Klangspuren des Lebens Personalisierte Musik steigert das Wohlbefinden von

 
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Klangspuren des Lebens Personalisierte Musik steigert das Wohlbefinden von
2 | 2021

                  PRAXIS + FORSCHUNG

Klangspuren des Lebens
Personalisierte Musik steigert
das Wohlbefinden von
Menschen mit Demenz Seite 8
Mobilität im Alter                    Corona in Alters- und Pflegeheimen
– im ÖV Seite 4                       Wie die Pflegefachkräfte im
– beim Wohnen und Umziehen Seite 14   Tessin mit der Dauerbelastung
– bei Demenz Seite 22                 umgehen Seite 16
Klangspuren des Lebens Personalisierte Musik steigert das Wohlbefinden von
EDITORIAL

                                        IMPRESSUM
                                        Herausgeberin
                                        GERONTOLOGIE CH
                                        Kirchstrasse 24                                      Liebe Mitglieder,
                                        3097 Liebefeld
                                                                                             Liebe Leserinnen und Leser,
                                        www.gerontologie.ch
                                        Redaktionsleitung
                                        Regula Portillo,                                     In dieser Ausgabe laden wir Sie ein,
                                        Patrick Probst,                                      Themen zu ent­decken, die in der
                                        komform GmbH
                                        Redaktionskontakt:
                                                                                             Gerontologie eher selten diskutiert
                                        mail@komform.ch                                      werden, wie zum Beispiel Mobilität
                                        031 971 28 69                                        und Musik. Im Vergleich zu den gros-
                                        Redaktion                                            sen sozialen und gesundheitlichen
                                        Camille-Angelo
                                        Aglione, Walliser Alters-                            Fragestellungen, die mit dem Älter-
                                        und Pflegeheime, Valérie                             werden verbunden sind, mögen die-
          MOBILITÄT                     Hugentobler, Haute école                             se Themen möglicherweise anekdo-
                                        de travail social et de la
      4 Zugticket online kaufen?        santé Lausanne; Chris-
                                                                                             tisch wirken. Doch sie leisten einen
        Kein Problem!                   toph Hürny, Arzt; Barbara                            wichtigen Beitrag zur Lebens­qualität
                                        Masotti, Scuola universi-                            älterer Menschen und sollten daher
          MUSIKSPIEGEL                  taria professionale della                            von Fachleuten im Bereich des
      8 Den audiobiografischen          Svizzera italiana; Delphine
                                                                                             Alterns berücksichtigt werden.
        Klängen auf der Spur            Roulet Schwab, Institut
                                        et Haute Ecole de la Santé                              Ein ganzheitlicher Ansatz für das
          INTERVIEW                     La Source (HES-SO);                                  Altern wird auch von der WHO und
                                        Alexander Seifert, Zent-
     11 Nico Meier                      rum für Gerontologie;
                                                                                             den Vereinten Nationen in ihrem
        Leiter der Fachstelle           Andreas Sidler, Age-                                 Programm «Dekade des gesunden
        Incanto der Domicil Bern        Stiftung; Dieter Sulzer,                             Alterns 2021−2030» gefordert. Die
                                        ZHAW, Gabrielle Wanzen-                              Dekade startete im Dezember 2020
8    12   NOTIZEN                       ried, Hochschule West-
                                                                                             und gibt mit vielen globalen Aktio-
                                        schweiz HES-SO
          INTERVIEW                     Anzeigen                                             nen Impulse für angemessenere
     13 Dieter Sulzer                   info@gerontologie.ch                                 Denk-, Sicht- und Handlungsweisen
        Leiter der ehemaligen           Konzept und Gestaltung                               in Bezug auf das Altern. Im Fokus
                                        komform GmbH,
        Pro Senectute Bibliothek        Liebefeld
                                                                                             steht das Konzept des gesunden
                                        Foto Cover                                           Alterns als «Prozess der Entwicklung
          WOHNMOBILITÄT                 Shutterstock                                         und Aufrechterhaltung funktionaler
     14 Zügeln? Nein danke!             Übersetzungen                                        Fähigkeiten, die es älteren Menschen
                                        Sylvain Bauhofer
          COVID-19                      GERONTOLOGIE CH                                      ermöglichen, einen Zustand des
     16 Bis zur Belastungsgrenze        Das Magazin für die Ver-      Möchten Sie            Wohlbefindens zu geniessen.» Funk-
        und darüber hinaus              einsmitglieder erscheint                             tionale Fähigkeiten sind jene Fertig-
14                                      dreimal pro Jahr in einer     Mitglied von
                                                                                             keiten, die es braucht, um das zu
     19   DREI STIMMEN                  Auflage von 1600 Exem-        GERONTOLOGIE CH        sein und zu tun, was jede*r Einzelne
                                        plaren. Der Verkaufspreis
          POLITIK                       ist im Mitgliederbeitrag      werden oder            als lohnend empfindet. Das Aktions-
                                        enthalten. Jahresabonne-
     20 UNO Dekade für gesundes
                                        mente und Einzelaus-
                                                                      dieses Magazin         programm lädt Fachleute im Bereich           Delphine Roulet Schwab
        ­Altern: Auch für die Schweiz   gaben können bei der          abonnieren?            des Alterns dazu ein, den älteren
                                                                                                                                       Dr. phil. Psychologie, Professorin
         und unsere Leserschaft!        Herausgeberin bestellt                               Menschen in den Mittelpunkt aller         am «Institut et Haute École
                                        werden.                                              Überlegungen zu stellen und zu be-        de la Santé La Source (HES-SO)»
          DEMENZ                                                      Kontaktieren Sie uns                                             in Lausanne. Präsidentin
                                        ISSN 2673-4958                                       rücksichtigen, was für ihn wichtig ist.
     22 «Aussenkontakte stärken                                       bitte über
                                                                                                Ich wünsche Ihnen eine spannen-        GERONTOLOGIE CH.
        das Zugehörigkeitsgefühl»       1. Juli 2021                                                                                       d.rouletschwab@
22                                      © 2021 komform
                                                                      info@gerontologie.ch   de und aufschlussreiche Lektüre.          ecolelasource.ch

                                                                                                                                             GERONTOLOGIE CH 2/2021     3
Klangspuren des Lebens Personalisierte Musik steigert das Wohlbefinden von
MOBILITÄT

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                                                                                                                       Senior*innen sehr internetaffin
                                                                                                                                                                           Bevorzugte Verkehrsmittel der befragten Senior*innen
                                                                                                                       zeigen (gemäss der Studie «Di-
                                                                                                                       gital Seniors» nutzen 70,1 % der

Kein Problem!                                                                                                          Schweizer Senior*innen das Inter-
                                                                                                                       net regelmässig). Da das Internet
                                                                                                                       im täglichen Leben der befragten
                                                                                                                                                               40%

                                                                                                                       Senior*innen gut etabliert ist, liegt
Eine nationale Umfrage des senior-lab und der rundum                                                                   der Fokus auf Technologien rund          30%
mobil GmbH zeigt, wie Menschen ab 65 Jahren Technologien                                                               um den Gebrauch öffentlicher Ver-
                                                                                                                       kehrsmittel.
rund um die Mobilität wahrnehmen und nutzen.
Text: Rafael Fink, Michelle Marbach und Delphine Roulet Schwab                                                         Regionale Unterschiede: Deutsch-         20%
                                                                                                                       schweizer fahren mehr Velo
                                                                                                                       Die befragten Senior*innen sind in
                                                                                                                       Bezug auf die Mobilität eine sehr

