Mit allen Sinnen: Glauben neu erfahren - Tag des Herrn

Die Seite wird erstellt Luis Holz
 
WEITER LESEN
Mit allen Sinnen: Glauben neu erfahren - Tag des Herrn
ADVENT 2018

      Mit allen Sinnen:
             Glauben neu erfahren
      J O U R N A L I H R E R K I R C H E N Z E I T U N G TA G D E S H E R R N

                                                                   Unser
Gottes Wohlgeruch              Atelier-Besuch                    Geschen
Eine Geschichte über den       Das Künstlerehepaar               für S k
                                                                      ie
       Weihrauch                  Blechschmidt                           Seite 24
Mit allen Sinnen: Glauben neu erfahren - Tag des Herrn
UMFRAGE

                       Gemeinschaft am Tisch
                      Essen und Kommunikation gehören zusammen
                                                                 Raphael Schmidt

   		             Auf die Frage: Was bedeutet es ihnen, gemeinsam zu essen? antworteten in Neuzelle und Großräschen
                                         Menschen aus Brandenburg und Sachsen.

Zuerst sind da die skeptischen Blicke, der         Schicht. Aber der Rest der Familie saß dann            ßen und miteinander im Gespräch waren. Das
große Bogen, den Passanten um den Mann             trotzdem zusammen. Das war immer ange-                 halte ich für wichtig. Nur, heute läuft jeder
mit Mikrofon und Kameratasche machen,              nehm, weil wir uns austauschen konnten. Es             mit einem Handy rum und spricht mit diesem
dessen „unheilvoller“ Inhalt erahnt werden         ist kein Vergleich zu heute, wo jeder kommt,           Gerät. Das ist nicht so schön. Selbst in der
kann. Lässt sich die örtliche Konfrontation        wann er will, sich eine Tasse Kaffee oder Milch        Gaststätte sitzen sie da, in einer Hand den
damit nicht vermeiden, ist beim Wort „Umfra-       nimmt und wieder geht. Mahlzeiten sind die             Löffel, in der anderen das Handy. Die Frau auf
ge“ meistens Schluss. So, als würden Versich-      Momente, wo die Familie zusammen ist,                  dem Beifahrerplatz ergänzt: Für mich gehö-
rungen auf der Straße verkauft werden. Wie         wenn man sie noch an den Tisch bekommt,                ren Essen und Kommunikation zusammen,
beschrieben, ist vielfach Reporter-Alltag. Da-     wenn es zeitlich möglich ist. Das ist heutzuta-        dazu Zeit, die man sich zum Essen nehmen
bei geht es um Meinungen, anhand derer ei-         ge nicht mehr so einfach. Wir haben diese              sollte. Bevor die Scheibe wieder hoch fährt
genes Nachdenken über ein bestimmtes The-          Gemeinschaft am Tisch, Gott sei Dank, noch             und sich das Fahrzeug in Bewegung setzt und
ma vielfach angestoßen wird. So zeigte es          so erlebt und es hat uns gut getan.                    die Rückleuchten zeigt, sagt der Fahrer noch:
auch diese Umfrage: „Sehen Sie, darüber ha-                                                               Essen ist Nähe mit anderen Menschen. Und:
ben wir uns noch nie Gedanken gemacht“,                Ein Personenkraftwagen rollt heran. Darin          Wir kommen aus Berlin.
sagte eine Frau um die 50. Ein Mann, etwas         sitzt ein Ehepaar um die 60. Der Fahrer öffnet
älter, meinte: „Essen als Wert, das ist für mich   die Scheibe und fragt nach dem Weg zum                     Ein Ehepaar aus Frankfurt Oder lässt sich
ein neuer Aspekt. Dem gehe ich nach“.              Parkplatz an der Klosterschänke: Frage, Ant-           ansprechen: Wir beide essen gemeinsam.
   Auf dem Stiftsplatz in Neuzelle ist an die-     wort, Gegenfrage: Was halten Sie vom ge-               Mehr ist nicht mehr möglich, denn die Fami-
sem sommer-sonnigen Tag mitten im Oktober          meinsamen Essen? Vom Diktiergerät verunsi-             lie gibt es so nicht mehr. Wir haben jetzt die
nicht viel los. Die meisten der Passanten, of-     chert, fragt der Fahrzeuglenker: Geht das              Zeit gemeinsam zu essen. So lange jeder gear-
fenbar Touristen, schlendern Richtung Oran-        übers Netz, Internet etwa? Nein, ist nur zum           beitet hat und unser Sohn in der Schule war,
gerie – oder kommen von dort. Die meisten          besseren Merken – soll ja richtig wiedergege-          konnten wir es nicht. Jeder kam und ging zu
lassen sich vom Essen ansprechen, aber nicht       ben werden im Text. Egal, ich würde gerne              einer anderen Zeit. Beim Abendbrot war mei-
zum Essen. Nicht so das Ehepaar aus Cottbus:       nicht mitmachen bei diesem Interview. Nach-            stens gemeinsames Essen möglich. Jetzt sind
                                                   frage: Aber Sie wollen doch jetzt essen gehen,         wir nur zu zweit – und Rentner – da ergibt es
                                                   gemeinsam. Das ist ja bereits ein Teil Ihrer           sich, dass wir gemeinsam essen. Inzwischen
                                                   Antwort. Ja, schon, aber nur anonym: Ge-               ist es nicht Besonderes, eher Gewohnheit und
                                                   meinsames Essen, klar ist das für uns ein              damit ganz normal. Ein Foto? Nein! – sagt die
                                                   Thema. Heute ist so viel anonymisiert und              Frau: auf Fotos bin ich immer nicht so rich-
                                                   vereinzelt und einsam, dass es eigentlich sinn-        tig...
                                                   voll ist, sich mit anderen zusammen zu setzen
                                                   und mal wieder auszutauschen. Es ist Kom-                 Aus Treuenbrietzen in Brandenburg kom-
                                                   munikation beim Essen. Früher war Essen                men Regina und Bernd Semmler, schauen
                                                   immer ein Ort, wo Menschen zusammen sa-                sich in Neuzelle um – und antworten: Gemein-
                                                                                                          sames Essen ist für uns sehr wichtig. Anson-
                                                                                                          sten geht jeder seiner Wege. Bei uns in der
Hannelore und Hans Probst. Sie antworten                                                                  Familie wurde immer gemeinsam gegessen.
auf die Frage: Was halten Sie vom gemein-                                                                 Jetzt können wir das nicht mehr, denn die
samen Essen?: Wir frühstücken zusammen,                                                                   Familie ist ja nun zerstreut. Aber wir beide
eine halbe Stunde und länger und auch die                                                                 essen immer gemeinsam. Das ist uns wichtig.
anderen Mahlzeiten gemeinsam. Meine Frau                                                                  Ich habe im Schichtdienst gearbeitet, sagt
kocht gut. Wir sind ja jetzt Rentner. Gemein-                                                             Frau Semmler, da musste mein Mann allein
sam zu essen, haben wir von Kindheit an ge-                                                               essen. Damals, als es selten und vielfach nicht
lernt. Die Familie saß bereits beim Frühstück                                                             möglich war, haben wir den Wert des gemein-
zusammen, es sei denn, der Vater war zur                                                                  samen Essens erkannt. Ihr Mann ergänzt: Wir

