Kompetenz zum inklusiven Unterrichten von allgemeinpädagogischen Grundschullehrkräften: Zusammenhänge zu berufsbiografischen Merkmalen und dem ...

Die Seite wird erstellt Svenja-Meike Schütte
 
WEITER LESEN
56                                                                 Lena Külker & Cornelia Gresch

Empirische Sonderpädagogik, 2021, Nr. 1, S. 56-74
ISSN 1869-4845 (Print) · ISSN 1869-4934 (Internet)

Kompetenz zum inklusiven Unterrichten von
allgemeinpädagogischen Grundschullehrkräften:
Zusammenhänge zu berufsbiografischen Merkma-
len und dem schulischen Kontext

Lena Külker & Cornelia Gresch

Humboldt-Universität zu Berlin

Zusammenfassung
Die Kompetenz von Lehrkräften gilt als wichtige Gelingensbedingung für schulische Inklu-
sion und gleichzeitig ergeben sich daraus neue Anforderungen für die Lehrkräfte. Der Beitrag
beschäftigt sich mit der Frage, wie die Berufsbiografie und der schulische Kontext mit der
Kompetenz zum inklusiven Unterrichten von Lehrkräften zusammenhängen. Datengrundla-
ge bildet der IQB-Bildungstrend 2016 an Grundschulen, an dem auch N = 973 allgemeinpä-
dagogische Lehrkräfte teilnahmen, die in inklusiven Klassen unterrichten. Lineare Regres-
sionsanalysen zeigen, dass mit längerer Berufserfahrung im inklusiven Unterricht sowie
niedrigerem selbsteingeschätzten Fortbildungsbedarf in Bezug auf inklusive Themen eine
höhere Kompetenz zum inklusiven Unterrichten von Lehrkräften berichtet wird. Hingegen
findet sich kein Zusammenhang zwischen der Berufserfahrung allgemein unter Berück-
sichtigung weiterer berufsbiografischer Merkmale. Weiterhin steht die Verankerung von
Inklusion im Schulkonzept in positivem Zusammenhang mit Kompetenz zum inklusiven
Unterrichten, nicht aber weitere betrachtete schulische Kontextmerkmale. Vor dem Hinter-
grund dieser Ergebnisse wird die Relevanz von Kompetenz zum inklusiven Unterrichten
der Lehrkräfte für die Umsetzung schulischer Inklusion diskutiert.

Schlüsselwörter: Kompetenz zum inklusiven Unterrichten, schulische Inklusion
Kompetenz zum inklusiven Unterrichten von allgemeinpädagogischen Grundschullehrkräften                                         57

Competence in inclusive teaching of Regular Teachers in Elementary Schools:
Relationships of professional biographical characteristics and the school
context

Abstract
Teacher competence is considered an important condition for inclusive education. At the
same time, the implementation of inclusive education leads to new challenges for teachers.
In the present study, we examine how professional biography and school context relate to
competence in inclusive teaching. Data is based on IQB Trends in Student Achievement
2016 of German fourth-graders. The sample consists of N = 973 regular teachers working
in inclusive settings. Linear regression analyses show that increasing experience in inclu-
sive teaching and a decreasing self-reported need for in-service training on inclusive topics
lead to higher competence in inclusive teaching. In contrast, experience in general, taking
into account other biographical characteristics, is not related. Furthermore, anchoring in-
clusion in the school concept corresponds with competence in inclusive teaching while
other characteristics of the school context considered do not. In view of our findings, we
discuss the relevance of competence in inclusive teaching for the implementation of inclu-
sive education.

Keywords: competence in inclusive teaching, inclusive education

Einleitung                                                         den Anfängen“ (Moser, 2018, S. 105) und
                                                                   es gibt kaum Forschung zu Lehrkräftekom-
Seit der Ratifizierung des Übereinkommens                          petenz im Zusammenhang mit schulischer
über die Rechte von Menschen mit Behin-                            Inklusion.
derungen der Vereinten Nationen (UN-BRK)                             In der bisherigen Literatur werden die
im Jahre 2009 wird die fachliche Qualifi-                          Kompetenzanforderungen an Lehrkräfte
kation sowohl in der Ausbildung als auch                           hinsichtlich schulischer Inklusion unter
im Beruf von Lehrkräften als ein Schlüssel                         Rückgriff auf verschiedene allgemeine
für das Gelingen schulischer Inklusion1 ver-                       Lehrkräftekompetenzmodelle verhandelt.
stärkt hervorgehoben (Piezunka, Gresch &                           Herausgestellt wird dabei, dass Kompetenz
Wrase, 2018; Borg, Hunter, Sigurjónsdottír                         im Rahmen der Ausbildung und im Beruf
& D’Alessio, 2011). Denn aus der Verpflich-                        erlern- und vermittelbar ist und nicht los-
tung, schulische Inklusion umzusetzen, re-                         gelöst vom Kontext betrachtet werden kann
sultieren auch „neue Anforderungen an                              (Klieme & Leutner, 2006; König, 2010;
das Professionswissen von Lehrkräften und                          Kunter, Klusmann & Baumert, 2009). In der
an ihr unterrichtliches Handeln“ (Rjosk,                           vorliegenden Untersuchung wird daher die
Hoffmann, Richter, Marx & Gresch, 2017,                            Kompetenz von allgemeinpädagogischen
S. 344). Die an Lehrkräfte, die in inklusiven                      Lehrkräften als die persönlichen Vorausset-
Klassen unterrichten, von der Gesellschaft                         zungen zur Bewältigung von Anforderun-
herangetragenen Erwartungen, schulische                            gen (Baumert & Kunter, 2011), die sich im
Inklusion erfolgreich umzusetzen (Kop-                             inklusiven Unterricht stellen, in den Blick
mann, 2018), sind nach wie vor hoch. Die                           genommen (im Folgenden „Kompetenz zum
Diskussionslage „zu spezifischen lehrer*in-                        inklusiven Unterrichten“). Die Erfassung der
nenseitigen Kompetenzen für inklusive                              Kompetenz zum inklusiven Unterrichten er-
Schulen [befindet sich allerdings] noch in                         folgt hierbei über Selbsteinschätzungen der
1    Unter schulischer Inklusion wird in diesem Artikel das Gemeinsame Lernen von Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf
     und Schüler*innen ohne sonderpädagogischen Förderbedarf verstanden im Sinne einer Definition der formalen Zugehörigkeit
     (Grosche, 2015). Gleiches gilt für inklusive Klassen.
58                                                                                              Lena Külker & Cornelia Gresch