                                                                                D
                                                                                        ie Verfügbarkeit geeigneter    aktive Bevölkerungsgruppe: 90%           10%
                                                                                        Verkehrsmittel, ob Auto,       von ihnen sind täglich ausser Haus
                                                                                        ÖV oder Langsamverkehr,        unterwegs. Gesamthaft gesehen
                                                                                fördert die soziale Teilhabe und       machen sie damit einen grossen                    30,4%           34,2%         6,9%         9,5%          18,9%
                                                                                                                                                                  0
                                                                                Unabhängigkeit älterer Menschen        Anteil der Verkehrsteilnehmenden
                                                                                                                                                                       Privatfahr-   Öffentlicher      E-Bike       Velo        zu Fuss
                                                                                und trägt zu ihrer Lebensqualität      in der Schweiz aus. Ihre bevorzug-                 zeug         Verkehr
                                                                                bei. Um das Mobilitätsverhalten        ten Verkehrsmittel sind: ÖV (34 %)                 Auto/
                                                                                und die Bedürfnisse dieser Be-         und Auto (30 %), gefolgt von zu                 Motorrad
                                                                                völkerungsgruppe (ausserhalb von       Fuss gehen (19 %), Velo (9%) und
                                                                                COVID-Zeiten) besser zu ver-           Elektrovelo (7 %). Allerdings unter-    1418 Personen zwischen                   freundlichkeit hängen jedoch vom
                                                                                stehen, lancierte das senior-lab in    scheiden sich die Gewohnheiten          64 und 94 Jahren wurden                  jeweiligen Werkzeug ab. Die Mehr-
                                                                                                                                                               zu ihrem Mobilitätsver-
                                                                                Zusammenarbeit mit der rundum          je nach Region. Bei den Deutsch-                                                 heit der befragten Senior*innen
                                                                                                                                                               halten befragt.
                                                                                mobil GmbH zwischen April und          schweizer*innen liegt die Nutzung                                                empfand es als einfach, Fahrpläne
                                                                                Dezember 2020 eine nationale           von ÖV, Velo und Elektrovelo hö-                                                 online einzusehen (86 %), Billetts
                                                                                Online-Umfrage. Dabei wurden           her als im nationalen Durchschnitt.                                              am Computer per Internet (63 %)
                                                                                1418 Personen im Alter zwischen        Bei den französisch- und italie-                                                 oder am Billettautomaten zu kau-
                                                                                64 und 94 Jahren befragt, die in       nischsprachigen Schweizer*innen                                                  fen (62%). Im Gegensatz dazu wer-
                                                                                der Stadt (40 %) und auf dem Land      ist der Trend gerade umgekehrt:                                                  den der Ticketkauf per SMS (80%)
                                                                                (35 %) leben. Die Ergebnisse kon-      Reisen mit dem Auto und zu Fuss                                                  und der Kauf mit der Smartphone-
                                                                                zentrieren sich auf den Gebrauch       werden bevorzugt.                                                                App (57%) von den Befragten als
                                                                                von Technologien, die den Zugang                                                                                        schwieriger eingestuft und/oder
                                                                                zu Transportmitteln erleichtern        Reiseplanung mithilfe des Internets                                              gar nicht genutzt. Es gilt jedoch zu
                                                                                sollen. Dieser Aspekt ist umso         Die befragten Senior*innen zeigen                                                beachten, dass durch die Online-
                                                                                interessanter, als sich die heutigen   eine grosse Offenheit für den                                                    Verteilung der Umfrage vor allem
                                                                                                                       Einsatz von Travel-Management-                                                   Senior*innen antworteten, die mit
                                                                                                                       Technologien wie z.B. Apps von                                                   dem Internet vertraut sind.
                                                                                                                       Verkehrsunternehmen oder Rou-                       online-Konferenzen:
                                                                                                                       tenplanern. Die meisten planen                 Im Rahmen der Europäischen        Hybrider Einsatz der Technologien
                                                                                                                       ihre Fahrten mit dem ÖV über eine              Mobilitätswoche (16.–22. Sep-     Die Ergebnisse der Studie zeigen,
                                                                                                                       App (44 %) oder die Website des                tember 2021) organisiert das      dass Senior*innen ihre Reisen
                                                                                Viele Senior*innen                                                                    senior lab mehrere online-Kon-
                                                                                planen ihre Reisen                     Verkehrsunternehmens (43 %). Nur               ferenzen. Das Programm und
                                                                                                                                                                                                        gerne «hybrid» managen: sie
                                                                                über eine App via                      13 % nutzen einen Papierfahrplan.              weitere Informationen folgen      konsultieren den Fahrplan im
                                                                                Smartphone.                            Die Beliebtheit und die Benutzer-              unter www.senior-lab.ch.          Internet und planen ihre Reisen
                                                                 Foto: iStock

4 GERONTOLOGIE CH 2/2021                                                                                                                                                                                            GERONTOLOGIE CH 2/2021   5
Klangspuren des Lebens Personalisierte Musik steigert das Wohlbefinden von
MOBILITÄT
                                                                                                                                                                                                                                ANZEIGE

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öffentlichen Verkehrsmitteln                                                                                                                               NEU
Das Fahren im öffentlichen Verkehr
gibt mir ein Gefühl von Freiheit

                  5%
                        16%                                                          Rafael Fink
          23%                                                              Soziologe, wissenschaftlicher
                                                                           Mitarbeiter an der «Haute École
                                      online, kaufen ihre Tickets und      de la Santé La Source» und
                                      Abonnemente aber mit Vorliebe        verantwortlich für die Kommu­
                      56%                                                  nikation mit der senior-lab                                                       Die fruchtige
                                      am Schalter. Diese Tatsache gilt
                                      es unbedingt zu berücksichtigen,     Community.                                                                      Trinknahrung mit
                                                                              r.fink@ecolelasource.ch
                                      wenn verhindert werden soll, dass                                                                                    höchster Protein-
                                      Senior*innen der Zugang zu öffent-
Im öffentlichen Verkehr                                                                                                                                      konzentration
fühle ich mich sicher                 lichen Verkehrsmitteln erschwert
                                      wird. So könnte die angekündigte
                 6%                   Abschaffung der Tageskarten bis
                                      2023 zugunsten von Spartickets,
                              29%     die nur noch online oder über die
                                      App gekauft werden können, den              Michelle Marbach
                                      Zugang von Senior*innen zu den        MAS ETH Entwicklung und
                64%                   Angeboten der SBB einschränken.       Zusammenarbeit, Master of
                                      Dies ist umso problematischer,       ­Science Umweltgeowissenschaf-
                                      wenn man bedenkt, dass 53% der        ten. Projektleiterin bei rundum
                                                                            mobil.
                                      befragten Senior*innen Schwierig-
                                                                               m.marbach@
Wenn ich nicht mit dem                keiten haben, Spartickets zu kau-     rundum-mobil.ch
öffentlichen Verkehr fahren könnte,   fen und/oder diese nicht nutzen.
müsste ich umziehen                   Um die Mobilität von Senior*innen
                                      zu fördern und sicherzustellen,
                       12%            dass sie einen gleichberechtigten                                                                                              300*
                                      Zugang zu Verkehrsmitteln haben,                                                                                                 kcal
           31%
                               18%    ist eine enge Zusammenarbeit der                                                                              14 g*                               0g
                                      verschiedenen Akteure (Verkehrs-                                                                              Molken-                                                        *pro 200ml Flasche
                                                                                                                                                                                        Fett
                                      unternehmen, Gerontolog*innen,          Delphine Roulet Schwab                                                protein

                    38%               Seniorenverbände, Behörden usw.)     Dr. phil. Psychologie, Professorin
                                      enorm wichtig. Um gute Lösungen      am «Institut et Haute École                Resource® Ultra fruit ist besonders geeignet als erfrischende Alternative zu milchigen
                                      zu erzielen, müssen die Bedürfnis-   de la Santé La Source (HES-SO)»
                                                                                                                       Ergänzungsnahrungen, bei Mangelernährung, onkologischen Erkrankungen oder zur
                                                                           in Lausanne. Präsidentin
                                      se und Anliegen älterer Menschen                                                                            prä-/postoperativen Ernährung.
  Trifft völlig zu                                                         GERONTOLOGIE.CH, Mitglied des
  Trifft zu                           bei der Entwicklung neuer Dienst-    Pilotprojekts senior-lab.                                 Rückerstattung – Resource® Trinknahrungen werden von der Grund versicherung
  Trifft nicht zu                     leistungen von Anfang an berück-         d.rouletschwab@                                       für medizinische Indikationen gemäss GESKES Richtlinien rückerstattet.
  Trifft überhaupt nicht zu           sichtigt werden.                     ecolelasource.ch
                                                                                                                www.nestlehealthscience.ch
6 GERONTOLOGIE CH 2/2021
Klangspuren des Lebens Personalisierte Musik steigert das Wohlbefinden von
MUSIKSPIEGEL

Den audiobiografischen
                                                                        Text: Sandra Oppikofer, Gabriela Hofstetter,
                                                                        Andrea Hess, Sonia Engström & Heather Edwards

Klängen auf der Spur
                                                                        D
                                                                                ie Bedürfnisse von Men-        Informationen können so bewahrt
                                                                                schen mit Demenz variieren     und gleichzeitig mit emotional
                                                                                je nach individuellen Präfe-   bedeutsamen Klängen und Musik
Eine Schweizer Studie zeigt, wie sich die                               renzen, vorhandenen Ressourcen,        verknüpft werden. Meistens wer-
Lebensqualität von Menschen mit Demenz                                  Kontext und Beeinträchtigungen.        den musikalische Erinnerungen
                                                                        Eine Intervention zur Stabilisie-      länger gespeichert als solche, die
mithilfe des Musikspiegels verbessern lässt.
                                                                        rung des Wohlbefindens und der         nicht von Musik oder Geräuschen
                                                                        Lebensqualität der betroffenen         begleitet werden. Bei achtsamer
                                                                        Person muss deshalb genau auf          Anwendung im Rahmen einer
                                               Ein Pflegefachmann       diese zugeschnitten sein. Insofern     kontinuierlichen persönlichen
                                               erstellt mit einer
                                                                        eignet sich der Musikspiegel als au-   Beziehung, kann der Musikspiegel
                                               Studienteilnehmerin
                                               des Pflegeheims Reuss­   diobiografische Unterstützung für      dabei helfen, Brücken der Kommu-
                                               park in Niederwil AG     Menschen mit Gedächtnisschwie-         nikation und des Verständnisses zu           Was ist ein
                                               einen Musikspiegel.      rigkeiten besonders gut.               bauen und aufrechtzuerhalten.               Musikspiegel?
                                               Foto: Jos Schmid
                                                                        Auch Erinnerungen bestimmen,           Umfassende Interventionsstudie       Die Musikspiegel-Metho-
                                                                        wer wir sind                           im häuslichen Kontext und in         de ist eine just-in-time
                                                                        Geräusche, Klänge und Musik,           Pflegeinstitutionen                  adaptive Intervention,
                                                                        die an schöne Erlebnisse geknüpft      Die Methode des «Musikspiegels»      die sich auf die Indivi-
                                                                        sind, können helfen, sich leichter     wurde von der britischen Musik-      dualität der Bedürfnisse
                                                                        an Dinge zu erinnern. Indem sie        pädagogin und Pianistin Heather
                                                                                                                                                    einer Person sowie den
                                                                        positive Assoziationen hervorru-       Edwards entwickelt und in der
                                                                        fen, verbessern sie das Wohlbefin-     Schweiz vom Zentrum für Geron-
                                                                                                                                                    vorliegenden Kontext
                                                                        den – insbesondere bei Menschen        tologie der Universität Zürich und   konzentriert. Der Inhalt
                                                                        mit Gedächtnisschwierigkeiten,         dem Universitären Forschungs-        eines Musikspiegels ist
                                                                        aber auch bei ihren Pflege- und Be-    schwerpunkt Dynamik Gesun-           hochgradig individuali-
                                                                        treuungspersonen. Individuell ab-      den Alterns im Rahmen einer          siert und entsteht aus
                                                                        gestimmte, bedeutungsvolle Musik       vierjährigen Interventionsstudie     ausführlichen Gesprä-
                                                                        ermöglicht es diesen Menschen,         im häuslichen Kontext sowie in
                                                                                                                                                    chen mit der Person, die
                                                                        freudige sowie sinnstiftende Er-       Pflegeinstitutionen im Kanton
                                                                        fahrungen zu machen, mit ihrem         Aargau wissenschaftlich unter-       an Gedächtnisverlust lei-
                                                                        Umfeld in Verbindung zu treten,        sucht. Mittels dieser randomisier-   det, und in einigen Fällen
                                                                        sich zu engagieren und dabei indi-     ten, kontrollierten Studie wurden    mit signifikanten anderen
                                                                        viduell bedeutsame Episoden ihres      mögliche Auswirkungen des            Personen, wenn die Per-
                                                                        Lebens aufleben zu lassen.             Musikspiegels auf Personen mit       son Schwierigkeiten hat,
                                                                                                               Gedächtnisschwierigkeiten und
                                                                                                                                                    sich auszudrücken. Der
                                                                        Musikspiegel als Brückenbauer          ihre Betreuenden untersucht. In
                                                                        Ein Musikspiegel besteht aus           Zusammenarbeit mit freiwilligen
                                                                                                                                                    Zeitpunkt der Nutzung
                                                                        positiven Erinnerungen, verfasst       Mitarbeitenden sowie Pflege- und     kann an die Bedürfnisse
                                                                        in den Worten der Person und ver-      Betreuungspersonen wurden zu         und Wünsche der Per-
                                                                        knüpft mit Geräuschen, Klängen         diesem Zweck positive Erinnerun-     son sowie an schwierige
                                                                        oder Musik, die mit den jeweili-       gen (sogenannte «Lebensperlen»)      Situationen im Alltag an-
                                                                        gen Lebensepisoden zusammen-           von 193 Demenzbetroffenen – wo       gepasst werden.
                                                                        hängen. Wichtige biografische          möglich – in deren eigenen Worten