                                                                         2   TA G D E S H E R R N J O U R N A L
Mit allen Sinnen: Glauben neu erfahren - Tag des Herrn
UMFRAGE

                                                   auch, wenn es unter der Woche nur das                            AU S D E R R E DA K T I O N
                                                   Abendessen ist – es ist wenigstens eine Mahl-
                                                   zeit. Das aber nicht im
                                                   genannten Schnellre-
                                                   staurant. Aber, das
                                                                                                                  Mit allen Sinnen
                                                   hat auch Vorteile: Die
                                                   Mutti muss nicht so                                      Liebe Leserinnen, liebe Leser! Weckt das
                                                   lange kochen und da-                                     Kind auf der Titelseite auch bei Ihnen Er-
                                                   mit ist mehr Zeit für                                    innerungen? Kennen Sie noch das Gefühl,
                                                   Gespräche und sie                                        sich rücklings in einen weichen Schnee-
                                                   kann sich besser auf                                     teppich fallen zu lassen? Ist Ihnen viel-
müssen ja nicht mehr in einer halben Stunde        die Bedürfnisse des                                      leicht auch das Gefühl vertraut, dass nach
fertig sein mit dem Essen. Jetzt können wir        Kindes einrichten.                                       einer Weile Nässe und Kälte von unten an
eine Stunde essen oder länger – und uns dabei                                                               Ihnen hochkriechen und die Wohligkeit
unterhalten. Es ist gut, dass wir die Zeit dafür       Für Janine Sutter-Kunze ist gemeinsames              durchbrechen?
jetzt haben und sie auch beim Essen gemein-        Essen in der Familie immer am schönsten.                     Mit den folgenden Seiten wollen wir Sie
sam nutzen.                                        Die Mutter von drei kleinen Kinden freut sich            einladen, sich Zeit zu nehmen und das
                                                   bereits jetzt auf die Zeit, wo Kommunikation             Leben um Sie herum wieder einmal mit
   Ortswechsel nach Großräschen. Dort wur-         noch lebendiger werden wird. Beim gemein-                allen Sinnen wahrzunehmen, ganz für sich
de am 15. Oktober das „Haus der Caritas“           samen Frühstück kann man den Tagesplan                   alleine oder gemeinsam mit Ihren Kindern
eingeweiht, mit vielen Menschen ringsum.           besprechen. Oder über Wünsche, was jeder                 oder Enkeln. Auch unser Glaube wird le-
                         Eine von ihnen ist        gern machen möchte, beispielsweise an Wo-                bendiger, wenn wir mit allen Sinnen betei-
                         Kati Kiesel aus Groß-     chenenden. Soweit es sich einrichten lässt,              ligt sind. Kindern tut es gut, wenn wir Ih-
                         räschen. Sie sagt: Ge-    wird in der Familie gemeinsam gegessen.                  nen solche Erfahrungen ganz bewusst er-
                         meinsames        Essen    Doch mein Mann ist im Schichtdienst tätig,               möglichen, intensiver und altersgerechter
                         halte ich für sehr        manchmal zwölf Stunden hintereinander.                   als sie dies im sonntäglichen Gottesdienst
                         wichtig, für die Fami-    Aber auch, wenn ich mit den Kindern allein               oft erfahren können. In diesem Journal
                         lie, für den Zusam-       bin, essen wir gemeinsam. Das ist ein Ritual.            finden Sie eine Reihe von Vorschlägen, wie
                         menhalt. Auch, um         Und beim Essen achten wir auch darauf, dass              dies gehen könnte.
                         mit Freunden Kon-                                 wir uns gesund ernäh-                Wir können im Leben der Kinder Spu-
                         takt zu halten. Das hat                           ren. Einiges kommt               ren legen – sie aber auch in unserem. Auch
                         für mich einen hohen                              aus dem eigenen Gar-             das Kind auf dem Titelbild hinterlässt eine
Stellenwert. Die Realität sieht jedoch mei-                                ten. Wir haben Gemü-             Spur. Sobald es sich erhebt, wird im Schnee
stens anders aus. Es ist selten Zeit dafür, weil                           sebeete angelegt, Bee-           für einige Zeit ein Bild zu sehen sein, das
die Terminpläne nicht übereinander passen.                                 rensträucher         ge-         die Fantasie der Vorübergehenden anregt
Es war, ist und bleibt jedoch ein erstrebens-                              pflanzt. Kochen kön-             und weitet in Richtung Himmel ...
wertes Ziel, so oft es geht, gemeinsam zu es-                              nen wir noch nicht ge-               Wir wünschen Ihnen eine gesegnete
sen.                                                                       meinsam, dafür sind              Advents- und Weihnachtszeit!
                                                                           die Kinder noch zu
   Auch für Steffi Fiedermann ist gemein-                                  klein. Aber sie erledi-
sames Essen wichtig! Ronald McDonald hat           gen kleine Aufgaben schon selbst und lernen
gesagt: „Wer zusammen isst, ist Familie.“ Ge-      dabei: Wenn man sich gegenseitig hilft und
meinsam essen heißt auch gemeinsam genie-          unterstützt, geht alles viel leichter. Alles das
ßen. Die Zeit nutzen, um über Probleme zu          ist gemeinsame Familien-Zeit, die ich nicht
reden oder über die Ereignisse des Tages. Und      missen möchte.                                                 Dorothee Wanzek

                                                                         3   TA G D E S H E R R N J O U R N A L
Mit allen Sinnen: Glauben neu erfahren - Tag des Herrn
R E P O RTA G E

Gott als Rückenstärkung des
    Menschen erfahren
    Eine Sieben-Sterne-Führung im Kloster St Marienstern in
                     Mühlberg an der Elbe
                                              Holger Jakobi

Authentische Personen, die Mut machen und Ansporn geben, standen im Mittelpunkt eines Abends, zu dem das
                    Ökumenische Haus der Begegnung und der Stille eingeladen hatte.

                                                                                    „Heute haben wir Menschen mit einer span-
                                                                                    nenden Biografie, einem hohen Engagement
                                                                                    oder einer ganz besonderen Gabe kennenge-
                                                                                    lernt. Weise sind sie, weil sie uns etwas zu
                                                                                    sagen haben. Weil sie uns aufmerksam ma-
                                                                                    chen auf Dinge, die nicht unbedingt durch die
                                                                                    Medien gehen. Weil sie uns aufmerksam
                                                                                    machen für Aufgaben, Gedanken, Ungerech-
                                                                                    tigkeit, Herausforderungen und Lebenssitua-
                                                                                    tionen.“ So Pater Alois Andelfinger von der
                                                                                    Ordensgemeinschaft der Claretiner bei der
                                                                                    Sieben-Sterne-Führung durch die Klosterkir-
                                                                                    che St. Marien in Mühlberg an der Elbe. Zu-
                                                                                    sammen mit den evangelischen Pfarrerinnen
                                                                                    Kerstin Höpner-Miech und Sabrina Pieper
                                                                                    führte er am 26. Oktober durch verschiedene
                                                                                    Stationen. Vorgestellt wurden unter anderem
                                                                                    der erst kürzlich heiliggesprochene Erzbi-
                                                                                    schof Oscar Romero, die deutsche Autorin
                                                                                    Luise Rinser, die heilige Edith Stein und der
                                                                                    Direktor des Potsdamer Instituts für Klima-
                                                                                    folgenforschung, Hans-Joachim Schellhuber.
                                                                                    Es war inzwischen die 36. Sieben-Sterne-
                                                                                    Führung. Zweimal im Jahr wird sie derzeit
                                                                                    auf Einladung des Ökumenischen Hauses der
                                                                                    Begegnung und der Stille angeboten. Die The-
                                                                                    men werden ökumenisch und gemeinsam
                                                                                    erarbeitet. Pater Alois: „Die Leute freuen sich
                                                                                    schon und fragen, um was wird es wohl dies-
                                                                                    mal gehen.“ Dabei ist ihm persönlich und den
                                                                                    beiden Pastorinnen die Freude anzusehen,
                                                                                    den Menschen, die hier leben, dieses beson-
                                                                                    dere Angebot machen zu können.

                                                                                    Die Klosterkirche der Zisterzienserinnen erstrahlt im
                                                                                    Schein der Kerzen. Die Sterne sind die Orte, an denen
                                                                                    Gedanken formuliert werden. Kürzlich ging es um
                                                                                    bedeutende Menschen. Foto: Kerstin Höpner-Miech

                                                   4   TA G D E S H E R R N J O U R N A L
Mit allen Sinnen: Glauben neu erfahren - Tag des Herrn
R E P O RTA G E

   Pfarrerin Kerstin Höpner-Miech freut sich über die von hunder-          Pfarrerin Sabrina Pieper, Pater Alois Andelfinger und Pfarrerin Kerstin Höpner-
                                                                           Miech bei der Führung durch die Klosterkirche. Foto: Holger Jakobi
ten Lichtern erfüllte Kirche. 24 Jahre hatte sie in Mühlberg Dienst
getan, jetzt ist sie Pfarrerin in Massen. An der Sieben-Sterne-Führung,
die sie mit aus der Taufe gehoben hatte, ist sie weiter beteiligt.
   Zu den in der Führung von ihr vorgestellten Frauen und Männern          Erlauchten aus dem Jahr 1227 bestätigt die Gründung. Dass Zister-
gehörte die Schriftstellerin Luise Rinser, die von 1911 bis 2002 lebte.    zienserinnen in Mühlberg lebten, ist seit 1231 urkundlich nachweis-
Pfarrerin Kerstin Höpner-Miech sagte: „Luise Rinser mischte sich           bar. Das Kloster wurde vom Bischof von Meißen und vom Magdebur-
aktiv in die politische und                                                                                   ger Erzbischof anerkannt. In der Kirche
gesellschaftliche Diskussi-                                                                                   finden sich weiter Grabplatten von
on in der Bundesrepublik Zu den vorgestellten Personen gehörte die heilige Edith                              Pröpsten und ein Stein, der Äbtissin Jut-
Deutschland ein. … Sie ist Stein. Sie schrieb: „Ohne Vorbehalt und ohne Sorgen /                              ta – 1351 verstorben – zeigt. Aufgehohen
auch bekannt für ihren Ein-                                                                                   wurde das Kloster 1539. Nach 2000
satz für Tierrechte und eine
                                   Leg  ich  meinen   Tag  in Deine  Hand. / Sei  mein    Heute,     sei      wurden Kirche und Gebäude saniert, ein
vegetarische Ernährung.“ So mein Morgen, / sei mein Gestern, das ich überwand. //                             neuer Kreuzgang entstand. Er verbindet
schrieb sie 1990 das Geleit- Frag mich nicht nach meinen Sehnsuchtswegen, / Bin                               die Kirche mit dem Haus der Begeg-
wort für Eugen Drewer- aus Deinem Mosaik ein Stein. / Wirst mich an die rechte nung.
manns Buch „Über die Un-                                                                                          Pater Alois Andelfinger stellte in sei-
                                   Stelle legen, / Deinen Händen bette ich mich ein.“
sterblichkeit der Tiere.“                                                                                     nen Sternen die 1943 geborene Caroline
   Schließlich kam Luise                                                                                      Maier vor, die zunächst bei den Steyler
Rinser in Zitaten selbst zu Wort: „Bete, und du wirst erkennen, dass       Missionsschwestern eintrat und sich für die Armen in Chile einsetzte.
Beten Sinn hat und anders als durch Beten wirst du es nie entdecken.“      Nach einem Konflikt und ihrem Ordensaustritt übernahm sie die
Oder: „Heute sehen wir nichts mehr vom qualvollen Leben und Ster-          Leitung der Gemeinde Jesús Sol Naciente, die sie zusammen mit
ben des Schlachtviehs. Das geht automatisch vor sich. Eben noch ein        einem französischen Missionar gegründet hatte. In den Jahren der
Tier, im nächsten Augenblick schon zerteiltes Fleisch: unsere Nah-         Militärdiktatur versteckte sie Regimegegner. „Bis heute lebt Schwes-
rung. Unsere Art von Kannibalismus.“ Und in ihrem Buch Mirjam              ter Caroline in äußerst armen Stadtvierteln Santiagos. Ihr Leben ge-
schreib Luise Rinser: „Mirjam zu Jesus: Den Feind lieben, sagst du.        hört ganz den Armen.“ Abschließend wünschte Pater Alois den Besu-
Aber gibt es denn überhaupt Feinde? Ich meine, man ist doch nicht          chern, dass sie etwas mitnehmen, einen Namen, einen Gedanken,
von jeher Feind. Man wird‘s.“ Abschließend sagte die Pfarrerin: „Lui-      eine Idee. „Gehen sie als Gesegnete!“
se Rinser hat gerungen um ihren Platz in der Welt und hat ihn schrei-         Den Abschlusssegen erteilte Pfarrerin Sabrina Pieper, die übri-
bend und reflektierend gefunden. Mögen wir unseren Platz in dieser         gens Dietrich Bonhoeffer und den anglikanischen Erzbischof Des-
Welt finden und bejahen.“                                                  mond Tutu vorstellte. Ihr Segen: „Gott sei vor dir, um dir den Weg der
Ort der Sieben-Sterne-Führungen ist das ehemalige Zisterzienserin-         Befreiung zu zeigen. Gott sei hinter dir, um dir den Rücken zu stärken
nenkloster St. Marienstern – auch Güldenstern genannt. Architekto-         für den aufrechten Gang … Gott sei in dir und weite dein Herz, zu
nisches Kleinod ist die alte gotische Backsteinkirche, das markantes-      lieben und für das Leben zu kämpfen.“
te Bauwerk in Mühlberg. Eine Urkunde von Markgraf Heinrich dem             www.kloster-marienstern.de