Lehrkräfte. Es wird der Frage nachgegangen,                        und gelten für eine Adaption bzw. Erwei-
wie berufsbiografische Merkmale und der                            terung für den inklusiven Unterricht als
schulische Kontext mit der Kompetenz zum                           geeignet (Grummt, 2019; Langner, 2015).
inklusiven Unterrichten von allgemeinpä-                           Beispielsweise stellen Bertram und Kol-
dagogischen Lehrkräften zusammenhän-                               leg*innen (Bertram, Albersmann & Rolka,
gen. Die Datengrundlage hierzu bildet der                          2020) eine Weiterentwicklung der Wissens-
IQB-Bildungstrend 2016, eine bundesweit                            bereiche für inklusiven Unterricht nach dem
repräsentative, querschnittliche Erhebung                          Modell der Handlungskompetenz (Baumert
an Grundschulen. Bei dieser Untersuchung                           & Kunter, 2011) vor.
wurden auch allgemeinpädagogische Lehr-                               Erste theoretische (und empirische) Arbei-
kräfte2, die in inklusiven Klassen unterrich-                      ten, die Kompetenz zum inklusiven Unter-
ten, befragt (Stanat, Schipolowski, Rjosk,                         richt verhandeln, unterscheiden sich dabei
Weirich & Haag, 2017a). Die Ergebnisse                             in der Definition und Operationalisierung
können Erkenntnisse zu dem wissenschaft-                           von Kompetenz. So setzen (theoretische)
lichen und gesellschaftlichen Diskurs zu                           Arbeiten, die explizit Kompetenz- bzw. An-
Lehrkräftekompetenz im Kontext schuli-                             forderungskataloge für den inklusiven Un-
scher Inklusion liefern sowie Hinweise ge-                         terricht betrachten und diskutieren, vor al-
ben, welche Aspekte in der Qualifikation                           lem bei der Frage an, welche Anforderungen
der Lehrkräfte und in der Umsetzung in                             sich an Lehrkräfte im inklusiven Unterricht
den Einzelschulen im Besonderen zum Ge-                            stellen (z.B. Moser & Kropp, 2014; Melzer et
lingen von schulischer Inklusion beitragen                         al., 2015). In einem systematischen Review
könnten.                                                           aktueller Kompetenzkataloge verdichten
                                                                   König und Kolleg*innen (König, Gerhard,
Kompetenz zum inklusiven Unterrichten                              Kasper & Melzer, 2019) die Beschreibungen
                                                                   zu vier zentralen Anforderungsbereichen:
Kompetenz beschreibt für Lehrkräfte die                            „Diagnose“, „Intervention“, „Management
persönlichen Voraussetzungen zur Bewäl-                            und Organisation“ und „Beratung und Kom-
tigung berufsspezifischer und kontextge-                           munikation“. In dieser Arbeit wird auf sol-
bundener Anforderungen in Schule und                               che Kompetenzanforderungen im inklusiven
Unterricht (Baumert & Kunter, 2011). Diese                         Unterricht (u. a. Anforderung „Umsetzung
Anforderungen an Lehrkräfte haben sich in                          von zieldifferentem Unterricht“) fokussiert.
Folge der UN-BRK geändert: Schulische In-                          Somit wird Kompetenz zum inklusiven
klusion stellt demnach neue Anforderungen                          Unterricht konkretisiert als die persönlichen
an das unterrichtliche Handeln der Lehrkräf-                       Voraussetzungen zur Bewältigung berufs-
te (Melzer, Hillenbrand, Sprenger & Henne-                         spezifischer und kontextgebundener Anfor-
mann, 2015; Rjosk et al., 2017; Werning,                           derungen, die sich im inklusiven Unterricht
2014 ). Dies wird mit der Heterogenität und                        stellen (Baumert & Kunter, 2011).
den damit verbundenen unterschiedlichen                               Grundsätzlich wird zwischen objektiven
Lernvoraussetzungen der Schüler*innen be-                          und subjektiven Zugängen differenziert. Bei
gründet, die von den Lehrkräften eine An-                          einer objektiven Erfassung wird die Kompe-
passung der Lernangebote und Unterrichts-                          tenz anhand von externen Kriterien erfasst.
gestaltung erfordern (Schmitz, 2017; Vogt &                        Hierzu zählen distale Erfassungen, wie u. a.
Brühwiler, 2014).                                                  Abschlussnoten der Lehrkräfte sowie proxi-
   Allgemeine Kompetenzmodelle beziehen                            male Erfassungen, wie Messung von Wissen
bislang keine Kompetenz in Bezug auf in-                           durch Tests als Indikatoren für Kompetenz
klusiven Unterricht mit ein. Allerdings sind                       (Kunter & Klusmann, 2010). Ein Beispiel für
die meisten Modelle umfassend formuliert                           eine objektive Erfassung von Kompetenz
2    Im Folgenden wird zur besseren Lesbarkeit von Lehrkräften gesprochen und damit sind allgemeinpädagogische Lehrkräfte gemeint.
     Eine Konkretisierung wird vorgenommen, wenn beide Professionen – allgemeinpädagogische und sonderpädagogische – Lehrkräfte
     gegenübergestellt werden.
Kompetenz zum inklusiven Unterrichten von allgemeinpädagogischen Grundschullehrkräften           59

zum inklusiven Unterrichten ist der stan-               Entsprechend sind bei der Betrachtung
dardisierte Test von König und Kolleg*in-               der Kompetenz von Lehrkräften im Beruf,
nen (König, Gerhard, Melzer, Rühl, Zenner               Merkmale ihrer Berufsbiografie von Bedeu-
& Kasper, 2017), welcher pädagogisches                  tung, welche auch in Kompetenzmodellen
Wissen für inklusiven Unterricht mittels 44             mit einbezogen werden (Baumert & Kun-
Items abfragt (u. a. Inhaltsbereich „Wissen             ter, 2006; Klieme & Leutner, 2006; König,
über Binnendifferenzierung/Individualisie-              2010). Dieser Beitrag fokussiert sich auf die
rung“). Bei einer subjektiven Erfassung von             Kompetenz von Lehrkräften im Beruf.
Kompetenz werden die Lehrkräfte nach                       Theorien zur Kompetenzentwicklung in
ihrer persönlichen Einschätzung gefragt                 der Berufsbiografie gehen davon aus, dass
(Kunter & Klusmann, 2010). Hierbei fließen              sich die Kompetenz von Lehrkräften insbe-
konkrete Erfahrungen der handelnden Lehr-               sondere in den ersten Jahren des Berufsein-
kraft selbst mit ein (erfahrungsbasierte Kom-           stiegs deutlich weiterentwickelt. Bei erfah-
petenz, Keller-Schneider, 2014). Aktuelle               renen Lehrkräften zeichnen sich hingegen
Arbeiten, nutzen unterschiedliche subjekti-             nur geringe oder keine weiteren Verände-
ve Zugänge zur Erfassung von Kompetenz                  rungen der Kompetenz ab (Berliner, 2001;
zum inklusiven Unterrichten: u. a. Fallvig-             Messner & Reusser, 2000). Maßgeblich für
netten (Kopmann, 2018) oder Fragebögen                  die Kompetenzentwicklung von Lehrkräf-
zur Selbsteinschätzung (Rjosk et al., 2017;             ten sind informelle und formale Lerngele-
Schultz, Walm, Häcker & Moser, 2018).                   genheiten (Modell der Determinanten und
   Die Definition von Kompetenz zum in-                 Konsequenzen der professionellen Kompe-
klusiven Unterrichten sowie die Opera-                  tenz von Lehrkräften, Kunter et al., 2011).
tionalisierung variieren somit zwischen                 Informelle Lerngelegenheiten ergeben sich
Forschungsarbeiten. Gemein ist ihnen aber,              durch das Unterrichten an sich und durch
dass hinter den verschiedenen heterogenen               die Interaktion mit Schüler*innen, aber
Definitionen und variierender Erfassung die             auch durch den Austausch mit Kolleg*in-
„gemeinsame Grundidee [steht], dass es sich             nen (Kunter at al., 2011). Diese informel-
bei den untersuchten Kompetenzen um be-                 len Lerngelegenheiten machen laut Heise
rufsspezifische, veränderbare Dispositionen             (2009) den größten Teil des beruflichen Ler-
handelt, die Lehrkräfte benötigen, um ihren             nens aus. Hinzu kommen formale Lernge-
Beruf erfolgreich auszuüben“ (Kunter & Klus-            legenheiten im Beruf im Rahmen von Fort-
mann, 2010, S. 69). Es ist aber noch unklar,            bildungen (Richter, 2011).
wie die inklusive Unterrichtkompetenz mit                  Die Fokussierung auf die Kompetenz von
berufsbiografischen Merkmalen und dem                   Lehrkräften in der Berufsbiografie ist hin-
schulischen Kontext zusammenhängen.                     sichtlich inklusiven Unterrichts besonders
                                                        relevant, da Inklusion erst in den vergange-
Kompetenzentwicklung von Lehrkräf-                      nen Jahren verstärkt umgesetzt wird. Dies
ten in der Berufsbiografie                              hat zur Folge, dass Lehrkräften, die schon
                                                        langjährige Berufserfahrung allgemein ha-
Bei Kompetenzen handelt es sich um                      ben, nicht unbedingt Wissen über inklusi-
„grundsätzlich erlern- und veränderbare                 ven Unterricht im Rahmen des Studiums
Merkmale“ der Lehrkräfte (Baumert & Kun-                und Referendariats vermittelt wurde (Leidig,
ter, 2011, S. 33). So erwerben Lehrkräfte ihre          2019; Rjosk et al., 2017). Grundsätzlich
Kompetenz in der Ausbildung (Studium und                verfügen Lehrkräfte zudem u. U. über ge-
Referendariat, Kunter, Kleickmann, Klus-                ringe oder keine Berufserfahrung im inklu-
mann & Richter, 2011). Die Kompetenzent-                siven Unterricht. Für die Entwicklung von
wicklung endet aber nicht nach Abschluss                Kompetenz zum inklusiven Unterrichten
der Ausbildung, sondern erstreckt sich über             von Lehrkräften im Beruf rücken so neben
die gesamte Berufsbiografie (Terhart, 2001).            der Berufserfahrung allgemein insbesonde-
60                                                               Lena Külker & Cornelia Gresch

