Klischees überwinden Endlich alleine wohnen - Mathilde Escher Stiftung
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N0 10 — 2020 PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung STO LPER S En d l E I N T i allei ch woh ne nen Klischees überwinden Holland bot den Lernenden deutlich mehr als Tulpen, Käse und Velos. 1
— EDITORIAL — Alles Wir steigern Mobilität. ändert sich Unsere Spezialisten erarbeiten individuelle Versorgungskonzepte, um unseren Patientinnen und Patienten ein Höchstmass an Selbstbestimmung zu ermöglichen. Wir blicken zurück auf ein turbulentes Jahr, in dem sich auch bei uns viel geändert hat. Sei es die Umbe Ihr verlässlicher Ansprechpartner in Sachen nennung zur Mathilde Escher Stiftung mit einem neuen • Rollstuhlversorgung (manuelle und Elektrorollstühle) PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung • Sitz- und Rückenschalen visuellen Auftritt, Katharina Hildebrand als neue • Inkontinenzversorgung Geschäftsf ührerin oder natürlich die ganze Covid-19- • Orthopädie-Schuhtechnik Situation. In den Artikeln wird ebenfalls viel über Ver • Orthopädietechnik änderungen berichtet. Da wäre zum Beispiel der Beitrag Balgrist Tec AG | Forchstrasse 340, 8008 Zürich | T +41 44 386 58 00 | www.balgrist-tec.ch von Niklas, in dem er über sein Leben und seinen Um zug in die Schweiz erzählt. Er zeigt, dass grosse Ver Pause meh.indd 1 03.09.2020 14:37:05 Pascal Niffeler, änderungen in unserem Leben auch eine grosse Chance Praktiker Mediamatik sein können. Oder jener von Johnny, der über den 1. Ausbildungsjahr Wechsel zum selbstständigen Wohnen nachdenkt und was das für ihn bedeuten würde. Eine komplett andere Kommunizieren. Art der Verwandlung haben die Lernenden der Aus bildung beim Drehen eines Kurzfilms für die Jugend Lernen. filmtage erlebt. Ich war verblüfft wie Filmszenen, die Arbeiten. in Realität unmöglich erschienen, mit guter Planung Wohnen. und schlauen Tricks gefilmt werden konnten. Eine andere Perspektive eröffnet uns der Beitrag von Luca. IMPRESSUM Er erzählt darin von seinem Hobby Malen und welchen PAUSE — das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung Einfluss seine fortschreitende Muskelschwäche darauf Ausgabe Nr. 10, 2020 hat. So wie Luca müssen wir uns Veränderungen stellen Herausgeberin: Mathilde Escher Stiftung und handeln. Wir können diese nicht ignorieren, denn Lengghalde 1, 8008 Zürich Telefon 044 389 62 00 nichts ist beständiger als der Wandel. Fotos: Ben Wadley, Daniel Digitale Assistive Technologien Capitani, Michael Groer, Dominik Zenhäusern für mehr Partizipation und Selbstbestimmung Konzeption: grüninger grafik, Atelier für visuelle Kommunikation Lektorat: Sprache und Kommunikation – Iris Vettiger Lithografie: b+b repro AG www.activecommunication.ch Druck: Druckerei Albisrieden AG Active Communication AG | Ein Unternehmen der Schweizer Paraplegiker-Stiftung we integrate. active. Auflage: 3‘200 Exemplare 3 Erscheint: 1 x pro Jahr Gedruckt auf 100% Recyclingpapier
Inhalt – 36 – Schiffe, Kräne und haufenweise –7– Velos Eigene Welt Die diesjährige Ausbildungsreise führte die Luca liebt das Malen und Zeichnen. Trotz Lernenden nach Holland. Ein Reisebericht nachlassender Kraft verliert er den Mut nicht über ein Land, das deutlich mehr zu bieten hat und findet immer wieder neue Lösungen. als die üblichen Klichees. 18 – 12 – – 42 – PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung «Herr Eisenegger, «Ich bewarb das haben Sie mich aus den «Ich bin ein toll gemacht!» Ferien» A lpha-Mensch» Mit einer Bühne am Zürichfest hat sich Essen gut, alles gut. Wer ist in der Mathilde Seit einem Jahr hat die Mathilde Mirco einen Traum erfüllt. Ein einfaches Escher Stiftung eigentlich für das leibliche Escher Stiftung eine neue Geschäfts Unterfangen war das jedoch nicht. Wohl zuständig? führerin. Höchste Zeit, um Katharina Hildebrand näher kennen zu lernen. – 14 – 8 Benzin im Blut Am liebsten mit Vollgas. Der Rennsport ist Kurz & bündig Clas Leidenschaft. Um sicher im Rennauto zu 22 Das Redaktionsteam «Früher war sitzen, muss alles passen. Und wer ist eigent lich dieser Hans? 33 Wussten Sie, dass … ich es, der Hilfe – 30 – 24 34 Fotostory benötigte» Und Action! Ben hat eine neue App … Niklas hat in seiner Kindheit viel 35 Stolperstein Zeit im K rankenhaus verbracht. Filmen macht Spass! Doch die wirkliche Arbeit «Wenn ich selbstständig Seine positive Lebenseinstellung hat kommt erst danach. Für die Jugendfilmtage wohne, werde ich zum Der richtige Moment er trotzdem nie verloren. produzierten die Lernenden einen Kurzfilm A rbeitgeber» zum Thema «Money». 41 10 Fragen an … In der Projektwoche «Street Photography» haben Marc von Arx die Lernenden der Mathilde Escher Stiftung scheinbar Alltägliches ins richtige Licht gerückt. 4 5
— PERSÖNLICH — Eigene Welt Meine grosse Leidenschaft ist das die grossen Maler der Geschichte, am meisten Malen. Dabei kann ich meiner Fantasie Pablo Picasso. Mein Lieblingsgemälde von ihm ist Mediterranean Landscape. Mir gefallen die freien Lauf lassen. Trotz nachlassender Formen und Farben des Bildes. Kraft verliere ich den Mut nicht und finde immer wieder neue Lösungen. Neue Lösungen und Hilfsmittel Malen bedeutet mir sehr viel, aber es strengt mich zunehmend an. Ich habe Muskeldystro Von Luca Affolter phie Typ Duchenne, weshalb meine Muskel kraft nachlässt. Meine Hände werden immer PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung schwächer, mittlerweile kann ich sie selbst nur noch von der Armlehne auf den Schreibtisch oder auf meine Beine legen. Ausserdem kann ich nicht mehr so gut auf das Papier blicken, weil mein Kopf nicht mehr so beweglich ist. Eine Computermaus oder einen Controller zum Gamen kann ich noch bedienen. In der Ergo therapie haben wir verschiedene Möglichkeiten ausprobiert, wie ich meinem Hobby Malen weiterhin nachgehen kann. Zuerst haben wir es mit einer schräg stellbaren Tischerhöhung versucht und Kissen unter die Arme gelegt. Das war aber noch nicht ideal. Ich sah nicht gut aufs Blatt und es war unbequem für die Arme. Schliesslich fanden wir einen Weg mit einem Hilfsarm und einem Blatthalter. Der Hilfsarm hat eine Feder, die es mir erlaubt, den Arm mit wenig Kraft zu bewegen. Trotzdem komme ich auf dem Blatt mittlerweile nicht mehr bis ganz nach oben. Eine gute Lösung für mich ist es, am Computer Die meisten Motive gestalte ich aus dem Kopf. zu malen. Das funktioniert heute und hof Ich male meist Tiere, erfundene Planeten und fentlich auch in Zukunft. Zukünftig werde ich Sonnenuntergänge. Sonnenuntergänge male wohl mit meiner Umweltsteuerung malen. ich, weil sie in mir ein Gefühl der Ruhe aus Die Umweltsteuerung ist ein System, mit dem lösen. Am liebsten verwende ich Farbstifte und man über den E-Rollstuhl mit Bluetooth oder Filzstifte, weil ich damit am besten gestalten Infrarot das Handy, den Lift, das Radio, den kann. Meine Lieblingsfarben sind Blau, Grün Fernseher und den PC steuern kann. Dennoch und Gelb. Beim Malen tauche ich in meine würde ich viel lieber von Hand malen. Dann Praktikant*in mit Mehrwert Fantasie ein und vergesse leicht die Zeit und kann ich den Stift in der Hand spüren. Trotz die Umgebung. Ich finde es beruhigend, an aller Hilfsmittel male ich nicht mehr so oft, einem Bild zu arbeiten. Meine Bilder gefallen weil es mich zu sehr anstrengt. Ich habe lange mir, es ist aber auch ein tolles Gefühl, wenn gebraucht, um damit klarzukommen, dass Wir sind auf der Suche nach Praktikumsplätzen. andere meine Bilder loben. Mich faszinieren vieles nicht mehr geht. Michael Groer (Leitung Ausbildung) freut sich auf Ihren Anruf: 6 389 62 56 Telefon 044 7
