Kloster Engelberg und Küsnacht - Eine feurige Beziehung - Reformierte Kirche Küsnacht

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Kloster Engelberg und Küsnacht - Eine feurige Beziehung - Reformierte Kirche Küsnacht
Kloster Engelberg und Küsnacht – Eine feurige Beziehung

Abb. 1: Kloster Engelberg. Der Stich von Merian aus dem Jahre 1642 zeigt den Zustand der gotischen
Klosteranlage mit baulichen Veränderungen bis zum beginnenden 18. Jahrhundert (Ausschnitt). Vorne links
unten (roter Punkt) ist der Klostergarten, von wo die Feuerwerksraketen vermutlich abgefeuert wurden.

Der Klosterbrand zu Engelberg, den                      Floridus Hartmann und dem kranken Laienbruder
29. August 1729                                         Michael Dürler nebst dessen Betreuer blieben zu-
Engelberg, 29. August 1729. Eine bleierne Gluthit-      rück im Kloster. Der Abt Maurus Rinderli ist beim
ze liegt auf dem sonst kühlen Hochtal von Engel-        «Heuervolk» auf der Ochsenmatt in nächster Nähe
berg am Fuss des Titlis (Abb. 1). Es ist ein schwüler   der Benediktinerabtei. Im Kloster bereiteten die
Montag und die Sonne hat schon seit zehn Tagen          Internatsschüler die Abreise in die Ferien vor und
alles Brennbare in Zunder verwandelt. Wegen der         wollten dieses Ereignis mit dem Abbrennen von
grossen Hitze unternimmt der gesamte Konvent des        Raketen im Klostergarten feiern, wie es seit Jahren
Benediktinerklosters Engelberg einen Spaziergang        der Brauch war. Bereits die zweite Rakete fiel auf
auf die höher gelegene Alp Gschneit. Nur die Zög-       das durch die Sonnenstrahlen erhitzte ausgedörrte
linge der Klosterschule mit ihrem Präfekten Pater       Schindeldach der Klosterkirche, ohne dass es die

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Schützen bemerkten. Wäre dies der Fall gewesen,        auf die Achse verladen. Ausgetauscht wurden dabei
so hätten die Schüler den beginnenden Brand leicht     vorwiegend Wein, Salz, Fleisch, Vieh, Käse, Butter
löschen können. Mit so unglaublicher Geschwin-         und Wein. Das Kloster Engelberg hat die Zehnten-
digkeit griff das Feuer um sich, dass nach wenigen     trotte nie als Eigentum besessen. Es hatte aber mit
Stunden die Klosteranlage in Schutt und Asche lag.     der Zehntenquart zugleich das Nutzrecht der Trotte
Nur wenig konnte von der Feuersbrunst gerettet         übernommen.
werden, berichtet der Chronist.
Zur Finanzierung des Wiederaufbaus der Benedikti-      Handelsbeziehungen zwischen
nerabtei Engelberg mit der Neubaroken Klosteranla-     Küsnacht und Engelberg
ge, sah sich Abt Emanuel Crivelli 1744 veranlasst,     Zwischen dem Kloster Engelberg und Küsnacht be-
die Küsnachter Güter mit dem Amtshaus des Klos-        standen seit dem Mittelalter rege Handelsbeziehun-
ters Engelberg und dem «Engelberger bzw. Bischöf-      gen, die auch nach der Reformation fortgesetzt wur-
lichen Quart» (dem vierten Teil des Küsnachter Kir-    den. Allerdings weigerten sich die Küsnachter im
chenzehnten, vorwiegend ausbezahlt in Wein) um         Zuge der Reformation, Steuern, den sog. «kleinen
die Summe von 32 000 Gulden an den Zürcher Rats-       Zenten», an das Kloster Engelberg weiterhin zu zah-
herr Hans Heinrich Wirth zu verkaufen. (Abb. 2)        len. Dies hatte zur Folge, dass die Vögte des Klosters
                                                                      Engelberg, die Orte Luzern, Schwyz
                                                                      und Unterwalden, an der Tagsatzung
                                                                      in Luzern 1524 gegen Küsnacht
                                                                      klagten: «Schon auf mehreren Tagen
                                                                      [= Tagsatzungen] habe das Klos-
                                                                      ter Engelberg geklagt, dass die von
                                                                      Küssnacht am Zürichsee sich wei-
                                                                      gern, dem Kloster ferner den kleinen
                                                                      Zehnten zu entrichten      und darum
                                                                      Recht anzunehmen, was vermutlich
                                                                      von dem lutherischen Predigen des
                                                                      Commenthurs (Konrad Schmid) her-
                                                                      rühre. Sollte es aber dazu kommen,
                                                                      dass jeder nach seinem Willen thäte
                                                                      und dem Anderen das Seine vorent-
                                                                      hielte, wozu wären dann göttliche
Abb. 2: Ehemaliges Amtshaus des Klosters En-           und menschliche Satzungen und Rechte ‚erdacht
gelberg mit der Zehntentrotte in Küsnacht (roter       und geordnet‘? Da wäre es doch besser in der Türkei
Punkt). Ausschnitt aus dem «Zürichsee Album» von       zu wohnen, als bei solchen Christen. Zürich werde
Johann Jackob Hofmann aus dem Jahre 1771. Die          deshalb freundlich gebeten, die Küsnachter anzu-
Zehntenhaab war der einzige Platz für den Waren-       halten, ihre Pflicht gegen das Gotteshaus Engelberg
umschlag im alten Küsnacht. Noch heute verweist        zu erfüllen». Daraufhin versprach die Tagsatzung,
das überlebensgrosse Christophorusbild an der          sich der Sache anzunehmen und die «Pflichtigen an-
Zehntentrotte auf die grosse Bedeutung, die die-       halten, dem Kloster Engelberg denselben (d. i. den
sem Platz für den Seeverkehr zukam. Hier wurde         kleinen Zehnten) zu entrichten» (Ich danke Rolf De
die Engelberger Fracht aufs Schiff und in Horgen       Kegel, Stiftsarchiv Engelberg, für den Hinweis.

