LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV

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LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
LANDTAG                      LANDTAGS
                                      NACHRICHTEN
          Mecklenburg-Vorpommern

                                                                                                 6. Mai
                                                                                                4/ 2021
                                                                                     www.landtag-mv.de

+++ Majorel gibt drei Callcenter in MV auf +++ 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland +++ Lockdown Nummer
    drei +++ Wohnraum ist zum Wohnen da +++ Land kauft Gebäudeteil auf Prora +++ Erleichterungen für Angler
    +++ Digitaler Tag der Menschen mit Behinderung +++
LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
2                         I n h a l t

                                              AUS DEM PLENUM
                                  3            Aktuelle Stunde                    “Aus Respekt vor der Schöpfung - in Tierwohl investieren”
                                                                                  (auf Antrag der Fraktion der CDU)

                               4-9            Auszüge aus der                     Beate Schlupp (CDU), Landtwirtschaftminister Dr. Till Backhaus,
                                              Original-Debatte                    Ralf Borschke (AfD), Elisabeth Aßmann (SPD), Dr. Wolfgang Weiß (DIE LINKE),

                             10 - 16                Berichte                      Der grüne Deal steht
                                                                                  Majorel gibt drei Callcenter in MV auf
                                                                                  1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland
                                                                                  Lockdown Nummer drei

                             17 - 19              Meldungen                       Bessere Ausbildung von Seiteneinsteigern
                                                                                  Wohnraum ist zum Wohnen da
                                                                                  Land kauft Gebäudeteil auf Prora
                                                                                  Erleichterungen für Angler
                                                                                  Jahresbericht des Petitionsausschusses für 2020

                             20 - 21            Gesetzgebung                      Laufende und abgeschlossene Gesetzgebung

                             22 - 25      AUS DEN AUSSCHÜSSEN                     Digitaler Tag der Menschen mit Behinderung
                                                                                  Anhörung zu Karenzzeitgesetz
                                                                                  Gutachten zu Gesundheitsversorgung in MV
                                                                                  Anhörung zu Bestattungsgesetz

                             26 - 29              PANORAMA                        Bohren, Beraten, Ruhe bewahren

                                 30      Das Schloss vor 30 Jahren                Mit großem Aufklärungswillen – Armin Tebben berichtet
Titelfoto: Uwe Sinnecker

                                                                                  über die Arbeit im Untersuchungsausschuss zu den Krawallen
                                                                                  in Lichtenhagen

                                 32                 Chronik

                           Impressum
                           Herausgeber:                                        Layout: Uwe Sinnecker                      Namentlich gekennzeichnete Beiträge
                           Landtag mecklenburg-Vorpommern                                                                 geben nicht in jedem Fall die Meinung des
                           - Öffentlichkeitsarbeit -                           Druck: produktionsbüro TINUS               Herausgebers wieder.
                           Schloss, Lennéstraße 1, 19053 Schwerin              Gedruckt auf Recyclingpapier               Alle Abbildungen sind urheberrechtlich
                           Fon: 0385 / 525-2113, Fax 525-2151                                                             geschützt. Nachdruck nur mit schriftlicher
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                                                                               männliche Form verwendet.                  Die LandtagsNachrichten können kostenlos
                           redaktion: Referat Öffentlichkeitsarbeit,           In solchen Fällen ist die weibliche Form   bezogen werden. Bestellungen sind an den
                           Anna-Maria Leistner                                 mitgedacht.                                Herausgeber zu richten.
                                                                                                                          Redaktionsschluss: 20. April 2021

                           LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
A k t u e l l e          S t u n d e          3

Beate Schlupp (CDU) während der Aktuellen Stunde zum Thema „Aus Respekt vor der Schöpfung - in Tierwohl investieren"                Foto: Uwe Sinnecker

Mehr Tierwohl                                        Der Fleischkonsum in Deutschland sei
                                                     in den vergangenen Jahrzehnten stetig
                                                                                                           ein alternatives Konzept erarbeiten. Der
                                                                                                           Minister sprach von einer Modellanlage,

