LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
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LANDTAG LANDTAGS NACHRICHTEN Mecklenburg-Vorpommern 24. September 7/ 2020 www.landtag-mv.de +++ Landtag steht hinter Nord Stream 2 +++ Wie geht es weiter mit den Werften? +++ Leere Betten im Schullandheim +++ Nur noch 220 Fischereibetriebe +++ Nein zu 13 Euro Mindestlohn +++ „Vision 2030“ für die Ostsee +++ Landes- kurzarbeitergeld abgelehnt +++ Historisches mit vier Reißzwecken +++
2 I n h a l t 3 Gastkommentar Michael Seidel: „Warnung vor einer Bananenrepublik" 4 - 23 AUS DEM PLENUM 4 Aktuelle Stunde Mecklenburg-Vorpommern in Zeiten der Pandemie - Erreichtes und Herausforderungen (auf Antrag der CDU-Fraktion) 5 - 11 Auszüge aus der Torsten Renz (CDU), Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, Horst Förster (AfD), Original-Debatte Thomas Krüger (SPD), Torsten Koplin (DIE LINKE) 12 - 21 Berichte Landtag steht hinter Nord Stream 2 Polizeiarbeit wertschätzen Kein Taser im Streifendienst Wie geht es weiter mit den Werften? Film ab! Leere Betten im Schullandheim 22 - 23 Meldungen Nur noch 220 Fischereibetriebe Erleichterungen für klamme Kommunen Mehr als 50 neue Aufgaben Nein zu 13 Euro Mindestlohn Kein zusätzlicher Förderbericht Landeskurzarbeitergeld abgelehnt 24 Gesetzgebung Laufende und abgeschlossene Gesetzgebung 25 - 30 AUS DEN AUSSCHÜSSEN Kritischer Vortrag – Enquete Kommission Medizinische Versorgung „Vision 2030“ für die Ostsee – virtuelle Ostseeparlamentarierkonferenz Frist verlängert – Umweltpreis 2021 Schlössertour – Informationsbesuche des Finanzausschusses Fährverbindungen – Expertengespräch im Energieausschuss Titelfoto: Landtag MV Filmabend im Schlossinnenhof 31 - 35 PANORAMA aufgeSCHLOSSen – Ein bunter Sommer im Schlossinnenhof 32 - 33 Das Schloss vor 30 Jahren Historisches mit vier Reißzwecken – Dr. Irmela Grempler war 1990 am Aufbau des Landtages beteiligt 36 Chronik Impressum Herausgeber: Layout: Uwe Sinnecker Namentlich gekennzeichnete Beiträge Landtag mecklenburg-Vorpommern geben nicht in jedem Fall die Meinung des - Öffentlichkeitsarbeit - Druck: produktionsbüro TINUS Herausgebers wieder. Schloss, Lennéstraße 1, 19053 Schwerin Gedruckt auf Recyclingpapier Alle Abbildungen sind urheberrechtlich Fon: 0385 / 525-2113, Fax 525-2151 geschützt. Nachdruck nur mit schriftlicher E-Mail: oeffentlichkeitsarbeit@landtag-mv.de Zugunsten des Leseflusses und aus Platz- Genehmigung des Herausgebers. Internet: www.landtag-mv.de gründen haben wir bei der Bezeichnung von Menschengruppen manchmal nur die Die LANDTAGSNACHRICHTEN können redaktion: Referat Öffentlichkeitsarbeit, männliche Form verwendet. In solchen kostenlos bezogen werden. Bestellungen Anna-Maria Leistner Fällen ist die weibliche Form mitgedacht. sind an den Herausgeber zu richten. Redaktionsschluss 4. September 2020 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2020
G a s t k o l u m n e 3 Foto: Ecki Raff Warnung vor einer Bananenrepublik Michael Seidel ist Chefredakteur der Schweriner Volkszeitung, der Norddeutschen Neuesten Nachrich- ten und Der Prignitzer. Umstritten war Nord Stream 2 von Ein zweites Argument ist die Sorge um dem Mauerfall entgegenbrachte. Und Anbeginn. Doch Mecklenburg-Vorpom- das Gas-Transitland Ukraine. Abgesehen schließlich kann man das aktuelle Ringen mern hatte das Projekt immer unter- von dem Widerspruch in sich – auch um Nord Stream 2 auch unter diesem As- stützt. Und es wurde unter Beachtung die Ukraine transportiert schließlich nur pekt betrachten: Mecklenburg-Vorpom- aller berechtigten Bedenken durch alle russisches Gas – taugt das Argument mern darf es sich nicht bieten lassen, dass deutschen und internationalen Instan- nicht. Denn die zwischen Westorientie- eine seiner wenigen Chancen von außen „ zen genehmigt. rung und Russlandtreue zerrissene Uk- torpediert wird, mit der Anlandestation „ in Greifswald-Lubmin einen eigenstän- Gesetztes Recht muss gelten digen industriellen Kern für Jahrzehnte zu gewinnen. und einklagbar sein. Die Einhelligkeit, mit der das Parlament Ende August die US-amerikanische Ein- Zu Rechtsstaatlichkeit und guter Regie- raine ist kein bemitleidenswertes Land, mischung in innere Angelegenheiten rungsführung gehört das Kriterium Ver- sondern hat sich in der Vergangenheit zurückwies, bezeugte einen lokalpatrio- lässlichkeit: Gesetztes Recht muss gelten mehrfach selbst als Unsicherheitsfaktor tischen Schulterschluss – wenn auch mit und einklagbar sein. Das gilt auch für für die westeuropäische Gasversorgung unterschiedlichen Intentionen. Doch die geschlossene Verträge. Genau das ver- erwiesen: Weil sie ihr Pipelinesystem ver- Landespolitiker sollten sich vor billigem suchte die sogenannte westliche Welt tragswidrig nicht in Schuss hielt, immer Antiamerikanismus hüten, denn erstens den EU-Beitrittskandidaten Anfang der wieder illegal Gas abzweigte oder die sind Trumpisten nicht „die USA“ und 2000-er Jahre nahezubringen. Und seit Durchleitung blockierte. Seit Anfang die- zweitens hatte schon die Obama-Admi- Jahrzehnten versucht sie diese Prinzipien ses Jahres ist übrigens die Verlängerung nistration scharf gegen Nord Stream 2 in der Entwicklungspolitik Schwellen- der Transit-Verträge mit Russland besie- geschossen. oder Entwicklungsländern „beizubrin- gelt. Auch diese Verträge sollen ja gelten. gen“. Wenn also Europa nicht zur Bananenre- Daneben gibt es jedoch durchaus legi- publik verkommen will, muss das Projekt time Kritik am Pipelineprojekt. Wenn die- Doch ausgerechnet im eigenen Wir- vollendet werden – ungeachtet US-ame- se Kritiker, unter anderen die deutschen kungskreis soll jetzt aus geopolitischem rikanischer Interessen und berechtigter und europäischen Grünen, nun Morgen- Kalkül heraus eine internationale Mam- europäischer Gelüste, dem autokratisch luft wittern, ihre seinerzeit unterlegenen mut-Investition durch massiven politi- mit seinen Oppositionellen umsprin- Argumente im Zuge der aktuellen Situa- schen Druck kurz vor der Fertigstellung genden Russland politische Daumen- tion doch noch durchzubringen, könnte torpediert, sollen Verträge also gebro- schrauben anzulegen. Hier kommt ein das zu einem Milliardengrab führen. chen werden. Bedenklich waren schon zweiter Aspekt ins Spiel: Womöglich Dieses Desaster wäre Wasser auf Putins die mit der neuen EU-Gasrichtlinie nach- waren Bedenken gegen die Pipeline bei Mühlen: Der aus seiner Sicht dekadente träglich geänderten Rechtsnormen. Als der Genehmigung 2018 auch deshalb Westen hätte sich selbst desavouiert. ein Argument wird angeführt, Deutsch- zurückgestellt worden, weil die EU über Und innenpolitisch könnte Putin wohl land und Europa machten sich zu abhän- das von westeuropäischen Energiekon- den Großteil der Russen nochmals um gig von Russland. Albern, weil die USA zernen finanzierte Projekt ein wenig Wie- sein Herrschaftssystem scharen. Das gegenüber saudischen Ölscheichs offen- dergutmachung betreiben wollte für all wäre ein Pyrrhussieg für Pipelinekritiker. bar keinerlei Skrupel haben. die Arroganz und Ignoranz, die der Wes- ten dem zerfallenden Sowjetreich nach Michael Seidel LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2020