— PERSÖNLICH — «Früher war ich es, der Hilfe PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung benötigte» Bis zu meinem dritten Lebensjahr war ich s ehr oft im Krankenhaus. Dort wurde mir auch klar, dass ich nicht so bin wie alle andern. Heute lasse ich mich trotz meiner Krankheit nicht unterkriegen, geniesse mein Leben und gestalte es aktiv. Von Niklas Halder 8 9
— PERSÖNLICH — — PERSÖNLICH — «Ich musste feststellen, dass meine Mitbe- laut meinem Vater nicht immer so positiv. Ich habe gelernt, dass ich trotz meiner Krank wohner trotz ihrer kör- heit vieles verändern kann, aber auch etwas dafür tun muss. Ich wurde von meinen Eltern Ich habe eine Stoffwechselkrankheit, genauer perlichen Einschrän- immer gut informiert, was meine Krankheit betrifft, und in die Entscheidungen einge eine Eiweissunverträglichkeit, die als Glutara zidurie Typ 1 bezeichnet wird. Ich habe bereits kungen selbstständiger bunden. Darum fühle ich mich meiner Krank heit nicht ausgeliefert. zahlreiche unterschiedliche Medikamente probiert, viele davon hatten aber leider mehr sind als ich.» Nebenwirkungen als Nutzen. Hinzu kam, dass PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung ich jeweils keinen normalen Alltag führen konnte, bis sie richtig eingestellt waren. Diese Medikamente wurden nicht speziell für meine Krankheit entwickelt, helfen aber bei der symptomatischen Behandlung meiner Spas sind als ich. Am Anfang wusste ich nicht so tiken und meiner Verdauung. recht, was in der WG erlaubt ist und was nicht. Wenn ich meine Bezugsperson fragte, was ich Neuland denn nun darf oder nicht, bekam die Antwort: Neben den Herausforderungen, die meine «Du darfst machen, was du willst.» Heute Krankheit mit sich bringt, musste ich im Alter weiss ich, was sie damit meinte. Ich darf meine von sechs Jahren eine weitere grosse Ver Entscheidungen selbst treffen, muss aber auch änderung in meinem Leben meistern: den allfällige Konsequenzen tragen. Ausserdem Umzug meiner Familie von Deutschland in musste ich auf meiner Wohngruppe geduldiger die Schweiz, da mein Vater ein Stellenangebot werden, weil ich nicht mehr der einzige Roll annahm. Ich kann mich noch daran erin stuhlfahrer war, der Bedürfnisse hatte. Ich nern, dass ich etwas traurig war, unser Haus lebte mich sehr schnell ein, weil ich mich will zurückzulassen. Hier in der Schweiz musste In die Mathilde Escher Stiftung kommen fühlte und viel Unterstützung hatte. ich mich auf viel Neues einlassen. Mein Start Während meiner Schulzeit musste ich mich an der neuen Schule war holprig. Wenn ich nach einem Ausbildungsplatz umschauen. Ich Blick nach vorne mit dem Elektrorollstuhl am neuen Wohnort entschloss mich schliesslich für die Mathilde Im Moment weiss ich nicht, wie es mit meiner u nterwegs war, fragten mich viele Leute, Escher Stiftung, weil mir die Ausbildung am Krankheit weitergehen wird. Ich hoffe, dass was für eine Krankheit ich habe oder ob ich besten zusagte. Zu Beginn der Ausbildung zog sie sich stabilisiert, es gibt aber keine verläss Hilfe brauche. Das war für mich nicht immer ich auch in eine WG in der Mathilde Escher liche Prognose. Allerdings muss ich immer einfach, weil ich logopädischen Bedarf hatte Stiftung ein. Speziell war für mich, mit anderen stärkere Medikamente gegen meine Spastiken und nicht so gut reden konnte. Ich wollte Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern nehmen. Trotzdem beunruhigt mich das nicht. manchmal gar nicht antworten, habe so aber zusammenzuwohnen. In meiner alten Schule Ich habe schon so viel durchgemacht. Rum auch gelernt, mich zu verständigen. Trotz der war es immer ich, der Hilfe benötigte. In der sitzen und Heulen helfen mir nicht. Es kommt, anfänglichen Probleme fand ich in meiner WG konnte ich nun auch anderen helfen, weil wie es kommt. Der letzte Sommer war für Schweizer Schule relativ schnell Anschluss. In viele meiner Mitbewohner manuell stärker mich die schönste Zeit meines Lebens, weil ich Deutschland hatte ich nicht allzu viele Kolle eingeschränkt sind als ich. Ich stellte aber einfach machen konnte, was ich wollte, und gen, weil ich wegen meiner Krankheit oft im auch fest, dass manche von ihnen trotz ihrer auch ein bisschen Zeit mit meiner Familie Krankenhaus war. körperlichen Einschränkungen selbstständiger verbringen konnte. Meine Grundhaltung war 10 11
— PROJEKT ZÜRIFEST — «Herr Eisenegger, das haben Sie toll gemacht» Mirco, einer unserer ältesten ob er ihm ein Planungskonzept erstellen kön Bewohner, hatte sich letztes Jahr ne. «Die Arbeit hat sich gelohnt, unser Konzept hat die Veranstalter des Zürifests überzeugt», mit einer Party-Bühne am Zürichfest ergänzt Mirco zufrieden. einen g rossen Traum erfüllt. Trotz PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung Hürden und Herausforderungen war Nicht alles nach Plan Eine weitere grosse Hürde war die Finanzie es für ihn ein grosser Erfolg. rung. Zum Glück fanden sich grosszügige Spen derinnen und Spender, die Mirco bei seinem Von Pascal Niffeler Projekt finanziell unterstützten. Zudem konnte er durch die Vermietung von Flächen für Essensstände einen Teil der Kosten abdecken. Leider lief nicht alles nach Plan: Ein Kollege Mirco Eisenegger liebt es, Partys zu veranstal von Mirco versprach, als Projektpartner bei ten, in den Ausgang zu gehen und zu basteln. der Organisation zu helfen und eine hohe Früher nahm er mehr Dinge auseinander, als Summe an Kosten zu übernehmen. Leider hielt er wieder zusammenbauen konnte. Heute er sich nicht an die Abmachung und nutzte die konstruiert er gerne kleine Solarfahrzeuge, Bühne vor allem als persönliche Werbeplatt Partymobile und beschäftigt sich mit Modell form. Dadurch fielen am Ende mehrere tausend bau. Sein Wunsch, am Zürifest mit einer Franken Schulden an. «Dank glücklicher Um eigenen Bühne dabei zu sein, hatte er schon stände haben wir es aber geschafft, diese abzu