bitte!                                               gestiegen, sagte Beate Schlupp (CDU).
                                                     „Diese Entwicklung hat vor allem damit
                                                     zu tun, wie Menschen Fleisch konsu-
                                                                                                           einem „Stall der Zukunft 4.0“. Er werde
                                                                                                           alles daran setzen, dass aus der rein in-
                                                                                                           dustriell geführten Anlage ein Landwirt-
Nach Brand in Alt Tellin:                            mieren und nachfragen. ,Geiz ist geil'                schaftsbetrieb werde. „Wir wollen eine
Landtag spricht sich gegen                           sorgt dafür, dass heimische Fleisch-                  Landwirtschaft, die bodengebunden ist
Tierfabriken aus                                     produzenten bis zum Anschlag an der                   und eine Obergrenze hat“ – zwei Groß-
                                                     Kostenschraube drehen müssen, um die                  vieheinheiten (GV) pro Hektar. Auch er
                                                     große Nachfrage nach billigem Fleisch                 appellierte an Handel und Verbraucher,
    Dienstag, 30. März. Dichter Qualm                auch gegen die Konkurrenz aus dem                     den Wert von Lebensmitteln anzuer-
über Alt Tellin, einer kleinen Gemeinde              Ausland decken zu können.“ Fleisch sei                kennen. „Hier stimmen die Verhältnisse
unweit von Demmin. Die Schweine-                     inzwischen zur Ramschware geworden.                   nicht mehr.“
zuchtanlage, eine der größten Europas,               „Ethische Fragen nach dem Wohlbe-
brennt. Das Feuer zerstört alle Ställe.              finden der Tiere, der Verantwortung                   „Alt Tellin steht zweifellos für eine Fehl-
Mehr als 55.000 Sauen und Ferkel ver-                gegenüber dem Geschöpf und der Um-                    entwicklung hin zu einer industriellen
brennen oder ersticken. Die Ursache                  welt treten oft in den Hintergrund.“ Sie              Tierproduktion“, meinte Ralf Borschke
für das Feuer ist bislang unklar. Der                forderte, mit Investitionsförderungen,                (AfD). „Grundlage für diese Entwicklung
Großbrand hat die Diskussion um Stall-               Tierwohlprämien und angemessenen                      war und ist der Ruf der Verbraucher
größen und Tierwohl neu belebt. In                   Marktpreisen zu besseren Haltungsbe-                  nach billigem Fleisch und der dadurch
der Aktuellen Stunde der April-Sitzung               dingungen beizutragen.                                harte Wettbewerb auf dem globalisier-
befasste sich auf Antrag der CDU auch                                                                      ten Weltmarkt.“ Der Umbau der Tierhal-
der Landtag mit dem Thema. Redner                    „Die Anlage in Alt Tellin wird in der                 tung dürfe nun aber nicht „überhastet
aller Fraktionen sprachen sich gegen                 Form, in der sie dort gestanden hat,                  und kopflos“ voranschreiten. „Dabei
Riesenställe aus. Sie mahnten grundle-               nicht mehr errichtet“, kündigte Land-                 müssen Tierwohl und Wirtschaftlichkeit
gende Änderungen an und stellten                     wirtschaftsminister Dr. Till Backhaus                 sowie vertretbare Konsumentenpreise
Tierwohl, Wirtschaftlichkeit und Kon-                (SPD) an. „Diese überdimensionierten,                 unter einen Hut gebracht werden.“
sumverhalten dabei in einen maßgeb-                  industriell geführten Anlagen wollen                  Nicht jeder könne sich teures Fleisch leis-
lichen Zusammenhang.                                 wir nicht.“ Das Unternehmen werde nun                 ten. Er verwahrte sich gegen den Ein-

                                                                                                     LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
4                         A k t u e l l e          S t u n d e

                          druck, Landwirte wären dem Tierwohl            Sie sei einmal von einem Konsumenten       genehmigen. „Diese Katastrophe war
                          nicht wohlgesonnen. „Wir haben in              gefragt worden, welchen persönlichen       für die Nutztierhaltung das Fukushima
                          Deutschland bereits die weltweit höchs-        Nutzen höhere Fleischpreise für ihn hät-   für solche Tierfabriken in Deutschland.“
                          ten Standards in der Tierhaltung.“             ten. „Da sehen wir doch den Kern des       Daraus könne es nur eine Konsequenz
                                                                         Problems.“ Hier wünschte sie sich mehr     geben: „Wir sollten aussteigen aus
                          Elisabeth Aßmann (SPD) appellierte             Solidarität: Lebensmittel aus der Regi-    einem System, das weder Respekt vor
                          an die Abgeordneten, eigenes Kon-              on, gute Tierhaltung und Arbeit, von       der Schöpfung hat noch von der Mehr-
                          sumverhalten zu reflektieren. „Tierwohl        der Landwirte leben können – „das ist      heit der Bevölkerung gewollt ist.“ Solche
                          hat immer etwas mit dem Menschen               doch der Mehrwert, der dahinter stehen     Tierfabriken hätten nichts mit Landwirt-
                          zu tun.“ Damit, wie respektvoll er Tie-        muss“.                                     schaft zu tun. „So etwas gehört verbo-
                          ren begegne – sei es als Landwirt oder                                                    ten!“
                          Konsument. „Solange es Billigware gibt,        Dr. Wolfgang Weiß (DIE LINKE) for-
                          wird es auch immer viele Menschen              derte, die Betriebsgenehmigung für Alt
                          geben, die sagen, ich möchte nur das           Tellin zu widerrufen und Anlagen mit
                          und das für mein Schnitzel ausgeben.“          ähnlichen Konzepten nicht mehr zu