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Dies Glaubensspaltung und die politischen Span-       Klosterwein von Küsnacht
nungen vermochten indessen weder den regen Wa-        Der Abt nützte bei seinen Herbstbesuchen die Ge-
renaustausch zwischen Küsnacht und Engelberg          legenheit, Amtspersonen und Küsnachter, mit denen
zu beeinträchtigen noch die freundschaftlichen, ja    er in persönlicher und geschäftlicher Beziehung
ausgesprochen herzlichen Beziehungen zwischen         stand, zu bewirten und mit Musik und Schützenspie-
den reformierten Küsnachtern und dem katholi-         len zu unterhalten.
schen Kloster Engelberg zu trüben. Davon zeugen       Auf einer erhaltenen Rechnung des Abts steht neben
insbesondere die Briefe, welche die reformierten      dem Geldbetrag, der für Wein bezahlt wurde, ein
Amtmänner Streuli bis zum Verkauf im Jahr 1744        «Stosseufzer» in lateinischer Sprache, den eine spä-
ins Engelberger Kloster sandten. Bis 1679 logierte    tere Hand hinzufügte: «Unsere Vorfahren mussten
der Abt bei seinen herbstlichen Besuchen, als Gast    viel sauren Wein trinken, und wir Söhne beklagen
der Zürcher Amtsmänner, in den Räumlichkeiten         sie deshalb».
der Johanniterkomturei Küsnacht, in denen einst der   Der Wein aus den Küsnachter Reben mundete dem
letzte Küsnachter Komtur, Konrad Schmid, wohnte,      Gaumen der Engelberger Mönche offenbar nicht
bis dieser in der Schlacht von Kappel gegen die In-   recht. Der Zürichseewein stand noch bis ins 18.
nerschweizer an der Seite von Zwingli sein Leben      Jahrhundert im Ruf des geringsten unter ihnen, vor-
liess. Die Komturei, die die Stadt zu Lebzeiten des   zugsweise Twanner, die auf den Klostertisch von
Komturs nicht aufheben wollte, fiel an Zürich. Nach   Engelberg gelangten.
einigen Widerständen seitens der Gemeinde, die sich   Dies hat sich inzwischen geändert, denn Küsnachter
einen Teil des Vermögens und Besitzes der Johan-      Weine sind jetzt von hervorragender Qualität.
niter erhofft hatte, wurde das Komtureigebäude als    Das 900-Jahr-Jubiläum des Klosters Engelberg, mit
Amtshaus, d. h. als Verwaltungszentrum des Amtes      den geplanten Rahmenveranstaltungen am Sonntag,
Küsnacht, verwendet. Ein von der Stadt Zürich ein-    5. September 2021 in Küsnacht, bietet die schö-
gesetzter Verwalter trat an die Stelle des früheren   ne Gelegenheit, alte Freundschaften bei Speis und
Komturs.                                              Trank zu pflegen und diesmal hoffentlich mit einem
                                                      trinkbareren Wein aus Küsnacht zu begiessen. Vgl.
                                                      https://900-jahre.kloster-engelberg.ch/partnerge-
                                                      meinden/kuesnacht_zh

                   Walther J. Fuchs
                   Masterstudium der Kunst- und Architekturgeschichte an den Universitäten Bern und
                   Zürich. Promotion in Allgemeiner Geschichte (zum Thema Wissenschaftsgeschichte)
                   an der Universität Zürich. Seit 2011 Leiter des Digiboo Verlag, Publizist und Mit-
                   initiant sowie Mitherausgeber der Zeitschrift «Die Zwitscher-Maschine. Journal on
                   Paul Klee. Zeitschrift für internationale Klee-Studien».
                   Verfasser verschiedener Buchbeiträge und Aufsätze zu Kunst, Geschichte und Kultur.
                   Mitglied der Kirchenpflege der Reformierten Kirche Küsnacht im Aufgabenbereich
                   «Gottesdienst und Musik», Basar und Flohmarkt
                   walther-fuchs.com

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