Kinderheilkunde Monatsschrift - BLE-Medienservice

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Kinderheilkunde Monatsschrift - BLE-Medienservice
Monatsschrift
                                                                                                         Sonderdruck · Juni 2022

                   Kinderheilkunde
                   Zeitschrift für Kinder- und Jugendmedizin
                   Organ der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin
                   Organ der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde

                                                                                             Ernährung und
                                                                                             Bewegung im
                                                                                             Kleinkindalter
                                                                                             Aktualisierte Handlungs­
                                                                                             empfehlungen des bundesweiten
                                                                                             Netzwerks Gesund ins Leben
Bestell-Nr. 3418

                   www.springermedizin.de
Konsensuspapiere
Monatsschr Kinderheilkd
https://doi.org/10.1007/s00112-022-01519-3
Angenommen: 11. Mai 2022
                                                 Ernährung und Bewegung im
© BLE / www.gesund-ins-leben.de 2022             Kleinkindalter
Redaktion
Arndt Borkhardt, Düsseldorf                      Aktualisierte Handlungsempfehlungen des bundesweiten
Stefan Wirth, Wuppertal                          Netzwerks Gesund ins Leben
                                                 Michael Abou-Dakn1,2 für Nationale Stillkommission am Max Rubner-Institut (MRI)
                                                 Karlsruhe · Ute Alexy1,3 für Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) e. V. Bonn ·
                                                 Kirsten Beyer1,4 · Monika Cremer5 · Regina Ensenauer1,6 · Maria Flothkötter7 ·
                                                 Raimund Geene1,8 · Claudia Hellmers1,9 für Deutsche Gesellschaft für
                                                 Hebammenwissenschaft (DGHWi) e. V. Edemissen · Christine Joisten1,10 für Deutsche
                                                 Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) e. V. Frankfurt a. M. ·
                                                 Berthold Koletzko1,11 für Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ)
                                                 e. V. Berlin · Jutta Mata1,12 · Ulrich Schiffner1,13 für Deutsche Gesellschaft für
                                                 Kinderzahnheilkunde (DGKiZ) e. V. Würzburg · Irene Somm1,14 · Melanie Speck1,15 ·
                                                 Anke Weißenborn1,16 · Achim Wöckel1,17 für Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und
                                                 Geburtshilfe (DGGG) e. V. Berlin
                                              1
                                                Wissenschaftlicher Beirat, Netzwerk Gesund ins Leben, Bonn, Deutschland; 2 St. Joseph Krankenhaus
                                             Berlin-Tempelhof, Berlin, Deutschland; 3 Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften,
                                             Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Bonn, Deutschland; 4 Klinik für Pädiatrie m. S.
                                             Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin, Charité – Universitätsmedizin, Berlin, Deutschland;
                                              5
                                                Idstein, Deutschland; 6 Institut für Kinderernährung, Max Rubner-Institut (MRI), Karlsruhe, Deutschland;
                                              7
                                                Netzwerk Gesund ins Leben, Bundeszentrum für Ernährung (BZfE), Bundesanstalt für Landwirtschaft und
                                              Ernährung (BLE), Bonn, Deutschland; 8 Alice Salomon Hochschule Berlin, Berlin, Deutschland; 9 Fakultät
                                             Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Hochschule Osnabrück, Osnabrück, Deutschland; 10 Institut für
                                             Bewegungs- und Neurowissenschaft, Deutsche Sporthochschule Köln, Köln, Deutschland; 11 Kinderklinik
                                             und Kinderpoliklinik, LMU Klinikum München, Ludwig-Maximilians-Universität München, München,
                                              Deutschland; 12 Fakultät für Sozialwissenschaften, Universität Mannheim, Mannheim, Deutschland;
                                             13
                                                Poliklinik für Parodontologie, Präventive Zahnmedizin und Zahnerhaltung, Universitätsklinikum
                                             Hamburg-Eppendorf, Hamburg-Eppendorf, Deutschland; 14 Netzwerk Handlungsforschung und
                                             Praxisberatung, Köln, Deutschland; 15 Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur,
                                             Hochschule Osnabrück, Osnabrück, Deutschland; 16 Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin,
                                             Deutschland; 17 Frauenklinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Deutschland

                                             Einleitung                                             Kleinkindalter größer und die Ernährung
                                                                                                    vielfältiger. Kinder entwickeln Vorlieben,
                                             Eine ausgewogene, altersgerechte Er-                   werden auch beim Essen selbstständiger
                                             nährung, reichlich Bewegung und aus-                   und übernehmen familiäre und kulturelle
                                             reichend Schlaf fördern eine gesunde                   Gewohnheiten. Mit allen Sinnen und in
                                             Entwicklung und das Wohlbefinden des                    Interaktion mit den Eltern2 und anderen
                                             Kleinkindes. In keiner anderen Lebens-                 Bezugspersonen lernen sie zu essen – zu
                                             phase ändert sich die Ernährung so stark               Hause genauso wie in der Kita oder in
                                             wie in den ersten Lebensjahren. Von                    der Kindertagespflege. Eltern und Bezugs-
                                             der Ernährung mit ausschließlich Mut-                  personen können die Entwicklung eines
                                             termilch (oder Säuglingsanfangsnahrung)                gesunden Ernährungsverhaltens von Kin-
                                             geht sie allmählich über die Beikost-                  dern auf vielfältige Weise unterstützen
                                             phase in die Familienernährung1 über                   [138].
                                             [71]. Die Lebensmittelauswahl wird im                     Neben der Ernährung spielt Bewegung
                                                                                                    eine große Rolle. Sie fördert die Gesundheit
                                             1 Der Begriff „Familie“ umschließt in diesen
                                             Empfehlungen alle Lebensgemeinschaften, in             2 Der Begriff „Eltern“ steht für alle wichtigen

QR-Code scannen & Beitrag online lesen       denen Kleinkinder zu Hause sind.                       Bezugspersonen des Kindes.

                                                                                                                   Monatsschrift Kinderheilkunde     1
Konsensuspapiere                                 Zusammenfassung