lange: «Ich wollte eine riesen Party veranstal zahlen», erzählt Mirco in ruhigem Ton. ten, bei der Menschen mit und ohne Behinde rung gemeinsam Spass haben können.» Gemeinsam abfeiern «Die Teilnahme am Zürifest war trotz allem Überzeugungsarbeit ein grosser Erfolg», sagt Mirco und erzählt Die Bühne am Zürifest war sein bisher grösstes stolz, wie die Leiter des Zürifests seine Bühne Projekt. Dafür musste er viele Helferinnen und betraten und ihm schulterklopfend sagten: Helfer organisieren, die ihm bei der Planung, «Herr Eisenegger, das haben Sie toll gemacht, der Organisation, beim Aufbau und auch bei wir sind sehr, sehr zufrieden mit Ihnen.» der Administration halfen. Einige konnte er Mirco meint rückblickend: «Es hat mir sehr überzeugen, freiwillig mitzumachen, anderen viel Spass gemacht, am Zürifest teilzunehmen zahlte er Lohn. Die Anzahl der Bühnen ist beim und allen zu zeigen, wie Fussgänger und be Zürifest begrenzt. Mirco meinte: «Die erste hinderte Menschen gemeinsam abfeiern grosse Hürde war, überhaupt einen Platz am können. Es hat uns viel Geld, Schweiss und Zürifest zu bekommen.» Er musste deshalb Nerven gekostet, doch am Ende waren wir die Veranstalter mit einem Bühnenvorschlag mit dem Ergebnis sehr zufrieden.» Sein Fazit überzeugen. Mirco fragte einen Freund, der im lautet: «Ich bin sehr stolz auf das Projekt Event- und Bühnenbau professionell arbeitet, und werde es im Leben nie vergessen.» 13
— LEIDENSCHAFT MOTORSPORT — Benzin im Blut PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung Rennsport und Oldtimer sind meine grosse Leidenschaft. Mein Vater ist ein begnadeter Renn- fahrer und hat mir die Liebe für den Rennsport vererbt. Dank ihm kann ich hautnah dabei sein und einen Hauch von Formel-1-Feeling miterleben. Von Cla Capitani «Ich liebe alte Sportwagen», schwärmt Cla, was ihn aber nicht davon abhält, auch in einem topmodernen Boliden mitzufahren. Heisse Boliden, glühender Asphalt … und Reifen! Gemein Ausserdem schlagen die Emotionen in einem Oldtimer same Abenteuer und interessante Gespräche über Autos, höher als in einem topmodernen Auto. Deshalb ist der das gefällt mir am Rennsport. Das Spezielle daran ist, Rennsport für mich und meine Familie so spannend. dass ich Rollstuhlfahrer bin. Ich habe Muskeldystrophie Wir sind durch unseren Freund Andreas Lautenschlager Typ Duchenne. Trotzdem fühle ich mich in dieser Umge zum Rennsport gekommen. 2018 machten mein Vater bung sehr wohl und empfinde meine Krankheit bei und meine Mutter am Hockenheimring die internatio diesem Hobby nicht als Problem. nale Rennlizenz, um an Rennen im In- und Ausland mitzufahren. Meistens fährt mein Vater mit einer Lancia Speziellen Anpassungen Fulvia Sport 1.3 s Zagato Competizione. Aufgrund der Mich fasziniert an alten Sportwagen, dass man die guten Platzverhältnisse und Rennsitze kann ich bei Technik sieht, das Benzin riecht und den Motor hört. meinem Vater als Co-Pilot mitfahren. Selbst in meinem 14 15
— LEIDENSCHAFT MOTORSPORT — Mit den richtigen Kontakten ist Cla in «Wenn ich vom Roll- der Pole Position. stuhl ins Auto Wenn der Puls steigt Ein tolles Rennen ist die Eggberg Klassik in Bad Säckingen gehoben werde, fühlt am Rhein. Es ist eine Bergrennstrecke, auf der die Teil nehmenden jeden Lauf mit der möglichst gleichen es sich an, als könnte Zeit absolvieren sollen. Es werden Höchstgeschwindig keiten bis zu 200 km/h erreicht. Alle versuchen die ich aufstehen und Ideallinie zu fahren, um die schnellste Rundenzeit zu erreichen. Dabei kommen manche auch ins Driften. losgehen.» Beim Kurvendriften steigt der Puls, das macht besonders Spass. Wenn die Aussentemperatur sehr warm ist, wird es meinem Fahrer und mir wegen der obligatorischen PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung feuerfesten Kleider richtig heiss. Da es beim Rennen mehrere Läufe gibt und ich nicht pausenlos im Auto Rollstuhl benötige ich einen Gurt, damit ich nicht her sitzen bleiben kann, werde ich sehr oft umgesetzt. In der ausfalle. Nun stellen Sie sich vor, was ohne Anpassungen Wartezeit zwischen den Rennläufen bleibt viel Zeit für in einem Rennauto passieren würde. Damit ich bei einem interessante Gespräche mit den anderen Teilnehmenden. Rennen in einem Fahrzeug mitfahren kann, braucht es einen Schalensitz für den Seitenhalt. Am Helm ist der Heimvorteil Dezibel-Begrenzung. Unsere Rallye Crew veranstaltet und Fahrer die Autos anschaute. Ich habe mich ziemlich sogenannte HANS angebracht. Dieser Kopf- und Nacken Das Lenzerheide Motor Classics ist mein liebstes Rennen, am Rennwochenende immer eine Party. Diese Feier erschrocken, aber zum Glück ist nichts passiert. Ein schutz sorgt dafür, dass der Kopf stabil bleibt. Mein Helm weil es direkt in meinem Heimatdorf startet und mein bedeutet mir sehr viel, da ich dort alle meine Freunde anderes Mal habe ich mich leicht am Ellenbogen ver- wird mit Klebeband an der Kopfstütze befestigt, auch die Vater im Organisationskomitee ist. Dies ermöglicht gleichzeitig treffen und mich so geben kann, wie ich letzt. Seither achte ich viel mehr darauf, was um mich Hände und Füsse werden zusammengeklebt. So mache mir Dinge, die bei anderen Rennen nicht möglich sind, bin. Letztes Jahr war für mich das tollste Rennen, denn herum läuft und wo ich mich schützen kann. Ich ich keinen «Wank» mehr. Ferner brauche ich einen Fünf wie zum Beispiel am Start neben dem Rennleiter zu mein Freund Mael begleitete mich das ganze Renn habe Respekt, aber keine Ängste. Das wäre fatal in punktgurt, damit ich fest im Sitz bleibe. Trotz alledem stehen und so eine super Sicht auf das Renngeschehen wochenende. Wir streiften durch das Lager der Fahrer diesem Sport, denn aus Ängsten heraus passieren Fehler fühle ich mich nicht eingeengt, diese Massnahmen geben zu haben. Bei diesem Rennen geht es nur um Spass, ohne innen und Fahrer, schauten dem Rennbetrieb zu und und die wiederum könnten schlimme Folgen haben. mir ein Gefühl von Sicherheit. Zeitmessung, Rangliste, Geschwindigkeitslimit und machten eine Taxifahrt. An jedem Essensstand machten Die meisten Fahrerinnen und Fahrer kennen ihre Gren wir Halt und haben uns verköstigt. Nie zuvor hatte ich zen, trotzdem kann es Unfälle geben. Es gab auch schon so viel gegessen wie an diesem Wochenende. Da beim einmal einen Todesfall an einem Rennen mit einem Lenzerheide Motor Classics keine Beifahrerinnen und Motorrad und einmal mit einem Formel Wagen. Das Beifahrer erlaubt sind, nehme ich jeweils ein Renntaxi, könnte uns selbstverständlich auch passieren; würde das von einem lizenzierten Rennfahrer gefahren wird. ich mir jedoch zu viele Gedanken über Unfälle machen, Eine Fahrt über vier bis fünf Runden kostet hundert könnte ich diese Sportart nicht mehr ausführen. Es gibt Franken. Ein