KIRCHEN ZEITUNG Unser tägliches Brot - Sonderveröffentlichung der Badischen Neuesten Nachrichten in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche ...

Die Seite wird erstellt Emma Heck
 
WEITER LESEN
KIRCHEN ZEITUNG Unser tägliches Brot - Sonderveröffentlichung der Badischen Neuesten Nachrichten in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche ...
KIRCHEN ZEITUNG                                     38. Ausgabe

           Unser
           tägliches Brot

Sonderveröffentlichung der Badischen Neuesten Nachrichten
in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche Karlsruhe
und der Katholischen Kirche Karlsruhe vom 8. April 2022.
KIRCHEN ZEITUNG Unser tägliches Brot - Sonderveröffentlichung der Badischen Neuesten Nachrichten in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche ...
2                                                                 KIRCHEN ZEITUNG                                                                           38. Ausgabe | 8. April 2022

Was den Menschen nährt –
wonach die Seele sich sehnt
A    ls wir das Thema der diesjährigen
      Osterausgabe festgelegt haben,
konnte niemand ahnen, dass wir inner­
                                               tiefe Gefühl des Genährt­Seins einstellt.
                                               Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.
                                               Als Jugendliche hat mich eine Erzählung
                                                                                            dennoch. Die Geschichte lenkt unseren
                                                                                            Blick darüber hinaus auf das, wonach un­
                                                                                            ser Herz hungert und unsere Seele dürs­
halb Europas in eine politisch so brisante     von Rainer Maria Rilke tief berührt:         tet. Nach dem, was wir nicht kaufen kön­
Lage kommen würden. Unser tägliches               Rilke geht in Paris in seiner Mittags­    nen.
Brot – was bedeutet dies ganz aktuell für      pause regelmäßig über einen Platz. Dort         Bei diesem Hungern und Dürsten geht
Menschen in der Ukraine, aber auch in          sitzt eine Frau, mit gesenktem Blick und     es um Angenommensein, Zuwendung,
anderen Kriegsgebieten? Auch Bilder            ausgestreckter Hand, eine Bettlerin. Im      Bezogensein, um Gemeinschaft, um Lie­
aus den Ländern mit großen Hungersnö­          Gegensatz zu seiner Begleiterin gibt Ril­    be, um Gerechtigkeit und Freiheit, um ei­
ten tauchen in mir auf.                        ke keine Münze. Auf die Frage, warum er      ne gesunde Umwelt und Nachhaltigkeit
  Diese Situationen sollen nicht verges­       nichts gäbe, sagt er: „Wir müssen ihrem      und Vieles mehr, was die Seele nährt.
sen sein, auch wenn unser Blick hier an­       Herzen schenken, nicht ihrer Hand.“ Ei­         Die vielfältigen Artikel in dieser Aus­
ders gewählt ist.                              nige Tage später legt Rilke im Vorbeige­     gabe greifen diese unterschiedlichen
  Der Mensch lebt nicht vom Brot allein,       hen eine Rose in die Hand der Bettlerin,     Aspekte auf.
doch sind Grundnahrungsmittel und              die ihn daraufhin ansieht, sich erhebt,         Ihnen allen wünsche ich vom ganzen
Wasser unentbehrlich fürs Überleben.           seine Hand küsst, geht und erst eine Wo­     Redaktionsteam ein frohes und gesegne­
Der Aufruf zur Bewahrung der Schöp­            che später wieder auf ihrem Platz sitzt.     tes Osterfest, an dem die Auferstehung,
fung hat an Aktualität nichts verloren,        Auf die Frage seiner Begleiterin, wovon      der Sieg über den Tod, uns Hoffnung für
sondern wird immer nachdrücklicher.            die Frau wohl gelebt hätte, sagt Rilke:      die Welt gibt.
  Wenn ein Mensch – egal ob alt oder           „Von der Rose …“.                                                                            Susanne Rohfleisch ist die Vorständin
jung – mit dem Notwendigen versorgt ist,          Da geht es nicht um Sozialromantik,         Pax et bonum.            Susanne Rohfleisch   des Caritasverbands Karlsruhe
braucht es dennoch mehr, damit sich das        das Geld für das tägliche Brot braucht sie                                                                                               Foto: privat

      ▪ Impressum

                                               Die Kirchenzeitung
                                                                                                  Sieg des Lebens!
                                               In der Kirchenzeitung werden Bei­
                                               träge der Redaktionsmitglieder zu
                                               Themen rund um Kirche und Sozia­
                                                                                                  A     uf manchen Osterbildern wir­
                                                                                                        belt der Geist der Auferste­
                                                                                                  hung die Soldaten durch die Luft,
                                                                                                                                            nen Realismus, der Spannungen
                                                                                                                                            aushält und in den konkreten Fra­
                                                                                                                                            gen nach einer Flugverbotszone
                                               les veröffentlicht. Um die Vielfalt                die am Grab Wache halten. Der             oder Waffenlieferungen abwägt:
                                               von Kirche darzustellen, bietet die                Sarg bricht auf; Christus führt uns       Was hilft, die Zahl der Opfer klein
                                               Kirchenzeitung zudem kirchlichen                   aus dem Tod ins Leben!                    zu halten? Was verhindert eine
                                               und sozialen Einrichtungen die                        Viele dachten, Russland würde          weitere Eskalation?
                                               Möglichkeit, sich und ihre Arbeit                  mit seinem Überfall auf die Ukrai­           Da gibt es keine einfache Ant­
                                               vorzustellen.                                      ne in wenigen Wochen Erfolg ha­           wort, so wie es für Dietrich Bon­
                                                                                                  ben. Doch vermeintliche militäri­         hoeffer keine Eindeutigkeit gab,
                                               In der Bäckerei Schmidt wird                       sche Überlegenheit und eine rück­         als er sich fragte, ob er der Men­
                                               täglich frisches Brot gebacken.                    sichtslose Machtpolitik stießen auf       schenfeindlichkeit des National­
                                               Brot gehört zu den Grundnah­                       Menschen, die ihre Überzeugun­            sozialismus mit Gewalt widerste­
                                               rungsmitteln, aber um gut zu le­                   gen und ihre Freiheit verteidigen         hen soll. Wer Waffen in die Ukrai­
                                               ben, braucht der Mensch auch                       und auf den Widerstand der Staa­          ne schickt, kann hoffen, dass sie
                                               Nahrung für Geist und Seele.                       tengemeinschaft. Der Aggressor            Panzer zerstören, bevor deren Gra­
                                                                                                  ist isoliert. Selbst wenn er die          naten Wohnhäuser in Brand schie­
                                                                                                  Ukraine besetzt, wird er seine            ßen; aber er muss sich auch klar
      n   Redaktion:                                                                             Weltmachtstellung verloren haben.         machen, dass mit ihnen Menschen
           Evangelische Kirche in Karlsruhe: Thomas Schalla (ts),                                    Grundgeschichten der Bibel ge­         getötet werden.
           Markus Mickein (mm), Kira Busch­Wagner (kbw)                                           winnen in diesen Tagen neue Ak­              Christus preist diejenigen selig,
           Katholische Kirche Dekanat Karlsruhe: Hubert Streckert (hs),                           tualität. Der Metropolit der rus­         die gerechten Frieden stiften. Die
           Tobias Tiltscher (tt), Susanne Rohfleisch (sr), Björn Schmid (bs)                      sisch­orthodoxen Kirche in der            Liebe Christi drängt uns, der
      n   Redaktionsleitung: Martina Erhard (me)                                                 Ukraine bezeichnete den russi­            Kriegslogik von Macht und Ge­
      n   Titelbild: Tobias Tiltscher                                                            schen Angriff unter Verweis auf           walt zu widerstehen. „Eine künfti­
      n   Anschrift der Redaktion:                                                               die Geschichte von Kain und Abel          ge Friedensordnung braucht mehr
           Kirchenzeitung, Evangelisches Dekanat Karlsruhe,                                       als Brudermord und wendete sich           als militärische Gewalt: sie
           Reinhold­Frank­Straße 48, 76133 Karlsruhe                                              gegen den Patriarchen in Moskau.          braucht globale Gerechtigkeit, sie
           E­Mail: kirchenzeitung­karlsruhe@gmx.de
           v.i.S.d.P. Hubert Streckert                                                            Die Geschichte vom Sieg Davids            braucht Klimagerechtigkeit, sie
           Die Redaktion freut sich über Rückmeldungen und Leserbriefe.                           über Goliath bestärkt die Men­            braucht eine verbindliche Rechts­
           Die nächste Ausgabe erscheint am 22. Juli 2022                                         schen in der Ukraine.                     ordnung, die die Zivilgesellschaft
           (Redaktionsschluss: 22. Juni 2022).                                                       Die evangelische Friedensethik         stärkt, die Menschenrechte sichert
      n   Anzeigenleitung: Ulf Spannagel                                                         richtet sich an der Friedensbewe­         und auch für Großmächte gilt.“
      n   Satz und Druck: Badische Neueste Nachrichten                                           gung Gottes aus. Sie hat ein Ziel:        (Wort der Kirchenkonferenz der
      n   Die Kirchenbezirke im Internet:                                                        den Sieg des Lebens! Was heißt            EKD vom 24. März 2022)
           www.ev­kirche­ka.de; www.kath­karlsruhe.de                                             das in dieser besonderen Situati­            Hass und Gewalt haben seit
                                                                                                  on, in der das Völkerrecht täglich        Ostern nicht mehr das letzte Wort.
                                                                                                  neu gebrochen wird? Die Frie­             Der Tod kann Christus nicht fest­
                                                                                                  densbewegung Gottes ermutigt              halten. „Er ist unser Friede!“ Aus
                                                                                                  uns dazu, den Opfern des Krieges          dieser österlichen Kraft leben wir
                                                                                                  und den Flüchtlingen beizustehen.         – auch und gerade in diesem Jahr!
                                                                                                  Sie mahnt uns zu einem nüchter­              Jochen Cornelius­Bundschuh, Landesbischof a.D.
KIRCHEN ZEITUNG Unser tägliches Brot - Sonderveröffentlichung der Badischen Neuesten Nachrichten in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche ...
38. Ausgabe | 8. April 2022                                     KIRCHEN ZEITUNG                                                                                            3