                                                 Hintergrund: Eine ausgewogene, altersgerechte, nachhaltige Ernährung und reichlich
[193] und ist insbesondere für Kleinkinder
                                                 Bewegung fördern eine gesunde Entwicklung und das Wohlbefinden des Kleinkindes.
ein wichtiges Mittel, um Wissen über ih-
                                                 Entsprechende Verhaltensweisen früh zur Gewohnheit zu machen, kann das spätere
re Umwelt zu erwerben, ihre Umwelt zu
                                                 Verhalten beeinflussen – und damit kurz-, mittel- und langfristig die Gesundheit
„begreifen“, auf sie einzuwirken, Kenntnis-      fördern. Die Handlungsempfehlungen zu Ernährung und Bewegung im Kleinkindalter
se über sich selbst, ihre Fähigkeiten und        liegen nun aktualisiert vor und sollen Fachkräften als Basis für die Beratung von
ihren Körper zu erlangen und mit ande-           Familien mit Kleinkindern dienen.
ren Personen zu kommunizieren [166]. Im          Methodik: Auf Basis von aktuellen systematischen Reviews, Metaanalysen, Leitlinien
Kleinkindalter differenzieren sich fein- und      und weiteren belastbaren Studiendaten zu den Themen Ernährung und körperliche
grobmotorische3 Fähigkeiten und Fertig-          Aktivität im Kleinkindalter (1 bis 3 Jahre) bewerteten Vertreterinnen und Vertreter der
keiten aus, und die Bewegungen werden            im Netzwerk verbundenen Fachgesellschaften und Institutionen die wissenschaftliche
komplexer und gezielter. In einer Umge-          Evidenz und aktualisierten die bisherigen oder formulierten zu einigen Themen
bungs- und Alltagsgestaltung, die zu Be-         erstmalig Handlungsempfehlungen. Dabei wurden auch Nachhaltigkeitsaspekte
wegung anregt, können Kleinkinder ih-            berücksichtigt. Der Prozess wurde vom Netzwerk Gesund ins Leben koordiniert.
re körperlichen Fähigkeiten gut entfalten        Empfehlungen: Kleinkinder sollen ihre Mahlzeiten in einem regelmäßigen Rhythmus
[166].                                           bekommen. Sie sollen an den Mahlzeiten der Familie teilnehmen und so oft wie möglich
    Eine ausgewogene, bedarfsgerechte,           gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern essen. Die Beachtung der Hunger- und
pflanzenbetonte Ernährung und reichlich           Sättigungssignale des Kindes trägt zur Entwicklung eines gesundheitsfördernden
Bewegung gelten im ganzen Leben als              Essverhaltens bei. Die empfohlene Kleinkindernährung enthält reichlich pflanzliche
Schlüssel zur Vorbeugung von Überge-             Lebensmittel und tierische Lebensmittel in mäßigem Umfang. Kleinkinder sollen sich
                                                 auf vielfältige Weise bewegen. Eltern sollen Bewegungserfahrungen aktiv unterstützen.
wicht und nichtübertragbaren Krankhei-
                                                 Bildschirmmedien sind für Kleinkinder nicht empfehlenswert.
ten, wie z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen
oder Diabetes mellitus Typ 2. Entsprechen-       Schlüsselwörter
de Verhaltensweisen im frühen Kindesalter        Bildschirmmedien · Vegetarische Ernährung · Nachhaltigkeit · Diversitätssensibilität ·
zur Gewohnheit zu machen, kann auch              Familienmahlzeiten
das Verhalten im weiteren Leben positiv
beeinflussen [49, 114, 176, 177] und sich
daher auch langfristig auf die Gesundheit
auswirken.                                      haben daher nicht nur nutritive und ge-            gehören Kinder- und Jugendärztinnen und
    Über die Effekte auf Gesundheit und          sundheitsfördernde Aspekte im Blick, son-          -ärzte, Zahnärztinnen und -ärzte, Ernäh-
Wohlbefinden von Kindern bzw. der gan-           dern geben auch Hinweise auf eine res-             rungs- und Bewegungsfachkräfte, Hebam-
zen Familie hinaus beeinflusst der Lebens-       sourcenschonende Lebensmittelauswahl.              men, Familienpflegerinnen und -pfleger,
stil auch Umwelt, Klima, Tierwohl und vie-      Sie sollen so zu einem bedarfsgerechten,           Fachkräfte in Gemeinschaftseinrichtungen
les mehr. Eine Veränderung hin zu einer         gesundheitsfördernden und nachhaltigen             für Kleinkinder, Kindertagespflegeperso-
nachhaltigeren, ressourcenschonenderen          Ernährungsverhalten von Anfang an bei-             nen und weitere Berufsgruppen.
Ernährung und Landwirtschaft, die Ge-           tragen. Gute Rahmenbedingungen kön-                – Der Abschnitt „Essen lernen“ gibt Hin-
sundheit und Wohlbefinden des Menschen           nen dies unterstützen. Dazu zählt z. B., dass         weise zur Gestaltung von Mahlzeiten,
schützt, ist dringend notwendig [182, 204,      gesunde und nachhaltig produzierte Le-                zur Beachtung der Hunger- und Sät-
208] und wird auch politisch unterstützt        bensmittel im Handel zur Verfügung ste-               tigungssignale von Kindern und zur
[37]. Der reichliche Verzehr von pflanz-         hen und diese transparent und einfach ge-             Erweiterung der Lebensmittelvielfalt.
lichen Lebensmitteln, deren Produktion          kennzeichnet – und damit leicht aus dem            – Der Abschnitt „Ernährung“ beinhaltet
deutlich weniger Treibhausgasemissionen         Sortiment wählbar – sind. Dies ist derzeit            Empfehlungen zur Gewichtung der Le-
als tierische Lebensmittel erzeugt, gilt als    nur begrenzt gegeben [182]. In welchem                bensmittelgruppen im Rahmen einer
wichtiger Pfeiler einer nachhaltigen Ernäh-     Maße Familien mit ihrem Lebensstil zum                bedarfsgerechten, nachhaltigen Ernäh-
rung [115, 143, 147]. Obst und Gemüse           Umwelt- und Klimaschutz und zum Tier-                 rung und nimmt zu vegetarischer und
der Saison verursachen zumeist geringe          wohl beitragen wollen und können, ist                 veganer Ernährung Stellung. Darüber
Treibhausgasemissionen. Mit der Verwen-         individuell unterschiedlich. Möglichkeiten            hinaus enthält der Abschnitt Hinweise
dungvonLebensmittelnaus ökologischem            zur Veränderung des Lebensstils und der               zum Schutz vor Lebensmittelinfektio-
Landbau haben Familien eine weitere Op-         Ernährungsgewohnheiten können im Rah-                 nen.
tion, die Ernährung nachhaltiger zu ge-         men einer individuellen Beratung gemein-           – Der Abschnitt „Nahrungsmittelunver-
stalten [204].                                  sam mit den Familien erarbeitet werden                träglichkeiten“ macht deutlich, dass
    Die aktualisierten Handlungsempfeh-         (s. Abschnitt Diversitätssensible Beratung).          eine Einschränkung der Lebensmittel-
lungen zur Ernährung von Kleinkindern               Die Handlungsempfehlungen zu Ernäh-               auswahl nicht ohne ärztliche Diagnose
                                                rung und Bewegung im Kleinkindalter sol-              erfolgen sollte.
3 Unter Motorik sind sämtliche Funktions- und   len allen Berufsgruppen mit Kontakt zu Fa-         – Der Abschnitt „Körperliche Aktivität“
Steuerungsprozesse, die Bewegungsabläufen       milien mit Kleinkindern als Grundlage für             zeigt Empfehlungen zur Förderung von
zugrunde liegen, zu verstehen.                  ihre Arbeit und die Beratung dienen. Dazu             Bewegung sowie zur Begrenzung von

