfrüchte, sind die am häufigsten in die tierischen durch pflanzliche Lebensmittel einer Kategorie (z. B. Joghurt, Müsli) und Luftröhre verschluckten Fremdkörper [83]. auch das Nährstoffprofil positiv verän- gibt auch für die Familienernährung eine Rohes Wurzelgemüse (im Ganzen oder in dert könnte [191]. Werden vorwiegend Orientierung. Für Lebensmittel, die sich Stücken), Fisch mit Gräten, harte Lutsch- pflanzliche Alternativprodukte zu Fleisch, explizit an Säuglinge und Kleinkinder bonbons, ganze Weintrauben mit Kernen, Wurst und Milchprodukten gewählt, so richten, wie z. B. Beikostprodukte, ist der Fleischstücke, Kügelchen von Bubble Tea ist zu berücksichtigen, dass diese sich Nutri-Score nicht geeignet, da er die spe- oder Kaugummi können ebenfalls leicht im Nährstoffprofil von dem tierischen ziellen Bedürfnisse dieser Altersgruppe aspiriert werden [22]. „Originalprodukt“ deutlich unterscheiden nicht berücksichtigt. Spezielle Milchge- können. Obst und Gemüse der Saison tränke für Kleinkinder sind grundsätzlich Getränke verursachen die geringsten Treibhaus- nicht notwendig. Pürierte Lebensmittel Empfehlung. gasemissionen [204]. Der Saisonkalender und Mahlzeiten aus quetschbaren Kunst- – Kleinkinder sollten regelmäßig zu den des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE) stoffbeuteln sind nicht empfehlenswert. Mahlzeiten und auch zwischendurch bietet Orientierungshilfe beim Einkauf Sie sind häufig energie- und zuckerreich, Wasser (oder andere ungesüßte/ von Obst und Gemüse [39]. Die Wahl erhöhen bei regelmäßigem Verzehr das zuckerfreie Getränke) aus einer Tasse von Lebensmitteln aus ökologischem Risiko für Karies und Übergewicht und oder einem Becher trinken. Landbau ist eine weitere Option für eine können die Gewöhnung an eine zum Kau- nachhaltigere Ernährungsweise [204]. en anregende, gröbere Textur der Nahrung Grundlagen der Empfehlung. Der Emp- Fertigprodukte ersparen Zeit bei der erschweren [104, 161]. Auch aus Gründen fehlung liegt der D-A-CH-Referenzwert zur Mahlzeitenzubereitung und gehören heu- der Müllvermeidung sollten frisches Obst Zufuhr von Wasser in Form von Getränken te zum Alltag. In Auswertungen von und Gemüse bevorzugt werden. zugrunde [56]. Wasser (oder andere unge- Verzehrstudien zeigt sich aber, dass Speisesalz sollte in der Familienernäh- süßte/zuckerfreie Getränke) anstelle von Kinder mit einem hohen Verzehr von rung sehr sparsam verwendet werden, da süßen Getränken zu trinken, wird von na- (hoch)verarbeiteten Lebensmitteln häu- eine hohe Salzaufnahme mit einem erhöh- tionalen und internationalen Fachgesell- figer übergewichtig oder adipös waren ten Risiko für Bluthochdruck assoziiert ist schaften empfohlen [55, 66, 69]. Der Kon- [57] und weniger Vitamine und Mine- [33, 189]. Zudem werden Lebensmittel/ sum von zuckerhaltigen Getränken führt ralstoffe aufnahmen als Kinder mit ge- Speisen mit hohem Salzgehalt häufig in zu unerwünschten zusätzlichen Energie- ringem Verzehr von Fertigprodukten [8, größeren Mengen von Kindern verzehrt aufnahmen und kann eine erhöhte Ge- Monatsschrift Kinderheilkunde 9
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