KIRCHEN ZEITUNG - Katholisches Dekanat Karlsruhe

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KIRCHEN ZEITUNG - Katholisches Dekanat Karlsruhe
35. Ausgabe

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 Ostern als Neuanfang Was lässt uns hoffen? Das Gute behalten

 KIRCHEN ZEITUNG
 Foto: Tiltscher

Sonderveröffentlichung der Badischen Neuesten Nachrichten
in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche Karlsruhe
und der Katholischen Kirche Karlsruhe vom 26. März 2021.
KIRCHEN ZEITUNG - Katholisches Dekanat Karlsruhe
2 KIRCHEN ZEITUNG 35. Ausgabe | 26. März 2021

Die Osterzeit – eine Zeit der Hoffnung
Die Auferstehung Jesu ist Unterpfand dafür, dass am Ende das Leben über den Tod siegen wird

I hr Menschen kommt ins Helle!“ Ein
 altes englisches Osterlied bringt für
mich die Stimmung an Ostern gut zum
 wird auch den Weg zurück in die Zeit
 nach diesen schweren Monaten prägen.
 Wir sind als Menschen einander Solida-
 Feierlichkeiten sind Anlass für Demut
 und zur Dankbarkeit dafür, dass wir trotz
 Auschwitz gemeinsam mit Jüdinnen und
Ausdruck. Der Winter geht zu Ende, die rität schuldig. Es könnten Hoffnungszei- Juden in diesem Land leben.
Natur erwacht, die Menschen suchen das chen aus diesen Monaten erwachsen für Noch sitzen viele allein am Tisch und
Freie und die Sonnenstrahlen wärmen eine gefährdete Schöpfung und für ge- warten auf Menschen, mit denen wieder
wieder. Hoffnung macht sich breit. In schundene Länder. Es könnten Frieden, Begegnung möglich ist. Für Christen ist
diesem Jahr ist die Osterstimmung ge- Gerechtigkeit und die Bewahrung unse- Ostern nicht nur mit dem Frühling ver-
dämpft. Ein langes Jahr im Kampf mit rer Schöpfung nachhaltiger ins Bewusst- bunden. Die Auferstehung Jesu ist Un-
der Pandemie liegt hinter uns. Die Schä- sein treten. terpfand dafür, dass am Ende das Leben
den sind beträchtlich. Wirtschaftlich, Der schöne Ostertag! In dieser Ausga- über den Tod siegen wird. „Was euch
psychisch und sozial machen sich die be der Kirchenzeitung sind Hoffnungs- auch niederwirft, Schuld, Krankheit,
Einschränkungen deutlich bemerkbar. zeichen zu finden. Sie zeigen, dass es Flut und Beben – er, den ihr lieben dürft,
Arme trifft es stärker als Reiche – das gilt noch nie leicht gewesen ist und dass Le- trug euer Kreuz ins Leben.“ Das Oster-
für Menschen wie für Nationen. ben und Sterben, Recht und Unrecht na- lied erinnert daran, dass unsere Hoff-
 Die Osterzeit ist trotzdem auch in die- he beieinander liegen. Sie zeigen aber nung nicht vergeblich ist.
sem Jahr eine Zeit der Hoffnung. Der auch, dass die Hoffnung auf Leben stär- Ich wünsche Ihnen, dass die Lektüre
Impfstoff wird vermutlich im Laufe des ker ist. Exemplarisch dafür steht z.B. der Ihre Hoffnung wachsen lässt.
Jahres weltweit immer mehr vorhanden Kommentar über jüdisches Leben in
sein, die alten Freiräume werden lang- Deutschland. In diesem Jahr erinnern wir Dr. Thomas Schalla, Dekan der Evan-
sam wieder zurückkehren. Die Erfah- daran, dass seit 1.700 Jahren jüdisches Gesegnete Ostertage! gelischen Kirche in Karlsruhe
rung, dass unser Leben gefährdet ist, Leben Kultur und Leben geprägt hat. Die Thomas Schalla Foto: privat

 ▪ Impressum

 Die Kirchenzeitung
 Gemeinsame Geschichte
 S eit mindestens 1.700 Jahren man die „Bevölkerung gegen Anti-
 35. Ausgabe

 Die Kirchenzeitung ist eine Beilage gibt es jüdisches Leben in semitismus immunisieren“.
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 Ostern als Neuanfang Was lässt uns hoffen? Das Gute behalten

 KIRCHEN ZEITUNG der Badischen Neuesten Nachrich- Deutschland. Belegt ist dies durch Dem ist uneingeschränkt zuzu-
 ten (BNN), der Evangelischen Kir- ein Dekret Kaiser Konstantins, das stimmen, und die Juden in
 che in Karlsruhe und der Katholi- im Jahre 321 dem Kölner Stadtrat Deutschland sind sehr aktiv, wenn
 Foto: Tiltscher

 schen Kirche Karlsruhe. zugestellt wurde und welches es es um diese Aufklärung geht. Sie
 den Juden ermöglichen sollte, in wollen zeigen, dass das Judentum
 eben diesen Stadtrat berufen zu mehr ist als die Erinnerung an die
 werden. Ein Ereignis, das in die- Shoah. Der Zentralrat der Juden
 sem Jahr gefeiert wird. hat zum Beispiel das Projekt
 Dass es heute, 76 Jahre nach En- „Meet a Jew“ ins Leben gerufen.
 Noch sitzen die Menschen oft al- de des Zweiten Weltkriegs und Es soll Kindern und Jugendlichen
 leine am Tisch. Doch die Hoff- nach den Verbrechen der Shoah, die Möglichkeit geben, mit Juden
 nung ist da, dass man sich bald wieder ein buntes und vielfältiges ins Gespräch zu kommen.
 wieder mit Freunden und Ver- jüdisches Leben in Deutschland Doch es hilft auch ein unvorein-
 Sonderveröffentlichung der Badischen Neuesten Nachrichten
 wandten in geselliger Runde wird gibt, ist keine Selbstverständlich- genommener Blick in die Ge-
 in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche Karlsruhe
 und der Katholischen Kirche Karlsruhe vom 26. März 2021.
 treffen dürfen. keit, sondern ein Wunder, für das schichte, um zu erkennen, wie be-
 man dankbar sein muss. Umso be- reichernd sich seit Jahrhunderten
 schämender ist es, dass die Schau- jüdisches Leben auf Deutschland
 n Redaktion: spielerin Susan Sideropoulos sa- auswirkt. So ist zum Beispiel der
 Evangelische Kirche in Karlsruhe: Thomas Schalla (ts), gen muss, dass sie nie eine Philosoph Moses Mendelssohn,
 Markus Mickein (mm), Kira Busch-Wagner (kbw) Synagoge gesehen habe, die nicht einer der bedeutendsten Gelehrten
 Katholische Kirche Dekanat Karlsruhe: Hubert Streckert (hs), von der Polizei habe geschützt seiner Zeit, untrennbar mit der
 Tobias Tiltscher (tt), Susanne Rohfleisch (sr), Björn Schmid (bs) werden müssen, und dass ihre Kin- deutschen Aufklärung des 18.
 n Redaktionsleitung: Martina Erhard (me) der sie nach dem Anschlag von Jahrhunderts verbunden. Namen
 n Titelbild: Tobias Tiltscher Halle nach dem „Warum“ gefragt wie Franz Kafka, Kurt Tucholsky
 n Anschrift der Redaktion: hätten. „Es gibt Menschen, die uns oder Hannah Arendt verdeutli-
 Kirchenzeitung, Evangelisches Dekanat Karlsruhe, Juden nicht mögen“, so die Ant- chen, um wieviel ärmer die deut-
 Reinhold-Frank-Straße 48, 76133 Karlsruhe wort. Doch diese Antwort wirft zu- sche Kultur ohne die jüdischen
 E-Mail: kirchenzeitung-karlsruhe@gmx.de
 v.i.S.d.P. Hubert Streckert gleich die nächste Frage auf: Wie- Einflüsse wäre. Aber auch in Me-
 Die Redaktion freut sich über Rückmeldungen und Leserbriefe. so gibt es auch heute noch dizin und Wissenschaft spielten
 Die nächste Ausgabe erscheint am 23. Juli 2021 Antisemitismus? Josef Schuster, Juden eine große Rolle: Sigmund
 (Redaktionsschluss: 23. Juni 2021). Präsident des Zentralrats der Juden Freud, Albert Einstein oder der
 n Anzeigenleitung: Ulf Spannagel in Deutschland, macht einen Er- Namensgeber des – im Zusam-
 n Satz und Druck: Badische Neueste Nachrichten klärungsversuch. „Das Wissen in menhang mit Impfstoffen – be-
 n Die Kirchenbezirke im Internet: der Bevölkerung über jüdische kannten Paul Ehrlich-Instituts,
 www.ev-kirche-ka.de; www.kath-karlsruhe.de Vergangenheit und jüdische Ge- sind hier beispielhaft zu nennen.
 genwart ist sehr gering. Mangeln- Das Festjahr „1.700 Jahre jüdi-
 des Wissen aber führt zu Vorurtei- sches Leben in Deutschland“ soll-
 len. Und diese Vorurteile werden te also ein willkommener Anlass
 von Generation zu Generation wei- sein, um sich umfassend und vor-
 tergegeben.“ Schuster fordert da- urteilsfrei mit dem Judentum aus-
 her Aufklärung, denn nur so könne einanderzusetzen. Martina Erhard
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35. Ausgabe | 26. März 2021 KIRCHEN ZEITUNG 3

