Eine Universität für alle, die mehr wollen - Jahrbuch 2020 - www.fernuni-hagen.de - Yumpu

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Jahrbuch 2020

Eine Universität für alle,
die mehr wollen
www.fernuni-hagen.de
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KURZGEFASST
Mit 79.702 Studierenden
      Deutschlands größte
               Universität
     Forschung und Lehre
      in fünf Fakultäten

                             SIND SIE SCHON GUT VERNETZT –
                             TROTZ PHYSISCHER DISTANZ?
                             Erfahren Sie mehr über unsere
                             Universität: www.fernuni-hagen.de
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JAHRBUCH 2020
      der FernUniversität in Hagen

Eine Universität für alle,
    die mehr wollen
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Liebe Leserinnen und Leser,

                                                            als Rektorin bin ich mir natürlich immer bewusst, dass man nicht alles planen kann. Das lehrt
                                                            die Erfahrung. Aber wie das Jahr 2020 verlaufen würde, auf das wir in diesem Jahrbuch zurück­
                                                            blicken, dafür hatten wir alle keine Erfahrungswerte. Die Corona-Pandemie war natürlich auch
                                                            an der FernUniversität in Hagen das alles überschattende Thema des Jahres.
                                                               An den Anblick von Menschen mit Mund-Nasen-Schutz haben wir uns inzwischen genauso
                                                            gewöhnt wie an leere Stühle an einstigen Orten der Begegnung. Nicht gewöhnen möchte ich
                                                            mich an das sogenannte »social distancing«. Wir müssen zwar physisch Abstand halten,
                                                            sollten uns aber bitte nicht »sozial distanzieren«. Besser gefällt es mir umgekehrt: »Distant
                                                            Socialising«, also auf Entfernung gemeinsam sein. Das passt ausgezeichnet zu Deutschlands
                                                            führender Fernhochschule mit inzwischen fast 80.000 Studierenden.
                                                               In der Fernlehre waren wir gut vorbereitet auf die pandemiebedingten Einschränkungen,
                                                            auch wenn unser Blended Learning-Konzept durchaus Präsenzphasen vorsieht. Für uns auf dem
                                                            Hagener Campus bedeutete es trotz allem eine große Umstellung, aus der vertrauten Arbeits­
                                                            umgebung in einen Alltag zwischen Homeoffice und Hygienemaßnahmen zu wechseln. Ich
                                                            bin allen Beschäftigten in der Wissenschaft und in den dienstleistenden Bereichen sehr dankbar

     »Wir müssen zwar physisch                              für ihr großes Engagement, mit dem sie trotz aller Schwierigkeiten den Universitätsbetrieb
                                                            aufrechterhalten haben.
Abstand halten, sollten uns aber                               Die Corona-Krise hat das Erkenntnisinteresse vieler Forscherinnen und Forscher der
                                                            FernUniversität geweckt. Selbstverständlich fühlen wir uns in der Wissenschaft ganz besonders
 bitte nicht ›sozial distanzieren‹.                         aufgerufen, dazu beizutragen, diese enorme Herausforderung zu bewältigen – das beschränkt
                                                            sich ja nicht auf die Virologie oder Epidemiologie. Gerade der Bildungsbereich steht besonders
Besser gefällt es mir umgekehrt:                            im Fokus. Hier haben wir mit dem Hagener Manifest zum New Learning die Initiative

    ›Distant Socialising‹, also auf                         ergriffen, die öffentliche Diskussion zu einem zeitgemäßen Verständnis vom Lernen anzustoßen.
                                                            Auch an der FernUniversität entwickeln wir uns auf diesem Gebiet weiter und haben im
   Entfernung gemeinsam sein.«                              vergangenen Jahr beispielsweise eine Lehrstrategie formuliert.
                                                               Umdenken mussten wir auch beim Thema Veranstaltungen: Vom Kolloquium über wissen­
                                                            schaftliche Tagungen bis hin zum Campusfest und zu unserem DIES ACADEMICUS – all das fand
                                                            seit März 2020 virtuell statt. Es ist schade, dass wir uns nicht vor Ort begegnen konnten, aber
                                    Prof. Dr. Ada Pellert   auch schön, dass über die digitalen Kanäle so viele Menschen an diesen Veranstaltungen teil­
                    Rektorin der FernUniversität in Hagen
                                                            nehmen konnten. In diesem Sinne: Fühlen Sie sich herzlich willkommen.

                                                            Ihre

                                                                                                    Ada Pellert

                                                                                                                                    FernUniversität in Hagen
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Prof. Dr. Ursula Nelles                                                         Frank Walter
                Vorsitzende des Hochschulrats                                                   Vorsitzender der Gesellschaft der
                der FernUniversität in Hagen                                                    Freunde der FernUniversität e.V.

                Wenn es die FernUniversität nicht gäbe, man hätte sie 2020 unbedingt erfin­     Die Corona-Pandemie ist nicht nur für viele betroffene Menschen und unser
                den müssen. Von Hagen aus wird seit fast 50 Jahren erfolgreich akademische      Gesundheitssystem eine große Belastung, sondern auch für Wirtschaft und
                Lehre zeit- und ortsunabhängig praktiziert. Die FernUniversität ist damit ein   Gesellschaft insgesamt. Gut, dass wir in Deutschland über herausragende
                in Deutschland einzigartiges Vorbild für die vielfältigen Möglichkeiten, ein    Wissen­schaftseinrichtungen verfügen, die eine Schlüsselrolle bei der Bewälti­
                universitäres Studium aus der Ferne anzubieten und zu absolvieren. Genau        gung der Krise spielen. An der FernUniversität in Hagen gibt es zwar keine
                mit dieser Herausforderung waren seit März 2020 nahezu alle Hochschulen         medizinische Fakultät, aber dafür eine ganze Reihe von Forscherinnen und
                konfrontiert. Ich bin der FernUniversität sehr dankbar, dass sie in dieser      Forschern, die sich im vergangenen Jahr mit den Auswirkungen der Pande­
                Situation Verantwortung übernommen und ihr Wissen mit anderen Hoch­             mie beschäftigt und wertvolle Erkenntnisse gewonnen haben.
                schulen, aber auch mit Lehrkräften an Schulen, geteilt hat.                        Genauso wertvoll sind aber auch die Angebote der FernUniversität in Lehre
                   Auch im Hochschulrat haben wir in diesem Jahr neue Erfahrungen               und Weiterbildung. Gerade für Berufstätige, die sich im vergangenen Jahr
                gemacht und zum Beispiel Sitzungen im Videokonferenzformat durch­               vielleicht Gedanken um ihre berufliche Zukunft machen mussten oder unerwar­
                führen müssen. Auch wenn es uns anders lieber gewesen wäre, hat dieses          tet viel Zeit für die persönliche Weiterentwicklung hatten, eröffnet ein Studium
                Format natürlich auch Vorteile.                                                 an der FernUniversität neue Perspektiven. Das gilt beispielsweise für den
                   Trotzdem freue ich mich darauf, wenn wir hoffentlich bald wieder am          neuen Studiengang »Mathematisch-technische Softwareentwicklung« oder
                selben Ort zusammenkommen können und ich dann auch unsere beiden                die Weiter­bildungen in Datenschutzrecht und Rechtspsychologie.
                neuesten Hochschulratsmitglieder persönlich begrüßen kann: Christiane              Es hat mich sehr gefreut, dass wir als Gesellschaft der Freunde der
                Schönefeld aus dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit und Prof. Dr.          FernUniversität auch im Jahr 2020 wieder herausragende Studierende mit
                Theo J. Bastiaens, Rektor der niederländischen Open Universiteit. Beide sind    Deutschlandstipendien fördern und die besten Abschlussarbeiten prämieren
                ein großer Gewinn für den Hochschulrat und die FernUniversität.                 konnten. Ganz herzlich danke ich der Familie des langjährigen Freundes der
                                                                                                FernUni Bernd Pederzani, die zum zweiten Mal den Preis für die besten Promo­
                Ihre                                                                            tionsarbeiten stiftete, und dem Unternehmen Enervie für die Auszeichnung
                                                                                                der besten energiewirtschaftlichen Abschlussarbeit. Allen Preisträger­innen und
                                                                                                Preisträgern gratuliere ich an dieser Stelle nochmals ganz herzlich.
                           Ursula Nelles

                                                                                                Ihr

                                                                                                            Frank Walter
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Das Rektorat
Die Leitung der FernUniversität in Hagen liegt beim Rektorat der Hochschule. Es besteht
aus Prorektor Prof. Dr. Uwe Elsholz, Kanzlerin Birgit Rimpo-Repp, Prorektor Prof. Dr. Andreas
Kleine, Rektorin Prof. Dr. Ada Pellert und Prorektor Prof. Dr. Sebastian Kubis (von links, das Foto
wurde vor dem Pandemiebeginn aufgenommen).