Brot für die Welt
In der christlichen Tradition hat das Brot eine gewichtige theologische Bedeutung

Von unserem Redaktionsmitglied
Thomas Schalla

V     iele aus kirchlichen Kreisen sind in
      den vergangenen Jahren nach Eng­
land gepilgert. „Fresh expressions of
church“ – neue Formen kirchlichen Le­
bens werden dort ausprobiert. Sie sind
eine Inspiration für andere westliche
Kirchen. Auch ich war mit unterschied­
lichen kirchlichen Gruppen schon dort.
Gut erinnere ich mich an eine der Grün­
dungsgeschichten: die methodistische
Kirche wollte in einem Stadtteil Man­
chesters eine neue Kirche bauen. Sie hat
die Pastorin auf die Straße geschickt, um
zu recherchieren, was genau die Men­
schen im Stadtteil brauchen. Nach einem
Jahr Exkursion stand dann fest: die neue
Kirche wird eine Backstube sein. Dort
wird noch immer Brot gebacken und
über Gott und die Welt gesprochen.
   Etwas für den Leib und etwas für die
Seele: kaum ein Lebensmittel verbindet
beides so miteinander wie das Brot. Brot
ist ein universales Nahrungsmittel und
zugleich mit hoher spiritueller Bedeu­
tung aufgeladen. Wir kennen es mit vie­
len Namen: Chapati, Papadam, Fladen­         Brot ist nicht nur ein universales Lebensmittel, sondern auch von hoher spiritueller Bedeutung. Brot gibt es seit Men­
brot, Puri, Damper, Tortillas, Mazzen,       schengedenken. Es ist vor allem mit dem Ackerbau verbunden, aber die ältesten Spuren weisen in die Zeit der Neander­
Hostien, Weizenbrot, Vollkornbrot – die      taler.                                                                                             Foto: Gerhard G / Pixabay
Liste ließe sich problemlos verlängern.
Brot gibt es in mannigfaltigen Varianten
in vielen Kulturen der Welt und seit         Feier geteilt. Dass der Glaube an Gott      sie auf wundersame Weise ernährt. Im         Auch Diakonie und Caritas sind mit ele­
Menschengedenken. Es ist vor allem mit       damit verbunden ist, in die Freiheit auf­   Neuen Testament berichten die Evange­        mentaren und unbürokratischen Hilfen
dem Ackerbau verbunden, aber die ältes­      zubrechen, setzt sich in der christlichen   lien vom Speisungswunder Jesu und im         kirchliche Dienste, mit denen das Brot
ten Spuren weisen schon in die Zeit der      Abendmahlstradition fort. Jesu Leiden       Johannesevangelium bezeichnet sich Je­       für die Welt Menschen in Notlagen zu­
Neandertaler und sind über 40.000 Jahre      und Sterben am Kreuz, seine Auferwe­        sus als das Brot des Lebens. Dass der        gutekommt. Die großen Kampagnen
alt.                                         ckung am Ostersonntag werden mit der        Mensch nicht vom Brot allein lebt und        ebenso wie die Projekte vor Ort sind zu­
                                             Einsetzung des Abendmahls bzw. der          zugleich des Brotes bedarf, zieht sich als   gleich immer mehr als eine Hilfe für Be­
  Unverzichtbarer                            Heiligen Kommunion verbunden. Beim          biblisch­religiöser Realismus durch die      dürftige. Jede Hilfsaktion verbindet sich
  Bestandteil der Ernährung                  letzten Mahl mit seinen Jüngern bricht er   Erzählungen, die es mit den Fragen nach      mit der Einsicht, dass die Würde des
   Brot ist ein Grundnahrungsmittel. Es      das Brot und teilt den Wein – und ver­      dem Lebensnotwendigen zu tun haben.          Menschen von Gott verliehen und unver­
sichert die Grundversorgung mit Koh­         bindet beides mit seinem Leben, Sterben     Am Ende des Lukasevangeliums erken­          lierbar ist. Die Kirchen und ihre Werke
lenhydraten und ist darum ein unver­         und Auferstehen. „Christi Leib, für dich    nen die beiden Jünger auf dem Weg nach       erinnern daran, dass mit der Würde des
zichtbarer Bestandteil der Ernährung         gegeben“ – mit diesen oder ähnlichen        Emmaus erst beim Teilen des Brotes,          Menschen auch ein Anspruch auf Teil­
weltweit. Es steht darüber hinaus sym­       Worten wird das Brot oder die Hostie        dass der fremde Wegbegleiter Jesus ist –     habe und Gerechtigkeit verbunden ist.
bolisch auch für alles andere, was wir       ausgeteilt. Die Verbindung des Erlö­        auferstanden und die Hoffnung auf das           Wenn es um das Brot geht, dann geht
zum Leben brauchen. In den christlichen      sungswerkes Gottes mit irdischen Ele­       Reich Gottes.                                es um das Ganze. Wir reden dann auch
Kirchen gehört die Bitte um das tägliche     menten macht theologisch aus Brot und                                                    vom verantwortungsvollen Umgang mit
Brot im Vaterunser zum Grundgebet der        Wein ein Sakrament: ein von Jesus ein­        Vesperkirche und Tafeln                    den Lebensmitteln. Die ethischen Fra­
Kirchen. Auch hier wird es wortwörtlich      gesetztes Zeichen für die Liebe Gottes.       helfen Menschen in Not                     gen reichen vom persönlichen Umgang
verstanden und stellvertretend für alles,    Wie genau das zu verstehen ist, ist seit       Verbunden sind die Kirchen im Auf­        mit dem Wegwerfen von Lebensmitteln
was ebenso grundlegend ist. Martin Lu­       Jahrhunderten zwischen den Konfessio­       trag, der sich aus der Bitte um Brot im      über das ‚Containern‘ bis hin zu Fragen
ther erläutert das im Kleinen Katechis­      nen und innerhalb der Konfessionen um­      Vaterunser ethisch ergibt. Die großen        der nachhaltigen Entwicklung der Land­
mus: „Frage: Was heißt denn tägliches        stritten. Brot wird jedoch auch in diesem   Werke der christlichen Nächstenliebe in      wirtschaft oder dem Kampf gegen den
Brot? Antwort: Alles, was not tut für        Streit zu einem Lebensmittel mit beson­     Deutschland, Misereor und Brot für die       Hunger auf der Welt. Die Kirchen setzen
Leib und Leben, wie Essen, Trinken,          ders aufgeladener spiritueller Bedeu­       Welt, setzen sich dafür ein, dass Teilhabe   sich dafür ein, dass dabei Mensch und
Kleider, Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh,      tung: die Hoffnung auf die Einheit der      im Weltmaßstab möglich ist. Die Versor­      Natur im Mittelpunkt stehen und zu ei­
Geld, Gut, fromme Eheleute, fromme           Kirchen ist auch damit verbunden, ge­       gung mit Lebensmitteln, der Kampf ge­        nem vernünftigen und gerechten Um­
Kinder, fromme Gehilfen, fromme und          meinsam Abendmahl bzw. die Heilige          gen Hunger, die Verbesserung der Bil­        gang anleiten. Wir denken dabei nicht
treue Oberherren, gute Regierung, gut        Kommunion zu feiern und das Brot zu         dungschancen, der Kampf um Klimage­          nur an Brot, sondern wie Luther an alles,
Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre,     teilen.                                     rechtigkeit bis hin zu Fragen der gerech­    was wir zum Leben brauchen. In diesen
gute Freunde, getreue Nachbarn und                                                       ten Verteilung des Reichtums und des         Tagen gehört der Friede wieder beson­
desgleichen.“                                  Volk Israel wird mit                      Einsatzes für den Frieden – das Engage­      ders zu den „Lebensmitteln“, für die wir
   In der christlichen Tradition hat das       Manna versorgt                            ment beider Werke macht aus der Bitte        uns einsetzen müssen. Es ist in diesem
Brot eine besonders gewichtige theolo­          Nicht nur im Abendmahl geht es um        um Brot die Verpflichtung, sich für alle     Zusammenhang auch von symbolischer
gische Bedeutung. In diesen Wochen           das Brot. Auch in den biblischen Über­      Menschen einzusetzen.                        Bedeutung, dass die Ukraine als die
wird die Passionszeit begangen. Die jü­      lieferungen spielt es im übertragenen          Die Kirchen vor Ort finden daneben        Kornkammer Europas bezeichnet wird.
dischen Wurzeln des Christentums fin­        und wortwörtlichen Sinn eine Rolle. Das     auch ihre je eigenen Wege, sich um das       Es geht beim Brot um alles.
den sich in diesen Wochen auch in der        Volk Israel wird auf seinem Weg durch       Brot für die Menschen zu sorgen. In             Die methodistische Kirche in Man­
Bedeutung des Brotes wieder. Im jüdi­        die Wüste von Gott mit Manna, mit Him­      Karlsruhe gehören Vesperkirche, die Ta­      chester hat mit der Backstube als Kirche
schen Passahfest werden die Mazzen           melsbrot, versorgt und am Leben erhal­      fel oder die Angebote der Gemeinden          ein besonders einprägsames Zeichen ge­
als Zeichen für den schnellen Aufbruch       ten. Immer wieder hilft Gott seinen Pro­    für Obdachlose und Menschen in Not zu        setzt. Es erinnert daran, dass Spiritualität
und die Bewahrung durch Gott in der          pheten wieder auf die Beine, indem er       den notwendigen Hoffnungszeichen.            und Gerechtigkeit zusammengehören.
KIRCHEN ZEITUNG Unser tägliches Brot - Sonderveröffentlichung der Badischen Neuesten Nachrichten in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche ...
4                                                                   KIRCHEN ZEITUNG                                                                      38. Ausgabe | 8. April 2022

