POPULISMUS - Friedensbüro Salzburg

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POPULISMUS - Friedensbüro Salzburg
2018
                FRÜHJAHR

                                                    Zeitung

                                     POPULISMUS
                                          POPULISTISCHE PARTEIEN UND BEWEGUNGEN stellen Demokratien vor große Her-
I N T E R V I E W
                                          ausforderungen. Was ursprünglich als Protesterscheinung von nur kurzfristigem Erfolg
„Gewöhnung an Grenzüberschrei-            abgetan wurde, hat sich längst im Mainstream verankert und zieht weite Kreise in Poli-
tungen im medialen und politi-            tik und Gesellschaft. In Europa sind es vor allem rechtspopulistische Kräfte, die sich
schen Diskurs“                S. 04
                                          trotz eines kurzen Einknicks ihres Erfolges ab den 2000er-Jahren mittlerweile in fast
                                          allen Ländern etabliert haben. Sie nehmen eine zentrale Rolle in der Opposition ein
D I S K U R S A N A L Y S E
                                          oder sind in manchen Fällen an der Regierungsarbeit beteiligt. Darüber hinaus domi-
„Vom Rand in die Mitte“           S. 08
                                          nieren rechtspopulistische AkteurInnen seit Jahren die mediale Berichterstattung und
                                          beeinflussen somit auch den politischen und gesellschaftlichen Diskurs maßgeblich mit.
P Ä D A G O G I K
Rechtspopulismus als Herausforde-         Damit können sie thematische Schwerpunkte setzen und den Ton vorgeben. Mit die-
rung für die politische Bildung? S. 12    ser Ausgabe des „Kranich“ wollen wir das Phänomen genauer unter die Lupe nehmen
                                          und aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten.                          Die Redaktion

                                 Projekt „WhyWar.at“ zum Syrienkrieg | Seite 16
POPULISMUS - Friedensbüro Salzburg
INTERVIEW

                                                                Kristina Langeder, Mitarbeiterin und Referentin für
                                                                         politische Bildung im Friedensbüro Salzburg

I N H A L T

02 Kommentar

03 Kurz & Bündig

04 „Gewöhnung an Grenzüberschreit-
   ungen im medialen und politischen
   Diskurs“

06 Populismus
                                                                                  Herausforderung Populismus
07 Zwischen Propaganda und Algorithmus                              „Hoffentlich schmort sie in der Hölle.“
                                                                    „So einer Person weint man keine Träne nach.“
08 „Vom Rand in die Mitte“                                          „Und Tschüss. Ist nicht schade um diese Volks- und Vaterlandsverräterin. Wer
                                                                    Flüchtlingen hilft, hat hier nichts zu suchen.“
10 Gibt es einen emanzipatorischen
                                                                    So reagierten Ende Jänner zahlreiche Facebook-UserInnen auf den Tod der
   Populismus?                                                      Flüchtlingshelferin Ute Bock. Eine Frau, die für ihren steten und unermüd-
                                                                    lichen Einsatz für Menschen in Not unter anderem im Jahr 2012 das Goldene
11 Verantwortliche Popularität                                      Verdienstzeichen der Republik Österreich erhielt, wird für ihr Engagement
                                                                    posthum verdammt und verhöhnt. Deutlich zeigen sich Wut und Verachtung
                                                                    in den Postings. Wäre es noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen, sich
12 Rechtspopulismus als Herausforderung
                                                                    öffentlich so unter Verwendung seines vollständigen Namens und eines Fotos
   für die politische Bildung?                                      zu äußern, gehören solche und ähnliche Bekundungen mittlerweile zum Alltag
                                                                    - und das nicht nur im digitalen Raum. Die Grenzen dessen, was öffentlich
14 Veranstaltungen                                                  sagbar ist, haben sich verschoben. Doch woran liegt das?

                                                                    Das politische, mediale und gesellschaftliche Klima hat sich verändert. Populi-
                                                                    stische (und in Europa sind es vor allem rechtspopulistische) Parteien und
              So können Sie uns erreichen:                          Bewegungen haben dieses Klima in den letzten Jahren maßgeblich geprägt
              Friedensbüro Salzburg                                 und mitbestimmt. Das Ansprechen von Kränkungen und Emotionen, gezielte
              Franz-Josef-Str. 3, 5020 Salzburg                     Provokationen gefolgt von ambivalenten Entschuldigungen, Dramatisierungen
 KONTAKT

                                                                    und das Denken in einfachen, dichotomen Schemata sind dabei als Kernele-
              tel/fax: 0662/87 39 31
                                                                    mente dieses Politikstils zu nennen.
              e-mail: office@friedensbuero.at
              www.friedensbuero.at                                  Zentrale Bezugsgröße rechtspopulistischer Politik ist „das Volk“, das als homo-
              Bankverbindung: Salzburger Sparkasse,                 gene Einheit definiert wird: Die „korrpute Elite“, das „Establishment“, die
              IBAN: AT102040400000017434                            „Systempresse“, die „Ausländer“ oder die „Sozialschmarotzer“ - sie alle ste-
              Öffnungszeiten:                                       hen dem Volk als feindliche Bedrohung gegenüber. Inmitten dieser entworfe-
              Mo & Mi: 9–11 Uhr • Di & Do: 15–18 Uhr                nen Bedrohungsszenarien stellen sich PopulistInnen als die einzig möglichen
                                                                    RetterInnen „des Volkes“ dar. Die Botschaft, die so vermittelt wird, ist klar:
                                                                    Wer nicht für sie ist, muss gegen sie sein - und stellt somit eine Gefahr dar,
                                                                    die es zu bekämpfen gilt.
 IMPRESSUM

              DER KRANICH
              Nr. 01/2018                                           Die Frage, wie Populismus in unterschiedlichen Kontexten begegnet werden
              An der Erstellung dieser Ausgabe
                                                                    kann, ist nicht leicht zu beantworten. Die vorliegende Ausgabe des „Kranich“
              haben mitgewirkt: Christine Czuma, Hans Peter
                                                                    möchte einerseits für zentrale Merkmale und diskursive Strategien des
              Graß, Kristina Langeder, Samar Shehata, Melanie
              Winberger.                                            Populismus sensibilisieren, nach seiner Vereinbarkeit mit einem kritisch-
              Layout: Kristina Langeder                             emanzipatorischen Anspruch fragen und Anregungen für einen pädagogi-
              Grafisches Grundkonzept: Eric Pratter                 schen Umgang mit dem Thema geben.

                                                                                                                               Kristina Langeder

             02                                                                                               KRANICH 01/2018 – friedensbüro salzburg
POPULISMUS - Friedensbüro Salzburg
KURZ & BÜNDIG