                                                                                                      FernUniversität in Hagen
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Der Hochschulrat
                Der Hochschulrat nimmt die Aufgabe als Aufsichtsgremium
                der FernUniversität wahr. Ihm gehören fünf externe und fünf
                interne Mitglieder an: Prof. Dr. Ursula Nelles (Vorsitzende,
                oben Mitte) und (im Uhrzeigersinn) Andreas Meyer-Lauber,
                Prof. Dr. Annette Elisabeth Töller, Dr. Jürgen Ewert, Prof. Dr.
                Theo J. Bastiaens, Christiane Schönefeld, Prof. Dr. Thomas
                Eichner, Prof. Dr. Gabriele Zwiehoff sowie (in der Mitte)
                Dr. Simone Rehm und Prof. Dr. Winfried Hochstättler.

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         Jahrbuch 2020
                                                                                                                      Die Uni im
                                                                                                                      Corona-Betrieb
                                                                                                                      Im Normalfall arbeiten über
                                                                                                                      1.500 Beschäftigte auf dem
                                                                                                                      FernUni-Campus. Aber was war
                                                                     Hagener Manifest                                 im Jahr 2020 schon normal?´

                                                                    fordert, das Lernen
                                                                        neu zu denken
                                                                    Initiiert von der FernUniversität zeichneten
                                                                      führende Bildungsfachleute in 12 Thesen
                                                                            ein Bild davon, wie gutes Lernen im
                                                                             Zeitalter der Digitalisierung gelingt.

               11
Die Bandbreite der Corona-Krise

                                                                                                                            30
An der FernUniversität befassen sich Forschende unterschiedlicher
Disziplinen mit den Auswirkungen der Pandemie.
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Forschung

                                                           INHALT
                                                                    11   Die Bandbreite der Corona-Krise
                                                                    15   Die Qualität im Erziehungs- und Bildungswesen im Fokus
                                                                    16   Leadership in Krisenzeiten – eine internationale Studie
                                                                    18   Weiterbildung verlässt ihr Nischendasein
 Stimmen zur                                                        19   Wie können Maschinen und K I Vergessen lernen?

 FernUni                                                            20
                                                                    22
                                                                         Kulturelle »Leitplanken« für das eigene Leben
                                                                         Defizite in Krankenhaus-­Organisationen
                                                                    Hochschule
 Unsere Studierenden berichten über
                                                                    25   Hagener Manifest fordert, das Lernen neu zu denken
 ihre Erfahrungen und Ziele.
                                                                    27   Premiere und Wiedersehen
                                                                    28   Auf dem Weg zum nachhaltigen Campus

 23 · 35 · 45                                                       30
                                                                    32
                                                                         Die Uni im Corona-Betrieb
                                                                         Service für die Zukunft: Gemeinsam verändern

 51 · 55                                                            33
                                                                    34
                                                                         International digital oder digital international
                                                                         Die »Marke FernUniversität«
                                                                    Lehre und Studium
                                                                    37 Krisenfest und ansteckend
                                                                    39 Der erste Bildungshackathon der FernUniversität
                                                                    40 Gemeinsame Leitlinien für Studium und Lehre
                                                                    42 Studiengang an der Schnittstelle
                                                                    43	Neue Angebote im psychologischen und
                                                                        ökonomischen Bachelorstudium
                                                                    44 Die Chancen moderner Fernlehre
                                                                    Transfer und Netzwerke
                                                                    47 Neue Kompetenzen für künftige Führungskräfte
                                                                    49 Qualifizierungen für den modernen Arbeitsmarkt
                                                                    50 Begabt, engagiert und vielversprechend
                                                                    Alumnae und Alumni
                                                                    53 Preiswürdige Leistungen
                                                                    54 Virtuelle Reise nach Hagen
                                                                    Unser Jahr in Bildern
                                                                    56 Rückblick auf 2020
            Gemeinsame Leitlinien                                   Unsere Universität in Zahlen und Daten
            für Studium und Lehre

40
                                                                    64   Absolvent:innen, Studierende, Hochschule
                                                                    74   Lehrende aller Fakultäten
                                                                    77   Promotionen und Habilitationen
            Mit einer eigenen Lehrstrategie stellt die
                                                                    80   Das Studienangebot der FernUniversität
            FernUniversität die Weichen für die Zukunft.
                                                                    81   Rektorat, Hochschulrat & Fakultäten 2020
                                                                    82   Übersicht über den Campus
                                                                    83   Kontakt und Impressum
Eine Universität für alle, die mehr wollen - Jahrbuch 2020 - www.fernuni-hagen.de - Yumpu
Forschung

10               Forschung   FernUniversität in Hagen
Die Bandbreite
            der Corona-Krise
            Die Schatten von Corona sind lang. Es gibt kaum einen Bereich, den sie nicht getrof-
            fen haben. Den Staat, Wirtschaftsunternehmen, die Einzelperson – alle hat das Virus
            vor neue, vorher unbekannte Herausforderungen gestellt. Wissenschaftlerinnen und
            Wissenschaftler helfen dabei, die neue Situation zu erforschen und einzuordnen. An
            der FernUniversität befassen sich Forschende unterschiedlicher Disziplinen mit den
            Auswirkungen der Corona-Krise. Ein Ausschnitt:

                                                                                                                     Neue Begrüßungsformen
                          Sprachlose Kommunikation                                                                       revolutionieren
                                                                                                                   kommunikative Beziehungen
                          Folge des »Social Distancings« waren vielfältige, oft unbe­
                          wusste Verhaltensänderungen. Wer zum Beispiel – außer
                          Boxer­innen und Boxern – hätte es Anfang 2020 für eine
                          Begrüßung gehalten, geballte Fäuste gegeneinander zu
                          drücken? Auch Händeschütteln, Umarmungen oder Wangen­
                          küsse wurden von Handheben, Kopfnicken oder Hand-aufs-        professur für Mikrosoziologie, wissen. Welche Folgen haben
                          Herz-legen abgelöst. »Wie einigen sich Menschen auf eine      die minimalisierten kommunikativen Beziehungen, nachdem
                          der vielen neuen Begrüßungsformen?«, wollte Prof. Dr.         alte Regeln nicht mehr gelten?
                          Dorett Funcke, Leiterin der Ernsting’s family-Stiftungs­         Menschen gehen im alltäglichen Leben mit den neuen Kom­
                                                                                        munikationsformen reflexiv, also rückbezüglich, um. Dabei ist
                                                                                        in kürzester Zeit viel zu tun, um einen Fauxpas zu vermeiden.
                                                                                        Zunächst müssen sich die Beteiligten nonverbal über die Geste
                                                                                        selbst einigen. Wie und wie weit sie sich durch Mimik, Gesten
                                                                                        und anderes nähern, wird auch durch das beobachtete Ver­
                                                                                        halten des Gegenübers mitbestimmt. Die Grenze zu anderen
                                                                                        ziehen sie kommunikativ, Beobachten und Denken bestimmen
                                                                                        den Grad von Nähe und Distanz. Und das alles, obwohl die
                                                                                        Mimik der anderen in der Regel von einer Maske verdeckt wird.

Forschung                                                                                                                                               11
Der Austausch mit
                                                                                                   Kolleginnen und Kollegen fehlt vielen
                                                                                                             im Homeoffice.