Ostern als Neuanfang
Die Bibel nennt viele Beispiele: Von Paulus bis zum „ungläubigen Thomas“

J etzt, nach mehr als einem Jahr Coro-
 na, hoffen so viele auf einen Neuan-
fang. Der Einzelhandel, die Verantwort-
lichen in den Altersheimen, die Kirchen
und Gemeinden, alle, die im Bildungs-
wesen tätig sind und viele mehr. Doch
etwas als „Neuanfang“ zu bezeichnen,
hört sich zunächst ein bisschen doppelt
gemoppelt an. Anfang ist doch schon
neu, oder? Was ist am Neuanfang anders
als am Anfang?
 Wenn wir von Neuanfang reden, dann
setzt das voraus, dass es schon einmal ei-
nen Anfang gab. Dass dem Anfang eine
Geschichte sich anschloss. Dass es im
Lauf der Geschichte dann zu einem
Bruch kam, zu einer Krise. Und dass
dann ein Neuanfang an der alten Ge-
schichte wieder anknüpft, aber unter
neuen Bedingungen, im Wissen um den
Einschnitt, im Bewusstsein, nicht ein-
fach weitermachen zu wollen, sondern
die Erfahrungen der Krise mit aufneh-
men zu müssen, aufnehmen zu können,
und so Verantwortung zu übernehmen
für das Vergangene, für das Neue.
 Ostern ist solch ein Neuanfang. Da
gibt es die Geschichte des biblischen
Gottes mit seinem Volk Israel. Dazu ge-
hört das Leben Jesu. Er predigt, heilt,
vertreibt Dämonen, speist Menschen
und isst mit ihnen, hat Gemeinschaft.
Dann wird Jesus gefangengenommen
und stirbt am Kreuz. Für alle, die mit
ihm unterwegs waren, die von ihm lern- Michelangelo Merisi da Caravaggios Gemälde „Der ungläubige Thomas“ entstand um 1600 und hängt in der Bildergalerie
ten, mit ihm lebten, aßen, feierten, ein des Schlosses Sanssouci. Thomas will den Zusammenhang begreifen zwischen der Geschichte vor der Kreuzigung und
furchtbarer Einschnitt, eine Krise: alles dem Neuanfang von Ostern. Foto: wikipedia
steht in Frage, was war. Die Evangelis-
ten erzählen von den Verstörten. Es
kommt zu Verleugnung, Flucht, Neuanfang, mit all den Erfahrungen der Selig sind die, die den Neuanfang an bruch ins Unbekannte möglich, wo Gott
Schmerz, Trauer, Zorn, Verzweiflung, gemeinsamen Zeit und der Krise eine Ostern zu ihrer Geschichte zählen und einen Neuanfang schenkt.
Apathie. Dann ereignet sich Ostern, die neue Aufgabe. darauf vertrauen, nach Krisen, nach Zer- Ein solcher ist sicher auch der Mo-
Auferweckung, die Wahrnehmung: Je- Zu den Ostergeschichten gehört auch störung, Trennung, Schmerz neu anfan- ment, als im 2. Buch der Chronik (36,23)
sus lebt. die vom sogenannten „ungläubigen gen können. Das ist ihre Aufgabe. der persische Großkönig Kyros – wel-
 Paulus ist der erste Zeuge, von dem Thomas“ (Joh 21). Bei einer der Erschei- Es ist das Verdienst des Thomas, cher im Buch Jesaja (45,1) an einer Stel-
wir Schriftliches haben. Ihm erscheint nungen des Auferstandenen ist Thomas handgreiflich (!) im Gespräch mit Jesus le übrigens als ein „Messias“ bezeichnet
der Auferstandene, er erfährt eine Beru- nicht mit dabei. Als die anderen ihm von die Brücke zu schlagen. Eine liturgische wird, also als ein „Christus“, ein von
fung. Nachdem er sich eine Zeitlang zu- der Begegnung erzählen, gibt er sich Gestalt dafür ist die 40tägige Passions- Gott Gesalbter – das jüdische Volk aus
rückgezogen hat, dann abgestimmt mit nicht damit zufrieden. Er will Jesus die und Fastenzeit, nämlich als eine Zeit der der Krise der babylonischen Gefangen-
den Aposteln, nimmt er Reisen und Ge- Hand in dessen Wunden legen, in die an Umkehr, eine Bußzeit auf Ostern hin. schaft nach Hause entlässt.
spräche wieder auf. Ein Neuanfang: mit seiner Seite, in die seiner Hände. Tho- Dem Neuanfang an Ostern entspricht Eine gewichtige Gruppe wird in Ba-
Tod und Auferstehung sieht er die Völ- mas will den Zusammenhang begreifen auch, dass sich die Auferweckung am bylon bleiben. Später wird die größere,
ker der Welt um Christi willen einbezo- zwischen der Geschichte vor der Kreuzi- ersten Tag der Woche ereignet (vgl. Mk umfangreichere, wirkmächtigere jüdi-
gen in den Glauben an den biblischen gung und dem Neuanfang von Ostern. 16,1f). Nicht am siebten, am Schabbat, sche Schriftensammlung der babyloni-
Gott. Jesus – so erzählt der Evangelist Johan- am Ruhetag Gottes. In den christlichen sche Talmud heißen. Trotzdem ist das
 Im Johannesevangelium (20,21) nes – lässt ihn gewähren. Die Wunden Gemeinden ist das oft nicht mehr be- Kyros-Edikt ein Neuanfang für die, die
schenkt Jesus den gerade noch hilflosen der Vergangenheit sind spürbar. Genau wusst, nachdem vor 1700 Jahren Kaiser bleiben und für die, die gehen.
Jüngern den Geist und sendet sie zur so gelingt ein neuer Anfang. Darauf darf Konstantin den Ruhetag in seinem Als Neuanfang verstehen die bibli-
Sündenvergebung. Ausgerechnet der Thomas vertrauen. Reich mit dem Sonntag verknüpft hat. schen Bücher Esra und Nehemia den
Feigling Petrus erhält den Auftrag Zugleich tröstet der Evangelist, mit Biblisch hat am Ersten Tag Gott sein Wiederaufbau Jerusalems mit seiner
(21,17): Weide meine Schafe! Was für dem, was Jesus dem Thomas sagt, seine Schöpfungswerk begonnen. An Ostern Mauer und ganz besonders dem Tempel.
ein Neuanfang. Gemeinde, die ja – etliche Jahrzehnte ereignet sich der Neuanfang als neue Auch diese beiden Bücher schließen an
 Matthäus berichtet (Kapitel 28) da- nach der Auferstehung – Jesus nicht Schöpfung. die Erfahrung in Babylon an; mit großer
von, dass nicht nur der Engel am Grab leiblich erlebt hat, die den Neuanfang Gibt es noch mehr Geschichten von Erwartung sehen sie auf eine neue Gene-
den Frauen etwas von einer Begegnung nicht selbst miterleben konnte. Johannes großen Neuanfängen in der Bibel? ration, mit großer Hoffnung auf Gottes
mit Jesus in Galiläa erzählt, sondern tröstet die, für die Passion und Ostern Durchaus, etwa als Gott Abraham auf Wirken.
auch Jesus selbst die Jüngerinnen mit selbst schon Teil ihrer eigenen Glau- den Weg schickt. Abrahams Vorfahren, Weil Neuanfänge aus Krisen erwach-
dieser Botschaft betraut, den anderen zu bensgeschichte sind und die zu ihrer Zeit so erzählt die Genesis, das erste Buch sen, können sie sich nicht nahtlos anei-
sagen, nach Galiläa zu kommen, dort- nun andere schwere Krisen erleben. „Se- Mose (Kapitel 11), gehen zurück bis auf nanderreihen. Man muss aus ihnen her-
hin, wo sie herkamen. Jetzt gibt es einen lig sind die, die nicht sehen und doch Sem, den Sohn Noahs. Abrahams Vater vorgehen wie das Küken aus dem Ei.
Neuanfang. „Matthäi am Letzten“ glauben“, lässt der Evangelist seine Ge- Terach war mit der Familie aus Ur auf- Wer einen Neuanfang wagt, wer sich der
(28,16ff), „auf dem Berg“, vermutlich meinde durch Jesu Mund hören. Selig gebrochen, um nach Kanaan zu ziehen. Vergangenheit und ihrer Krise bewusst
dem der Bergpredigt, sagt der Aufer- die, die in ihren Krisen auf den vertrau- Dann aber haben sie sich sozusagen auf ist und genau das mitnimmt in die Zu-
standene seine Gegenwart und Hilfe zu en, der schwer verwundet durch den Tod halbem Wege in Haran angesiedelt. Der kunft, gestaltet verantwortungsvoll
und sendet seine Jünger in alle Welt. Ein hindurch ging und Neuanfang schenkt. Bruch mit der Familie macht den Auf- Neues. Kira Busch-Wagner
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„Ich hoffe auf ein richtig cooles Jahr“
Trotz Pandemie und Schicksalsschlägen gibt es viele Gründe, optimistisch zu sein