                                                                           5   TA G D E S H E R R N J O U R N A L
Mit allen Sinnen: Glauben neu erfahren - Tag des Herrn
R E P O RTA G E

                                       Gott im Spiel
                 Mit wertvollem Spielmaterial sollen Kindern religiöse
                           Erfahrungen ermöglicht werden.
                                                                           Dorothee Wanzek

    Erfunden wurde die religionspädagogische Methode Godly Play in der US-amerikanischen Sonntagsschule einer
          anglikanischen Gemeinde, mittlerweile wird sie weltweit in verschiedenen Kirchen praktiziert – in
                    Kindergottesdiensten, aber auch in Kindergärten, Schulen und in der Familie

Vor ungefähr zehn Jahren wurde die Westkapelle der Leipziger Mi-
chaeliskirche in einen außergewöhnlichen religiösen Erfahrungs-
raum für Kinder verwandelt. In Regalen findet sich rund um einen
Teppich anschauliches Spielmaterial zu Geschichten des Alten Testa-
ments, Jesusgeschichten und den kirchlichen Festen im Jahreskreis,
alles übersichtlich sortiert. Jerome W. Berryman, Priester der Episco-
pal Church in den USA, hat – von der italienischen Reformpädagogin
Maria Montessori inspiriert – seit den 1970er Jahren nicht nur das
religiöse Spielzeug erdacht, sondern auch eine Methode entwickelt,
Kinder mit diesem Material an religiöse Inhalte heranzuführen. Der
evangelische Gemeindepädagogik-Professor Martin Steinhäuser ge-
hört zu den Pionieren, die Godly Play im deutschen Sprachraum be-
kannt gemacht haben. Auf seine Initiative hin fertigen und vertrei-
ben die Lindenwerkstätten des Diakonischen Werkes in Panitzsch                               Ein Erzähler bietet eine biblische Geschichte dar und ergründet sie gemein-
seit Jahren hochwertiges Godly Play-Material. Im Wechsel mit ande-                             sam mit den Kindern. Fotos: © Bertram Kober Godly Play deutsch. e.V.
ren Ehrenamtlichen aus der Michaelis-Friedens-Gemeinde bietet er
parallel zum Sonntagsgottesdienst der Michaeliskirche Godly Play
an.                                                                                       len Kindern und Erwachsenen sitzt er im Kirchenschiff und singt das
    „Wahrscheinlich werden heute nur wenige Kinder kommen. Viele                          Eröffnungsmitglied mit. Danach bittet der Pfarrer alle Kinder nach
Familien sind in den Herbstferien verreist“, vermutet er am Morgen                        vorne und verabschiedet sie, Kinder im Grundschul- und Kindergar-
des 14. Oktober. Trotzdem hat er sich ebenso gründlich auf die Be-                        tenalter sollen Martin Steinhäuser und einer zweiten Mitarbeiterin
gegnung mit den Kindern vorbereitet wie sonst. Gemeinsam mit al-                          folgen, die noch Kleineren werden in einem Nebenraum betreut.
                                                                                             Die beiden Erwachsenen begrüßen jedes der beiden Kinder, die
                                                                                          heute zur Katechese gekommen sind, persönlich. Judith, die schon
                                                                                          seit vielen Jahren gerne dabei ist, wird von ihrem Vater im Rollstuhl
                                                                                          in die Kapelle gebracht. Die siebenjährige Greta ist heute – ebenfalls
                                                                                          in väterlicher Begleitung – zum ersten Mal da. Martin Steinhäuser
                                                                                          setzt sich mit den Kindern auf den Fußboden in einen Kreis. Die Er-
                                                                                          wachsenen bittet er, im Hintergrund Platz zu nehmen.
                                                                                             „Seid ihr bereit für eine Geschichte?“, fragt er die Kinder. Greta
                                                                                          nickt, neugierig und zugleich ein wenig zögerlich. Judith zeigt keine
                                                                                          Reaktion. Der Erzähler kennt sie und ihre komplexe Behinderung
                                                                                          gut. Er weiß aus Gesprächen mit ihren Eltern, dass sie auf ihre ganz
                                                                                          eigene Art am Geschehen Anteil nimmt. Eine Kiste mit feinem Sand
                                                                                          bildet den Ausgangspunkt für die heutige Geschichte. Die Kinder
                                                                                          erfahren, dass in der Wüste vor langer Zeit vieles passiert ist. Die
                                                                                          Wüste ist ein gefährlicher Ort, malt Martin Steinhäuser aus, man
                                                                                          kann sich in ihr verlaufen, es gibt wenig Wasser, nichts wächst in ihr.
                                                                                          Tagsüber brennt die Sonne heiß, und nachts wird es bitterkalt. Man
Die Westkapelle der Leipziger Michaeliskirche ist als Godly Play-Raum eingerichtet.       muss mehrere Kleider übereinander anziehen, um sich vor Hitze und

                                                                                      6   TA G D E S H E R R N J O U R N A L
Mit allen Sinnen: Glauben neu erfahren - Tag des Herrn
R E P O RTA G E

                                                                                                 Im freien Spiel haben die Kinder Gelegenheit, sich individu-
                                                                                                 ell mit godly-play-Material zu befassen, auch unabhängig
                                                                                                 von der zuvor dargebotenen Geschichte. Die Fotos entstan-
                                                                                                 den nicht während des im Artikel beschriebenen Gottes-
                                                                                                 dienstes am 14. Oktober, sondern zu einem früheren Termin.