Nahrung für Körper, Geist und Seele
Wenn es darum geht, den Hunger zu stillen, bedeutet das nicht nur, den Magen zu füllen

U    nser tägliches Brot gib uns heute.“ Auf diesen Satz aus dem „Vaterunser“ bezieht sich die aktuelle Kirchenzeitung. Die Autorinnen und Autoren haben eine Reihe von
     Beispielen zusammengetragen, die zeigen, dass das „tägliche Brot“ mehr sein kann als nur ein Stück Brot. Natürlich darf aber in einer solchen Aufzählung der Bäcker nicht
fehlen, der täglich Brot produziert. Da gibt es aber auch noch die Ehrenamtlichen der Bahnhofsmission, die immer ein offenes Ohr für die Probleme der Besucher haben, da gibt es
die Einrichtung, die Bildungsangebote organisiert, da gibt es die Stillberaterin, die Mütter berät und da gibt es die jungen Leute, die sich für die Rettung von Lebensmitteln einsetzen.

Nähe zwischen Mutter und Baby
Stillberaterin Ulla Junghänel berät Mütter in einer Stillgruppe

F    ür Ulla Junghänel ist Stillen die beste
     Methode, ein Baby zu ernähren.
„Stillen sollte die Norm sein“, sagt die
                                               sei lang, meint die Stillberaterin, die selbst
                                               Mutter von zwei Kindern ist und die daher
                                               weiß, wovon sie spricht. „In den La Leche
ehrenamtliche Stillberaterin der La Le­        Liga­Stillgruppen gibt es generell Mütter­
che Liga­Gruppe Karlsruhe und zählt            zu­Mütter­Beratungen“, sagt sie. „Ich hat­
die Vorteile, die das Stillen hat, auf:        te selbst keinen ganz einfachen Stillstart
„Durch das Stillen und den engen Kör­          und gebe meine Erfahrungen nun an ande­
perkontakt gleich nach der Geburt kom­         re Mütter weiter.“
men Mutter und Kind besser beieinander            Eigentlich würden sich alle Mütter und
an“, ist sie überzeugt. Außerdem werde         Babys zweimal pro Monat in der Still­
dem Baby der Übergang vom Mutterleib           gruppe treffen. „Aufgrund von Corona
zur Selbstatmung durch das Stillen er­         finden diese Treffen aber aktuell noch
leichtert, fügt sie hinzu. In diesem Zu­       übers Internet statt“, bedauert Junghänel.       Körperliche Nähe stärkt die Bindung zwischen Mutter und Baby.            Foto: La Leche Liga
sammenhang nennt sie das 24­Stunden­           Die Gruppe sei nicht nur für Mütter da, die
Rooming­in in den Krankenhäusern,              Probleme mit dem Stillen hätten, sondern
welches inzwischen Standard sei. „Es ist       sei generell ein Ort des Austauschs und          rig wird, denn „die Betreuung eines Babys    fünf bis acht Mahlzeiten“, erklärt sie.
ein großer Gewinn, dass die Mütter auch        der Begegnung, meint die Sozialpädago­           ist ein 24­Stunden­Job, bei dem man Hilfe    „All das ist anstrengend und bringt si­
im Krankenhaus rund um die Uhr bei ih­         gin, die hauptberuflich in der Still­ und        in Anspruch nehmen darf.“                    cher manche Mütter an ihre Grenzen“,
ren Kindern sein können.“                      Schreiambulanz tätig ist. „Hier dürfen              Gerade das Stillen nehme natürlich        meint sie und fügt hinzu, dass das Stillen
   Junghänel spricht auch von einer gerin­     auch mal Tränen fließen und man darf ge­         viel Zeit in Anspruch, meint Junghänel.      Anleitung brauche. „Leider fehlt diese
geren Anfälligkeit für Magen­Darm­In­          stehen, dass man eine schlechte Nacht hat­       „Während ein Baby, das gestillt wird, im     gute Begleitung oftmals, weshalb die
fekte und für Atemwegsinfektionen und          te und einfach nur erschöpft ist“, sagt sie.     ersten Jahr bis zu zwölf Mahlzeiten pro      Stillquote, die bei der Entlassung aus
von einem geringeren Diabetesrisiko            Junghänel appelliert an die Frauen, sich         Tag bekommt, sind es bei einem Baby,         dem Krankenhaus bei rund 90 Prozent
durch das Stillen. Die Liste der Vorzüge       Unterstützung zu holen, wenn es schwie­          das die Flasche bekommt, gerade einmal       liegt, danach rapide abfällt.“ Martina Erhard

Ein warmes Getränk und Zeit zum Zuhören
Bedürftige Menschen finden in der Bahnhofsmission Hilfe und Ansprache