4 A u s d e m P l e n u m / A u s z ü g e a u s d e r O r i g i n a l - D e b a t t e Foto: Uwe Sinnecker Folgen Die Wirtschaft brauche ebenfalls mehr Unterstützung. „Es muss einen weiteren Regierung brauche Corona inzwischen. „Was wäre denn, wenn herauskäme, der Pandemie Nachtragshaushalt geben.“ Der werde nicht ohne Neuverschuldung auskom- men. Eine der größten Baustellen bleibe dass das alles nicht notwendig war? Das wäre verhängnisvoll für Ihre Situation!“ Die Aktuelle Stunde – eine die Digitalisierung. Schulen seien nach Thomas Krüger, Fraktionschef der SPD, kontroverse Diskussion über den wie vor nur unzureichend auf E-Learning stellte den Schulstart in den Mittel- Weg durch die Krise vorbereitet. Dem SPD-geführten Bil- punkt. Dieser habe gut funktioniert. „In dungsministerium warf er vor, das The- den allermeisten Schulen konnte trotz ma verschlafen zu haben. erschwerter Bedingungen in fast allen Corona. Die Pandemie ist das The- Fächern jeden Tag ganz normaler Unter- ma des Jahres. Das zeigt sich auch in Ministerpräsidentin Manuela Schwesig richt stattfinden.“ Was dabei nicht helfe, der politischen Auseinandersetzung. warb um Vertrauen in die Regierungsar- seien die permanenten Versuche der Zum Beispiel an den Eröffnungsdebat- beit. Die vergangenen Wochen und Mo- Linken, Eltern und Schüler mit täglicher ten der zurückliegenden Sitzungswo- nate hätten gezeigt, dass die getroffenen Panikmache über fehlende Lehrer oder chen: Eine Aktuelle Stunde dazu im Schutzmaßnahmen wirkten. „Seit Beginn gefährdete Abschlüsse zu verunsichern. März. Eine Regierungserklärung im der Krise haben wir die niedrigsten Infek- Der Kritik des Koalitionspartners entgeg- Mai. Eine Aktuelle Stunde im Juni. Und tionszahlen in ganz Deutschland.“ Das sei nete er: „Voraussetzung für die Digita- auch im August, der ersten Sitzung insbesondere denen zu verdanken, die lisierung ist der Breitbandausbau.“ Und nach der Sommerpause, stand das sich an die Regeln hielten. „Niemand hat für den sei über Jahre ein CDU-geführtes Thema auf der Tagesordnung ganz sich die Konzepte ohne Not ausgedacht. Ministerium verantwortlich gewesen. oben. Den Schwerpunkt zu bestim- Sie sind notwendig und bleiben es men, oblag turnusgemäß der CDU. Sie auch.“ Noch sei die Pandemie nicht vorü- Holger Arppe (fraktionslos) warf Land betrachtete die Lage in MV unter den ber. Der Wirtschaft stellte sie ein Winter- und Bund vor, die Gesellschaft mit ihrer Stichworten „Erreichtes und Herausfor- Wirtschaftsprogramm in Aussicht. „Unser Corona-Politik zu spalten, sich jeder kri- derungen“. Eine kontroverse Debatte Hauptziel ist, das Land weiter gut und tischen Auseinandersetzung zu verwei- über Schutzmaßnahmen und Finanz- sicher durch die Krise zu führen.“ gern und die Krise damit immer mehr zu hilfen, Schulbeginn und Digitalisie- verstetigen. rung. Neuverschuldung und Geduld. Horst Förster (AfD) hielt der Regierung vor, an vielen Stellen überzogen gehan- Torsten Koplin (DIE LINKE) forderte klare Shutdown oder Lockerung? Im Rück- delt und Folgeschäden nicht abgewo- Antworten darauf, wer am Ende für die blick betrachtet, fällt es Torsten Renz gen zu haben. Nicht Risikogruppen zu Neuverschuldung zahlen werde. Seine (CDU-Fraktionsvorsitzender) leicht, zu schützen, sondern die Gesamtbevölke- Befürchtung: Geringverdiener und Fami- sagen was die größere Herausforderung rung in Haftung zu nehmen, sei ein Kardi- lien. Seine Forderung: eine Reichenabga- ist: „Lockerungen auf den Weg zu brin- nalfehler gewesen. „Wir leben inzwischen be. Bei den Sofortprogrammen mahnte gen, ist ein viel, viel schwierigerer Weg.“ in einer Alltagshysterie.“ Diese sei geprägt er mehr Tempo an. Es könne nicht sein, Dazu werde es auch nötig sein, mehr von Einschüchterung und Desinformati- dass Betroffene monatelang auf Be- Geld als bisher in die Hand zu nehmen. on. Ihm fehle eine unvoreingenommene scheide warten. Er appellierte daran, die Allein für die Kommunen gehe er von Bestandsaufnahme. Die werde es seiner Ursache für die Pandemie nicht zu ver- einem dreistelligen Millionenbetrag aus. Meinung nach aber nicht geben. Die nachlässigen. „Sie liegt in der Ökologie.“ LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2020
A u s d e m P l e n u m / A u s z ü g e a u s d e r O r i g i n a l - D e b a t t e 5 Torsten Renz, CDU: Erster Punkt ist das Thema Finanzen. Klar ist für uns, es muss, es wird einen weiteren Nachtragshaushalt geben, und klar „Präsenzunterricht, begleitet ist für uns auch der zweite Punkt in diesem Zusammenhang, dass dieser Nachtragshaushalt in der zweiten Jahreshälfte durch Digitalunterricht, dann mit einer Neuverschuldung verbunden sein wird. In welcher Höhe, da werden wir natürlich davon abhängig das ist die Herausforderung sein, was die Steuerschätzung und die finanzielle Situation, wie sie sich zurzeit darstellt, wo wir natürlich auch auf Zu- der Zukunft.“ arbeit aus dem Finanzministerium angewiesen sind. Diese Dinge im Detail müssen wir dann diskutieren. Aber Fakt ist für uns auch als CDU-Landtagsfraktion, dass wir verbindliche Foto: Uwe Sinnecker Tilgungspläne da vereinbaren und das Thema Tilgen nicht irgendein Thema ist, sondern ein Hauptaugenmerk entspre- chend auch bei unserer Finanzpolitik, bei unserer Ausrich- tung sein wird. (Beifall Sebastian Ehlers, CDU) Und in diesem Zusammenhang ist es für uns ganz wichtig, dass wir, wenn wir diese Thematik Schuldenaufnahme be- trachten, die Hauptverlierer dieser Pandemie auf alle Fälle im Blick haben sollten, und das sind aus meiner Sicht im Moment die Familien mit Kindern. Das sind die Kinder, die insbesondere in die Schule gehen, die auf ein Schulsystem treffen, das aus meiner Sicht unzureichend auf solche Dinge Zielstellung unserer Fraktion, der CDU-Fraktion ist es in die- vorbereitet ist, das Stichwort ist hier „Digitalisierung“. Und sem Lande, unser Land Mecklenburg-Vorpommern sicher es sind insbesondere die Kinder, die aus sozial schwächeren durch die Krise zu führen. Elternhäusern kommen und die sich eben keinen Nachhilfe- […] Aber was wir wissen, ist, dass es relativ leicht war, den unterricht leisten können. Und wenn ich diese Jugendlichen Ausnahmezustand auszurufen, aber jetzt entsprechend Lo- im Blick habe, dass sie auf der einen Seite dieser Belastung ckerungen auf den Weg zu bringen, ist ein viel, viel schwie- ausgesetzt sind, auf der anderen Seite das Thema Finanzen, rigerer Weg und eine viel größere Herausforderung. […] weil das sind diese Jugendlichen, die später am Arbeitsmarkt tätig sein sollen, die die Schulden abtragen müssen, die wir Ich persönlich stelle fest, dass immer noch eine sehr, sehr – und deshalb auch nicht leichtfertig – aufnehmen müssen große Mehrheit in unserem Land die Maßnahmen zum Infek- und auf die Tilgung entsprechend dringen müssen, das sind tionsschutz, so, wie wir es vollziehen, mitträgt, und ich glaube, die