re auch die Berufserfahrung im inklusiven     weise liefern, die auf die Kompetenz zum
Unterrichten (als informelle Lerngelegen-     inklusiven Unterrichten übertragen wer-
heiten) in den Fokus. Weiterhin sind Fort-    den können. So zeigen Vogt und Brühwiler
bildungen zum Thema Inklusion, in denen       (2014), dass erfahrenere Lehrkräfte über
die Kompetenz zum inklusiven Unterrich-       eine höhere Lehrkompetenz für den Um-
ten erworben und weiterentwickelt werden      gang mit Heterogenität verfügen als Lehr-
kann (als formale Lerngelegenheiten), von     kräfte in den ersten fünf Berufsjahren. Eine
Bedeutung. Die Rolle von Fortbildungen        Arbeit betrachte bisher die Erfahrung im in-
für die Kompetenz von Lehrkräften kann        klusiven Unterrichten gemeinsam mit der
dabei über unterschiedliche Weisen erfasst    Kompetenz zum inklusiven Unterrichten.
werden, wie beispielsweise über die Ein-      Hierbei zeigt sich, dass Lehrkräfte mit län-
schätzung der Fortbildungszufriedenheit       gerer Erfahrung im inklusiven Unterrichten
(Jäntsch, Jaeuthe, Bosse & Spörer, 2015)      ihre Kompetenz zum inklusiven Unterrich-
oder über die Erfassung der Anzahl von be-    ten höher einschätzen (Rjosk et al., 2017).
suchten Fortbildungen (Richter, Kuhl, Rei-    Bezogen auf schulische Inklusion berichten
mers & Pant, 2012). Hier wird allerdings      Lehrkräfte in Deutschland einen sehr hohen
argumentiert, dass die Häufigkeit von Fort-   Fortbildungsbedarf (Richter et al., 2012).
bildungsteilnahmen „ein recht ungenauer       Aktuell liegen noch keine empirischen Un-
Indikator für die Professionalität und die    tersuchungen vor, die den Fortbildungsbe-
Expertise“ (Lipowsky, 2014, S. 516) einer     darf zu Themen schulischer Inklusion und
Lehrkraft ist. Ein weiterer Zugang, um mehr   die Kompetenz zum inklusiven Unterrich-
über die formalen Lerngelegenheiten und       ten gemeinsam betrachten.
die Kompetenz der Lehrkräfte zu erfahren,        Zu den Zusammenhängen zwischen die-
besteht darin, den Fortbildungsbedarf der     sen berufsbiografischen Merkmalen und der
Lehrkräfte zu bedeutsamen Themen zu be-       Kompetenz zum inklusiven Unterrichten
trachten. So wird eher der Fokus auf bisher   liegen somit bereits einzelne Erkenntnisse
nicht genutzte oder nicht zugängliche for-    vor oder können Zusammenhänge ange-
male Lerngelegenheiten gelegt.                lehnt an Befunde aus Studien, die Lehrkräf-
   Bisherige Forschungsarbeiten zur Kom-      tekompetenz allgemein oder im Umgang
petenz von Lehrkräften allgemein und zum      mit Heterogenität betrachten, angenommen
inklusiven Unterrichten fokussieren primär    werden. Allerdings stehen oftmals nur ein-
die ersten beiden Phasen der Qualifikation    zelne Konstrukte im Fokus. So fehlt es aktu-
von Lehrkräften (Studium und Referenda-       ell an einer Studie, die mehrere berufsbio-
riat) und hier im Besonderen die forma-       grafische Merkmale gemeinsam analysiert
len Lerngelegenheiten (siehe z. B. Lersch,    und so Zusammenhänge zwischen den be-
2006; Schmitz, Brodesser & Pant, 2020;        rufsbiografischen Merkmalen berücksichtigt
Tachtsoglou & König, 2018). Zu berufsbio-     sowie zeigen kann, welche Merkmale hier
grafischen Merkmalen und Kompetenz zum        besonders maßgeblich sind.
inklusiven Unterricht von Lehrkräften im
Beruf ist hingegen wenig bekannt. Allge-      Schulischer Kontext
meine Befunde in der COACTIV-Studie lie-
fern erste Hinweise, dass die Variation von   Die Anforderungen an Lehrkräfte sind wei-
Lerngelegenheiten im Beruf Unterschiede       terhin kontextgebunden (Klieme & Leutner,
in der Kompetenz von Lehrkräften pro-         2006; König, 2010; Kunter et al., 2009). So
duzieren kann (Kunter & Baumert, 2011).       werden interindividuelle Unterschiede in
Weiterhin können Studien, die sich mit        der Kompetenz von Lehrkräften auch durch
berufsbiografischen Merkmalen der Lehr-       Merkmale des schulischen Kontextes, hier
kräfte und der Kompetenz für den Umgang       Bildungssystem und Merkmale der Einzel-
mit Heterogenität auseinandersetzen, Hin-     schule, mitbestimmt (Kunter et al., 2011).
Kompetenz zum inklusiven Unterrichten von allgemeinpädagogischen Grundschullehrkräften          61

Die Entwicklung von Lehrkräftekompetenz                 die Umsetzung schulischer Inklusion eine
ist demnach auch bedingt durch Merkmale                 hohe Bedeutung beigemessen (personelle
der Schule, wie u. a. die Schulorganisation,            Ressourcenausstattung). Zudem wird die
das Schulklima und die kollegiale Zusam-                baulich-räumliche Ressourcenausstattung,
menarbeit (Berliner, 2001; Messner & Reus-              wie die Verfügbarkeit notwendiger Räume
ser, 2000). Der Einfluss auf die Entwicklung            sowie die Barrierefreiheit des Schulgebäu-
von Kompetenz der Lehrkräften wird mit der              des, als relevant hervorgehoben (Heim-
Annahme begründet, dass wechselseitige                  lich, Kahlert, Lelgemann & Fischer, 2016).
Beziehungen zwischen der Schulebene und                 Diese personelle und baulich-räumliche
der Personenebene, hier Lehrkräfte, bestehen            Ressourcenausstattung variiert zwischen
(Brühwiler, 2014; Fend, 2008). So gehe es               Einzelschulen und Schulformen erheblich
weniger um das Talent der Lehrkraft, sondern            (Gresch et al., 2020). Darüber hinaus gelten
vielmehr um „the power of context“ (Berliner,           Strukturen der Zusammenarbeit als relevant
2001, S. 465). Daher werden in Arbeiten zu              (Heimlich et al., 2016; Weiß, Muckentha-
allgemeinen Lehrkräftekompetenzmodellen                 ler, Heimlich, Küchler & Kiel, 2019).
Merkmale der Einzelschule, des schulischen                 In bisherigen Studien wurden hierfür ein-
Kontextes, mit berücksichtigt (Avalos, 2011;            zelne Merkmale der Einzelschule, wie die
Berliner, 2001; Brühwiler, 2014, Frohn, Bro-            Verankerung von Inklusion im Schulkonzept
desser, Moser & Pech, 2019).                            (Friedrich, 2015) und verbindliche Abspra-
   Auch bei der Umsetzung schulischer In-               chen sowie die kontinuierliche Reflexion
klusion rückt der schulische Kontext in                 der Lehrkräfte und der Schulleitung (Arndt
den Fokus. Denn wie schulische Inklusion                & Werning, 2016) betrachtet (Gresch et al.,
implementiert und von Schulen ausgestal-                2020). Es konnte gezeigt werden, dass ein
tet wird, variiert zwischen den einzelnen               Schulkonzept, in dem gemeinsame Werte
Bundesländern in Deutschland, aber auch                 der Schule festgelegt werden, zu einer in-
zwischen Einzelschulen erheblich (Blanck,               klusiven pädagogischen Grundorientierung
2014; Gresch, Kuhl & Külker, 2020). Der                 im Kollegium führen kann (Friedrich, 2015).
Zusammenhang zwischen Aspekten der Ein-                 Und auch gemeinschaftlich getroffene Ab-
zelschule als schulischer Kontext und der               sprachen und Arbeit an der Umsetzung
Kompetenz zum inklusiven Unterrichten                   schulischer Inklusion an der Einzelschule
von Lehrkräften wurde noch nicht empirisch              erzeugt verbindliche Vereinbarungen, an
betrachtet. Es ist daher unklar, welche Kon-            denen sich die Lehrkräfte orientieren kön-
textmerkmale eine Rolle spielen können.                 nen bzw. denen sie sich verpflichtet fühlen
   Sowohl theoretisch wie empirisch wur-                (Arndt & Werning, 2016; Weiß et al., 2019).
den verschiedene Merkmale der Schu-                        Somit kann festgehalten werden, dass
le betrachtet, um Gelingensbedingungen                  Schulen, die inklusiven Unterricht umset-
von schulischer Inklusion zu identifizieren             zen, über verschiedene Erfahrungen mit
bzw. inklusive Schulen zu charakterisie-                schulischer Inklusion, Ressourcenausstat-
ren. Schulen unterscheiden sich in ihrer Er-            tung und Strukturen der Zusammenarbeit
fahrung mit schulischer Inklusion. So gibt              verfügen. Mit Blick auf die damit verbun-
es Schulen, die seit der (Neu)Gründung                  denen Folgen für die Lehrkräfte ergab eine
schulische Inklusion realisieren. Für ande-             Studie in Nordirland, dass sich Lehrkräfte
re Schulen stellt die inklusive Entwicklung             für das Unterrichten in inklusiven Klassen
eher eine Reaktion auf die zunehmende                   weniger gut vorbereitet fühlen, wenn ih-
Unterrichtung von Schüler*innen mit SPF                 nen weniger Ressourcen und Unterstützung
an allgemeinen Schulen dar (Arndt & Wer-                durch die Schule zur Verfügung stehen
ning, 2016). Weiterhin unterscheiden sich               (Lambe & Bones, 2006). Es könnten ent-
Schulen in ihrer Ressourcenausstattung.                 sprechend positive Zusammenhänge zwi-
Sonderpädagogischen Lehrkräften wird für                schen günstigen schulischen Kontextmerk-
62                                                                 Lena Külker & Cornelia Gresch