  Kälte und vor dem pieksenden Flugsand zu         zum Beispiel. „Ich frage mich, was du denkst,          Tonbecher mit Saft, ein Stück ungesäuertes
  schützen. Die Menschen vom Volk Gottes           was das Wichtigste sein könnte.“ „Ob du wohl           Brot und einen Butterkeks, das gemeinsam
  sind durch die Wüste gewandert, und Gott hat     irgendetwas von all dem auch schon einmal              verzehrt wird. Nach einem Gebet, in das jeder
  ihnen dort „die zehn besten Wege zum Leben“      erlebt hast?                                           seinen Dank oder eine Bitte einfließen lassen
  genannt, die zehn Gebote. Sie sollten einen         Gemeinsam mit Greta zündet er eine Kerze            darf, kehren alle gemeinsam wieder in die
  goldenen Kasten bauen, in dem sie die Stein-     an, nimmt aus dem Weihnachtsregal von den              große Kirche zurück. Der Pfarrer heißt die
  tafeln mit den „zehn besten Wegen zum Le-        heiligen drei Königen ein wenig Weihrauch              Kinder wieder willkommen und segnet zum
  ben“ herumtragen konnten. Während der Er-        und hält es mit einer Pinzette in die Flamme.          Abschluss des Gottesdienstes alle Mitfei-
  zähler redet, setzt er eine kleine hölzerne      „Auch heute wird duftender Rauch in Gottes-            ernden mit dem Aaronitischen Segen. Martin
  Bundeslade in den Sand. „Doch wie kann man       diensten genutzt, um sich vorzubereiten, in            Steinhäuser erklärt kurz, wie dieser Segen für
  sich vorbereiten, um den zehn besten Wegen       der evangelischen Kirche allerdings viel sel-          die Kinder heute bedeutsam geworden ist.
  im Leben zu begegnen?“, überlegt er. Nach        tener als in der katholischen“, sagt er den                Es gibt mittlerweile eine Reihe kateche-
sund nach füllt sich die Sandkiste – mit einem     Kindern.                                               tischer Methoden, die Kinder mit allen Sin-
hkleinen Räucheraltar, einem Tisch für zwölf          Häufig folgt an dieser Stelle eine Phase des        nen an religiöse Überlieferungen und Traditi-
 -Brote, eines für jeden Stamm des Volkes          freien Spiels, in der die Kinder Zeit haben,           onen heranführen. Martin Steinhäuser hat
nGottes, einem siebenarmigen Leuchter, einem       sich alleine mit den Spielmaterialen der dar-          sich für Godly Play entschieden, weil er die
  Zelt, das um die Bundeslade herumgebaut          gebotenen Geschichte oder mit anderen Ma-              Vielfalt schätzt, in der Kindern ein Raum er-
ewird, einem Opferaltar für die Priester, einem    terialien, die sie früher einmal berührt haben,        öffnet wird. Jedes Kind kann darin seine Wei-
nBronzebecken, in dem sich die Priester wa-        zu beschäftigen. Dafür reicht die Zeit heute           se finden, hinzuzukommen.
 lschen, einer Abdeckung für das Zelt aus Stoff,   nicht. Martin Steinhäuser geht gleich zur Ab-              „Das Spielerische macht mir selber Spaß“,
sdarüber ein Ziegenfell, ein rotgegerbtes Wid-     schlussphase über, zu der er auch die anderen          sagt der Professor. „Godly Play entspricht der
rderfell, eine grobe Ziegenhaut ...                drei Erwachsenen im Raum in den Kreis der              ursprünglichen Art von Kindern zu spielen
 - „Aber das war noch nicht genug“ wieder-         Kinder einlädt: ein kleines Fest, für das kleine       und existenzielle Fragen nach dem Leben zu
  holt der Erzähler mit Augenzwinkern vor je-      Deckchen kreisförmig auf dem Fußboden                  stellen. Oft tun sie das in einer Tiefe, die mich
adem neuen Detail, das eingeführt wurde, um        ausgebreitet werden. Jeder bekommt einen               selbst tief berührt.“
esich gut auf die Begegnung mit dem Gött-
glichen vorzubereiten. Zum Abschluss seiner
zDarbietung spricht Martin Steinhäuser feier-                                                         BUCHTIPP
dlich die Segensworte aus, die Gott gemäß bib-
rlischer Überlieferung dem Priester Aaron                                                             Martin Steinhäuser (Herausgeber)
egegeben hatte und die Kinder ebenso wie Er-                                                          Gott im Spiel. Jesusgeschichten
nwachsene aus Gottesdiensten kennen. Als                                                              Godly Play weiterentwickelt
                                                                                                      Don Bosco Verlag 2018, mit Calwer Verlag
 .nächstes versucht er die Erzählung gemein-
                                                                                                      und Evangelischer Verlagsanstalt
nsam mit den Kindern zu ergründen. „Ich frage                                                         ISBN 978-3-7698-2366-0
dmich, was dir am besten gefallen hat?“, sagt er                                                      22,95 Euro

                                                                         7   TA G D E S H E R R N J O U R N A L
Mit allen Sinnen: Glauben neu erfahren - Tag des Herrn
R AT G E B E R

                                    Stille Nacht?
                                     Wie man Kinder beruhigen kann
                                                                 Vinzent Antal

   Der Advent und Weihnachten gelten als besinnliche Zeiten. Auf unzähligen Bildern sitzen Familien gesittet am
   Weihnachtsbaum zusammen und singen oder lesen – eine stille Idylle. Die Realität sieht jedoch meist anders aus.

„Und jetzt machen wir es uns gemütlich!“                                                                   der Körper locker und das Kind kann ru-
Dieser Satz aus Loriots „Weihnachten bei                                                                   hig werden. Gemeinsam kann man zum
Hoppenstedts“ fasst die Gemütslage nach                                                                    Beispiel zuerst die rechte Hand zur Faust
einem normalen Tag im Advent vermut-                                                                       ballen und nach zehn Sekunden loslassen
lich gut zusammen. Statt besinnlicher                                                                      und anschließend das gleiche mit der
Vorweihnachtszeit muss man neben dem                                                                       linken Hand wiederholen. Wenn man
Beruf und alltäglichen Arbeiten auch                                                                       Zeit hat, kann man auch eine Geschichte
noch das Fest für die Familie vorbereiten.                                                                 vorlesen, bei der Kinder mitmachen und
In der Stadt wird man ununterbrochen                                                                       verschiedene Muskeln an- und entspan-
mit Weihnachtsmusik beschallt und                                                                          nen müssen. Im Internet finden sich ge-
überall herrscht Gedränge. Da ist man                                                                      eignete Texte.
froh, wenn man daheim ankommt und                                                                              Für jüngere, unruhige Kinder kennt
abschalten kann. Doch man hat die Rech-                                                                    Charlotte eine kurze Erzählung: „Stell dir
nung ohne den Nachwuchs gemacht.                                                                           vor, du bist ein kleiner Tiger. Er ist ganz
„Spiel mit mir“ oder „Ich will auf den                                                                     aufgeregt, weil er eine Biene entdeckt hat,
Weihnachtsmarkt“ schallt es durch die                                                                      die um eine Blüte fliegt. Aber weil er vor
Wohnung. Dabei hätte man gern seine                                                                        lauter Aufregung nicht weiß, was er jetzt
Ruhe, aber das ist selten im Interesse der                                                                 machen soll, steht er erst einmal einfach
Kinder.                                                                                                    da und lauscht. Er atmet ganz ruhig ein
                                                                                                           und aus. Er hört das Summen der Biene.
                                                                                                           Er steht ganz ruhig. Er beobachtet die
Stille lässt sich nicht erzwingen                                                                          Biene. Er atmet noch einmal ganz tief ein
                                                                                                           und aus. Dann setzt er sich leise ins Gras
   Das ist schade, denn Ruhephasen sind                                                                    und sieht, wie die Biene davonfliegt.” Das
                                                  Braver Engel oder Schachtelteufel? Besonders
auch für den Nachwuchs gut. In der heutigen       an Feiertagen wünschen sich Eltern häufig die      Kind wird so auf eine kleine Fantasiereise ge-
reizüberfluteten Zeit brauchen Kinder Mo- obere Szenerie. Aber die Wirklichkeit sitzt oft in         schickt und durch die Atemübung entspannt.
mente, in denen sie die vielfältigen Eindrücke          einer Kiste. Fotos: Picture alliance
des Tages verarbeiten können. Die Erzie-
herin Charlotte weiß, dass kurze Aus-                                                                     Rituale können helfen
zeiten für die kindliche Entwicklung un-
erlässlich sind.                                                                                              Um die gewonnene Ruhe zu bewah-
   Was kann man also tun? Einem Kind                                                                      ren, bieten sich im Advent und der Weih-
im Spielerausch kann man nicht einfach                                                                    nachtszeit Licht-Rituale an. Kinder sind
Ruhe befehlen und erwarten, dass diese                                                                    von Kerzen und Feuer fasziniert, so dass
umgehend eintritt. „Eine erzwungene                                                                       man in Stille gemeinsam eine Kerze (am
Pause wird von den Kleinen nie als nöti-                                                                  Adventskranz) entzünden und sich auf
ges Atemholen angenommen.“ Charlotte                                                                      die Flamme konzentrieren kann. An-
weist darauf hin, dass man aufgedrehte                                                                    schließend kann entweder ein Lied ge-
Kinder auf Momente der Stille vorberei-                                                                   sungen, ein Gebet gesprochen oder ein-
ten muss. Das kann beispielsweise durch                                                                   fach vom schönsten Erlebnis des Tages
Massage geschehen. Charlotte empfiehlt                                                                    berichtet werden. „Diese Handlungen
außerdem die Progressive Muskelent-                                                                       sollten dann möglichst wiederholt wer-
spannung. Bei dieser Übung werden ein-                                                                    den, denn Rituale helfen Kindern“ versi-
zelne Muskelpartien zuerst ange- und dann entspannt. Dadurch wird             chert Charlotte. So kann ein täglicher Ruhepunkt geschaffen werden.