2   Monatsschrift Kinderheilkunde
Inaktivität und zu ausreichend Schlaf      Methoden                                       Empfehlungen
   und Entspannung im Kleinkindalter
   auf.                                       Um die Handlungsempfehlungen zu Er-            Diversitätssensible Beratung
                                              nährung und Bewegung im Kleinkindalter
Wie diese Empfehlungen umgesetzt wer-         aus dem Jahr 2013 [102] zu aktualisieren,      Empfehlung.
den, wird u. a. durch die Art der Bera-       wurden im ersten Schritt aktuelle Emp-         – Fachkräfte sollten junge Familien zu
tung beeinflusst. Die Autorinnen und Au-       fehlungen nationaler und internationaler         einem gesunden Lebensstil motivie-
toren empfehlen eine professionelle Hal-      Fachgesellschaften und -institutionen/-or-       ren und im Dialog beraten. In einer
tung und Gesprächsführung, die sich der       ganisationen recherchiert. Diese Recher-         wertschätzenden Haltung interes-
spezifischen Werte, Einstellungen, Erfah-      che wurde durch Literaturrecherchen in           sieren sie sich für die Lebensrealität
rungen, Bedürfnisse und Ressourcen und        PubMed, Cochrane Library und Google              der Familie, ihre Erfahrungen mit
damit der Diversität von Familien bewusst     Scholar zu systematischen Reviews, Meta-         Ernährung und Bewegung und ihre
ist. Dies kann die Chancen für Verhaltens-    analysen, Leitlinien und weiteren belast-        Einstellungen. Sie gehen auf Beden-
veränderung erhöhen.                          baren Studiendaten seit 2013 mit Such-           ken und Vorbehalte ein, respektieren
    Die Empfehlungen gelten für gesun-        begriffen der entsprechenden Handlungs-           die Entscheidungsfreiheit der Familie
de Kinder zwischen einem und 3 Jahren         felder (Essen lernen, Ernährung, körper-         und setzen gemeinsam mit den Eltern
(erster Geburtstag bis Vollendung des drit-   liche Aktivität u. a.) und mit Bezug zur         realistische Ziele.
ten Lebensjahres) und vorwiegend für den      Zielgruppe Kleinkinder ergänzt. Die Ergeb-
häuslichen Bereich. Sie können aber auch      nisse dieser Recherchen wurden von den         Grundlagen der Empfehlung. Hand-
für Kleinkinder in Gemeinschaftseinrich-      Mitgliedern des Wissenschaftlichen Bei-        lungsempfehlungen sind als Richtschnur
tungen und der Kindertagespflege Ori-          rats (s. Autorinnen und Autoren) diskutiert,   für die professionelle Beratung, nicht aber
entierung geben, wobei Gemeinschafts-         bewertet und die Empfehlungen auf die-         als Normvorgabefür Familienzu verstehen.
einrichtungen spezielle Vorgaben z. B. zur    ser Basis im Konsens verabschiedet. Eine       Fachkräfte übertragen die Empfehlungen
Hygiene oder bei der Zubereitung von          darüber hinausgehende systematische Li-        sowohl kontext- und situationssensibel
Mahlzeiten beachten müssen. Der von der       teraturrecherche und Evidenzbewertung          als auch in Kenntnis der vorhandenen
Deutschen Gesellschaft für Ernährung ver-     wurde nicht durchgeführt, sodass die for-      Ressourcen der Familie. Sie suchen ge-
fasste DGE-Qualitätsstandard für die Ver-     mulierten Handlungsempfehlungen dem            meinsam mit den Familien nach Möglich-
pflegung in Kitas [53] und das Merkblatt      Evidenzniveau einer Expertenempfehlung         keiten einer schrittweisen Verbesserung
des Bundesinstituts für Risikobewertung       unter Berücksichtigung aggregierter Evi-       des Ernährungs- und Bewegungsverhal-
(BfR) mit Handlungsempfehlungen zum           denzquellen entsprechen.                       tens [179]. Studien zeigen, dass eine derart
Schutz von besonders empfindlichen Per-            Die Stärke der Empfehlungen wird           diversitätssensible Beratung die Chancen
sonengruppen vor lebensmittelbedingten        in Anlehnung an die Leitlinienerstellung       für die Umsetzung der Empfehlungen in
Infektionen in Gemeinschaftseinrichtun-       durch „soll“, „sollte“ oder „kann“ ge-         den Familien entscheidend erhöht [12,
gen [36] unterstützen die Verantwortli-       kennzeichnet, wobei „soll“ eine starke,        79, 90, 98, 209].
chen bei der Umsetzung einer bedarfsge-       „sollte“ eine mäßig starke und „kann“
rechten und nachhaltigen Ernährung und        eine offene Empfehlung bedeuten. Die            Hintergrundinformationen. Familien
sicheren Verpflegung von Kleinkindern in       Herleitung der Empfehlungen wird in den        zeichnen sich durch eine große Vielfalt aus:
diesen Einrichtungen.                         jeweiligen Abschnitten „Grundlagen der         Sie unterscheiden sich in ihren Familienfor-
                                              Empfehlungen“ transparent dargestellt.         men, ihrer Bildung, ihrem Lebensumfeld
Netzwerk Gesund ins Leben. Gesund ins             Die Handlungsempfehlungen werden           u. v. m. Deutschland ist zudem ein Einwan-
Leben ist ein Netzwerk von Institutionen,     unterstützt durch: Berufsverband der           derungsland. Es haben 40 % der Kinder
Fachgesellschaften und Verbänden zur          Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Berufs-        unter 5 Jahren eine Migrationsbiografie
Förderung der frühkindlichen Gesund-          verband der Frauenärzte (BVF), Deutscher       [186]. Sie stammen aus unterschiedlichen
heit – von der Schwangerschaft bis ins        Hebammenverband (DHV), Deutsche Ge-            Herkunftsländern und -regionen, haben
Kleinkindalter. Das Netzwerk gehört zum       sellschaft für Kinder- und Jugendmedizin       unterschiedliche Sprachkenntnisse und
Bundeszentrum für Ernährung. Dieses           (DGKJ), Deutsche Gesellschaft für Gynäko-      z. T. auch eigene Migrationserfahrungen
ist in der Bundesanstalt für Landwirt-        logie und Geburtshilfe (DGGG), Deutsche        etc. Kennzeichnend für eine professionelle
schaft und Ernährung angesiedelt, im          Gesellschaft für Hebammenwissenschaft          Beratungshaltung ist es, sich bewusst zu
Geschäftsbereich des Bundesministeri-         (DGHWi), Deutsche Gesellschaft für Er-         sein, dass die spezifischen Werte jeder
ums für Ernährung und Landwirtschaft.         nährung (DGE), Deutsche Gesellschaft           einzelnen Familie, ihre kulturellen Einstel-
Das Netzwerk Gesund ins Leben ist Teil        für Sportmedizin und Prävention (DGSP)         lungen, Überzeugungen und Erfahrungen
des Nationalen Aktionsplans IN FORM –         sowie Deutsche Gesellschaft für Kinder-        sich auf die Wahrnehmung der Hand-
Deutschlands Initiative für gesunde Er-       zahnheilkunde (DGKiZ).                         lungsempfehlungen auswirken. Norm-
nährung und mehr Bewegung.                                                                   vorgaben sind daher nicht zielführend.
                                                                                             Auch Furchtappelle und andere Überzeu-
                                                                                             gungsstrategien sind für die Motivation

                                                                                                          Monatsschrift Kinderheilkunde   3
Konsensuspapiere
zur Verhaltensänderung ungeeignet [156,           für 2–3 h) sollten außer Wasser und         tionen und Lernerfahrungen für das Kind
165]. Sie führen eher zu Widerstand (Re-          ungesüßten Getränken auch keine             [84].
aktanz) und Ablehnung – und zwar umso             Milch/-produkte angeboten werden.               Wie viele Mahlzeiten ein Kleinkind
mehr, je weiter das Verhalten der Familie       – Das Kind sollte so oft wie möglich          braucht, ist von seinem geschlechtsab-
von der Sollvorgabe entfernt ist [179, 180].      gemeinsam mit anderen Familienmit-          hängigen Energiebedarf sowie der Menge
    Aussichtsreicher als das Ziel, das Er-        gliedern essen.                             und Energiedichte der verzehrten Le-
nährungs- und Bewegungsverhalten der            – Mahlzeiten mit genügend Zeit und            bensmittel und Speisen abhängig [213].
Familie zu optimieren [80, 192], ist ei-          Ruhe und in freundlicher Atmosphäre         Die European Society for Paediatric Gas-
ne Stärkung der Selbstwirksamkeitserwar-          sind wünschenswert. Um Ablenkung zu         troenterology, Hepatology and Nutrition
tung, d. h. der Erwartung, aufgrund der           vermeiden, sollten Bildschirmmedien         (ESPGHAN) hält für Kinder über 2 Jah-
eigenen Kompetenzen und Erfahrungen               ausgeschaltet sein.                         re mindestens 4 Mahlzeiten täglich für
selbstwirksam handeln zu können. Bera-          – Eltern sollten selbstständiges Essen        ratsam [4].
tende erkennen und wertschätzen dazu              unterstützen, sobald das Kind dazu in           Für Kleinkinder ist es ein wichtiger Lern-
das Selbstverständnis der Familie und ih-         der Lage ist.                               prozess, bei Mahlzeiten sitzen zu bleiben,
re Entwicklungswünsche [80, 90] und loten                                                     diese von Zeiten für andere Aktivitäten,
gemeinsam mit der Familie Möglichkeiten         Grundlagen der Empfehlungen. Regel-           wie Spiel, Bewegung oder evtl. Medien-
für ein gutes – nicht notwendigerweise          mäßige Mahlzeiten, die eindeutig begon-       konsum abzugrenzen und sich für das Es-
perfektes – Gelingen aus (Konzept „hin-         nen und beendet werden, strukturieren         sen und Sattwerden Zeit zu nehmen. In
reichend gute Familie“, [80, 192]). Die Moti-   den Tag. Anzahl und Rhythmus der Mahl-        einer Metaanalyse von Beobachtungsstu-
vierende Gesprächsführung (Motivational         zeiten können variieren und sind u. a. kul-   dien waren längere Mahlzeiten positiv mit
Interviewing, [126, 127]) bietet Methoden       turell geprägt [163]. Die Empfehlung zu re-   einem niedrigeren BMI und einer besseren
zur Umsetzung dieser professionellen Hal-       gelmäßigen Mahlzeiten steht im Einklang       Ernährungsqualität assoziiert, wobei der
tung. Zentral ist, Empfehlungen nicht mo-       mit den Empfehlungen anderer Fachinsti-       Einfluss von anderen Faktoren (Konfun-
nologisch-direktiv vorzutragen, sondern in      tutionen [40, 94].                            dierung) nicht ausreichend berücksichtigt
einen Dialog mit der Familie einzutreten,           Untersuchungen aus einem systemati-       wurde und dies das Ergebnis möglicher-
Konfrontationen konsequent zu vermei-           schen Review mit Metaanalyse, der Beob-       weise verzerrt hat. Eine mögliche Erklärung
den und die Entscheidungsfreiheit der Fa-       achtungsstudien einschließt, deuten da-       für die positive Assoziation ist, dass länge-
milie zu respektieren [127]. Diese Art der      rauf hin, dass häufigere Familienmahlzei-      re Mahlzeiten eine bessere Wahrnehmung
Gesprächsführung hat sich auch in der all-      ten signifikant mit Merkmalen einer gesun-     des Sättigungsgefühls erlauben oder ein
gemeinen sowie in der pädiatrischen Ge-         den Ernährung sowie einem niedrigeren         längeres Sättigungsgefühl zwischen den
sundheitsberatung als effektiv gezeigt [25,      Body-Mass-Index (BMI) des Kindes assozi-      Mahlzeiten bewirken [51].
78]. Es ist wünschenswert, die Entwicklung      iert sind – wenn auch mit kleiner Effekt-          Gemeinsame Familienmahlzeiten sind
dieses professionellen Beratungsansatzes        stärke [50]. Ebenso wirkt sich die Gestal-    wünschenswert [51]. In Beobachtungsstu-
in der Aus- und Weiterbildung von Fach-         tung der Mahlzeiten, d. h. Zeit und Ruhe,     dien war zu sehen, dass Kinder, die häufiger
kräften zu stärken.                             eine freundliche Atmosphäre und das aus-      mit der Familie essen, mit mehr Genuss
                                                geschaltete Fernsehgerät, positiv auf das     essen und ein weniger wählerisches Ess-
Essen lernen im Kleinkindalter                  Ernährungsverhalten und das Gewicht des       verhalten zeigen [201]. Im Familienalltag
                                                Kindes aus [19, 50, 51, 84, 153, 201].        ist es nicht immer möglich, dass alle Fa-
Kinder lernen essen ähnlich, wie sie spre-          Kleinkinder wollen gern selbst essen.     milienmitglieder gemeinsam essen. Eltern
chen lernen: durch eigenes Tun, Nachah-         Dies zu unterstützen, fördert auch die Ent-   sollten sich nicht unter Druck setzen (las-
mung, in Beziehung und Interaktion mit          wicklung der motorischen Fähigkeiten und      sen). Denn positive Effekte werden bereits
ihren Eltern. Diese können die Regulati-        Fertigkeiten, die Autonomieentwicklung        berichtet, wenn das Kind mit einem El-
onsfähigkeit des Kindes für Hunger und          des Kindes sowie seine Selbstregulations-     ternteil zusammen isst [50].
Sättigung stärken und die Akzeptanz für         fähigkeit [46, 138].                              Die Art und Weise, wie eine Familie
neue Lebensmittel fördern.                                                                    die gemeinsamen Mahlzeiten gestaltet, ist
                                                Hintergrundinformationen. Die Familie         mindestens genauso wichtig wie die Häu-
Gemeinsame Mahlzeiten                           bzw. das Umfeld, in dem das Kind auf-         figkeit gemeinsamer Mahlzeiten. Eine an-
Empfehlungen.                                   wächst, bildet den ersten und wichtigsten     genehme Atmosphäre fördert die Kom-
– Kleinkinder sollten ihre Mahlzeiten in        sozialen Rahmen beim Essenlernen [29].        munikation [87] und war in Metaanaly-
  einem regelmäßigen Rhythmus be-               Kleinkinder übernehmen familiäre und          sen mit einem niedrigeren BMI des Kindes
  kommen (z. B. 3 Hauptmahlzeiten und           kulturelle Rituale, Gewohnheiten und          assoziiert [51]. Eltern sollten ein gesun-
  2 kleinere Zwischenmahlzeiten). Mahl-         Praktiken beim Essen und gestalten diese      des Ernährungs- und Essverhalten vorle-
  zeiten wechseln sich mit essensfreien         aktiv mit. Gemeinsame Mahlzeiten dienen       ben und Kinder auch in die Vorbereitung
  Zeiten ab.                                    somit nicht nur der Nahrungsaufnahme,         der Mahlzeiten einbeziehen [51]. Fernse-
– In den essensfreien Zeiten zwischen           sondern sind gleichzeitig soziale Interak-    her und andere Bildschirmmedien (z. B.
  Haupt- und Zwischenmahlzeiten (z. B.                                                        Smartphones) sollten während der Mahl-