                                                                                                     dazu, wie Beschäftigte das Home­office wahr­
                                                                                                     nehmen, in welchem Ausmaß sich die Bedin­
                                                                                                     gungen zwischen Büro und Heimarbeitsplatz
                                                                                                     unterscheiden und wie die Mitarbeitenden
                                                                                                     mit diesen Unterschieden umgehen.
                                                                                                       Fest stehen inzwischen die Top Drei der
           »Diese einmalige Situation            Homeoffice                                          Vor- und Nachteile des Arbeitens im Home­
                  haben wir genutzt,                                                                 office. Demnach schätzen die Teilnehmenden
             um Chancen und Risiken              Wie sehen die Arbeitsbedingungen im Home­           den Wegfall zeitraubender Pendelzeiten,
     des Homeoffice zu untersuchen.«             office in der Corona-Krise aus? Das haben           eine stärkere Flexibilität und Autonomie
                                                 Dr. Christiane Stempel, Katja Siestrup, Sara        sowie konzentrierteres und störungsfreieres
                                                 Tsantidis, Johanna Blume und Johanna Kreft          Arbeiten. Gleichzeitig wurden als Nachteile
                        Dr. Christiane Stempel   aus dem Lehrgebiet Arbeits- und Organisa­           am häufigsten der fehlende Austausch mit
                                                 tionspsychologie untersucht.                        Kolleginnen und Kollegen, ungenügende
                                                    Als im Zuge der Krise viele Jobs ins Home­       räumliche und technische Ausstattung sowie
                                                 office verlegt wurden, gingen zahlreiche            mangelnde Abgrenzung zwischen Berufs-
                                                 Berufstätige das erste Mal in Heimarbeit,           und Privatleben genannt.
                                                 andere das erste Mal dauerhaft. »Diese
                                                 einmalige Situation haben wir genutzt, um
                                                 Chancen und Risiken des Homeoffice zu
                                                 untersuchen«, blickt Studienleiterin Dr. Chris­
                                                 tiane Stempel zurück. Zentral waren Fragen

12                                                                                                                                             Forschung
Politikwissenschaftliche
                          Ländervergleiche
                          Abstand, Hygiene, Veranstaltungsverbote –      während der ersten Welle im Frühjahr 2020       Krisenreaktionsverfahren festgehalten und
                          weltweit gleichen sich die Maßnahmen bei       miteinander verglichen.                         sich auf ihre etablierten Strukturen des Krisen­
                          der Pandemiebekämpfung. Im Detail hat aber        Renate Reiter hat sich gemeinsam mit         managements gestützt haben. »Coronation­
                          jedes Land seine eigene Strategie gewählt,     einem europäischen Team das Corona-             alism« und nicht das Lernen von anderen
                          um mit der Bedrohung umzugehen. Die            Management in Deutschland, Belgien, Italien     waren für die nationalstaatlichen Reaktionen
                          beiden Politikwissenschaftlerinnen Dr. Sonja   und Frankreich sowie der E U aus verwal­        prägend. Die E U als übergreifender Akteur
                          Blum und Dr. Renate Reiter aus dem Lehr­       tungs- und politikwissenschaftlicher Perspek­   ist dabei praktisch kaum in Erscheinung
                          gebiet Politikfeldanalyse und Umweltpolitik    tive angeschaut. Dabei kam deutlich heraus,     getreten.
                          haben die Reaktionen europäischer Länder       dass die Staaten in der Krise an bewährten         Sonja Blums Fokus lag auf den Kita- und
                                                                                                                         Schulschließungen. Sie hat die Reaktionen
                                                                                                                         von 28 europäischen Ländern untersucht.
                                                                                                                         Insgesamt hat sie festgestellt, dass die Kita-
                                                                                                                         und Schulschließungen mit verschiedenen
                                                                                                                         Strategien der Pandemiebekämpfung im
                                                                                                                         Zusammenhang standen und es zwischen
                                                                                                                         »geöffnet« und »geschlossen« auch sehr
                                                                                                                         viele Graustufen gab.

                                                                                        Geschlossen

                                                                             Kita- und Schulschließungen stehen
                                                                         mit verschiedenen Strategien der Pandemie-
                                                                               bekämpfung im Zusammenhang

Jahrbuch 2020 Forschung                                                                                                                                                     13
Corona-Tests schneller
     durchführen
     Rund um den Globus wurden die Menschen
     auf das Virus getestet. Im letzten Sommer
     testete man in Deutschland viele Personen,
     als sie von Reisen zurückkehrten oder als
     die Fußball-Bundesliga wieder ihren Betrieb
     aufnahm. Das sind große Gruppen, die ohne
     konkreten Verdacht auf COVID-19 getestet
     werden.
        Dr. Matthias Täufer von der FernUniversität
     (Lehrgebiet Analysis) forscht daran, wie man     im zweiten Schritt nochmal einzeln überprüft.
     die Tests bei solchen Gruppen schneller und      Nicht-adaptive Strategien können die Test­      »Beim Einschrittverfahren werden
     effizienter durchführen kann. Das könnte         kapazität ohne Einbußen bei der Erkennungs­     die Proben in ›Pools‹ geschickt,
     durch sogenannte Pooltests gelingen. Derzeit     zeit erhöhen. »Beim Einschrittverfahren wer­    gemischt und aufgeteilt.
     untersuchen die Labore die Corona-Proben         den die Proben in ›Pools‹ geschickt, gemischt   Mit hoher Wahrscheinlichkeit findet
     entweder einzeln oder nach dem adaptiven         und aufgeteilt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit    man so die Infizierten.«
     Mehrstufenverfahren. Dabei wird jede Probe       findet man so die Infizierten. Das spart im
                                                      Labor Ressourcen und Zeit«, erklärt Täufer.
                                                      Dieses Verfahren könnte bei zukünftigen         Dr. Matthias Täufer
                                                      Pandemien zum Einsatz kommen.

                                                      MEHR ERFAHREN:
                                                      fernuni.de/coronaforschung

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BI L D U N G S F OR SC H U N G

Die Qualität im                  Sie kooperieren seit mehr als 20 Jahren. Jetzt bauen Prof. Dr.
                                 Julia Schütz, Leiterin des Lehrgebiets Empirische Bildungs­
                                                                                                           Von Frankfurt bringt er sein von der Deutschen Forschungs­
                                                                                                        gemeinschaft (D F G) gefördertes Projekt zur Qualitätsent­

Erziehungs- und                  forschung, und Prof. Dr. Dieter Nittel (Goethe-Universität
                                 Frankfurt am Main) ihre wissenschaftliche Zusammenarbeit
                                                                                                        wicklung im Erziehungs- und Bildungswesen mit nach Hagen.
                                                                                                        Untersucht werden Qualitätssicherungsverfahren an Gym­

Bildungswesen
                                 aus. Der Biografieforscher hat eine Gastprofessur an der               nasien, in der Erwachsenenbildung, in der Elementarbildung
                                 FernUniversität in Hagen übernommen. Dieter Nittel ist als             (Kitas und Krippen) sowie in der Sozialpädagogik (Kinder- und
                                 Gründungsmitglied des Zentrums für pädagogische Berufs­                Jugendarbeit, Suchtarbeit). Im Mittelpunkt stehen praktische

im Fokus                         gruppen- und Organisationsforschung (ZeBO Hagen) eng
                                 mit der FernUniversität verbunden.
                                                                                                        Erfahrungen mit Managementverfahren und Gütesiegeln.
                                                                                                        Dabei werden Daten aus den Bundesländern N R W, Branden­
                                                                                                        burg, Bayern und Hamburg verglichen.
                                                                                                           »Mit diesem Projekt rücken wir die Qualität im System des
                                                                        »Wir wollen die
                                                                                                        lebenslangen Lernens in den Mittelpunkt. Das ist die Idee
                                                                      Bildungsbiografie                 des ZeBO Hagen«, betonen Nittel und Schütz. »Wir wollen
                                                                             als Ganzes                 die Bildungsbiografie als Ganzes berücksichtigen.«
                                                                      berücksichtigen.«                    Um Qualität im Erziehungs- und Bildungswesen geht es auch
                                                                                                        in weiteren Projekten, die am ZeBO Hagen angesiedelt sind.
                                                                                                        Etwa in der Studie zu Unterricht und Lehre in der Corona-Krise.
                                                                              Prof. Julia Schütz und    Auf große gesellschaftliche Resonanz stießen die Ergebnisse
                                                                                  Prof. Dieter Nittel
                                                                                                        des Ländermonitorings »Frühkindliche Bildungssysteme 2020«
                                                                                                        und der Studie »Professionelles Handeln im System. Perspekti­
                                                                                                        ven pädagogischer Akteurinnen und Akteure auf die Personal­
                                                                                                        situation in Kindertageseinrichtungen«. Für beide Projekte hat
                                                                                                        die FernUniversität im Auftrag der Bertelsmann Stiftung Daten
                                                                                                        zur Personalausstattung in deutschen Kitas ausgewertet.
                                                                                                        Demnach spitzt sich die Personalnot zu. »Um eine kind­
                                                                                                        gerechte Betreuung, Bildung und Erziehung leisten zu können,
                                                                                                        benötigt das System der frühkindlichen Bildung dringend
                                                                                                        umfangreichere personelle Ressourcen«, sagt Julia Schütz.
                                                                                                           Alle Projekte wollen einen Beitrag dazu leisten, länderüber­
                                                                                                        greifende Qualitätsstandards im Bildungs- und Erziehungs­
                                                                                                        wesen zu entwickeln.
                                                                  Die Personalnot
                                                                  in Kitas spitzt
                                                                                                        MEHR ERFAHREN:
                                                                  sich weiter zu.
                                                                                                        fernuni.de/zebo