                          Beate Schlupp, CDU:                                                  die große Nachfrage nach billigem Fleisch - auch gegen die
                                                                                               Konkurrenz aus dem Ausland - decken zu können. […] die
                          „Wir müssen diesen                                                   aufgezeigten Entwicklungen haben […] heftige Debatten
                                                                                               ausgelöst. Diese Debatten sind […] gesundheitspolitischer
                          Diskussionsprozess über                                              Natur, […]. Die Debatten sind aber auch wirtschaftspoli-
                                                                                               tischer Natur, […]. Und die Debatten sind ethischer Natur,
                          staatliche Investitions-                                             wenn gefragt wird, welches Recht der Mensch eigentlich
                                                                                               hat, sich […] über das Wohl anderer Geschöpfe zu stellen
                          förderung, Tierwohlprämien                                           […].

                          und angemessene                                                      Seit einigen Tagen dominiert diese Tierwohldiskussion […]
                                                                                               die öffentliche Debatte. Anlass ist der Brand […] in Alt Tellin
                          Marktpreise führen.“                                                 mit 55.000 […] qualvoll verendeten Tieren. […] Hierzulande
                                                                                               redet man lieber über Zuständigkeiten, über immissions-
                                                                                               schutzrechtliche Zuständigkeiten, um genau zu sein. […]
    Foto: Uwe Sinnecker

                                                                                               Bleiben wir also einen kurzen Moment bei Alt Tellin. Im
                                                                                               Jahr 2007 kam es zu einem Vertrag des Investors mit der
                                                                                               Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern […]. Auf-
                                                                                               sichtsratsvorsitzender der Landgesellschaft war und ist
                                                                                               der Landwirtschaftsminister. Die weitere Betreuung […]
                                                                                               erfolgte durch die LMS, Aufsichtsratsvorsitzender war hier
                                                                                               der Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium. Für Fra-
                                                                                               gen des Brand-, Umwelt- und Tierschutzes innerhalb des
                                                                                               Verfahrens zeichneten dann die unteren zuständigen Be-
                                                                                               hörden, […] damals Altkreis Demmin, verantwortlich. Die-
                                                                                               sem Altkreis […] stand ab dem 01.10.2008 ein Landrat der
                                                                                               Linkspartei/PDS vor. […]

                                                                                               Bis 2006 lag die Fach- und Dienstaufsicht für die Staatli-
                          Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten                  chen Ämter beim Umweltministerium des Landes Me-
                          Damen und Herren! […].                                               cklenburg-Vorpommern mit einem Umweltminister der
                                                                                               Linkspartei/PDS. Seit 2006 lag die Fachaufsicht […] beim
                          Der Fleischkonsum […] [ist] in den letzten 60 Jahren in              CDU-geführten Wirtschaftsministerium und die Dienst-
                          Deutschland um 30 Prozent gestiegen. […] Diese Entwick-              aufsicht beim SPD-geführten Landwirtschaftsministeri-
                          lung lässt sich nur in gewissem Umfang damit erklären,               um. Richtig ist, dass Jürgen Seidel als fachlich zuständiger
                          dass die Menschen heute inflationsbereinigt mehr Netto-              Minister für das Immissionsrecht die Genehmigung nach
                          verdienst haben. […] Sie hat vor allem damit zu tun, wie             Bundes-Immissionsschutzgesetz erteilt hat. Das war und
                          Menschen Fleisch konsumieren und nachfragen. „Geiz ist               ist auch nicht zu beanstanden, weil die Voraussetzungen
                          geil“ sorgt dafür, dass heimische Fleischproduzenten bis             für eine Genehmigung damals vorgelegen haben. […], un-
                          zum Anschlag an der Kostenschraube drehen müssen, um                 serer heutigen Aktuellen Stunde […] liegt aber ganz sicher

                          LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
A u s      d e m       P l e n u m / A u s z ü g e                a u s     d e r      O r i g i n a l - D e b a t t e                                    5

nicht die Motivation einer immissionsschutzrechtlichen             Minister Dr. Till Backhaus:
Bewertung der Zulassung […] in Alt Tellin zugrunde. […]
das Problem [ist] sehr viel grundlegender […].                     „Lebensmittel
Wir glauben, die Brandursachenermittler sind die Fachleu-          haben ihren Wert.”
te, die uns […] sagen können, warum das Feuer ausbrach
[…], und nicht übereifrige Politiker. […]