teurer Spass, aber das ist es wert. aber auch lustige Momente, z. B. als mein Rennkollege Meine tollsten Rennerlebnisse waren, als ich mit Ferruccio Riccardo mit seinem Ford T-Racer 1929 auf der kurvigen Finkbohner in einer Lancia Delta S4 mit 680 PS voll Passstrasse am Jochberg Memorial 2017 ein Rad verlor. Karacho mitfahren konnte! Auch die Fahrt mit Tom Er fuhr auf drei Rädern trotzdem weiter und konnte sein Alpiger von Motorex mit einem Radical RXC Turbo 500 Rad, das den ganzen Pass selbst heruntergerollt war, war unvergesslich. Während der Fahrt fragte ich kurz vor dem Ziel wieder montieren. ihn: «Wie schnell kannst du mit diesem Auto fahren?» Mein grösster Traum wäre eine «Taxifahrt» mit Ken Da wusste Tom, dass er mehr Gas geben kann! Block, einem US-amerikanischen Rallye- und Rallye Um den starken Beschleuigungs- cross-Fahrer. In Zukunft wünsche ich mir vor allem kräften entgegenzuwirken, ist Kein Spass ohne Risiko viele weitere Rennen mit meinem Vater. Vielleicht klappt an Clas Helm der Kopf- und Nackenschutz «HANS» ange- Ich habe bei Rennen auch schon gefährliche Situationen es auch mit einer Teilnahme an der Rallye Monte Carlo bracht. So bleibt der Kopf auch erlebt. Bei einem Rennen driftete einer der Wagen in historique oder gar mit einer Mitfahrgelegenheit in der in schnellen Kurven stabil. mitten vieler Leute, als ich im Lager der Fahrerinnen Rallye Paris-Dakar. 16 17
— INTERVIEW — «Ich bin ein Alpha- PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung Mensch» Schwarzwälder Torte bringt sie auf die Palme. Sie würde gerne mit Al Di Meola, Bryan Adams, Tracy Chapman und vielen anderen eine gemeinsame Session machen. Ihre Ausbildung in Scuola Teatro Dimitri hat sie für ihr Leben geprägt. Katharina Hildebrand, die neue Geschäftsführerin der Mathilde Escher Stiftung, hat viele Facetten. Im Inter- view berichtet sie von Persönlichem, von ihrer Arbeit als Geschäftsführerin, von den Herausforderungen und Zielen für sie und die Mathilde Escher Stiftung. Von Luca Affolter 19
— INTERVIEW — — INTERVIEW — «Ich halte gerne Luca Affolter: Du bist nun ein Jahr in der für Zukunftsvisionen Auf gegenseitigen Respekt. Auf Sorgfalt im Handeln und Cocker, Janice Joplin, Mahalia Jackson, Al Di Meola, Mathilde Escher Stiftung. Bist du inzwischen richtig angekommen? die Nase in den Entscheiden, auf Konstanz und Ehrlichkeit. Bryan Adams, Harrys Alexio, Marianne Faithfull, Mercedes Sosa, Tracy Chapman, Carlo Bergonzi, Pippo Katharina Hildebrand: Ich bin angekommen, fühle mich wohl und konnte von Anfang an auf grosse Unter Wind und versuche, Was gefällt dir daran, Geschäftsführerin zu sein? Ich bin ein Alpha-Mensch und fühle mich wohl so. Pollina. Und immer wieder würden neue auftauchen. Das kann irgendwo auf der Welt sein. Könnt ihr euch stützung zählen. Ich bin stolz, Geschäftsführerin der Mathilde Escher Stiftung zu sein. beruflich am Puls der Darum führe ich gerne. Ich trage gerne Verantwortung, bin es gewohnt und mag es, für die Anliegen der Mit das vorstellen? Unglaublich, oder? Wie war die erste Zeit in der Mathilde Escher Zeit zu sein.» arbeitenden ein offenes Ohr zu haben und individuelle Lösungen zu finden. Für die Menschen in der Institution Welches war das schönste Kompliment, das dir jemand einmal gemacht hat? Stiftung für dich? stehe ich mit Herzblut ein und präsentiere die Institution Aus jeder Phase meines Lebens bewahre ich schöne PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung Am Anfang prasselten viele Informationen in dichter gerne in der Öffentlichkeit und bei Mitgliedern der Ver Erinnerungen in mir drin auf. «Wer dich ins Team geholt Ladung auf mich ein. Abends hatte ich oft einen etwas waltung, wenn ich hinter dem Konzept stehen kann. Und hat, hat seine Prämie wirklich verdient», erhalten von quadratischen Kopf davon. Geholfen hat, dass ich Lösungsfindung für die Anliegen der Bewohner und Be das tue ich voll und ganz in der Mathilde Escher Stiftung. den Kolleginnen und Kollegen der erweiterten Geschäfts sofort feststellen konnte, wie gut die Mathilde Escher wohnerinnen weiterhin möglich sein, ja sogar ausgebaut Ich halte gerne für Zukunftsvisionen die Nase in den leitung der Zürcher Kinder und Jugendheime zkj. Stiftung aufgestellt ist und funktioniert und wie viele werden können. Wind und versuche, beruflich am Puls der Zeit zu sein. motivierte, versierte und langjährige Mitarbeitende die Ich brauche Herausforderung! Was ist dein persönlich grösster Wunsch für die Institution tragen und prägen. Und als ich dann etwas Du hast in deinem Leben schon viele verschiedene Zukunft? zur Ruhe kam, tauchte Corona auf … Dinge gemacht. Was hat dich beruflich besonders Inwieweit darf eine Chefin auch Schwächen Ich möchte eine zufriedene, aufgestellte, aktive, gesunde, geprägt? zeigen? kluge, stolze, liebenswerte, weise alte Frau werden. Was sind die Herausforderungen in der Mathilde Die Ausbildung an der Scuola Teatro Dimitri hat mich für Gibt es denn Schwächen? In meinem Weltbild gibt es Escher Stiftung? das ganze Leben geprägt, beruflich und privat. Ich habe ausgeprägte Stärken und weniger ausgeprägte Stärken. Was bringt dich auf die Palme? Herausfordernd sind die komplexen Finanzierungs da gelernt, immer die ganze «Szene» im Auge zu behalten Wenn kein Feuer mehr brennt, im Herzen und in den systeme der verschiedenen Bereiche mit den unter und aufmerksam auf das Gegenüber zu reagieren. Ich Was hat dich geprägt? Augen. Arroganz, Besserwisserei, abgelöscht sein und schiedlichen Anforderungen. Für die kommende Zeit achte auf die Körpersprache genauso wie auf die Worte. Geprägt haben mich eine starke Mutter, die mir immer Schwarzwälder Torte. werden auch die Veränderungen durch Integrationen, Ich bin gerne «Regisseurin». vertraut hat, eine schöne Kindheit, Fröhlichkeit und durch das Assistenzmodell und durch das neue unser offenes Haus. Geprägt haben mich aber auch einige Finanzierungsmodell für die Sonderschule heraus Was sind deine schwierigsten Momente bei der schwere Verluste, ich habe meinen Vater sehr früh ver «Geprägt haben mich fordernd sein. Die grosse Herausforderung aktuell ist Arbeit? loren wie auch meinen Partner. Das prägt. das Bewältigen der Corona-Krise. Schwierige Momente zeigen sich vor allem in Zeiten Wie wäre ein Mensch, der das Gegenteil von eine starke Mutter, Langfristig sollen die Angebote den Bedürfnissen der von Krisen. Da spüre ich die Verantwortungen noch betroffenen Menschen entsprechen. Ich habe den deutlicher und realer – in jedem Moment, bei jeder Ent dir ist? A nspruch, dass wir da flexibel genug sind, um Anpas scheidung. Die Entscheidungen sind nie für alle nach Wir würden uns respektieren, kämen aber schon sungen zeitnah vorzunehmen und, wo nötig und möglich, neue