                                                                                                                                                                          15
FORSCHUNGSSCHWERPUNKT D ² L ²

     Leadership in
     Krisenzeiten –
     eine internationale
     Studie
              Die Corona-Pandemie hat die digitalen Transformations­
              prozesse an den Hochschulen beschleunigt. Quasi über
              Nacht mussten Hochschulen weltweit ihre Strukturen vor
              allem in Lehre und Verwaltung von Präsenz auf Online
              umstellen. Einige Hochschulen haben das gut gemeistert,
              die meisten jedoch standen und stehen vor der Heraus­
              forderung schneller und umfangreicher Maßnahmen.
                 Wie vor allem Hochschulleitungen und -führungskräfte
              weltweit auf den raschen Wandel reagiert haben, hat eine
              Studie unter dem Titel »Leading in Times of Crisis: Higher

                                                                                  Education Leadership during the COVID-19           Adaptivität im deutschen Hochschulkontext
                         »In Anbetracht der Fülle an Daten,                       Pandemic« untersucht. Die Studie ist angelegt      (OrA), ein dreijähriges Kooperationsprojekt
                                                                                  im Rahmen des Forschungs­schwer­punktes            zwischen dem FernUni-Forschungscluster
          die seit Ausbruch der Pandemie erhoben werden,
                                                                                  Digitalisierung, Diversität und Lebenslanges       D ² L ² und dem Alexander von Humboldt
               können wir sicher in den kommenden Jahren                          Lernen. Konsequenzen für die Hochschul­            Institut für Internet und Gesellschaft (H I I G).
                       bessere Vorhersagungen treffen und                         bildung (D²L²) an der FernUniversität. Beteiligt   Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
                den digitalen Wandel in der Hochschullehre                        daran sind auch das Alexander von Humboldt-­       beider Institutionen arbeiten gemeinsam
                                  datengeleitet begleiten.«                       Institut für Internet und Gesellschaft und der     an der zentralen Frage, wie Lehr- und Lern­
                                                                                  Global Learning Council.                           innovationen an Hochschulen erfolgreich
                                                                                     Die Studie wiederum ist Teil eines um­fassen­   adaptiert werden können.
                                                          Prof. Friedrich Hesse   deren Forschungsprojektes: Organisationale

16                                                                                                                                                                 Forschung    FernUniversität in Hagen
men an der ersten Umfrage 85 Teilnehmer­
                                                   rinnen und Teilnehmer aus 25 Ländern, an
                                                   der zweiten 38 aus 18 Ländern teil.

                                                   Zwischenergebnisse
                                                   Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass viele
                                                   der Bemühungen in erster Linie dem Krisen­
                                                   management der Pandemie zugutekamen.
                                                   Die langfristig notwendigen und ganzheit­
                                                   lich gedachten Lösungen waren oft noch in
                                                   Bearbeitung zum Zeitpunkt der Erhebung.
                                                   »Viele Hochschulen sahen zwar die ›Chance
                                                   in der Krise‹ um neue, innovative Lehransätze
                                                   zu fahren«, sagt Dr. Anne Leiser vom Global
                                                   Learning Council. »Es zeigte sich aber, dass
                                                   es nicht den einen, den richtigen Ansatz für

                                                                                                                                          75 %
                                                   die digitale Bildungswende gibt.« Je nach
                                                   Schwerpunkt der Hochschule, Zusammen­
                                                   setzung der Studierendenschaft, Konkurrenz
                                                                                                                         der Befragten möchten die Aus- und
                                                   in der regionalen Hochschullandschaft und
                                                   Infrastruktur des Landes standen unter­                             Weiterbildung von Lehrenden in digitalen
                                                   schiedliche Lösungsansätze im Fokus. So                                    Lehrmethoden fokussieren
                                                   verfolgten einige Hochschulen etwa syn­
                                                   chrone oder asynchrone Ansätze zur Orga­
                                                   nisation der digitalen Lehre, andere ent­
Aufbau der Studie                                  wickelten hybride Lehrmodelle oder setzten       »als Anzeichen dafür, dass Lehre in Hoch­     Ausblick
Wie also sieht Leadership in Krisenzeiten          Blended Learning um und kombinierten so          schulen, insbesondere wenn digitale Tools     »In Anbetracht der Fülle an Daten, die seit
aus? Die empirische Studie besteht aus zwei        Online- und Präsenz­unterricht.                  zum Einsatz kommen, in Zukunft besser         Ausbruch der Pandemie erhoben werden,
Umfragen, die zeitlich versetzt durchgeführt          Es sind allerdings einige allgemein­gültige   begleitet und evaluiert wird. Somit gibt es   können wir sicher in den kommenden Jah­
wurden, sowie Tiefeninterviews mit Teilneh­        Trends zu verzeichnen: So gaben mehr             eine Verbesserung von Lehre.« Gute Lehre      ren bessere Vorhersagungen treffen und
menden. Die erste Umfrage war im Frühjahr          als 75 Prozent der Befragten an, dass die        könnte in Zukunft durch den Einsatz Künst­    den digitalen Wandel in der Hochschullehre
2020 abgeschlossen, die zweite Befragung           Aus- und Weiterbildung von Lehrenden in          licher Intelligenz gleichermaßen messbar      datengeleitet begleiten«, fasst Prof. Dr. Dr.
lief im Spätherbst. »Durch die zeitlich versetz­   digitalen Lehrmethoden höchste Priorität         werden – wie gute Forschung es bereits ist.   Friedrich Hesse vom Forschungsschwerpunkt
ten Umfragen konnten wir analysieren, ob           habe. Beim Thema »Digital Divide« wurde          Lehre mit digitalen Technologien kann also    D ² L ² zusammen.
und wie digitale Lehre vom Krisenmodus in          häufig die Spaltung zwischen Studierenden        nicht nur per se anders gestaltet werden,
nachhaltigere Formen übergeht«, beschreibt         und Lehrenden hervorgehoben. H I I G-Wissen­     sondern durch quantifizierbare Ergebnisse
Dr. Melissa Laufer vom H I I G. Insgesamt nah­     schaftler Dr. Benedikt Fecher deutet dies        auch einen neuen Stellenwert bekommen.

Jahrbuch 2020 Forschung                                                                                                                                                                           17
Hochschulen den Weg in die Zukunft zu           Maßgeschneiderte Angebote
                                                                                  ebnen – das war das Ziel des Bund-­Länder-      Eine weitere Kernfrage des Wettbewerbs
                                                                                  Wettbewerbs »Aufstieg durch Bildung: offene     rührt besonders an der FernUni-DNA: »Wie
     B U N D - L Ä N DER -WE T T B EWE R B                                        Hochschulen«. Ihn begleitete ein wissen­        müssen Lehren und Lernen eigentlich gestal­
                                                                                  schaftliches Konsortium, unter anderem gelei­   tet sein, damit Berufstätige an die Hoch­

     Weiterbildung                                                                tet von zwei Forschenden der FernUniversität:
                                                                                  Prof. Dr. Eva Cendon (Lehrgebiet Wissen­
                                                                                  schaftliche Weiterbildung und Hochschul­
                                                                                                                                  schule kommen?« Lösungen sieht Cendon
                                                                                                                                  zum Beispiel in der Anerkennung beruflicher
                                                                                                                                  Leistungen oder in speziellen Prüfungen.