                                                                                                                                    Foto: Uwe Sinnecker
Die Politik hingegen wird die Frage beantworten müssen
wie Tierhaltung in Deutschland und speziell in Mecklen-
burg-Vorpommern zukünftig unter Einhaltung hoher Tier-
schutz- und Umweltstandards stattfinden kann, ohne dass
die Wirtschaftlichkeit verloren geht. Oder um es für mei-
ne Fraktion an dieser Stelle ganz klar zu sagen: Eine reine
Verschiebung der Probleme ins Ausland, weil Wunsch und
Wirklichkeit zu weit auseinandergehen, wird es mit meiner
Fraktion nicht geben. Auch das wäre unethisch. […]

Wir [müssen] diesen Diskussionsprozess […] über staatli-
che Investitionsförderung, Tierwohlprämien und vor allem
angemessene Marktpreise führen. Wir brauchen konkrete
Empfehlungen für Stallneubauten, Entwicklungsperspekti-
ven für bestehende Tierhaltungsanlagen, die das Tierwohl,          […] Wir wollen diese überdimensionierten, industriell
den Umwelt- und Klimaschutz sowie betriebswirtschaft-              geführten Anlagen […] nicht.
liche Aspekte berücksichtigen, […]. Dazu gibt es inzwi-
schen auch konkrete Vorschläge […] der sogenannten                              (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)
Borchert-Kommission […].
                                                                   Sie passen nicht zu diesem Land und das habe ich immer
Generell muss zur gesellschaftlichen Debatte aber auch             gesagt.
gehören, dass neben der Investitionsförderung die mit hö-
heren Standards verbundenen Mehraufwendungen, die                  […] Wir wollen eine umweltverträgliche, eine tierwohlorien-
nicht zu einem besseren Betriebsergebnis führen, durch             tierte und eine bäuerlich geprägte Landwirtschaft, die damit
die Gesellschaft zumindest soweit ausgeglichen werden,             […] im Kreislauf wirtschaftet. […]
dass der Tierhalter angemessene Einkünfte erzielen kann.
[…]                                                                Erstens. Die Anlage in Alt Tellin wird in der Form, die dort
                                                                   gestanden hat, nicht wieder errichtet. Mit mir gibt es dafür
Wenn […] DIE LINKE unsere Wahl für das Thema der Aktu-             keine Genehmigung, und der Eigentümer hat dem zuge-
ellen Stunde kritisiert, dann frage ich mich zum einen, ob         stimmt. Diese Anlage wird in der Form […] nicht wieder er-
es […] an Aktualität mangelt, zum anderen aber auch, wie           richtet, Punkt eins.
ernst sie es mit dem Tierschutz meint. […]. Und ich hoffe,
dass aus meinen Ausführungen deutlich geworden ist, dass                       (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD –
meine Fraktion […] über Konsequenzen reden will […]!                                 Zuruf von Horst Förster, AfD)

Ein weiteres Alt Tellin darf es nicht geben! Und ich hoffe, zu-    Ja, das ist verhandelt.
mindest hinter diesem Satz können wir uns alle versammeln.
– Vielen Dank!                                                     Zweitens. LSB – und das ist das Mutterunternehmen – wird
                                                                   ein alternatives Konzept erarbeiten und vorlegen, ich gehe
            (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU                davon aus, zügig, und uns dann auch vorlegen.
                   und Thomas Krüger, SPD)
                                                                   Es ist zugesichert im Übrigen, dass es eine Kooperation zwi-
                                                                   schen den Gemeinden, der Gemeinde, dem Landkreis, den
                                                                   Verbänden und natürlich auch den Behörden geben wird.
                                                                   Ich habe angeboten: wir werden einen Beirat entwickeln,
                                                                   der dann dieses Projekt, nämlich den Stall der Zukunft 4.0,
                                                                   Modell Mecklenburg-Vorpommern, deutschlandweit auf
                                                                   den Weg bringen wird, wo diese Aspekte, die Sie angedeu-
                                                                   tet haben, mit eine Rolle spielen werden.
                                                                   Viertens. Wir wollen alles daransetzen, dass aus dieser rein in-
                                                                   dustriell geführten Anlage ein Landwirtschaftsbetrieb wird.

                                                                                    LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
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6   A k t u e l l e          S t u n d e

                                                                     Ralf Borschke, AfD:

                                                                     „Alt Tellin steht zweifellos
                                                                     für eine Fehlentwicklung
                                                                     hin zu einer industriellen
                                                                     Tierproduktion.“

                                                                                                                                    Fotos: Uwe Sinnecker
    Und damit ist auch klar, die Obergrenze zwei GV steht für
    mich in dieser Frage auf dem Tableau.