8 GERONTOLOGIE CH 2/2021                                                                                                                                    GERONTOLOGIE CH 2/2021   9
Klangspuren des Lebens Personalisierte Musik steigert das Wohlbefinden von
MUSIKSPIEGEL                                                                                                                                                                                                           INTERVIEW

                                                                                                                 «Interaktionen beim
festgehalten und mit Geräuschen       eigenes Stressniveau vor, während
oder Musik kombiniert, die mit        und nach der Intervention. Von 155

                                                                                                                 gemeinsamen Musikhören
den entsprechenden Lebensepiso-       Personen liegen komplette Daten-
den zusammenhängen.                   sätze vor. Über alle vier Inter-

                                                                                                                 sind zentral»
                                      ventionsphasen hinweg wurden
                                      insgesamt 1406 Tagebucheinträge
                                      erfasst.
    «Die Studie zeigt:                                                                                           Seit vielen Jahren arbeitet Nico Meier                                                Nico Meier ist Soziokulturel-
                                      Erfreuliche Resultate                                                                                                                                            ler Animator FH und Musikge-
 Von der Musikspiegel-                                                                                           bei der Betreuung von Menschen mit                                                    ragoge. Er leitet die Fachstel-
                                      bei allen Beteiligten
   Methode profitieren                                                                                           Demenz mit personalisierter Musik.                                                    le Incanto der Domicil Bern
                                      Die Resultate zeigen, dass die Mu-                                                                                                                               AG und den Bereich Sozio-
nicht nur die von Demenz              sikspiegel-Methode das Wohlbe-                                             Dazu hat er die ursprüng­liche Methodik                                               kultur/Aktivierung im Domicil
  Betroffenen, sondern                finden von Menschen mit Demenz                                                                                                                                   Kompetenzzentrum Demenz
                                                                                                                 aus den USA weiterentwickelt.
  auch das Betreuungs-                hochsignifikant steigern kann:                                                                                                                                   Bethlehemacker.
  und Pflegepersonal.»                sowohl in Alltagssituationen als                                           Interview: Andreas Sidler
                                      auch bei herausforderndem Ver-               Sandra Oppikofer
                                      halten wie Unruhe, Apathie oder       Dr. phil., Betriebsökonomin und
                                      Aggression. Darüber hinaus konn-      Sozialpsychologin. Am Zentrum
Umsetzung: 1406 Tagebucheinträge      ten mittelfristige positive Effekte   für Gerontologie der Universität
Pflege- und Betreuungspersonen        ausgemacht werden: So verringer-      Zürich leitet sie den Bereich        Musik ist ein etabliertes Instrument   Minderung von Schmerzen, usw.         beobachten. Nur so können wir die
                                                                            «Entwicklung und Evaluation,
setzten diese akustisch eingebet-     ten sich während der Intervention                                          der Aktivierung. Seit fünf Jahren      besonders intensiv bewirken.          richtige Dauer, Tageszeit, Um-
                                                                            Evaluationsberatung».
teten biografischen Erinnerungs-      depressive Verstimmungen und              sandra.oppikofer@uzh.ch          gehen Sie im Domicil Kompetenz-                                              gebung und Art der Musik heraus-
texte während eines Zeitraums von     abweichende Bewegungsmuster –                                              zentrum Demenz Bethlehemacker          Sie haben sich ursprünglich am        kristallisieren.
jeweils sechs Wochen regelmässig      darunter etwa Rastlosigkeit. Doch                                          neue Wege und arbeiten mit perso-      Konzept «Music & Memory» aus den
in kritischen Alltagssituation ein;   nicht nur die von Demenz Betroffe-                                         nalisierten Playlisten. Wo liegt der   USA orientiert. Heute verfolgen Sie   Und welche Rolle spielen die
etwa wenn sie als Nachtwache den      nen profitierten: Auch die Grund-                                          Unterschied?                           mit Incanto einen eigenen Ansatz.     Angehörigen?
Spätdienst ablösten und eine ver-     stimmung von Betreuungs- und                   Mehr wissen:
                                                                                                                 Die personalisierte Playlist besteht   Was ist dabei anders?                 Bei der Suche nach den Musik-
trauensvolle Beziehung zum Be-        Pflegepersonen verbesserte sich,                                           nicht einfach aus Musik, die man       In den USA wird personalisierte       stücken führen wir mit ihnen
                                                                            Publikation
wohnenden aufbauen wollten oder       während das akute Stressempfin-                                            schön findet. Es sind Musikstücke,     Musik vor allem als Möglichkeit       leitfadengestützte Interviews.
                                                                            «Musikspiegel – Klangspuren des
wenn sich eine Bewohnende einem       den sank. Darüber hinaus stieg die    Lebens». Eine Anleitung zur au-      die mit bestimmten Augenblicken,       zur Selbstbeschäftigung betrach-      Zudem begleiten viele Angehörige
Verbandwechsel verweigerte. In        wahrgenommene Nähe zwischen           diobiografischen Unterstützung       Lebensphasen, Menschen oder Or-        tet, die das Personal entlastet.      die Bewohner*innen beim Musik-
einem Tagebuch hielten sie den        den Betreuungs- und Pflegeperso-      in der Pflege und Betreuung          ten aus der eigenen Vergangenheit      Was aber, wenn ein Musikstück         hören. Es ist eine gute Grundlage,
Kontext des Einsatzes sowie ihre      nen und den an Demenz erkrank-        von Menschen mit Gedächtnis-         verknüpft sind. Dadurch werden         sehr starke Emotionen wie grosse      um ihren Besuch konstruktiv zu
Beobachtungen zu den Auswir-          ten Menschen. Die empfundene          schwierigkeiten (inkl. Notizheft).   Erinnerungen und Lebensgefühle         Freude oder auch Trauer oder Wut      gestalten.
                                                                            CHF 15.00. Bestellung:
kungen des Musikspiegels auf die      Nähe weist zudem darauf hin, dass     zfg@zfg.uzh.ch
                                                                                                                 hervorgerufen, welche für unsere       weckt? Dann braucht es jemanden,
an Demenz erkrankte Person fest.      der Musikspiegel eine positive                                             Bewohner*innen mit Demenz be-          der das auffängt und begleitet. Bei   Bietet die Fachstelle Incanto auch
Auf dieser Basis wurde analysiert,    Beziehung zwischen Menschen           Veranstaltungen zum Thema            sonders wichtig sind. So können sie    Incanto macht diese Begleitung        Schulungen für Angehörige an?
wie sich der Einsatz des Musikspie-   mit einer Demenzerkrankung und        Kursangebot «Musikspiegel –          einen Teil ihrer Identität wieder-     den Unterschied. Es ist immer         Die Schulung und Zertifizierung
gels auf die Gefühlslage und das      ihren Betreuungspersonen fördert      Erstellen und Anwenden»              entdecken und über sich selbst         jemand da, der das Hörerlebnis        richten sich in erster Linie an
                                                                            https://www.zfg.uzh.ch/de/
Verhalten der Demenzbetroffenen       und somit das Potential hat, den                                           sprechen. Zudem sind es diese          und seine Wirkung teilt oder be-      Institutionen. Wir schulen ihre
                                                                            weiterbild/Musikspiegel.html
auswirkte. Berücksichtigt wurden      Betreuungs- und Pflegealltag auf                                           Lieder, die Freude, Entspannung,       obachtet. Die Interaktionen beim      Kernteams darin, andere Personen
zudem Effekte auf die Pflegebelas-    der emotionalen Ebene bedeutend       Fachtagung «Musik in der                                                    gemeinsamen Musikhören – erzäh-       beim Musikhören mit den Bewoh-
tung und die Nähe zwischen Pfle-      zu verbessern.                        Pflege und Betreuung von an                                                 len, tanzen, das Mienenspiel – sind   ner*innen anzuleiten – also auch
gepersonen und Bewohnenden.                                                 Demenz erkrankten Menschen»                                                 für uns zentral. Will jemand die      Angehörige sowie Mitarbeitende
Zusätzlich schätzten die Pflegen-                                           4. März 2022 im Pflegezentrum                                               Musik für sich allein geniessen,      und Freiwillige. Wir unterstützen
                                                                            Reusspark
den herausforderndes Verhalten                                              https://www.reusspark.ch/
                                                                                                                         Mehr wissen:                   wird das respektiert. Die Begleit-    die Institutionen zudem dabei, das
mithilfe des neuropsychiatrischen                                           pflege-und-betreuung/articles/       Fachstelle Incanto                     person bleibt jedoch in der Nähe.     Incanto-Modell an ihre eigenen
Inventars ein und beurteilten ihr                                           fachtagung-172                       www.domicilbern.ch/incanto             Es ist wichtig, die Reaktionen zu     Verhältnisse anzupassen.