     verlässt ihr                                   Ni-                           didaktik) und Prof. Dr. Uwe Elsholz (Lehr­
                                                                                  gebiet Lebenslanges Lernen). 2020 zog das
                                                                                                                                  Zudem sollte das Angebot stimmen, so die
                                                                                                                                  Expertin: »Viele Hochschulen denken grund­

     schendasein
                                                                                  Team mit einer Ergebnisbroschüre und dem        sätzlich in Studiengängen. Ein ganzer
                                                                                  Sammelband »Wandel an Hochschulen?«             Bachelor- oder Masterstudiengang ist aber ein
                                                                                  Bilanz zur umfangreichen Förderlinie. Ins­      großer Aufwand.« Sie empfiehlt kompakte
                                                                                  gesamt investierte das Bundesministerium für    Formate: »Wir müssen vom Kleinen zum
                                                                                  Bildung und Forschung 250 Millionen Euro.       Großen gehen. Etwa mit Zertifikatsprogram­
                                                                                  »Die Idee war, die Hochschulen für neue         men, die aus einigen Modulen bestehen.«
                                                                                  Zielgruppen zu öffnen«, erklärt Prof. Cendon.   Hierbei sollten Hochschulen noch stärker
                                                                                  Vor allem Menschen mit Familie und Beruf        mit Unternehmen und berufsständischen
                                                                                  soll der Einstieg leichter fallen.              Einrichtungen kooperieren.
                                                                                     Von 2011 bis 2020 machten über 100 Ein­
                                                                                  richtungen aus dem akademischen Bildungs­       MEHR ERFAHREN:
                                                                                  bereich mit. »In insgesamt 77 Projekten         fernuni.de/offene-hochschulen
                                                                                  beteiligte sich etwa ein Viertel der Hoch­
                                                                                  schulen in Deutschland.« Als wichtigen
                                                                                  Ausgangspunkt nennt Eva Cendon dabei die
                                                                                  Frage nach der institutionellen Verankerung
                                                                                  von Weiterbildungsangeboten: »Wie wird das
                                                                                  Thema ›Weiterbildung‹ verstanden, wo wird
                                                   »Wie wird das Thema            es verortet, wie wird es implementiert? Wie
                                             ›Weiterbildung‹ verstanden,          funktioniert die Finanzierung? Wie muss die
                                                     wo wird es verortet,         Personalstruktur aussehen?« Die Forscherin
                                             wie wird es implementiert?«          betont, dass jede Hochschule selbst abwägen
                                                                                  müsse, wie sie diesen Sektor einbettet. Die
                                                                                  FernUniversität gründete hierfür zum Beispiel
                                                               Prof. Eva Cendon   ein Institut in G m b H-Form.

18                                                                                                                                           Forschung   FernUniversität in Hagen
I NT E N T I O N A LE S V E R G E SSE N

Wie können Maschinen
und K I Vergessen lernen?

               Durch die digitale Transformation nehmen wir
               immer mehr Informationen auf. Wir können
               Informationen, die nicht mehr relevant sind,
               vergessen. Maschinen und Künstliche Intelli­
               genzen (KI) können das nicht. Im Projekt
               »Intentionales Vergessen und Änderungen
               in Arbeitsprozessen« erforschen derzeit acht
               Forschungsteams, wie man von unserem             Sinnvoll mit Informationen umgehen            bar zu machen. Eine Anwendung, in der
               Vergessen profitieren und dies auf Organisa­     »Um in Zukunft die Informationsflut noch zu   intentionales Vergessen erprobt wird, ist der
               tionen übertragen kann. Zu einem Team            beherrschen, müssen Maschinen vergessen       Helpdesk der T U Dortmund. Beschäftigte
               gehört Prof. Dr. Christoph Beierle. Er leitet    können«, erklärt Beierle. Die Teams model­    sehen dann nur die Informationen in ihrem
               das Lehrgebiet Wissensbasierte Systeme an        lieren mit Methoden der Informatik und        I T-System, die für eine Anfrage relevant sind.
               der FernUniversität in Hagen. Gefördert wird     der Psychologie verschiedene Ansätze, um
               das Projekt von der Deutschen Forschungs­        zu schauen, wie Maschinen das Vergessen       Gewinner »Distinguished Paper
               gemeinschaft (D F G).                            erlernen könnten. Häufigkeit und letzter      Award«
                  »Der Begriff Vergessen ist oft negativ        Zeitpunkt der Verwendung, Vernetzung mit      Für seine Forschung erhielt Beierle gemein­
               besetzt. Situationen, in denen wir etwas ver­    anderen Angaben und die Verbundenheit mit     sam mit Kai Sauerwald (Lehrgebiet Wissens­
               gessen haben, passieren uns täglich und wir      Ereignissen sind hierbei von Relevanz.        basierte Systeme) und Prof. Dr. Gabriele
               ärgern uns«, sagt Beierle. Das Nicht-Vergessen      Informationen, die diese Punkte nicht      Kern-Isberner (T U Dortmund) im September
               führt aber durch die Informationsflut und die    mehr erfüllen, können dann unter eine         2020 den »Distinguished Paper Award« der
               Digitalisierung zu immer größeren Problemen      »Schwelle« rutschen und es bedarf mehr        E C A I 2020, der bedeutendsten K I-Konferenz
               und Belastungen in Organisationen und auch       Aufwand, diese in das Bewusstsein zu          in Europa.
               bei den Beschäftigten.                           rücken. Im Rahmen des Projekts wurden
                                                                auch verschiedene Arten des Vergessens        MEHR ERFAHREN:
                                                                identifiziert, um sie für Anwendungen nutz­   fernuni.de/intentionales-vergessen

Jahrbuch 2020 Forschung                                                                                                                                         19
S YS TEM R EL EVA N Z

                                                                                                                             Kulturelle
                                                                                                                             »Leitplanken«
                                                                                                                             für das
                                                                                                                             eigene Leben
                                                                                                                                                 Welche Bedeutung hat die Kultur für die
                                                                                                                                                 Gesellschaft? Ist sie tatsächlich »systemrele­
                                                                                                                                                 vant«? Beides sind grundsätzliche Fragen,
     Bedröppelt, aber kreativ                                                                                                                    sie stellen sich jedoch verschärft im Zusam­
     »Wirtschaftlich ist das für unser Theater mitsamt Gastronomie eine                            Da kann auch der Doktor nichts machen:        menhang mit der Corona-Pandemie. Der
                                                                                      »Bedröppelt« steht der medizinische Kabarettist Ludger
     kom­plizierte Zeit. Im Rahmen des Infektionsschutzes und unserer Verant­                                                                    Soziologie-Professor Dr. Frank Hillebrandt
                                                                                   Stratmann im geschlossenen Stratmanns Theater in Essen,
     wortung aber nehmen wir die ›Pause‹ an, um neue Pläne zu schmieden                      das sein Sohn Philipp als Geschäftsführer leitet.   von der FernUniversität in Hagen sagt hierzu
     und kreativ zu arbeiten. So haben wir auch ein variables Bestuhlungs­                                                                       mit großem Nachdruck: »Wir leben in einer
     konzept entwickelt, mit dem wir auf alle Vorgaben reagieren können.                                                                         Gesellschaft, in der die Lebensführung nicht
     Damit ist gesichert, dass wir, sobald es wieder möglich ist, unseren Gästen                                                                 vorgegeben ist, etwa durch die Geburt. Um
     mit unseren Komödien und Shows auch in Verbindung mit unserer                                                                               die Form, in der wir ganz persönlich leben
     Gastronomie schöne familiäre Abende bieten können. Sehr hilfreich sind                              »Kultur ist nicht nur                   wollen, zu finden, brauchen wir das Kulturelle
     die finanzielle Unterstützung durch die Finanzierungs­programme und                                      systemrelevant,                    als Orientierungshilfe. Kultur ist damit grund­
     der Zuspruch unserer Freunde und Fans. Deshalb sind wir, wie man im                                sie ist existenziell für                 sätzlich eine der wichtigsten Voraussetzun­
     Ruhrgebiet sagt, ›bedröppelt‹ – aber dennoch optimistisch!«                                        unsere Gesellschaft!«                    gen dafür, dass wir unser Leben selbst nach
     Philipp Stratmann, Geschäftsführer des                                                                                                      unseren eigenen Vorstellungen gestalten
     Stratmanns Theaters in Essen                                                                                                                können. Sie ist nicht nur systemrelevant, sie
                                                                                                                      Prof. Frank Hillebrandt    ist existenziell für unsere Gesellschaft!«