                                                                       8    TA G D E S H E R R N J O U R N A L
Mit allen Sinnen: Glauben neu erfahren - Tag des Herrn
BERICHT

                                                                                                                    Bäcker Bernd Holzmüller bewahrt in
Gebildebrot und Sinngebäck sind                                                                                  Werda im Vogland die Tradition der
in Mitteldeutschland selten gewor-                                                                             Zuckermännle. Zahlreiche Motive weisen
den. Einzige Ausnahme ist der                                                                                  auf eine Symnbolik hin, die das Leben der
                                                                                                                Menschen seit langer Zeit begleitet und
Christstollen. Anders als in Süd-
                                                                                                                            prägt. Foto: epd
deutschland haben sich hier regi-
onal nur wenige Traditionen erhal-
ten. So die Neujährchen bei den                                                                               Der Volkskundler Friedrich Barthel
Sorben oder die Zuckermännle im                                                                               (1903 bis 1989), der übrigens den
Vogtland. Zum vogtländischen                                                                                  Text für ein Zuckermännlelied
Tannenbaum in der Weihnachts-                                                                                 schrieb, hat sich eingehend mit dem
zeit gehört das Zuckermännle als                                                                              Thema befasst. Vorerst seien es
besonders heimatlicher Schmuck                                                                                Dorf- und auch Stadtbäcker gewe-
dazu. Ort seiner Herstellung ist                                                                              sen, die berufsmäßig Zuckermännle
Werda im Vogland, wo es zwei Her-                                                                             als Tannenbaumschmuck herstell-
steller gibt. Den Schutz der Marke                                                                            ten. Es ist erwiesen, dass der Bäcker
hat die Gemeinde inne. Zu ihnen                                                                               in Gunzen seine Backformen auch
gehört die Firma „Gosels Original                                                                             an die Kunden verborgte, dass die
Zuckermännle“, die von Bernd                                                                                  Bäckersfrau in Theuma mit Männ-
Holzmüller betrieben wird. Der-                                                                               len eigener Herstellung auf die
zeit läuft die Produktion auf Hoch-                                                                           Weihnachtsmärkte zog und dass in
touren. Zuckermännle erreichen                                                                                Bäckereien der Stadt Elsterberg Kin-
inzwischen Kunden aus allen Tei-                                                                              der beim Bemalen der Zuckermänn-
len Deutschlands, wie Holzmüller                                                                              le halfen. Daneben wurde die Zu-
sagt.                                                                                                                     ckermännlebäckerei als
   Als Zuckermännle                                                                                                       weihnachtlich- volkstüm-

                               Uralte Bilderwelten
werden in Werda alle                                                                                                      liche Backkunst gepflegt.
Formen bezeichnet. „Al-                                                                                                   So buken im Bauerndorf
so nicht nur die Männle,                                                                                                  Gunzen im südlichen
sondern auch die ande-                                                                                                    Vogtland die Bäuerinnen
ren Darstellungen. Der                                                                                                    zur Freude der Kinder
Name erklärt sich durch
den hohen Anteil an Zu-
                                     Für den Christbaum: Sinngebäck                                                       Zuckermännle.
                                                                                                                              In Werda, das der Mit-
cker.“ Lange wurde das
Rezept gehütet. Heute
                                     Zuckermännle aus dem Vogtland                                                        telpunkt der Zucker-
                                                                                                                          männlebäckerei im Vogt-
ist es kein Geheimnis                                           Holger Jakobi                                             land war und wo heute
mehr: Mehl, Zucker,                                                                                                       noch in zwei Familien
Milch, Eier und als                                                                                                       daran festgehalten wird,
Triebmittel Hirschhorn-             Gebäck mit reicher Symbolik: Mann, Frau und Baum stehen                               wurden die Zuckermänn-
salz. Bernd Holzmüller:              symbolisch für das Leben. Das Schwein ist mit dem Glück                              le nicht wie in Gunzen al-
Natürlich muss man die                                                                                                    lenthalben in den Fami-
                                verbunden. Der Hahn bringt das Licht und das Herz steht für die
richtige Zusammenset-                                                                                                     lien gebacken. Hier waren
zung wissen, sonst ge-                  Menschen und der Stern für die Geburt Jesu Christi.                               es vor 1900 etwa zehn
lingt das Backwerk                                                                                                        untereinander verwand-
nicht.                                                                                                                    te Familien, die vor Weih-
   Der Bäcker verweist                                                                                                    nachten des Nebenver-
auf die überlieferte Bedeutung: Männel, Weibel und der Baum ver-         dienstes wegen, später aber aus Tradition Zuckermännle herstellten
körpern das Leben. Das Schwein steht für das Glück. Der Hahn ist der     und vertrieben. Da das Backrezept geheimgehalten wurde, fand der
Verkünder des Lichts. Die Brezel und der doppelte Kreis bedeuten die     schöne Brauch des Zuckermännlebackens selbst in Werda keine all-
Wiederkehr der Sonne. Pferd und Hund sind wichtige Haustiere. Das        gemeine Verbreitung, wenngleich jede Werdaer Familie den Tannen-
Herz soll die Herzlichkeit unter den Menschen bedeuten und der           baum voller Stolz mit dem einheimischen, im gesamten Vogtland viel
Stern die Geburt Christi. „So leben in den Formen die alten überlie-     und gern gekauften Zuckerwerk schmückte. Bis nach Tannen-
ferten Sinnbilder weiter. Die Zuckermännle sind nicht nur Nasch-         bergsthal, Brambach, Plauen und Reichenbach trugen die Werdaer
werk und alter Christbaumschmuck, sondern Sinnbilder des Lebens.“        Zuckermännle-Frauen im Tragkorb ihre süße Last. In den „Klin-
   Geschichtlich weist Bernd Holzmüller darauf hin, dass das Rezept      genden Tälern“ wurde in der Vorweihnachtszeit der „Zuckermännle-
des Gebäcks vermutlich aus Merseburg stammt. Im Jahr 1792 heira-         August“ von alt und jung freudig begrüßt, und auf dem Plauener
tete die Tochter des Bäckermeisters Helmich aus Merseburg den            Weihnachtsmarkt wurden Werdaer Zuckermännle als „Marzepah“
Zuckerbäcker Ernst Gottlieb Christ. Sie brachte das Rezept mit in die    aus großen, mit Blech ausgeschlagenen Kisten feilgeboten.
Ehe. Ins Vogtland kamen die Zuckermännle durch die Tochter So-            Quelle: www.werda-vogtland.de, /www.zuckermaennle.de – über diese Seite
phie Christ, die 1818 Pastor Blanckmeister in Langenbach heiratete.       können Zuckermännle bestellt werden.

                                                                          9   TA G D E S H E R R N J O U R N A L
Mit allen Sinnen: Glauben neu erfahren - Tag des Herrn
BERICHT

                       Vespergebet mit Propst Matthias
                       Hamann und einer kleinen Werktagsge-
                       meinde in der Propsteikirche St. Peter
                       und Paul in Dessau-Roßlau. Vorn in der
                       Mitte vor dem Altar steigt Weihrauch
                       aus einer Schale auf. Foto: Eckhard Pohl

              Gottes Wohlgeruch
         Weihrauch steht für die himmlische Welt. Im Gottesdienst
         wird er heute auch wieder mittels einer Schale verwendet.
                                                                  Eckhard Pohl

    Gute Gerüche haben eine positive Wirkung auf Menschen. Das ist seit mehreren tausend Jahren bekannt. In der
    katholischen Kirche und den Ost- und orientalischen Kirchen hat der Weihrauch nach anfänglicher Ablehnung
         seit vielen Jahrhunderten seinen festen Platz und wird vor allem in der Liturgie vielfältig eingesetzt.

Er kann „sehr blumig, harmonisch, gehaltvoll duften und leicht nach        die jedoch oft aus anderen Zutaten hergestellt sind. Bei den alten
Citrus riechen“, er kann aber auch „süßwürzig, mit Lavendel und            Ägyptern wurde der Weihrauch bei der Einbalsamierung von Toten,
Gewürznelke versetzt“ oder „nach Vanille duftend“ den Raum durch-          als entzündungshemmendes und Desinfektionsmittel im Alltag oder
dringen. Aromatischer Weihrauch wird mit Myrrhe und Kräuterölen            bei der Herrscherverehrung eingesetzt.“ Später, zur Zeit der rö-
vermischt. Nicht selten wird auch Sandelholz hinzugetan. Es gibt           mischen Kaiser, die sich wie Gott verehren ließen, habe die Bevölke-
unzählige Varianten von Duftnoten, unterschiedliche Körnungen              rung vor den Standbildern der Cäsaren mit Weihrauchkörnern
und Farben des alten, aus dem Harz von Weihrauchsträuchern ge-             Rauchopfer darbringen müssen. Auch die tebäische Legion unter
wonnenen Duftstoffes.                                                      dem heiligen Mauritius habe so ihren „Fahneneid“ ablegen sollen,
   Katholische Christen verbinden mit ,Weihrauch‘ wohl am ehesten          sich aber, weil sie christliche Soldaten waren, geweigert und dafür
das Weihrauchfass, das Ministranten bei Gottesdiensten schwenken           mit dem Leben bezahlt. Propst Hamann: „Entsprechend war Weih-
und Priester, Diakon oder Messdiener zum Inzensieren/ Beweihräu-           rauch - außer beim Begräbnis - in der frühen Kirche tabu.“ Die Ver-
chern verwenden. „Seit mehreren Jahren hält eine sehr sinnenfällige        wendung sei erst aufgekommen, als mit Kaiser Konstantin die Bi-
Form, Weihrauch zu verwenden, wieder in die gottesdienstlichen             schöfe zu Staatsbeamten wurden und ihnen wie anderen hohen
Feiern Einzug“, sagt der Dessauer Propst und Liturgiefachmann, Dr.         Würdenträgern Weihrauch vorangetragen wurde.
Matthias Hamann. „Weihrauch wird in eine Schale gelegt, sodass er
von hier aus seinen Geruch verbreitet und aus der Schale Rauch
aufsteigt, so wie auch Lobpreis und Gebete zu Gott gelangen mögen.“        Die Bibel berichtet vom Einsatz des Weihrauchs
   Räucherwerk zu benutzen, ist in vielen Religionen üblich, sagt
Hamann. „Weihrauch wurde schon bei den Juden im Alten Testa-                  Im Alten und Neuen Testament ist an verschiedenen Stellen vom
ment zur Verehrung Jahwes verwendet. In den Religionen Asiens              Weihrauch, von Rauchopfern, von Wohlgeruch die Rede, was auch
werden zu Zeremonien und Meditation Räucherstäbchen benutzt,               in den christlichen Gottesdienst Eingang gefunden hat. „Wie Weih-