Jugendlichen, die sozusagen doppelt bestraft sind, und es ist auch richtig, weil mit Blick auf andere Staaten können um die müssen wir uns kümmern. wir viele andere Situationen zur Kenntnis nehmen, die wir hier alle nicht wollen. Aber trotzdem sage ich für die CDU-Frak- Und ich will auch deutlich sagen, wir haben seit Jahren tion, es kommt auf die Verhältnismäßigkeit an. Und insofern auch den Bildungsminister nicht gestellt, demzufolge sind schließe ich mich da der Meinung oder dem Zitat, das Sie ja wir auch relativ unverdächtig, dass dieses Thema E-Learning auch kennen, dieses Wortspiel des Ministerpräsidenten aus nicht auf die Tagesordnung gehoben wurde und entspre- Sachsen, an, wir müssen in dieser konkreten Situation, wenn chend begleitet wurde es auch um Verhältnismäßigkeit geht, nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Wir müssen aber, und das nehme ich wahr, (Unruhe vonseiten der Fraktion DIE LINKE – die Perspektive, die Zukunft diskutieren, und zwar mit den Zuruf von Thomas Krüger, SPD) Menschen, denen wir das erklären müssen, und wir müssen sie immer wieder mitnehmen und unsere Lösungen entspre- […] Präsenzunterricht, begleitet durch Digitalunterricht, das chend gut begründen. Und deswegen will ich den Schwer- ist die Herausforderung der Zukunft, und der werden und punkt ab jetzt auf die Zukunft richten. […] der müssen wir uns stellen, und da werden wir als CDU mit Nachdruck dran arbeiten. Ich habe schon in letzten Reden angedeutet, dass es The- men gibt, die gelöst werden müssen, zum Beispiel die Pro- (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) duktion von Schutzmasken, von medizinischen Geräten. Das sind weiter Dinge, die auf der Tagesordnung stehen. Aber ich will neben der Gesundheitspolitik jetzt drei Be- reiche kurz ansprechen, die aus meiner Sicht wesentlich sind, wo wir uns entsprechend dann auch hier als Landtag einbringen müssen: LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2020
6 A u s d e m P l e n u m / A u s z ü g e a u s d e r O r i g i n a l - D e b a t t e Ministerpräsidentin Manuela Schwesig: Und zur Realität gehört, dass wir weiter mitten in einer welt- weiten Corona-Pandemie sind, […] dass wir es in Wahrheit Unser Ziel ist es, weiter weiter mit einem gefährlichen Virus zu tun haben und uns überlegen müssen, wie gehen wir damit um, solange wir zu öffnen, aber den Schutz kein Medikament, keinen Impfstoff haben. […] Wir können nicht erwarten, dass wir wieder Normalität haben, aber zu sichern. gleichzeitig alle vor Corona schützen. […] Und es ist nicht so, dass wir nichts gegen Corona zu bieten hätten. Wir haben ganz klare Schutzregeln. […] Wir haben Fotos: Uwe Sinnecker den Abstand, wir haben die Hygieneregeln und wir haben die Maske, wo wir den Abstand nicht halten können. […] Wir werden noch zusammen sehr lange durchhalten müs- sen und diese Krise durchstehen. […] (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) […] Unser Ziel ist es, weiter zu öffnen, aber den Schutz zu si- chern. […] Es ist gelungen, die Hochsaison in Mecklenburg- Vorpommern über die Bühne zu bekommen mit zwei Milli- onen Gästen, die begeistert sind von diesem Land und die […] sicher nach Hause fahren können. Sie fahren nicht aus einem Risikogebiet zurück, […]. […] Ich rate uns […] dazu, das zu tun, was Politik als Erstes machen sollte: die Realität betrachten und auch klar aus- (Beifall vonseiten der Fraktionen sprechen, was ist. der SPD und CDU) LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2020
A u s d e m P l e n u m / A u s z ü g e a u s d e r O r i g i n a l - D e b a t t e 7 Horst Förster, AfD: „Die Landesregierung hat sich kräftig damit hervorge- tan, überschießende Maß- nahmen zu treffen.“ Fotos: Uwe Sinnecker Zur Einhaltung der Hygienebestimmungen wurden Plexiglas-Trennwände am Präsidium installiert. […] Wir haben 152.000 Schülerinnen und Schüler in 563 Schulen, und aktuell sind 76 Schülerinnen und Schüler in Quarantäne. Das sind 0,05 Prozent. Wir können also für 99,95 Prozent Schülerinnen und Schüler einen ganz normalen Schulalltag gewährleisten. Und wir halten dieses Konzept „Öffnung der Kitas und Schu- len und lokal agieren“, […] für richtig, denn das garantiert einen regelmäßigen Schulunterricht. […] Die Kinder haben Vorfahrt. Sie haben einen verlässlichen Alltag verdient. (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Liebe Jetzt kommt nach der Öffnung des Einzelhandels, nach Landsleute! Die Ministerpräsidentin hat gemeint, sich auf die Tourismus, Kitas und Schulen der nächste Schritt. […] Und Realitäten zu beschränken. […] in Form eines Schönwetterbe- deswegen ist es richtig, dass wir gestern entschieden ha- richts. […] aber für das, was man anrichtet, was man bewirkt ben, dass Einreisen nach Mecklenburg-Vorpommern wie- hat, muss man einstehen und muss auch die Gründe ganz klar der möglich sind […] Gleichzeitig können wir auch den Ta- darlegen können. gestourismus wieder zulassen. […] (Beifall vonseiten der Fraktion der AfD) Wir steuern aber in den Herbst und den Winter rein, und das dürfen wir nicht unterschätzen. […] Wichtig ist weiterhin, Herr Renz hat sich ganz geschickt um eine wirkliche Aufar- dass wir unsere Arbeitsplätze und unsere Wirtschaft schüt- beitung gedrückt. […] Erinnern wir uns, wie alles begann: Der zen. […] Shutdown begann nicht wegen der Infektionszahlen […] Es war da das Fehlen von Schutzausrüstung, Beatmungsgeräten Man muss ehrlich sagen, wir haben große Herausforde- und Betten […]. rungen in den Industriebereichen, erfolgreiche Unterneh- men wie die Eisengießerei Torgelow, wie Nordex. Unsere Und dann geschah bei dem Shutdown ein Kardinalfehler, Werften haben ganz, ganz große Probleme. […] nämlich eine falsche Weichenstellung, die nach wie vor noch irgendwie im Raume steht, nämlich, man hat sich nicht zu- Ziel der Landesregierung ist, weiter Arbeitsplätze in unseren nächst […] den vulnerablen Gruppen zugewandt, um die wichtigen Industriebereichen zu erhalten! […] besonders zu schützen, sondern man hat gewissermaßen die Gesamtbevölkerung in Haftung genommen und mit dem (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) Shutdown riesige Schäden angerichtet. Und deshalb bin ich sehr froh, dass […] der Bund […] sich ges- (Beifall vonseiten der Fraktion der AfD) tern entschieden hat, das Kurzarbeitergeld zu verlängern. Das Kurzarbeitergeld wird bis Ende 2021 verlängert. Das ist Es war der Hauptstrickfehler, auch der Rechtsfehler bei sol- eine wichtige Nachricht, […]. chen tiefgreifenden Grundrechtseingriffen, die Verhältnismä- ßigkeit nicht im Auge zu haben. Man hatte das Virus im Auge, Sehr geehrte Abgeordnete, […] auch wenn einige schon das sollte, egal wie, bekämpft werden, aber eine Folgeschä- längst mit dem Kopf bei der Wahl nächsten Jahres sind, denabwägung […] hat nicht stattgefunden. […] unser Hauptziel ist erst mal, das Land weiter gut und sicher durch diese Krise zu führen. […] Vielen Dank! (Beifall vonseiten der Fraktion der AfD) (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU Schul- und Kitaschließungen – dadurch ist unendliches Unheil LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2020