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»Wir leben in einer Gesellschaft,                                          wusste, die ›so sind wie ich‹; das hört man      darunter fassen, sind einfach unbedingt not­
                                                                                                        auch von Woodstock-Zeitzeuginnen und             wendig für unsere Gesellschaft.« Seine große
              in der die Lebensführung nicht vorgegeben ist,
                                                                                                       -Zeitzeugen.« Dagegen ist die Musik in der        Sorge ist, dass – wenn sich die Situation nicht
                         etwa durch die Geburt. Um die Form,                                            Erinnerung weniger wichtig.                      bessert – viele Veranstalter und Veranstalte­
                     in der wir ganz persönlich leben wollen,                                                                                            rinnen pleitegehen: »Und die kommen nicht
                       zu finden, brauchen wir das Kulturelle                                          Existenzielle Grundlage für                       wieder zurück, darüber müssen wir uns im
                                      als Orientierungshilfe.«                                         offenes Zusammenleben                             Klaren sein.«
                                                                                                       Kultur ist aus soziologischer Sicht also höchst      Eine längerfristige Lockdown-Situation
                                                                                                       relevant für das (Gesellschafts-)System, eine     würde damit auch Nachwuchskünstlerin­
                                                              Prof. Frank Hillebrandt                  existenzielle Grundlage für pluralistisches,      nen und Nachwuchskünstlern die Chancen
                                                                                                       offenes Zusammenleben.                            nehmen, bekannt zu werden, sich weiter­
                                                                                                          Deshalb hat Hillebrandt auch große Pro­        zuentwickeln, erfolgreich zu werden und zu
                                                                                                       bleme mit der Diskussion über die System­         wirken.
   Beispielhaft macht der Leiter des Hagener        anstaltung‹ ist. Das ist ein unvergleich­liches    relevanz: »Wer sagt, dass die Kultur diese
Lehrgebietes Soziologie 1 – Allgemeine              Gefühl!« Und wenn man das nicht hat?               Relevanz nicht hat, hat überhaupt keine           MEHR ERFAHREN:
Soziologie und Soziologische Theorie das            »Dann geht man einfach nach Hause.«                Ahnung, in welcher Gesellschaft wir leben.        fernuni.de/kulturelle-leitplanken
an Konzerten und Festivals fest: »Sie sind             Rückblickend lassen sich zum Beispiel           Kultur und alle expressiven Formen, die wir
höchst wichtig, weil wir da genau die               viele, oft tiefgehende Veränderungen als
Menschen finden, mit denen zusammen wir             Folge der Musik und der Festivalkultur der
unsere kulturellen Vorstellungen verwirk­           1960er- und 1970er-Jahre ebenso erkennen
lichen können. Wenn das nicht möglich ist,          wie die Bedürfnisse, die sie stillten. Das zeigt
geht enorm viel verloren und letztendlich           auch das »Love-and-Peace-Festival« 1970                                                                               Forschen zu Popkultur und Festivals:
                                                                                                                                                                 Prof. Frank Hillebrandt und Amela Radetinac
könnte unsere Gesellschaft an den Abgrund           auf Fehmarn. Mit dem Nachfolgeereignis zu
geführt werden.« Soweit ist die Situation           Woodstock haben sich Hillebrandt und seine
für den Wissenschaftler zurzeit aber nicht.         Mitarbeiterin Amela Radetinac intensiv befasst.
                                                    Den Hippies ging es damals darum, »es
Das Gefühl                                          anders zu machen« als üblich. Das hat sich
»Hier bin ich richtig« haben                        bis in die heutige Ökonomie durchgesetzt, die
Einen wirklichen Ersatz für ausfallende Kon­        Arbeitsstrukturen etwa sind oft ganz andere
zerte und Festivals durch virtuelle Formate         als vor 50 Jahren. In Gesellschaft und Politik
sieht Hillebrandt nicht. Gerade die physische       sieht Hillebrandt einen direkten Weg von den
Präsenz, das Zusammenkommen, das Erlebnis,          »Blumenkindern« über die Sponti-Bewegung
Musik zu hören, ist durch das Internet oder         zu den Grünen. Bei den Musikereignissen war
andere digitale Formen für ihn nicht zu erset­      jedoch nach den Erkenntnissen der beiden
zen: »Physisches Zusammenkommen kann                FernUni-­Forschenden nicht die Musik der
das durchaus körperliche Gefühl erzeugen,           entscheidende Grund für die Popularität eines
dass ›ich hier richtig‹ bin, dass das ›meine Ver­   Festivals, sondern »dass man viele um sich

Jahrbuch 2020 Forschung                                                                                                                                                                                          21
»Krankenhäuser können und müssen auch als Wirtschafts­
                                                                                                 betriebe gesehen werden, in denen es um Wertschöpfung
                                                                                                 geht, da viele Prozesse betriebswirtschaftlicher Natur sind«,
                                                                                                 betont Karolin Kappler. »Deshalb wollten wir Technologien
                                                                                                 und Prozesse, die im Zuge der Industrie 4.0 eingeführt wurden,
                                                                                                 mit denen in Kliniken vergleichen und schauen, wo die
                                                                                                 deutschen Krankenhäuser stehen.«
                                                                                                    Die Evaluierung mit Online-Umfrage und Interviews ergab,
                                                                                                 dass Mobile Health, Big Data und Internet of Things lang­
                                                                                                 fristig helfen und viele Wertschöpfungsprozesse verbessern
                                                                                                 können. Das gilt auch für Robotik, Virtual und Augmented
                                                                                                 Reality sowie Radio Frequency Identification (R F I D, »Identifi­
                                                                                                 zierung durch elektromagne­tische Wellen«). Die größten
                                                                                                 Potenziale maßen die Fachleute vor Ort dem Internet of
                                                                                                 Things und Big Data zu: »Viele Kranken­häuser sind ja immer
                                                                                                 noch recht analog aufgestellt«, so Karolin Kappler. Mit mehr
                                                                                                 Digitalisierung hoffen die Befragten, einem der größten Prob­
     DIG ITA LISIE R U N G                                                                       leme der Krankenhäuser abhelfen zu können: unzureichender
                                                                                                 Flexibilität. In den Interviews kam immer wieder heraus, dass

     Defizite in Krankenhaus-­                                                                   vor allem kleine Krankenhäuser, aber auch die Universitäts­
                                                                                                 kliniken, schnell an ihre Kapazitäts­grenzen stoßen können.
                                                                                                    Krankenhäuser sind komplexe Organisationen. Ihr medizi­

     Organisationen                                                                              nischer (Kern-)Betrieb wird erst durch viele Dienstleistungen
                                                                                                 und Prozesse ermöglicht. Beim Einkauf von Gütern und
                                                                                                 externen Dienstleistungen sowie beim Recruiting von Arbeits­
                                                                                                 kräften sind sie mit hoher Nachfrage am Markt konfrontiert –
                             Wo sehen Fachleute deutscher Krankenhäuser die größten              so wie auch viele Industrieunternehmen.
                             Potenziale, um Mängel im Leistungsspektrum zu beheben?                 Ausgangspunkt der Studie war die Masterarbeit von Florian
                             Das wollten Prof. Dr. Stefan Smolnik, Dr. Karolin Kappler und       Neft zum Einfluss neuer Logistikdienstleistungen und Techno­
                             Florian Neft wissen. Die deutschlandweite Daten­erhebung des        logien auf die Wertschöpfung im Krankenhaus, bei der er von
                             Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Betrieb­      Karolin Kappler betreut wurde.
                             liche Anwendungssysteme der FernUniversität zeigte, dass sich
                             die Krankenhäuser erheblich anstrengen müssen, um gleich­
                             zeitig Versorgungsqualität, Profitabilität und Risikoresistenz zu   MEHR ERFAHREN:
                             garantieren.                                                        fernuni.de/klinik-defizite

                                  Prof. Stefan Smolnik und Dr. Karolin Kappler
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»An der FernUni
 herrscht ein freiheitlicher
 Forschungsgeist.«
Dr. Jens Fischer
aus Hagen · Jurist · Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der
Rechtswissenschaftlichen Fakultät der FernUniversität

            »Für mich war es ein Glücksfall, an der FernUniversität zu promo-
            vieren: Meine Doktormutter Professorin von Schlieffen hat die
            Konzeption meiner Dissertation stets unterstützt und als Wissen-
            schaftlerin selbst entscheidende Impulse gesetzt, an die ich anknüpfen
            konnte. In der Arbeit habe ich die Struktur juristischer Argumentation
            untersucht und zwar vor dem Hintergrund der von Aristoteles begrün-
            deten Rhetoriktradition. Unser fachlicher Austausch war immer sehr
            inspirierend und fand stets auf Augenhöhe statt. Insgesamt bin ich
            begeistert vom Forschungs- und Arbeitsklima an der FernUni: Man
            hat durch die Vielzahl der Veranstaltungen an der FernUni immer die
            Möglichkeit, auch interdisziplinäre Anregungen zu erhalten. Außerdem
            herrscht allgemein ein freiheitlicher Forschungsgeist.«

Jahrbuch 2020 Forschung                                                              23
Hochschule

24                Hochschule   FernUniversität in Hagen
NEW LEARNING                                                                                                                                               FernUniversität übernimmt
                                                                                                                                                           Verantwortung als Pionierin