4   Monatsschrift Kinderheilkunde
zeit ausgeschaltet sein. Essen ohne laufen-         zu ermutigen. Eltern sollten keine           z. B. Brabbeln, Hand zum Bauch/zum Mund
des Fernsehgerät war in Studien signifikant          Extraspeisen als Ersatz anbieten.            führen, Hinwenden zur betreuenden Per-
und konsistent mit einer besseren Ernäh-                                                         son oder zur Mahlzeit sowie selbst den
rungsqualität und einem geringeren Risi-         Grundlagen der Empfehlungen. Die Be-            Löffel/die Gabel zum Mund führen [173].
ko für Übergewicht assoziiert ([17, 51, 84,      achtung der kindlichen Selbstregulation             Im Kleinkindalter essen zu lernen, heißt
159]; weitere Informationen zu Bildschirm-       der Nahrungsaufnahme gilt als ein wichti-       auch, Hunger und Sättigung als Regulati-
medien s. Abschnitt Körperliche Aktivität        ger Ansatzpunkt zur Förderung eines ge-         onsmechanismen der Nahrungsaufnahme
im Kleinkindalter, Begrenzung der Inakti-        sunden Essverhaltens und einer normalen         vom Bedarf nach emotionaler Zuwendung
vität).                                          Gewichtsentwicklung. Dies zeigen rando-         zu unterscheiden [46]. Essen hat eine beru-
    Zwischen dem sechsten Lebensmonat            misierte kontrollierte Studien, in denen        higende, entspannende Wirkung. Gleich-
und dem dritten Lebensjahr werden Kinder         Eltern geschult wurden, die Hunger- und         wohl sollten Eltern proaktiv auf die emotio-
im Zuge ihrer motorischen und kognitiven         Sättigungssignale des Kindes zu erken-          nalen Bedürfnisse ihres Kindes eingehen
Entwicklung körperlich und emotional zu-         nen und angemessen darauf zu reagie-            und es nicht mit Lebensmitteln beruhigen
nehmend unabhängiger. Sobald sie dazu            ren, mit moderater Evidenz [183]. Dage-         oder gar trösten [52, 218].
in der Lage sind, sollten die Eltern ihnen       gen waren restriktive Fütterungspraktiken           Zu große Portionen können die Selbst-
ermöglichen, das selbstständige Essen zu         in Beobachtungsstudien mit höherer Ge-          regulation des Kindes beeinträchtigen. Ei-
lernen [46]. Wann genau das Kind jedoch          wichtszunahme [183] und größere Portio-         ne Metaanalyse von randomisierten kon-
welche feinmotorischen Fähigkeiten und           nen mit höheren Verzehrmengen [145] as-         trollierten Studien zeigt, dass größere Por-
Fertigkeiten besitzt, ist individuell sehr un-   soziiert. Nichtresponsives Verhalten, wie       tionen zu einer Zunahme der täglichen
terschiedlich. Eine Befragung von Müttern        z. B. Ablenkungen, Überzeugungsszenari-         Energiezufuhr führen, auch dann, wenn
ergab: Manche Kleinkinder können schon           en sowie Essen zur Belohnung oder zur           sich das Kind selbst große Portionen nimmt
mit 11 Monaten selbstständig weiche Spei-        Bestrafung, kann die Selbstregulation stö-      [145].
sen (Pudding u. Ä.) mit dem Löffel aufneh-        ren und ein wählerisches Essverhalten be-           Viele Eltern sorgen sich, dass ihr Kind
men und in den Mund führen, andere erst          günstigen [11, 48, 54, 67, 138, 210]. Die Er-   nicht genug isst und damit nicht genug zu-
im Alter von 2 Jahren [41, 42]. Kleinere         gebnisse sind jedoch heterogen und stam-        nimmt. Die verzehrte Nahrungsmenge ist
Gabeln und Löffel sowie Schüsseln statt           men überwiegend aus Beobachtungsstu-            jedoch interindividuell sehr unterschied-
flacher Teller können beim Erlernen des           dien, die Evidenz ist daher niedrig [51,        lich, wie Daten aus der DONALD-Studie
selbstständigen Essens hilfreich sein. Spe-      218].                                           (Abkürzung für: DOrtmund Nutritional and
zielle Esslernbestecke (z. B. Schieber) sind                                                     Anthropometric Longitudinally Designed)
nicht notwendig.                                 Hintergrundinformationen. Über Hun-             für Kinder im Alter von 3 Monaten bis
                                                 ger und Sättigung kann das Kleinkind            6 Jahren zeigen [7]. Ist das Kind gesund,
Beachtung von Hunger und                         die Energieaufnahme selbst regulieren           aktiv und zufrieden, können Eltern davon
Sättigung                                        und die Verzehrmengen auf seine physio-         ausgehen, dass es ausreichende Mengen
Empfehlungen.                                    logischen Bedürfnisse abstimmen. Eltern         isst. Sorgen sich Eltern um das Körper-
– Eltern sollen für ein ausgewogenes             können diese Fähigkeit durch ein responsi-      gewicht, sollten sie sich an Kinder- und
  Nahrungsangebot sorgen und das Kind            ves Verhalten (engl. „responsive feeding“)      Jugendärztinnen und -ärzte wenden. Das
  entscheiden lassen, wie viel es davon          stärken: Wenn das Kind Hunger- oder             Körpergewicht wird im Rahmen der Vor-
  isst. Eltern sollen somit auf die Hunger-      Sättigungssignale zeigt, nehmen Eltern          sorgeuntersuchungen erhoben und beur-
  und Sättigungssignale ihres Kindes             diese wahr und reagieren angemessen             teilt. Studienergebnisse weisen auf einen
  eingehen.                                      und feinfühlig darauf [138].                    kulturbedingten Unterschied in der elter-
– Eltern bieten zunächst eine kleine                Hunger und Sättigung zeigen Kleinkin-        lichen Wahrnehmung des optimalen Kör-
  Portion an. Das Kind kann nachfordern,         der durch Gesten oder verbal auf verschie-      pergewichts ihres Kindes hin [160]. Zum
  bis es satt ist. Wenn sich das Kind            dene Weise. In der Regel sind Hungersi-         Beispiel halten Eltern mit türkischem Mi-
  selbst bedient, sollte es angehalten           gnale für Eltern leichter wahrnehmbar als       grationshintergrund, Eltern aus arabischen
  werden, sich zuerst eine kleine Portion        Sättigungssignale [92, 122]. Eltern sollten     Ländern sowie Eltern aus der ehemaligen
  zu nehmen.                                     ihr Kind nicht zum Essen drängen oder           Sowjetunion ihre Kinder häufiger für „zu
– Eltern sollten ihr Kind zum Essen              Druck ausüben [218]. Wenn ein Kind nicht        dünn“ als Eltern aus Deutschland [160].
  anregen, aber nicht durch Maßnahmen            (mehr) essen will, oder wenn es Essen ab-       Dies sollte bei der Beratung berücksich-
  wie Tricks, Überzeugungsszenarien,             lehnt, sollten Eltern dies respektieren und     tigt werden.
  Versprechen oder Spiele zum Essen              die Mahlzeit eindeutig beenden (z. B. durch
  animieren.                                     Wegräumen des Tellers). Häufig beobach-          Erweiterung der Lebensmittelvielfalt
– Essen sollte nicht zur Belohnung oder          tete Sättigungssignale von Kindern im Al-       Empfehlungen.
  zur Bestrafung eingesetzt werden.              ter von 6 bis 24 Monaten sind z. B. das         – Eltern sollten für ein vielfältiges Ange-
– Beendet das Kind die Mahlzeit frühzei-         Abwenden des Körpers oder des Blicks,             bot sorgen und Kinder ermutigen, neue
  tig, oder will es nicht essen, genügt es,      Kopf schütteln, Zappeln oder mit dem              Lebensmittel/Speisen zu probieren.
  das Kind ein- bis zweimal zum Essen            Essen spielen. Zu Hungersignalen zählen