M      orgens, wenn die Bahnhofsmissi­
       on ihre Pforten öffnet, stehen be­
reits die ersten Besucher vor der Tür und
                                               auch mal um Rat gefragt, wenn es um
                                               Behördengänge geht. „Viele wissen zum
                                               Beispiel gar nicht, dass es den Karlsru­
                                                                                                nur darum, dass jemand da ist, der zu­
                                                                                                hört, meint Daferner. „Für viele sind wir
                                                                                                die einzigen, denen sie ihre Sorgen und
                                                                                                                                             bauen wollten, aber gescheitert sind.
                                                                                                                                             „Sie haben oft nicht mehr das Geld für
                                                                                                                                             die Heimfahrt“, erklärt Daferner. Die
warten auf Einlass. „Wir bieten Kaffee         her Pass gibt und dass sie einen An­             Probleme anvertrauen können.“                Stadt unterstützt die Bahnhofsmission
oder Tee an und natürlich belegte Brote“,      spruch darauf haben“, erzählt Daferner.             Zum Einsatz kommt die Bahnhofs­           dabei, Tickets für die Busfahrt in die
erzählt Susanne Daferner, Leiterin der         „Wir stehen dann mit Rat und Tat zur             mission auch, wenn es um Menschen            Heimat zur Verfügung stellen zu kön­
Bahnhofsmission. Mittags gibt es – je          Seite und helfen, eine solche Unterstüt­         geht, die in Karlsruhe gestrandet sind.      nen. Es gibt aber auch Deutsche, die kein
nachdem, ob genügend Spenden einge­            zung zu beantragen“, fügt sie hinzu. Oft         Als Beispiel nennt sie Osteuropäer, die      Geld haben, um beispielsweise zur Be­
gangen sind – manchmal auch eine war­          gehe es bei den Gesprächen aber auch             sich in Deutschland eine Existenz auf­       erdigung von Familienangehörigen nach
me Suppe. In erster Linie kommen be­                                                                                                         Hause zu fahren. Auch in solchen Fällen
dürftige Menschen, auch einige Ob­                                                                                                           kann die Bahnhofsmission mit einem Ti­
dachlose sind dabei. „Manche Rentne­                                                                                                         cket helfen.
rinnen und Rentner, die kaum Geld zum                                                                                                           „Unser Team besteht offiziell aus 33
Leben haben, sind täglich da“, sagt sie.                                                                                                     Ehrenamtlichen, aufgrund von Corona
Die Menschen wissen, dass die Bahn­                                                                                                          haben aber einige ihr Engagement ein­
hofsmission ein Ort ist, an dem sie sich                                                                                                     gestellt“, erzählt Daferner, die aktuell
aufhalten können, und nicht nur ein war­                                                                                                     nur noch auf etwa 20 Helferinnen und
mes Getränk und einen kleinen Imbiss                                                                                                         Helfer zurückgreifen kann. „Wir haben
bekommen, sondern auch jemanden fin­                                                                                                         wirklich große Personalprobleme und
den, mit dem sie reden können. „Wir hel­                                                                                                     würden uns über Menschen freuen, die
fen bedingungslos, unabhängig von Ge­                                                                                                        uns unterstützen wollen“, sagt sie. Un­
schlecht, Hautfarbe oder Nationalität“,                                                                                                      terstützung braucht die Bahnhofsmissi­
versichert Daferner.                                                                                                                         on aber nicht nur durch ehrenamtliche
   „Es gibt auch in unserer Stadt viele                                                                                                      Helfer, sondern auch finanziell: „Wir
Menschen, die in großer finanzieller Not                                                                                                     sind bei unserer Arbeit auf Spenden an­
sind, und es gibt viele einsame Men­                                                                                                         gewiesen“, sagt Daferner. Martina Erhard
schen“, weiß Daferner. Die Besucher                                                                                                             Wer helfen möchte, kann dies mit einer
freuen sich darauf, mit anderen Besu­                                                                                                        Spende tun: Bahnhofsmission Karlsruhe
chern und mit den Ehrenamtlichen ins           Susanne Daferner leitet die Bahnhofsmission in Karlsruhe. Sie und ihr Team                    IBAN DE6466 0501 0100 2279 1107 bei
Gespräch zu kommen. Da wird dann               kümmern sich vor allem um bedürftige Menschen.                       Foto: me                 der Sparkasse Karlsruhe­Ettlingen.
KIRCHEN ZEITUNG Unser tägliches Brot - Sonderveröffentlichung der Badischen Neuesten Nachrichten in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche ...
38. Ausgabe | 8. April 2022                                     KIRCHEN ZEITUNG                                                                                                 5

Vom Container auf den Teller                                                              Bedürfnis nach Bildung
Benjamin Fink rettet Lebensmittel aus dem Müll                                            vhs bietet breites Themenspektrum für alle Altersgruppen

M      ehrmals in der Woche zieht Benja­
       min Fink nachts durch die Stra­
ßen. Was er dabei im Schilde führt
                                             Samstagabend volle Obst­ und Gemüse­
                                             regale zu haben.“ In vielen Geschäften
                                             gehe man nicht sorgfältig mit den Waren
                                                                                          D     er Name Volkshochschule sagt es
                                                                                                bereits: An der vhs gibt es Bildungs­
                                                                                          angebote für alle. „Die vhs zeichnet sich
macht ihn, juristisch betrachtet, zum        um, oft wandere beispielsweise ein gan­      durch ein breites Themenspektrum aus
Straftäter, denn er begeht regelmäßig        zes Netz Obst in den Müll, obwohl nur        und spricht alle Gesellschaftsschichten
Diebstahl. In Abfallcontainern von Su­       eine Frucht verdorben sei, so Fink.          und alle Altersgruppen an“, sagt Pro­
permärkten sucht er nach Lebensmit­             Seit er wisse, welchen Mengen an          grammdirektorin Stefanie Wally. In ih­
teln, die noch essbar sind. „Containern“     Nahrungsmitteln dieses Schicksal wi­         ren Aufgabenbereich fallen unter ande­
nennt man dies, die Aktiven selbst sa­       derfährt, fühle er sich regelrecht ver­      rem die Rubriken Kreativität und Kultur,
gen, sie „retten“ Lebensmittel.              pflichtet, in das Räderwerk dieses Sys­      Gesellschaftspolitik und Familienbil­
   „Es kann nicht sein, dass solche Men­     tems einzugreifen: „Ich fühle mich           dung. „Ich bin aber auch für die Kinder­
gen an guten Lebensmitteln einfach           schlecht, wenn ich es nicht tue“, bekennt    und Jugendkurse und den Gesundheits­
weggeworfen werden, nur um bis zum           er. „Es ist eine ethische, eine moralische   bereich zuständig“, fügt sie hinzu.
                                             Kraft, die mich dazu bringt.“                   „An der vhs geht es aber nicht nur um
                                                Wobei es unterschiedliche Herausfor­      Bildung, sondern auch um den Aus­
                                             derungen gibt, an die ersehnten Lebens­      tausch“, erklärt Wally. Man sitze in den
                                             mittel zu kommen: „Manche Tonnen             Kursen oftmals mit Menschen zusammen,
                                             stehen ganz frei und direkt an der Stra­     die einem im Alltag nicht unbedingt be­
                                             ße, sodass man nicht einmal auf das          gegnen würden, meint sie. Da ist es zum        Als Programmdirektorin bei der vhs
                                             Grundstück gehen muss.“ Das sei ihm          Beispiel möglich, dass in einem Vortrag        ist Stefanie Wally für Bildungsange­
                                             am liebsten, denn rein rechtlich – dessen    aus der Reihe „Kunstgeschichte“, in dem        bote in verschiedenen Bereichen zu­
                                             ist er sich bewusst – begeht er mit dem      es um den flämischen Maler Anthonis van        ständig.                     Foto: privat
                                             unbefugten Betreten des fremden              Dyck geht, die Bäckereiverkäuferin neben
                                             Grundstücks Hausfriedensbruch und            der Professorin sitzt und dass sie miteinan­
                                             macht sich allein dadurch bereits straf­     der ins Gespräch kommen. „Verständnis          chert Wally. „Jeder kann sich das raussu­
                                             bar. Gelegentlich gleiche der Entsor­        und Kommunikation, das ist unser tägli­        chen, was für ihn am besten passt.“ Da
                                             gungsbereich eines Supermarkts auch          ches Brot“, so die Programmdirektorin.         wird der Anfänger ebenso fündig wie der
                                             einer kleinen Festung: „Es gibt welche,         Aber was motiviert die Menschen da­         Beinahe­Profi. Dies gilt nicht nur, aber
                                             bei denen man über eine Mauer klettern       zu, vhs­Kurse zu besuchen? „Sie wollen         vor allem im Sprachbereich. Hier weist
                                             muss, und es gibt teilweise Kamera­          einen Ausgleich zum Alltag schaffen, sie       Wally auch auf die Integrationskurse hin,
                                             überwachung.“ Wichtig sei ihm, bei sei­      wollen sich neue Welten erschließen, sie       in denen Zugewanderte Deutschkennt­
                                             nen Aktionen keinen Schaden anzurich­        wollen lernen und sie wollen mit Men­          nisse erwerben können. „Wir verfolgen
                                             ten. So verlasse er den Ort immer sauber     schen zusammenkommen, die ihre Inte­           dabei einen interdisziplinären Ansatz“,
                                             und aufgeräumt.                              ressen teilen“, zählt Wally auf. Für den       erklärt sie. Weshalb nicht nur die Sprache
                                                Für alle, die sich ebenfalls über Ver­    großen Bereich „Gesundheit“, in dem es         vermittelt werde, sondern beispielsweise
                                             schwendung von Lebensmitteln ärgern,         unter anderem um Fitnesstraining, Rü­          auch die Kultur, fügt sie hinzu.
                                             aber nicht in Containern danach suchen       ckenschule, Yoga oder Meditation gehe,            Stefanie Wally macht die Erfahrung,
                                             möchten, hat Benjamin Fink noch eine         komme natürlich noch hinzu, dass die           dass das Bedürfnis nach Bildung prinzi­
                                             Empfehlung: Beim „Foodsharing“ ge­           Menschen etwas für ihren Körper, für ih­       piell zunehme. Und sie hat auch eine Er­
Um an die Mülltonnen zu kommen,              ben Restaurants und Supermärkte frei­        re Gesundheit tun wollen, erklärt sie.         klärung dafür: „Je komplexer die Welt
muss Benjamin Fink teilweise sogar           willig Lebensmittel ab, die nicht mehr          „In allen Fachgebieten gibt es Angebo­      ist, desto größer ist das Bedürfnis, diese
über Mauern klettern.     Foto: privat       verkauft werden können. Tobias Tiltscher     te auf unterschiedlichen Niveaus“, versi­      Welt zu verstehen.“             Martina Erhard