Hagener Manifest fordert,                                                                                                                                  des New Learning
                                                                                                                                                           In der Corona-Krise wurde die FernUni­versität
                                                                                                                                                           zum Vorbild. Was nun an Schulen und

das Lernen neu zu denken                                                                                                                                   Hoch­schulen zur ungeplanten Notwen­dig­
                                                                                                                                                           keit wurde, wird hier bereits seit mehr als
                                                                                                                                                           40 Jahren praktiziert. Die einzige staatliche
                                                                                                                                                           Fernuniversität in Deutschland erforscht und
Initiiert von der FernUniversität zeichneten führende Bildungsfachleute in 12 Thesen                                                                       entwickelt immer wieder neue Methoden und
ein Bild davon, wie gutes Lernen im Zeitalter der Digitalisierung gelingt. Mehr als                       lisierung verändert Gesellschaft, Arbeits- und   Technologien der zeit- und ortsunabhängigen
1.000 Personen haben das Manifest inzwischen unterzeichnet.                                               Lebenswelt fundamental.                          Lehre. Dafür stehen ins­besondere das Insti­
                                                                                                              In zwölf Thesen führt das Hagener Mani­      tut für Bildungs­wissen­schaft und Medien­
                                                                                                          fest aus, wie New Learning es ermöglichen        forschung, das Zentrum für päda­go­gische
                                                                                                          kann, den digitalen Wandel aktiv mitzu­          Berufsgruppen- und Orga­nisa­tions­forschung
Seit im Frühjahr 2020 erstmals pandemie­             kann, davon war die Rektorin der FernUni­            gestalten. Das Manifest beschränkt sich          ZeBO Hagen sowie der Forschungsschwer­
bedingt Schulen geschlossen wurden, steht            versität, Prof. Dr. Ada Pellert, überzeugt. »Die     dabei nicht auf die Forderung nach besserer      punkt Digitalisierung, Diversität und Lebens­
das Thema Bildung ganz oben auf der                  Revolution des Lernens hat begonnen«, lau­           Hard- und Softwareausstattung und geht           langes Lernen D²L². Sie waren maßgeblich
Agenda der gesellschaftlichen und politischen        tete der Titel eines Interviews, das sie im Juni     damit weit über die aktuellen tagespolitischen   an der Formulierung des Hagener Manifests
Debatten. Allerdings waren diese häufig              2020 der Frankfurter Allgemeinen Zeitung             Kontroversen hinaus. Technik ist zwar ein        beteiligt, das auch vom Rektorat der FernUni­
angstgetrieben und defizitorientiert: Es ging        gab. »Die Reaktion auf Corona darf nicht nur         wichtiges Mittel für die Neugestaltung des       versität mitgetragen wird.
um potenzielle Gesundheitsrisiken von Prä­           in besserer Hygiene bestehen. Seifenspender          Lernens, aber kein Selbstzweck. New Learn­
senz- und Distanzunterricht, um fehlende             sind gut, aber gutes Lernen ist wichtiger«,          ing bedeutet vielmehr, die Lernenden mit         Vernetzung und Verbreitung
digitale Endgeräte und schwache Internet­            betonte Pellert darin. »Wir haben in den ver­        ihren individuellen Stärken und Bedürfnissen     Ziel des Hagener Manifests war es auch, den
bandbreiten oder darum, wie Eltern sich              gangenen Wochen eine neue Praxis von Ler­            in den Mittelpunkt zu stellen. Darum fordert     Wissenstransfer zwischen Bildungsinstitutio­
zwischen Homeoffice und Homeschooling                nen kennengelernt. Es wäre jammerschade,             das Manifest auch, die Grenzen zwischen          nen, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft
aufreiben. Dass die Corona-Krise aber auch           wenn wir das einfach wieder vergäßen.«               den Bildungseinrichtungen zu überwinden          zu unterstützen und neue Netzwerke zu
ein Lernauslöser für das Bildungssystem sein            Das Programm dafür, Lernen neu und                und das Lernen konsequent als lebenslangen       knüpfen. Darum hat die FernUniversität
                                                     anders zu denken, war zu diesem Zeitpunkt            Weg zu begreifen, bei dem die Lehrenden          sich für das Hagener Manifest prominente
                                                     bereits in Arbeit. Initiiert von der FernUniversi­   die Rolle von partnerschaftlichen Lernbeglei­    und kompetente Unterstützung eingeladen.
                      »Die Revolution                tät formulierten führende Bildungs­expertinnen       terinnen und Lernbegleitern übernehmen.          Unter den Erstunterzeichnenden sind so
                          des Lernens                und -experten im Sommer 2020 in einem                Das Manifest setzt sich darüber hinaus mit       unterschied­liche Persönlichkeiten wie die Pub­
                                                     kollaborativen Arbeitsprozess das Hagener            Fragen der Bildungsgerechtigkeit, der Ver­       lizistin und Kommunikationswissenschaftlerin
                      hat begonnen.«   
                                                     Manifest zu New Learning. Das brauchte es            netzung von Bildungsangeboten und der            Miriam Meckel, der Vorstand der Bertels­mann
                                                     nicht erst wegen Corona. Es ist der digitale         Bewertung von Lernerfolgen auseinander,          Stiftung Jörg Dräger, Magdalena Rogl, Head
                        Rektorin Prof. Ada Pellert   Wandel, der ein grundlegend neues Verständ­          mit Medienkompetenz und Data Literacy,           of Digital Channels bei Microsoft Deutschland,
                                                     nis vom Lernen nötig macht. Denn die Digita­         Datenschutz und digitaler Diskriminierung.       oder der Social-Media-Influencer und »Netz­

Jahrbuch 2020 Hochschule                                                                                                                                                                                     25
lehrer« Bob Blume. Die Gruppe teilt nicht nur
     die Grundüberzeugung, dass es New Learn­
     ing braucht, sondern auch den Willen, sich
     dafür gemeinsam zu engagieren. Nach der
     Unterzeichnung des Hagener Manifests am
     29. September 2020, die pandemiebedingt in
     einer Videokonferenz vollzogen wurde, nutz­
     ten die Erstunterzeichnenden und die Fern­
     Universität ihre Kommunikationskanäle, um
     Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu animieren.
     Mit Erfolg: Denn bis zum Ende des Jahres
     hatten schon mehr als 1.000 Personen das
     Hagener Manifest unterzeichnet. Die Bericht­
     erstattung in überregionalen Medien sorgte
     ebenso für eine Verbreitung der Initiative wie
     eine lebhafte Debatte in den Sozialen Medien
     unter den Hashtags #NewLearning und
     #HagenerManifest.

     Virtueller Kongress bringt Wissen-
     schaft, Praxis und Politik zusammen
     Am 26. November 2020 veranstaltete die
     FernUniversität einen virtuellen Kongress
     zum Hagener Manifest, der die Debatte um
     New Learning weiterführte. In einleitenden
     Impulsen beschrieben drei der Beteiligten        Schrader, wissenschaftlicher Direktor am        New Learning und New Work oder daran,          scheidend, dass die Akteurinnen und Akteure
     des Hagener Manifests, wie ihr jeweiliges        Deutschen Institut für Erwachsenenbildung,      radikale Visionen für eine neue Bildungs­      nicht weiter in den Grenzen von Zuständig­
     Fachgebiet zur Entwicklung von New Learn­        widmete sich der Frage, was Lehrkräfte          politik zu entwerfen.                          keiten, Institutionen und Einzelsystemen
     ing beitragen kann. Der Bildungswissen­          wissen und können müssen, wenn Lernende            Um Bildungspolitik ging es auch in der      denken: »Wir kommen nur weiter, wenn wir
     schaftler Prof. Dr. Jan L. Plass von der New     im Mittelpunkt stehen sollen. In sechs Work­    abschließenden Podiumsdiskussion, bei          nicht mit dem Finger auf andere zeigen, son­
     York University beschrieb die Rolle, die neue,   shops konnten Teilnehmerinnen und Teil­         der die FernUni-Rektorin fünf Bundestags­      dern endlich mehr Kooperation für eine neue,
     digitale Medien für die Weiterentwicklung        nehmer tiefer in die Diskussion einsteigen      abgeordnete aus Regierungs- und Opposi­        gemeinschaftliche Bildungspolitik wagen.«
     des Lernens haben. Seine Fachkollegin Prof.      und sich aktiv beteiligen: an der Entwicklung   tionsfraktionen mit der Frage konfrontierte,
     Dr. Claudia de Witt von der FernUniversität      von Ideen für einen Wandel des Schul- und       wie die Politik New Learning unterstützen      MEHR ERFAHREN:
     in Hagen gab Einblick in ihre Forschung          Hochschulsystems, an einem Austausch über       kann – etwa mit gesetzlichen Rahmenbe­         fernuni.de/hagener-manifest
     zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz in       beispielhafte Anwendungen von neuen             dingungen oder den nötigen Finanzmitteln.
     adaptiven Lernumgebungen. Prof. Dr. Josef        Lehrkonzepten, an der Verknüpfung von           Aus Sicht von Ada Pellert ist es dabei ent­