malen und der Kompetenz zum inklusiven          mit Inklusion, Merkmale der Ressourcenaus-
Unterrichten der Lehrkräfte bestehen. Dies      stattung sowie Strukturen der Zusammenar-
wurde bisher für den deutschsprachigen          beit betrachtet und hinsichtlich der Zusam-
Raum noch nicht untersucht. Zudem ist un-       menhänge mit Kompetenz zum inklusiven
klar, ob bei einer gemeinsamen Berücksich-      Unterrichten explorativ untersucht.
tigung von berufsbiografischen Merkmalen           Forschungsfrage 3: Welche Effekte der be-
und Merkmalen des schulischen Kontex-           trachteten berufsbiografischen Merkmale
tes bekannte Zusammenhänge zwischen             und der Merkmale des schulischen Kontex-
berufsbiografischen Merkmalen und der           tes auf die Kompetenz zum inklusiven Un-
Kompetenz zum inklusiven Unterrichten           terrichten von Lehrkräften bleiben bei einer
von Lehrkräften bestehen bleiben oder der       gemeinsamen Berücksichtigung bestehen?
schulische Kontext diese verändert.             Auch diese Frage wird explorativ untersucht.

Fragestellung                                   Datengrundlage und Methode

Bisher gibt es nur einzelne Befunde zu Zu-      Die vorliegende Untersuchung basiert auf
sammenhängen zwischen einzelnen be-             Daten des IQB-Bildungstrend 2016 (Stanat
rufsbiografischen Merkmalen und der Kom-        et al., 2017a). In dieser bundesweiten und
petenz zum inklusiven Unterrichten von          repräsentativen Studie an Grundschulen
Lehrkräften. Zudem wurden Merkmale des          wurden u. a. Lehrkräfte der am IQB-Bil-
schulischen Kontextes weder separat noch        dungstrend teilnehmenden Klassen in der
in Verbindung mit berufsbiografischen Merk-     vierten Jahrgangsstufe befragt. Weiterhin
malen in Studien zur Kompetenz zum inklu-       wurden über die Schulleitungen Informa-
siven Unterrichten betrachtet. In der vorlie-   tionen zu institutionellen Merkmalen, die
genden Untersuchung wird daher die Frage        für die Umsetzung schulischer Inklusion als
untersucht, wie berufsbiografische Merkmale     Rahmenbedingung erachtet werden kön-
und der schulische Kontext mit der Kompe-       nen, mit erhoben. Somit liegen mit dem
tenz zum inklusiven Unterrichten von Lehr-      IQB-Bildungstrend 2016 umfangreiche In-
kräften zusammenhängen. Im Detail werden        formationen zur Umsetzung schulischer
folgende Forschungsfragen untersucht:           Inklusion an Grundschulen vor (siehe auch
   Forschungsfrage 1: Wie hängen berufs-        Stanat, Schipolowski, Rjosk, Weirich &
biografische Merkmale mit der Kompetenz         Haag, 2017b).
zum inklusiven Unterrichten von Lehrkräf-          Zur Beantwortung der Fragestellung wur-
ten zusammen? Es wird angenommen, dass          den Lehrkräfte in die Analysen einbezogen,
Lehrkräfte mit einer längeren Berufserfah-      die nach Angaben der Schule mindestens
rung allgemein und im inklusiven Unterricht     eine*n Schüler*in mit SPF in der Klasse un-
sowie mit niedrigerem Fortbildungsbedarf        terrichteten und ein allgemeines Lehramts-
in Bezug auf inklusive Themen ihre eigene       studium absolviert haben. Lehrkräfte, die an
Kompetenz zum inklusiven Unterrichten           Förderschulen unterrichten, und Lehrkräfte,
höher einschätzen. Welche berufsbiografi-       die in Klassen unterrichten, in denen kei-
schen Merkmale bei einer gemeinsamen            ne Schüler*innen mit SPF lernen, wurden
Berücksichtigung besonders maßgeblich           ausgeschlossen. Ebenso wurden Fälle ohne
sind, wird explorativ untersucht.               gültige Werte zur Frage der Kompetenz zum
   Forschungsfrage 2: Welche Zusammen-          inklusiven Unterrichten oder mit unplausi-
hänge bestehen zwischen Merkmalen des           blen Werten bei den anderen interessieren-
schulischen Kontextes und der Kompetenz         den Variablen ausgeschlossen. Es konnten
zum inklusiven Unterrichten von Lehrkräf-       973 Lehrkräfte von 759 Schulen in die Ana-
ten? Hierzu werden die Erfahrung der Schule     lysen einbezogen werden.
Kompetenz zum inklusiven Unterrichten von allgemeinpädagogischen Grundschullehrkräften                 63

Erhebungsinstrumente                                    die sieben Items der Skala mitsamt der de-
                                                        skriptiven Statistiken.
Die Kompetenz zum inklusiven Unterrich-                    Als berufsbiografische Merkmale wurde
ten wurde über eine Skala mit sieben Items              die Berufserfahrung allgemein und Berufs-
im Fragebogen an die Lehrkräfte erfasst. Er-            erfahrung im inklusiven Unterricht (beides
fragt wurde, inwieweit sich die Lehrkräfte              erfasst in Jahren) in die Analysen aufge-
aufgrund ihrer Ausbildung, Fortbildung und              nommen. Aufgrund der Annahme, dass die
Berufserfahrung auf verschiedene Aspekte                Kompetenz von Lehrkräften insbesondere
des „Gemeinsamen Unterrichts“ vorbereitet               zu Beginn der Berufstätigkeit zunimmt und
fühlen (Beispielitem: „Gemeinsamer Unter-               im Verlauf dieser Anstieg allmählich schwä-
richt mit einer weiteren Pädagogin/einem                cher wird, wurde geprüft, inwiefern dieser
weiteren Pädagogen (z. B. „Team-Teach-                  nicht-lineare Verlauf vorliegt, und die Vari-
ing“). Die Skala hat ein vierstufiges Likert-           able Berufserfahrung allgemein als logarith-
Antwortformat von 1 = „sehr schlecht“ bis               mierter Term aufgenommen. Zudem wurde
4 = „sehr gut“. Es handelt sich um eine                 eine Frage zum Fortbildungsbedarf in Bezug
Eigenentwicklung in Anlehnung an Fragen                 auf inklusive Themen (Beispielitem: „Unter-
einer Studie des Bayerischen Lehrer- und                richt in heterogenen Gruppen und Inklu-
Lehrerinnenverband e. V. (2012) sowie der               sion von Schüler*innen mit SPF“) in die
Bielefelder Längsschnittstudie zum Lernen               Analysen mit einbezogen. Die Skala hat ein
in inklusiven und exklusiven Förderarrange-             vierstufiges Likert-Antwortformat von 1 =
ments (2012).                                           „überhaupt kein Bedarf“ bis 4 = „sehr hoher
   Mittels einer explorativen Faktorenanaly-            Bedarf“ und besteht aus vier Items (Cron-
se konnte eine einfaktorielle Struktur nach-            bachs α = .77).
gewiesen werden. Die interne Konsistenz
der Skala liegt bei α = .84. Tabelle 1 enthält

Tabelle1: Items und Itemstatistiken der Skala zur Erfassung der Kompetenz zum inklusiven
          Unterrichten von Lehrkräften

        Item                                                                  M          SD      rit
   a) „Gemeinsamer Unterricht“ mit einem weiteren
       Pädagogen/einer weiteren Pädagogin (z.B. „Team-                       2.68        0.78   0.67
       Teaching“)
   b) Umsetzung von lernzieldifferentem Unterricht (d.h.
       Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf
                                                                             2.68        0.78   0.75
       müssen nicht die Lernziele der besuchten Jahrgangsstufe
       erreichen)
   c) differenzierte Leistungsbewertung                                      2.58        0.68   0.74
   d) innere Differenzierung bei Unterrichtsinhalten und
                                                                             2.83        0.63   0.72
       -methoden
   e) Beratung von Eltern                                                    2.65        0.71   0.69
    f) Einsatz von individuellen Fördermaßnahmen                             2.68        0.65   0.75
   g) Leistungsdiagnostik                                                    2.44        0.68   0.70

Anmerkungen. M = Mittelwert, SD = Standardabweichung, rit = Item-Test-Korrelation. Instruktion:
„Wie gut fühlen Sie sich aufgrund Ihrer Ausbildung, Fortbildung bzw. Berufserfahrung auf folgende
Aspekte des „Gemeinsamen Unterrichts“ vorbereitet?“, vierstufige Likert-Skala von 1 = „sehr
schlecht“ bis 4 = „sehr gut“. Für die Reliabilitätsanalyse wurden Teilnehmende ausgeschlossen, die
auf allen Items keine gültigen Werte besitzen.
64                                                                                                     Lena Külker & Cornelia Gresch