    Fünftens. Nach meiner Auffassung ist es zwingend notwen-
    dig, mehr Wissenschaft und Forschung in der Begleitung sol-
    cher Anlagen voranzutreiben und damit auch den neusten
    Stand der Technik auch umzusetzen. Hier gehe ich davon
    aus, dass die Bundesministerin dem zustimmen wird und
    dass damit das von Thünen-Institut, die Bundesforschung          Meine sehr verehrten Damen und Herren und sehr geehrte
    sich dieses Themas zusätzlich annehmen wird, um damit ein        Frau Schlupp, entgegen Ihren Ausführungen hat ja der Herr
    Modell für Deutschland 4.0 in Deutschland zu entwickeln.         Waldmüller im NDR heute Morgen schon die Richtung vorge-
                                                                     geben. Er sagte nämlich, mit uns wird es keine großen Mast-
    Sechstens. Ich gehe davon aus, dass dieses Modellvorhaben        anlagen mehr geben. […]
    dann deutschlandweit in die Umsetzung gelangt.
                                                                     Als Erstes stelle ich mal die Frage, meine Damen und Herren:
    Und siebtens. Wir werden prüfen, und ich erwarte das von         Wer hat denn all die Jahre hier regiert, wer war denn für das
    der Bundesministerin, dass die Reduktion im Übrigen des          Wohl, für das Tierwohl zuständig?
    gesamten Sauenbestandes an diesem Standort in einer Art
    und Weise begleitet wird, dass es hier zu einer sinnvollen Re-   […] wir sind keine Freunde solcher Riesenmastanlagen, das
    duktion auf diesem Standort kommen soll.                         Tierwohl ist für uns eine wichtige Angelegenheit.

    Ich gehe davon aus, dass das Unternehmen und der Eigen-                            (Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)
    tümer in Kürze uns seine weiteren Ideen vorlegen wird, und
    aus Respekt, im Übrigen noch mal, vor der Schöpfung in           Ich bin selbst Tierhalter, ich habe einen Viehbestand, einen
    Richtung Tierwohl, will ich hier nur die letzten Stichworte      Schafbestand von unter 1,5 Großvieheinheiten auf den Hektar
    angesprochen haben: […] Lebensmittel haben ihren Wert.           und ich war immer dagegen, dass Pflanzenproduktion und
    Und wir haben uns in Deutschland daran gewöhnt, sehr,            Tierproduktion getrennt werden. Alt Tellin, meine Damen und
    sehr preiswerte, ja, billige Lebensmittel zur Verfügung zu ha-   Herren, steht zweifellos für eine Fehlentwicklung hin zu einer
    ben. Wenn Sie einmal in die Schweiz schauen oder auch in         industriellen Tierproduktion. Grundlage für diese Entwicklung
    den Süden oder nach Frankreich, was kostet dort ein Ei, in       war und ist der Ruf der Verbraucher nach billigem Fleisch und
    der Schweiz im Übrigen zurzeit einen Franken, in Deutsch-        der dadurch harte Wettbewerb auf dem globalisierten Welt-
    land aber ein Bioei 25 Cent. Hier stimmen die Verhältnisse       markt.
    nicht mehr. […] Wir wollen auch in der Zukunft Tierhaltung
    in Mecklenburg-Vorpommern, aber tierartgerecht, umwelt-                   (Beifall Horst Förster, AfD: Das ist die Realität.)
    gerecht und für die Verbraucherinnen und Verbraucher mit
    Genuss zu essen. Das gehört für uns zusammen.                    Schweinehaltung, meine Damen und Herren, war schon im-
                                                                     mer ein Pfenniggeschäft. Wer hier bestehen wollte, musste
                 (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)            expandieren. Die Entwicklung ist also keine Überraschung.
                                                                     Viel zu lange wurde sie durch die Märkte und das Verbrau-
                                                                     cherverhalten förmlich herbeigezwungen. Da muss niemand
                                                                     mit dem Finger auf die Landwirte zeigen.

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[…] Aus heutiger Sicht muss man eigentlich davon ausgehen,          Elisabeth Aßmann, SPD:
dass die Anlage in Alt Tellin, meine Damen und Herren, nicht
mehr aufgebaut wird. Es stellt sich also die Frage: Welche Vor-     „Nachhaltigkeit muss auch
gaben wären nötig, um solch eine Anlage überhaupt brandsi-
cher zu betreiben? […] Ist eine Anlage in solch einer Größen-       in der Tierhaltung immer
ordnung dann überhaupt noch wirtschaftlich zu betreiben?
                                                                    mehr Einzug halten.“
            (Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

                                                                                                                                     Fotos: Uwe Sinnecker
[…] Weitere Vorgaben und Einschränkungen sind nur von
Großanlagen zu leisten, die kleinen fallen immer mehr hinten
runter. Dann kommt unser Fleisch, wenn es so weitergeht,
eben nicht mehr aus Deutschland, dann kommt es eben aus
schlechteren Haltungsbedingungen aus dem Ausland. Das
wäre ein weiterer fragwürdiger Erfolg ideologisierter Tier-
schutzpolitik.