                                                 Gruppe. Man isoliere sie und verhindere
                                                 dadurch gesellschaftlichen Austausch und     Die völkerrechtswidri-
                                                 Kommunikation. Dann nähme man dieser         ge Offensive in Afrin
 Kurz& Bündig                                    Gruppe existenzielle Lebensgrundlagen
                                                 und beraube sie persönlicher und beruf-      Während die EU-Beitrittsverhandlungen der
                                                 licher Perspektiven. Das Ergebnis garniere   Türkei noch immer nicht vom Tisch sind,
                                                 man mit permanenten Schuldzuweisun-          greift das Land völkerrechtswidrig Syrien an.
                                                 gen, negativen Zuschreibungen und            Die Militäroffensive richtet sich gegen die
                                                 kollektiven Kränkungen.                      Kurdenmiliz YPG und hat das Ziel "kurdische
                                                 Das vorliegende Regierungsprogramm           Terroristen" aus dem Grenzgebiet zu vertrei-
Bewaffnung der                                   und die begleitende verbale Aus-             ben, dabei wurden schon viele Milizmitglie-
                                                 schmückung ihrer Inhalte ist eine äußert     der, wie auch ZivilistInnen getötet. Der
LehrerInnen in den                               gelungene Ausführung dieser Rezeptur.        Angriff ist weder von der Regierung Syriens
                                                 Nun kann man nur mutmaßen, ob den            bewilligt, noch liegt eine Ermächtigung des
USA?                                             Mitgliedern dieser Bundesregierung           UN-Sicherheitsrates vor. Das bedeutet, dass
                                                 diese Mechanismen einfach nur unbe-          der Einsatz völkerrechtswidrig ist und somit
Nach dem Schulmassaker in Parkland               kannt sind oder ob sie sich bewusst auf      von der internationalen Gemeinschaft verur-
(Florida), das 17 Menschen das Leben             diese Dynamik einlassen, mit dem Wis-        teilt werden sollte. Während das syrische
gekostet hat, ist die Diskussion um neue         sen, dass gespaltene Gesellschaften und      Regime der Türkei vorwirft, die Souveränität
Waffengesetze groß. Anders als bei den           daraus resultierende Gewaltdelikte           syrischen Territoriums zu verletzen, zeigt sich
bisherigen Bluttaten an Schulen ist diese        extremistische Postionen stärken.            der türkische Präsident von jeglicher Kritik
Debatte nicht sofort wieder verebbt,             Im ersten Fall wäre es zumindest nicht       unbeeindruckt. Der UN-Sicherheitsrat konnte
dies liegt auch an dem Engagement von            sehr schmeichelhaft für das Ausmaß an        sich bei einer im Januar stattfindenden Sit-
überlebenden SchülerInnen, die mit               sozial- und gesellschaftspolitischer         zung auf keine Resolution einigen, somit kam
zahlreichen Auftritten Druck auf Politi-         Kompetenz dieser Bundesregierung.            bisher kaum Reaktion von Seiten der Verein-
kerInnen machen wollen.                          Sollte – und manche Wortmeldungen in         ten Nationen. Russland hingegen signalisierte
In Florida ist nun ein neues Waffenge-           den letzten Tagen zeugen davon, dass         der Türkei freie Hand für die Militäroperation
setz verabschiedet worden, das die               diese Befürchtung nicht sehr weit her-       gegen die kurdischen Milizen. Die Tatsache,
Bewaffnung von einzelnen Schulange-              geholt ist – zweitere Annahme auch           dass die Türkei ohne UN-Mandat und ohne
stellten und LehrerInnen ermöglichen             nur ansatzweise zutreffen, ist es kein       dem Argument der Selbstverteidigung im
würde. Der „Marjory Stonemang Dou-               Euphemismus, historische Vergleiche zu       Nachbarland militärisch operiert und dafür
glas High School Public Safety Act“              bemühen und von „Wehret den Anfän-           kaum Kritik von der internationalen Gemein-
sieht außerdem vor, dass das Mindestal-          gen“ zu sprechen.                      HPG   schaft erhält, ist Besorgnis erregend.     MW
ter für WaffenkäuferInnen auf 21 Jahre
- statt bisher 18 Jahren - hinaufgesetzt
werden soll. Der Paragraph, der die
Bewaffnung von Schulangestellten und                                           Das Zitat
LehrerInnen ermöglichen soll, ist stark
umstritten. Das "Beschützer-Programm"
richtet sich an SportlehrerInnen und
VerwaltungsmitarbeiterInnen sowie an
LehrerInnen, die eine militärische Ausbil-
dung absolviert haben.
Der Vorschlag kam überraschenderweise
aus dem Bildungsministerium und wirft
unter anderem die Frage auf, welche
Aufgaben PädagogInnen über ihren Bil-
dungsauftrag hinaus übernehmen kön-
nen.
                                                                                                                                         FOTO: Jan-Niklas Kniewel

                                      MW

Wehret den Anfängen
Wäre es jemandem ein Anliegen, gesell-              „Selbst wenn Assad den Krieg gewinnt: Den Frieden können nur wir gewinnen.“
schaftlichen Zusammenhalt zu gefährden und          (Ameenah Sawwan, Journalistin und Aktivistin des Aufstands gegen das Assad-
daraus resultierende Gewaltdelikte zu schü-         Regime bei „Adopt a Revolution“, in ihrem Artikel „Den Frieden können nur
ren, gäbe es ein – historisch bereits gut aus-      wir gewinnen“ vom 7. Dezember 2017, www.adoptarevolution.org.)
gearbeitetes und bewährtes - Rezept:
Man nehme eine bereits marginalisierte

KRANICH 01/2018 – friedensbüro salzburg                                                                                                               03
POPULISMUS - Friedensbüro Salzburg
INTERVIEW

„Gewöhnung an Grenzüberschreitungen im
medialen und politischen Diskurs“
Das Gespräch führte Kristina Langeder.

                                                                                                                                        FOTO: Simon Welebil
Rechtspopulistische Parteien verstärken vorhandene Ängste und Ohnmachtsgefühle, bedienen Feindbilder und betreiben damit
Politik. Der Politikwissenschaftler Bernhard Weidinger im Gespräch über Strategien und aktuelle Entwicklungen.

Kranich: Im Feld rechter Politik gibt         Kranich: Populistische Parteien, und      grenzten „Anderen“. Parteien der Lin-
es eine Vielfalt von Begriffen, die           in Europa sind es vor allem recht-        ken und der Mitte nähern sich diesen
durchaus nicht einheitlich verwendet          spopulistische Parteien, verstehen        rechten Erzählungen oft an oder schaf-
werden – das Spektrum reicht etwa             es, WählerInnen zu mobilisieren.          fen es zumindest nicht, überzeugende
von rechtspopulistisch, rechtskonser-         Woran liegt das?                          Gegenerzählungen anzubieten.
vativ, rechtsextrem hin zu den soge-          Weidinger: Dafür ist eine Reihe von
nannten „Neuen Rechten“. Worin lie-           Faktoren verantwortlich, deren Bedeu-     Kranich: Eine Abgrenzung nach
gen die Unterschiede und worin die            tung von Land zu Land variiert. Ein       „unten“ – betrifft das nur die als
Gemeinsamkeiten zwischen diesen               gemeinsamer Nenner ist die Ausnutzung     „fremd“ konstruierten Gruppen, oder
Begrifflichkeiten?                            und Verstärkung vorhandener Ängste        auch zum Beispiel einkommensschwa-
Weidinger: Die offensichtliche Gemein-        und Ohnmachtsgefühle. Überall anzu-       che oder arbeitslose Menschen? Wenn
samkeit liegt darin, dass alle vier Begrif-   treffen ist auch die doppelte Abgren-     ja, wie passt das zu der Inszenierung
fe auf rechte Ideologie verweisen, deren      zung nach oben – die „abgehobenen         rechtspopulistischer AkteurInnen als
Kern in der Behauptung der Ungleich-          Eliten“, die „das Volk verraten haben“    Verteidiger des „kleinen Mannes“?
heit der Menschen, in der Gemein-             – und nach unten, gegen als „fremd“       Weidinger: Das ist von Partei zu Partei
schaftsstiftung durch Ausgrenzung und         punzierte Gruppen wie Geflüchtete         unterschiedlich – hier findet sich alles
im Autoritarismus besteht. Die „Neue          oder Musliminnen und Muslime. Entlang     von einer Politik für die vermeintlichen
Rechte“ bezeichnet einen Ausschnitt           dieser beiden Feindbilder werden Ver-     „Leistungsträger“, die weitgehend mit
der extremen Rechten, rechtskonservativ       sprechungen gemacht, die den Men-         konservativen und liberalen Program-
und rechtspopulistisch können als Über-       schen soziale und physische Sicherheit,   men kompatibel ist, bis hin zu nationa-
gangsstufen zum Rechtsextremismus             Anerkennung und Geborgenheit verhei-      lem Quasi-Sozialismus. Der erste Ansatz
verstanden werden.                            ßen, wenn auch auf Kosten der ausge-      will von unten nach oben umverteilen,

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POPULISMUS - Friedensbüro Salzburg
INTERVIEW