Frisches Brot wird wieder beliebter
Jörg Glutsch führt bereits in vierter Generation die Bäckerei im Karlsruher Norden

D    ie Leute kaufen heute wieder mehr
     Brot“, sagt Jörg Glutsch aus Neu­
reut. Der 56­jährige Bäckermeister aus
                                             vergangenen Jahr ihre Gesellenprüfung
                                             abgeschlossen und möchte noch ihren
                                             Betriebswirt und Meister draufsatteln.
                                                                                          Schrank. Nach diesen Rezepten zu ba­
                                                                                          cken, erfordere aber auch Fertigkeiten,
                                                                                          die heute so nicht unbedingt mehr ver­
                                                                                                                                           Nachwuchs ist im Bäckerhandwerk
                                                                                                                                         wie generell im Handwerk rar, weiß Jörg
                                                                                                                                         Glutsch, der sich als stellvertretender
dem Karlsruher Norden sieht darin eine         Jörg Glutsch, der schon als Kind in der    mittelt würden, meint Jörg Glutsch. Auf        Obermeister der Bäckerinnung auch um
Entwicklung, die er noch vor zehn Jah­       Bäckerei mitarbeitete, hat noch viele alte   Ersatzprodukte verzichtet er: alles hand­      die Nachwuchswerbung bemüht. Ein
ren für undenkbar gehalten hätte. „Und       Rezepte von Vater und Großvater im           gemacht.                                       Grund dafür sind sicher auch die frühen
dieser Trend hält an“, freut er sich. Dass                                                                                               Arbeitszeiten:     Für    Bäckermeister
wieder mehr Brot aus der Bäckerei um                                                                                                     Glutsch und seine Tochter beginnt der
die Ecke gekauft wird, hat auch viel mit                                                                                                 Arbeitstag bereits um 3 Uhr. Zunächst
der Corona­Pandemie zu tun. Woran es                                                                                                     wird das Brot gebacken, dann kommen
genau liegt, kann der Bäckermeister                                                                                                      die Brötchen und Brezeln dran, zuletzt
nicht sagen. Vielleicht auch, weil viele                                                                                                 geht es an die süßen Sachen, Kuchen und
im Homeoffice die „klassische Vesper“                                                                                                    Torten. Hinzu kommt Traditionsgebäck
für sich wiederentdeckt haben. Auf je­                                                                                                   wie das Lämmle zu Ostern oder der
den Fall ist es eine schöne Veränderung,                                                                                                 Dambedei zu Nikolaus oder auch die
konstatiert Jörg Glutsch, denn jetzt fän­                                                                                                Neujahrsbrezel. Dann, an den Feier­ wie
den wieder vermehrt jüngere Menschen                                                                                                     auch Samstagen, laufen die Backöfen
den Weg zu ihm ins Geschäft.                                                                                                             auf Hochtouren.
  Die Bäckerei Glutsch ist ein kleines                                                                                                     Durch die Pandemie ist seine Bäckerei
familiengeführtes Unternehmen mit                                                                                                        verhältnismäßig gut gekommen. Einige
zehn Mitarbeitern. Es besteht bereits seit                                                                                               Lieferungen sind weggefallen, dafür su­
1894. Heute wird es von Jörg Glutsch                                                                                                     chen einige Kunden in der Mittagspause
und seiner Frau Stephanie in vierter Ge­                                                                                                 den Weg aus dem Homeoffice in die be­
neration geführt – und mit Tochter Maxi­                                                                                                 nachbarte Bäckerei. Dabei fällt die Wahl
ne steht schon die fünfte Generation in      Bäcker Jörg Glutsch mit seiner Tochter Maxine in der Backstube: Mit ihr steht               dann oft auf ein „süßes Stückle“.
den Startlöchern. Die 20­Jährige hat im      bereits die fünfte Generation in den Startlöchern.                    Foto: mm                                              Markus Mickein
KIRCHEN ZEITUNG Unser tägliches Brot - Sonderveröffentlichung der Badischen Neuesten Nachrichten in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche ...
6                                                              KIRCHEN ZEITUNG                                                                   38. Ausgabe | 8. April 2022

In Deutschland zeigt man sich solidarisch mit den Ukrainern: Auch in Karlsruhe (hier Bilder von einer Kundgebung, die am 3. März auf dem Marktplatz statt­
gefunden hat) gehen die Menschen zu tausenden auf die Straßen und schwenken die blau­gelben Fahnen der Ukraine oder selbstgebastelte Peace­Zeichen. Fotos: me

Freiheit und Demokratie
Die Menschen in der Ukraine kämpfen um das, was ihnen wichtig ist

Von unserem Redaktionsmitglied               Herrscher im Kreml, würde doch eine        sich gegen einen Diktator zur Wehr set­       rung wird sich der Diktator eines Tages
Martina Erhard                               solche Entwicklung eventuell sogar Be­     zen muss.                                     verantworten müssen.
                                             gehrlichkeiten im eigenen Land wecken.        Eltchaninoff liefert aber auch eine          Im Zusammenhang mit der Ukraine