                                                                                                              Monatsschrift Kinderheilkunde   5
Konsensuspapiere
– Eltern sollten neue Lebensmittel/             Eine Metaanalyse von Interventionsstudi-        ausspuckt, sich übergibt, oder wenn sie
  Speisen (wie Gemüse, Obst, Vollkorn-          en berichtete zudem von einem höheren           sich um das Gewicht ihres Kindes Sorgen
  produkte etc.) mehrfach und ohne              Konsum, wenn Eltern ein bestimmtes Ge-          machen.
  Zwang anbieten und eine mögli-                müse wiederholt einzeln anboten [132].
  cherweise zeitweilige Ablehnung des           Eltern sollten neue Lebensmittel auch an-       Ernährung im Kleinkindalter
  Kindes akzeptieren. Wiederholtes Pro-         bieten, wenn das Kind diese nicht pro-
  bieren erhöht die Akzeptanz von neuen         bieren möchte; die wiederholte visuelle         Mit einer gezielten Auswahl der Lebens-
  Lebensmitteln/Speisen.                        Exposition kann die Bereitschaft zum Pro-       mittel können Eltern gute Rahmenbedin-
                                                bieren erhöhen [130, 203].                      gungen für eine ausgewogene und ab-
Grundlagen der Empfehlungen. Über-                  Wenn Kleinkindern regelmäßig ver-           wechslungsreiche Ernährung ihres Kindes
sichtsarbeiten zeigen, dass ein vielfältiges    schiedene Lebensmittel angeboten wer-           schaffen, die auch die Umwelt schont. Die
Angebot und das mehrmalige Probieren            den, sind sieeher bereit, neue Lebensmittel     Empfehlungen für eine ausgewogene, ab-
von neuen Lebensmitteln die Akzeptanz           auszuprobieren und eine größere Vielfalt        wechslungsreiche Familienernährung gel-
und auch die Verzehrmengen erhöhen              zu akzeptieren [13]. Auch verschiedene          ten ebenso für Kleinkinder mit erhöhtem
können [13, 14, 18, 132, 184]. Abwechs-         Texturen sind wünschenswert (z. B. weich,       Allergierisiko.
lung und Vielfalt tragen auch zum Genuss        hart, faserig), um die Präferenz für Le-
beim Essen bei.                                 bensmittel mit „komplexeren“ Texturen           Ernährungsweise
                                                wie beispielsweise Vollkornprodukte zu          Empfehlungen.
Hintergrundinformationen. Es ist wün-           fördern [130].                                  – Mit einer ausgewogenen und ab-
schenswert, bereits frühzeitig die Akzep-           Eltern wecken die Neugier des Kindes,         wechslungsreichen Familienernährung
tanz für Lebensmittel mit hoher Nähr-           wenn sie Speisen abwechslungsreich, ap-           kann der Nährstoffbedarf des Klein-
stoffdichte (Nährstoffdichte =ˆ Menge ei-         petitlich und kindgerecht (z. B. hinsicht-        kindes gedeckt werden. Kleinkinder
nes Nährstoffs in einem Lebensmittel im          lich Textur und Größe der Lebensmittel-           können und sollen an den Mahlzeiten
Verhältnis zu seinem Energiegehalt), wie        stücke) anrichten und selbst genussvoll           der Familie teilnehmen.
Gemüse und Obst, zu fördern. Im frühen          mitessen [130, 203]. Studien zum Lernen         – Die empfohlene Kleinkind- und Famili-
Kindesalter geprägte Geschmackspräfe-           durch Beobachtung zeigen, dass Kleinkin-          enernährung enthält:
renzen bleiben bis ins Erwachsenenalter         der ab dem zweiten Lebensjahr auf das             j  reichlich Getränke: am besten Wasser
bestehen [135].                                 achten, was Eltern, Gleichaltrige und an-            oder andere ungesüßte/zuckerfreie
    Die Geschmacksprägung beginnt be-           dere Bezugspersonen essen, und dass sie              Getränke,
reits im Mutterleib [131] und setzt sich        eher bereit sind, diese Lebensmittel eben-        j  reichlich pflanzliche Lebensmittel:
im Säuglings- und im Kleinkindalter fort        falls zu probieren und zu essen [130].               Gemüse, Obst, Getreide und Getrei-
[20, 24, 124]. Da Geschmacksstoffe in die            Essen ist ein Prozess vielfältiger senso-        deprodukte (einschließlich Vollkorn),
Muttermilch übergehen, machen gestill-          rischer Erfahrung. Es ist wünschenswert,             Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Nüsse
te Kinder bereits früh verschiedene Ge-         die sinnliche Wahrnehmung der Kinder                 (gemahlen, reine Nussmuse),
schmackserfahrungen und scheinen neue           zu unterstützen [86]. Sie sollten ermu-           j  mäßig tierische Lebensmittel:
Lebensmittel leichter zu akzeptieren, als       tigt werden zu entdecken, wie Speisen/               Milch/-produkte, Fleisch, Fisch,
dies bei nichtgestillten Kindern der Fall ist   Lebensmittel riechen, wie sie genau aus-             Eier,
[116]. Bis zum Alter von 2 Jahren sind Kin-     sehen, welche Konsistenz und welchen Ge-          j  sparsam: Zucker und Süßigkeiten,
der für neue Geschmackserfahrungen in           schmack sie haben.                                   (Jod)Salz, Fette mit hohem An-
der Regel besonders offen. Die Phase, in                                                              teil gesättigter Fettsäuren sowie
der am häufigsten neue Lebensmittel und          Hinweis: Beim Übergang von Brei auf                  Snackprodukte.
Speisen abgelehnt werden (Neophobie),           feste Kost, bei der Einführung neuer Ge-        – Wenn Mutter und Kind dies möchten,
erreicht zwischen 2 und 6 Jahren ihren          schmacksrichtungen oder dem Beginn                kann auch im Kleinkindalter weiterge-
Höhepunkt [61, 159].                            des Selbstessens können Anpassungs-               stillt werden.
    Was Kinder essen (mögen), hängt vom         schwierigkeiten auftreten. Es kann Pha-         – Eine ausgewogene Ernährung gesun-
Angebot und auch von der Gewohnheit             sen geben, in denen das Kind sehr wähle-          der Kleinkinder kann ohne speziell an
ab. Wiederholtes Anbieten und Probieren         risch oder nicht am Essen interessiert ist.       Kinder gerichtete Produkte erreicht
von unbekannten Lebensmitteln können            Meist gehen sie von selbst vorüber. Eltern        werden.
die Akzeptanz steigern. Dies wurde am           sollten sich jedoch immer an Kinder- und        – Nüsse und Mandeln im Ganzen oder
häufigsten für den Obst- und Gemüse-             Jugendärztinnen und Kinder- und Ju-               in Stücken und andere harte Lebens-
konsum untersucht – und ließ sich mit           gendärzte wenden, wenn ihr Kind beim              mittelstücke (z. B. Wurzelgemüse)
moderater Evidenz in allen Altersstufen be-     Essen übermäßig wählerisch ist, feste             in Erdnussgröße bergen eine Aspi-
obachten [14, 132, 184]. Möglicherweise         Nahrung verweigert, eine ausgeprägte              rationsgefahr (Verschlucken in die
braucht ein Kind 8 bis 10 Probierversuche       Unlust am Essen hat oder nie Hunger er-           Luftröhre) und sollten für Kleinkinder
(in einigen Fällen auch mehr), bevor es         kennen lässt, nur bei extremer Ablenkung          nicht zugänglich sein.
ein Lebensmittel akzeptiert [67, 132, 184].     isst, wenn es ständig Essen hochwürgt,