10 GERONTOLOGIE CH 2/2021                                                                                                                                                                               GERONTOLOGIE CH 2/2021     11
Klangspuren des Lebens Personalisierte Musik steigert das Wohlbefinden von
NOTIZEN                                                                                                                                                                                                                   INTERVIEW
                                                                                                                                                                                                                             THEMA

                                                                            «Die Webseite ist sehr                Was hat die Pro Senectute
                                                                           übersichtlich. Unter den
                                                                            Punkten «Wissen» und
                                                                                                                  mit ihrer Bibliothek
                                                                             «Werkzeuge» gibt es                  angestellt?
                                                                            wichtige Hinweise, die                                                                                                     Dieter Sulzer, Fachreferent
                                                                           in der Praxis angewandt                Die grösste gerontologische                                                          «Angewandte Gerontologie»
                                                                                                                                                                                                       ZHAW, ehemaliger Leiter der Pro
                                                                              werden können. Der                  Fachbibliothek ist neu in die Hoch-                                                  Senectute Bibliothek (2012–2021).
                                                                            Fragebogen beinhaltet                 schulbibliothek der ZHAW integriert.
                                                                            alle Punkte, die für die
                                                                                                                  Interview: Andreas Sidler
                                                                             Alterspolitik relevant
                                                                                     sind.»
                                                                              Rudolf Hasler, Vereinspräsident     Mehr als siebzig Jahre ­sammelte       Die Pro Senectute Bibliothek hatte      Dazu hat sich die ZHAW klar be-
#AWorld4AllAges                                                             von «Senioren für Senioren Möhlin»,
                                                                                      Kanton Aargau
                                                                                                                  die Pro Senectute Bibliothek           einen ausgeprägten Praxisbezug.         kannt. Auch Personen ausserhalb
                                                                                                                  Medien zum gesellschaftlichen          Dort fand man neben Fachliteratur       der ZHAW sollen die Sammlung
Im März 2021 hat die WHO den                                                                                      Querschnittsthema Alter. Laien,        auch Ratgeber, Belletristik, Aktivie-   «Angewandte Gerontologie» nut-
«Global report on ageism» veröffent-                                                                              Studierende und Fachpersonen aus       rungsspiele, Graue Literatur und eine   zen können. Wer sich registriert,
licht. Gleichzeitig startete sie eine                                                                             der Altersarbeit sowie aus Wissen-     der umfangreichsten Sammlungen an       hat zudem Zugang zu den Quellen
weltweite Kampagne gegen Altersdis-                                                                               schaft, Verwaltung und Politik er-     Filmmaterial zum Thema Alter. Passt     aller Hochschulbibliotheken. Aller-
                                                                                                                  hielten so Zugriff auf einen einzig-   das in eine Hochschulbibliothek?        dings erscheinen die Webseite und
kriminierung, an der auch
GERONTOLOGIE CH teilnimmt.
                                                       Inspirationsquelle                                         artigen multimedialen Fundus an        Den Bestand eins zu eins zu über-       der Newsletter nur auf Deutsch,
                                                                                                                  Informationen. Im Frühling 2021        nehmen und bewusst an seinem            auch wenn die Nutzung von der
Der «Global report on ageism» skizziert einen          für Altersarbeit in                                        hat die Sammlung die Räumlich-         bisherigen Profil festzuhalten, ver-    Westschweiz und dem Tessin aus
Handlungsrahmen zur Bekämpfung von Altersdis-
kriminierung und gibt spezifische Empfehlungen
                                                       der Gemeinde                                               keiten im Zürcher Enge-Quartier
                                                                                                                  verlassen – samt ihrem Bibliotheks-
                                                                                                                                                         langte Offenheit und Innovations-
                                                                                                                                                         geist. Das zeigt, dass der Bestand
                                                                                                                                                                                                 selbstverständlich möglich ist.

ab für verschiedene Akteure. Im Bericht sind die       Die Plattform Altersfreundliche                            leiter Dieter Sulzer, der in seiner    hier am richtigen Ort angekommen        Finden sich Ungeübte dort noch
aktuell vorliegenden Erkenntnisse über ­Wesen und                                                                 neuen Funktion als Fachreferent        ist. Pro Senectute beteiligt sich       zurecht oder kann man sich Unter-
Ausmass, Determinanten und Auswirkungen der
                                                       Gemeinde von GERONTOLOGIE CH i
                                                                                                                  «Angewandte Gerontologie» an           übrigens weiterhin am Betrieb und       stützung holen?
Altersdiskriminierung zusammen­gefasst. Zudem          st im ersten Halbjahr ihrer Laufzeit
                                                                                                                  der ZHAW Hochschulbibliothek in        soll als Praxispartner einbezogen       Im Online-Katalog wird die Suche
wird aufgezeigt, ­welche Strategien zur Prävention     rege genutzt worden. Bereits liegen                        Winterthur erzählt, was der Umzug      werden. So wird die bereits vor-        mit wenigen Klicks auf die Samm-
und ­Bekämpfung von Altersdiskriminierung wirk-        erste Anwendungsbeispiele vor.                             bedeutet.                              handene Verbindung der Zürcher          lung «Angewandte Gerontologie»
sam sind und wo Lücken bestehen. Es werden zu-
künftige Forschungslinien vorgeschlagen, die dazu      Unter der Rubrik «Aus der Praxis» werden auf der                                                  Hochschule für Angewandte               eingegrenzt. Wer persönlich in
beitragen können, unser Verständnis der Altersdis-     Plattform Altersfreundliche Gemeinde in loser              Gibt es die Pro Senectute              Wissenschaften zur praktischen          der in Bahnhofsnähe gelegenen
kriminierung zu verbessern. Der Gesamtbericht ist      Folge Kurzinterviews mit Fachpersonen veröf-               Bibliothek noch?                       Altersarbeit weiter gestärkt. An-       Hochschulbibliothek in Winterthur
auf Englisch, die Zusammenfassung auf Französisch      fentlicht, die den Weg ihrer Gemeinden zu mehr             Ja und Nein. Als Pro Senectute         lässlich der Übernahme prüft die        vorbeikommt, findet unsere Samm-
und Spanisch verfügbar. An der parallel lancierten     Altersfreundlichkeit beschreiben – und die Rolle,          Schweiz entschied, dass eine eige-     ZHAW auch die Möglichkeit einer         lung an prominenter Stelle im Erd-
weltweiten Kampagne #AWorld4AllAges nimmt              die der Check der Plattform Altersfreundliche Ge-          ne Bibliothek nicht mehr zu ihrem      intensiveren interdepartementalen       geschoss. Das Bibliothekspersonal
auch GERONTOLOGIE CH teil. Die Kampagne-Web-           meinde dabei einnimmt. So soll mit der Zeit eine           Kernauftrag gehören soll, konnte       Zusammenarbeit im Bereich An-           bietet stets Hilfe zur Selbsthilfe.
site bietet umfangreiche Materialien (Filme, Bilder,   Sammlung von Praxisbeispielen entstehen, die               mit der ZHAW eine Hochschule           gewandte Gerontologie.
Info-Grafiken, Tipps zur Lancierung eigener Kampa-     Gemeindeverantwortlichen sowie engagierten                 gefunden werden, die interes-
gnen etc.) sowie die Möglichkeit, sich als teilneh-    Senior*innen Ideen und Inspiration liefern können
                                                                                                                  siert war, den Gesamtbestand als       Am alten Standort waren interes-
mende Organisation direkt einzuschreiben.              für die Altersarbeit in ihrer eigenen
                                                                                                                  Schenkung in ihre Bibliothek zu        sierte Laien ebenso anzutreffen wie
                                                       Gemeinde.
                                                                                                                  integrieren. Er ist hier unter dem     gestandene Gerontologen. Ist dieses                     Mehr wissen:
Der «Global report on ageism» und
Informationen zur Kampagne sind                        Zu den Interviews:                                         neuen Namen «Angewandte Ge-            bunt gemischte Publikum auch in               Webseite Fachinformation
einzusehen unter:                                      https://altersfreundliche-gemeinde.ch/                     rontologie» zugänglich und wird        der modernen Lernwelt der ZHAW-               Angewandte Gerontologie:
https://bit.ly/3wFjy0c                                 aus-der-praxis                                             weiterentwickelt.                      Bibliothek willkommen?                        zhaw.ch/hsb/gerontologie

12 GERONTOLOGIE CH 2/2021                                                                                                                                                                                   GERONTOLOGIE CH 2/2021   13
Klangspuren des Lebens Personalisierte Musik steigert das Wohlbefinden von
THEMA
WOHNMOBILITÄT

Wohnmobilität im Alter:
                                                                                                                 demographischen Entwicklung mit      altersgerechten Wohnungen mit         Auf Bedürfnisse älterer Wohnraum-
                                                                                                                 dem Eintritt der geburtenstarken     entsprechenden Zusatzdienstleis-      suchender eingehen
                                                                                                                 Jahrgänge der Babyboomer-Gene-       tungen sowohl aus individueller       Ältere Menschen haben in Bezug