U m „Hoffnung und Neuanfang“ geht es in der Osterausgabe der Kirchenzeitung. Für manche Leser mag es angesichts der grassierenden Corona-Pandemie ein irritierendes
 Thema sein, doch auch in diesen Zeiten gibt es Menschen, die hoffnungsvoll in die Zukunft blicken, oder Menschen, die anderen dabei helfen, wieder Mut zu fassen. Da ist
zum Beispiel der Student, der seinen Auslandsaufenthalt plant. Da gibt es aber auch den Trauerbegleiter, der Menschen dabei unterstützt, nach schweren Schicksalsschlägen
wieder einen Neuanfang zu wagen. Und auch im beruflichen Umfeld gibt es positive Entwicklungen, wie die Gründung eines „Coworking Space“ beweist, eines Raums, der
den Nutzern das mobile Arbeiten erleichtert.

Mit Erasmus nach Istanbul und Rom
Der Student Toni Heusch freut sich auf zwei faszinierende Städte

I stanbul und Rom, diese beiden Städte
 hat sich Toni Heusch für seine Aus-
landssemester ausgesucht. Der 24-jähri-
 Toni Heusch möchte die verbleiben-
 den Monate nutzen, um Grundzüge der
 türkischen Sprache zu erlernen. „Die
 bin ich eigentlich in mehrfacher Hin-
 sicht positiv gestimmt“, freut er sich.
 Zum einen ist da die Vorfreude auf den
ge Dortmunder, der seit über fünf Jahren Vorlesungen sind zwar auf Englisch, Auslandsaufenthalt, zum anderen die
in Karlsruhe lebt und am KIT Wirt- aber es ist sicher nützlich, einige Wörter Erleichterung, weil Ende März sein
schaftsingenieurswesen studiert, möch- zu beherrschen, vor allem, wenn man Klausuren-Stress endet, und dann ist da
te sein Masterstudium mit Aufenthalten sich außerhalb der Uni bewegt.“ Glei- ja auch noch der Sommer in Karlsruhe.
in der Türkei und in Italien bereichern. ches gilt übrigens für das Italienische. „Wir alle sehnen uns nach einem richti-
„Insgesamt habe ich zwei Semester für Auch mit dieser Sprache will sich gen schönen Sommer ohne Lock-
mein Auslandsstudium eingeplant“, er- Heusch nun eingehend beschäftigen. down.“ Heusch ist recht zuversichtlich,
zählt der junge Mann und fügt hinzu, Beide Auslandssemester laufen über dass die Virus-Mutationen einge-
dass es im September losgehen soll. Wo- das Erasmus-Programm, ein Förderpro- dämmt werden und dass es mit den
bei er natürlich nur hoffen kann, dass gramm der Europäischen Union. Aber Impfungen vorangeht. „Wenn alles
ihm Corona nicht doch noch einen Strich wie kam es zu dieser speziellen Aus- nach Plan läuft, können wir auch wie-
durch die Rechnung macht. „In der Tür- wahl? „Sowohl Rom als auch Istanbul der ein Semester mit Präsenzveranstal-
kei kommt noch dazu, dass man dort sind nun einmal faszinierende und his- tungen erleben“, ist er überzeugt. Auch
auch die politische Lage im Auge behal- torisch bedeutende Städte“, sagt wenn er mit dem Lockdown und den
ten muss“, meint er. „Noch bin ich aber Heusch. „Und wann kommt man später, Vorlesungen via Internet gut umgehen
in jeder Hinsicht optimistisch. Wenn es im Berufsleben, schon mal dazu, ein hal- konnte, freut er sich darauf, sich wieder
einigermaßen vertretbar ist, will ich rei- bes Jahr in Istanbul zu leben“, meint er. mit den Kommilitoninnen und Kommi- Bereits jetzt bereitet sich Toni Heusch
sen, um die Städte, die Länder und die „Ich hoffe auf ein richtig cooles litonen an der Uni zu treffen. auf seine Auslandssemester in Istan-
Menschen kennenzulernen.“ Jahr“, erzählt der Student. „Im Moment Martina Erhard bul und Rom vor. Foto: me

Briefe an Verstorbene schreiben
Trauerbegleiter Heribert Kampschröer: Rituale helfen bei der Trauerbewältigung

D ie Corona-Pandemie hat nicht nur
 das Leben, sondern auch das Ster-
ben verändert und damit auch die Trauer.
 mand, der Trauernden dabei hilft, den
 Schmerz des Abschiednehmens zu ver-
 arbeiten. Der Pastoralreferent Heribert
 Hospizdienst Ettlingen Trauerbeglei-
 tung an. „Vor allem im zweiten Lock-
 down hat der Wunsch nach Trauerbe-
 „Man kann all das aufschreiben, was man
 dem Verstorbenen gerne noch gesagt hät-
 te und diesen Brief dann am Grab ver-
Wer könnte das besser beurteilen, als je- Kampschröer bietet unter anderem beim gleitung extrem zugenommen“, erzählt brennen.“ Manchen helfe es auch, in der
 er. „Die Gespräche mussten wir aus Si- Gruppe darüber zu sprechen, was sie be-
 cherheitsgründen teilweise am Telefon sonders bewegt. „Sehr schwer wird es,
 führen“, erklärt Kampschröer, fügt aber wenn es um Schuld und Vergebung
 hinzu, dass man auch persönliche Be- geht“, weiß Kampschröer. „Doch so wie
 gegnungen ermöglicht hat, falls die ich den Ehepartner, die beste Freundin
 Trauernden dies wünschten. oder den Bruder nach einem Streit um
 Kampschröer hört in den Gesprächen Verzeihung bitten kann, kann ich auch
 immer wieder, dass es für viele Men- Verstorbene um Verzeihung bitten“, ist er
 schen besonders schwer ist, wenn sie sich überzeugt. Man müsse nur den passen-
 nicht mehr am Sterbebett von ihren den Kontext schaffen, fügt er hinzu.
 Liebsten verabschieden können. Vieles In Trauerseminaren kann auch auf
 muss ungesagt bleiben, so der Trauerbe- symbolische Art die Last der Trauer dar-
 gleiter. „Den Trauernden fehlt zudem der gestellt werden: Aus einer Anzahl ver-
 Trost, den sie erfahren, wenn viele Freun- schieden großer Steine sucht sich jeder
 de und Verwandte zur Beerdigung kom- Teilnehmer den Stein aus, der für die
 men und damit ihre Verbundenheit mit Last steht, die er aktuell zu tragen hat.
 dem Verstorbenen und den Hinterbliebe- „Im Verlauf des Seminars verringert sich
 nen ausdrücken“, sagt er. „Ich bin aber schließlich die Last, und die Steine wer-
 sehr optimistisch, dass solche Rituale den kleiner“, so Kampschröer. Er erzählt
 auch nachgeholt werden können“, versi- von Menschen, die berichten, dass sie
 chert er. In diesem Zusammenhang kann sich nach der Trauerarbeit wieder für an-
 gute Trauerbegleitung hilfreich sein: „In dere Menschen hätten öffnen können,
 Trauerseminaren unterstützen wir die dass sie nach mehreren Jahren wieder
 Teilnehmer dabei, ihre ganz persönlichen hätten Musik hören können, oder dass
 Wege zu finden, um Rituale nachzuho- sie sich wieder auf den Frühling freuten.
Auch im Hospizgarten in Ettlingen führt Pastoralreferent Heribert Kampschrö- len“, erklärt Kampschröer. Als Beispiel „Die Trauer verändert sich, aber sie wird
er regelmäßig Gespräche. Foto: me nennt er das Schreiben eines Briefes. nie wirklich weg sein.“ Martina Erhard
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Beratung aus der Ferne Neue Wege zur Gemeinschaft
Stefanie Schmeck hilft Kindern und Familien durch die Pandemie Mirjam Bosch ist in der kirchlichen Jugendarbeit tätig