der zweite von den „Fremden“ zu den            alle „national-freiheitlichen“ Verbin-       Kranich: Es gehört zum Repertoire recht-
VolksgenossInnen. Die FPÖ verfolgt der-        dungen und schon gar nicht all ihre          spopulistischer Diskursstrategien, durch
zeit beide Ziele zugleich.                     Mitglieder können über einen Kamm            gezielt platzierte Provokationen einer-
                                               geschoren werden. Was sie aber eint,         seits Aufmerksamkeit zu generieren und
Kranich: Nach Wahlen, bei denen                sind allem voran der Deutschnationa-         andererseits die Grenzen des Sagbaren
rechte Parteien gute Ergebnisse ein-           lismus, der Elitarismus und die Männer-      zu verschieben. Das stellt KritikerInnen
fahren oder anschließend in die Regie-         bündelei. Letzteres gilt natürlich nicht     vor ein Problem: Empörte Reaktionen
rungsverantwortlichkeit kommen, ist            für die Damenverbindungen, die aber          können einerseits die von rechtspopuli-
stets von einem „Rechtsruck“ die               ideologisch den männlichen durchaus          stischen AkteurInnen gewünschte Auf-
Rede. Das suggeriert eine abrupte              vergleichbar sind.                           merksamkeit erzeugen und zur Wieder-
Veränderung. Handelt es sich nicht                                                          holung und Verfestigung der Aussagen
vielmehr um eine graduelle Grenzver-           Kranich: Im Jänner 2018 wurden anti-         beitragen, andererseits sind sie notwen-
schiebung, die den politischen Mei-            semitische und NS-verherrlichende            dig, um der Normalisierung grenzwerti-
nungsbildungsprozess beeinflusst und           Auszüge aus einem Liederbuch der             ger Äußerungen entgegen zu wirken.
in Wahlergebnissen sichtbar wird?              Burschenschaft Germania publik, der          Wie kann man also kritisch auf solche
Weidinger: Tatsächlich handelt es sich         zu diesem Zeitpunkt auch der FPÖ-            Strategien reagieren?
um langwierige Entwicklungen, die ein-         Spitzenkandidat für die niederösterrei-      Weidinger: Das ist in der Tat eine Grat-
ander wechselseitig befeuern: Unzufrie-        chische Landtagswahl, Udo Landbauer,         wanderung. Es gibt absolute Grenzen,
denheit mit den etablierten Parteien,          angehörte. HC Strache war am kurz            die zum Teil auch strafrechtlich abge-
Gewöhnung an Grenzüberschreitungen             darauf stattfindenden „Akademiker-           steckt sind, wie etwa im Fall der Holo-
im medialen und politischen Diskurs,           ball“ um Distanzierung bemüht. Als           caustleugnung. In anderen Fällen scheint
Hatespeech im Internet, steigende Zahlen       wie glaubwürdig schätzen Sie solche          es mir wichtig abzuwägen, wie relevant
bei rassistisch oder antisemitisch moti-       und ähnliche Distanzierungen ein?            der oder die jeweilige Akteur/-in ist. Bei
vierter Kriminalität. Zweifellos hat sich in   Weidinger: An rhetorischen Distanzie-        Äußerungen, die offenkundig dazu die-
Österreich und anderen Ländern die poli-       rungen hat es in der FPÖ der Strache-Ära     nen sollen, einer ansonsten bedeutungs-
tische und gesellschaftliche Mitte vor die-    nie gemangelt. In der politischen Praxis     losen Gruppierung Aufmerksamkeit zu
sem Hintergrund in den letzten Jahrzehn-       und der Personalpolitik finden die ent-      verschaffen, halte ich andere Reaktionen
ten stark nach rechts verschoben.              sprechenden Bekenntnisse aber wenig          für angezeigt als etwa im Fall einer
                                               Niederschlag. Wenn die Strache-Rede          Regierungs- oder Parlamentspartei.
Kranich: In Österreich haben wir aktuell       aber der Startschuss für eine tatsächliche
zum zweiten Mal eine Koalition zwi-            selbstkritische Aufarbeitung und entspre-    Kranich: Welche Reaktionen meinen
schen FPÖ und ÖVP. Inwiefern unter-            chende Konsequenzen daraus sein sollte,      Sie beispielsweise?
scheidet sich diese Regierung von jener        wäre das natürlich sehr begrüßenswert.       Weidinger: Wenn alle Medien des Lan-
der Jahre 2000 bis 2005?                                                                    des eine Woche lang über einen verwirr-
Weidinger: Beide Parteien stehen wei-          Kranich: Nach dem Liederbuch-                ten Mann berichten, der in Hitler-Adju-
ter rechts als damals. Insbesondere die        Skandal beschwichtigte Bundesprä-            stierung durch Braunau streift, oder
FPÖ hat, nicht zuletzt aufgrund der            sident Alexander van der Bellen:             wenn schwarz-gelbe Neofaschisten ein
enormen Stärkung des Burschenschaf-            Man solle abwarten, „was die                 Bettlaken auf ein Baustellengitter hän-
ter-Einflusses unter Strache, ein anderes      Regierung wirklich tut“. Auch nach           gen und damit in die Zeitung kommen,
Gesicht als damals. Bei ihrem Vorhaben,        dem Wahlsieg Donald Trumps im                halte ich das für übertrieben. Gleichzei-
diesmal tatsächlich „freiheitliche Poli-       November 2017 wurde dazu aufge-              tig ist man bei politisch sehr relevanten
tik“ zu machen, kommt ihr die weitrei-         rufen, ihn an seinen Taten und               Kräften oftmals zurückhaltend und
chende Annäherung des Koalitionspart-          nicht an seinen Worten zu messen.            spricht oder schreibt von Rechtspopu-
ners an ihr Programm entgegen. Gleich-         Wie sehen Sie das?                           lismus, wo der Begriff des Rechtsextre-
zeitig ist die Opposition gegenüber            Weidinger: Tatsächlich scheint der For-      mismus angemessen wäre.
damals stark geschwächt worden.                derung, Regierungen an ihren Taten zu
                                               messen, die Hoffnung innezuwohnen,           Kranich: Vielen Dank für das Gespräch.
Kranich: In dieser Bundesregierung fin-        es werde schon nicht so heiß gegessen
den sich mehr Korporierte als je zuvor.        wie gekocht. Natürlich ist davon auszu-      Dr. Bernhard Weidinger studierte Politik-
Was sind Burschen- und Mädelschaften           gehen, dass sich – zumal in einer Koali-     wissenschaft in Wien und Granada, ist Mitar-
und wie sind diese einzustufen?                tionsregierung – in Regierungsverant-        beiter der Rechtsextremismusabteilung am
Weidinger: In der Regierung finden             wortung nicht alles umsetzen lässt, was      Dokumentationsarchiv des österreichischen
sich mit Strache und Hofer zwei Bur-           aus der Oppositionsrolle heraus ange-        Widerstandes (DÖW) in Wien und Mitglied
schenschafter. Massiert treten die völki-      kündigt wurde. In europapolitischen          der Forschungsgruppe Ideologien und Politi-
schen Korporierten in der Reihe dahin-         Fragen, bei TTIP oder der direkten           ken der Ungleichheit (FIPU). Er ist Autor des
ter auf, in den Ministerkabinetten. Auch       Demokratie stößt die FPÖ koalitionsin-       Buches „,Im nationalen Abwehrkampf der
zwei der nun installierten Generalsekre-       tern auf viel Gegenwind. In Fragen von       Grenzlanddeutschen’. Akademische Bur-
täre – just in den Ministerien von Stra-       Migration und Integration herrscht           schenschaften und Politik in Österreich nach
che und Hofer – sind korporiert. Nicht         dagegen großer Gleichklang.                  1945.“ (Wien:Böhlau 2015).

KRANICH 01/2018 – friedensbüro salzburg                                                                                                05
POPULISMUS - Friedensbüro Salzburg
POLITIKWISSENSCHAFT

                                                              Franz Fallend, Politikwissenschaftler an der
                                                                                      Universität Salzburg

Populismus
Ein schillernder Begriff mit oft unklarer Verwendung
Von Franz Fallend.

Populismus ist nicht nur ein bestimmter politischer Stil, sondern darüber hinaus auch von bestimmten inhaltlichen Merkmalen
gekennzeichnet. Der ideologische Kern ist dabei aber dünn, sodass sich Populismus mit verschiedenen Ideologien verknüpfen
kann, so der Politikwissenschaftler Franz Fallend.