Aber, meine Damen und Herren, noch mal, es kommt eben
nicht auf die Menge, sondern auf die Art der Haltung an. […]
Es gilt also, eine möglichst artgerechte, ökologisch verträg-
liche Tierhaltung bei gleichermaßen stabilen Erzeugerpreisen
und bezahlbaren Konsumentenpreisen zu entwickeln. […]

Und ein Wort zum Genehmigungsverfahren: […] Diese An-               […] das Thema Tierschutz ist eins, was man sehr, sehr sach-
lage hätte nie genehmigt werden können, wenn sie gegen              lich betrachten muss, was sehr ernst ist und was […] sehr, sehr
irgendwelche Auflagen verstößt. Und daher gibt es daran gar         ethisch geprägt ist, und wo […] jeder […] sich auch mal an die
nichts rumzumäkeln. Diese Anlage war genehmigt und des-             eigene Nase […] fassen kann. […]
wegen stand sie, […]
                                                                    Ich kann mich erinnern an die Koalitionsverhandlungen 2016
Und, meine Damen und Herren, […] in Alt Tellin, da hängen           […]. Da haben wir über […] Bestandsobergrenzen diskutiert.
Arbeitsplätze dran, das Leben und die Zukunft ganzer Fami-          […] und am Ende ist eine Regelung herausgekommen […],
lien […] diesem Elend versuchen tatsächlich einige, ihr poli-       die uns zu lasch war. […] wir wollten eine betriebliche und re-
tisches Süppchen zu kochen.                                         gionale Bestandsobergrenze. Ich habe damals schon gesagt,
                                                                    eine Anlage wie Alt Tellin würde man […] so […] nicht vermei-
              (Egbert Liskow, CDU: Na, wer denn?)                   den können. […]

[…] Der Abtransport der Tiere wurde durch militante Tier-           Jetzt schreibt die CDU-Landtagsfraktion […], es sollten zu-
schützer gestört, die den Transporter mit Steinen bewarfen          künftig keine Förderanreize mehr für Massentierhaltung ge-
und die Fahrzeuge verfolgten. […] die Tierhaltung bei uns in        schaffen werden. Das finde ich auch sehr interessant, weil hier
Deutschland ist eigentlich, für die ganze Welt muss das ein         nach wie vor die Definition dafür fehlt. Nichtsdestotrotz ist es
Vorbild sein. Also ich warne davor, hier den Gaul zu reiten, un-    so, […] dass wir uns […] einig sind, […] wir wollen, dass Tier-
sere Tierhaltung und unsere Landwirte würden dem Tierwohl           haltung landwirtschaftlich betrieben wird, dass Tierhaltung
nicht wohlgesonnen sein. Ich bin der festen Überzeugung,            an den Boden gebunden ist, dass nur so viel Mist und Gülle
dass unsere Landwirte ihre Tiere lieben und alles dafür ma-         produziert werden kann, wie der Boden aufnehmen kann,
chen und hergeben, dass ihre Tierhaltung einem ordentlichen         dass die Kreisläufe regional gehalten werden, dass das Futter
und vernünftigen Tierwohlsinn entspricht. – Ich danke Ihnen.        möglichst zu großen Teilen in den Betrieben produziert wird
                                                                    und damit […] eine deutlich bessere regionale Verankerung
            (Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)                kommt und Veredlung in der Region nachhaltig möglich ist.
                                                                    […]

                                                                    Natürlich müssen wir uns auf Expertinnen und Experten beru-
                                                                    fen in der Politik. […] Da müssen wir auch auf die Bundesebe-
                                                                    ne schielen, […] was die Ausgestaltung angeht von Nutztier-
                                                                    haltung. Ich kann mich erinnern, als Koalitionsverhandlungen
                                                                    auf Bundesebene liefen, dass wir gefordert hatten als SPD,
                                                                    dass wir eine Nutztierstrategie 2030 haben wollen. Dazu ist
                                                                    es leider bis heute nicht gekommen, […] dass wir Transport-
                                                                    zeiten bei Tieren reduzieren, und zwar vier Stunden oder we-
                                                                    niger. […]

                                                                                     LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
8   A k t u e l l e          S t u n d e

                                                                              schung gut und richtig, wenn man Eiweißquellen in Zukunft
                                                                              auch über andere Quellen […] erschließen kann?