Zügeln? Nein danke!                                                                                              ration ins Pensionsalter und ihrer
                                                                                                                 hohen Lebenserwartung wird es
                                                                                                                 umso wichtiger, auch aus dieser
                                                                                                                                                      als auch aus volkswirtschaftlicher
                                                                                                                                                      Sicht sinnvoll.
                                                                                                                                                                                            auf die Wohnungssuche andere
                                                                                                                                                                                            Informationsbedürfnisse und
                                                                                                                                                                                            Entscheidungsprozesse als jün-
                                                                                                                 raumplanerischen Perspektive die     Entscheidungsträger in der Pflicht    gere Altersgruppen. Dies kann
Das Verharren in einer grossen, wenig altersfreundlichen                                                         Wohnmobilität im Alter zu fördern.   Die Politik ist gefordert, die Er-    insbesondere in lokal angespann-
Wohnung kann zu gesundheitlichen Problemen führen.                                                                                                    kenntnisse in die Anpassungen der     ten Wohnungsmärkten zu einer
Auch aus raumplanerischer Sicht ist es wichtig, dass mehr                                                                                             kantonalen und regionalen Richt-      Diskriminierung der älteren
                                                                                                                                                      planungen, Planungs- und Bau-         Bevölkerung führen. Umso wich-
altersgerechter Wohnraum zur Verfügung steht.                                                                          52 Jahre                       gesetze und die Beurteilung von       tiger ist neben einem zielgruppen-
                                                                                                                    So lange wohnen die               Projekten einfliessen zu lassen,      orientierten Wohnungsangebot
Text: Gabrielle Wanzenried                                                                                                                            damit vermehrt bedürfnisgerechte      auch die entsprechend angepasste
                                                                                                                   über 85-Jährigen durch-
                                                                                                                                                      Wohnungsangebote entstehen,           Vermarktungsstrategie, welche
                                                                                                                   schnittlich am gleichen
                                                                                                                                                      welche sich u.a. je nach Raumtypo-    auf die Bedürfnisse der älteren
                                                                                                                     Ort, und 34 Jahre in             logie unterscheiden. Neben der        Generation eingeht. Schliesslich
AUSGANGSLAGE                         ten älteren Menschen vor, so lange   wie z.B Sturzgefahr oder sozialer         derselben Wohnung.                Raumplanung besteht je nach Kan-      nehmen die Städte und Gemein-
Pro Jahr ziehen in der Schweizer     wie möglich in ihrer Wohnung         Isolation, jedoch gravierende Aus-            Quelle: Age Report 2018       ton zudem Handlungsbedarf bei         den eine wichtige Rolle ein, indem
Bevölkerung rund 10% der Haus-       bzw. ihrem Haus und am gleichen      wirkungen auf die Gesundheit der                                            entsprechenden finanziellen Anrei-    das Thema «Wohnen im Alter»
halte um. Die Umzugswahrschein-      Wohnort zu bleiben, wo sie auf-      älteren Person haben und im Falle                                           zen und Unterstützungsangeboten       explizit in die Strategie der Ge-
lichkeit hängt stark vom Alter und   grund der Wohn- und Haushalts-       eines Unfalls oft notfallmässig und    PERSPEKTIVEN                         von staatlicher Seite zur Förderung   meinde- und Stadtentwicklung
der entsprechenden Lebensphase       routinen mit der Umgebung ver-       ungeplant sogar den Umzug in           Um die Wohnmobilität im Alter        der Wohnangebote. Eine wichtige       einbezogen wird. Neben eigenen
ab. Gemäss BFS ist die Umzugs-       traut sind. Gemäss dem Schweizer     ein Altersheim erzwingen. Neben        zu fördern, muss altersgerechter     Rolle nehmen zudem die Liegen-        Angeboten bzw. der Unterstützung
häufigkeit zwischen 20 bis 35        Haushaltspanel bei 65+-Jährigen      dem Verlust der Unabhängigkeit         Wohnraum am richtigen Stand-         schaftseigentümer bzw. die Inves-     von entsprechenden Drittanbie-
Jahren am höchsten, wenn die         wollen nur rund 13.5% der Haus-      und den weiteren negativen Aus-        ort vorhanden sein. Diesbezüglich    toren sowie die Liegenschaftsver-     tern von geeignetem Wohnraum
Ausbildung beendet, eine neue        halte zügeln. Als häufigste Gründe   wirkungen auf die Lebensqualität       wurden in den letzten Jahren Fort-   waltungen wahr. Sie entscheiden       geht es auch um Vernetzung der
Arbeitsstelle angetreten oder mit    für einen Wohnungswechsel gelten     der betroffenen Person, entstehen      schritte erzielt, doch das Angebot   über Wohnangebote sowie über die      weiteren Dienstleistungsangebo-
dem Lebenspartner zusammenge-        gesundheitliche Probleme, eine zu    daraus in der Regel auch Mehrkos-      insbesondere auch in Hinblick auf    Zuteilung der Wohnungen an die        te, welche über das reine Wohnen
zogen wird. Mit der Familiengrün-    grosse Wohnung oder der Wunsch,      ten auf individueller und volkswirt-   die demographische Entwicklung       Bewohnenden.                          hinaus für ein bedürfnisgerechtes
dung, dem Kauf von Wohneigen-        näher bei den Kindern zu sein.       schaftlicher Ebene.                    reicht noch lange nicht aus. Aus                                           Leben im Alter und ein Altern in
tum oder anderen stabilisierenden                                                                                Sicht der Lebensqualität der älte-                                         Würde sorgen.
Lebensereignissen nimmt die                                               Sinkende Wohnmobilität –               ren Menschen sowie aus Kosten-
durchschnittliche Umzugswahr-
scheinlichkeit kontinuierlich ab.
                                                2,5 %                     steigender Wohnflächenverbrauch
                                                                          Der individuelle Wohnflächenver-
                                                                                                                 überlegungen ist das Angebot an

Auch nach der Pensionierung               So hoch ist die                 brauch steigt mit dem Alter signi-
verbleiben die meisten an ihrem        Umzugswahrscheinlich­-             fikant. Ältere Menschen verbleiben
                                                                                                                 Bestehen ge-
Wohnort. Erst ab dem 75. Lebens-         keit bei den über                oft in der langjährigen, auch aus
                                                                                                                 eignete Wohn-
jahr wird relativ gesehen wieder           65-Jährigen.                   ihrer Sicht zu gross gewordenen        angebote, kann
mehr umgezogen, oft verbunden                                             Familienwohnung, selbst nachdem        ein Umzug grosse
mit dem Umzug in eine kleinere                                            die Kinder ausgezogen und der          Erleichterung
Wohneinheit, eine Alterswohnung,     PROBLEMATIK                          Partner verstorben sind. Häufige       bringen.                                                                              Gabrielle Wanzenried
oder später und oft gezwungener­     Stabilität und Routine sind gerade   Gründe dafür sind das Fehlen von                                                                                        Prof. Dr., Ordentliche Fachhoch-
massen mit dem Umzug in ein          auch mit fortschreitendem Alter      altersgerechten Wohnangeboten                                                                                           schulprofessorin an der Haute
Altersheim.                          wichtig. Mit den altersbedingten     in der Umgebung, höhere Wohn-                                                                                           Ecole d’Ingénierie et de Gestion
                                                                                                                                                                                                  du Canton de Vaud, Hochschule
                                     Einschränkungen kann die feh-        kosten bei einem Umzug, oder                                                                                            Westschweiz HES-SO.
Vertraute Umgebung ist wichtig       lende Alterstauglichkeit einer       die Wahrnehmung des Zügelns                                                                                                gabrielle.wanzenried@
Grundsätzlich ziehen es die meis-    Wohnlage aufgrund von Risiken,       als zu grosse Last. Aufgrund der                                                                                        heig-vd.ch
                                                                                                                           Foto: Shutterstock

14 GERONTOLOGIE CH 2/2021                                                                                                                                                                             GERONTOLOGIE CH 2/2021    15
Klangspuren des Lebens Personalisierte Musik steigert das Wohlbefinden von
COVID-19

Bis zur Belastungsgrenze
                                                                                                                  bestand aus zwei Phasen. Von Mai      nach Verständnis und Unterstüt-        veränderte sich die Müdigkeit hin
                                                                                                                  bis November 2020 trafen sich die     zung verlangt. Zu Beginn der Pan-      zu «die vielen Abläufe und Proto-
                                                                                                                  Forschenden mit der Leitung und       demie fühlten sich die Hälfte und      kolle einzuhalten, erfordert viel

und darüber hinaus                                                                                                den Mitarbeitenden von sieben
                                                                                                                  Alters- und Pflegeheimen. Anhand
                                                                                                                  von Fragebogen wurden die Mit-
                                                                                                                                                        im weiteren Pandemieverlauf 39%
                                                                                                                                                        aller Pflegenden schlecht gelaunt,
                                                                                                                                                        unverstanden und allein. Anhand
                                                                                                                                                                                               Konzentration und strengt an». Es
                                                                                                                                                                                               war eine Müdigkeit, die auf die An-
                                                                                                                                                                                               sammlung schwieriger Erfahrun-
                                                                                                                  arbeitenden zu ihren Erfahrungen      der Daten lassen sich zwei typische    gen, körperlicher Erschöpfung und
Ein kantonales Interventionsprojekt im Tessin                                                                     und ihrem Gemütszustand befragt.      Reaktionen auf diese Dauerbelas-       psychischer Widerstände zurück-
erforschte, wie die ständige Angst, sich oder andere mit                                                          Insgesamt wurden 428 Fragebo-         tung feststellen: Viele reagieren      zuführen war; eine Müdigkeit, die
dem Virus anzustecken, das Wohl- und Stressempfinden der                                                          gen ausgefüllt, davon 269 im Mai/     einerseits mit Gereiztheit auf die     – angesichts der Ungewissheit über
                                                                                                                  Juni und 159 in der zweiten Runde     überfordernde Situation, was so-       die Dauer der Pandemie – einem
Pflegefachkräfte in Alters- und Pflegeheimen beeinflusst.                                                         im November. Weiter fanden in         wohl im März als auch im Novem-        Abnützungskampf ähnelte.
                                                                                                                  jedem Alters- und Pflegeheim          ber auf mehr als 60% der Betreu-
Text: Rita Pezzati, Luisa Lomazzi, Carla Sargenti,                                                                drei Gesprächsrunden statt, wo        ungspersonen zutraf. Andererseits      Emotionaler Balanceakt
Sara Di Salvatore, Anna De Benedetti, Daniele Stival
                                                                                                                  die unterschiedlichen Erfahrun-       kamen bei vielen Pflegefachkräften     Die bisherigen Daten und Ergeb-
                                                                                                                  gen untereinander ausgetauscht        die Emotionen hoch in Form von         nisse der Arbeitsgruppen spie-
                                                                                                                  werden konnten. Daran beteiligten     Tränen, was die Verzweiflung zum       geln den Grad der Erschöpfung