D     er Mensch lebt nicht vom Brot al­
      lein“, so sprach Jesus, als er vom
Teufel in Versuchung geführt wurde.
                                             Ein Angriffskrieg, verbunden mit der
                                             Absetzung der ukrainischen Regierung
                                             rund um Präsident Wolodymyr Selen­
                                                                                        weitere Erklärung für den Angriffskrieg
                                                                                        auf die Ukraine. Diese Erklärung hat mit
                                                                                        dem Philosophen Ivan Iljin zu tun, dem
                                                                                                                                      gibt es aber auch noch zwei Aspekte zu
                                                                                                                                      bedenken, die nur am Rande mit diesem
                                                                                                                                      furchtbaren Angriffskrieg zu tun haben:
Wir Menschen brauchen tatsächlich            skyj und der Etablierung einer dem Ag­     Lieblingsphilosophen des russischen           Es geht dabei um Flüchtlinge und es geht
mehr, als nur materielle Dinge, um           gressor genehmen Marionettenregie­         Diktators. Der Philosoph, der 1954 starb,     um Brot.
glücklich und zufrieden zu leben. Ein­       rung, war daher ein logisches Ziel, zu­    sprach vom „dekadenten Westen“, der
dringlich demonstrieren das seit Wo­         mindest dann, wenn man der Logik des       die „russische Unschuld“ missbrauche.           Krieg verschlimmert
chen die mutigen Menschen in der             „lupenreinen Demokraten“ folgt.            Iljin sah den Westen als Gefahr für die         Lage in Afrika
Ukraine, die sich gegen den Aggressor                                                   Sowjetunion, da er darauf bedacht sei,           Während in Deutschland, in Polen und
aus dem übermächtigen Nachbarland              Völkerrechtswidriger                     die einzelnen Staaten aus dem Gesamt­         in anderen Ländern Europas die Men­
mit allen ihnen zur Verfügung stehenden        Angriffskrieg                            gefüge herauszulösen. Der Kremlherr­          schen aus der Ukraine mit großer Empa­
Mitteln zur Wehr setzen. Sie kämpfen            Die angebliche Gefährdung Russ­         scher sieht sich als der von Iljin prophe­    thie und Herzenswärme aufgenommen
für Freiheit und Demokratie und setzen       lands durch die Nato­Osterweiterung        zeite Retter des großrussischen Reiches,      werden, sterben an der Grenze zwischen
dafür ihr Leben aufs Spiel.                  war also nie ein Grund für den völker­     eines Reiches, dem die Ukraine angehö­        Belarus und Polen immer noch Flücht­
   Im Jahr 1941, dem Jahr also, als Hitler   rechtswidrigen Angriff auf den souverä­    ren muss. Ein weiterer Ideengeber ist         linge an Erschöpfung, Hunger und
die Sowjetunion überfiel, verfassten Al­     nen Nachbarstaat. Es ging dem Kriegs­      nach Eltchaninoffs Ansicht auch der Po­       Durst. Es handelt sich um Menschen aus
tiero Spinelli, Ernesto Rossi und Euge­      herrn immer nur darum, seine eigene        litiker Aleksandr Dugin, der in seinen        Syrien, Afghanistan oder dem Jemen.
nio Colorni die Denkschrift „Per un‘Eu­      Machtposition zu stärken, weshalb er       Büchern von einem „eurasischen Impe­          Auch sie sehnen sich nach Freiheit, Frie­
ropa libera e unita“. Es ging darin um ein   auch nicht davor zurückschreckt, Lügen     rium“ schwärmt.                               den und Sicherheit. Angesichts der gro­
freies und einiges Europa. Die drei Ita­     über die angebliche Schuld der Nato zu        Der russische Machthaber hat sich im­      ßen und berechtigten Solidarität mit den
liener waren Antifaschisten und Musso­       verbreiten und diejenigen Teile der rus­   mer offen zu diesen Zielen bekannt. Er        Flüchtlingen aus der Ukraine darf ihr
lini­Gegner und kamen aufgrund ihrer         sischen Bevölkerung, die sich gegen den    hat nie ein Geheimnis daraus gemacht,         Schicksal jedoch nicht vergessen wer­
politischen Einstellung in ein Internie­     Krieg aussprechen, mundtot zu machen.      dass er Iljin und Dugin verehrt und dass      den. Gleiches gilt für jene Menschen, die
rungslager auf der Insel Ventotene. Dort        Der französische Philosoph Michel       er ein großrussisches Reich anstrebt.         noch immer in den Flüchtlingslagern,
entstand die Denkschrift, in der ein ge­     Eltchaninoff hat sich in den zurücklie­    Auch wenn man dies im Westen nicht se­        zum Beispiel auf Lesbos, ausharren.
eintes Europa als Lösung beschrieben         genden Jahren intensiv mit der Gedan­      hen konnte oder wollte, die Ukrainer ha­         In den ärmsten Ländern der Erde ver­
wurde, um Krieg, Diktatur und Imperia­       kenwelt des russischen Machthabers         ben den mächtigen Nachbarn im Osten           schärft der Krieg in der Ukraine den
lismus zu bekämpfen. Sie wurde als           auseinandergesetzt und beschreibt Russ­    immer richtig eingeschätzt. Sie wissen,       Hunger, zum Beispiel in Somalia. Dort
„Manifest von Ventotene“ bekannt und         land als „Scheindemokratie“. Politische    was auf sie zukommt, sollten sie wieder       verhungern die Menschen. Am Horn
gilt als eines der Urdokumente der EU.       Gegner wurden und werden systema­          ein Teil Russlands werden. Entspre­           von Afrika sind aufgrund der Klimaer­
Auch wenn die Vision der drei Autoren        tisch ausgeschaltet, Justiz und Presse     chend erbittert kämpfen sie und ihr muti­     hitzung schon mehrere Regenperioden
sogar noch wesentlich weiterging und         gleichgeschaltet. Der Herrscher be­        ger Präsident für ihre Freiheit und für die   ausgefallen, es herrscht die schlimmste
sie gar von einer Auflösung der Natio­       stimmt, was die Wahrheit ist. Man kann     Demokratie in ihrem Land und entspre­         Dürre seit über 40 Jahren. Der Krieg ist
nalstaaten träumten, so ist die EU doch      dies „Scheindemokratie“ nennen, aber       chend verzweifelt appellieren sie an den      nicht Auslöser dieser Katastrophe, er
zu einem Garanten für Frieden, Freiheit      auch Diktatur, denn ein Aufbegehren ge­    Westen, sie in diesem Kampf zu unter­         verschlimmert aber das Elend der Men­
und Demokratie geworden.                     gen die Staatsmacht und ein Hinterfra­     stützen. Wie wichtig diese Unterstüt­         schen, denn das Getreide, das gekauft
   All das, was für uns eine Selbstver­      gen der Staatspropaganda wird mindes­      zung ist, kann man tagtäglich an den Bil­     werden müsste, um die größte Not zu
ständlichkeit ist, wollten auch die Ukrai­   tens mit Gefängnis bestraft.               dern aus Mariupol, Charkiw, Kiew oder         lindern, wird durch den Krieg uner­
ner haben. Nach dem Ende der Sowjet­            An dieser Stelle sei ein Exkurs er­     den anderen ukrainischen Städten sehen.       schwinglich. Russland und die Ukraine
union machten sie sich – mit Umwegen –       laubt: Liebe Quer­ beziehungsweise An­     Weltweit lösten zuletzt die Gräueltaten,      produzieren rund 30 Prozent aller welt­
auf, ein freies und demokratisches Land      dersdenker, die ihr monatelang durch die   die in Butscha, einer Kleinstadt in der       weiten Weizenexporte. Die fruchtbaren
zu erschaffen. Aber genau das fürchtet       deutschen Innenstädte gezogen seid, um     Nähe von Kiew, von russischen Soldaten        Böden in der Schwarzmeerregion gelten
der russische Aggressor. Wenn eine ehe­      gegen die „Diktatur“ in diesem Land zu     verübt worden waren, Entsetzen aus.           als die „Kornkammer“ Europas. Der rus­
malige Sowjetrepublik in der Lage ist,       kämpfen, hoffentlich zeigen euch die       Männer, Frauen und Kinder wurden bru­         sische Angriffskrieg tötet also nicht nur
eine gesunde Demokratie zu etablieren,       Bilder aus der Ukraine und aus Moskau,     tal ermordet. Für diese verheerenden          durch Raketen, sondern auch durch den
bedeutet dies die größte Gefahr für den      was es tatsächlich bedeutet, wenn man      Kriegsverbrechen an der Zivilbevölke­         Mangel an Brot.
KIRCHEN ZEITUNG Unser tägliches Brot - Sonderveröffentlichung der Badischen Neuesten Nachrichten in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche ...
38. Ausgabe | 8. April 2022                                    KIRCHEN ZEITUNG                                                                                         7

„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“
Dafür sorgen die Beiertheimer Tafel und die Essensausgabe im Herz­Jesu­Stift

W       ir leben in einem Land, in dem die
        überwiegende Mehrheit der Men­
schen genug zu essen und ein Dach über
                                                                                                                                 Betrieb aufrechtzuerhalten, sind die Bei­
                                                                                                                                 ertheimer Tafel und die Essensausgabe
                                                                                                                                 auf Spenden angewiesen.
dem Kopf hat. Doch eine steigende An­                                                                                               „Wir haben während der Corona­Krise
zahl von älteren Menschen, Alleinerzie­                                                                                          diese Angebote, die für alle Bedürftigen
henden, Familien mit Kindern und von                                                                                             eine feste Größe in Karlsruhe sind, auf­
Einzelpersonen, ist auch in unserer Stadt                                                                                        rechterhalten und wollen sie auch künf­
auf kostengünstige Lebensmittel ange­                                                                                            tig weiterentwickeln. Doch um das dau­
wiesen. Diese Menschen leiden oft auch                                                                                           erhaft stemmen zu können, sind wir auf
an sozialer Verarmung, d.h. sie können                                                                                           Geld­ und Warenspenden angewiesen
nicht ausreichend am gesellschaftlichen                                                                                          und auf engagierte Menschen, die uns bei
Leben teilhaben. Ein Ausflug ins nahege­                                                                                         unserer Arbeit unterstützen“, sagt Claus­
legene Hallenbad, ein Kino­ oder Theater­                                                                                        Dieter Luck, Leiter der Abteilung Bera­
besuch sind im monatlichen Budget ein­                                                                                           tung und Arbeit der Karlsruher Caritas.
fach nicht vorgesehen. Die Folge ist, dass                                                                                       „Die Unterstützung aus den Kirchenge­
Menschen vereinsamen und ihre Armut                                                                                              meinden ist uns dabei eine große Hilfe.
aus Scham vor anderen verstecken.                                                                                                Gemeinsam sorgen wir dafür, dass auch
   Wenn Christen an Ostern die Aufer­        Zur Essensausgabe im Herz­Jesu­Stift kommen wohnungslose Menschen und               die benachteiligten Menschen in unserer
stehung Jesu feiern, tun sie dies oft im     Menschen in schwierigen Lebenssituationen.               Foto: CV Karlsruhe         Stadt das tägliche Brot bekommen, um
Kreis der Familie, die zu einem Fest­                                                                                            das wir im Vater Unser beten.“
essen zusammenkommt. Doch wie sieht                                                                                                                    Caritasverband Karlsruhe
ein Festmahl bei denjenigen aus, die kei­    zelnen gestärkt werden. Und das nicht     tionen, die hier ein warmes Mittagessen
ne Unterkunft haben oder die sich keine      nur im Vorfeld von Festtagen, sondern     einnehmen können und darüber hinaus
Lebensmittel leisten können?                 beständig das ganze Jahr über! Dabei      die Möglichkeit haben, sich untereinan­
   Hier können die Beiertheimer Tafel        legt die Beiertheimer Tafel ihren Fokus   der auszutauschen oder auch Beratung         INFOS
und die Essensausgabe im Herz­Jesu­          auf Menschen in finanziellen Notlagen,    in Anspruch zu nehmen.
Stift, beides Einrichtungen des Caritas­     die über einen Kundenausweis Lebens­         Beide Einrichtungen arbeiten eng zu­      www.caritas­karlsruhe.de/tafel,
verbandes Karlsruhe e.V., mit ihrem Le­      mittel und Drogerieartikel zu einem       sammen. Bei Bedarf vermitteln sie zu         E­Mail: tafel@caritas­karlsruhe.de
bensmittelangebot und der Möglichkeit        symbolischen Preis einkaufen können.      den Fachdiensten des Beratungs­ und          www.caritas­karlsruhe.de/hjs,
zum Austausch etwas dazu beitragen,          Zur Essensausgabe im Herz­Jesu­Stift      Familienzentrums Caritashaus, wie            E­Mail: herz­jesu­stift@caritas­
dass materielle Grundbedürfnisse be­         kommen wohnungslose Menschen und          etwa zum Caritassozialdienst oder zur        karlsruhe.de
friedigt und das Wohlbefinden des Ein­       Menschen in schwierigen Lebenssitua­      Schuldnerberatung. Um den laufenden