6   Monatsschrift Kinderheilkunde
Grundlagen der Empfehlungen. Klein-              durch das Familienessen, sowie die Ge-         treidezufuhr gibt es nicht. Die traditionelle
kinder brauchen pro Kilogramm Körper-            wöhnung an das Trinken aus einem Becher        mediterrane Ernährung, die mit gesund-
gewicht mehr Nahrungsenergie als älte-           oder einer Tasse sind für die Entwicklung      heitlichen Vorteilen assoziiert ist, zeichnet
re Kinder, Jugendliche und Erwachsene;           eines gesunden Essverhaltens wünschens-        sich neben Getreide (auch Vollkorn) v. a.
aber die empfohlene Nährstoffzufuhr pro           wert (s. Abschnitt Essen lernen im Klein-      durch viel Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte,
100 Kilokalorien (Nährstoffdichte) ist ähn-       kindalter).                                    Nüsse und Samen aus [77]; diese sind
lich [56]. Daher ist mit einer ausgewoge-            EineErnährungserhebungaus dem Jahr         ebenfalls ballaststoffreich. Vollkornpro-
nen Auswahl von herkömmlichen Lebens-            2008 zeigt, dass Kleinkinder in Deutsch-       dukte sind nicht immer vertraut. Im Rah-
mitteln in altersgerechten Mengen und            land im Durchschnitt weniger pflanzliche        men einer diversitätssensiblen Beratung
Zubereitungen im Rahmen der Familie-             Lebensmittel, wie Gemüse, Brot, Kartoffeln      können unterschiedliche Möglichkeiten
nernährung auch für Kleinkinder eine be-         und Reis/Nudeln, aber auch weniger Fisch       der Ballaststoffzufuhr vorgestellt werden.
darfsgerechte Energie- und Nährstoffzu-           verzehrten als empfohlen; Fleisch, Wurst,          Tierische Lebensmittel sind in einer aus-
fuhr möglich. Die empfohlene Gewichtung          Eier und Süßigkeiten wurden dagegen in         gewogenenErnährungvonKleinkindern in
der unterschiedlichen Lebensmittelgrup-          höheren Mengen verzehrt als empfohlen.         mäßigem Umfang vorgesehen (. Tab. 1).
pen entspricht nationalen und internatio-        Die Zufuhr von gesättigten Fettsäuren und      Milch und Milchprodukte sind dennoch
nalen Empfehlungen [55, 71, 100, 196].           Zucker lag über den Empfehlungen, die Zu-      wichtige Lebensmittel in der Kleinkinder-
Ein reichlicher Verzehr von pflanzlichen Le-      fuhr von mehrfach ungesättigten Fettsäu-       nährung, da sie sowohl zur Kalzium- als
bensmitteln unterstützt eine gesundheits-        ren darunter [89]. Neuere Daten werden         auch zur Jodversorgung beitragen [96].
fördernde und nachhaltige Ernährungs-            mit der Kinder-Ernährungsstudie zur Er-        Wird jedoch viel Milch getrunken bzw. wer-
weise [76, 123, 181]. In Beobachtungs-           fassung des Lebensmittelverzehrs (KiESEL,      den Milchprodukte in großen Mengen ver-
studien mit Erwachsenen war der Verzehr          Teil der Studie zur Gesundheit von Kindern     zehrt, kann dies zu einer überhöhten Prote-
von Vollkorngetreide invers mit Überge-          und Jugendlichen (KiGGS), Welle 2) ab En-      inzufuhr führen. Für das Kleinkindesalter
wicht, koronarer Herzkrankheit, Diabetes         de 2022 zur Verfügung stehen [81].             liefern zwei systematische Übersichtsar-
Typ 2 oder Bluthochdruck assoziiert [21,             Pflanzliche Lebensmittel sind die Basis     beiten Hinweise für eine positive Assozia-
164, 170, 171]; ähnliche Ergebnisse zeigen       einer ausgewogenen Ernährung und sol-          tion zwischen der Zufuhr von tierischem
sich auch für die Ballaststoffzufuhr [148,        len reichlich verzehrt werden (. Tab. 1).      Protein (vor allem Milchprotein) und dem
172]. Es erscheint daher angemessen, Kin-        Vollkornprodukte enthalten mehr Vitami-        Übergewichtsrisiko im späteren Kindesal-
der früh an eine Vielfalt pflanzlicher Nah-       ne, Mineralstoffe und Ballaststoffe als          ter [188, 220]. Ein hoher Verzehr von Kuh-
rungsmittel und damit auch unterschiedli-        entsprechende Produkte aus niedrig aus-        milch(-produkten) könnte sich auch ne-
cher Ballaststoffquellen zu gewöhnen. Das         gemahlenem Mehl. Daten aus einem US-           gativ auf die Eisenversorgung auswirken
schließt Vollkornprodukte ein. Es fehlen je-     amerikanischen Ernährungs- und einem           [60]. Allerdings zeigt die aktuelle Datenla-
doch Daten und damit die Evidenz für ihre        kanadischen Gesundheitssurvey deuten           ge bei Kleinkindern und Kindern im Vor-
gesundheitlichen Vorteile im Kleinkindal-        darauf hin, dass eine höhere Ballaststoff-      schul- bzw. im Grundschulalter eine Asso-
ter.                                             zufuhr bei Kleinkindern mit einer – wün-       ziation von geringem oder keinem Kuh-
    Kleinkinder haben ein erhöhtes Aspi-         schenswerten – geringeren Zufuhr von           milchkonsum mit einer geringeren Körper-
rationsrisiko, und Lebensmittel gehören          (gesättigten) Fettsäuren, einer höheren        größe [119] sowie einer geringeren Kno-
zu den am häufigsten aspirierten Objek-           Zufuhr von Vitamin B6, Magnesium, Eisen        chenmineralisierung bis hin zu einem er-
ten [22, 64, 174]. Durch kleinkindgerech-        und Kalium sowie mit einer insgesamt           höhtem Frakturrisiko [26, 109]. Um po-
te Zubereitungs- und Darreichungsformen          günstigeren Ernährungsweise verbunden          tenziell negative gesundheitliche Auswir-
kann auch das Aspirationsrisiko vermin-          war [70, 178]. Potenzielle Nachteile für die   kungen zu vermeiden, sollte auf einen
dert werden.                                     Nährstoffversorgung durch eine vermin-          entsprechend gemäßigten Kuhmilchver-
                                                 derte Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen       zehr im Rahmen der Empfehlungen ge-
Hintergrundinformationen. Gegen En-              [155] und eine geringere Energiedichte         achtet werden. Das lebensmittelbasierte
de des ersten Lebensjahres geht die Bei-         werden diskutiert. Für Industrieländer         Konzept der optimierten Mischkost sieht
kost in das Familienessen über [71]. Bei         wie Deutschland ist die Datenlage da-          im Kleinkindalter insgesamt 300 ml Milch
gestillten Kindern bleiben Stillmahlzeiten       zu unbefriedigend, und die Evidenz für         (bzw. 300 g Joghurt und ähnliche Milch-
ergänzend bestehen [103]. Das Kleinkind          gesundheitliche Effekte von Vollkorn im         produkte) pro Tag vor [100]. Die Deutsche
kann und soll am Familienessen teilneh-          Rahmen einer ausgewogenen Kleinkin-            Gesellschaft für Kinderheilkunde und Ju-
men. Verzehrstudien zeigen jedoch, dass          dernährung fehlt. Lebensmittelbasierte         gendmedizin empfiehlt für Kleinkinder ei-
Kinder auch über das erste Lebensjahr hi-        Empfehlungen zur Kleinkindernährung            ne Begrenzung des Milchverzehrs auf bis
naus teilweise noch erhebliche Mengen            sehen bei Getreide eine Mischung aus           zu 2 Tassen täglich (200–400 ml, [105]).
von Beikostprodukten und Flaschennah-            Nichtvollkorn- und Vollkornprodukten vor           Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind
rung erhalten (Säuglings[milch]nahrung,          und betonen Vollkornprodukte als wün-          für die Gesundheit und Entwicklung des
spezielle Getränke für Kleinkinder, [57, 74]).   schenswerte Wahlmöglichkeit [53, 59,           Kindes von großer Bedeutung. Deshalb
Frühe Erfahrungen mit unterschiedlichen          100]. Eine Evidenz für die unbedingte          sollten bei der Zubereitung von Speisen
Geschmacksrichtungen und Texturen, z. B.         Notwendigkeit einer hohen Vollkornge-          pflanzliche Öle (z. B. Rapsöl, Leinöl) ver-