                                                                            C
                                                                                    OVID-19 hat den Alltag, das   sich rund 100 Pflegefachkräfte.       Ausdruck bringt, aber auch hilft,      der Pflegefachkräfte Ende 2020.
                                                                                    berufliche und private Le-                                          angestaute Spannung abzubauen.         Gleichzeitig wird deutlich, dass
                                                                                    ben im Tessin insbesondere    Gebundene Hände                       Rund die Hälfte der Pflegenden         eine nahe und einfühlsame Be-
                                                                            während der ersten Corona-Welle       führen zu Frustration                 gab an, im März mit Tränen auf die     ziehung zu den Bewohnenden und
                                                                            stark verändert. Besonders betrof-    Die Sorge und Erfahrung, selbst       schwierige Situation reagiert zu ha-
                                                                            fen von Angst, Stress und Erschöp-    infiziert zu werden und Bewoh-        ben. Ernüchternd ist die Tatsache,
                                                                            fung waren die Pflegefachkräfte       nende und Angehörige mit dem          dass 32% der Pflegenden auch im
                                                                                                                                                                                                       Während der ersten
                                                                            in Gesundheitseinrichtungen und       Virus anzustecken, wurde in allen     November noch häufig weinten.                   Corona-Welle …
                                                                            Alters- und Pflegeheimen. Auf-        Arbeitsgruppen geäussert. Dazu
                                                                            grund der schwierigen Umstände        kam die ungewohnt intensive           Stressabbau ist überlebenswichtig       … empfanden 97% der
                                                                            in den Alters- und Pflegeheimen       Konfrontation mit dem Leid und        Die Emotionsregulation ist ent-         Befragten eine höhere
                                                                            lancierte das «Amt für Alten- und     dem Sterben von Bewohnenden           scheidend, wenn es darum geht,          Arbeitsbelastung.
                                                                            Heimpflege (UACD)» und der            in einem Kontext, in dem auf-         die Gesundheit der Pflegenden
                                                                            Tessiner Kantonsarzt ein Inter-       grund der Pandemie keine übliche      zu schützen. Ansonsten können           … hatten 69% Angst, sich
                                                                            ventionsprojekt, um das Ausmass       Sterbebegleitung geleistet werden     Schlaf- und Appetitstörungen mit        selber und/oder andere
                                                                            der Belastung und des Stressemp-      konnte. Das Bewusstsein, nicht        den bisher beschriebenen Aus-           mit dem Virus anzuste-
                                                                            findens in verschiedenen Pflege-      die Qualität der Pflege leisten zu    prägungen ein pathologisches
                                                                                                                                                                                                cken.
                                                                            einrichtungen zu ermitteln und mit    können, für die man ausgebil-         Krankheitsbild abgeben. So gaben
                                                                            Unterstützungsangeboten entspre-      det ist, führte zu Demotivation,      sowohl im März als auch im              … erlebten 87% der Be-
                                                                            chend zu reagieren. Dazu gehörte      Frustration und Schuldgefühlen        November über 60% der Pflegen-          fragten weitreichende
                                                                            auch, dass für die Mitarbeitenden     sowie zu Schwierigkeiten im Um-       den an, unter Schlafstörungen zu
                                                                                                                                                                                                Veränderungen im Pri-
                                                                            Raum geschaffen wurde zum Inne-       gang mit den eigenen Emotionen        leiden. 80% der Befragten klagten
                                                                            halten, Nachdenken und Gedan-         sowohl gegenüber sich selbst (Wut)    über Müdigkeit – nicht nur phy-         vatleben wie wie z.B. der
                                                                            kenaustausch.                         als auch gegenüber Kolleg*innen       sisch, sondern auch psychisch. Im       Verzicht, Angehörige zu
                                                                                                                  (Reizbarkeit).                        März war die Müdigkeit begleitet        besuchen.
                                                                            Bestandsaufnahme:                                                           von «So viel Antrieb und Adre-
                                                                            Wie geht es den Pflegenden?           Was löst die Dauerbelastung aus?      nalin…» oder «das Zusammen-             … hatten sich 43% zu-
 Die Pflegenden
 kamen während                                                              Das Interventionsprojekt wurde        Ständige Angst und Sorge erzeu-       gehörigkeitsgefühl ist gross, wir       hause isoliert oder sind
 der Corona-                                                                vom Kompetenzzentrum für ältere       gen eine Art Alarmbereitschaft,       kämpfen gemeinsam». Im Mai              vorübergehend ins Hotel
 Pandemie kaum                                                              Menschen der Fachhochschule           die sich negativ auf die Gesundheit   die Hoffnung, «bald haben wir
 zur Ruhe.
                                                                                                                                                                                                gezogen.
                                                                            Südschweiz (SUPSI) konzipiert und     und die Stimmung auswirkt, und        es geschafft» und im November
                                                       Foto: Shutterstock

16 GERONTOLOGIE CH 2/2021                                                                                                                                                                                GERONTOLOGIE CH 2/2021   17
Klangspuren des Lebens Personalisierte Musik steigert das Wohlbefinden von
COVID-19                                                                                                                                                                                                                           DREI STIMMEN

ein guter Teamzusammenhalt für
die Arbeitszufriedenheit der Pfle-
                                     zweiflung sind wir Menschen, die
                                     es schaffen, zu lächeln und positi-                                                        Drei Altersstimmen
gefachkräfte grundlegend sind.
Viele Pflegende äussern das Be-
                                     ve Energie zu übertragen»; «Die
                                     Solidarität unter den Mitarbeiten-                                                         aus drei Landesteilen
dürfnis nach mehr Unterstützung      den ist gross. Wir tun unser Bestes
und Ruhephasen, was erahnen          für alle: für die Bewohnenden und                                                          Fühlen Sie sich aufgrund Ihres Alters
lässt, wie sehr sie immer noch       das Team.»                                                                                 manchmal benachteiligt oder diskriminiert?

                                                                                                                                «                                      «                                     «
nach einem emotionalen Gleich-
gewicht suchen. Dabei fallen
Sätze wie: «Wir haben die Stärke
                                                                                                                                          Von Altersdiskriminierung            Ich bin 85 Jahre alt und               Zu Beginn der Pandemie
des Kollektivs zurückgewonnen.
                                                                                                                                          fühlte ich mich bisher               sehr unabhängig, aber                  erhielten wir Ratschläge:
Aber wir sind immer noch müde»;
                                                                                                                                          kaum betroffen. Auch in              als ich nach einer CO-                 aufzuräumen, unsere nutz-
«Trotz der Frustration und Ver-
                                                                                                                                der Pandemie konnte ich meinen         VID-19-Erkrankung aus dem             losen Sachen im Keller zu entsor-
                                                    Mehr wissen:                                                                Anfangsschock schnell überwin-         Krankenhaus entlassen wurde,          gen, unsere Patientenverfügungen
   Die Gefühlslage der Pflegenden                                                                 Rita Pezzati                  den: Als eine noch recht fitte Pen-    musste mich meine Tochter zu den      und Vorsorgeaufträge anzupassen
  während der ersten Corona-Welle          Der Bericht «Die Pandemie aus
                                           Sicht der Pflegenden in Pflege-           Professorin am Centro compe-               sionärin gehörte ich nun also mit      Arztterminen chauffieren. Mein        oder die eigenen Lebensgeschich-
    wurde u.a. beeinflusst durch:
                                           und Altersheimen» zum Tessiner            tenze anziani der SUPSI, Psycho-           65+ zur «Risikogruppe». Da ich         Hörverlust hat sich in den letzten    ten aufzuschreiben. Das war sicher
 • Ungewissheit der                        Interventionsprojekt ist auf              login und Psychotherapeutin,               noch nicht in einer Alterseinrich-     Jahren verschlimmert, doch mit        gut gemeint. Aber warum hörte
                                           Französisch einsehbar unter:              Projektleiterin.
   Dauer der Pandemie                                                                                                           tung lebe, blieb mir häufiges Wan-     dem Hörgerät höre ich gut, wenn       ich aus diesen Ratschlägen so oft
                                           gerontologie.ch > Publikationen.             rita.pezzati@supsi.ch
 • Fehlen eines                                                                                                                 dern in einsamen Gegenden zur          mich die Menschen direkt an-          eine leicht herablassende Hal-
                                                                                                                                Stärkung meines Immunsystems.          sprechen. Doch leider sprechen        tung? Da schien auf einmal nicht
   Impfstoffes
                                                                                                                                Mit erfolgreicher Impfung im           einige medizinische Fachkräfte mit    mehr zu gelten, was wir von der
 • Ständige Alarmbereit-                                                                                                        Mai 2021 gab es erst recht keinen      meiner Tochter und nicht mit mir,     Altersforschung her immer wieder
                                                                                                                     ANZEIGE
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 • Anfangsschwierigkeiten                                                                                                       ge gesellschaftlich benachteiligt zu   genehm ist. Das Maskentragen          ist keine Krankheit. Zur Frage der
   bei der Beschaffung                                                                                                          fühlen. Aufgrund meines Alters in      macht das Verstehen nicht leichter,   Altersdiskriminierung habe ich ein
   von Schutzmaterialien                                                                                                        einer Triage nicht ausreichend in-     vor allem, wenn man mich nicht        ambivalentes Verhältnis. Eigent-
 • Stigmatisierung von                                                                                                          tensivmedizinisch versorgt zu wer-     direkt anspricht. Jedes Mal muss      lich erleben wir in vieler Hinsicht