Ein Gespenst geht um in Europa (und          Rechtspopulismus                              und dem dabei ausgeübten "Diktat"
nicht nur hier), und es heißt "Popu-         Da die Ideologie "dünn" ist, kann sie         der EU übten, dem Linkspopulismus
lismus". Besonders nach dem Brexit-          leicht mit anderen Ideologien verknüpft       zurechnen.
Votum der BritInnen und der Wahl             werden, und daraus kann dann ein
Donald Trumps zum US-amerikanischen          "rechter" ebenso wie ein "linker"             Stil
Präsidenten 2016 war in vielen Medien        Populismus entstehen. Der Rechtspopu-         Neben diesen ideologischen Merkmalen
von einer "Populismus-Welle" zu lesen,       lismus rührt in der Regel nicht an den        kennzeichnet den Populismus auch ein
was zugleich das Erstarken dieses Phä-       Fundamenten des kapitalistischen              bestimmter politischer Stil (und daher
nomens und seinen bedrohlichen Char-         Systems, greift aber in radikaler Weise       rührt wohl auch die oftmalige Begriffs-
akter ausdrücken sollte. Vermutlich ist      die traditionellen Großparteien der poli-     verwirrung, weil auch andere Parteien
"Populismus" gegenwärtig einer der am        tischen Mitte (als sog. "Altparteien"),       und PolitikerInnen gelegentlich zu die-
meisten verwendeten und missbrauch-          die Medien (als sog. "Systemmedien")          sen Stilmitteln greifen). PopulistInnen
ten Begriffe in der politischen Debatte,     und die Europäische Union an (die die         verwenden eine einfache, emotionalisie-
in den Medien und in der Wissenschaft.       nationale Souveränität aushöhle). Häu-        rende Sprache, brechen gerne Tabus
                                             fig wird ImmigrantInnen, besonders sol-       und arbeiten mit Sündenböcken (z. B.
Basisdefinition                              chen muslimischer Herkunft, die Schuld        den ImmigrantInnen oder der EU). Der
In der politikwissenschaftlichen Literatur   an Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, stei-       politische Gegner wird nicht selten
finden sich unterschiedliche Definitio-      gender Kriminalität usw. zugeschrieben.       beleidigt (z. B. als "Verräter" am Volk
nen des Begriffs. Eine häufig zitierte       Vor all diesen Bedrohungen müssten die        dargestellt), und wissenschaftliche Fak-
Definition stammt vom holländischen          "eigenen Leute" und die "Heimat"              ten oder die Ergebnisse investigativer
Politikwissenschaftler Cas Mudde, der        geschützt werden. Beispiele für diesen        Medienrecherche werden als "Fake
Populismus versteht als "Ideologie mit       Rechtspopulismus stellen u. a. die FPÖ,       News" gebrandmarkt.
dünnem Kern, die die Gesellschaft in         die Schweizer Volkspartei, die Lega
zwei homogene und antagonistische            Nord in Italien, der Vlaams Belang in         Demokratie
Gruppen gespalten sieht, das 'reine          Belgien oder die dänische Fortschritts-       Welche Auswirkungen hat der Popu-
Volk' und die 'korrupte Elite', und die      partei dar.                                   lismus auf die Demokratie? Positiv kann
argumentiert, dass Politik ein Ausdruck                                                    man ihm anrechnen, dass er bisher von
des Gesamtwillens (volonté générale)         Linkspopulismus                               der 'Elite' vernachlässigten Bevölke-
des Volkes sein soll". Politik wird damit    Der Linkspopulismus ist vor allem in          rungsgruppen eine Stimme verschafft.
im Kern als moralisch begriffen: Das         Südamerika zu Hause. Er richtet sich          Die manchmal "ewig" anmutende Herr-
Volk ist "gut", die Elite ist "böse" und     ebenfalls gegen die Elite, aber hier ist      schaft der klassischen Regierungspar-
muss daher bekämpft werden.                  die antikapitalistische Stoßrichtung          teien wurde gebrochen. Als negativ
Ein Wahlplakat der FPÖ aus dem Natio-        deutlich stärker. Das bekannteste Bei-        wird hingegen angesehen, dass die
nalratswahlkampf 1994 drückt diesen          spiel ist Hugo Chavez, der 1999 – getra-      erwähnte Moralisierung der Politik eine
zentralen Gedanken gut aus: Neben            gen von massiven sozialen Protesten           sachliche, auf Fakten und Argumenten
dem Bild des damaligen Parteivorsitzen-      gegen neoliberale, vom Internationalen        beruhende Politik erschwert. Die zuwei-
den Jörg Haider prangte der Spruch           Währungsfonds auferlegte Austeritäts-         len heftige Kritik an unabhängigen
"Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist.   maßnahmen der Regierung – zum Präsi-          Gerichten oder an Medien wird oft als
Einfach ehrlich, einfach Jörg." Wer          denten von Venezuela gewählt wurde            besonders gefährlich für die Demokratie
genau zum "Volk" gehört, bleibt in der       (was er bis zu seinem Tod 2013 blieb).        eingeschätzt.
Regel unklar. Genauso wenig wird der         Eine stärker indigene Komponente trägt
Tatsache Rechnung getragen, dass wohl        der Linkspopulismus in Bolivien, wo Evo       Dr. Franz Fallend ist Senior Scientist an
kaum irgendwo auf der Welt ein homo-         Morales seit 2006 Präsident ist. In Euro-     der Abteilung Politikwissenschaft der
genes Volk existiert, sondern dass wir in    pa kann man z. B. die griechische Syriza      Universität Salzburg. Er beschäftigt sich
pluralistischen Gesellschaften leben, in     oder die spanische Podemos, die Kritik        unter anderem mit Fragen der Demo-
denen es unterschiedlichste Interessen       an den Austeritätsmaßnahmen ihrer             kratie, des Populismus und des
gibt.                                        Regierungen zur Lösung der Eurokrise          Föderalismus.

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POPULISMUS - Friedensbüro Salzburg
SOCIAL MEDIA

                               Kathrin Quatember, Expertin für Rechts-
                               extremismus und alternative Medien

                                    Zwischen Propaganda und Algorithmus
                                                                                     Rechtspopulismus und Social Media
                                                                                                                      Von Kathrin Quatember.

                                                                                                                                                  BILD: pixabay.com | freie kommerzielle Nutzung
RechtspopulistInnen nutzen Social Media für die „tendenziöse Bedienung von Vorurteilen und Feindbildern“ und greifen auf
„bewusste Falschdarstellungen oder Falschmeldungen“ zurück, so die Rechtsextremimus-Expertin Kathrin Quatember.

Ein zwinkerndes Smiley und der Begriff „Sati-   politisch Andersdenkender bis hin zu antise-     Facebook eine immense Reichweite (...).
re“ über einem „Meme“ (eine Kombination         mitischen Verschwörungstheorien. In der          Die FPÖ ist mittlerweile so erfolgreich auf
von Bild und Text, wie man sie häufig in den    Auswahl der Headlines setzt man auf Alar-        Facebook, dass sie auf etablierte Medien
Social Media findet), das Armin Wolf neben      mismus: „Afrikaner bissen Ohrteil ab“, „Asy-     in vielen Fällen gar nicht mehr angewiesen
der Textzeile „Es gibt einen Ort, an dem        lanten-Propaganda auf Kinderkanal KiKa“,         ist: Sie kann ohnehin selbst Themen im
Lügen zu Nachrichten werden. Das ist der        „Türkin – Waschmaschine vom Steuerzah-           Netz setzen, die häufig dann im klassi-
ORF“ zeigt. Gepostet wurde genau diese          ler“. Man merkt schnell, in welche Rich-         schen Journalismus breit zitiert werden.
Darstellung vom Bundesobmann der FPÖ            tung es geht. Voyeurismus, Sensationslust        (...) Hier ändern die sozialen Medien auch
und Vizekanzler der Republik Österreich         und Vorurteile werden geschürt und               die Machtverhältnisse: Früher hofften Poli-
Heinz Christian Strache. Und zwar nicht auf     bedient, Qualitätsmedien als „rotgrüne           tiker darauf, mit einer Ansage in der
seiner offiziellen Facebookseite, sondern auf   Lügenpropaganda“ bezeichnet und                  „Krone“ vorkommen zu können. Heute
seinem Privatprofil mit etwas über 40 000       dadurch wird eine parallele Medienland-          profitiert die „Krone“ in ihrer digitalen
Abonnent*innen. Armin Wolf und der ORF          schaft geschaffen, die jenen, die sich nicht     Reichweite, wenn sie von Rechtspopulisten
reagierten mit einer Klage gegen Strache. Zu    in dieser Desinformationsblase bewegen,          auf Facebook geteilt wird.“ (S. 77f)
diesem Zeitpunkt hatte das Bild jedoch schon    so gut wie verborgen bleibt.                     All das bisher Geschilderte wird zusätzlich
seine Reise durch die Sozialen Netzwerke        Begünstigt wird die Bildung dieser soge-         begünstigt durch die Schnelllebigkeit sozialer
angetreten, war tausendfach geteilt und ver-    nannten „Bubbles“ durch das Grundprinzip         Netzwerke. Recherche und Hinterfragen wer-
breitet worden.                                 sozialer Netzwerke: Je mehr Likes und je         den durch die Menge an Information und
                                                höher die Teilungsrate, desto mehr nimmt         eine Überemotionalisierung nicht gefördert,
Dies ist nur eines von vielen Beispielen, wie   der Algorithmus - also das digitale Bearbei-     sondern begünstigen die Verbreitung von
Rechtspopulist*innen Social Media nutzen.       tungsschema, auf das diese Netzwerke auf-        bewussten Falschmeldungen noch weiter.
Primär geht es um das Bedienen von Emotio-      gebaut sind - an, dass der Artikel für viele
nen. Facebook und Co. leben von Inhalten,       User*innen von Interesse ist. Und belohnt        Was hilft? Recherche, Nachhaken, Nachfra-
die schnell und unmittelbar an Befindlichkei-   dieses „Interesse“ mit hoher Reichweite. Kri-    gen und ein kritischer Umgang mit den
ten und Gefühle der User*innen appellieren,     tische Berichterstattung ist hierbei natürlich   Neuen Medien und tägliche Bewusstseinsbil-
geliked und geteilt werden. Als Quellen         unerwünscht, alternative Medienportale wer-      dung über die genannten Mechanismen im
besonders beliebt: Kronen Zeitung, heute        den umso beliebter und in Kombination mit        eigenen Umfeld. Die Plattformen sind da und
und Österreich und ihre jeweiligen Auftritte    Social Media entwickelt sich eine Dynamik,       prägen die Art, wie miteinander kommuni-
im Netz. Nicht selten bedient man sich außer-   die ganze Wahlen im Sinne von Rechtspopu-        ziert wird. Eine Auseinandersetzung wird
dem bei der Auswahl der Inhalte einschlägi-     list*innen entscheidet. Der Sieg Donald          unabdingbar sein, will man den
ger Medienportale. Darunter etwa unzensu-       Trumps ist dafür das beste Beispiel.             Populist*innen nicht das Feld überlassen.
riert.at, Info Direkt oder Wochenblick. Kenn-
zeichen dieser Medien ist die tendenziöse       Die Journalistin Ingrid Brodnig beschreibt       Mag.a Kathrin Quatember, Historikerin,
Bedienung von Vorurteilen und Feindbildern,     dieses Phänomen in ihrem Buch „Lügen             diplomierte Erwachsenenbildnerin und Exper-
darunter häufig bewusste Falschdarstellungen    im Netz“ (Brandstätter Verlag, Wien 2017)        tin zu Ideologien des Rechtsextremismus und
oder Falschmeldungen rund um Themen wie         anschaulich:                                     alternativen Medien. Blog:
Kriminalität, Migration, die Diskreditierung    „Die Rechtspopulisten haben speziell auf         fireredfriederike.com