8 A u s d e m P l e n u m / A u s z ü g e a u s d e r O r i g i n a l - D e b a t t e angerichtet worden, bei den Kindern, Brüche in den Lebens- auf, will das Kind abliefern. Um Himmels willen, das Kind hat läufen. […] Wenn eine Quarantäne angeordnet […] gibt es in- Schnupfen! zwischen Bescheide, […] dass dann eine Absonderung in der (Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD) Familie stattfinden soll, dieses Kindes, das ja gar nicht getestet ist. […] Die Mutter erklärt, sie kennt ihr Kind, das hat nur Schnupfen. (Beifall vonseiten der Fraktion der AfD) (Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD) Und es geht ja noch weiter: Es wird inzwischen angedroht die Denkste! Sie wird zurückgewiesen. Und das wird dann im Inobhutnahme von Kindern aus Familien, wenn die Familien Winter tatsächlich so weitergehen. So wird aus einem hyste- die Separierung […] nicht so betreibt, wie die Verwaltungsbe- rischen Alltag, in den wir geraten sind, zurückgeschickt. hörde sich das vorstellt. Wie ist die Prognose? Ich sagte es schon, eine unvoreinge- (Beifall vonseiten der Fraktion der AfD) nommene Bestandsaufnahme wird nicht stattfinden. Sie brauchen Corona inzwischen. Denn was wäre denn, wenn So was hätte ich mir bisher nur in totalitären Staaten vorstellen herauskäme, dass das alles so nicht notwendig war in diesem können. Lande? Das wäre doch verhängnisvoll für Ihre Situation! […] (Beifall vonseiten der Fraktion der AfD) (Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe Die Landesregierung hat sich kräftig damit hervorgetan, über- schießende Maßnahmen zu treffen. […] Die Strandsperre ist ein klassisches Beispiel dafür, für eine völlig überschießende Maßnahme. Dafür gab es überhaupt keinen vernünftigen Grund, weder notwendig noch verhältnismäßig. (Beifall vonseiten der Fraktion der AfD) Fotos: Uwe Sinnecker Und als das Oberverwaltungsgericht das auch so gesehen hat, hat die Ministerpräsidentin nichts anderes im Auge, als dann noch das Gericht zumindest verdeckt zu rügen. […] Die Bewertung von Corona und der Pandemiemaßnahmen ist zur Glaubensfrage hochstilisiert worden. Die Alltagsmaske beispielsweise ist ein nicht mehr zu hinterfragender Glau- bensartikel geworden. […] Wir leben inzwischen in einer Alltagshysterie. Und wie soll das im Winter erst mal werden? […] Bei der Staatsanwaltschaft ist eine Beamtin der Geschäftsstelle verdächtigt […] coronainfi- ziert zu sein. Schon heben Richter ihre Termine auf. Die Mutter geht mit einem verschnupften Kind, taucht sie bei der Kita Nach jedem Redner wird das Pult desinfiziert. LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2020
A u s d e m P l e n u m / A u s z ü g e a u s d e r O r i g i n a l - D e b a t t e 9 Thomas Krüger, SPD: (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) „Das finde ich gut, wenn In den allermeisten Schulen konnte trotz der erschwer- ten Bedingungen in fast allen Fächern jeden Tag ein ganz wir gerade in der Krise normaler Unterricht stattfinden. Das wurde in den letzten Monaten von sehr vielen Beteiligten intensiv vorbereitet, beieinanderbleiben.“ von den Lehrerinnen und Lehrern, […] von den Reinigungs- kräften, […] von den Schulleitungen, […] von den […] Schul- ämtern und Gesundheitsämtern, […] von den Kolleginnen und Kollegen im Bildungsministerium […] und […] natürlich Foto: Uwe Sinnecker auch von der Ministerin. […] Ich möchte mich bei der Ministerin an dieser Stelle ganz herzlich bedanken. Ich glaube, die meisten hier im Raum sind sich einig, der härteste Job, den momentan diese Lan- desregierung zu vergeben hat, ist der der Bildungsministe- rin. Und ich finde, sie macht diesen Job sehr gut. (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) […] (Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen […] und Herren! Vor der Sommerpause […] konnten wir fest- (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) stellen, dass Mecklenburg-Vorpommern gut durch die Krise gekommen ist. Es freut mich, […] dass es nach wie vor so ist. […] […] Wir haben im Vergleich (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) (Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD) […] Es wurde also vonseiten der Schulen und des Ministeri- ums seit Monaten sehr viel dafür getan, dass unsere Schü- […] zu anderen Bundesländern […] die niedrigsten Infekti- lerinnen und Schüler in einen sicheren und zuverlässigen onszahlen, und das ist auch Ausdruck der Maßnahmen, die Unterricht starten können. ergriffen worden sind. Was dabei nicht hilft, meine Damen und Herren, ist der per- (Zuruf von Horst Förster, AfD) manente Versuch des Verunsicherns von Eltern und Lehrern, so, wie Sie es getan haben, Frau Oldenburg. Das ist natürlich auch ein Verdienst der Menschen […], die […] Mehrheit […] hält sich an die Vorgaben, ist umsichtig (Thomas de Jesus Fernandes, AfD: […]. Dafür möchte ich herzlichen Dank sagen. Machen Sie mal Nachrichten an! Da ist jeden Tag Verunsicherung!) (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Dirk Lerche, AfD) […] Es hilft auch niemandem, […] wenn Sie so tun, als würde es nur am guten Willen der Landesregierung fehlen […]. Und, meine Damen und Herren, der Kollege Renz hat das Thema Föderalismus angesprochen. Auch ich möchte mich (Simone Oldenburg, DIE LINKE: Hätten Sie dazu bekennen, dass wir entsprechend dem, wie das Infek- alles schon machen können, Herr Krüger, tionsgeschehen bei uns im Land ist, die Regeln auch ent- hätten Sie alles machen können!) sprechend miteinander machen. Es hilft nicht, bundesein- heitliche Regeln über alles zu schieben […]. Deswegen ist […] Wahr ist, in ganz Deutschland fehlen Lehrer. das so, wie es hier gemacht worden ist, […] richtig. (Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE) […] Eine große Herausforderung war der Start ins neue Schuljahr und in die Kitabetreuung. Wir waren die Ersten […]. Und zur Wahrheit gehört auch, Mecklenburg-Vorpommern, Es gab keine Erfahrungen aus den anderen Bundesländern, […] ist das Land, was prozentual am meisten neue Lehrer/- auf die wir aufbauen konnten. […] Die Wiedereröffnung […] innen in den letzten Jahren eingestellt hat. in Mecklenburg-Vorpommern hat wirklich gut funktioniert. (Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE) LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2020