                                                                                                             Monatsschrift Kinderheilkunde   7
Konsensuspapiere
    Tab. 1 Lebensmittelgruppen, Bedeutung für die Nährstoffversorgung und Empfehlungen zur Auswahl
    Lebensmittel- Vorrangig enthaltene           Bevorzugt auswählen                       Besondere Hinweise
    gruppe          Nährstoffe
    Reichlich
    Getränke        Wasser                       Trinkwasser (Leitungswasser)              Nicht ausschließlich Kräuter- oder Früchtetees anbie-
    (ungesüßt/                                   Mineralwasser                             ten und Sorten wechseln
    zuckerfrei)                                  Ungesüßte Kräuter- und Früchtetees
    Gemüse, Obst, Beta-Carotin (Provit-          Alle Gemüsearten, frisch oder tiefgekühlt Gemüse fettarm zubereitet, roh oder gegart
    Hülsenfrüchte, amin A), Folat, Vitamin       Alle Salatarten                           Hartes Gemüse als Rohkost fein gerieben/zerkleinert,
    Nüsse           B6, Vitamin C, Vitamin K,    Alle Obstarten, frisch oder tiefgekühlt   je nach individueller Ess- und Kaufertigkeit
                    Kalium, Magnesium, Ei-       Alle Arten von Hülsenfrüchten (Linsen,    Festes Obst zerkleinert, je nach individueller Ess- und
                    sen, Ballaststoffe, Protein   Bohnen, Kichererbsen etc.)                Kaufertigkeit
                    (Hülsenfrüchte, Nüsse),      Alle Arten von Nüssen und Samen           Hülsenfrüchte immer garen
                    ungesättigte Fettsäuren      Nachhaltige Option: saisonales Angebot, Sprossen und Tiefkühlbeeren immer durcherhitzen
                    (Nüsse)                      Produkte aus ökologischem Anbau           Nüsse fein zerkleinert/gemahlen oder als reines Nuss-
                                                                                           mus (ohne Zucker- und weitere Fettzusätze)
    Getreide, Ge-   Kohlenhydrate, B-Vitamine, Vollkornprodukte mehrmals täglich           Anteil an Vollkornprodukten mit zunehmendem Alter
    treideproduk-   Magnesium, Eisen, Zink,      Brot aus fein gemahlenem Vollkornmehl     steigern
    te, Kartoffeln   Ballaststoffe (Vollkornpro-   Haferflocken und andere Getreideflocken     Kein Brot oder Müsli mit ganzen Körnern, Nüssen oder
                    dukte), Protein              Müsli ohne zugesetzten Zucker, Honig      grob zerkleinerten Nüssen (Aspirationsgefahr)
                                                 oder andere Süßungsmittel                 Wenig frittierte und andere fettreiche Kartoffelzuberei-
                                                 Nachhaltige Option: Produkte aus ökolo- tungen (z. B. Pommes frites, Reibekuchen)
                                                 gischem Anbau
    Mäßig
    Milch und       Protein, Fett, Kalzium, Jod, Pasteurisierte und hocherhitzte Milch/-   Keine Rohmilch und Rohmilchprodukte/Rohmilchkäse
    Milchprodukte Vitamin B2, Vitamin B12        produkte                                  (Schutz vor Infektionen)
                                                 Nichtgesüßte Milch/-produkte              Wenn gestillt wird, ersetzt Muttermilch einen Teil der
                                                 Käse mit einem absoluten Fettgehalt unter Milch und Milchprodukte
                                                 30 %
                                                 Nachhaltige Option: Milch und Joghurt
                                                 aus artgerechter Tierhaltung/aus ökologi-
                                                 scher Produktion
    Fleisch, Wurst, Protein, Fett, Vitamin B1,   Mageres Fleisch                           Fleisch, Fisch und Ei immer gut durcherhitzen
    Fisch, Ei       Vitamin B6, Vitamin B12,     Fettarme Wurstsorten                      Keine Rohwurst
                    Niacin, Biotin, Eisen, Zink, Meeres- und Süßwasserfische                Wenig panierte, frittierte und andere fettreiche Zube-
                    zudem in Meeresfisch:         Fettreiche Meeresfische                    reitungen (z. B. Fischstäbchen)
                    Vitamin D, Jod, langkettige Fischfilet ohne Gräten
                    Omega-3-Fettsäuren           Nachhaltige Option: Fleisch, Ei, Wurstwa-
                                                 ren aus artgerechter Haltung/aus ökologi-
                                                 scher Produktion, Fisch aus nachhaltiger
                                                 Fischerei bzw. nachhaltig betriebenen
                                                 Aquakulturen
    Sparsam
    Zucker, Süßig-  Kohlenhydrate                –                                         Auch Häufigkeit des Zuckerverzehrs reduzieren
    keiten, süße
    Getränke, süße
    Backwaren,
    Snackprodukte
    Fette mit ho-   Fett, gesättigte Fettsäuren  –                                         Pflanzliche Öle, wie z. B. Rapsöl, bevorzugen (Omega-
    hem Anteil an                                                                          3- und Omega-6-Fettsäuren)
    gesättigten
    Fettsäuren
    („feste“ Fette)

wendet werden. Fisch, v. a. fettreicher Mee-           Zuckergesüßte Lebensmittel und Ge-             Kleinkindes ein Kariesrisiko dar [128]. Ei-
resfisch wie Hering und Lachs, liefert lang-         tränke, Süßigkeiten und Snackprodukte             ne Begrenzung der Menge und Verzehr-
kettige Omega-3-Fettsäuren (Eikosapen-              haben einen hohen Energiegehalt und ei-           häufigkeit ist ein wichtiger Pfeiler einer
taensäure [EPA] und Dokosahexaensäure               ne geringe Nährstoffdichte. Der Zucker-            gesundheitsfördernden Ernährung sowie
[DHA]), aber auch Jod, und sollte daher             anteil naturbelassener (z. B. in Fruchtsäf-       der Adipositas- und Kariesprävention [162,
regelmäßig verzehrt werden.                         ten, Honig) und industriell erzeugter Nah-        194, 211]. Zum Schutz der Zähne im Klein-
                                                    rungsmittel stellt zudem für die Zähne des        kindalter sollten die Zähne regelmäßig ge-