   In Bezug auf den schulischen Kontext                                 Lehrkraft an ihrer Schule angestellt oder
wurden folgende Merkmale der Einzel-                                    stundenweise tätig ist (51.39 %). 22.20 %
schule berücksichtigt, die im Fragebogen                                der Schulen schätzen ihr Schulgebäude bar-
an die Schulleitungen erfragt wurden: Die                               rierefrei ein und rund ein Drittel der Schu-
Erfahrung der Schule mit Inklusion (in Jah-                             len gibt an, über zusätzliche Arbeitsräume
ren), die Ressourcenausstattung (sonderpä-                              für sonderpädagogische Fördermaßnahmen
dagogische Lehrkraft an der Schule, Barrie-                             zu verfügen (37.31 %). In Bezug auf Struk-
refreiheit des Schulgebäudes, Verfügbarkeit                             turen der Zusammenarbeit geben 39.26 %
zusätzlicher Arbeitsräume für sonderpäda-                               der Schulen an individuelle Förderung als
gogische Fördermaßnahmen, dichotom ja/                                  Gegenstand der Team-/Fach- und Lehr-
nein) sowie Strukturen der Zusammenarbeit                               kräfte-Konferenzen zu berücksichtigen. An
(individuelle Förderung als Gegenstand der                              etwa einem Viertel der Schulen gibt es feste
Team-/Fach- und Lehrer*innen-Konferen-                                  Zeitkontingente für Absprachen im Kollegi-
zen, feste Zeitkontingente für Absprachen                               um im Gemeinsamen Unterricht (22.51 %).
im Kollegium im Gemeinsamen Unterricht,                                 Ein verbindliches Konzept zur Umsetzung
verbindliches Konzept zur Umsetzung von                                 von Inklusion haben rund ein Drittel der
Inklusion, dichotom ja/nein). Die dicho-                                Schulen implementiert (32.58 %).
tomen Variablen wurden aus einem vier-
stufigen Antwortformat zusammengefasst.
Wobei 1 = „voll zutreffend“ ist und 0 die                               Methodisches Vorgehen
anderen Antwortstufen umfasst.
   Tabelle 2 enthält deskriptive Statistiken.                           Um zu prüfen, inwiefern berufsbiografi-
Hierbei werden nur valide Angaben be-                                   sche Merkmale und der schulische Kontext
richtet. In der Tabelle sind ergänzend die                              mit der Kompetenz zum inklusiven Unter-
Anteile fehlender Werte für die einzelnen                               richten von Lehrkräften zusammenhängen,
Variablen aufgeführt. Der Großteil der be-                              wurden lineare Regressionsmodelle ge-
fragten Lehrkräfte (87.26 %) ist weiblich                               schätzt. Hierbei wurden zum einen biva-
und durchschnittlich 46.43 Jahre alt (SD =                              riate Zusammenhänge und zum anderen
10.60). Die befragten Lehrkräfte schätzen                               die verschiedenen Ebenen getrennt sowie
ihre Kompetenz zum inklusiven Unterrich-                                gemeinsam in die Modelle aufgenommen3.
ten eher moderat ein (M = 2.63, SD = 0.50).                             Die Analysen wurden mit Stata (Version
Hinsichtlich berufsbiografischer Merkma-                                14.2) berechnet. Fehlende Werte wurden
le verfügen die Lehrkräfte durchschnittlich                             mittels Full Information Maximum Likeli-
über 19.48 Jahre Berufserfahrung allgemein                              hood (FIML) geschätzt (Rubin, 1976). Da
(SD = 12.43) und rund 7.24 Jahre Berufs-                                im IQB-Bildungstrend 2016 u.U. mehrere
erfahrung im inklusiven Unterricht (SD =                                Lehrkräfte einer Schule an der Befragung
6.64). Sie haben ihrer eigenen Einschätzung                             teilgenommen haben, wurde die sich da-
zufolge einen mittleren Fortbildungsbedarf                              raus ergebene Mehrebenenstruktur der
in Bezug auf inklusive Themen (M = 2.53,                                Daten durch die Berechnung robuster Stan-
SD = 0.58).                                                             dardfehler, die auf dem Huber-White-Schät-
   Die Erfahrung der Schule wurde als ein                               zer basieren, berücksichtigt (Maas & Hox,
schulisches Kontextmerkmal berücksichtigt.                              2004).
Die Schulen haben im Durchschnitt 13.58
Jahre Erfahrung mit Inklusion (SD = 8.52).
Hinsichtlich der Ressourcenausstattung
geben mehr als die Hälfte der Schulen an,
dass mindestens eine sonderpädagogische
3    Das Geschlecht der Lehrkraft wird in allen Analysen als Kontrollvariable berücksichtigt. Aufgrund einer hohen Korrelation zu
     Berufserfahrung allgemein (r = 0.90) wird hingegen das Alter nicht als Kontrollvariable betrachtet.
Kompetenz zum inklusiven Unterrichten von allgemeinpädagogischen Grundschullehrkräften              65

Tabelle 2: Deskriptive Statistik

                                                                                                 fW in
                                                    %         M         SD       Min.    Max.
                                                                                                  %

individuelle Merkmale
Geschlecht (weiblich)                             87.26        –         –         –      –      3.49
Alter                                               –       46.43     10.60     24.00    67.00   4.83
Kompetenz zum inklusiven Unterrichten               –        2.63      0.50      1.00    4.00    0.00
berufsbiografische Merkmale
Berufserfahrung allgemein                           –       19.48     12.43      0.20    45.00   4.52
Berufserfahrung Inklusion                           –        7.24      6.64      0.00    41.00   6.89
Forbildungsbedarf Inklusion                         –        2.53      0.58      1.00    4.00    4.32
schulischer Kontext
Erfahrung Inklusion in Jahren                       –       13.58      8.52      1.00    60.00   18.09
Sonderpädag. Lehrkraft an Schule                  51.39        –         –         –       –     12.95
Barrierefreiheit                                  22.20        –         –         –       –     5.55
zusätzl. Arbeitsräume für Förderung               37.31        –         –         –       –     5.86
Gegenstand in Konferenzen                         39.26        –         –         –       –     5.96
Zeit für Absprachen                               22.51        –         –         –       –     6.37
Konzept Inklusion                                 32.58        –         –         –       –     6.78

Anmerkungen. M = Mittelwert, SD = Standardabweichung, Min. = Minimum, Max. = Maximum,
fW = fehlende Werte, N = 973.
a
  = für diese Variablen ist die Referenz = Nein

Ergebnisse                                              stärker ist und mit zunehmender Berufs-
                                                        erfahrung allmählich schwächer wird (B =
In der Ergebnisdarstellung der linearen                 0.07, SE = 0.02, β = .15). Weiterhin gehen
Regressionsanalysen werden Regressions-                 die längere Berufserfahrung im inklusiven
koeffizienten, Standardfehler und aufge-                Unterricht (B = 0.02, SE = 0.00, β = .30) so-
klärte Varianz berichtet. Zur Überprüfung,              wie niedrigerer Fortbildungsbedarf in Bezug
wie berufsbiografische Merkmale mit der                 auf inklusive Themen (B = -0.32, SE = 0.03,
Kompetenz zum inklusiven Unterrichten                   β = -.37) mit einer höheren Kompetenz zum
von Lehrkräften zusammenhängen (For-                    inklusiven Unterrichten einher. Unter ge-
schungsfrage 1), werden zunächst die biva-              meinsamer Einbeziehung dieser berufsbio-
riaten Zusammenhänge betrachtet. Hierbei                grafischen Merkmale (Modell 1) verringern
zeichnen sich erwartungskonform für alle                sich die Effekte bei der Berufserfahrung im
berufsbiografischen Merkmale signifikante               inklusiven Unterricht (B = 0.02, SE = 0.00,
Zusammenhänge mit der Kompetenz zum                     β = .23) und dem Fortbildungsbedarf in Be-
inklusiven Unterrichten ab. Für die Berufs-             zug auf inklusive Themen (B = -0.28, SE =
erfahrung allgemein bestätigt sich, dass der            0.03, β = -.32) etwas. Der Zusammenhang
Effekt auf die Kompetenz zum inklusiven                 zwischen der Berufserfahrung allgemein
Unterrichten in den ersten Berufsjahren                 und der Kompetenz zum inklusiven Unter-
66                                                                 Lena Külker & Cornelia Gresch