10 A u s d e m P l e n u m / A u s z ü g e a u s d e r O r i g i n a l - D e b a t t e Und es hilft, Frau Oldenburg, auch niemandem, wenn Sie Das größte Investitionsprogramm seit der Geschichte un- den Eindruck erwecken, dass die Abschlüsse der Schüler seres Landes läuft. 1,5 Milliarden Euro […]. gefährdet sein werden. Richtig ist, dass an den allermeisten Schulen ein ganz normaler Unterricht stattfinden kann. (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU) Und auch während der Corona-Phase waren die Schulen, waren die Lehrer bemüht, den Kindern den Unterrichtsstoff […] Und wenn Sie beklagen, dass das alles zu langsam geht, darzubringen. […] Ja, es ist richtig, es ist bei Weitem nicht so meine herzliche Bitte: Wenden Sie sich an Ihre Landräte! intensiv, das Lernen selbst, als wenn sie in der Schule vor der Klasse gestanden hätte. Aber so zu tun, als wenn das eine (Torsten Renz, CDU: Ja.) Leerzeit, eine Ausfallzeit ist, das weise ich zurück! […] Der Landrat des Kreises Ludwigslust-Parchim hat dafür ge- (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – sorgt, dass die Schulen eher angeschlossen werden […]. Das Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD) ist anderswo auch möglich. […] der Schulstart ist gelungen. Also, Frau Oldenburg, hören (Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU) Sie auf, mit Ihrer täglichen Panikmache […]! Hören Sie auf, die […] besonders herausfordernde Arbeit in den Schulen Und zum Thema „Digitalisierung in den Schulen“ selbst: Sie und im Ministerium schlechtzureden! […] wissen, dass die Ministerin die Plattform „itslearning“ gekauft hat, (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) (Simone Oldenburg, DIE LINKE: Fangen Sie an, sich […] konstruktiv einzubringen mit rea- Sie hat das alleine gekauft?) listischen Vorschlägen! Taxitransporte zur Schule oder das Klonen von 1.000 Lehrern sind eben keine realistischen Vor- dass hier diese Plattform für alle Schulen zur Verfügung schläge. steht. Sie wissen, dass finanziell schwache Familien Leihge- räte bekommen können. 11 Millionen Euro stehen zur Ver- (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – fügung. Heiterkeit bei Patrick Dahlemann, SPD) (Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Und, meine Damen und Herren, […] Der Kollege Renz, Die haben sie aber noch nicht!) scheint mir, hat eben den Wahlkampf eröffnet, frei nach dem Motto: „Eine starke Behauptung ist besser als ein schwacher Die Geräte sind bereits ausgeschrieben oder gekauft. […] Es Beweis.“ stehen 110 Millionen Euro für die Schulen aus dem Digital- Pakt zur Verfügung. Und die Ministerin war in Berlin und hat (Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD) sich um die Endgeräte gekümmert. […] Richtig ist, […] Voraussetzung für die Digitalisierung […] ist (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) der Breitbandausbau. Ohne den Breitbandausbau werden wir auch an der Schule nichts hinbekommen. Und der Breit- […] Ich möchte mich ebenso bedanken bei den Verantwort- bandausbau […] ist erst […] in dieser Legislaturperiode zur lichen im Bereich der Kita. […] von den ErzieherInnen über SPD gewandert, der war davor bei der CDU. die Gesundheitsämter bis zum Ministerium […] für die groß- artige Arbeit […], (Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD und Torsten Renz, CDU – (Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD) Beifall Andreas Butzki, SPD) […] Ich will noch eingehen kurz auf den MV-Schutzfonds, […] meine Damen und Herren. Wir haben hier gemeinsam in (Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Sie machen der Koalition – und das finde ich gut, wenn wir gerade in doch sonst immer alles zur Chefsache!) der Krise beieinanderbleiben und hier nicht den Wahlkampf eröffnen, […]Die SPD und ein SPD-geführtes Haus war es, das […] organisiert hat, dass die Ausschreibungen so gelaufen sind, (Heiterkeit bei Thomas de Jesus Fernandes, AfD) dass Mecklenburg-Vorpommern hier massiv investieren kann. […] wir haben gemeinsam […] Regeln erlassen, um Selbst- ständigen, Freiberuflern, Kleinstunternehmern und der mit- (Unruhe bei Tilo Gundlack, SPD, telständischen Industrie zu helfen. und Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE) Und, meine Damen und Herren, wir stehen vor einer beson- LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2020
A u s d e m P l e n u m / A u s z ü g e a u s d e r O r i g i n a l - D e b a t t e 11 deren Herausforderung, was die Werften und die Industrie einige Herausforderungen lösen, einige Förderprogramme rundherum betrifft. Da geht es um Tausende gut bezahlte auflegen, und dann kämen wir zurück zu einer Normalität, Arbeitsplätze. Und auch hier ist das Land am Handeln, ist die die, um der Zäsur Rechnung zu tragen, eben mal „neue Nor- Koalition am Arbeiten. Das ist wichtig. malität“ genannt wird. Die Ansteckung mit dem Virus ist nur ein Symptom. Die Infektion liegt in der Ökologie, sehr geehrte […] Ich erwarte vom Bund, dass er hier hilft, so, wie wir ge- Damen und Herren, und in den Verhältnissen, also in der Art holfen haben. […] Das ist das industrielle Herz unseres Lan- und Weise, wie wir produzieren, des und wir wollen natürlich, dass es hier weitergeht. (Zuruf von Horst Förster, AfD) Meine Damen und Herren, […] Ich möchte mich noch mal bedanken bei den Bürgerinnen und Bürgern, dass sie sich das Produzierte verteilen, wie das Produzierte verwendet wird bisher an die Maßnahmen gehalten haben, und appellieren, und wie es entsorgt wird. dass wir auch weiterhin die Abstandsregeln, die Hygiene- regeln einhalten. […] Und wenn wir uns alle an die Regeln Und noch etwas: Wir müssen erkennen, dass viele der uns halten, werden wir weiter gut durch die Krise kommen. – heute umtreibenden Probleme bereits vor der Corona-Krise Herzlichen Dank! bestanden. (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) (Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau.) Die Pandemie hat wie ein Katalysator die Unzulänglichkeiten nur vermehrt und in eine andere Qualität gehoben. […] Wa- rum das alles? Weil alles zuvor auf Effizienz gebürstet war. Torsten Koplin, DIE LINKE: (Zuruf von Beate Schlupp, CDU) „Die Pandemie überwinden […] wir mussten und müssen erleben, wie Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrer unter den Corona-Bedingungen geht nur in einer ächzen. Vor Corona fehlten Lehrerinnen und Lehrer, vor Coro- na ist die Stundentafel reduziert worden, solidarischen Gesellschaft.“ (Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau so.) vor Corona wurde das System „Schule“ dem Sparwahn geop- Fotos: Uwe Sinnecker fert. Das können Sie doch nicht wegreden! […] Wir sind in der Pandemie krisenanfällig, weil die öffentliche Daseinsvorsorge stiefmütterlich behandelt wurde, weil das Prinzip „Alles muss sich rechnen“ großgeschrieben und das Wort „Prävention“ kleingeschrieben wird. Bei all dem Ernsthaften, dem, was uns besorgt sein lässt, ist das Gute: Die Pandemie ermuntert uns, als Teil einer Gemein- schaft uns zu begreifen. Sie zwingt uns zu einer Anstrengung unserer Vorstellungskraft, die in normalen Zeiten offensicht- lich nicht geleistet wurde, uns unauflöslich mit anderen Lebe- wesen zu sehen. Die Pandemie überwinden geht nur in einer solidarischen Gesellschaft, nicht in einer wie auch immer ge- arteten neuen Normalität. Die Corona-Pandemie ist eine historische Zäsur. […] Wie tief die Einschnitte unsere bisherige Lebensweise verändern (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) werden, ist noch nicht absehbar. Die Pandemie zwingt uns allen ein Umdenken auf. […] Die Aggressivität […] gegenüber der Umwelt hat doch Folgen, die Abholzung der Wälder, wo auch immer, zwingt elementare Lebewesen, sich ein neues Siedlungsgebiet zu suchen. Es gibt mikrobische Universen, von denen wir keine Vorstellung haben, und es kommt zu In der Debatte haben noch weitere Redner gesprochen. Wechselbeziehungen zwischen Arten, die wir nicht einmal Die vollständigen Redebeiträge finden Sie zum Nachle- vermuten. So wird der Kontakt mit Krankheitserregern, die sen auf der Website des Landtags (Parlamentsdokumente/ bis vor Kurzem ruhig in ihren Nischen schlummerten, immer Plenarprotokolle) oder zum Nachhören auf dem YouTube- wahrscheinlicher. Und weil das so ist, ist es geradezu fatal, Kanal unter www.landtag-mv.de Herr Waldmüller, den Eindruck zu verbreiten, wir müssten nur LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2020