                                                          CAS Gerontologie
                                                                                                                                den, machte mir nie Angst. Was         ich eingreifen und die Ärzte darauf   eine positive Diskriminierung. Wir
   Mitarbeitenden im
                                                                                                                                mir Angst macht – und das betrifft     hinweisen, dass ich die Patientin     geniessen im Alter viele Vorteile,
   Kontakt mit infizierten
                                                          als praxisorientierte
                                                                                                                                alle Schwerkranken und Sterben-        bin und dass sie sich die Mühe        nicht zuletzt, dass wir weitgehend
   Personen                                                                                                                     den – ist, dass unser Patientenwille   machen sollen, von Angesicht zu       frei von existenzieller Sorge unser

                                                          Wissenschaft
 • Unterbrechung der                                                                                                            bei COVID-19 am Lebensende             Angesicht mit mir zu sprechen. Ich    Leben gestalten können. Und es
   Routinearbeit                                                                                                                scheinbar wenig zählt. Gleich zu       finde es wichtig, dass sich Ärzte     ist mir bewusst, als weitgehend ge-
 • Sauberkeits- und                                                                                                             Beginn der Pandemie habe ich eine      und andere Fachleute dieses Prob-     sunder 76-jähriger privilegiert zu
                                                                                                                                Patientenverfügung ausgefüllt, in      lems bewusst sind, das viele ältere   sein, dass ich bereits Mitte Februar
   Hygienebewusstsein,
                                                           Erhalten Sie einen interdisziplinären Einblick                       der ich eine künstliche Beatmung       Menschen haben, die Hörgeräte         die zweite COVID-Impfung erhal-
   das teilweise an Beses-                                 in Forschung und Praxis zum Thema Alter(n).                          für mich ablehne. Falls es mich        benutzen und begleitet werden         ten habe. Vielleicht hätten jüngere
   senheit grenzte                                         Lernen Sie Lösungsimpulse für die sozialen He-                       trifft, dann möchte ich, solange es    müssen. Nicht alle trauen sich        Menschen, die beruflich und privat
 • ständige Überwachung                                    rausforderungen unserer alternden Gesellschaft                       geht, unter palliativer Versorgung     während der Konsultation, sich zu     mehr auf direkte Kontakte ange-
   der Umsetzung von Si-                                   zu setzen.                                                           bei Bewusstsein bleiben und in         wehren!»                              wiesen sind, eine frühere Impfung
   cherheitsmassnahmen                                                                                                          Würde Abschied nehmen können –         Leonor Zwick-Merchan
                                                                                                                                                                                                             noch nötiger gehabt?»
                                                           22 Studientage | 15 ECTS-Credits
 • die körperliche Belas-                                  Januar bis November 2022                                             ein Sterben mit über 70 kann ich in    85 Jahre, Genf                        Robert Zimmermann
                                                                                                                ranstaltung:
                                                                                              Nächste Infove                    Dankbarkeit für ein erfülltes Leben
   tung durch das ständi-                                                                           pt em be r 20 21 – Online                                                                                76 Jahre, Spiegel b. Bern
                                                                                              2. Se
                                                           Ihre Weiterbildung zum Thema                                         annehmen.»
   ge Tragen von Schutz-                                   Alter –kompetent, engagiert, zukunftsweisend:                        Karin Wilkening
   masken                                                  bfh.ch/alter/weiterbildung               ‣ Institut Alter            73 Jahre, Gross SZ

18 GERONTOLOGIE CH 2/2021                                                                                                                                                                                                GERONTOLOGIE CH 2/2021   19
POLITIK

                                                                                              Alterspolitik. Dementsprechend           sie­rung aller über 65-Jährigen         undifferenziert wie dasjenige der
                                                                                              legt der Aktionsplan einen Paradig-      generell als «besonders gefährdet       fitten Alten, das uns die Werbung
                                                                                              menwechsel fest «weg von einem           und vulnerabel durch COVID» ist         gerne vorspiegelt.»
                                                                                              durch Abwesenheit von Krankheit          die Forderung nach veränderten
                                                                                              gekennzeichneten Verständnis des         Denk-, Sicht- und Handlungswei-         Meine Schlussfolgerung
                                                                                              gesunden Alterns hin zur Förde-          sen aktueller denn je, wurde doch       Fachleute aus dem Altersbereich
                                                                                              rung funktionaler Fähigkeiten, die       dadurch das in der Gesellschaft (ja     sind dazu aufgefordert, ihre
                                                                                              es älteren Menschen ermöglichen,         unter Alternden) vorherrschende         Forschungsresultate mit ihren
                                                                                              das zu tun, was sie schätzen. Dazu       Altersbild um Jahrzehnte zurück-        differenzierten Aussagen über das
                                                                                              werden vielschichtige Massnahmen         geworfen. Eigentlich sollten die        heutige Altern zu publizieren und
                                                                 Unser Bild vom               in mehreren Bereichen erforderlich       von der WHO propagierte differen-       weit zu streuen – damit es gelingt,
                                                                 Alter ist häufig             sein, abzielend auf Gesundheits-         ziertere Sichtweise sowie ihre Mit-     den Paradigmenwechsel auch in
                                                                 von Stereotypen              prävention, -förderung, Wahrung          te März 2021 lancierte weltweite        der Praxis zu vollziehen.
                                                                 geprägt.                     von innewohnendem Leistungs-             Kampagne gegen Altersdiskrimi-
                                                                 Illustration: Shutterstock   vermögen und Befähigung zur              nierung in der Schweiz auf offene
                                                                                              Alltagsbewältigung [...]. Die zur        Ohren stossen. Wurden sie doch

UNO Dekade für                                D
                                                      ie Dekade stipuliert die                Alltagsbewältigung erforderlichen        kurz vor Ausbruch der COVID-19
                                                      Schaffung von günstigen                 Fähigkeiten eines Individuums            Pandemie in Bundesrat Alain
                                                      Rahmenbedingungen für                   werden durch sein ihm innewoh-           Bersets Einführungsreferat zur

gesundes ­Altern:
                                              eine verbesserte Lebensqualität,                nendes Leistungsvermögen (d.h.           Nationalen Gesundheitskonferenz
                                              sowie ein gewandeltes Verständnis               die Gesamtheit seines körperlichen       2030 zum Thema «Gesund altern»
                                              und eine aufgewertete Rolle der äl-             und geistigen Potenzials), die Um-       vorweggenommen: Ausgehend

Auch für die                                                                                                                           von der erfreulichen, aber erstaun-                   Hans Peter Graf
                                              teren Personen in der Gesellschaft.             gebung, in der es lebt (im weitesten
                                              Um diese Ziele zu erreichen,                    Sinne verstanden und einschliess-        lichen Feststellung, dass nur gera-           Dr. sc. pol., Vorstandsmitglied
                                              fokussiert ihr Aktionsplan auf vier             lich der physischen, sozialen und        de ein Zwölftel der 83- bis 89-Jähri-         GERONTOLOGIE CH, Mitglied

Schweiz und unsere
                                                                                                                                                                                     Stiftungsrat FAAG – Fondation
                                              Handlungsfelder:                                politischen Rahmenbedingungen),          gen ihren Gesundheitszustand als
                                                                                                                                                                                     pour la formation des aînées
                                              1. Veränderung der Denk-, Sicht-                und seine Interaktionen mit dieser       schlecht bezeichnet, folgerte unser           et des aînées de Genève, und