                                                                              Wir brauchen natürlich Investitionsförderung. […] Wir müssen
                                                                              auch mit Agrarförderprogrammen weiterhin in eine Nutztier-
                                                                              haltung investieren, die den Tieren gerechter wird. Wir müs-
                                                                              sen genau hinschauen, wenn Stallanlagen genehmigt wer-
                                                                              den, […] natürlich ist der Brandschutz jetzt an der Stelle ein
                                                                              Riesenproblem gewesen. Und natürlich wären nicht so viele
                                                                              Tiere in Alt Tellin verendet, wenn die Stallanlage kleiner ge-
                                                                              wesen wäre. Das heißt aber nicht automatisch, dass in einer
                                                                              kleineren Anlage der Brandschutz besser gewährleistbar ist
                                                                              […]. Und ob Sie jetzt Sauen im kleinen Betrieb haben oder
                                                                              Geflügel, der Brandschutz beziehungsweise die Möglichkeit,
                                                                              die Tiere zu evakuieren, wird bei diesen beiden Tierhaltungen,
                                                                              bei Geflügel und bei Sauen, bei Ferkeln, immer ein Riesenpro-
                                                                              blem sein. Sie werden die Tiere im Brandfall nicht einfach aus
                                                                              den Stallanlagen rausbekommen. […].
                                                        Foto: Uwe Sinnecker
                                                                              Und es gibt nicht umsonst […] große Pferdehalter, die mit
                                                                              den freiwilligen Feuerwehren und teilweise auch mit den
    […] auch wenn wir keine gewerbliche Tierhaltung wollen,                   Berufsfeuerwehren üben, ihre Tiere an Atemschutzträger zu
    sondern eine landwirtschaftliche, […] hat […] das Tierwohl                gewöhnen, damit die Tiere im Falle eines Brandes evakuierbar
    mit der reinen Stallgröße […] nichts zu tun […]. Tierwohl hat             werden. Das ist aber in einem landwirtschaftlichen Betrieb
    immer etwas mit dem Menschen zu tun […], ist ein Mensch                   mit Sauen, die immer wieder remontiert werden, wo immer
    respektvoll gegenüber diesem Wesen, ist er bereit, seine                  wieder Neutiere dazukommen, […] nicht einfach so machbar.
    Anlage entsprechend zu konzipieren, ist er bereit, seine Mit-             Und Sie können auch keinem Masthähnchen oder keiner Le-
    arbeiterinnen und Mitarbeiter im Betrieb anzuweisen, sich                 gehenne dazu verhelfen, dass sie den Stall verlässt. […]
    respektvoll gegenüber den Tieren zu verhalten, ist er bereit,
    in gute Fütterung, in gutes Management zu investieren oder                Natürlich kann man dann sagen, wenn wir die Anlagen klei-
    auch nicht, oder ist man auch bereit, seinen Kanarienvogel zu             ner halten, kriegen wir es hin, dass im Zweifelsfalle bei so einer
    Hause nicht in einen kleinen Käfig einzusperren, sondern eine             Havarie, […] die Anzahl der Tiere, die verendet, kleiner wird.
    vernünftige Voliere zu bauen, […] auch das ist Tierwohl, auch             Aber es ist nicht so, dass wir sie gerettet kriegen. Das gehört
    das ist Tierschutz, […] bei jedem Einzelnen zu Hause.                     zu dieser Wahrheit auch dazu. Und da müssen wir schauen,
                                                                              gibt es überhaupt Möglichkeiten, den Brandschutz besser zu
    Die Geiz-ist-geil-Mentalität wurde hier angesprochen, aber da             gewährleisten. Und wenn es sie gibt, […] dann muss sie finan-
    ist es am Ende wie mit der Henne und dem Ei. Die Lebens-                  ziert werden und dann muss sie vor allen Dingen auch über
    mittelpreise sind gestiegen […], aber die Rohstoffpreise sta-             die Rohstoffpreise mitfinanziert werden und nicht rein über
    gnieren. Der Verbraucher oder die Verbraucherin kann im Le-               Förderung. […]
    bensmitteleinzelhandel entscheiden, was er oder sie kaufen
    möchte, ob bio, ob regional, ob konventionell produziert, wie             Und zur ganzen Diskussion Tierwohl gehört auch dazu, dass
    auch immer. Aber solange es eben Billigware gibt, wird es […]             wir […] dieses Abwandern von Produktion ins Ausland, dass
    immer […] Menschen geben, die sagen, ich möchte nur das                   wir das absolut verhindern müssen. […] Das sind die großen
    und das für mein Schnitzel ausgeben. […]                                  Nachteile der Globalisierung […]. Das ist nicht nachhaltig.