 diejenigen Hilfen anzubieten, die ihnen
 momentan besonders nützen.
 Doch gerade diese alltäglichen Be-
 K irchliche Jugendarbeit lebt ganz be-
 sonders davon, jungen Menschen
 persönliche Begegnung zu ermöglichen:
 Hausbar, das Spontane einer zufälligen
 Begegnung in den Jugendräumen, das
 sei mit digitalen Hilfsmitteln nicht zu er-
 gegnungen gestalteten sich in Pandemie- Gruppenstunden, Ausflüge, Ferienlager reichen. Dennoch wird manche Neue-
 Zeiten nicht ganz einfach. Mit den Eltern oder einfach gemeinsam Zeit in den Ju- rung auch nach den Corona-Zeiten wei-
 seien die wertvollen „Tür- und Angel- gendräumen verbringen. Mit dem Be- terbestehen: „Es wird zum Beispiel
 Gespräche“ selten geworden. Den Ko- ginn der Corona-Pandemie wurde all einen Kompakt-Gruppenleiterkurs ge-
 operationspartnern verlässliche Zusagen dies so gut wie unmöglich und es galt, ben, der gemeinsam für mehrere Deka-
 für Räume und Termine zu machen, er- neue Wege zu finden. Ebenso wie ihre nate online angeboten wird.“
 schwerten die strengen Schutzmaßnah- Kolleginnen und Kollegen entwickelt Wenn auch der direkte und intensive
 men, die ständig wechselnden Rahmen- seitdem Mirjam Bosch, Jugendreferen- Kontakt zu den jungen Menschen ihr
 bedingungen. tin im Katholischen Jugendhaus Karls- und ihren Kollegen fehlt, richteten sie
 Zwar verursachten die Umstände viel ruhe, entsprechende Ideen und Metho- den Blick doch nach vorne, meint Mir-
 Frust bei Eltern, Mitarbeitern und Ko- den. Als segensreich hätten sich digitale jam Bosch: „Wir stecken den Kopf nicht
 operationspartnern, entmutigen lasse Hilfsmittel erwiesen, berichtet sie. Zahl- in den Sand“. Denn schließlich nütze es
 sich ihr Team davon aber nicht, betont reiche Anfragen habe sie bekommen, nichts, darüber zu lamentieren, was ge-
 Schmeck: „Anstelle der regelmäßigen wie man am besten Online-Gruppen- rade nicht möglich sei. „Vielmehr müs-
Stefanie Schmeck rechnet damit, dass Gespräche innerhalb des Familienzen- stunden gestalten könne. „Das läuft in- sen wir das tun, was jetzt möglich ist.“
sich die Corona-Lage im Herbst ver- trums bieten wir eine Telefonberatung zwischen in vielen Gemeinden richtig Tobias Tiltscher
bessern wird. Foto: privat an. Wir versuchen, den Kontakt zu den gut“, erzählt sie.
 Familien zu halten.“ Das sei besonders Auch das Jugendhaus selbst habe in
 wichtig, weil die Gefahr, müde zu wer- der digitalen Welt einiges dazugelernt.

E s sind die Begegnung mit Men-
 schen, der Austausch und die Ge-
staltung guter Beziehungen, die Stefanie
 den und zu resignieren, steige, je länger
 die Pandemie andauere.
 Für die Kinder sei es in dieser Zeit be-
 Seit dem letzten Sommer gab es so man-
 che Online-Party, und auch ein sechswö-
 chiger Kochkurs wurde auf die Beine ge-
Schmeck in ihrer Arbeit besonders moti- sonders wichtig, das Leben nicht ganz stellt. Als nächstes beginnt in der
vieren. Als Leiterin des Familienzen- zum Erliegen kommen zu lassen. Veran- Osterwoche eine „Spiri-Intensiv-Wo-
trums Sonnensang liegt ihr das Mitei- staltungen im kleinen Rahmen, ab und zu che“ mit verschiedenen Online-Angebo-
nander in Familien besonders am ein Gottesdienst nur für die Kita-Kinder, ten.
Herzen. „Familien sind sehr verschie- das helfe schon sehr viel, berichtet sie: Selbst Weiterbildungen und Gruppen-
den“, erklärt sie „und der direkte Kon- „Irgendetwas muss doch stattfinden“. leiterkurse, die bisher grundsätzlich in
takt mit Kindern und Eltern ist wichtig, Mit einer grundlegenden Verbesse- Präsenz stattfanden, gab es inzwischen
um zu wissen, was sie brauchen.“ rung der Lage rechnet Schmeck indes online. „Manche hatten zunächst Beden-
 In diesem engen Miteinander bestehe nicht vor September, andere Erwartun- ken, doch schließlich waren alle begeis-
die Idee eines Familienzentrums – im gen scheinen ihr nicht realistisch. Die tert“, erzählt Mirjam Bosch. „Es ist cool,
Unterschied zu einer klassischen Kita. Vorfreude habe sie sich bewahrt, ergänzt jetzt neue Möglichkeiten zu haben“,
Neben den Eltern spielen auch vielfälti- sie: „Ich freue mich, einmal wieder die freut sie sich.
ge Kooperationspartner eine Rolle. Sie Beziehungen mit den Eltern verstärken Den persönlichen Umgang ersetzen
bieten Veranstaltungen innerhalb der zu können und endlich wieder gemein- könnten die digitalen Angebote freilich Mirjam Bosch ist Jugendreferentin
Räumlichkeiten an und setzen darauf, sam Ausflüge zu unternehmen und Feste nicht, das gibt Mirjam Bosch zu. Das im Katholischen Jugendhaus Karls-
Kindern, Eltern und Familien gezielt zu feiern.“ Tobias Tiltscher Ungezwungene eines Treffens an der ruhe. Foto: privat

Mit gemeinsamen Werten unterwegs
Daniel Paulus hat in den Räumen des Evangelischen Gemeindezentrums einen „Coworking Space“ eröffnet