Angebote zu schaffen. Nicht mehr zeit vollziehbar. Es gilt, bei sich zu sein, Fachargumente einzuholen, abzuwägen, mutig zu sein im Bewusstsein nicht immer klar. Wir könnten uns ergänzen, aber es würde mir mit dieser Person eventuell etwas langweilig eine schöne Kindheit, gemässe Angebote müssen wir loslassen können. für die Risiken. Und auf das Team zählen zu können. werden … Fröhlichkeit und unser Was sollte sich aus deiner Sicht in der Mathilde Escher Stiftung auf keinen Fall ändern? Was sind deine lustigsten Momente bei der Arbeit? Die gibt es immer wieder, auch in Zeiten von Krisen. Welche berühmte Persönlichkeit (lebend oder tot) würdest du gerne einmal treffen? Wo offenes Haus.» Die Mitarbeitenden der Mathilde Escher Stiftung zeigen Zum Glück! Ich lache gerne und oft. Es sind die kleinen würdest du sie treffen? Worüber würdest du eine grosse Identifikation mit ihrer Aufgabe und dem Be Momente, die froh machen. mit ihr sprechen? trieb. Das soll und muss so bleiben. Dafür ist es w ichtig Ich würde mit einigen Musikerinnen und Musikern und richtig, dass man gemeinsam Lösungen für die Worauf legst du besonderen Wert bei deiner eine Session machen, singen, tanzen, fein essen, lachen Zukunft erarbeitet. Im Weiteren muss die individuelle Arbeit? und sprechen. Anwesend wären Leonard Cohen, Joe 20 21
Das Redaktionsteam 5 Au schn s- ei Das Pause-Magazin ist ein Ausbildungsprojekt der Mathilde un d de n a stell uf- Escher Stiftung. Die Lernenden erarbeiten die Inhalte und gestalten das Pause-Magazin im Rahmen ihrer Praktischen Ausbildung nach INSOS (Praktiker*in PrA Mediamatik) mit der 6 e n! 4 Unterstützung ihrer Ausbildner und Ausbildnerinnen. 7 3 2 1 Wir sind Das PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung Redaktions- 10 12 team 11 8 9 14 1 Flipchart Nobo 2 Jonathan Frei 13 3 Stuhl Embru, Modell 4610 4 Steven Deblander 5 Cla Capitani 18 6 Laura Dominguez 7 Drucker, Xerox Phaser 7760 15 16 17 8 Niklas Halder 9 Yucca elephantipes 10 Ben Wadley 11 Michael Groer 12 Pascal Niffeler 13 Walter Schwaninger 14 Aurelia Baumann 15 Papierkorb Karl, grösse L 16 Frank Grüninger 17 Matthias Peter 18 Luca Affolter
— STREET PHOTOGRAPHY — In der Ausbildung der Mathilde Escher Stiftung fand eine Projektwoche zum Thema «Street Photography» statt. Die Bilder der Auszubildenden zeigen, wie spannende Momente aus der Rollstuhlperspektive mit der Kamera PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung eingefangen werden können. Von Ben Wadley Fotografieren ist ein tolles Hobby, man kann dabei seiner Kreativität freien Lauf lassen. Leider können viele Men schen mit Muskeldystrophie Typ Duchenne selbst ein Der Handy nicht mehr von Hand bedienen, ganz zu schweigen also von einer professionellen Fotoausrüstung. Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich die Kamera noch in der Hand halten kann. Wenn ich fotografiere, ist das den noch etwas Spezielles. Ich habe eine andere Perspektive als ein Fussgänger, da ich meine Kamera tiefer halte. Viele meiner Kollegen konnten die Kamera jedoch nicht richtige in der Hand halten. Daher mussten wir die Kameras mit Stativen an den Rollstühlen befestigen und mit einem Fernauslöser oder einer App bedienen. So zu fotografie ren, muss kein Nachteil sein. Wir haben rausgefunden, dass der Rollstuhl ein tolles fahrendes Stativ ist und Niklas Halder man dadurch sehr spezielle Aufnahmen machen kann. Es gibt aber auch einen sehr grossen Nachteil, wenn Moment man den Bildausschnitt ändern möchte, muss man den Rollstuhl bewegen. Johnnys Kamera war sehr weit unten angebracht, er konnte nicht einmal deren Display sehen. Er meinte dazu: «Ich stellte mir vor, wie das Bild aus sehen könnte, und schoss dann drauflos. Obwohl ich die Kamera nicht gesehen habe, finde ich, dass meine Bilder die besten sind.» Flüchtige Momente Wir hatten uns für diese Woche verschiedene Themen vorgenommen, z.B. «Licht», «Schatten», «Farben», «Selfie in einem spiegelnden Objekt» und «Emotionen». 24 25
Luca Affolter PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung Street Photographie öffnet den Blick für scheinbar alltägliche Situationen. Neben einer guten Beobachtungsgabe gehört auch eine Portion Glück dazu. Während der Projektwoche haben die Lernenden insgesamt 11‘000 Bilder geschossen. Die hier gezeigten Fotografien gehören zu den rund 30 Bildern, welche sie in einer Ausstellung präsentiert haben. Ben Wadley Pascal Niffeler Niklas Halder Jonathan Frei Pascal Niffeler 26 27
— STREET PHOTOGRAPHY — «Ich bin in der glücklichen Lage, Bilderberg Jetzt un d Nach dem Fotografieren ging die Arbeit erst richtig los. dass ich die Kamera Wir mussten die Fotos sortieren und eine Auswahl liken ren ie a bo nn erstellen. Ich konnte die Finger leider nie vom Auslöser noch in der Hand lassen, daher habe ich allein am ersten Tag 1‘000 Fotos gemacht. Vieles war Mist, aber es waren auch ein paar halten kann.» Treffer dabei. Eine Auswahl von 20 guten Bildern zu treffen, ist schwierig und dauert lang. Innerhalb der Pro #mathilde jektwoche haben wir insgesamt 11‘000 Fotos geschossen. Da die Fotos von modernen Kameras extrem gross sind, entsprachen diese am Ende insgesamt 280 GB. Früher «Emotionen» war für mich das schwierigste Thema. Man wären das 80‘000 Disketten gewesen. Eigentlich müsste PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung muss Situationen sehr schnell analysieren und schnell ich daraus lernen, mich zurückzuhalten. reagieren. Emotionen werden oft nur ganz kurz sichtbar. escher Man muss die Kamera also sehr schnell bereit haben, Neues Hobby wenn sich z. B. zwei Leute am Bahnhof zum Abschied Auf einem meiner besten Bildern sitzt eine Person zwi umarmen. Es ist schwierig vorauszusehen, was passieren schen mehreren Steinsäulen. Mir gefällt am Bild, dass wird. Neben einer guten Beobachtungsgabe gehört sicher die Person schön eingerahmt ist und das T-Shirt und der auch eine gute Portion Glück dazu. Pascal erzählte mir, Stein einen schönen Kontrast bilden. Es fühlt sich richtig dass er auf der Suche nach seinem nächsten Fotomotiv gut an, wenn deine Bilder anderen Leuten gefallen. Ich stiftung sah, dass eine Gruppe von Tierschützern gerade Unter habe in dieser Woche festgestellt, dass Fotografie mich schriften sammelte. Als eine ältere Dame sich von einem sehr interessiert. Ich habe mir deshalb eine Kamera Tierschützer verabschiedete, drückte er ab. Als er sich gekauft und fotografiere nun häufig auch in meiner Frei das Foto später ansah, entdeckte er, dass sich die beiden zeit. Es wäre schön, Fotograf zu werden und damit Geld gerade ein High Five gaben. zu verdienen. Ich kenne jemanden, der mit Duchenne beruflich fotografiert. Das finde ich toll. Ich habe mir Geduld überlegt, ob es auch etwas für mich wäre. Ich