12 A u s d e m P l e n u m / B e r i c h t e Foto: Jens Büttner Das russische Verlegeschiff „Akademik Tscherski“ liegt vor Sonnenaufgang im Hafen Mukran auf der Insel Rügen. Das Spezialschiff wird im Hafen für seinen Einsatz zum Weiterbau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 vorbereitet. Landtag steht hinter sind Drohbriefe zu schreiben, Leute zu Nord Stream 2 erpressen und zu glauben, dass man sei- ne eigenen Interessen über die Belange der Menschen in anderen Staaten stellen USA drohen Fährhafen Sassnitz mit Sanktionen darf.“ Es gebe Spielregeln, auch für die USA. Ganz oben stehe die Anerkennung der Rechtsstaatlichkeit anderer Staaten. „Wenn das nicht mehr funktioniert, funk- Erpressung! Völkerrechtswidrig! Ein Eingriff in die Souveränität! Der Landtag tioniert Welthandel nicht mehr.“ Die Al- fand deutliche Worte für die Drohungen, die drei republikanische US-Senatoren ternative wäre dann Handelskrieg. Er for- gegen den Hafen von Sassnitz ausgesprochen haben. Hintergrund dafür ist die derte Bund und Europa auf, klar Position Ostsee-Pipeline „Nord Stream 2“. Die US-Regierung hat ihren Druck gegen das zu beziehen und alles dafür zu tun, um deutsch-russische Gasprojekt erhöht. In einem Brief forderten die Senatoren das die Sanktionen abzuwehren. Letztlich Unternehmen auf, sich nicht an der Fertigstellung der Pipeline zu beteiligen. An- handele die US-Regierung auch nicht im dernfalls müssten Vorstand, Geschäftsführung, Mitarbeiter und Aktionäre mit Sinne ihrer eigenen Wirtschaft, wenn sie Sanktionen rechnen. Dazu zählten Einreiseverbote und das Einfrieren von Eigen- einen weltweiten Handelskonflikt vom tum in den USA. Warum die Amerikaner den Hafen auf Rügen ins Visier nehmen? Zaun breche, so Schulte. Hier lagern Rohre für die Pipeline und ankern russische Verlegeschiffe. Basierend auf einem gemeinsamen Antrag von SPD, CDU und DIE LINKE verwahrte sich der Ministerpräsidentin Manuela Schwesig Landtag einstimmig gegen Eingriffe in die staatliche Souveränität. Er forderte sprach von inakzeptablen Erpressungs- Bund und EU auf, sich so etwas nicht bieten zu lassen und bekräftigte, an der versuchen. „Es kann nicht sein, dass wir Fertigstellung der Fernleitung festzuhalten. uns vorschreiben lassen, welche Energie wir von wem kaufen.“ Sie bekräftigte, Er könne verstehen, dass sich die Ame- die Förderung von Erdgas aus Fracking dass die Landesregierung hinter der rikaner für ihre eigenen wirtschaftlichen nicht mehr kostendeckend. Das treibe Stadt Sassnitz, ihren Einwohnern, hinter Interessen einsetzen, sagte Jochen dort viele Unternehmen in die Insolvenz dem Hafen Mukran und seinen Beschäf- Schulte (SPD) in seiner Einbringungsre- und vernichte Volksvermögen in Milli- tigten stehe und auch weiterhin am Bau de: Der Erdgaspreis sei eingebrochen, ardenhöhe. „Was aber nicht legitim ist, der Pipeline festhalte. Sie werde für die LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2020
A u s d e m P l e n u m / B e r i c h t e 13 künftige Energieversorgung gebraucht: Trump zu Kritik aus den USA geführt Für Jochen Schulte (SPD) sind zwei Deutschland steige in absehbarer Zeit habe. „Glücklich war auch Präsident Ob- Punkte in dem Konflikt maßgeblich. Ers- richtigerweise aus der Atomenergie und ama nicht darüber, das ließ er uns auch tens: „Die US-Sanktionen gegen Nord Kohlekraft aus. Der Weg zu erneuerbaren spüren.“ Unter Donald Trump sei sie aber Stream 2 gefährden die europäische Energien sei eingeschlagen, das Ziel aber besonders laut geworden. Trotz der kla- Souveränität.“ Zweitens: „Das Verhalten nur mit einer übergangsweisen Nutzung ren Position, die MV vertrete, hoffe er der USA ist ein Verstoß gegen das Völker- von Gas als zusätzlichem Energieträger auf eine Rückkehr zum Dialog. Das sei recht.“ Hier gehe es nicht mehr um en- erreichbar. Die Begründung der USA, MV auch seine Erwartung an den Bund und ergiepolitische Fragen, sondern um eine vor russischer Abhängigkeit bewahren die EU. „Ein Handelskrieg ist für alle ein Grundsatzfrage. Die USA gebe vor, die zu wollen, sei absurd. Man könne von wirtschaftliches Fiasko.“ Deutschland Energieversorgung schützen zu wollen. Russland halten, was man wolle. „Aber und Europa kämen nicht umhin, Gas als „Vor wem eigentlich?“ Dass die AfD nicht eines steht fest: Die Energieversorgung Brückentechnologie zu nutzen. „Fakt ist in den gemeinsamen Antrag einbezo- war bisher immer verlässlich und wir ha- aber, dass die Abhängigkeit mit zuneh- gen worden sei, habe mehrere Gründe. ben keinen Grund, daran zu zweifeln.“ In mendem Ausbau von Alternativenergien Anders als DIE LINKE habe sie beispiels- Wahrheit gehe es den USA nur um eines: geringer wird.“ weise keinen eigenen Antrag zu dem „Dass wir ihnen ihr Fracking-Gas abkau- Thema vorbereitet. Mangelndes Vertrau- fen.“ Karsten Kolbe (DIE LINKE) begrüßte die en in die Verlässlichkeit der Fraktion habe Einigung auf einen gemeinsamen An- ebenfalls eine Rolle gespielt. Nikolaus Kramer, AfD-Fraktionschef, be- trag. „Bei allen politischen Unterschie- zeichnete die Drohungen als wirtschaft- den und Positionen unserer Fraktionen In der Debatte meldeten sich noch wei- liche Kriegserklärung. „Es geht hier eiskalt zeigen wir damit, dass wir uns einig sind, tere Redner zu Wort. Die vollständigen um geostrategische Interessen und Tran- dass kein Präsident, kein Senator oder Redebeiträge finden Sie zum Nachlesen sitgebühren. Alle anderen Argumente Botschafter das Recht hat, unseren Un- auf der Website des Landtags (Parla- sind vorgeschoben und geheuchelt.“ ternehmen, Beschäftigten und auch der mentsdokumte/Plenarprotokolle) oder Man stelle sich nur mal vor, drei Minister- Regierung in unserem Land mit persön- zum Nachhören auf dem YouTube-Kanal präsidenten aus Deutschland würden lichen oder finanziellen Konsequenzen unter www.landtag-mv.de. amerikanischen Unternehmen mit Sank- zu drohen.“ Die Energiesicherheit in Eu- tionen drohen, weil diese die Energiever- ropa, Deutschland oder gar MV sei den Antrag SPD, CDU, DIE LINKE sorgung ihrer Bürger organisieren. „Das USA doch vollkommen egal. Der ameri- Drucksache 7/5302 wäre eine bodenlose Frechheit.