D aniel Paulus kann sich aussuchen,
 wo er arbeitet. Im neuen „Cowor-
king Space“ in der Kreuzstraße 13 ist
 lem „junge Unternehmer und Start-ups,
 Menschen, die im Wertehorizont von
 Kirche tätig sind: denen Nachhaltigkeit,
sein Arbeitsplatz. Doch den teilt er sich soziale Verantwortung und Gerechtig-
mit anderen. Und genau das ist auch die keit wichtig sind“, erklärt Diakon Pau-
Idee dahinter: Einen festen Arbeitsplatz lus, der den „Coworkern“ auch für per-
oder Büro braucht der 38-Jährige nicht. sönliche Gespräche zur Seite stehen
Im „Coworking Space“, einem großen möchte.
und neu hergerichteten Raum, ist das Ar- Das Angebot wird schon jetzt gut an-
beiten am Laptop überall möglich: auf genommen. Räume, um zu wachsen,
Fensterbänken, auf der dreistufigen Em- gibt es auch im Gemeindezentrum. Als
pore, auf Kissen mitten im Raum, in Ses- erster Schritt wird die am bestehenden
seln oder auf dem Sofa. Atmosphärische Coworking Space angrenzende Terrasse
Lichtinstallationen sorgen für Wohlfühl- im Sommer begrünt. „Wir wollen eine
atmosphäre. Die Ausstattung ist hoch- Community bilden, uns gegenseitig be-
wertig. Anklänge an ein Café sind ge- reichern, Impulse setzen und geben. Es
wollt. ist toll, Menschen mit gleicher Innovati-
 Interessierte „Coworker“ hat Daniel onsbereitschaft zusammenzubringen“,
Paulus bereits gefunden. Drei Start-ups findet Daniel Paulus.
haben sich bereits im Space einquartiert. Raum für Ideen: Der neue Coworking Space mit Diakon Daniel Paulus Und er ist überzeugt: „Die Zukunft
Das Interesse an dem Angebot wächst. Foto: mm des Arbeitens liegt nicht nur im Homeof-
Corona-bedingt kann die Kapazität von fice oder im Unternehmen – sondern im
15 Arbeitsplätzen noch nicht ausge- mobilen Arbeiten, im Hybrid-Modell.
schöpft werden. Seit März läuft nun der Wer künftig hier arbeiten will, kann Paulus. Die Zielgruppe für dieses neue Die Menschen sehnen sich nach Begeg-
Testbetrieb für das neue mobile Arbei- sich über ein Buchungssystem anmel- Angebot in den Räumen des Evangeli- nung und Austausch, auch nach dem
ten, „New Work“. Im Sommer soll es den. „Wenn ein Platz frei ist, kann gerne schen Gemeindezentrums in unmittel- analogen Arbeiten, nach einem Mitei-
dann eine große Eröffnung geben. jeder vorbeikommen“, erklärt Daniel barer Nähe zum Marktplatz sind vor al- nander“. Markus Mickein
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Was lässt uns hoffen?
Über die Kraft der Zuversicht in schweren Zeiten und das Besinnen auf gemeinsame Werte

W ie sieht unsere Lebenswirklich-
 keit im Moment aus? Wir hangeln
uns von Lockdown zu Lockdown, ver-
 ropa, welches von vielen als monströses
 Bürokratiegebilde verschrien wird, das
 Beste ist, was den Nationen des Konti-
folgen gebannt die Inzidenzwerte und nents passieren konnte. „Die Europäi-
warten auf einen der begehrten Impfter- sche Union ist das Ende eines fast tau-
mine. Zwischendurch lassen wir uns re- sendjährigen Krieges, den fast alle
gelmäßig mit einem Stäbchen in der Na- gegen fast alle geführt haben“, schreibt
se rumstochern, denn wir wollen ja auf er. Wir sollten also darauf hoffen und al-
Nummer Sicher gehen. All dies sorgt les dafür tun, dass Europa Bestand hat.
nicht gerade für gute Stimmung im Europa steht, anders als von Populisten
Land. An dieser Stelle soll es jedoch um und Nationalisten behauptet, für Werte,
Hoffnung gehen. Denn „Hoffnung und die wir nur gemeinsam schützen kön-
Neuanfang“ lautet das Motto der aktuel- nen. Unter der Überschrift „Hoffen auf
len Kirchenzeitung. Daher wird das Zuflucht“ stellt Prantl die These auf,
Wort „Corona“ in diesem Text nur ein- dass das 21. Jahrhundert einmal daran
mal erwähnt, was hiermit geschehen ist. gemessen wird, wie es mit den Flücht-
 Mancher Leser wird sich fragen, wie- lingen umgegangen ist. Laut Angaben
so man ausgerechnet jetzt über die Hoff- des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten
nung schreiben muss und es eventuell Nationen (UNHCR), waren 2019 welt-
sogar als zynisch abtun. Doch die Erklä- weit fast 80 Millionen Menschen auf der
rung ist ganz einfach: Wenn nicht jetzt, Flucht. Rund 40 Prozent der Vertriebe-
wann dann? „Hoffnungslosigkeit ist ei- nen waren Kinder und Jugendliche unter
ne Extravaganz, die man sich nicht leis- 18 Jahren. Die Menschen flüchten vor
ten kann, wenn es wirklich schlecht Krieg, Umweltkatastrophen und Armut.
steht“, schreibt Heribert Prantl in seinem Nur ein kleiner Teil dieser Flüchtlinge
Buch „Die Kraft der Hoffnung“. kommt nach Europa. Sie machen sich
 Doch wie funktioniert Hoffnung? auf den Weg, weil sie für sich und ihre
Prantl geht davon aus, dass Hoffnung Kinder auf eine bessere Zukunft hoffen.
mit dem eigenen Tun beginnt und lässt Vielleicht sollten wir uns fragen, wie wir
dazu unter anderem den früheren Staats- mit den Menschen und ihren Hoffnun-
präsidenten der Tschechischen Repu- gen umgehen. Könnte es sein, dass die
blik, Václav Havel, zu Wort kommen: Menschen, die zu uns kommen, uns
„Hoffnung ist die Gewissheit, dass et- nicht etwas wegnehmen, sondern uns
was Sinn hat, ohne Rücksicht darauf, bereichern? Gleiches gilt übrigens für
wie es ausgeht“, sagte der Mann, der Ein Bild, das in mehrfacher Hinsicht Hoffnung ausdrückt: Das Kind weiß, ich den Umweltschutz. Wer sagt, dass wir
während der Herrschaft der kommunis- bin in Sicherheit, mein Vater lässt mich nicht fallen. Der Vater hingegen ist vol- nur dann eine Zukunft haben, wenn wir
tischen Partei einer der führenden Re- ler Hoffnung, dass er alles dafür tun wird, damit sein Kind eine gute und lebens- weiter auf schnelle Autos, breite Stra-
gimekritiker der Tschechoslowakei war werte Zukunft hat. Eine Hoffnung, die sich aber nicht nur auf das Private be- ßen, billige Flugreisen und die tägliche
und mehrmals inhaftiert wurde. Nun schränkt. Fotos: me Fleischration setzen? Zugegeben, es
sind wir in der Regel nicht dazu gezwun- sind große Themen, für deren Bearbei-
gen, uns gegen ein Unrechtsregime zur tung man einen langen Atem benötigt,
Wehr setzen zu müssen, doch auch in un- Das Geschlecht, die Hautfarbe, die Na- sichtlich nur eine untergeordnete Rolle. aber man kann die Themen angehen,
serer Gesellschaft mag es Situationen tionalität, die Religion, die Herkunft, Das Beispiel zeigt, dass immer mehr wenn man weiß, dass es sich lohnt.
geben, in denen uns die Hoffnung ab- das alles dürfte also eigentlich keine Menschen, das Trennende hervorheben, „Hoffnung ist die Gewissheit, dass et-
handenkommt. Rolle spielen bei der Bewertung unseres nicht das Verbindende. Man möchte den was Sinn hat“, sagte Václav Havel. Was
 Jetzt, in Pandemie-Zeiten, sind es – Gegenübers. Kritikern zurufen: „Freut euch einfach aber vermittelt uns diese Gewissheit?
jenseits der Hoffnung auf wirtschaftli- Zurzeit hat man jedoch den Eindruck, an einem schönen Gedicht, und hört auf, Was gibt uns die Kraft, auf etwas zu hof-
che Sicherheit – die kleinen Hoffnun- dass genau das Gegenteil der Fall ist, alles zu zerreden und ins Negative zu fen, was vielleicht erst in ferner Zukunft
gen, die im Privaten angesiedelt sind und denn wir lassen uns immer mehr durch ziehen“. Realität wird? Nicht das Bagatellisieren
die vielleicht eher als Vorfreude auf bes- Äußerlichkeiten, durch Zufälle, durch Natürlich darf man Probleme nicht der Probleme gibt uns diese Kraft, son-
sere Zeiten zu bezeichnen wären. Doch Attribute auseinanderdividieren: Darf bagatellisieren, nur um sich besser zu dern der Glaube an das übergeordnete
auch sie geben uns Kraft: Wieder gemüt- eine Frau aus dem Westen einen be- fühlen. „Die Kraft der Hoffnung steckt Ziel. Für die meisten Menschen dürften
lich auf der Terrasse sitzen und mit dem stimmten Job übernehmen, oder muss es nicht im billigen, nicht im blinden Opti- die Kinder und Enkelkinder und der
Mann und guten Freunden ein Fläsch- ein Mann aus dem Osten sein? Die Ant- mismus“, stellt Prantl fest und lässt den Glaube an deren Zukunft ein solch über-
chen Wein genießen, wieder unbeküm- wort müsste lauten: Der Beste oder die Theologen und Widerstandskämpfer geordnetes Ziel sein. Wer wünscht sich
mert auf Fremde zugehen, kein argwöh- Beste muss die Aufgabe übernehmen. Dietrich Bonhoeffer zu Wort kommen, nicht, dass seine Kinder und Enkelkinder
nisches Abschätzen der Abstandsregeln, Gleiches gilt für die Hautfarbe. Es gibt der 1945 von den Nazis ermordet wurde: in einem sicheren Umfeld, in einer ge-
sich wieder zu einer Familienfeier ver- aktuell eine Diskussion darüber, wer das „Optimismus ist in seinem Wesen keine sunden Umwelt und in einer gerechten
abreden, ohne vorher Haushalte und Per- Gedicht „The Hill We Climb“ von Ansicht über die gegenwärtige Situati- Welt leben können. Wenn wir uns darauf
sonen akribisch abzuzählen, mal wieder Amanda Gorman – sie hatte es bei der on, sondern er ist eine Lebenskraft, eine besinnen, dass wir alle Menschen sind,
ein Theaterbesuch, ein Konzert, ein Amtseinführung von US-Präsident Joe Kraft der Hoffnung. Den Optimismus die die gleichen Hoffnungen und Ängste
schönes Abendessen im Restaurant. All Biden vorgetragen – in verschiedene als Willen zur Zukunft soll niemand ver- haben, dass wir alle für unsere Kinder
das wird wiederkommen und wir dürfen Sprachen übersetzen darf. In den Nie- ächtlich machen, auch wenn er hundert- und Enkelkinder das Beste wünschen,
uns schon jetzt darauf freuen. derlanden wurde eine weiße Frau, in mal irrt“. Er ruft uns quasi dazu auf, den kann diese Welt Wirklichkeit werden. Ist
 Doch wir dürfen auch jenseits des Pri- Spanien – für die Übersetzung ins Kata- Kampf für eine bessere Zukunft niemals das naiv gedacht? Vielleicht? Aber man
vaten hoffen, wir dürfen größer hoffen. lanische – ein weißer Mann ausgewählt. aufzugeben. Und es gibt so viele Berei- darf ja hoffen. Martina Erhard
Denn wenn die Erfahrungen der vergan- Entscheidungen, die nun im Netz für Är- che, in denen es sich lohnt, zu kämpfen.
genen Monate eines gezeigt haben, dann ger sorgen, wobei nicht die fachliche In Prantls Buch tut sich eine ganze
dies: Wir sind soziale, wir sind gesellige Kompetenz der potenziellen Übersetzer „Welt der Hoffnung“ auf. Unter ande- Heribert Prantl
Wesen und nicht dazu bestimmt, als Ein- in Frage gestellt wird. Der Einwand lau- rem werden dem Hoffen auf Europa, „Die Kraft
zelgänger durchs Leben zu gehen. Wir tet: Nur eine junge Frau, eine schwarze dem Hoffen auf Zuflucht, dem Hoffen der Hoffnung“
brauchen andere Menschen. Warum also Frau, eine Frau, die über ähnliche Le- auf Heimat oder dem Hoffen auf Wert- Süddeutsche
nehmen wir diese Erfahrung nicht zum benserfahrungen wie die Autorin ver- schätzung eigene Kapitel gewidmet. Da Zeitung Edition 2017
Anlass, um uns auf das zu konzentrieren, fügt, darf das Gedicht übersetzen. Die erklärt er zum Beispiel, welches Wunder ISBN: 978-3-86497-423-6
was uns verbindet. Wir sind Menschen: Qualität der Übersetzung spielt offen- Europa eigentlich ist und dass dieses Eu- 288 Seiten, 24,90 Euro
KIRCHEN ZEITUNG - Katholisches Dekanat Karlsruhe
35. Ausgabe | 26. März 2021 KIRCHEN ZEITUNG 7