KRANICH 01/2018 – friedensbüro salzburg                                                                                                     07
POPULISMUS - Friedensbüro Salzburg
DISKURSANALYSE

                                                                          Ruth Wodak, Sprachwissenschaftlerin,
                                                                          University Lancaster & Universität Wien

„Vom Rand in die Mitte“
Zur Normalisierung rechtspopulistischer Diskurse
Von Ruth Wodak.

Ruth Wodak zeigt diskursive Strategien von rechtspopulistischen Parteien auf, diskutiert deren Wirkweise und zeichnet ihren Weg in die politi-
sche und gesellschaftliche Mitte nach.

Rechtspopulistische Positionen sind in           gie, realisiert in unterschiedlichen              gefährlichen Eindringlingen geschützt
der sogenannten „Mitte“ der Gesell-              diskursiven und materiellen Praxen.               werden muss. Auf diese Weise werden
schaft angekommen. Normalisierung                Mudde und Kaltwasser (2017, S. 9- 12)             Bedrohungsszenarien aufgebaut – die
funktioniert letztlich nicht über einzelne       heben drei Parameter heraus: die Oppo-            Heimat oder „Wir“ werden von „Ande-
Wörter, sondern „ganze semantische               sition zwischen einem ‚Volk‘ und den              ren“ bedroht: Fremde innerhalb der
Komplexe einschließlich ihrer Praxisbe-          ‚korrupten Eliten‘. Zweitens, eine Fun-           Gesellschaft und/oder von außerhalb,
züge“ (Link 2013, S. 15; Hervorhebung            dierung in der volonté générale (dem              Migranten, Flüchtlinge, Türken, Juden,
RW) verschieben sich. Konnotationen              allgemeinen Willen) des Volkes. Drit-             Roma, Banker, Moslems etc.
von Begriffen verändern sich, von eher           tens, eine dünne Ideologie, weil diese            2) Anti-Establishment/Anti-Elitismus:
positiven zu eher negativen Mitbedeu-            kein kohärentes Glaubensgebäude                   Diese Parteien teilen eine antielitäre und
tungen, und umgekehrt; Begriffe wer-             abgibt, sondern in eklektischer Art               anti-intellektuelle Haltung (Arroganz der
den rekontextualisiert. Politische Forde-        widersprüchlichste Ideologeme versam-             Ignoranz), verbunden mit starker Euro-
rungen, die zunächst von marginalisier-          melt (Wodak 2017). Da Mudde und                   skepsis. Außerdem werden plebiszitäre
ten Gruppierungen vorgebracht werden,            Kaltwasser ihre Definition nicht auf den          Verfahren bevorzugt, verbunden mit
werden in diesem Sinne von Mainstre-             Rechtspopulismus beschränken, erfasst             einer Suche nach einer „wahren Demo-
am-Parteien aufgegriffen und umge-               der Volks-Begriff sowohl das Volk als             kratie“ und der Denunzierung einer
setzt. Dies ist ein durchaus gängiger            Souverän wie auch das gemeine (com-               sogenannten „formalistischen Demokra-
Prozess, der häufig in Kämpfen um                mon) Volk. Außerdem kann auch noch                tie“. Nach Ansicht dieser Parteien sollte
hegemoniale Bedeutungsmacht auftritt.            das Volk als ethnos gemeint sein. Eben-           die Demokratie auf das Mehrheitsprin-
In diesem Zusammenhang sind auch                 so wird beim Konzept der Eliten diffe-            zip des (jeweils willkürlich definierten)
Sagbarkeits- bzw.Möglichkeitsbedingun-           renziert, wobei die Eliten sowohl auf-            „Volkes“ reduziert werden.
gen von Interesse, denn diese konstitu-          grund (kultureller, ökonomischer und              3) Autoritarismus: Ein Retter, ein cha-
ieren, was in einem bestimmten Diskurs           sozialer) Macht wie auch national, aus-           rismatischer Führer wird verehrt, der
(ohne Sanktionen) gesagt werden                  grenzend erfasst werden können (als               zwischen den Rollen von Robin Hood
kann/sagbar ist (Bettinger 2007, S. 77).         nicht zum ethnos gehörig). Und schließ-           (Schutz des Sozialstaats, Unterstützung
In unserer Forschung konnten wir die             lich gilt volonté générale als der allge-         von „Mann und Frau auf der Straße“)
Übernahme rechtsextremer programm-               meine Wille des Volkes, ganz im Sinne             und „strengem Vater“ wechselt (Lakoff
atischer Inhalte der FPÖ in den österrei-        Jean-Jacques Rousseaus.                           2004). Solche charismatische Führerin-
chischen politischen Mainstream nach-                                                              nen und Führer benötigen eine hierar-
weisen: Einerseits handelt es sich um            Auf den Rechtspopulismus bezogen,                 chisch organisierte Partei und autoritäre
explizite Kontinuitäten (zum nationalso-         muss nun, so meine ich, diese recht all-          Strukturen, um Recht und Ordnung zu
zialistischen Gedankengut), andrerseits          gemeine Definition in Hinblick auf meh-           schaffen und für Sicherheit zu sorgen.
um kodierte, euphemistische Neuformu-            rere Aspekte ergänzt werden (Wodak                4) Konservativismus/Geschichtsrevi-
lierungen, über diverse Politikfelder,           2015, 20-22, 25-33). Vier Dimensionen             sionismus: Rechtspopulistische Parteien
inoffizielle und offizielle Parteiprogram-       sind meiner Meinung nach entschei-                vertreten traditionelle, konservative
me, Pamphlete, Wahlkampagnen (Plaka-             dend:                                             Werte (traditionelle Geschlechterrollen
te, Slogans, Reden) hinweg (Rheindorf            1) Nationalismus/Nativismus/Anti-                 und Familienwerte) und beharren auf
u.Wodak 2018). Durch eine Mehrebe-               Pluralismus: Rechtspopulistische Par-             dem Status quo bzw. sind rückwärtsge-
nenanalyse gelang es deutliche Verbin-           teien beziehen sich auf ein scheinbar             wandt. Der Schutz des Vaterlandes (der
dungen zwischen Parteipolitik und                homogenes Ethnos, ein Populum                     „Heimat“) impliziert den Glauben an
anderen gesellschaftlichen Bereichen             (Gemeinschaft, Volk), das beliebig -              ein gemeinsames Narrativ der Vergan-
aufzudecken.                                     häufig nach nativistischen (blutbezoge-           genheit, in der „Wir“ entweder Helden
                                                 nen) Kriterien - definiert wird; wer die          oder Opfer des Bösen waren (einer Ver-
Wie definiert man aber Populismus und            „wahren“ Österreicher, Deutschen,                 schwörung, von Feinden des Vaterlan-
– in zweiter Linie – Rechtspopulismus?           Ungarn oder Finnen sind, kann immer               des usw.). Damit mutieren vergangenes
Es handelt sich, so die Politikwissen-           wieder neu bestimmt werden. Diese                 Leid oder Niederlagen zu Erfolgsge-
schaftler Cas Mudde und Cristobal Rovi-          Parteien legen Wert auf ein Kernland              schichten des Volkes oder zu Geschich-
ra Kaltwasser, um eine (dünne) Ideolo-           (oder Heimat), das (die) vor scheinbar            ten von Betrug und Verrat anderer.