       Damit auch an Ostern der Teller gefüllt wird
   Dafür sorgen wir mit                                                                                                   Dafür sorgen Sie mit
                                                  www.caritas-karlsruhe.de
   unseren Lebensmitteln:                                                                                                 Ihrer Spende:
                                                                                                                          Spendenkonto
   n     Beiertheimer Tafel                                                                                               Caritasverband Karlsruhe e.V.
                                                                                                                          Bank für Sozialwirtschaft
                                                                                                                          IBAN DE17 660205000001741700
   n     Essensausgabe                                                                                                    oder online unter
                                                                                                                          www.caritas-karlsruhe.de/spende
         im Herz-Jesu-Stift
                                                                                                                          Stichwort: „Beiertheimer Tafel“
                                                                                                                          oder
                                                                                                                          Stichwort: „Herz-Jesu-Stift“

                                                   Frohe Ostern für alle!
  Caritasverband Karlsruhe e.V.
  Abteilung Beratung und Arbeit
  mit Beiertheimer Tafel:                          Marie-Alexandra-Str. 35, 76135 Karlsruhe
                                                   Tel: (0721) 35 48 501, E-Mail: tafel@caritas-karlsruhe.de
  mit Essensausgabe im Herz-Jesu-Stift:            Gellertstr. 41, 76185 Karlsruhe
                                                   Tel: (0721) 721 531 24 20, E-Mail: herz-jesu-stift@caritas-karlsruhe.de
KIRCHEN ZEITUNG Unser tägliches Brot - Sonderveröffentlichung der Badischen Neuesten Nachrichten in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche ...
8                                                          KIRCHEN ZEITUNG                                                                  38. Ausgabe | 8. April 2022

Selbstbestimmung bis
zum letzten Atemzug
Gesundheitliche Versorgungsplanung
                                           Pflegeeinrichtungen individuell und be­
                                           dürfnisorientiert helfen, eine Vorstel­
                                           lung zu entwickeln, was für sie wichtig
                                           ist, und zwar im Hinblick auf medizini­
                                           sche und pflegerische Behandlungen
                                           und Interventionen sowie die palliative

S    elbstbestimmung ist in jeder Le­
     bensphase ein zentrales Anliegen.
Auch das Lebensende ist hiervon nicht
                                           und psychosoziale Versorgung. Gesetz­
                                           liche Grundlage ist die Verabschiedung
                                           des Hospiz­ und Palliativgesetzes 2015,
ausgenommen. Um sicherzustellen,           mit dem die gesundheitliche Versor­
dass auch am Lebensende der Wille des      gungsplanung für die letzte Lebenspha­
Menschen handlungsleitend bleibt, bie­     se nach § 132g SGB V eingeführt wurde.
tet der Badische Landesverein für Innere   Durch entsprechende Vereinbarungen
Mission (BLV) Bewohner*innen seiner        mit den Krankenkassen können vollsta­
Pflegeeinrichtungen die Gesundheitli­      tionäre Pflegeeinrichtungen und Ein­        Regina Kammerer (links) bei der Beratung zur gesundheitlichen Versorgungs­
che Versorgungsplanung nach § 132g         richtungen der Eingliederungshilfe seit­    planung.                                                           Foto: BLV
SGB V an. In diesem begleiteten Ge­        dem dieses Beratungsangebot mit den
sprächsprozess haben Bewohner*innen        Krankenkassen abrechnen. Um die Be­
die Möglichkeit, ihre eigenen Wünsche,     ratung durchführen zu können, kann          im Notfall behandelt werden möchte,          Lieblingsgebete oder Lieder über die
Vorstellungen und Bedürfnisse für alle     man sich zur Berater*in der gesundheit­     wird im Notfallbogen festgehalten. Das       Krise hinweghelfen.
Lebensphasen schriftlich festzulegen –     lichen Versorgungsplanung in der letz­      ist eine ganz wichtige Neuerung.             n Welche Rückmeldungen erhalten
insbesondere für den pflegerischen, me­    ten Lebensphase weiterbilden lassen.        n Wie stellen Sie sicher, dass die Ent­        Sie zu Ihrer Arbeit?
dizinischen und spirituellen Bereich.      n Die Selbstbestimmung der Men­               scheidungen tatsächlich den Wün­          Regina Kammerer: Zunächst wird der
Diese Dokumente geben dem sozialen            schen ist für Sie handlungsleitend.         schen der Person entsprechen?             Beratungsprozess von den Betroffenen
Umfeld Handlungssicherheit für künfti­        Erzählen Sie uns etwas darüber?          Regina Kammerer: In enger Zusammen­          häufig als anstrengend erlebt. Meine
ge medizinische Entscheidungen und         Regina Kammerer: Ja, zentral ist die        arbeit mit unserem Vorstand, Christine       Fragen lösen ja aus, dass sich die Person
die Vorgehensweise im Notfall sowie für    Selbstbestimmung jeder einzelnen Per­       Jung­Weyand, habe ich Leitfragen für         ganz aktiv mit Themen auseinander­
den Fall der dauerhaften Einwilligungs­    son – dies betrifft schon die Planung der   mein Angebot entwickelt. Diese drehen        setzt, die man möglichweise bisher be­
unfähigkeit.                               Gespräche zur Versorgungsplanung. Es        sich darum, was der Person im Leben in       wusst vermieden hat. Wenn die Person
   Wir sprachen mit Regina Kammerer,       steht der Person frei, das Beratungsange­   verschiedenen Bereichen wichtig ist und      es jedoch schafft, sich auf die entspre­
die als ausgebildete Gesundheits­ und      bot anzunehmen. Auch kann der Prozess       war. Wir nennen das Wertebogen. Damit        chenden Gedanken und Prozesse einzu­
Krankenpflegerin mit der entsprechen­      gestoppt, pausiert und ggf. zu einem spä­   versuche ich, die Person zum freien Er­      lassen, kehrt eine gewisse Art von Ruhe
den Weiterbildung seit 2019 im BLV als     teren Zeitpunkt wieder aufgenommen          zählen zu bewegen. Während die Frage         und Sicherheit ein. „Jetzt kann ich wie­
Beraterin Versorgungsplanung arbeitet,     werden. Ebenso entscheidet die Person       „Was sind Ihre Werte?“ für viele Men­        der ruhig schlafen“ – diesen Satz habe
darüber, wie ihre Beratung den Men­        ganz individuell, wer bei dem Gespräch      schen zu abstrakt ist, frage ich u. a. da­   ich nach der Beratung schon öfter ge­
schen Klarheit und Sicherheit geben        dabei sein soll – Angehörige, Vertrau­      nach, was für die Person leitend im Le­      hört. Das ist natürlich eine tolle Bestäti­
kann sowie die letzte Lebensphase mit      enspersonen oder auch der Hausarzt.         ben war, welche Bezugspersonen wich­         gung für meine Arbeit. Einmal haben
Ruhe und Gewissheit antreten lässt.        Manchmal ist es sinnvoll, dass die ge­      tig sind oder waren, welche Erlebnisse       mich auch Angehörige angerufen und
                                           setzliche Betreuung dabei ist, um die In­   aus der Vergangenheit die Entscheidun­       sich bedankt. Durch die Dokumente, die
nFrau Kammerer, gesundheitliche           halte des Gespräches mitzuverfolgen.        gen bis heute beeinflussen. Eine zentrale    wir kurz vorher gemeinsam entwickelt
  Versorgungsplanung, was ist das ei­      Ziel der Gespräche ist es, die Selbstbe­    Frage ist auch die Frage nach der geistig­   hatten, bekamen sie die Sicherheit, in
  gentlich?                                stimmung auch am Lebensende zu ge­          spirituellen Haltung. Diese Haltung be­      der Klinik die Behandlungswünsche ih­
Regina Kammerer: Die gesundheitliche       währleisten, bspw. im Hinblick auf die      einflusst häufig die Lebensführung und       res Angehörigen zu vertreten. Das wird
Versorgungsplanung für die letzte Le­      Änderung bisheriger Behandlungswün­         die Einstellung zu Lebenskrisen. Bei ei­     meist als unglaubliche Erleichterung in
bensphase soll Bewohner*innen von          sche. Auch die Entscheidung, wie man        ner gläubigen Person können bspw.            dieser schwierigen Situation erlebt.
KIRCHEN ZEITUNG Unser tägliches Brot - Sonderveröffentlichung der Badischen Neuesten Nachrichten in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche ...
38. Ausgabe | 8. April 2022                                    KIRCHEN ZEITUNG                                                                                          9