Für Menschen in sozialen Notlagen
Der Caritassozialdienst entwickelt seine Angebote weiter / Essensausgabe für Obdachlose

D er Caritassozialdienst CSD ist ein
 ureigener Dienst der Caritas. Das
soziale Beratungsangebot im Bera-
 winnen können“, so Rohfleisch. Die Es-
 sensausgabe des Herz-Jesu-Stifts in der
 Gellertstraße 41 hat außerhalb von Coro-
tungs- und Familienzentrum Caritas- nazeiten an Wochentagen täglich von 9
haus, eine Einrichtung des Caritasver- bis 13 Uhr geöffnet, derzeit nur von 11.30
bandes Karlsruhe e.V., ist eine zentrale bis 13.30 Uhr. Menschen erhalten ein
Anlaufstelle für Menschen in sozialen Frühstück bzw. Lebensmittel und ein
Notlagen. Dorthin kann jeder kommen, warmes Mittagessen. War die Essens-
den persönliche Lebensfragen umtrei- ausgabe bisher auch ein Ort der Begeg-
ben oder der Beratung, Information so- nung und Kommunikation, kann derzeit
wie Hilfe bei der Antragsstellung rund wegen der Ansteckungsgefahr das Essen
um Sozialleistungen benötigt. Der CSD nur „to go“ angeboten werden. Schwes-
hilft auch weiter, wenn sich Menschen ter Alfonsa von der Ordensgemeinschaft
einen Überblick über das Hilfenetz in der „Schwestern vom göttlichen Erlö-
der Stadt Karlsruhe verschaffen wollen. ser“, die bisher die Essensausgabe gelei-
 Offene Sprechstunden zweimal die tet hat, wird die Übergangszeit begleiten
Woche ohne vorherige Anmeldung sorg- und die neuen Caritas-Mitarbeiter und
ten dafür, dass jeder ohne viel „Vorar- -Mitarbeiterinnen in ihre Arbeit einfüh-
beit“ ein offenes Ohr im CSD fand. Doch ren.
gerade in der Corona-Pandemie sind of- Durch die Erweiterung der sozialen
fene Sprechstunden keine Lösung. „Wir Angebote der Karlsruher Caritas sollen
haben unser Angebot über die Zeit hin- sich die Menschen auf ein breites Hilfe-
weg den wechselnden Anforderungen netz verlassen können und Karlsruhe et-
angepasst mit dem Ziel alle Menschen was sozialer machen. Gabriele Homburg
zu erreichen, die unsere Hilfe brau- für den Caritasverband Karlsruhe
chen“, erläutert Claus-Dieter Luck, Ein-
richtungsleiter des Caritashauses. So
wurden für Ratsuchende, die wenig mo-
bil sind oder für die ein Gang zu einer SPENDEN & INFOS
Beratungsstelle unangenehm ist, Tele-
fonsprechstunden und eine Online- Ab dem 1. April kommt als weiterer Baustein des sozialen Angebots die Essens- Wer spenden möchte: Bank für
Plattform eingerichtet, um zeitnah und ausgabe für Obdachlose in Mühlburg hinzu. Der Caritasverband Karlsruhe Sozialwirtschaft, IBAN: DE17
qualitativ hochwertige Beratung über ei- übernimmt in Kooperation mit der Seelsorgeeinheit Allerheiligen die Träger- 6602 0500 0001 7417 00 oder
nen einfachen und sicheren Zugang zu schaft der Essensausgabe der Schwestern des Herz-Jesu-Stifts. Foto: cvka online unter www.caritas-karls-
erhalten. Weiter wurden soziale Sprech- ruhe.de/spende, Stichwort
stunden in verschiedenen katholischen „Herz-Jesu-Stift“.
Seelsorgeeinheiten etabliert, um den Mühlburg übernimmt“, sagt Susanne Herz-Jesu-Stifts, sind von Geld- und Informationen: Claus-Dieter
Menschen zu ermöglichen, innerhalb ih- Rohfleisch, 1. Vorständin der Karlsruher Sachspenden sowie auf ehrenamtliche Luck, Einrichtungsleiter des Be-
res Stadtteils soziale Beratung in An- Caritas. Die Übernahme erfolgt, weil die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur ratungs- und Familienzentrums
spruch nehmen zu können. So gibt es Schwestern vom Göttlichen Erlöser sich Aufrechterhaltung des Betriebs ange- Caritashaus, Telefon 07 21 /
derzeit in Daxlanden und Durlach regel- aus Altersgründen aus der Einrichtung wiesen. „Daher hoffen wir, dass wir als 9 12 43-0, E-Mail: cd-luck@ca-
mäßige Sprechstunden und es sind wei- zurückziehen, so Rohfleisch weiter. Nachfolgeorganisation der Essensaus- ritas-karlsruhe.de, Homepage:
tere in anderen Seelsorgeeinheiten ge- Beide Einrichtungen, die Beierthei- gabe für Obdachlose die bisherigen www.caritas-karlsruhe.de/csd
plant. mer Tafel und die Essensausgabe des Spender und Ehrenamtlichen für uns ge-
 Caritas und Allerheiligen
 vernetzen soziale Arbeit
 Eine weitere Vernetzung zu den Kir-
chengemeinden gibt es über die 2016
eingerichtete Stelle für Kirchensozialar-
beit in der Seelsorgeeinheit Karlsruhe
Allerheiligen. Hier berät eine Kirchen-
sozialarbeiterin, die Mitarbeiterin im
Caritassozialdienst ist, Menschen in
vielfältigen Notlagen.
 Doch gute Beratung reicht nicht im-
mer, wenn das Geld für Lebensmittel
nicht reicht. Daher wurde vor mehr als
einem Jahrzehnt die Beiertheimer Tafel
gegründet, die eng mit dem Caritassozi-
aldienst und der Beschäftigungsförde-
rung im Caritashaus zusammenarbeitet.
Menschen mit einem Kundenausweis
können Lebensmittel und Hygienearti-
kel für etwa ein Zehntel des Discounter-
preises kaufen.
 Ab dem 1. April kommt nun als wei-
terer Baustein des sozialen Angebots die
Essensausgabe für Obdachlose in Mühl-
burg hinzu. „Wir freuen uns, dass der
Caritasverband Karlsruhe in Kooperati-
on mit der Seelsorgeeinheit Allerheili-
gen die Trägerschaft der seit 20 Jahren
bestehenden Essensausgabe der
Schwestern des Herz-Jesu-Stifts in
KIRCHEN ZEITUNG - Katholisches Dekanat Karlsruhe
8 KIRCHEN ZEITUNG 35. Ausgabe | 26. März 2021