“ Nord kanischen Führung gehe es einzig und al- Stream 2 gehöre zu den wichtigsten lein darum, ihr Gas auf den europäischen Nord Stream 2 wirtschaftlichen Unternehmungen für Markt zu bringen. Der Bundesregierung MV. „Anders, als Kritiker dem Projekt vor- warf er vor, in ihren außenpolitischen Nord Stream 2 – dahinter verbirgt sich werfen, schafft es keine Abhängigkeit, Beziehungen zweierlei Maß anzulegen: eine Gas-Pipeline, die in zwei paral- lelen Strängen von der Narwa-Bucht sondern ein weiteres Angebot.“ Er bean- Würde der russische Präsident mit Sank- in Russland nach Lubmin verlegt wird. standete, dass die AfD nicht gefragt wor- tionen drohen, „was wäre da los in die- Die Stränge sind 1230 Kilometer lang den sei, ob sie dem Antrag beitreten wol- sem Land!“ Von der US-amerikanischen und verlaufen durch die Ostsee. Der le. „Ihnen ist, wie so oft, parteipolitisches Administration lasse sie sich dagegen auf Bau startete 2018 und ist zu rund 90 Klein-Klein wichtiger.“ Seine Fraktion der Nase herumtanzen. Er erwarte, dass Prozent fertiggestellt. Die Trasse wird werde aber trotzdem zustimmen. „Weil sich Deutschland und die EU den Erpres- unter Federführung des russischen es eine Selbstverständlichkeit ist.“ Und sungsversuchen widersetzen – im Zwei- Gaskonzerns Gazprom gebaut. Das weil sie auf ein klares mediales Signal fel auch mit Gegenmaßnahmen. Projekt ist innerhalb der EU umstritten. nach Washington und Warschau hoffe, Nord Stream 2 ist nach Nord Stream „dass unsere Energieversorgung unsere Holger Arppe (fraktionslos) hielt „billigen 1 die zweite Ostsee-Pipeline. Nord eigene Angelegenheit bleibt“. Anti-Amerikanismus“ bei diesem Thema Stream 1 führt von Wyborg nach Lub- nicht für angebracht. Wenn Bundesregie- min. Die beiden Leitungen gingen „Ich bin erschrocken und entsetzt über rung, Bundespräsident und Medien un- 2011 und 2012 ans Netz. Betreiber von die neue Art der Diplomatie – wenn man entwegt gegen Donald Trump hetzten, Nord Stream 1 ist die Nord Stream AG, das überhaupt noch so nennen kann“, müsse sich niemand wundern, dass ein Konsortium aus PAO Gazprom (51 äußerte Wolfgang Waldmüller (CDU). Washington beim Thema Nord Stream 2 Prozent), Wintershall Dea GmbH (15,5 „Wir erleben einen Eingriff in die natio- kaum noch für eine faire Lösung zugäng- Prozent), PEG Infrastruktur AG (15,5 nale und europäische Souveränität.“ Er lich sei. „Wie man in den Wald hineinruft, Prozent), N.V.Nederlandse Gasunie (9 halte das für völkerrechtswidrig. Damit so schallt es heraus.“ Hinzu komme: Ohne Prozent) und ENGIE (9 Prozent). Hin- sei die transatlantische Beziehung an die „unsägliche Energiewende“ wäre die ter der zweiten Trasse steht die Nord einem absoluten Tiefpunkt angekom- Pipeline gar nicht nötig. Er empfahl den Stream 2 AG, deren Alleineigentümer men. „Was ist die nächste Eskalations- deutschen Verantwortlichen etwas mehr inzwischen PJSC Gazprom ist. stufe? Wird MV zum Schurkenstaat?“ Er Selbstkritik. „Dann klappt es auch wieder Quellen: www.nord-stream.com/de/ und erinnerte daran, dass das Projekt nicht mit der transatlantischen Partnerschaft.“ www.nord-stream2.com/de erst unter der Regierung von Präsident LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2020
14 A u s d e m P l e n u m / B e r i c h t e politischen Kalkül geprägt.“ Natürlich gebe es unter bundesweit rund 250.000 Polizisten auch schwarze Schafe. Die Feh- ler Einzelner dürften aber nicht zu grund- sätzlichen Missständen verklärt werden. Wer Polizisten aus politischem Kalkül in ein schlechtes Licht rücke, leiste der Ge- walt von Steinewerfern oder Hooligans Vorschub. Sein Appell an alle politischen Kräfte: „Stoppen Sie die Kriminalisierung eines gesamten Berufsstands. Behandeln Sie Polizisten fair. Kritisieren Sie, ohne zu verallgemeinern. Fragen Sie nach, ohne zu unterstellen. Und vor allem: Loben Sie, ohne einzuschränken. Die Kollegen ha- ben es verdient.“ „Wir beobachten in diesem Land eine Entfremdung von allem Staatlichen“, meinte Nikolaus Kramer (AfD-Fraktions- chef). Das betreffe neben Polizisten auch Feuerwehrleute und Rettungssanitäter. Zum Image der Polizei wurde in der 96. Sitzung des Landtages debattiert. Foto: Cornelius Kettler „Das ist eine Besorgnis erregende Situ- ation.“ Diesem Klima der Feindseligkeit Polizeiarbeit gemeldet, weil es uns wichtig ist, ein politisches Zeichen zu setzen.“ Niemand müsse entschieden entgegengetreten werden. Politische Verantwortungsträ- wertschätzen sei frei von Fehlern, auch nicht die Polizei. Sie aber unter einen Generalverdacht zu stellen oder seitens politischer Verant- ger sollten da mit gutem Beispiel voran- gehen. Ausgehend von Straftaten einzel- ner Beamten alle Polizisten als „kriminelle Abgeordnete debattieren wortungsträger in die Nähe von Krimi- Individuen“ hinzustellen, wies auch er zu- über Kriminalisierung nellen zu rücken, sei inakzeptabel. „An rück. „Sie machen täglich ihren Job drau- der Ordnungshüter der Stelle ist eine Grenze überschritten. ßen für uns, für die Gesellschaft.“ Nach Eindeutig!“ Was das Video aus Düssel- dem tragischen Tod von George Floyd dorf nicht zeige: die Vorgeschichte. „Mal in den USA sei auch nach Deutschland ehrlich: Glauben Sie Gewalt ist das erste eine Welle geschwappt, die zu Protesten In Deutschland wird diskutiert. Über Mittel der Wahl, das Polizisten wählen?“ gegen die Polizei und in Greifswald zum die Polizei. Über Videosequenzen, die Sie beklagte, dass die Polizei zunehmend Beispiel zu einem Banner mit der Auf- zeigen, wie ein Beamter in Düsseldorf weniger Rückhalt aus dem politischen schrift „Rassismus tötet, Polizei mordet“ einen Jugendlichen mit dem Knie auf Raum erhalte. Deshalb werde sie nicht geführt habe. Er wünsche sich mehr Ach- den Boden drückt. Über Rassismus- müde, ihr weiterhin den Rücken zu stär- tung vor Polizisten und „dass die Männer vorwürfe. Racial Profiling. Polizeikon- ken. „Ich werde das laut tun, ich werde und Frauen in Uniform wieder als unser trollen und Polizeigewalt. Öffentliche das deutlich tun und ich werde das im- Freund und Helfer bezeichnet werden Debatten, die nach Ansicht der CDU- mer und immer und immer wieder tun. und nicht als irgendwelche Verbrecher, Fraktion ein falsches Bild zeichnen So lange, bis es Ihnen aus dem Halse die hier den Knüppel des Staates durch- und Polizisten in die Nähe von Krimi- hängt.“ ziehen“. nellen rücken. Ihre Forderung: „Krimi- nalisierung von Polizeikräften been- „Ich gehe davon aus, dass alle Redner Manfred Dachner (SPD) warf der CDU den – Polizeiarbeit würdigen“. Unter sich zu unserer Polizei im Land beken- vor, bereits mitten im Wahlkampf zu sein. dieser Überschrift stieß sie eine Aus- nen“, knüpfte Innenminister Lorenz „Wie groß ist Ihr Respekt vor der AfD, sprache im Landtag an – die auch zu Caffier an. Die 6000 Mitarbeiter würden dass Sie dieses Thema immer benutzen, einem kontroversen Schlagabtausch genau zuhören und merken „wessen um zu sagen, Sie sind für die Polizei?“ In der beiden Koalitionspartner führte. Unterstützung ehrlich und aufrichtig Deutschland seien Strukturen entstan- gemeint ist und wessen Worte Lippen- den, die die freiheitlich-demokratisch „Ich beobachte in Deutschland schon bekenntnisse oder möglicherweise Grundordnung infrage stellten. Und das seit Monaten ein immer feindseligeres scheinheilig sind“. Viele Debatten über nicht nur im Untergrund oder am Rand Klima, wenn es um die Einschätzung die Polizei seien weit von der Realität der Gesellschaft, sondern auch bei der der Arbeit von Polizeikräften geht“, sagte entfernt. „Sie sind von Ideologie, Unwis- Polizei. „Da macht Mecklenburg-Vor- Ann Christin von Allwörden (CDU). senheit, Ignoranz, Ablehnung, teilweise pommern leider keine Ausnahme.“ Über „Meine Fraktion hat die Aussprache an- sogar Hass und viel zu oft von billigem, kriminelle Beamte habe die CDU jedoch LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2020