richten ist unter Kontrolle weiterer berufs-   zu einem größeren Teil zur Vorhersage der
biografischer Merkmale der Lehrkraft nicht     Kompetenz zum inklusiven Unterrichten
mehr signifikant. In dem Modell 1 beträgt      von Lehrkräften bei als die berücksichtigten
die aufgeklärte Varianz 19 %. Es zeigt sich,   Merkmale des schulischen Kontextes.
dass nicht alle Zusammenhänge im gemein-          Ob und welche Zusammenhänge berufs-
samen Modell bestehen bleiben und vor al-      biografischer Merkmale und des schuli-
lem die Berufserfahrung im inklusiven Un-      schen Kontextes und der Kompetenz zum
terricht und die Einschätzung des eigenen      inklusiven Unterrichten von Lehrkräften bei
Fortbildungsbedarfs in Bezug auf inklusive     gleichzeitiger Modellierung bestehen blei-
Themen bedeutsam für die Kompetenz zum         ben, wird im gemeinsamen Modell betrach-
inklusiven Unterrichten sind.                  tet (Forschungsfrage 3). In diesem Modell 3
   Im Rahmen der zweiten Forschungsfrage       ist der geringe Zusammenhang der Erfah-
war der Zusammenhang von schulischen           rung der Schule mit Inklusion nicht mehr
Kontextmerkmalen und der Kompetenz             bedeutsam. Die anderen Zusammenhänge
zum inklusiven Unterrichten von Interesse.     bleiben stabil oder verringern sich wenig.
Folgende Merkmale des schulischen Kon-         Hinsichtlich berufsbiografischer Merkmale
textes stehen in einem positiven bivariaten    gehen somit auch unter Berücksichtigung
Zusammenhang mit inklusiver Unterricht-        der Verankerung von schulischer Inklusion
kompetenz von Lehrkräften: Erfahrung der       im Schulkonzept auf Schulebene (B = 0.11,
Schule mit Inklusion (B = 0.01, SE = 0.00,     SE = 0.04, β = .11), die längere Berufser-
β = .10), sonderpädagogische Lehrkraft an      fahrung im inklusiven Unterricht (B = 0.02,
der Schule (B = 0.09, SE = 0.04, β = .08),     SE = 0.00, β = .23) und niedrigerer Fortbil-
Barrierefreiheit (B = 0.10, SE = 0.04, β =     dungsbedarf in Bezug auf inklusive Themen
.09), sonderpädagogische Förderung als         (B = -0.27, SE = 0.03, β = -.31) mit einer
Gegenstand in Konferenzen (B = 0.08, SE =      höheren Kompetenz zum inklusiven Unter-
0.04, β = .08) und Verankerung von Inklu-      richten von Lehrkräften einher. Die aufge-
sion im Schulkonzept (B = 0.14, SE = 0.04,     klärte Varianz im vollständigen Modell 3
β = .13). Bei der gemeinsamen Berücksich-      beträgt 21 %. In den ersten beiden Model-
tigung dieser Merkmale des schulischen         len zeigt sich, dass die Vorhersagekraft der
Kontextes (Modell 2) verringern sich die       Kompetenz zum inklusiven Unterrichten
Effekte der Erfahrung der Schule mit Inklu-    von Lehrkräften durch berufsbiografische
sion (B = 0.01, SE = 0.00, β = .09) und der    Merkmale deutlich höher ist (19 %) als
Verankerung von schulischer Inklusion im       durch die Merkmale des schulischen Kon-
Schulkonzept (B = 0.12, SE = 0.04, β = .11)    textes (4 %). In einem gemeinsamen Mo-
etwas. Die Zusammenhänge mit den ande-         dell bleiben die Zusammenhänge hinsicht-
ren schulischen Kontextmerkmalen bleiben       lich berufsbiografischer Merkmale stabil
unter Kontrolle der weiteren Faktoren des      und tragen so wesentlich zu der inklusiven
schulischen Kontextes nicht signifikant. So-   Unterrichtkompetenz bei. Die Merkmale
mit kann zum einen festgehalten werden,        des schulischen Kontextes – Erfahrung der
dass Zusammenhänge zwischen Merk-              Schule mit Inklusion, sonderpädagogische
malen des schulischen Kontextes und der        Lehrkraft an der Schule, Barrierefreiheit und
Kompetenz zum inklusiven Unterrichten          sonderpädagogische Förderung als Gegen-
von Lehrkräften bestehen. In einer gemein-     stand in Konferenzen – zeigen zwar signi-
samen Betrachtung bleiben hier die Erfah-      fikante bivariate Zusammenhänge. Diese
rung der Schule und die Verankerung von        verschwinden allerdings in Modell 3. Hier
schulischer Inklusion im Schulkonzept be-      bleibt jedoch der positive Zusammenhang
deutsam. Die aufgeklärte Varianz in Modell     zwischen der Verankerung von Inklusion im
2 ist geringer (4 %) als in Modell 1 (19 %).   Schulkonzept und der Kompetenz zum in-
Berufsbiografische Merkmale tragen somit       klusiven Unterrichten bestehen.
Tabelle 3: Zusammenhänge zwischen berufsbiografischen Merkmalen und schulischem Kontext und der Kompetenz zum inklusiven Unterrichten von Lehrkräften

                                        bivariate Zusammenhänge               Modell 1                      Modell 2                      Modell 3

                                         B      SE(B)    β             B     SE(B)       β           B       SE(B)     β           B      SE(B)      β

Konstante                                                            3.23     0.10                  2.46    0.03                 3.13     0.11

berufsbiografische Merkmale

Berufserfahrung allgemein                0.07    0.02    .15 ***     0.00     0.02       .01                                     0.01     0.02       .02

Berufserfahrung Inklusion                0.02    0.00    .30 ***     0.02     0.00       .23 ***                                 0.02     0.00       .23 ***

Forbildungsbedarf Inklusion             -0.32    0.03    -.37 ***    -0.28    0.03       -.32 ***                                -0.27    0.03       -.31 ***

schulischer Kontext

Erfahrung Inklusion in Jahren            0.01    0.00    .10 **                                     0.01    0.00       .09 *     0.00     0.00       .00
                       a
Sonderpädag. Lehrkraft                   0.09    0.04    .08 *                                      0.05    0.04       .05       0.01     0.03       .01

Barrierefreiheit a                       0.10    0.04    .09 **                                     0.07    0.04       .06       0.06     0.04       .05

zusätzl. Arbeitsräume für Förderung      0.07    0.04    .06                                        0.04    0.04       .03       0.03     0.03       .03

Gegenstand in Konferenzen                0.08    0.04    .08 *                                      0.01    0.04       .01       0.01     0.04       .01

Zeit für Absprachen                      0.04    0.04    .03                                        -0.04   0.05       -.03      -0.01    0.04       -.01

Konzept Inklusion                        0.14    0.04    .13 ***                                    0.12    0.04       .11 **    0.11     0.04       .11 **
                                                                                                                                                                Kompetenz zum inklusiven Unterrichten von allgemeinpädagogischen Grundschullehrkräften

R²                                                                            0.19                          0.04                          0.21

 Anmerkungen. B = Regressionskoeffizient, SE = Standardfehler, β = Regressionskoeffizient standardisiert, R² = Coefficient of Determination,
 Kontrollvariable = Geschlecht, N = 973.
  a
    = für diese Variablen ist die Referenz = Nein, b = logarithmierte Variable.
 *** p ≤ 0.001, ** p ≤ 0.01; * p ≤ 0.05
                                                                                                                                                                67
68                                                                  Lena Külker & Cornelia Gresch