Neuanfang für Stadt und Stadtoberhaupt
OB Frank Mentrup: Auch in Corona-Zeiten gibt es Aspekte, die Mut und Zuversicht vermitteln

S eit mehr als einem Jahr hält das Co-
 rona-Virus die Erde nun schon fest
im Griff, und es fällt schwer, optimis-
 immer noch vorsichtig, aber doch etwas
 entspannter mit der Situation um, was
 vor allem älteren und einsamen Men-
tisch in die Zukunft zu blicken: Zumal schen zugutekommt.“
wir nach einer ersten und einer zweiten Nach Mentrups Ansicht können sogar
Welle und einer dritten Welle, die – je die Unberechenbarkeit und die Unsicher-
nach Standpunkt – bereits da ist oder heit, die mit der Pandemie einhergehen,
aber unmittelbar bevorsteht, von der er- positive Aspekte haben: „Im besten Fall
hofften Normalität noch wenig spüren. lernen wir, solche Unsicherheiten in der
„Es gibt aber durchaus Aspekte, die uns Zukunft besser auszuhalten“, erklärt er.
Mut und Zuversicht vermitteln können Um für künftige Krisen besser gewappnet
und die für Hoffnung und Neuanfang in zu sein, könne es hilfreich sein, nicht alles
einer Gesellschaft stehen können“, genau planen zu wollen, sondern auch der
meint Oberbürgermeister Frank Men- Spontaneität Raum zu geben, denn „das
trup. „Wir haben innerhalb eines Jahres muss nicht unbedingt zu schlechteren Er-
unendlich viel über ein bis dahin unbe- gebnissen führen“, ist er überzeugt.
kanntes Virus gelernt“, sagt er. „Und wir Auch der Beitrag der Wissenschaft –
haben auch gelernt, das Virus und die da- innerhalb kürzester Zeit wurden mehre-
mit verbundenen Gefahren besser einzu- re Impfstoffe entwickelt – ist für Men-
schätzen“, fügt er hinzu. Man müsse sich trup ein Grund zur Hoffnung, denn die
nur einmal daran erinnern, welche Ängs- Impfungen werden die ersehnte Freiheit
te viele Menschen im vergangenen Früh- ermöglichen. Obwohl es einen Impf-
jahr ausgestanden hätten, als die Bilder stopp für das AstraZeneca-Vakzin gab,
aus Bergamo zu sehen gewesen seien, so sieht er die Stadt mit den beiden Impf-
der OB. „Viele hochbetagte Menschen zentren – Messe und Schwarzwaldhalle
haben damals ihre Angehörigen über – gut aufgestellt: „In der Messe können
Monate hin nur über den Balkon sehen pro Tag 1.500 Menschen geimpft wer-
und über das Telefon sprechen können“, den, in der Schwarzwaldhalle sind es Oberbürgermeister Frank Mentrup äußert sich auch zu den Plänen, die er in
erzählt er. „Inzwischen gehen wir zwar täglich 750“, sagt er und bezeichnet dies der zweiten Amtszeit angehen will. Foto: me

 als „imposante Leistung“. Die Pandemie aus? Schließlich wurde das Stadtober-
 und die damit verbundenen Einschrän- haupt zwar bereits im Dezember 2020
 kungen hätten zudem gezeigt, wie wich- im Amt bestätigt, der offizielle Start in
 tig zwischenmenschliche Kontakte sei- die zweite Amtszeit war jedoch in die-
 en, ist Mentrup überzeugt. „Die sem Frühjahr. „Für mich fiel mit der
 Menschen wachsen in dieser Krise zu- Wiederwahl natürlich die Unsicherheit
 sammen“, sagt er und sieht darin einen der Bestätigung erst mal weg“, sagt er
 positiven Aspekt: „Ich habe die Hoff- und fügt hinzu, dass er mit einer gewis-
 nung, dass sich die Menschen auch nach sen Gelassenheit in die zweite Amtszeit
 der Pandemie noch daran erinnern wer- gehe. Allerdings hat er sich für die kom-
 den und dass vieles bleiben wird“, meint menden Jahre einen großen Aufgaben-
 er und nennt Beispiele: Da wären etwa katalog zurechtgelegt, der nun nach und
 die Studierenden der Musikhochschule, nach abgearbeitet wird. „Die große Fra-
 die sich – in kleinen, Corona-konformen ge für mich ist, wie es uns gelingt, die
 Gruppen – treffen, um in Innenhöfen von Stadt noch solidarischer zu machen, da-
 Altenheimen Konzerte zu geben. Da ist für zu sorgen, dass wir alle mehr Acht-
 der Einzelhandel, der sich Konzepte samkeit entwickeln“, meint er. Mentrup
 überlegt hat, um die bestellten Waren – ist davon überzeugt, dass der soziale und
 zum Beispiel per Fahrradkurier – um- gesellschaftliche Zusammenhalt auf
 weltfreundlich und sicher zu den Kun- Dauer nur funktioniert, wenn bestimmte
 den zu bringen. „Ich habe aber auch ge- Grundbedürfnisse erfüllt sind: Dazu ge-
 sehen, dass in der Nachbarschaft Sachen hören unter anderem preisgünstige
 zum Mitnehmen rausgestellt wurden, Wohnungen, der Klimaschutz und ein
 um damit jenen zu helfen, die weniger verändertes Verkehrskonzept.
 haben“, erzählt Mentrup. „So sind die
 Leute ganz nebenbei ins Gespräch ge- „Wir müssen neugierig sein
 Sie suchen einen Ort zum Reden? kommen“, freut er sich. auf andere Menschen“
 „Ich bin auch davon überzeugt, dass Ein besonderes Anliegen ist ihm auch
 man im Verzicht lernt, das Alltägliche, die internationale Stadt Karlsruhe. „Wir
 das vermeintlich Selbstverständliche, zu müssen neugierig sein auf andere Men-
 schätzen“, sagt er. Moderne Arten der schen und andere Kulturen, und wir
 Kommunikation, etwa eine WhatsApp, müssen Vielfalt spannend finden“, sagt
 könnten die physische Anwesenheit von er. „Wir sind eine Großstadt mit vielen
 Freunden und Verwandten nicht erset- Angeboten, auf die wir uns einlassen
 zen, sagt er und stellt fest, dass Familien- sollten“, fügt er hinzu. Besonders hebt
 kontakte inzwischen wieder bewusster Mentrup in diesem Zusammenhang den
 brücke Karlsruhe · Kronenstraße 23 · Telefon 0721 38 50 38 geplant werden. In diesem Zusammen- ÖRK-Weltkongress hervor, der im kom-
 Öffnungszeiten: Mo, Di, Do, Fr: 10 bis 13 Uhr sowie 15 bis 18 Uhr, Mi: 16 bis 20 Uhr
 hang äußert er aber auch eine Befürch- menden Jahr in Karlsruhe stattfinden
 tung: „Ich bin mir nicht sicher, ob das wird. „Es wird spannend sein, sich zum
 info@bruecke-karlsruhe.de · www.bruecke-karlsruhe.de Händeschütteln wieder in Mode kommt. Beispiel mit der Frage auseinanderzu-
 Ich fände es aber schade, wenn nicht.“ setzen, wie wir gute Gastgeber sein kön-
 kostenfrei · ohne Voranmeldung · anonym Und wie sieht es mit Frank Mentrups nen“, sagt der OB. „Aber wir wollen
 persönlichem Neuanfang und den damit auch erfahren, wie die Gäste uns und un-
 verbundenen Hoffnungen und Zielen sere Stadt erleben.“ Martina Erhard
KIRCHEN ZEITUNG - Katholisches Dekanat Karlsruhe
35. Ausgabe | 26. März 2021 KIRCHEN ZEITUNG 9