                                                                      10   TA G D E S H E R R N J O U R N A L
BERICHT

 rauch steige mein Gebet vor dir auf“, heißt es          Das verändert auch mein Umfeld. So kann am
 nach Psalm 141,2 sinngemäß in der Liturgie.             Zeichen des Weihrauchs auch deutlich wer-                         Aus dem Harz
 „Beim feierlichen Abendlob der Kirche, der              den, wie wir als Christen leben sollen.“ „Weih-                   von Bäumen in
 Vesper, wird der Psalmvers seit Alters her zi-          rauch ist also ein Zeichen christlichen Lebens,
 tiert und gedeutet und werden zum Magnifi-              Ausdruck festlicher Freude und feierlichen
                                                                                                                            karger Erde
 kat Altar, Zelebrant und Gemeinde inzen-                Gebetes, das zu Gott aufsteigt. Er kann auch
 siert“, erklärt Propst Hamann. Oder Weih-               Zeichen der Verehrung und Anbetung, Zei-
 rauch wird in eine Schale vor dem Altar gelegt,         chen der Umkehr und der Reinigung sein.“                   Herkunft: Echtes Weihrauchharz (la-
 sodass er aufsteigen kann. Hamann, der fast                „Weihrauch auf eine glühende Kohle in ei-               teinisch Olibanum) wird aus dem ge-
 jeden Freitag abend die Gemeinde in Dessau              ne Schale zu legen und darum zu bitten, dass               trockneten Wundsaft von Weihrauch-
 zum Vespergebet einlädt, praktiziert diese              wie der Rauch auch die Gebete zum Himmel                   Bäumen der Gattung Boswellia gewon-
 Form des Weihrauchritus gern. „So wird der              aufsteigen mögen, kann zum Beispiel beim                   nen. Boswellia-Bäume – es gibt 25 ver-
 Psalmvers mit allen Sinnen gut erfahrbar.“              Fürbittgebet ein gutes, sinnenfälliges Zeichen             schiedene Sorten – wachsen im Oman
     In der Offenbarung (Offb 8,3.4) schildert           sein“, so der Seelsorger. Genauso kann die Bitte           und anderen Ländern Südarabiens, in
 der Seher Johannes die himmlische Liturgie,             um Vergebung im Bußritus mit dem aufstei-                  Nordostafrika und Vorderindien. Sie
 bei der ein Engel „mit viel Räucherwerk“ die            genden Weihrauch verbunden werden: „Wie                    gedeihen in kalksteinhaltiger, extrem
 Gebete aller Heiligen vor dem Thron Gottes              der Duft des Weihrauchs den Raum erfüllt, so               karger Erde in Trockengebieten.
 aufsteigen lässt. „Johannes schaut in seiner            durchdringe und heile die Liebe Christi neu
 Vision vom offenen Himmel die göttliche Welt            unser Leben.“
 in Form eines orientalischen Hofstaates. Für
 die frühen Christen hieß das: Wir verwenden
 keinen Weihrauch im irdischen Bereich. Das              Alle Christussymbole werden verehrt
 kommt nur Gott im Himmel zu.“ Wie erwähnt,
 wurde der Weihrauch später doch in die Litur-               Beim Einsatz eines Weihrauchfasses in der
 gie integriert und spielt darin bis heute nicht         Liturgie, besonders in der Eucharistiefeier,
 zuletzt auch in den orthodoxen und orienta-             werden alle Christussymbole mit Weihrauch
 lischen Kirchen, wo im Gottesdienst der Be-             inzensiert: das Kreuz, der Altar, die Heilige
 zug zur göttlichen, himmlischen Liturgie be-            Schrift, Brot und Wein, sagt Hamann. „Indem
 tont wird, eine wichtige Rolle.                         etwa die Gaben auf dem Altar vom Priester im                      Weihrauch wird besonders im
                                                                                                                          südarabischen Oman gewonnen.
     Im Zweiten Korintherbrief (2 Kor 2,14-16)           Darbringungsritus mit dem Weihrauchfass
                                                                                                                            (C) Dieter Schütze/pixelio.de
 spricht Paulus davon, dass Gott durch die an            umkeisend beweihräuchert werden, werden
 Christus Glaubenden den Wohlgeruch der Er-              sie aus der Alltagswelt, aus der sie kommen, in
 kenntnis Christi verbreitet, so Propst Hamann.          die Welt des Heiligen hineingenommen.“                     Herstellung: Durch Abschaben der
 „Wenn ich Christus erkenne, lebe ich anders.                Ähnliches ist gemeint, wenn Weihrauch                  Rinde der Bäume tritt ein milchiger
                                                         beim Begräbnis verwendet wird. Propst Ha-                  Wundsaft aus, der sofort erhärtet. Die
                                                         mann: „Als ich einen Mann aus Eritrea beerdi-              Ernte des Baumharzes beginnt im April
                                                         gen sollte, war es seinen Landsleuten ganz                 und endet im Oktober, wenn die Fließtä-
                                                         wichtig, den Toten mit Weihrauch in die                    tigkeit des Harzes abnimmt. Aus einem
n                                                        himmlische Welt zu verabschieden, wie dies                 Baum können im Jahr bis zu zehn Kilo-
 ,                                                       in orientalischen Kirchen Praxis ist.“ Weih-               gramm Harz gewonnen werden. Weih-
r                                                        rauch wird darüber hinaus bei Prozessionen                 rauch wird oft in Räuchermischungen
 -                                                       dem Kreuz als dem Zeichen für Christus vo-                 mit Benzoe, Myrrhe, Galbanum, Zistro-
 -                                                       rangetragen. Er wird bei der Verehrung der                 se, Styrax oder Lorbeer angeboten.
n                                                        Eucharistie in der Monstranz verwandt. Bei
                                                         der Weihe eines Altars verbrennt Weihrauch                 Verwendung: Weihrauch wird in der
                                                         auf der Mensa, der Altarplatte. In die Osterker-           katholischen, den orthodoxen und ori-
 r                                                       ze können fünf große Weihrauchkörner für                   entalischen Kirchen und gelegentlich
                                                         die Wundmale Jesu eingefügt werden.                        auch in ökumenischen Gottesdiensten
 -                                                           Gelegentlich werde jemandem bei der Ver-               verwendet. Zudem gewinnt er in der
                                                         wendung von Weihrauch im Gottesdienst                      Naturheilkunde (besonders wirkungs-
n                                                        schlecht, weiß Hamann, und hat einen prak-                 voll ist der indische Weihrauch „Boswel-
                                                         tischen Tipp, damit der Weihrauch gut seinen               lia serrata“) vor allem als entzündungs-
                                                         Duft entfalten kann: „Was unangenehm im                    hemmender Stoff und im privaten Ge-
        Weihrauch spielt nicht zuletzt in den Gottes-
       diensten der Bischöfe eine feste Rolle. Marien-   Hals kratzt, sind Rückstände von verschmor-                brauch an Gewicht. Der Begriff „Weih-
      schwester Adelgit Wistuba zeigt in der Sakristei   tem Weihrauch. Es ist ganz wichtig, diese im-              rauch“ lässt sich vom Althochdeutschen
      der Kathedrale St. Sebastian in Magdeburg, wie     mer wieder aus dem Weihrauchfass oder der                  „wîhrouch“ ableiten, was mit „heiliges
     sie ein Weihrauchfass oder eine Weihrauchschale
m    für den gottesdienstlichen Einsatz mit glühenden
                                                         Schale zu entfernen oder beim weiteren Aufle-              Räucherwerk“, „zu wîhen“, „heiligen“,
h          Kohlen vorbereitet. Foto: Eckhard Pohl        gen von Weihrauchkörnern mindestens von                    „weihen“ übersetzbar ist. (tdh)
 -                                                       der Kohle und zur Seite zu kratzen.“

                                                                             11    TA G D E S H E R R N J O U R N A L
BERICHT

                   „Hier haben wir Platz“
      „Wir wollen die heilige Familie aufnehmen, stellvertretend für
            Menschen damals, die das nicht gemacht haben.“
                                                                     Raphael Schmidt

     Bei der Herbergsuche im Evangelium fanden Josef und Maria, seine schwangere Verlobte, verschlossene Türen
                 und herzlose Menschen vor. In Sollschwitz, in der Pfarrei Wittichenau, ist das anders.