Diskussion                                     entsprechend heterogen sind. Da sich für
                                               Lehrkräfte, die bereits unterrichten, die An-
Mit der vorliegenden Studie wurde die Frage    forderung schulischer Inklusion neu stellt,
adressiert, wie berufsbiografische Merkmale    wird in der Forschung auch vermehrt die
und der schulische Kontext mit der Kompe-      Fortbildung im Beruf betrachtet. In der vorlie-
tenz zum inklusiven Unterrichten von Lehr-     genden Untersuchung wurde die Einschät-
kräften zusammenhängen. Hierfür wurden         zung des eigenen Fortbildungsbedarfes in
lineare Regressionsanalysen mit Daten der      Bezug auf inklusive Themen berücksichtigt.
Befragung von Lehrkräften und Angaben der      Lehrkräfte mit niedrigerem Fortbildungsbe-
Schulleitungen zu institutionellen Merkma-     darf in Bezug auf inklusive Themen schätz-
len im IQB-Bildungstrend 2016 (Stanat et       ten ihre Kompetenz zum inklusiven Unter-
al., 2017a) geschätzt. Die eigenen Befunde     richten höher ein. Fortbildungen stellen eine
werden im Folgenden diskutiert und einge-      wichtige Voraussetzung für die professionel-
ordnet. Es folgt die Diskussion von Limita-    le (Weiter-)Entwicklung dar, vor allem dann,
tionen der Studie und ein Ausblick.            wenn die Teilnehmer*innen motiviert sind
   In der Untersuchung der berufsbiografi-     und hohes Lernengagement aufweisen (Li-
schen Merkmale, konkret allgemeine Be-         powsky, 2014). Die Ergebnisse legen nahe,
rufserfahrung, Berufserfahrung im inklusi-     dass der Besuch einer inklusionsbezogenen
ven Unterricht und der Fortbildungsbedarf      Fortbildung für die Umsetzung schulischer
in Bezug auf inklusiven Themen, zeigt sich     Inklusion bedeutsam sein kann, in dem Sin-
Folgendes: die Berufserfahrung im inklu-       ne, dass die Teilnahme einer Fortbildung als
siven Unterricht steht in einem positiven      formale Lerngelegenheit zur Entwicklung
Zusammenhang mit der Kompetenz zum             der Kompetenz zum inklusiven Unterrichten
inklusiven Unterrichten von Lehrkräften        von Lehrkräften beitragen könnte. Der Fokus
– auch unabhängig von weiteren berufs-         dieser Studie lag auf der Kompetenz zum in-
biographischen Merkmalen wie insbeson-         klusiven Unterrichten von Lehrkräften im
dere der allgemeinen Berufserfahrung. Die      Beruf. In künftigen Studien könnten zusätz-
Berufserfahrung allgemein hingegen weist       lich Merkmale der Ausbildung berücksich-
unter gemeinsamer Berücksichtigung der         tigt werden, um zusätzliche Erkenntnisse
anderen berücksichtigten berufsbiografi-       über die Bedeutsamkeit vor allem formaler
schen Merkmale keinen eigenen Effekt auf.      Lerngelegenheiten während des Studiums
Bisherige Untersuchungen haben festge-         und Referendariats für Kompetenz zum in-
stellt, dass Lehrkräfte mit längerer Berufs-   klusiven Unterrichten zu gewinnen.
erfahrung über höhere Ausprägungen von            In dieser Untersuchung wurde der schuli-
Unterrichtskompetenz in heterogenen Klas-      sche Kontext durch eine Auswahl von Merk-
sen verfügen als jüngere Lehrkräfte (Vogt &    malen der Schulen, die für die Umsetzung
Brühwiler, 2014). Der eigene Befund zeigt      schulischer Inklusion als bedeutsam hervor-
somit eine Ausdifferenzierung, denn Lehr-      gehoben werden (Arndt & Wernig, 2016;
kräfte mit langer Berufserfahrung allgemein    Friedrich, 2015), berücksichtigt: die Erfah-
können über eine kurze Berufserfahrung         rung der Schule mit Inklusion, die Ressour-
im inklusiven Unterricht verfügen. Zudem       cenausstattung sowie Strukturen der Zu-
kann davon ausgegangen werden, dass die        sammenarbeit. Es konnte gezeigt werden,
meisten aktuell an Schulen tätigen Lehrkräf-   dass einzelne der berücksichtigten schuli-
te im Rahmen ihrer Ausbildung (Studium         schen Kontextmerkmale für die Kompetenz
und Referendariat) noch keine oder nur         zum inklusiven Unterrichten von Lehrkräf-
wenig „systematische inklusionsorientierte“    ten bedeutsam sind. Betont wird in Studien
Wissensvermittlung erhielten (Leidig, 2019,    oft, dass u. a. die Ressourcenausstattung
S. 9) und die Vorerfahrungen zu schulischer    eine wichtige Gelingensbedingung für die
Inklusion und formale Lerngelegenheiten        Umsetzung schulischer Inklusion ist (Arndt
Kompetenz zum inklusiven Unterrichten von allgemeinpädagogischen Grundschullehrkräften           69

& Werning, 2016; Heimlich et al., 2016;                 voll zu erfassen vermögen, sondern nur den
Friedrich, 2015). Zumindest scheinen sich               „testbaren[n] Anteil der Kompetenz“ (Kel-
die Erfahrung der Schule, die Ressourcen-               ler-Schneider, 2014, S. 105). Somit stellen
ausstattung sowie die betrachteten Struktu-             die verschiedenen Zugänge jeweils Annä-
ren der Zusammenarbeit, die zwischen den                herungen an das Konstrukt dar. Eine Stärke
Bundesländern, aber auch zwischen Schu-                 des subjektiven Zugangs ist, dass hier die
len variieren können (Blanck, 2014; Gresch              konkreten Erfahrungen in die Selbstein-
et al., 2020) nicht auf die Kompetenz zum               schätzung mit einfließen (erfahrungsbasier-
inklusiven Unterrichten von Lehrkräften                 te Kompetenz). Zukünftig wäre von Inter-
auszuwirken. Allerdings zeigt sich, dass die            esse, das Zusammenspiel zwischen dieser
Verankerung von Inklusion im Schulkonzept               auf die Vergangenheit bezogenen erfah-
in einem positiven Zusammenhang mit der                 rungsbasierten Kompetenz und der auf die
Kompetenz zum inklusiven Unterrichten                   Zukunft blickenden Kompetenzerwartung
von Lehrkräften steht. Dies ist ein Hinweis,            (im Sinne von Selbstwirksamkeit) zu fokus-
dass inklusive Schulentwicklung, in der ge-             sieren (Keller-Schneider, 2014). Weiterhin
meinsame Konzepte, aber auch Strukturen                 wurde der Fortbildungsbedarf in Bezug auf
der Zusammenarbeit erarbeitet und festge-               inklusive Themen über eine Selbsteinschät-
legt werden, dazu beitragen können, dass                zung der Lehrkräfte erfasst. Auch hier wäre
Lehrkräfte eine höhere Kompetenz zum                    eine Absicherung der Ergebnisse in zukünf-
inklusiven Unterrichten entwickeln. Dies                tigen Studien erstrebenswert. Ferner wurden
könnte beispielsweise darauf zurückgeführt              Lehrkräfte der Grundschule befragt. Sich
werden, dass sich in Schulen mit einem ent-             anschließende Studien könnten die Kompe-
sprechendem Schulkonzept eine inklusive                 tenz zum inklusiven Unterrichten von Lehr-
pädagogische Grundorientierung im Kolle-                kräften der Sekundarstufe fokussieren.
gium (Friedrich, 2015) entwickelt und dass                 Die in der vorliegenden Untersuchung
dieser soziale Rückhalt im Kollegium sowie              gefundenen Zusammenhänge zwischen
der Austausch hierzu als informelle Lern-               berufsbiografischen Merkmalen und schu-
gelegenheit die Kompetenz zum inklusiven                lischem Kontext und der Kompetenz zum
Unterrichten positiv beeinflusst. Ob eventu-            inklusiven Unterrichten von Lehrkräften
ell andere Merkmale des schulischen Kon-                können einen Beitrag zum aktuellen Dis-
textes, wie u. a. Merkmale der Schulkultur              kurs zu Kompetenz zum inklusiven Unter-
oder die Rolle der Schulleitung (Arndt &                richten (Moser, 2018) leisten. Die UN-BRK
Werning, 2016), in einem Zusammenhang                   fordert die Qualifikation der Lehrkräfte in
mit der Kompetenz zum inklusiven Unter-                 allen Phasen ihrer Ausbildung und im Be-
richten von Lehrkräften stehen, ist noch of-            ruf (UN-BRK, Art. 24 Abs. 4). Entsprechend
fen und bedarf weiterer Forschung.                      wird die Qualifikation der Lehrkräfte für in-
   Die Kompetenz zum inklusiven Unter-                  klusiven Unterricht als eine entscheidende
richten wird in der vorliegenden Untersu-               Gelingensbedingung angesehen (Borg et al.,
chung über Selbsteinschätzungen der Lehr-               2011), da sie erforderlich ist, um den mit
kräfte erfasst. Grundsätzlich liefern diese bei         schulischer Inklusion verbundenen neuen
der Untersuchung großer Stichproben aus                 Anforderungen begegnen zu können. Damit
test-ökonomischen Gründen „schnelle und                 die Lehrkräfte diesen Anforderungen gerecht
oft treffsichere Kompetenzdiagnostik“ (Frey,            werden können, erscheint es wesentlich,
2006, S. 35). Allerdings wird kritisiert, dass          dass die Lehrkräfte die Möglichkeit haben,
subjektive Erfassungen nur begrenzt mit der             (Berufs-)Erfahrung im inklusiven Unterricht
objektiv vorhandenen Kompetenz überein-                 und in Fortbildungen zu sammeln, und auf
stimmen (Kunter & Klusmann, 2010). Es sei               schulischer Ebene an gemeinsamen Kon-
aber auch erwähnt, dass auch objektive Zu-              zepten und Strukturen der Zusammenarbeit
gänge die Kompetenz von Lehrkräften nicht               gearbeitet wird.
70                                                                Lena Külker & Cornelia Gresch