08                                                                                                        KRANICH 01/2018 – friedensbüro salzburg
POPULISMUS - Friedensbüro Salzburg
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Sozialleistungen sollen im Sinne eines            Schritt taucht nun der Retter aus der          Identitätsnarrative und Geschichten und
Wohlfahrtschauvinismus nur für die ech-           Not auf: der oder die jeweilige Partei-        werden für politische Zwecke instru-
ten/wahren Mitglieder des ethnos gel-             vorsitzende, bereit, die Probleme auf          mentalisiert.
ten.                                              einfache Weise zu lösen. Ein neues,
                                                  positives Narrativ wird angeboten, als         Das heißt, kurz zusammengefasst, dass
Obwohl nicht alle rechtspopulistischen            Hoffnung im Kontrast zur angesagten            kollektive Erinnerungen, tief verwurzelte
Parteien alle Inhalte befürworten, kön-           Apokalypse. Die beworbene Verände-             und verinnerlichte Ängste vor „Frem-
nen diese in jeweils bestimmter Kombi-            rung ist jedoch rückwärtsgewandt,              den“ und „Anderen“, alte und neue
natorik weitgehend verallgemeinert                einen status quo ante in nostalgischer         Unsicherheiten aufgrund neuer sozialpo-
werden, als typisch für rechtspopulisti-          Form herbeischwörend, fußend auf               litischer Entwicklungen und viele andere
sche Ideologien. Durchgängig werben               einer längst überholten Vision einer           Faktoren gemeinsam den Aufstieg recht-
solche Parteien für Veränderung, weg              imaginierten, homogenen ethnischen,            spopulistischer Bewegungen zu unter-
von einem – so wird unterstellt – höchst          patriarchalen Gemeinschaft.                    schiedlichen Zeitpunkten fördern.
gefährlichen Weg, der geradewegs in
ein apokalyptisch ausgemaltes Inferno             Natürlich dient die Suche nach lokalen         O. Univ. Prof. Dr. Dr. h.c. Ruth
führe.                                            Sündenböcken seit Jahrhunderten dazu,          Wodak ist Emerita Distinguished Profes-
                                                  schnelle Wahlerfolge zu erzielen. Natür-       sor for Discourse Studies (für
Angstmache bestimmt dementspre-                   lich werden nicht alle „Anderen“ diskri-       Diskursforschung) an der Lancaster Uni-
chend als durchgängige politisch-persu-           miniert: Unsere Gesellschaften, so wird        versity, UK; außerdem ist sie weiterhin
asive Strategie die Kampagnen recht-              immer wieder von den jeweiligen Regie-         an die Universität Wien affiliiert. Abge-
spopulistischer Parteien. Gleichzeitig            rungen behauptet, brauchen qualifizier-        sehen von einer Vielzahl von Preisen
werden Verantwortliche für die spezifi-           te Experten, die auch „Ausländer“ sein         erhielt sie 1996 den Wittgenstein-Preis
sche Misere gesucht – jeweils unter-              können. Doch arme und unqualifizierte          für Elite-WissenschaftlerInnen. 2010
schiedliche und kontextabhängige Sün-             Migranten sind nicht willkommen. Darü-         wurde ihr ein Ehrendoktorat der Univer-
denböcke. So dienen manchmal Juden,               ber hinaus kommt das Gefühl der                sity Örebro, Schweden, verliehen.
manchmal Muslime, Roma oder andere                Bedrohung häufig nicht nur aus Angst           2009‐2011 war sie Präsidentin der
Minderheiten als Sündenböcke, manch-              vor Arbeitslosigkeit und Verlust des           Societas Linguistica Europaea, 2011
mal Kapitalisten, Sozialisten, Karriere-          Arbeitsplatzes: Wenn Ausländer auch            wurde ihr das Große Silberne Ehren-
frauen, Nicht-Regierungs-Organisatio-             „anders aussehen oder sich anders ver-         kreuz für Verdienste um die Republik
nen (NGOs), die EU, die Vereinten                 halten“, weckt dies schnell rassistische,      Österreich verliehen. Aktuelle Buchpu-
Nationen, die USA oder Kommunisten,               antisemitische und nativistische Einstel-      blikation: „Die Politik mit der Angst. Zur
die Regierungsparteien, die Eliten, die           lungen. Diese stützen sich auf kollektive      Wirkung rechtspopulistischer
Medien und so weiter. In einem dritten            Stereotypen und traditionelle Vorurteile,      Diskurse.“ (Konturen 2016);

                             SEMINARREIHE „KOLLEKTIVE KRÄNKUNGEN“

                         VORTRAG                                                             SEMINAR
       „Rechtspopulismus - Politik für ‘das Volk’? Denk-                    „Rechtspopulismus und kollektive Kränkungen“
           weisen und Ursachen für ein weltweites
                                                                         Populistische Parteien und Bewegungen stellen gegenwärtig die
                        Phänomen“
                                                                         westlichen Demokratien vor große Herausforderungen. Im Semi-
      m Vortrag erläutert der Kommunikationsexperte Walter Ötsch         nar bearbeiten wir die zugrunde liegenden Mechanismen. Wie
      in Anlehnung an sein neues Buch "Populismus für Anfänger -         wirken negative Narrative, Diskriminierungen, Verfolgung oder
      Anleitung zur Volksverführung" (gemeinsam mit Nina                 Krieg auf individuelle und kollektive Identitäten? Welche Rolle
      Horaczek), dass der Rechtspopulismus auf dem einfachen Bild        spielen Emotionen und kollektive Kränkungen in diesem Zusam-
      einer zweigeteilten Gesellschaft beruht: Hier sind die wahren      menhang? Wie versuchen (populistische) Politiker/innen,
      und braven WIR und dort sind die falschen und bösen ANDE-          Wähler/innen für sich zu gewinnen und zu manipulieren – und
      REN. Aus diesem Bild ergeben sich die Sprache, die Taktiken,       wie kann man sich diesen Strategien widersetzen?
      die innere Organisation und eine fortwährende Eskalation, die
      die Demokratie bedroht. Warum kann ein so einfaches Denken         Termin: 25. Mai 2018, 14 00 - 21.00 Uhr und 26. Mai 2018,
      heute so viel Zustimmung erlangen?                                 09.00 - 16.30 Uhr
                                                                         ReferentInnen: Hans Peter Graß & Kristina Langeder
      Termin: 25. Mai 2018, 19.30 bis 21.00 Uhr                          Beitrag: 20 ,-
      Referent: Walter Ötsch                                             Der Vortrag von Walter Ötsch ist im Preis inbegriffen.
      Beitrag: 8 ,-                                                      Nähere Informationen: www.friedensbuero.at

KRANICH 01/2018 – friedensbüro salzburg                                                                                                    09
POPULISMUS - Friedensbüro Salzburg
POLITIK

Gibt es einen emanzipatorischen Populismus?
Astrid Rössler wägt ab
Das Gespräch führte Hans Peter Graß.