suche nicht Bei der «Street Photography» gibt es verschiedene aktiv danach, aber wenn ich ein Job-Angebot bekäme, Techniken, wie z. B. Fishing . Wie beim Fischen wartet würde ich wohl nicht nein sagen. man an einem Ort, bis das gewünschte Ereignis eintritt. Wir haben uns vor spannenden Hintergründen wie Mehr Storys aus der Mathilde Escher Stiftung auf unseren Social-Media-Kanälen. vor Graffitis oder Schaufenstern positioniert und war teten, bis etwas Interessantes passierte. Dabei braucht es einiges an Geduld. Manchmal muss man sich Zeit lassen, um das perfekte Foto zu schiessen. Eine andere Technik ist der Bewegungseffekt. Ich finde es sehr schön, wenn Teile des Bildes verschwommen sind und es wie ein Kunstwerk aussieht. Man stellt dafür die Belich tungszeit länger ein. Wenn sich eine Person im Bildaus schnitt dann während der Aufnahme bewegt, ist diese verschwommen, der Rest bleibt scharf, wenn man nicht BEN WADLEY gewackelt hat. Er hat während der Projektwoche «Street Photography» die Kunst des Fotografierens für sich entdeckt. Seine neue Kamera gibt er seitdem nicht mehr aus der Hand. 28 29
— JUGENDFILMTAGE — Und Action! PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung Dieses Jahr nahmen die Lernenden der Mathilde Escher Stiftung zum zweiten Mal an den Jugendfilmtagen teil. Während einer Woche lernten sie, was es heisst, einen Film zu produzieren – vom Drehbuch bis zum Schnitt. Von Pascal Niffeler Das diesjährige Thema war «Money». Wir konnten wir alle Szenen an einem Tag drehen. besprachen allerlei Ideen, Handlungen und Die Dreharbeiten machten uns viel Spass. Sei Richtungen für unseren Film. Zunächst hatten es die Inszenierung eines Überfalls in einer wir den Eindruck, wir würden keine Fort dunklen Unterführung oder die Abfahrt eines schritte machen und es blieben zu viele Fragen farbenfrohen Ferienbusses, alles wurde mit ungeklärt. Dann kamen einzelne Stücke wie viel Enthusiasmus gespielt und gefilmt. Nach Teile eines Puzzles zusammen und ergaben dem wir die Szenen im Kasten hatten, fingen nach und nach eine Geschichte, der wir folgen wir mit dem letzten Schritt der Produktion an: konnten. Die folgenden Schritte erwiesen sich dem Schneiden des Films. als weitaus aufwändiger. Die Szenen mussten geplant, Requisiten beschafft und Aufgaben Operation Schnitt verteilt werden. Es wurden Orte fotografiert Was mit dem Lernen eines neuen Programms und Dokumente erstellt, Kostüme gebracht und begann, stellte sich schnell als Herkules- Materialien gesammelt, Personal informiert Aufgabe heraus: von der Auswahl der Szenen und vieles mehr. In dieser Zeit lernten wir über den Schnitt des FIlms bis zur Bearbeitung auch David, den Leiter der Agentur Phirstfilm, des Tons. Wir bildeten Arbeitsgruppen und kennen. Sie erstellt Projekte im Bereich Ani arbeiteten an mehreren Fronten gleichzeitig. mationsvideos und Videoproduktion. Er stellte Als nach etlichem Einfügen, Verschieben David von der Agentur Phirstfilm uns verschiedene Filmtechniken vor und half und Löschen endlich die erste Version des stellte uns verschiedene Film- uns später als Regie- und Kameramann beim Films vorlag, fing die Nachbearbeitung an. Ob techniken vor und half uns später Drehen des Filmes. Die gesamten Vorbereitungen Effekte, Geschwindigkeit, Titel, Abspann oder als Regie- und Kameramann dauerten viele Stunden, im Gegensatz dazu Musik, es gab viel zu tun. Mit viel Schweiss beim Drehen des Filmes. 30 31
— JUGENDFILMTAGE — — IN KÜRZE — «Szenen auswählen, Film schneiden und Ton bearbeiten. Wussten Sie, dass … Von Walter Schwaninger Wir arbeiteten an mehreren Fronten gleichzeitig.» … es Emojis mit und Herzblut schafften wir auch dies. Wir Das grosse Bangen veranstalteten Vorpremieren und holten uns Zwei Durchgänge der Nachbearbeitung waren Handicap gibt? von unserem Publikum Feedback. Bei der erforderlich, um die Story klarer zu gestalten. PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung ersten Vorpremiere waren wir sehr gespannt Wir haben daran gearbeitet, bis wir den Film Pro Infirmis lancierte eine eigene auf die Reaktion des Publikums. Zu unserem schliesslich einreichen mussten. Dann konnten Emoji-Edition. Menschen mit Handi Schrecken offenbarte sich ein katastrophales wir nur gespannt abwarten, ob unser Film cap sollen als selbstverständlicher Problem. Da wir mit unserem Film bestens angenommen und an den Jugendfilmtagen Teil der Gesellschaft dargestellt vertraut waren, empfanden wir die Filmstory gezeigt würde oder nicht. Nach langem Bangen werden. Man kann nicht nur die als gut verständlich. Für das Publikum jedoch kam am 22. Januar dann endlich die Rück Hautfarbe wählen und bestimmen, war die Handlung zu schnell und teilweise meldung. Unser Film wurde angenommen und ob sein Emoji schwarz, braun oder gänzlich unklar. Wir machten uns also mit sollte vor grossem Publikum präsentiert wer weiss sein soll, sondern auch, ob es neuen Anhaltspunkten und frischem Elan den. Leider kamen schon bald die schlechten mit oder ohne Handicap sein soll. nochmals an die Filmbearbeitung. Neuigkeiten: Das Live Event wurde wegen des Die Tanzgruppe «Kinetic Light» zeigt, dass der Rollstuhl nicht im Weg sein muss. Corona-Virus abgesagt. Auch wenn wir des proinfirmis.ch wegen alle betrübt waren, so mussten gerade wir als gefährdete Gruppe Verständnis zeigen. Die Jugendfilmtage wurden dann über einen … man mit einem Schweizer Livestream abgehalten. So konnten wir uns die tollen, für das Event erstellten Kurzfilme Rollstuhl t anzen kann? … das gesamte Jugendfilmtage trotzdem ansehen. Leider haben wir es nicht geschafft, mit einem Medaillenplatz aus dem Tango, Discofox oder Freestyle tan rende miteinander) sowie der For Umfeld mit dem Wettbewerb hervorzugehen. Wir waren aber zen – im Rollstuhl? Klar geht das! mationstanz (mehrere Rollstuhl Smartphone Die Schweizer Jugendfilmtage finden stolz darauf, unseren Film doch noch zeigen zu Dies beweisen nicht nur die argen fahrende). Inzwischen werden auch einmal im Jahr in Zürich statt. Es ist können. Die Teilnahme an den Jugendfilmtagen tinische Rollstuhltänzerin Gabriela Europameisterschaften und seit gesteuert werden das grösste Filmfestival der Schweiz für gab es uns einen interessanten Einblick in die Fernanda Torres, welche schon 1998 Weltmeisterschaften im Para junge Filmemacheri nnen und Filme Welt der Filmproduktion. Es war eine tolle an der Tango-Weltmeisterschaft Dance Sport ausgetragen. In der kann? macher bis 30 Jahre. Das Festival bietet Chance, an diesem Projekt mitzumachen. teilnahm, sondern auch Tanz- und Schweiz fristet der Rollstuhltanz Interessierten die Möglichkeit, eigene Künstlergruppen wie «Kinetic hingegen noch ein Mauerblümchen «HouseMate» heisst das Gerät, Filme zu präsentieren und