„Ihr seid im Kalten unterwegs gewesen. Vergeblich suchtet ihr eine Un-           Weihnachten passiert, muss man wissen, was vorher geschehen ist“, sagt
terkunft. Entweder war kein Platz oder kein guter Wille vorhanden. Wir           Birgit Suchy. „Ich habe es so überliefert bekommen, dass diese Herbergs-
jedoch wollen weder dir, Maria noch deinem Sohn oder jemand anderem,             suche hier eine Art Wiedergutmachung ist von diesen Abweisungen, die
der um Unterkunft bittet, die Aufnahme verweigern. Wir beherbergen               das Paar damals erlebt hat“, sagt Antonia Rötschke und: „Wir wollen die
dich gern in unserem Haus“, so steht es auf einem gelben Blatt Papier,           heilige Familie aufnehmen, stellvertretend für Menschen damals, die das
überschrieben mit: „Herbergsuche unserer Mutter Maria“, das auf dem              nicht gemacht haben“. Sybille Eiselt, Mutter von vier Kindern, hat diese
Wohnzimmertisch von Familie Rötschke in Sollschwitz liegt. Um den                Tradition als Kind bereits bei ihren Eltern erlebt. Jetzt lebt sie in einem
Tisch herum sitzen vier Familienmütter mit ihren Kindern, aber bei wei-          Dreigenerationen-Haus „Erst ist die Marien-Figur bei meinen Eltern, von
tem nicht mit allen. Die Tochter von Familie Rötschke ist Novizin in einem       dort kommt sie zu uns in die Wohnung. Am nächsten Tag geben wir sie
Kloster. Die Tradition der Herbergsuche hat sie, wie alle anderen in diesem      weiter – und damit die Tradition an unsere Kinder“. Ihr vierjähriger Sohn
Raum, in Sollschwitz kennengelernt. Sie dauert vor Weihnachten neun              Jakub hat bereits verstanden, worum es geht: „Da kommt die Maria und
Tage, wie eine Novene. In der Kapelle, die vom Haus der Familie nur durch        geht von Haus zu Haus. Sie hat früher gesucht, wo sie mit dem Josef über
eine Straße getrennt ist, beginnt sie. „Ohne Priester. Wir haben unsere          die Nacht bleiben können. Keiner hat für sie Platz gemacht, aber hier ha-
Kapell-Gemeinden hier. Jedes Dorf verwaltet seine Kapelle selbst und             ben wir Platz“, sagt er. Theresia Suchy sagt: „Es ist lebendiger Glauben –
führt Andachten durch“, sagt Antonia Rötschke.                                   begreifbar, fassbar“. Birgit Suchy kannte die Herbergsuche von ihrer
   Sieben Marienstatuen stehen im Dezember auf dem Altar. Der Rosen-             „Kinderzeit überhaupt nicht, ich bin erst durch meinen Mann hier dazu
kranz wird gebetet. Danach nehmen Frauen die Marien-Figuren und von              gekommen“, sagt sie. Leonie Suchy (15) meint: Seit ich mich erinnern
da an werden sie von Haus zu Haus gebracht, bleiben über Nacht und               kann, wird die Marien-Figur zu uns gebracht, wir beten gemeinsam und
werden am nächsten Tag in das Haus eines Nachbarn weitergegeben.                 dann geht sie von Haus zu Haus weiter. Es ist eine schöne Tradition.“
   Der Ablauf ist immer gleich. Zuerst das Gebet vom Blatt, danach wird              Nach einem Rosenkranz und dem Gespräch der zwölf „Herbergswirte“,
der „Engel des Herrn“ oder Rosenkranz gebetet und zum Abschluss ein              ist wieder Ruhe eingekehrt. Antonia Rötschke sagt: „Bei der Herbergsuche
adventliches Marienlied gesungen. „Die Figur steht dabei auf dem Tisch,          ist fast das gesamte Dorf einbezogen, auch die nicht jeden Sonntag in die
es wird miteinander geredet und auch mal ein Glas getrunken. Wir neh-            Kirche gehen. Miteinander zu beten führt zu Frieden und Segen. Die
men uns Zeit zum reden, über Maria und das Kind. Um zu verstehen, was            Herbergsuche gehört dazu“.

                                              Maria hat Herberge gefunden, hier bei Familie Rötschke in Soll-
                                              schwitz. Foto: Raphael Schmidt

                                                                            12     TA G D E S H E R R N J O U R N A L
Der christliche
                                                                                                       Kalender 2019
                                                                                                         für Frauen
                                                                                               Gedanken und Anregungen
                                                                                               für jeden Tag 2019
                                                                                               Der Kalender richtet sich vor allem an
                                   Schöne Geschichten zu Psalm 23                              Frauen und trifft mit seinem modernen
                                   Christa Spilling-Nöker zeigt mit einfühlsamen               Layout, seinen sorgsam auf das Kirchenjahr
                                   Geschichten, was der beliebte Psalm 23 noch                 abgestimmten Gedanken und Impulsen
                                   heute in unserem Leben bedeuten kann.                       sowie seinem übersichtlichen Kalendarium
                                   Begleitet von den Lieblingsmelodien der                     den Nerv der Zeit. Damit spricht er alle
                                   Autorin, erfährt man durch das Buch ganz                    Frauen an, die die alltäglichen Heraus-
                                   praktische Lebenshilfen in den Herausforde-                 forderungen zwischen Beruf und Familie
                                   rungen des Alltags.                                         bewältigen. Ein heilsamer Ruhepol im
                                   Buch: 64 Seiten, 15 x 22 cm, durchgehend                    hektischen Alltag.
                                   farbig, mit zahlreichen Illustrationen,                     432 Seiten, 15 x 22 cm, durchgehend
                                   gebunden; CD: Laufzeit: 33 Minuten                          farbig, gebunden, Leseband
                                   Nr. 052 179
                                                     14, 95                                    Nr. 050 069
                                                                                                                 14,  95
                                                                                                                                                                    Leseprobe
                                                                                                                                                                      www.vivat.de

                                   Unsere Kirche. Unser Glaube.

                                                            Leseprobe                                 Leseprobe
                                                              www.vivat.de                              www.vivat.de

                                   Gebetssammlung                              Basiswissen zu Glauben                    Weisheitsgeschichten                                        Schlüsselanhänger
                                   für das ganze Leben                         und Kirche für Christen und               über Gott und die Welt                                      »Ichthys«
                                   Das Gebet, die Zwiesprache mit Gott,        Nichtchristen                             Die ausgewählten Gleichnisse und Erzäh-                     Mit diesem symbolstarkem wie
                                   ist ein selbstverständlicher Teil christ-   Dieses kompakte Nachschlagewerk           lungen der Bibel werden durch passende                      praktischen Schlüsselanhänger
                                   lichen Lebens. Wo uns das Formulie-         eignet sich für alle, die nicht nur       Weisheitsgeschichten von Pfarrer Roland                     mit Einkaufswagenchip auf
                                   ren unseres Danks und unserer Bitten,       glauben, sondern auch Bescheid            Breitenbach äußerst anschaulich und unter-                  einer farbenfrohen Geschenk-
zzgl. € 3,75 Versandkostenanteil

                                   die wir vor Gott bringen wollen,            wissen wollen. Ein wertvoller             haltsam in ein ganz neues Licht getaucht.                   karte mit Bibelvers haben Sie
                                   schwerfällt, möchte diese Gebets-           Informationsschatz, in dem es             Begleitet werden die Texte von stimmungs-                   ein tolles Geschenk und ein
                                   sammlung Anregung und Hilfe sein.           vieles neu zu entdecken gibt. Hier        vollen Bildern. Atemberaubende Naturaufnah-                 schönes Mitbringsel für jeden
                                   Ein praktischer Begleiter für das           ist Glaubensgrundwissen auf den           men und Fotos mitten aus dem Leben dienen                   Anlass und viele Gelegen-
                                                                                                                                                                                                                            © Joe Prachatree/Shutterstock.com

                                   tägliche Gebet.                             Punkt gebracht.                           den Bibelzitaten als Hintergrundbilder.                     heiten.
                                   320 Seiten, gebunden,                       128 Seiten, 10 x 16 cm, durch-            100 Seiten, 16 x 12 cm, durchgehend                         Edelstahl, 3 x 8 cm, auf
                                   15 x 22 cm, Großdruck                       gehend farbig, gebunden                   farbig, Spiralbindung                                       Geschenkpappe: 6 x 17 cm
                                   Nr. 052 001
                                                     14,   95                  Nr. 052 261
                                                                                               7,   95                   Nr. 052 285
                                                                                                                                            14, 95                                   Nr. 363 955
                                                                                                                                                                                                      5, 95

                   St . Benno Ver l a g GmbH • S ta m m e rs tr. 9 – 1 1 • 0 4 1 5 9 L e ip z ig

               Bestellservice: 0341- 46 77 711 www.vivat.de service@vivat.de                                                                                                 Ein Unternehmen der Kirche.
                   Datenschutz: Unsere allgemeinen Geschäftsbedingungen finden Sie unter www.vivat.de/agb und unsere ausführliche Datenschutzerklärung unter www.vivat.de/datenschutz. Sie können jederzeit per Post oder
                   E-Mail (datenschutz@st-benno.de) der Verwendung Ihrer personenbezogenen Daten für Werbezwecke widersprechen.
P O RT R ÄT

  Regina und Wolfgang Blechschmidt in
  ihrem Galerie-Atelier in Falkenstein. Fotos:
  Matthias Holluba

                               Das(s) was bleibt …
            Das Künstlerehepaar Regina und Wolfgang Blechschmidt
                                                                Matthias Holluba

      Christliche Motive spielen in der Kunst von Regina und Wolfgang Blechschmidt eine große Rolle. Sie wollen
    etwas von dem weitergeben, was ihnen wichtig ist, und damit beim Betrachter ihrer Kunst etwas anstoßen. Vom
    Missionieren mit dem Zeigefinger halten sie nichts. Wer aber möchte, kann ihre Friedenslicht-Kapelle besuchen.