                                                                                                                   Unterschied ist: Rechtspopulismus ist zum
                                                                                                                   inhaltlichen Mainstream rechter Parteien
                                                                                                                   und Gruppierungen geworden. Es wird
                                                                                                                   einerseits Angst geschürt und gleichzeitig
                                                                                                                   das Gefühl geweckt, dass man benachtei-
                                                                                                                   ligt, ja regelrecht um etwas, das einem
                                                                                                                   zusteht, betrogen wird. Das emotionali-
                                                                                                                   siert gehörig. Mit diesen Ängsten und
                                                                                                                   Emotionen wird die politische Bühne
                                                                                                                   betreten und bespielt. Das Schema ist ein
                                                                                                                   einfaches: Wir sind die Opfer, denen
                                                                                                                   etwas vorenthalten wird. Die anderen sind
                                                                                                                   die Sündenböcke. Und obwohl sich die
                                                                                                                   Kommunikationsformen und -möglichkei-
                                                                                                                   ten im Lauf der Zeit stark verändert haben,
                                                                                                                   dieses Schema ist dasselbe geblieben.
                                                                                                                   Der linke, ökologische oder emanzipatori-
                                                                                                                   sche Populismus dient hingegen vorwie-
                                                                                                                   gend als plakative Kommunikationsform
                                                                                                                   zur Darstellung von Missständen.
                                                                                                                   Ich gebe Ihnen ein Beispiel: „Es gibt kei-
                                                                                                                   nen Planet B“ ist ein Szenario, das noch
                                                                                            FOTO: Grüne Salzburg

                                                                                                                   keine Anleitung gibt, was wir, jeder und
                                                                                                                   jede einzelne und wir gemeinsam, besser
                                                                                                                   machen können, sondern vorderhand nur
                                                                                                                   eine Drohung, sogar eine recht explizite.
Rechtspopulismus folgt dem Schema: „Wir        sche Regierung und ihr Umgang mit                                   Erst die Information, wie kann ich durch
sind die Opfer, denen etwas vorenthalten       Medien und Freiheit, aber auch die öster-                           meine Lebensweise, mein Mobilitäts- und
wird. Die anderen sind die Sündenböcke.“       reichische Asyl- und Integrationsdiskus-                            Kaufverhalten dazu beitragen, etwas für
Linker, ökologischer und emanzipatori-         sion, die immer wieder auf simple, ressen-                          das Klima, die Umwelt oder artgerechte
scher Populismus versucht laut Astrid          timentgeladene Sprüche reduziert wird                               Tierhaltung zu tun, bringt eine positive
Rössler hingegen, durch Zuspitzung ein         wie „Daham statt Islam“.                                            Veränderung.
Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen, das                                                                               Die Grünen, die diesen Spruch plakatiert
gemeinsames Handeln erst möglich macht.        Kranich: Im öffentlichen Diskurs wird                               haben, haben diese positiven Anleitungen
                                               fast ausschließlich Rechtspopulismus                                und Alternativen immer aufgezeigt. Sie
Kranich: Was ist für Sie Populismus            thematisiert und problematisiert. Gibt                              versuchen die Zuspitzung zu nutzen, um
und wie äußert sich das in der aktuel-         es auch einen linken, ökologischen,                                 ein Wir-Gefühl zu erzeugen, das gemein-
len politischen Praxis?                        emanzipatorischen Populismus?                                       sames Handeln möglich macht. Rechte
Rössler: Populismus malt schwarz-weiß,         Rössler: Den gibt es schon auch, aber                               Parteien und Gruppierungen bleiben aber
vereinfacht radikal, ist in der Zuspitzung     meiner Wahrnehmung nach nicht als                                   genau das schuldig. Statt Lösungen gibt es
oft wenig lösungsorientiert und damit          stringentes Programm, sondern eher als                              Kontrolle und Repression. Die Unterdrük-
polarisierend. Er orientiert sich ganz stark   Kommunikationsmittel, also in einzelnen                             kung der Meinungsfreiheit, der Medien
an der Zuhörerschaft und biedert sich an       Ansagen, Sprüchen, fallweise auf Plaka-                             und der pluralistischen Gesellschaft ist das,
bestimmte Gruppen an. Er gibt, das sagt        ten und in Kampagnen.                                               was rechtspopulistische Regierungen als
ja schon das Wort, vor, das Volk zu verste-                                                                        erstes umzusetzen versuchen. Was dann
hen oder zu vertreten. Populismus wird         Kranich: Worin sehen Sie Unterschie-                                gedeiht, ist die Unfreiheit.
gern als Instrument zur Machterhaltung         de, worin auch zu problematisierende
eingesetzt.                                    Gemeinsamkeiten?                                                    Astrid Rössler, Juristin, ist seit 2013 Landes-
Die aktuelle politische Praxis ist von voll    Rössler Gemeinsam ist beiden die Zuspit-                            hauptmann-Stellvertreterin in Salzburg und
beängstigenden Beispielen: Donald Trump        zung und Verkürzung, die kein unmittel-                             für die Bereiche Umwelt- und Naturschutz,
und seine Mauer zu Mexiko, die ungari-         bares Lösungspotential in sich birgt. Der                           Nationalpark und Raumordnung zuständig.

10                                                                                                                        KRANICH 01/2018 – friedensbüro salzburg
POLITIK

                              Bernhard Jenny, Autor, Grafiker, Mediengestalter,
                              Blogger, Performer & Mediencoach

                                                            Verantwortliche Popularität
                                                                                                                                                                             Von Bernhard Jenny.

                                                                                                                                                    Dem Populismus kann nicht mit Populismus
                                                                                                                                                    begegnet werden. Lüge gegen Lüge, Betrug
                                                                                                                                                    gegen Betrug funktioniert nicht oder wäre
                                                                                                                                                    zumindest nicht verantwortlich.

                                                                                                                                                    Verantwortliche politische Kommunikation
                                                                                                                                                    muss durch Klarheit, Eingängigkeit und daher
                                                                                                                                                    auch mit entsprechender Verkürzung über-
                                                                                                                                                    zeugen. Populismus braucht keine langen
                                                                                                                                                    Entscheidungsfindungen, hat schnell Lösun-

                                                                                                   BILD: pixabay.com | freie kommerzielle Nutzung
                                                                                                                                                    gen parat, kann spontan sein. Den Zerrbil-
                                                                                                                                                    dern des Populismus müssen in adäquatem
                                                                                                                                                    Tempo unmissverständliche Echtbilder ent-
                                                                                                                                                    gegengehalten werden. Antwort auf einen
                                                                                                                                                    populistischen Einzeiler kann kein ausdiffe-
                                                                                                                                                    renziertes, mehrseitiges Essay fünf Tage spä-
                                                                                                                                                    ter sein, sondern muss durch Deutlichkeit
                                                                                                                                                    und Einfachheit mit populistischen Schnell-
                                                                                                                                                    schüssen mithalten können. Mut zu einer
                                                                                                                                                    inhaltlich richtigen, aber medientauglichen
Populismus kann nicht mit Populismus begegnet werden, meint Bernhard Jenny. Denn dann                                                               Verkürzung tut not. Jenen, deren Aufmerk-
stünden „Lüge gegen Lüge, Betrug gegen Betrug“. Stattdessen schlägt er das Konzept der ver-                                                         samkeit durch eingängige Kurzsignale
antwortlichen Popularität vor, das verständlich verkürzt, aber nicht manipuliert und verfälscht.                                                    gewonnen wurde, können tiefsinnigere
                                                                                                                                                    Argumente nachgereicht werden.
Populismus. Ein weitverbreitetes Monster,         Populismus nutzt reale Probleme, verdreht
das unsere demokratischen Strukturen vor          diese ins Absurd-Unreale und bietet sich als                                                      Das bedeutet nicht, dass vielschichtige, vertie-
unseren Augen auffrisst. Populismus. Will         Lösung für ein ständig herbeibeschworenes                                                         fende und grundsätzliche Überlegungen kei-
niemals wirklich Partizipation, sondern bil-      Unbehagen. Populismus scheint sich um                                                             nen Platz mehr haben. Die "warums und
ligen Beifall. Populismus. Kein Beitrag zur       Benachteiligte oder solche, die sich zumindest                                                    abers", die "wenn - danns", die "im Falle
Belebung der Demokratie, sondern Macht-           benachteiligt wähnen, anzunehmen. Fake                                                            von" und "im übrigen auch" müssen war-
sicherung durch Halbwahrheiten und                News besorgen das nötige Stimmungsbiotop,                                                         ten, müssen in die zweite Reihe, in vertiefen-
Lügen. Populismus ist antiintellektuell und       in dem Empörung und Rufe nach einer star-                                                         de Artikel und Diskursveranstaltungen wan-
ein Angebot an jene, die sich durch kom-          ken Lösung wachsen.                                                                               dern.
plexe Themen überfordert fühlen.                                                                                                                    Alltagskommunikation verlangt Verkürzung,
                                                  Populismus ist – egal mit welcher politischen                                                     die schnell einprägsame Bilder generiert.
Populismus ist niemals ehrlich, führt             Masche, sei es links, rechts oder sonst was –                                                     Wenn eine Mehrheit diese Botschaften ver-
hinters Licht und manipuliert. Es sind die        schlicht Betrug der Wähler*innen. Denn dem                                                        steht, dann heißt das populär.
Fremden, die Geflüchteten, die                    Populismus geht es nie darum, wofür er vor-                                                       Davor sollte niemand Angst haben.
Migrant*innen, die Ausländer*innen, die           gibt, sich einzusetzen, sondern um Macht.                                                         Dem Populismus kann begegnet werden:
Muslime, die Jüd*innen, wer auch immer.                                                                                                             mit verantwortlicher Popularität.
die sind an allem schuld. Das Framing             Ernsthafte, seriöse Diskurse stehen in der
funktioniert. Inzwischen glauben schon            Krise. Intellektuelle Verhandlungen sehr kom-                                                     Bernhard Jenny, Salzburg, Autor, Grafiker,
fast alle, dass es besser wäre, wenn nur          plexer Themen werden nicht mehr angenom-                                                          Mediengestalter, Blogger, Performer und
„die nicht da wären.                              men. Hasspostings, Fake News und schlichtes                                                       Mediencoach, Vorstandsvorsitzender der
                                                  Leugnen von Tatsachen sind dann plötzlich                                                         ARGEkultur. Aktiver Einsatz für Menschen-
Populismus macht die Welt wieder ein-             wählbarer, als wohlabwägende, verantwortli-                                                       rechte, Entwicklung von Zukunftsprojekten
fach. Ohne Gleichstellung oder Emanzipa-          che Positionen. Den Klimawandel gibt es                                                           und das Fördern kreativer Netzwerke sind
tion, ohne Menschenrecht, ohne Partizipa-         nicht mehr, das Passivrauchen schadet nicht,                                                      zentrale Ziele seiner Aktivitäten.
tion oder Teilhabe, ohne Minderheiten-            Arme brauchen keine Unterstützung, Arbeits-                                                       http://bernhardjenny.blog
rechte, ohne Schwule, Lesben und Trans-           lose keine Fortbildung und Ältere keine                                                           http://jennycolombo.com
gender, ohne ökologische Verantwortung.           Arbeitsplatzoffensive.                                                                            http://consalis.at