sich mit dem Neugierig auf unseren Film? Light» oder «Infinite Flow», die sich dasein. Nur gerade die beiden Roll welches das Steuern verschiedens- Publikum und anderen Filmschaffen film.mathilde-escher.ch Inklusion, den Abbau von Barrieren, stuhlclubs Zürich und Solothurn ter Geräte per Handy oder Tablet den auszutauschen. Die Wettbewerbs gross auf die Fahne geschrieben bieten Rollstuhltanz an. Während ermöglicht. Damit können Fern- beiträge starten in fünf Kategorien, die haben. in Zürich Standard- und latein seher, Computer, Licht, Türen, nach A lter, Rahmen der Produktion und Im Rollstuhltanz werden vier amerikanische Tänze sowie For Storen, Lift und noch v ieles mehr Thema gegliedert sind. Kategorien unterschieden: Der mationen eingeübt werden, widmet bedient werden – ganz einfach vom Einzeltanz, der Combi-Tanz (je ein sich der Rollstuhlclub Solothurn Sofa, Bett oder Rollstuhl aus. jugendfilmtage.ch Partner mit und ohne Rollstuhl), dem Breitensport-Tanz sowie dem der Duo-Tanz (zwei Rollstuhlfah Ballroom-und Freestyle-Dancing. activecommunication.ch 32 33
— FOTOSTORY — STEIN STOLPER Ben hat eine neue App … Von Pascal Niffeler Wow, das ist ja cool! Zeig mal her. Niklas, du wirst es kaum glauben: Ich habe eine App, mit «Wenn ich selbst- der ich via Bluetooth jedes beliebige Gerät steuern kann. ständig wohne, werde PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung Schau! Womit lässt sich die App denn verbinden? ich zum A rbeitgeber» Krass! Von Jonathan Frei Im Sommer bin ich mit meiner Aus Wohnung finden. Und dann muss Problem. Soll ich erst mal liegen bildung als Praktiker PrA Media- ich A ssistenzpersonen anstellen, die bleiben, bis mich jemand findet, oder matik fertig. Es wird sich für mich mir beim Kochen, Wohnung putzen endlich mal ausschlafen. Sollte es vieles ändern. Ich mache mir schon und Wäsche machen helfen. Eine jucken, ist der Spass vorbei. Ich kann lange Gedanken, wie ich dann leben tolle Vorstellung: Ich sitze wie ein mich ja nicht kratzen. Ich könnte will. Ich würde gerne weiterhin in «moderner Sklavenhalter» daneben mit dem Handy-Sprachassistenten Mit allem Möglichen: Klar. Schau! ??? meinem derzeitigen Praktikums und darf zusehen. Kling gut, oder? jemanden anrufen, das hat aber so Computern, Licht betrieb arbeiten – und ja, gerne auch Glauben Sie mir, Sie möchten nicht seine Tücken. Das letzte Mal hat mich schaltern, Rollstühlen... Sogar mit einem eine eigene Wohnung haben. In tauschen. Leider fällt gutes Personal Google mit Österreich verbunden. fremden Rollstuhl? den eigenen vier Wänden zu leben nicht vom Himmel. Im Gegensatz zu Eigentlich wollte ich nur auf meiner und meine Ruhe zu haben – ausser den früheren, rauen Methoden der Wohngruppe anrufen, damit sie mir hoffentlich vor der Liebe meines Personalbeschaffung muss ich heute die Türe öffnen. Lebens – wäre für mich ein Traum. auch administrative Auflagen erfül Ich werde wahrscheinlich nach So könnte ich endlich so viel Cordon len und Lohn auszahlen. Wenn ich der Ausbildung in der Grafikwerk Bleu essen, wie ich will, und müsste selbstständig wohne, werde ich zum statt der Mathilde Escher Stiftung mich nicht mehr über die Unordnung Arbeitgeber. Ich muss mich in ver arbeiten. Ziehe ich aber aus, wird es meines Zimmerkollegen aufregen. schiedenste B ereiche der Personal schwierig dort weiter zu arbeiten, Das klingt jetzt eigentlich nach nor führung und Lohnabrechnung weil mir dann der Assistenzbeitrag Ich frage mich, ? malen und realistischen Zukunfts plänen – und seit der Einführung eina rbeiten: Netto-Personalbedarfs ermittlung, Motivationspsycho- gekürzt wird. Ich werde also vor die Wahl gestellt: entweder arbeiten was die Eject- des Assistenzbeitrags 2012 ist dies logie, Kompetenzmanagement, Emp oder ausziehen. Auch wenn ich für Taste macht? auch für Menschen wie mich, die auf owerment, AHV, ALV, NBUVG, BVG… meinen Arbeitsweg ein Taxi brauche, Betreuung angewiesen sind, theore Sind Sie noch dabei? weil ich den ÖV nicht nutzen kann, tisch auch möglich. Doch leider gibt Was mache ich, z. B. bei einem Krank- zahle ich drauf. Immerhin kann ich es einige Stolpersteine auf dem Weg heitsausfall? Wenn ich im Bett liege heute dank Assistenzbeitrag Zu zu diesem «normalen» Leben. Zuerst und es erscheint keine Assistenz kunftspläne schmieden. Ein guter muss ich eine geeignete, bezahlbare person, dann habe ich ein dickes Anfang ist damit gemacht. 34 35
— AUSBILDUNGSREISE — Schiffe, Kräne und haufen- PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung weise Velos Holland hat weit mehr zu bieten als Grachten, Tulpen und Käse: Wir folgten unter anderem den Spuren der Vergangenheit in Amsterdam, machten eine Hafenrundfahrt in Rotterdam und besuchten ein Autorennen in Zandvoort. Und wo immer wir hinkamen, gab es jede Menge Überraschungen! Von Walter Schwaninger 37
— AUSBILDUNGSREISE — Endlich war es soweit, die Ausbildungsreise das bunte Treiben in Amsterdam heute an im Juli 2019 konnte beginnen. Für unsere Reise sieht, ist es kaum vorstellbar, welch schreckli nach Amsterdam hatten wir einen Car mit che Zeiten diese Stadt hinter sich hat. Auch einer Hebebühne. Im Inneren hatte es ein paar wir konzentrierten uns nach der Tour wieder Sitzreihen für die Betreuenden, der Rest war auf die Gegenwart. Einige gingen shoppen, für uns Rollstuhlfahrende. Während der Fahrt andere etwas trinken. Ben kurvte mit einem wünschte ich mir, man könnte Menschen Betreuer auf seinen Rollerblades im Schlepp einfach von einem Ort zum nächsten beamen. tau herum. Der Akku meines Rollstuhls war Bei Sonnenuntergang erreichten wir endlich leer, also musste ich einen Boxenstopp in unser Hotel in De Rijp, einem kleinen Städt einem Restaurant einlegen. Am Abend besuch chen in der Nähe von Amsterdam. Unser Hotel ten wir das Openluchttheater im Vondelpark. war eine Mischung aus Hogwarts und einem Was ist mir von diesem Theaterbesuch in Brockenhaus, überall standen oder hingen Erinnerung geblieben? Zuerst tanzten sie auf PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung skurrile Objekte, dort eine Modelleisenbahn, der Bühne und dann zogen sie sich aus. Ich da ein Flugzeug oder Autoteile. Das Hotel war fand das sehr komisch, weil das nichts mit ein Glückstreffer, da es alles andere als einfach Theater zu tun hat, wie ich es mir vorstelle. ist, ein passendes Hotel für elf Rollstuhlfah Zurück im Hotel liessen wir einen Tag mit vie rende und elf Betreuende zu finden. Ich wollte len Eindrücken an der Bar ausklingen. schon immer mal nach Holland. Für mich ist es ein vielseitiges Land, das man besucht haben muss, und das nicht nur wegen der liberalen Drogengesetzgebung. Zeitreise in die Vergangenheit «Wir parkten auf dem Veloweg, was durch- Endlich war der Freitag gekommen, an