Ein Vierteljahrhundert im Verwaltungsrat des
Badischen Landesvereins für Innere Mission
Nachruf auf Dr. Hans­Joachim Kessler

D    er stellvertretende Verwaltungs­
     ratsvorsitzende Dr. Hans­Joachim
Kessler ist im März 2022 verstorben.
                                            für junge pflegebedürftige Menschen
                                            (Junge Pflege), Menschen mit körperli­
                                            chen und geistigen Behinderungen oder
                                                                                                                                       Für seine Lebensleistung ist Herrn Dr.
                                                                                                                                    Kessler sehr großer Respekt zu zollen.
                                                                                                                                    Die Übernahme eines Ehrenamts ist mit
Noch Anfang 2022 wurde ihm für seine        psychischen Erkrankungen. Auch bietet                                                   einer hohen Selbstverpflichtung verbun­
25­jährige Tätigkeit das Kronenkreuz in     der BLV in der Waldstadt und in der Süd­                                                den. Die Hingabe, mit der sich Herr Dr.
Gold verliehen. Diese Ehrung hat Sym­       weststadt eine Vielzahl von generatio­                                                  Kessler über Jahrzehnte für gesellschaftli­
bolkraft. Als Zeichen der Wertschätzung     nenübergreifenden Austausch­ und Un­                                                    che Anliegen einsetzte, ist außergewöhn­
wird diese Auszeichnung an Persönlich­      terstützungsmöglichkeiten im Rahmen                                                     lich. Um es mit den Worten von Wilhelm
keiten verliehen, deren Handeln in be­      der Quartiersprojekte an.                                                               Freiherr von Humboldt auszudrücken:
sonderem Maße durch die Übernahme              Herr Dr. Kessler brachte sein be­                                                    „Alles, was wir mit Wärme und Enthusi­
sozialer Verantwortung innerhalb einer      triebswirtschaftliches Fachwissen in                                                    asmus ergreifen, ist eine Art von Liebe.“
diakonischen Einrichtung bestimmt ist.      seiner Funktion als stellvertretender                                                      Wir danken ihm sehr für die Kompe­
  Herr Dr. Kessler war eine solche Per­     Verwaltungsratsvorsitzender des BLV                                                     tenz, Kraft, Ausdauer, Hingabe und Be­
sönlichkeit. Als stellvertretender Ver­     seit Jahrzehnten ehrenamtlich ein. Sein                                                 geisterung, mit der er sich im BLV eh­
waltungsratsvorsitzender prägte er seit     Erfahrungswissen auf dem Gebiet der                                                     renamtlich engagiert hat und werden ihn
1996 maßgeblich die Entwicklung des         Unternehmensführung konnte Herr Dr.                                                     als einen sehr warmherzigen und humor­
Badischen Landesvereins für Innere          Kessler im Laufe seiner Berufstätigkeit     Dr. Hans­Joachim Kessler prägte seit        vollen Menschen in Erinnerung behal­
Mission (BLV) in Karlsruhe mit.             als hauptamtlicher Vorstand großer in­      1996 die Entwicklung des BLV in             ten, der mit großem Verantwortungsbe­
  Seit der Gründung im Jahr 1849 ent­       ternationaler Betriebe im Bereich des       Karlsruhe.                                  wusstsein Mitarbeitende wie Bewohne­
wickelte sich der BLV stetig weiter.        Anlagenbaus unter Beweis stellen. Sei­                                                  rinnen und Bewohner förderte und
Heute gehört er zu einem der größten so­    ne Expertise im Bereich des Risikoma­                                                   gleichzeitig mit einer tief empfundenen
zialen Komplexeinrichtungen in Baden.       nagements, der Bilanzierung und Bud­        der Landesehrennadel durch das Land         Menschlichkeit immer wieder sehr un­
Mit seinen derzeit 800 Mitarbeiter*in­      getierung sowie der Change­Manage­          Baden­Württemberg. Neben vielen wei­        terstützte.
nen ist er nicht nur ein großer Arbeitge­   ment­Prozesse sind für den BLV all die      teren Ehrenämtern in Karlsruher Verei­
ber im Stadt­ und Landkreis Karlsruhe,      Jahre von unschätzbarem Wert gewe­          nen, Institutionen und Organisationen
sondern leistet als Sozialunternehmen       sen.                                        hat sich Herr Dr. Kessler viele Jahre als
einen erheblichen Beitrag für das Allge­       Das große ehrenamtliche Engagement       Vorsitzender und zuletzt als Ehrenvorsit­
meinwohl. Er umfasst sowohl Einrich­        von Herrn Dr. Kessler beschränkte sich      zender des Bürgervereins Weststadt ver­
tungen der Alten­, Kinder­ und Jugend­      allerdings nicht nur auf die Aufgaben im    dient gemacht. Die Karlsruher Bürger
hilfe, Schulen, Kitas als auch Angebote     BLV. Davon zeugte auch die Verleihung       lagen ihm am Herzen.

Kolping­Kolleg Karlsruhe
Abi nachholen in Karlsruhe – Plan B fürs Leben!

D     och noch Abi? Oder die Fachhoch­
      schulreife nachholen? Dann kann
das Kolping­Kolleg Karlsruhe die pas­
                                            ven, die sich dadurch eröffnen. Das Kol­
                                            ping­Kolleg Karlsruhe ist in der Süd­
                                            weststadt am Kolping­Platz unterge­
                                                                                        gestellt. In begründeten Ausnahmefäl­
                                                                                        len kann auch eine vom Arbeitsamt be­
                                                                                        scheinigte Arbeitslosigkeit berücksich­
                                                                                                                                      Bei Interesse wenden Sie sich bitte
                                                                                                                                    an:
                                                                                                                                    Kolping­Kolleg Karlsruhe,
sende Anlaufstelle sein: Die Tagesschu­     bracht, momentan lernen hier ca. 60         tigt werden.                                Karlstraße 115, Tel: 07 21 / 68 03 28 50
le ist eine staatlich anerkannte Einrich­   KollegiatInnen. Sie sind mindestens 18         Anders als zum Beispiel an den           info@kolping­kolleg­karlsruhe.de
tung des zweiten Bildungsweges der          Jahre alt, haben die Mittlere Reife oder    Abendgymnasien findet der Unterricht          Alle Anmeldeformulare finden Sie
Erzdiözese Freiburg, in der junge Er­       einen gleichwertigen Bildungsab­            tagsüber statt, was vielen ebenso entge­    auf unserer Homepage
wachsene die allgemeine Hochschulrei­       schluss und bereits eine zweijährige Be­    genkommt wie die persönliche Atmo­          www.kolping­kolleg­karlsruhe.de
fe in drei Jahren und die Fachhochschul­    rufsausbildung oder eine zweijährige        sphäre und die Möglichkeit, während           Auf Wunsch können wir Ihnen die
reife in zwei Jahren erlangen können –      berufliche Tätigkeit hinter sich. Famili­   der Ausbildungszeit elternunabhängiges      Anmeldeformulare auch gerne per Post
samt aller neuen beruflichen Perspekti­     enzeit wird einer Berufstätigkeit gleich­   BAföG zu erhalten.                          zuschicken.

                                                                                        Abitur nachmachen
                                                                                        am Kolping-Kolleg Karlsruhe …
                                                                                        ▪ In zwei Jahren zur Fachhochschulreife
                                                                                        ▪ In drei Jahren zum Abitur
                                                                                        ▪ Schulgebühr pro Monat 37,50 Euro
                                                                                        ▪ Elternunabhängiges BAföG, das nicht zurückbezahlt werden muss
                                                                                        ▪ Unterricht tagsüber

                                                                                                          Kolping-Kolleg Karlsruhe
                                                                                                          Karlstraße 115 am Kolpingplatz | 76137 Karlsruhe
                                                                                                          www.kolping-kolleg-karlsruhe.de
                                                                                                          info@kolping-kolleg-karlsruhe.de
KIRCHEN ZEITUNG Unser tägliches Brot - Sonderveröffentlichung der Badischen Neuesten Nachrichten in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche ...
Sie können auch lesen