KRANICH 01/2018 – friedensbüro salzburg                                                                                                                                                          11
PÄDAGOGIK

                                                                  Kristina Langeder, Referentin für politische
                                                                             Bildung im Friedensbüro Salzburg

Rechtspopulismus als Herausforderung
für die politische Bildung?
Politisches Lernen zwischen Emotionalität und Rationalität
Von Kristina Langeder.

Rechtspopulismus verdeutlicht, welch wichtige Rolle Emotionen in politischen Prozessen spielen und wie sehr sich Politisches aus ihnen formt.
Daher muss auch die politische Bildung konstruktive Wege finden, Emotionen zu thematisieren und zu behandeln.

Ist eine Auseinandersetzung mit Rechtspopu-       entweder kaum oder versucht, diese im Sinne       – auch nicht der Politik - zu verbannen. Viel-
lismus oder mit einem der von Rechtspopuli-       des Rationalitätsideals zu überwinden. Dabei      mehr zeigt eine Auseinandersetzung mit
stInnen häufig vorgebrachten Themen               wird übersehen, dass sich Emotionen weder         Rechtspopulismus, dass Emotionen eine
Gegenstand politischer Diskussionen, gehen        aus Bildungs-, noch aus politischen Prozessen     wesentliche Rolle darin spielen. Werden sie
die Wogen häufig hoch: Positionierungen           gänzlich verbannen lassen.                        tabuisiert, verschwinden sie nicht einfach,
sind von Gefühlsäußerungen wie Wut,                                                                 sondern bewegen sich als „vagabundieren-
Ablehnung, Aggression oder auch Begeiste-         Emotionen in politischen                          des Potential“ (3): Sie können sowohl in eine
rung begleitet, Stellungnahmen mit Vorurtei-      Prozessen                                         produktive als auch eine destruktive Richtung
len und Ressentiments verknüpft und emo-                                                            wirken. Emotionen bieten daher Anknüp-
tional aufgeladen. Oft wird in diesem             Die Philosophin Isolde Charim legt nahe, dass     fungspunkte für Versuche der Instrumentali-
Zusammenhang beklagt, dass eine sachliche         eine funktionierende Demokratie Gefühle           sierung. So schüren politische Demagogen
Diskussion nur schwer oder kaum mehr mög-         integrieren muss: Aus der Tatsache, dass alle     negative Gefühle und Einstellungen gegenü-
lich sei und vor der zunehmenden Emotiona-        politischen Subjekte auch Gefühle haben,          ber bestimmten Gruppen und Institutionen,
lisierung politischer Diskurse gewarnt.           folgt, dass Gefühle auch politisch relevant       um ihre politischen Ziele voranzutreiben.
                                                  sind. Trotzdem haben sie im Idealbild der         Gerade kollektive Gefühle der Angst und
Tatsächlich gehört das Ansprechen und             rationalen Politik, das durch die Ideen der       Verunsicherung können dabei zu voreiligen,
Instrumentalisieren von Emotionen, verbun-        Aufklärung geprägt ist, keinen Platz und wer-     unüberlegten oder überzogenen Handlungen
den etwa mit Strategien der Simplifizierung,      den als störende Abweichungen abgetan.            und Entscheidungen führen und zu einer
Moralisierung, Dramatisierung oder Polarisie-     Emotionalität und Rationalität werden in die-     erhöhten Gewaltbereitschaft beitragen.
rung, zum Kernrepertoire rechtspopulistischer     sem Zusammenhang als gegensätzliche
Politik. So definieren die PsychologInnen         Erfahrungs- und Wahrnehmungsmodi begrif-          Zurecht wird also vor der Gefahr gerade
Andreas Zick und Beate Küpper „Wut, Ver-          fen. Neuere Erkenntnisse legen allerdings         negativer Emotionen gewarnt. Übersehen
achtung (und) Abwertung“ als zentralen            nahe, dass diese Unterscheidung nicht auf-        wird dabei die Tatsache, dass solche dema-
„Dreiklang“ des Rechtspopulismus (1), wäh-        rechtzuerhalten ist, da Emotionen auf funda-      gogischen Strategien nicht nur negative
rend Matthias Quent ihn etwa als Schirmbe-        mentale Weise an kognitiven Prozessen betei-      Gefühle gegenüber als „anders“ definierten
griff versteht, unter den sich „Wut und           ligt sind: Sie lenken unsere Aufmerksamkeit       Menschen schüren, sondern gleichzeitig auch
gefährlicher Hass zu einer nur noch schwer        und beeinflussen so, worauf wir achten und        positive Gefühle gegenüber der Wir-Gruppe
zu differenzierenden Gemengelage ver-             wie wir uns selbst, unsere Mitmenschen und        erzeugen oder verstärken. So schaffen es
mischt“ haben (2).                                unsere Umwelt wahrnehmen. Emotionen               RechtspopulistInnen unter anderem, eine
                                                  sind diesem Verständnis nach keine biolo-         starke Bindung der WählerInnen an die Partei
Diese Ausführungen zeigen vor allem zwei          gisch vorbestimmten Reaktionen, die               aufzubauen. Im politischen Sinn gibt es daher
Dinge: Erstens hat die Auseinandersetzung         zwangsläufig auf bestimmte Reize folgen,          keine „guten“ und „schlechten“, „demokra-
mit Rechtspopulismus die Bedeutung von            sondern werden vielmehr als Reaktionen auf        tischen“ oder „antidemokratischen“ Emotio-
Emotionen in politischen Prozessen vermehrt       kognitive Situationseinschätzungen begriffen.     nen. Wie sie wirken ist davon abhängig, wie
in den Blick gerückt, sodass Emotionstheorien     Wir haben etwa Angst vor einem Hund, weil         mit ihnen umgegangen wird.
und Erkenntnisse aus der Emotionsforschung        wir diesen als Gefahr einschätzen. Emotionen
(zögerlich) Einzug in die Politikwissenschaft     sind daher wichtiger Bestandteil von Deu-         Emotionen in Bildungs-
finden. Zweitens wird aber auch deutlich,         tungsprozessen. Darüber hinaus wirken sie         prozessen
dass Gefühle im politischen Rahmen vorwie-        motivational, weil sie uns in Bezug auf ein
gend negativ bewertet werden. Sie gelten als      reales oder vorgestelltes Ereignis zum Han-       Diese Überlegungen zeigen, dass Emotio-
irrational und werden daher als pathologi-        deln anregen.                                     nen eine zentrale Rolle in der Politik und
sche Störungen der politischen Ordnung                                                              somit im Gegenstandsbereich der politi-
gesehen, die es zu vermeiden oder zu behe-        Da affektive und kognitive Prozesse also eng      schen Bildung spielen und dass ein kon-
ben gilt. Diesem Gedanken folgend behan-          verschränkt sind, scheint es nicht möglich,       struktiver Umgang mit ihnen auch eine
delt auch die politische Bildung Emotionen        Emotionen aus einem Bereich unseres Lebens        politisch relevante Kompetenz ist. Im Kon-

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