„Niemand musste alleine sterben“
Pflegekräfte des Wichernhauses berichten über die Sterbebegleitung während eines Corona-Ausbruchs

D as Corona-Virus hat die Erde noch
 immer fest im Griff: Menschen
werden krank, Menschen sterben. Be-
 Angehörigen hat den Mitarbeitern viel
 Kraft gegeben: „Es war für uns keine
 leichte Zeit, und wir mussten all das Er-
sonders hart traf und trifft es Alten- und lebte auch erst einmal verarbeiten, denn
Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen al- schließlich sind wir alle Menschen und
so, in denen die Bewohner besonders da gehört Empathie nun einmal dazu.
schutzbedürftig sind. Dieser besondere Man fühlt mit den anderen“, sagt Sava
Schutz, für den Mitarbeiter und Angehö- und gibt zu, in dieser Zeit sehr viel ge-
rige sorgen müssen, hat auch das Ster- weint zu haben. „Ich habe aber auch viel
ben verändert. Wie es sich verändert hat, geredet, vor allem mit meinem Mann.“
davon erzählen Oxana Stranske und Mi- Stranske fügt hinzu, dass ihr der Zusam-
chaela Sava, zwei Pflegekräfte aus dem menhalt im Team besonders geholfen
Wichernhaus, einer Einrichtung der habe. „Wir alle haben uns gegenseitig
Evangelischen Stadtmission. unterstützt und über das Erlebte gespro-
 Anfang des Jahres gab es auf einer chen, denn schließlich ging es ja uns al-
Etage des Wichernhauses einen Corona- len gleich.“
Ausbruch, weshalb in dieser Phase keine
Besucher ins Haus konnten. „Für ster- Leid von Betroffenen
bende Menschen war es besonders präsent machen
schlimm, da weder Angehörige noch Deutschlandweit sind inzwischen
Seelsorger zu ihnen durften“, sagt mehr als 70.000 Menschen an Corona
Stranske, eine examinierte Pflegefach- gestorben. Bundespräsident Frank-Wal-
kraft, die aktuell eine Weiterbildung zur ter Steinmeier kündigte inzwischen an,
Hygienekraft absolviert. Diese Maßnah- dass es am 18. April in Berlin eine zen-
men seien wichtig gewesen, um Bewoh- trale Trauerfeier für die Corona-Toten
ner und Angehörige zu schützen, fügt sie geben wird. Er nennt dies ein Zeichen
erklärend hinzu. dafür, „dass wir als Gesellschaft ge-
 Auf dem Altarbild in der Kapelle der Evangelischen Stadtmission wird Joh. 10,9 meinsam trauern“. Für den Wiener Phi-
 Heilender Seelsorgeauftrag thematisiert. „Jesus spricht: Ich bin die Tür; so jemand durch mich eingeht, der losophieprofessor Konrad Paul Liess-
 der Mitarbeitenden wird selig werden und wird ein und aus gehen und Weide finden.“ mann ist eine solche zentrale Trauerfeier
 In dieser schweren Zeit taten die Mit- Foto: Gerwin Media GmbH nicht ausreichend, wie er in einem Inter-
arbeiterinnen und Mitarbeiter alles, um view mit dem Deutschlandfunk mitteil-
für die Kranken und Sterbenden da zu te. „Ich bin skeptisch. Eine öffentliche
sein. Es ging in dieser Phase nicht nur um waren müde, kaputt und psychisch belas- schen vermittelt, dass sie nicht alleine Trauer ruft bei mir schon auch ein be-
pflegerische und – in Absprache mit Ärz- tet, aber wir haben gegeben, was wir sind.“ Die sterbenden Menschen haben stimmtes Unbehagen hervor“, heißt es
ten – medizinische Maßnahmen, son- konnten.“ Man hat alles dafür getan, da- diese Nähe zu den Pflegekräften ge- dort. „Wir diskutieren Fragen wie, ob es
dern auch und vor allem um Nähe und mit die sterbenden Menschen friedlich braucht: Die Hand halten, das Gesicht ‚an‘ oder ‚mit Corona‘ heißen muss und
Zuspruch, um einen heilenden Seelsor- und in Würde einschlafen konnten: „Nie- streicheln. wer die sogenannte Übersterblichkeit
geauftrag, den sie jeden Tag wahrnah- mand musste alleine sterben.“ In der Einrichtung hat man zudem al- richtig berechnet und wer sie falsch be-
men: „Ich erinnere mich gut an eine Das bestätigt auch Michaela Sava, die les getan, um Angehörige einzubinden. rechnet“, sagt er weiter. „Das sind natür-
Frau, die große Angst hatte, ihre Familie eigentlich in der Tagespflege des Wi- Wo immer es möglich war, wurden Tele- lich angesichts des tatsächlich erlebten
nicht mehr zu sehen und daher einfach chernhauses arbeitet, während des Coro- fonate, auch Videoanrufe, vermittelt. Leids von Menschen wirklich frivole
nicht loslassen konnte“, erzählt Stranske. na-Ausbruchs jedoch auf der Pflegesta- „Es war natürlich auch für die Angehöri- Fragen und frivole Diskussionen.“ Er ist
„Ich habe ihre Hände gehalten, ihr einen tion eingesetzt wurde, da sie selbst gen nicht leicht“, versichert Stranske. daher davon überzeugt, dass eine einma-
Rosenkranz gegeben und ihr aus der Bi- bereits eine Corona-Infektion überwun- „Manche haben jeden Tag angerufen, lige Trauerfeier, die „als übliches Be-
bel vorgelesen“, meint sie. Man habe ge- den hatte und daher als immun galt. „Für um sich nach ihren Lieben zu erkundi- troffenheitsritual“ abgehalten werde,
spürt, dass diese Nähe gutgetan habe, uns war es selbstverständlich, alles zu gen.“ Und Sava fügt hinzu, dass man ei- daran nichts ändern könne. „Es müsste
fügt sie hinzu. Stranske ist eine erfahrene tun, um das Fehlen der Familienmitglie- ne große Dankbarkeit der Angehörigen viel präsenter sein, was es tatsächlich
Fachkraft und vertraut damit, dass Men- der wenigstens einigermaßen auszuglei- erfahren habe. „Sie waren froh, dass wir bedeutet, an diesem Virus zu erkranken
schen sterben. „Es gehört zu unserem chen“, sagt sie. „Jede Berührung, jeder in den letzten Lebenstagen und -stunden und was es bedeutet, als individuelles
Beruf, aber in dieser Phase war es für uns Zuspruch war für die Bewohner wich- für die sterbenden Menschen da waren.“ Schicksal davon betroffen zu sein.“
alle besonders schwer“, gibt sie zu. „Wir tig“, erzählt sie. „Wir haben den Men- Diese Dankbarkeit von Bewohnern und Martina Erhard für die Evangelische Stadtmission
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