Leserschaft!
                                              und Handlungsweisen in Bezug                    Umgebung bestimmt.»                      Gesundheitsminister:                          Mitglied des Vorstands / von
                                              auf Alter und Altern.                                                                    «Wir müssen konstatieren:                     Kommissionen mehrerer Genfer
                                              2. Entwicklung von Gemeinschaf-                 Alterspolitik geht über Politik hinaus   1. Wir wissen über dieses noch                Altersorganisationen sowie der
                                                                                                                                                                                     VASOS.
                                              ten, welche die Fähigkeiten älterer             Gesundes Altern sowie Alters-            junge Phänomen des hohen Alters
                                                                                                                                                                                          graf-junod@bluewin.ch
Die von der UNO und der WHO lancierte         Menschen fördern.                               politik betreffen also nicht nur         im Grunde noch viel zu wenig.
                                              3. Bereitstellen von altersgerechten            Gesundheits- und Sozialdeparte-          2. Unser kalendarisches Alter sagt
«Décennie pour le vieillissement en bonne     integrierten personenzentrierten                mente, sondern benötigen die Be-         wenig über uns aus. Nicht nur zu
santé / Decade of healthy ageing 2021-2030»   Angeboten und Leistungen der                    rücksichtigung von allen Politikbe-      Beginn in den Kleinkinderjahren,
                                                                                                                                                                                              Mehr wissen:
liefert willkommene Anstösse für adäquatere   primären Gesundheitsversorgung.                 reichen, ja erfordern gemäss WHO         sondern vor allem im hohen Alter.
                                              4. Schaffen von Angeboten der                   «die Konstituierung von verschie-        3. Unser Bild vom Alter ist in Ste-           www.who.int/ageing/
Denk-, Sicht- und Handlungsweisen in                                                                                                                                                 decade-of-healthy-ageing
                                              Langzeitpflege für hilfsbedürftige              dene Stakeholder umfassenden             reotypen gefangen. [...] Altersbil-
Bezug auf Altern.                             ältere Menschen.                                Partnerschaften» unter Einbezug          der haben einen direkten Einfluss             Die im Beitrag zitierten Stellen
                                                                                              nicht nur der Alternden und ihrer        darauf, was jüngere Menschen vom              sind übersetzt aus: Décennie
Text: Hans Peter Graf                                                                                                                                                                pour le vieillissement en bonne
                                              Paradigmenwechsel:                              Organisationen, sondern auch von         Alter erwarten und was sich ältere            santé, 2020–2030 [Final propo-
                                              Fähigkeiten im Fokus                            Raumplanern, Hausvermietern,             Menschen selbst zutrauen. Viele               sal], Genève : OMS, avril 2020, 31
                                              Für die Schweiz wie auch für die                Concierges, Detailhandel, Dienst-        der gängigen Altersbilder ent-                p. Siehe 4-seitiger Auszug in:
                                              Fachleute im Altersbereich sind                 leistern, einschliesslich Taxis und      springen negativen Annahmen. Sie              https://bit.ly/3xFZZ95
                                              vor allem die ersten beiden Ach-                Coiffeuren!                              gehen davon aus, dass Älterwerden
                                                                                                                                                                                     Die Rede des Gesundheitsminis-
                                              sen interessant in Ergänzung zur                                                         einhergeht mit abnehmender kör-
                                                                                                                                                                                     ters Alain Berset anlässlich der
                                              gängigen, vorwiegend auf Kom-                   Der Gesundheitsminister                  perlicher und geistiger Leistungs-            nationalen Gesundheitskonfe-
                                              pensation von mit Altern verbun-                und unsere Altersbilder                  fähigkeit und ein Leben in Abhän-             renz 2030 ist nachzulesen unter:
                                              denen Defiziten ausgerichteten                  Nach der anfänglichen Stigmati­          gigkeit bedeutet. Dieses Bild ist so          https://bit.ly/3vnLyoV

20 GERONTOLOGIE CH 2/2021                                                                                                                                                                 GERONTOLOGIE CH 2/2021     21
DEMENZ

«Aussenkontakte stärken
das Zugehörigkeitsgefühl»
Eine Westschweizer Studie geht der Frage nach,
wie sich ältere Menschen mit Demenz im öffentlichen
Raum bewegen und was es braucht, damit sie am
                                                                                                                                                                                                         Bewegung und Begegnungen
gesellschaftlichen Leben teilhaben können.                                                                                                                                                               an der frischen Luft sind
                                                                                                                                                                                                         auch für ältere Menschen
Text: Isabel Margot-Cattin                                                                                                                                                                               mit Demenz sehr wichtig.
                                                                                                                  Foto: Shutterstock

B
       ewegung an der frischen         ist nur wenig erforscht. Welche                                            sitze, Bank, Post, kulturelle und ad-   fördern, die von älteren Menschen        verstärkt in den Fokus gerückt ist.
       Luft, Begegnungen mit           Orte werden aufgesucht? Welche                                             ministrative Einrichtungen kaum         aufgesucht werden. Darüber               Und es bleibt zu hoffen, dass Fach-
                                                                               «Soziale Partizipation
       Menschen oder der Aufent-       Aktivitäten ausgeführt? Wo findet                                          besucht. Die Möglichkeiten zur          hinaus sollen Erholungsgebiete in        leute und Entscheidungsträger aus
halt in der Natur haben eine positi-   das gesellschaftliche Leben älterer          ist für ältere                Teilhabe älterer Menschen werden        der Natur mehr Aufmerksamkeit            dem Gesundheits- und Sozialwe-
ve Wirkung auf das Wohlbefinden.       Menschen statt? Mit diesen Fragen       Menschen mit Demenz                von verschiedenen Faktoren be-          und Ressourcen bekommen, damit           sen sowie der Politik ihre Aufmerk-
Das gilt selbstverständlich auch       beschäftigte sich eine Studie, die       besonders wichtig.                einflusst, etwa ob sich ein Ort im      sie auch wirklich genutzt werden         samkeit in Zukunft vermehrt auf
für ältere Menschen, ob mit oder       in den vergangenen Jahren in der         Sie beeinflusst ihre              Freien befindet, ob er mit dem ÖV       können. So müssen beispielsweise         die soziale und gesellschaftliche
ohne Demenz. Aussenkontakte            französischsprachigen Schweiz                                              oder dem Auto, selbständig oder         Parks und Spazierwege am See             Teilhabe älterer Menschen richten
                                                                                  Gesundheit und
stärken das Zugehörigkeitsgefühl –     durchgeführt wurde. Grundlage                                              nur begleitet erreichbar ist.           oder im Wald sicher und leicht zu-       werden.
und helfen an Demenz erkrankten        war unter anderem der Frage-                ihr Gefühl von                                                         gänglich sein.
Menschen, ihr Selbst- und Identi-      bogen «Participation in Activi-            Zugehörigkeit.»                 Sozialpolitische Massnahmen
tätsgefühl zu wahren. Doch das         ties and Places Outside Home                                               erforderlich                            Isolation während der Pandemie:
Haus zu verlassen und am öffent-       (ACT-OUT)», der eine Liste von                                             Ältere Menschen mit Demenz sind         Ein Weckruf?
lichen Leben teilzunehmen, ist         Orten vorschlägt, die von älteren     die mit einer Anreise verbunden      mit einer sich ständig verändern-       Die aktuelle COVID-Krise hat ge-
nicht selbstverständlich. Für ältere   Menschen besucht werden. Die          sind. Obwohl die soziale Teilhabe    den Aussenwelt konfrontiert, die        zeigt, wie wichtig es ist, dass ältere
Menschen ist es schwierig, sich in     Teilnehmenden wurden nach ihrer       mit dem Alter generell abnimmt       ihre soziale Partizipation, welche      Menschen am gesellschaftlichen
einer sich ständig verändernden        Nutzung dieser Orte gefragt –         (um 10%), ist dies bei Menschen      für ihr Wohlbefinden, ihre Ge-          Leben teilnehmen können. Die
städtischen Umgebung inmitten          aktuell, in der Vergangenheit oder    mit Demenz deutlicher der Fall       sundheit und ihr Zugehörigkeits-        angeordneten Massnahmen zum
von Verkehr, Lärm und Baustellen       in der Zukunft. Zwei Gruppen von      (um 27%), was auf einen signifi-     gefühl wichtig ist, immer mehr          Schutz der Gesundheit haben die
zu bewegen und zurechtzufinden.        älteren Menschen mit und ohne         kanten Rückgang der Anzahl und       einschränkt. Um möglichst vielen        Teilhabe von älteren Menschen
                                                                                                                                                                                                              Isabel Margot-Cattin
Das Risiko, sich zu verlaufen oder     Demenz nahmen an der Studie teil.     Vielfalt der besuchten Orte hin-     Menschen soziale Teilhabe zu er-        teilweise massiv eingeschränkt.
zu stürzen, nimmt zu und hält viele                                          weist. Orte, die nach wie vor am     möglichen, ist es von Bedeutung,        Dies obwohl bekannt ist, dass sich             Dr. in Ergotherapie, Assoziierte
davon ab, überhaupt nach draus-        Manche Orte sind unerreichbar         meisten frequentiert werden, sind    wie wir unsere Städte und Dörfer        soziale Isolation negativ auswirkt             Professorin, Fachhochschule
                                                                                                                                                                                                         Westschweiz (HETSL | HES-SO).
sen zu gehen.                          Die Ergebnisse zeigen erwartungs-     der Garten rund um das eigene        bauen, unsere Gemeinden planen          auf die psychische Gesundheit und
                                                                                                                                                                                                              isabel.margot@hetsl.ch
                                       gemäss, dass ältere Menschen          Haus, Arztpraxen und Gesund-         und Unterstützungsdienste, Haus-        dass das Risiko von kognitiven
Wo findet gesellschaftliche            mit Demenz in ihrer Teilhabe am       heitseinrichtungen, Tagesstätten,    haltshilfe oder Spitex organisieren.    Beeinträchtigungen steigt. Die län-
Teilhabe statt?                        gesellschaftlichen Leben stark        Häuser von Freunden und Familie,     Sozialpolitische Massnahmen, die        gerfristigen Auswirkungen, welche
Wie ältere Menschen mit und            eingeschränkt sind. Orte wie Parks,   die eigene Nachbarschaft und das     auf der Entwicklung von demenz-         die Einschränkungen mit sich brin-
ohne Demenz die Partizipation          wo man sich bewegen oder erholen      vertraute Restaurant oder Café. Im   freundlichen Gemeinden basieren,        gen, müssen noch erforscht wer-                         Mehr wissen:
an der Gesellschaft ausserhalb         könnte, werden kaum aufgesucht.       Gegensatz dazu werden beispiels-     können die Zugänglichkeit, Nutz-        den. Doch schon jetzt ist klar, dass           Die Studie finden Sie unter:
der eigenen vier Wände erleben,        Genauso wenig unbekannte Orte,        weise Sportzentren, Zweitwohn-       barkeit und Vertrautheit von Orten      das Thema durch die Pandemie                   https://bit.ly/2SE2AAA

22 GERONTOLOGIE CH 2/2021                                                                                                                                                                                     GERONTOLOGIE CH 2/2021    23
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