A u s d e m P l e n u m / B e r i c h t e 15 gerade einmal drei Sätze verloren, anson- sten nur von „Friede, Freude, Eierkuchen“ Kein Taser im schen Schlagstock und Schusswaffe“ sein könnten. Etwa gegen gewaltbereite, gesprochen. „Es kann doch nicht über- sehen werden, dass wir seit zehn Jahren in diesem Land so viele Vorkommnisse Streifendienst bewaffnete Störer oder bei Selbstmord- versuchen. „Aber auch Taser sind ge- fährlich und ihr Einsatz kann tödlich sein. bei der Polizei haben wie in den letzten MV wartet Testphasen anderer Dementsprechend sind sie auch als Waf- 30 Jahren nicht.“ Private Halterabfragen, Bundesländer ab fe eingestuft.“ Er habe deshalb angewie- sexuelle Kontaktaufnahmen, Prepper- sen, die laufenden Pilotversuche in an- Entwicklungen und ein SEK, das dem deren Ländern zu prüfen, auszuwerten Innenministerium entglitten sei – „das und ihm im Ergebnis einen Entschei- muss einen doch aufregen!“ Eine Krimi- Streifenpolizisten in MV werden vor- dungsvorschlag vorzulegen. Das werde nalisierung der Polizei im Allgemeinen erst nicht mit Elektroschockern aus- voraussichtlich in der zweiten Hälfte des lehnte auch er ab. Es müsse aber genau gestattet. Die Distanzelektroimpuls- kommenden Jahres der Fall sein. Bis da- hingeschaut werden; auch mit wissen- geräte bleiben dem Spezialeinsatz- hin warb er um Geduld. „Schnellschüsse schaftlichen Analysen. kommando (SEK) vorbehalten. Die AfD wird und darf es nicht geben.“ hatte sich dafür stark gemacht, den Peter Ritter (DIE LINKE) empfahl den Ko- Einsatz der sogenannten Taser auszu- Bei seinen Revierbesuchen habe er so alitionspartnern, ihren Kurs zu dem The- weiten und begründete dies mit zu- manchen polizeilichen Wunsch vernom- ma noch einmal abzustimmen. „Sollten nehmender Gewalt gegen Polizisten. men. „Der Taser war nicht dabei“, schil- Sie das nicht hinkriegen, wird mir um Die Koalitionsfraktionen verwiesen auf derte Peter Ritter (DIE LINKE). Er brauche die Innere Sicherheit in MV angst und laufende Pilotprojekte in anderen Bun- auch gar nicht eingeführt werden, denn bange.“ Der Schlagabtausch sei keine desländern, deren Erfahrungen man das sei er längst: Mit Beschluss der Land- Würdigung der Polizei gewesen. Auch zunächst abwarten wolle. DIE LINKE tagsmehrheit im Jahr 2011 und gegen in MV hätten Polizisten Daten abgefragt, erinnerte daran, dass die Geräte 2011 die Stimmen seiner Fraktion. Er erinnerte zum Beispiel über Personen aus dem ganz bewusst nur für das SEK einge- daran, dass sich die Befürworter damals linken Spektrum. „Was mit diesen Daten führt worden seien. aber auch bewusst entschieden hät- geschehen ist, wissen wir bis heute nicht. ten, die Geräte nur in Spezialeinheiten Dies zu benennen und Aufklärung ein- In den vergangenen zehn Jahren habe einzuführen. „Und es erschließt sich mir zufordern – ist das Kriminalisierung der sich die Zahl der Polizisten, die in Aus- nicht, dass die Einschätzung von damals Polizei? Ich glaube: Nein!“ Niemand aus übung ihres Dienstes verletzt wurden, heute eine andere sein sollte. Denn: Es seiner Fraktion behaupte, Polizeikräfte auf 1750 Beamte verdoppelt, begrün- gibt keine neuen Erkenntnisse.“ Auch die seien per se gewalttätig. Es sei aber auch dete Nikolaus Kramer (AfD-Fraktions- Deutsche Hochschule der Polizei spre- nicht von der Hand zu weisen, „dass ei- vorsitzender) den Antrag. „Hierauf muss che sich unter anderem mit Blick auf den nige in den Reihen der Polizei nicht inte- die Politik reagieren“ und ein Zeichen Trainingsaufwand, die komplexe Technik ger und professionell sind“. Damit müsse der Solidarität setzen. Die Geräte dienten und die im Falle einer Anwendung er- man sich offen, intensiv und gründlich dabei nicht nur der Deeskalation und forderlichen Folgemaßnahmen gegen auseinandersetzen. In der Vergangenheit dem Schutz der Einsatzkräfte. „Es ist einen Einsatz der Geräte im normalen sei die Polizei aber auch von vielen Lan- auch eine deutlich mildere Variante zur Wach- und Wechseldienst aus. „Wir leh- despolitikern als unangreifbar behandelt klassischen Schusswaffe.“ Nicht zuletzt nen Ihren Antrag ab.“ worden. Er forderte erneut eine Om- gehe es auch darum, „US-amerikanische budsstelle. Damit würde der Staat zeigen, Verhältnisse zu verhindern und den Manfred Dachner (SPD) bezeichnete dass er das Problem ernst nehme. gesellschaftlichen Frieden in unserem den Antrag als „wenig durchdacht“. Die Land zu wahren“. Streifenbeamte im Begründung enthalte gerade einmal drei Umgang mit Tasern zu schulen, hielt er Sätze. „Soll jeder Polizeibeamte so ein nicht für ein Problem: Das könnten die Gerät bekommen, oder wie viele sollen Ausbilder für einsatzbezogenes Training es werden?“ All das bleibe offen. „Zur Stichwort: Aussprache mit übernehmen. Mögliche Risiken für sachlichen Debatte gehört auch, dass herzkranke Menschen wies er mit Ver- der Einsatz dieser Taser bisher eine ab- Wenn das Landesparlament tagt, de- weis auf jüngere Forschungen zurück. solute Ausnahme ist.“ Er warb ebenfalls battieren oder beschließen die Abge- „Folgewirkungen können bestehen, sind darum, erst einmal die Testphasen der ordneten nicht nur Gesetzentwürfe aber nicht als direkte Ursache-Wirkungs- anderen Bundesländer abzuwarten. „Der oder Anträge. Die Fraktionen können Beziehung anzunehmen.“ Erfahrungsaustausch ist immer noch landesrelevante Themen auch als Aus- sprache auf die Tagesordnung setzen. die beste und billigste Investition.“ Thü- Das Grundanliegen ist das gleiche: Das Innenministerium befasse sich seit ringen, beispielsweise, habe sich gegen Öffentlichkeit für einen Sachverhalt mehreren Jahren mit dem Einsatz von eine Anschaffung ausgesprochen. Das herzustellen. Anders als bei Gesetzent- Distanzelektroimpulsgeräten, erklärte Polizeitechnische Institut der Deutschen würfen oder Anträgen findet am Ende Innenminister Lorenz Caffier. Er schloss Hochschule der Polizei halte das Gerät dazu aber keine Abstimmung statt. nicht aus, dass Taser im Streifeneinzel- in hektischen Situationen ebenfalls nicht dienst „eine sinnvolle Ergänzung zwi- für einzeldiensttauglich. „Wir glauben LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 7/2020
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