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H O C H SC H U LR AT

                Premiere und Wiedersehen
                Christiane Schönefeld aus dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit und                                                         und Internationalisierung. Im Januar 2019
                Prof. Theo J. Bastiaens, Rektor der Open Universiteit im niederländischen Heerlen,                                              wurde er zum Rektor der Open Universiteit
                kamen im Jahr 2020 neu in den Hochschulrat der FernUniversität.                                                                 Nederland in Heerlen gewählt.
                                                                                                                                                  In einem Doppelinterview mit FernUni-­
                                                                                                                                                Rektorin Prof. Ada Pellert anlässlich seines
                                                                                                                                                damaligen Abschieds bekräftigte Bastiaens
                                               Gleich eine doppelte Premiere erlebte der      schaltet – und erstmals nahm Christiane           2018: »Wir arbeiten gerne zusammen. Wir
                                                Hochschulrat der FernUniversität in Hagen     Schönefeld als neues Mitglied des Gremiums        haben einiges bewegt und das möchten wir
                                                   bei seiner 55. Sitzung am 15. Juni 2020.   teil. Seit 2019 ist sie im Vorstand der Bundes­   auch in der Zukunft fortführen.« Die Fern­
                                                     Erstmals tagte das Gremium auf­          agentur für Arbeit zuständig für den Bereich      Universität und die Open Universiteit arbeiten
                                                      grund der Einschränkungen durch         Personal, Controlling und Finanzen. In den        seit Jahren eng zusammen und setzen sich
                                                        die Corona-Pandemie in hybrider       Hochschulrat der FernUniversität möchte sie       dabei vor allem gemeinsam für die Weiterent­
                                                        Form – einige der Mitglieder waren    gerne ihre Erfahrungen aus dem Bereich            wicklung der Fernlehre in einer europäischen
                                                        per Videokonferenztechnik zuge­       der arbeitsmarktlichen Beratungskompetenz         Perspektive ein. Schon als Prorektor in Hagen
                                                                                              einbringen. Die engere Verzahnung von Erst­       hatte sich Bastiaens für diese Zusammenarbeit
                                                                                              ausbildung und Weiterbildung im Sinne des         stark gemacht, er setzt dieses Engagement
                                                                                              Lebenslangen Lernens ist ihr ebenso wichtig       nun in seiner neuen Rolle als Mitglied des
                                                                                              wie Innovationen im Bildungssystem: »Ich          Hochschulrats der FernUniversität fort.
                                                                                              glaube, bei dem Thema Digitalisierung von
                                                                                              Bildung können wir in Deutschland noch viel       MEHR ÜBER DEN HOCHSCHULRAT:
                                                                                              weiterentwickeln, und das würde ich gerne         fernuni.de/hochschulrat
                                                                                              mitgestalten.«
                                                                                                 Zwar ebenfalls neu im Hochschulrat, aber
       Christiane Schönefeld,                                                                 dennoch an der FernUniversität ein »alter         »Wir haben einiges bewegt
       Bundesagentur für Arbeit
                                                                                              Bekannter« ist Prof. Dr. Theo J. Bastiaens,       und das möchten wir auch
                                                                                              der am 9. November 2020 erstmals an einer         in der Zukunft fortführen.«
                                                                                              Hochschulratssitzung teilnahm. Bastiaens war
                                                                                              von 2006 bis 2018 Professor und Leiter des
                                                                                              Lehrgebiets Mediendidaktik an der Fern­           Prof. Theo J. Bastiaens
                    Prof. Theo J. Bastiaens,                                                  Universität und von März 2016 bis Dezember
                          Open Universiteit
                                                                                              2018 außerdem Prorektor für Digitalisierung

Jahrbuch 2020 Hochschule                                                                                                                                                                         27
Imker Markus Kroll            AU S S EN G EL Ä N D E
     kümmert sich um
     die Bienen auf dem
     FernUni-Campus.
                                   Auf dem Weg zum
                                   nachhaltigen Campus
                                   Wildblumen blühen auf dem Campus. Bienen summen am Waldrand.
                                   Elektroautos werden an den neuen Dockingstationen aufgeladen.
                                   Der Campus der FernUniversität in Hagen ist während der Corona-
                                   Krise nachhaltiger geworden.

                                                Kanzlerin Birgit Rimpo-Repp hatte bei ihrem Amtsantritt im
                                                Herbst 2019 angekündigt, die Außenflächen auf dem
                                                Campus vielfältiger und bunter zu gestalten. »Das Thema
     »Das Thema                                 Nachhaltigkeit liegt mir am Herzen«, sagt die Verwaltungs­
     Nachhaltigkeit liegt                       chefin. »Ich baue darauf, dass viele Menschen Ideen
     mir am Herzen.«                            einbringen und an den Veränderungen mitarbeiten. Wir
                                                können unsere Universität nur alle gemeinsam verändern.«

     Kanzlerin Birgit Rimpo-Repp                Wildblumen und Bienenvölker
                                                Der Anfang ist gemacht. Während der Corona-Krise ist viel
                                                passiert. Rund 7.000 der insgesamt 19.000 Quadratmeter
                                                Rasen haben sich in bunte Wildblumenwiesen verwandelt.
                                                Zusätzlich wurden 1.250 Blumenzwiebeln auf den Wiesen
                                                eingepflanzt, damit die Außenflächen im Frühjahr noch
                                                farbenfroher werden.
                                                  Fünf Bienenvölker sind auf den Hagener Campus gezogen.
                                                »Wir haben an der FernUniversität eine wunderschöne
                                                Lage mit viel Wald und vielen Blumen auf dem Campus und
                                                drumherum«, sagt Dr. Patric Albrecht als Marketingleiter der
                                                Hochschule über die Ansiedlung der Insekten.

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Die begrünten Dächer sorgen
                                                                                  für gute Luft auf dem Campus.

Tausende Bienen summen nun auf der ruhi­                                        »Ich baue darauf,
gen Grünfläche am Waldrand hinter der Villa                           dass viele Menschen Ideen
Bechem. Ein aufklappbarer Schaukasten
                                                                         einbringen und an den
beherbergt bald noch ein weiteres Volk. »Er
ermöglicht einen Blick ins Bienenvolk, ohne
                                                                     Veränderungen mitarbeiten.
es zu stören«, erklärt Imker Markus Kroll.                                    Wir können unsere
Der Fachmediendidaktiker an der Fakultät                                      Universität nur alle
für Kultur- und Sozialwissenschaften betreut                            gemeinsam verändern.«
die fleißigen Campus-Bewohnerinnen. Ein
spezielles Wildbienenhotel soll demnächst
die Schwestern der Honigbienen anlocken.                                           Kanzlerin Birgit Rimpo-Repp

Begrünte Dächer und
nachhaltige Baumpflege
Grün, nachhaltig und klimafreundlich sind
zudem die bepflanzten Dächer, die Schad­
stoffe und Feinstaub filtern und für gute      nun komfortabler möglich. Auf dem Campus         Neuer Spiel- und Sportbereich
Luft auf dem Campus sorgen. Auch die           ist eine abschließbare Fahrradgarage ent­        Alle Beschäftigten, Studierenden und Gäste
Baumpflege erfolgt inzwischen nachhaltig       standen. Arbeiten, studieren oder die Fern­      können sich daher schon jetzt freuen, wieder
mit Seilklettertechnik und ohne Hubsteiger.    Universität besuchen und gleichzeitig das        häufiger auf dem Campus zu sein, wenn
                                               Elektroauto aufladen: Auch das ist seit dem      sich die Lage in der Corona-Krise beruhigt
Mobilität                                      vergangenen Jahr möglich. In Zusammen­           hat. Das Umfeld wird jedenfalls spätestens
Fahrt aufgenommen hat zudem das Thema          arbeit mit dem regionalen Energie­versorger      ab dem Frühjahr 2021 bunter, aktiver und
Mobilität. Mit dem E-Bike zur Arbeit fahren:   Mark-E hat das Gebäude­management vier           nachhaltiger. Auch, weil im laufenden Jahr
Das ist für Beschäftigte der FernUniversität   Plätze für Elektroautos auf dem Parkplatz 1      ein neuer Sport- und Spielbereich zur aktiven
                                               eingerichtet. Die Docking­stationen können       Mittagspause einladen und zum Treffpunkt
                                               mit einer Zeitbegrenzung von jeweils drei        für Beschäftigte und Studierende werden soll.
                                               Stunden genutzt werden.

Jahrbuch 2020 Hochschule                                                                                                                        29
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