dem ich Amsterdam kennenlernen würde. Darauf hatte ich mich besonders gefreut. Leider muss ten wir früh aufstehen. Es war sehr schwierig, mit unserem grossen Car einen Parkplatz in aus Mut erfordert, der Innenstadt zu finden. Zum Glück hatten wir einen selbstbewussten Chauffeur. Am denn schliesslich haben Ende parkten wir auf dem Veloweg, was durch aus Mut erfordert, denn schliesslich haben in Holland die Velo in Holland die Velofahrer das Sagen. Die Reise führerin der Anne-Frank-Tour erwartete uns fahrer das Sagen.» im Jüdischen Viertel. Sie erzählte uns die tra gische Geschichte von Anne Frank und zeigte uns wichtige Orte ihres Lebens. Ich finde das Schicksal von Anne sehr traurig, wie sie und ihre Familie von den Nazis verfolgt wurden Das Tor zur Welt und wie sie sich verstecken musste. All dies hat Am Samstag besuchten wir Rotterdam. Auf der sie in ihrem Tagebuch festgehalten. Schliess Rundfahrt durch den Hafen sahen wir riesige lich wurde sie verraten und kam mit 15 Jahren Schiffe und Kräne. Einige fanden diese Riesen kurz vor Kriegsende in einem KZ ums Leben. dinger spektakulär, mich beeindruckten sie Wenn man sich die fröhlichen Menschen und wenig. Ausserdem stank es zwei Stunden lang 38 39
— AUSBILDUNGSREISE — — IN KÜRZE — Zehn Fragen an … Von Pascal Niffeler Die Betreuenden Qualmende Reifen und Meeresbrise Und was würdest du gerne waren am Jammern, Am Sonntag fuhren wie nach Zandvoort. Für mich war das der beste Tag der gesamten ändern? Manchmal wäre etwas weniger Ben am Fluchen Reise. Zandvoort liegt am Meer und hat einen langen Sandstrand mit Dünen. Es ist sehr Stress auf der Wohngruppe schön. Ich finde es schade, dass die Betreu und der Rest der Reise- schön, vor allem wenn die Sonne scheint. Man che von uns Rollstuhlfahrenden sind schon ungspersonen weniger Zeit haben für jeden Einzelnen. gruppe am Lachen. auf dem Parkplatz im Sand stecken geblieben und mussten von Betreuenden rausgezogen Welches Erlebnis in deinem werden. Zunächst besuchten wir den Circuit Leben ist dir besonders in PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung Park in Zandvoort, eine Rennstrecke, auf der Erinnerung geblieben? früher sogar Formel-1-Rennen stattfanden. Das Grösste war, als ich vor 29 Bei unserem Besuch fanden vor allem Rennen Jahren an ein Hockeytournier nach wie in einem Katzenklo. Als wir endlich wieder mit Oldtimern statt, die wir neben der Strecke Australien gehen konnte. Es war am Steg anlegten, wurden wir als Letzte aus bestaunten. Das Mini-Cooper-Rennen war sehr eine Weltmeisterschaft mit nur Marc von Arx geladen, als hätten wir ein Ticket dritter Klas spannend, unglaublich welche Geschwindig sechs Mannschaften. Wir belegten se gelöst. Danach wollten wir uns in mehrere keit diese Autos erreichten. Etwas Besonderes den vierten Platz. Gruppen aufteilen, was fast so lang in Anspruch an dieser Rennstrecke sind auch Wetterele nahm wie die Rundfahrt. Einige gingen shop mente wie Wind oder Regen und das Gefühl Alter: 47 Jahre Was würdest du tun, wenn pen oder fuhren im Regen herum. Ich fuhr mit der salzigen Brise im Gesicht. Später gingen die In der Mathilde Escher Stiftung seit: April 1990 du unbegrenzt viel Geld zur ein paar anderen direkt zu den Foodhallen, Mutigen im Meer baden. Für Ben war dies das Hobbies: Sonnenbaden, fernsehen, Musik hören Verfügung hättest? wo wir uns später alle zum Essen treffen schönste Erlebnies der Reise. Ich wollte mich Besondere Kennzeichen: Zwei Tattoos am rechten Oberarm Dann würde ich ein Haus bauen wollten. Leider war der Treppenlift dort zu lieber etwas aufwärmen und nicht in der Nähe Lieblingskleider: Jeans und Levi‘s Jeanshemd und mit meinen eigenen Betreuungs schwach für unsere Rollstühle, die über 250 kg von Industrieanlagen baden. Ben blieb einmal personen dort richtig eigenständig wiegen. Das entspricht dem Gewicht von einem mehr im Sand stecken. Bei seinem Befreiungs leben. halben Fiat 500. Zum Glück gab es noch einen versuch brannte eine Sicherung beim Rollstuhl Wie würdest du dich Wie sieht dein Alltag in der Warenlift, sonst wären wir im Regen stehen durch und er musste fortan geschoben werden. beschreiben? Mathilde Escher Stiftung aus? Was möchtest du in der geblieben. Die Foodhallen waren das reinste Die Betreuenden waren am Jammern, Ben Ich bin kollegial und gastfreundlich, Ich stehe spät auf. Nach dem Mittag Zukunft gerne noch erleben? Schlaraffenland. Es gab alles von griechischen am Fluchen und der Rest der Reisegruppe am das schätzen meine Freunde sehr. essen gehe ich gerne nach draussen, In zwei Jahren den 50. Geburtstag Pita über mexikanische Tacos und holländi Lachen. Leider hat jede Reise auch ein Ende, Manchmal mache ich eine Party. um nach den Pflanzen zu schauen. feiern. sche Bitterballs bis zu Caribbean Surinam. und das kam am Montag. Wir mussten früh Dann gibt es eine kalte Platte mit Ich habe Erdbeeren, Chili, Curry, Man musste dafür keine Weltreise unterneh aufstehen, da eine lange Rückreise vor uns lag. Snacks und alkoholische oder alko Rosmarin, Thymian, Schnittlauch, Wenn es eine Heilung für deine men, sondern nur ein paar Meter zurücklegen, Jene, die bis vier Uhr wach gewesen waren, holfreie Getränke. Ausserdem mache Petersilie, Dill und Lavendel ange Krankheit gäbe, was würdest was für uns Rollstuhlfahrende ideal war. sahen aus, als ob Albert Einstein persönlich ich jedes Jahr eine Geburtstagsparty sät. Am Nachmittag und nach dem du tun? Meine Menüwahl war dann allerdings nicht sie frisiert hätte. Nach einer beinahe end und meine Kolleginnen und Kollegen Nachtessen schaue ich die Tages Ich würde mir eine Lehrstelle als allzu exotisch. Ich bestellte mir einen Burger. losen Rückfahrt kamen wir gegen Abend alle freuen sich immer darauf. schau, höre Musik oder schaue sonst Automechaniker suchen. Dann würde Die Betreuenden hingegen machten sich über wohlbehalten in der Mathilde Escher Stiftung fern. ich mein Traumauto, einen Porsche undefinierbare vegane Sachen her. an. Holland war meiner Meinung nach das Was kannst du besonders gut? 911 Turbo in Schwarz, kaufen. perfekte Reiseziel gewesen. Was bleibt, sind Was fällt dir schwer? Was gefällt dir an der Mathilde der Stolz, Hürden gemeistert zu haben, und Ich koche sehr gerne. Ich kann Escher Stiftung besonders gut? Woran kannst du dich immer tolle Erinnerungen. nicht mehr so gut essen wie früher. Hier hat man viel mehr Freiheiten wieder erfreuen? Aufgrund meiner Krankheit fällt mir als in anderen Institutionen, wie An der Sonne. Nach dem Mittagessen das Schlucken schwer, das ist ein zum Beispiel spät ins Bett zu gehen, ruhe ich mich gerne aus. Wenn es Problem für mich. ein Gläschen Wein zu trinken. schön ist, gerne draussen. 40 41
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