8      Monatsschrift Kinderheilkunde
putzt [10, 128] und dafür eine Zahnpasta         57]. Für die ernährungsphysiologische          [113], was bei Lebensmitteln/Speisen, die
mit 1000 ppm Fluorid verwendet werden            Beurteilung ist jedoch nicht allein der        zusätzlich energiereich sind, im Hinblick
[23]. Auch für Kleinkinder, die weitergestillt   Verarbeitungsgrad, sondern vielmehr die        auf das Übergewichtsrisiko unerwünscht
werden, ist eine regelmäßige sorgfältige         Zusammensetzung und der Energiege-             ist. Das im Haushalt verwendete Salz sollte
Zahnreinigung erforderlich [162].                halt des Lebensmittels richtungweisend.        mit Jod angereichert sein. Bei einem Trink-
    Die Ernährungsweise und Auswahl              Das gilt auch für verarbeitete Produk-         wasserfluoridgehalt über 0,7 mg/l soll kein
der Lebensmittel wirken sich nicht nur           te, die durch Begriffe/Altersangaben auf        Speisesalz verwendet werden, das zusätz-
auf die Gesundheit des Kindes aus. Die           der Verpackung oder durch ihre optische        lich auch Fluorid enthält [23].
Produktionsweise von Lebensmitteln, die          Gestaltung speziell an Kinder gerichtet             Eine Supplementierung von Vitaminen
Art der Tierhaltung, Verarbeitung und der        sind, z. B. Milchgetränke für Kleinkin-        und Mineralstoffen ist i. Allg. nicht not-
Transport beeinflussen auch Klima, Boden,         der, Frühstückszerealien, Püriertes aus        wendig. Sie sollte nur auf medizinischen
Wasser, Biodiversität und andere Umwelt-         Quetschbeuteln oder Wurstwaren mit             Rat und in ärztlicher Abstimmung erfolgen
felder. Dazu kommen die damit ebenfalls          Kinderoptik. Beikosterzeugnisse, die zur       [5]. Das betrifft auch Vitamin D, das bei
verbundene Wahrnehmung der sozialen              „Ernährung von Säuglingen während der          ausreichendem Aufenthalt im Freien unter
Verantwortung sowie des Wohlergehens             Entwöhnungsperiode und zur Ernährung           dem Einfluss von Sonnenlicht in der Haut
der landwirtschaftlich genutzten Tiere.          von Säuglingen und Kleinkindern während        gebildet wird, für das aber bei sehr ge-
Für die Umweltwirkung ist u. a. entschei-        der allmählichen Umstellung auf normale        ringer Sonnenlichtexposition und dunkler
dend, ob vermehrt pflanzliche und/oder            Kost bestimmt sind“, müssen den Anforde-       Hautpigmentierung ein erhöhtes Risiko für
tierische Lebensmittel gewählt werden.           rungen der Diätverordnung entsprechen          einen Mangel besteht [27, 146]. Die Ga-
Das größte Einsparpotenzial im Hinblick          [1]. Bei Kräuter- und Früchtetees für Säug-    be von Vitamin D zur Rachitisprophylaxe
auf Umweltbelastungen (Treibhausgas-             linge oder Kleinkinder ist der Zusatz von      wird für Säuglinge bis zum zweiten erleb-
emissionen, Landnutzung, Stickstoff- und          Zucker, Honig u. Ä. verboten [2]. Zur Ein-     ten Frühsommer empfohlen [202].
Phosphoreinträge) ergibt sich durch eine         ordnung von Fertigprodukten bezüglich               Kleinkinder nehmen häufig Gegenstän-
fleischreduzierte und pflanzenbetonte Er-          ihrer ernährungsphysiologischen Qualität       de in den Mund, reden während des Kau-
nährung [181]. Daten speziell zu Effekten         sind die Nährwertkennzeichnung auf der         ens, und ihr Kauvermögen ist – solange
nachhaltiger Ernährung auf die Gesund-           Verpackung sowie das Zutatenverzeichnis        die Backenzähne noch fehlen – stark ein-
heit von Kleinkindern gibt es derzeit            hilfreich. Die zusätzliche freiwillige Kenn-   geschränkt [28, 83, 174]. Kleine, runde Le-
kaum. Wenn vorhanden, weist die Daten-           zeichnung (Nutri-Score) hilft bei einem        bensmittel, wie Nüsse, Samen, Beeren, Hül-
lage aber darauf hin, dass der Ersatz von        Vergleich von Lebensmitteln innerhalb          senfrüchte, sind die am häufigsten in die
tierischen durch pflanzliche Lebensmittel         einer Kategorie (z. B. Joghurt, Müsli) und     Luftröhre verschluckten Fremdkörper [83].
auch das Nährstoffprofil positiv verän-            gibt auch für die Familienernährung eine       Rohes Wurzelgemüse (im Ganzen oder in
dert könnte [191]. Werden vorwiegend             Orientierung. Für Lebensmittel, die sich       Stücken), Fisch mit Gräten, harte Lutsch-
pflanzliche Alternativprodukte zu Fleisch,        explizit an Säuglinge und Kleinkinder          bonbons, ganze Weintrauben mit Kernen,
Wurst und Milchprodukten gewählt, so             richten, wie z. B. Beikostprodukte, ist der    Fleischstücke, Kügelchen von Bubble Tea
ist zu berücksichtigen, dass diese sich          Nutri-Score nicht geeignet, da er die spe-     oder Kaugummi können ebenfalls leicht
im Nährstoffprofil von dem tierischen              ziellen Bedürfnisse dieser Altersgruppe        aspiriert werden [22].
„Originalprodukt“ deutlich unterscheiden         nicht berücksichtigt. Spezielle Milchge-
können. Obst und Gemüse der Saison               tränke für Kleinkinder sind grundsätzlich      Getränke
verursachen die geringsten Treibhaus-            nicht notwendig. Pürierte Lebensmittel         Empfehlung.
gasemissionen [204]. Der Saisonkalender          und Mahlzeiten aus quetschbaren Kunst-         – Kleinkinder sollten regelmäßig zu den
des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE)          stoffbeuteln sind nicht empfehlenswert.           Mahlzeiten und auch zwischendurch
bietet Orientierungshilfe beim Einkauf           Sie sind häufig energie- und zuckerreich,         Wasser (oder andere ungesüßte/
von Obst und Gemüse [39]. Die Wahl               erhöhen bei regelmäßigem Verzehr das             zuckerfreie Getränke) aus einer Tasse
von Lebensmitteln aus ökologischem               Risiko für Karies und Übergewicht und            oder einem Becher trinken.
Landbau ist eine weitere Option für eine         können die Gewöhnung an eine zum Kau-
nachhaltigere Ernährungsweise [204].             en anregende, gröbere Textur der Nahrung       Grundlagen der Empfehlung. Der Emp-
    Fertigprodukte ersparen Zeit bei der         erschweren [104, 161]. Auch aus Gründen        fehlung liegt der D-A-CH-Referenzwert zur
Mahlzeitenzubereitung und gehören heu-           der Müllvermeidung sollten frisches Obst       Zufuhr von Wasser in Form von Getränken
te zum Alltag. In Auswertungen von               und Gemüse bevorzugt werden.                   zugrunde [56]. Wasser (oder andere unge-
Verzehrstudien zeigt sich aber, dass                 Speisesalz sollte in der Familienernäh-    süßte/zuckerfreie Getränke) anstelle von
Kinder mit einem hohen Verzehr von               rung sehr sparsam verwendet werden, da         süßen Getränken zu trinken, wird von na-
(hoch)verarbeiteten Lebensmitteln häu-           eine hohe Salzaufnahme mit einem erhöh-        tionalen und internationalen Fachgesell-
figer übergewichtig oder adipös waren             ten Risiko für Bluthochdruck assoziiert ist    schaften empfohlen [55, 66, 69]. Der Kon-
[57] und weniger Vitamine und Mine-              [33, 189]. Zudem werden Lebensmittel/          sum von zuckerhaltigen Getränken führt
ralstoffe aufnahmen als Kinder mit ge-            Speisen mit hohem Salzgehalt häufig in          zu unerwünschten zusätzlichen Energie-
ringem Verzehr von Fertigprodukten [8,           größeren Mengen von Kindern verzehrt           aufnahmen und kann eine erhöhte Ge-

                                                                                                            Monatsschrift Kinderheilkunde   9
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