Mitten auf der Straße der vom Krieg zerstörten syrischen Stadt Aleppo      was in ihrem Inneren ist, in ihren Kunstwerken wiederzugeben. Das
sitzt Maria. Auf ihrem Schoß der tote Jesus. In der grauen Tristesse der   hat ihnen nicht nur Anerkennung eingebracht, denn beide haben nach
zertrümmerten Stadt strahlen die beiden goldenen Heiligenscheine           dieser Devise auch schon zu DDR-Zeiten gearbeitet. Eines ihrer wich-
von Maria und Jesus. Eine Pietà für heute. Daneben ein Bild von einer      tigen Themen damals war der Konziliare Prozess für Frieden, Gerech-
jungen, modernen Frau mit Handy in der Hand – auch ihr Kopf um-            tigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Bei Ausstellungen in Kirchen-
strahlt von einem goldenen Heiligenschein. Zwei Bilder, die dem Be-        räumen kam es oft zu intensiven Diskussionen mit den Gemeindemit-
sucher im Atelier von Wolfgang Blechschmidt ins Auge fallen. Dane-         gliedern – in Aue etwa über die Umweltzerstörung durch den Uranab-
ben auf dem Tisch Kunstwerke seiner Frau Regina, die gerade für eine       bau oder vor einer Madonnendarstellung mit einer jungen Frau, die
Gruppe von Erstkommunionkindern Erinnerungskreuze gestaltet. An            von ihrer Mutter zur Abtreibung gedrängt worden war.
der Wand eines ihrer Bilder, abstrakter als die Bilder ihres Mannes:
ein langer röhrenartiger Tunnel voller Gestrüpp, vielleicht Dornen.
Am Ende ein helles Licht. „Brannte uns nicht das Herz …“ – dieser Satz     Berufsverbot und Ausreise
der Emmausjünger nach ihrer Begegnung mit dem Auferstandenen,
den sie nicht erkannten, ist der Titel des Bildes.                            Den DDR-Oberen hat diese Kunst natürlich nicht gefallen. 1986
    Christliche Motive spielen in der Kunst von Regina und Wolfgang        erhielt Wolfgang Blechschmidt Berufsverbot. Weitergemalt hat er
Blechschmidt eine wichtige Rolle. Der christliche Glaube ist beiden        trotzdem. „Seit meiner Kindheit habe ich mich mit Malerei beschäftigt,
wichtig und als Künstler können sie nicht anders als etwas von dem,        irgendwann gehts dann nicht mehr ohne.“ Als die beiden Töchter auch

                                                                      14    TA G D E S H E R R N J O U R N A L
P O RT R ÄT

noch Probleme in der Schule bekamen, stellte            tag gefeiert – hatten sie zusammen eine Aus-              Denke darüber nach, wofür du da bist und was
die Familie den Ausreiseantrag. Fast drei Jah-          stellung in Falkenstein. Mit über 30 Werken               von dir einmal bleiben soll.“
re musstne Blechschmidts warten, ehe sie im             haben sie einen Einblick in ihr Schaffen gege-
Mai 1989 innerhalb von vier Stunden die                 ben. „Das(s) was bleibt“ war der doppeldeutige
DDR verlassen mussten. Ein halbes Jahr spä-             Titel der Präsentation.                                   Die Friedenslichtkapelle im Atelier
ter fiel die Mauer ...                                      Auch wenn die Blechschmidts religiöse
    Die Familie blieb zunächst in Baden-                Symbolsprache in vielen ihrer Werke benut-                   Dann zeigt Wolfgang Blechschmidt ein
Württemberg. Doch Wolfgang Blechschmidt                 zen, sprechen sie oftmals allgemein mensch-               Bild mit einer besonderen Geschichte: Es
zog es schon bald zurück ins heimische Vogt-            liche Erfahrungen an, etwa in dem an eine                 zeigt – in den für ihn typischen Grautönen
land. 1991 eröffnete er in Falkenstein das              Ikone erinnernden Bild der jungen Frau mit                aber mit einer kleinen goldenen Ecke – ein
Atelier. Er ist dann lange gependelt, bis er            Handy und Heiligensschein, das eine ihrer                 Kreuz mit einem zerbrochenen Corpus. „Das
1998 mit seiner Frau wieder zurückgezogen               Enkeltöchter darstellt. Die Botschaft: Wie                Kreuz ist bei den Vorbereitungen einer Pro-
ist. Neben der Tätigkeit im eigenen Atelier mit         auch immer die jungen Menschen von heute                  zession in der Pfarrei kaputt gegangen. Die
zahlreichen Ausstellungen und Auftragsar-               sein mögen – jeder Mensch ist wertvoll oder               Gemeinde wollte, dass ich es repariere. Aber
beiten sind beide auch in der künstlerischen            christlich ausgedrückt: ein Heiliger.                     das war nicht möglich.“ Das kaputte Kreuz
Bildung junger Menschen tätig.                              „In jeder Arbeit ist ein Stückchen von uns            blieb im Atelier und ein paar Jahre später
                                                        drin“, sagen die beiden Künstler. Auch wenn               malte Wolfgang Blechschmidt das Bild. Wäh-
                                                        bei manchen Bildern das Leid im Vorder-                   rend des Malens kam ihm dabei eine Idee: Der
Manchmal musst du einfach malen                         grund steht, beide wollen mit ihrer Kunst Po-             kaputte Corpus war der Ausgangspunkt für
                                                        sitives vermitteln und Mut machen. „Wir                   eine kleine Kapelle, die sich nun gleich neben
   Immer wieder arbeiten sie an kirchlichen             wollen Hoffnung und Freude machen“, sagt                  dem Atelier befindet. Im Dezember 2016 wur-
Aufträgen. Werke von Wolfgang Blechsch-                 Wolfgang Blechschmidt. „Manchmal muss                     de die Hauskapelle vom Pfarrer eingeweiht.
midt finden sich zum Beispiel in katholischen           man aber auch den Finger in die Wunde le-                 Die Kerzen wurden dabei am Friedenslicht
Kirchen in Falkenstein, Dresden und Achern.             gen“, meint seine Frau. Einzelne Werke wer-               aus Betlehem entzündet. Dieses Friedenslicht
Auch ansonsten sind beide in ihrer Pfarrei              den besonders persönlich wie das Bild der                 leuchtet seitdem ununterbrochen in der Ka-
„fest verankert“. Wolfgang Blechschmidt ar-             todkranken Mutter im Krankenhaus. „Mutter                 pelle und die Menschen sind eingeladen mit
beitet im Pfarrgemeinderat und anderen                  konnte damals schon nicht mehr sprechen.                  ihren Sorgen und mit ihren Freuden hierher
Gremien mit.                                            Sie war eine tieffromme Frau, und trotzdem                zu kommen – zu dem zerbrochenen Christus,
   Nicht jedes Werk, das entsteht, ist ein Auf-         scheint ihr Blick zu fragen: Was wird jetzt aus           der nun in Rot und Gold an der Kapellenwand
tragswerk. „Manchmal ist man innerlich so               mir?“ Eine Frage, die sich auch der Betrachter            leuchtet.
intensiv mit etwas beschäftigt, dass man es             stellen kann. Stellen soll. Mit dem Zeigefinger
einfach runtermalen muss. Da spielt es keine            missionieren wollen die Blechschmidts nicht,              Das Atelier der Blechschmidts befindet sich in der
                                                                                                                  Spinngasse 4 in 08223 Falkenstein / Vogtland (Tel.
Rolle, wie es bei den anderen ankommt.“ Doch            aber sie wollen den Betrachter anregen, über              0 37 45/7 37 56; E-Mail dieblechschmidts@web.de).
die Kunst der Blechschmidts kommt an. In                seine Antwort auf diese Fragen nachzuden-                 Die Friedenslichtkapelle ist täglich 10 bis 18 Uhr
diesem Jahr – beide haben ihren 65. Geburts-            ken. „Lebe nicht einfach so in den Tag hinein.            geöffnet.

Die Friedenslichtkapelle der Blechschmidts (links) und Wolfgang Blechschmidt mit dem Bild des zerbrochenen Kruzifixes, das den Anstoß zur Einrichtung der Kapelle gab.

                                                                               15     TA G D E S H E R R N J O U R N A L
Sie können auch lesen