Literaturverzeichnis                           Borg, G., Hunter, J., Sigurjónsdottír, B. &
                                                 D’Alessio, S. (2011). Key principles for
Arndt, A.-K. & Werning, R. (2016). Was           promoting quality in inclusive education.
  kann man von Jakob Muth-Preisträger-           Recommendations for practice. Odense:
  schulen lernen? Ergebnisse der Studie          European Agency for Development in
  „Gute inklusive Schule“. In Bertelsmann        Special Needs Education.
  Stiftung (Hrsg.), Inklusion kann gelingen!   Brühwiler, C. (2014). Adaptive Lehrkom-
  Forschungsergebnisse und Beispiele guter       petenz und schulisches Lernen. Effekte
  schulischer Praxis (S. 105–140). Güters-       handlungssteuernder Kognitionen von
  loh: Verl. Bertelsmann Stiftung.               Lehrpersonen auf Unterrichtsprozesse
Avalos, B. (2011). Teacher professional de-      und Lernergebnisse der Schülerinnen und
  velopment in Teaching and Teacher Edu-         Schüler (Pädagogische Psychologie und
  cation over ten years. Teaching and Tea-       Entwicklungspsychologie, Bd. 91). Müns-
  cher Education, 27(1), 10–20.                  ter: Waxmann.
Baumert, J. & Kunter, M. (2011). Das Kom-      Fend, H. (2008). Schule gestalten. System-
  petenzmodell von COACTIV. In M. Kun-           steuerung, Schulentwicklung und Unter-
  ter, J. Baumert, W. Blum, U. Klusmann, S.      richtsqualität (Lehrbuch, 1. Aufl.). Wies-
  Krauss & M. Neubrand (Hrsg.), Professio-       baden: Verlag für Sozialwissenschaften.
  nelle Kompetenzen von Lehrkräften. Er-       Frey, A. (2006). Methoden und Instrumente
  gebnisse des Forschungsprogramms CO-           zur Diagnose beruflicher Kompetenzen
  ACTIV (S. 29–54). Münster: Waxmann.            von Lehrkräften. Eine erste Standortbe-
Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort:      stimmung zu bereits publizierten Inst-
  Professionelle Kompetenz von Lehr-             rumenten. In E. Terhart & C. Allemann-
  kräften. Zeitschrift für Erziehungswissen-     Ghionda (Hrsg.), Kompetenzen und
  schaft, 9(4), 469–520.                         Kompetenzentwicklung von Lehrerinnen
Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenver-          und Lehrern: Ausbildung und Beruf (Zeit-
  band e. V. (2012). Inklusion an Bayerns        schrift für Pädagogik. Beiheft, Bd. 51,
  Schulen. Lehrerbefragung. Abgerufen            S. 30–46). Weinheim: Beltz Verlag.
  von      https://www.bllv.de/fileadmin/Da-   Friedrich, K. (2015). Inklusives Schulpro-
  teien/mittelfranken/pdf-Dateien/Schul-         gramm: Geduldiges Papier oder Gelin-
  politik/Befrag_Inklusion_Bericht.pdf           gensbedingung inklusiver Schulen? In N.
  [27.03.2017]                                   Spörer, A. Schründer-Lenzen, M. Vock
Berliner, D. C. (2001). Learning about and       & K. Maaz (Hrsg.), Inklusives Lernen
  learning from expert teachers. Interna-        und Lehren im Land Brandenburg. Ab-
  tional Journal of Educational Research,        schlussbericht zur Begleitforschung des
  35(5), 463–482.                                Pilotprojekts „Inklusive Grundschule“.
Bertram, J., Albersmann, N. & Rolka, K.          (S. 197-232). Ludwigsfelde-Struveshof:
  (2020). Ansatz zur Weiterentwicklung des       Landesinstitut für Schule und Medien
  Modells der professionellen Handlungs-         Berlin-Brandenburg (LISUM)
  kompetenz von Lehrkräften für inklusiven     Frohn, J., Brodesser, E., Moser, V. & Pech,
  (Mathematik-)Unterricht. QfI - Qualifizie-     D. (Hrsg.). (2019). Inklusives Lehren und
  rung für Inklusion, 2 (1).                     Lernen. Allgemein- und fachdidaktische
Blanck, J. M. (2014). Organisationsformen        Grundlagen (klinkhardt forschung. Inter-
  schulischer Integration und Inklusion.         disziplinäre Beiträge zur Inklusionsfor-
  Eine vergleichende Betrachtung der 16          schung). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
  Bundesländer (Discussion paper/Wis-
  senschaftszentrum Berlin für Sozialfor-
  schung, SP I 2014-501). Berlin: WZB.
Kompetenz zum inklusiven Unterrichten von allgemeinpädagogischen Grundschullehrkräften           71

Gresch, C., Kuhl, P. & Külker, L. (2020). Aus-          Jäntsch, C., Jaeuthe, J., Bosse, S. & Spörer,
 gewählte schulische Ausgangslagen und                    N. (2015). Fortbildung und Beratung zum
 organisatorische Gestaltungsformen von                   inklusiven Unterricht. In N. Spörer, A.
 Inklusion an Grundschulen in Deutsch-                    Schründer-Lenzen, M. Vock & K. Maaz
 land. In C. Gresch, P. Kuhl, M. Grosche,                 (Hrsg.), Inklusives Lernen und Lehren im
 C. Sälzer & P. Stanat (Hrsg.), Schüler*in-               Land Brandenburg. Abschlussbericht zur
 nen mit sonderpädagogischem Förderbe-                    Begleitforschung des Pilotprojekts „In-
 darf in Schulleistungserhebungen (Bd. 33,                klusive Grundschule“. (S. 155–180). Lud-
 S. 179–211). Wiesbaden: Springer VS.                     wigsfelde-Struveshof: Landesinstitut für
Gresch, C., Rjosk, C., Kocaj, A. & Stanat,                Schule und Medien Berlin-Brandenburg
 P. (2017). Schülerinnen und Schüler mit                  (LISUM).
 sonderpädagogischem Förderbedarf in                    Keller-Schneider, M. (2014). Kompetenz
 Deutschland. In P. Stanat, S. Schipo-                    von Lehrpersonen in der Berufseinstiegs-
 lowski, C. Rjosk, S. Weirich, & N. Haag                  phase. Die Bedeutung von zwei metho-
 (Hrsg.), IQB-Bildungstrend 2016. Kompe-                  disch unterschiedlichen Erfassungszu-
 tenzen in den Fächern Deutsch und Ma-                    gängen. Zeitschrift für Bildungsforschung,
 thematik am Ende der 4. Jahrgangsstufe                   4(2), 101–117.
 im zweiten Ländervergleich (S. 277-281).               Klieme, E. & Leutner, D. (2006). Kompe-
 Münster: Waxmann.                                        tenzmodelle zur Erfassung individueller
Grosche, M. (2015). Was ist Inklusion? Ein                Lernergebnisse und zur Bilanzierung von
 Diskussions- und Positionsartikel zur De-                Bildungsprozessen. Beschreibung eines
 finition von Inklusion aus Sicht der em-                 neu eingerichteten Schwerpunktpro-
 pirischen Bildungsforschung. In P. Kuhl,                 gramms der DFG. Zeitschrift für Pädago-
 P. Stanat, B. Lütje-Klose, C. Gresch, H.                 gik, 52(6), 876–903.
 Anand Pant & M. Prenzel (Hrsg.), Inklu-                König, J. (2010). Lehrerprofessionalität –
 sion von Schülerinnen und Schülern mit                   Konzepte und Ergebnisse der internatio-
 sonderpädagogischem Förderbedarf in                      nalen und deutschen Forschung am Bei-
 Schulleistungserhebungen (S. 17–39).                     spiel fachübergreifender, pädagogischer
 Wiesbaden: Springer VS.                                  Kompetenzen. In J. König & B. Hofmann
Grummt, M. (2019). Sonderpädagogische                     (Hrsg.), Professionalität von Lehrkräf-
 Professionalität und Inklusion (Bd. 78).                 ten – Was sollen Lehrkräfte im Lese- und
 Wiesbaden: Springer VS.                                  Schreibunterricht wissen und können?
Heimlich, U., Kahlert, J., Lelgemann, R.                  (S. 40–105). Berlin: DLSG.
 & Fischer, E. (Hrsg.). (2016). Inklusives              König, J., Gerhard, K., Melzer, C., Rühl,
 Schulsystem. Analysen, Befunde, Empfeh-                  A.-M., Zenner, J. & Kaspar, K. (2017). Er-
 lungen zum bayerischen Weg (Klinkhardt                   fassung von pädagogischem Wissen für
 forschung). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.                   inklusiven Unterricht bei angehenden
Heise, M. (2009). Informelles Lernen von                  Lehrkräften: Testkonstruktion und Vali-
 Lehrkräften. Ein Angebots-Nutzungs-An-                   dierung. Unterrichtswissenschaft, 45(4),
 satz. Münster: Waxmann.                                  223–242.
                                                        König, J., Gerhard, K., Kaspar, K. & Melzer,
                                                          C. (2019). Professionelles Wissen von
                                                          Lehrkräften zur Inklusion: Überlegungen
                                                          zur Modellierung und Erfassung mithilfe
                                                          standardisierter Testinstrumente. Pädago-
                                                          gische Rundschau, 73(1), 43–64.
Sie können auch lesen