    Und da sehen wir […] den Kern des Problems. […] Man muss                  Nachhaltigkeit muss auch in der Tierhaltung immer mehr
    […] wollen, dass Lebensmittel möglichst in der Region pro-                Einzug halten. Wir müssen es schaffen, dass wieder das Fut-
    duziert werden, dass jemand davon gut leben kann, dass die                ter, die Gülle, die Transporte, das Gehalt und auch am Ende
    Tiere gut gehalten werden, dass sie gut gefüttert werden,                 der Erlös zu einem vernünftigen Dreiklang zueinanderfinden.
    dass die Kreisläufe vor Ort funktionieren. Das ist doch der               Und da gehört Investition in Tierwohl dazu. Da gehört aber
    Mehrwert, der dahinterstehen muss,                                        auch dazu, dass wir darüber reden müssen, wie können wir
    […] und das muss auch verdammt noch mal endlich für die                   es hinbekommen, uns vom Weltmarkt, was Preisbildung an-
    Rohstoffe bezahlt werden können.                                          geht, besser abzuheben. […] Und da […] haben wir alle […]
                                                                              Hausaufgaben […].
    Und auch das gehört zur Wahrheit dazu, […] dass der Fleisch-
    konsum immer mehr steigt und dass eben die Leute auch                                  (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)
    Fleisch essen wollen. […] Und auch darüber muss man reden:
    Muss es immer zwingend Eiweiß von Schwein, Rind oder Ge-
    flügel sein oder ist nicht eigentlich auch Fortschritt durch For-

    LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
A u s      d e m      P l e n u m / A u s z ü g e              a u s     d e r      O r i g i n a l - D e b a t t e                  9

                       Dr. Wolfgang Weiß, DIE LINKE:                                   ist Exportweltmeister beim Schweinefleisch. Es geht beim
                                                                                       Schwein schon längst nicht mehr darum, unsere Bevölke-
                       „So dürfen wir                                                  rung zu ernähren. Von diesem Erfolg aber, für diesen Erfolg
                                                                                       müssen Tiere leiden, denn damit ein solches System funktio-
                       mit unseren Mitgeschöpfen                                       niert, werden noch immer Sauen fast ihr gesamtes Leben in
                                                                                       Kastenständen gehalten […] Meine Fraktion war schon vor
                       nicht umgehen.“                                                 Bekanntwerden der Pläne von Herrn Straathof gegen den
                                                                                       Bau dieser Ferkelfabrik. Auch nach der Einrichtung haben wir
                                                                                       immer wieder die Schließung dieser Anlage gefordert, und
Fotos: Uwe Sinnecker

                                                                                       nicht nur, weil der damalige Betreiber wegen zahlreicher
                                                                                       Verstöße gegen den Tierschutz ein Tierhaltungsverbot in
                                                                                       Sachsen-Anhalt ausgesprochen bekam.

                                                                                       Der mehrfache Betreiberwechsel in Alt Tellin hat weder et-
                                                                                       was an den Haltungsbedingungen geändert noch auf den
                                                                                       Brandschutz Auswirkungen gehabt, der seit Jahren vor dem
                                                                                       Oberverwaltungsgericht beklagt wird. Jetzt jedoch muss
                                                                                       auch dem Letzten klar geworden sein, dass Anlagen in dieser
                                                                                       Größenordnung weder im Normalbetrieb beherrschbar sind
                                                                                       noch im Störfall, und erst recht nicht im Katastrophenfall.

                                                                                       Festgestellte Mängel gab es aber bereits vor dem Brand zu-
                                                                                       hauf, tote Tiere ebenso. Die Anrufung der Schöpfung hätte
                       Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!         also schon viel früher erfolgen sollen. Ich erinnere an die tau-
                       Mit dem Thema der Aussprache „Aus Respekt vor der Schöp-        send toten Schweine, die nach dem Ausfall einer Lüftungs-
                       fung – in Tierwohl investieren“ setzt die CDU mehrere Zei-      anlage ums Leben gekommen sind, oder daran, dass die
                       chen […] signalisiert sie die Dringlichkeit unseres Antrages    Betreiberin der Megastallanlage Ferkelverluste im Genehmi-
                       aus demselben Anlass: der Brandkatastrophe von Alt Tellin.      gungsverfahren bereits mit zehn Prozent angab. Das bedeu-
                       Es reicht nicht aus, einfach mal ergebnis- und folgenlos da-    tet 70 tote Ferkel pro Tag, das sind 25.000 tote Ferkel jedes
                       rüber zu reden. Das wäre blanke Heuchelei. Wir brauchen         Jahr. Ich frage, was hat das mit einer Haltung von Nutztieren
                       praktikable Entscheidungen, und dafür sind Beschlüsse nö-       zu tun, die mit dem Tierschutz konform geht, und wie sich
                       tig, und dafür braucht man einen Antrag.                        das mit dem Gesetz verträgt.

                                      (Zuruf von Egbert Liskow, CDU)                   Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, wir sind
                                                                                       uns einig: So dürfen wir mit unseren Mitgeschöpfen nicht
                       […] Wir wollten aussteigen, wir sollten aussteigen aus einem    umgehen, und es ist auch sicher nicht das, was die CDU-
                       System, das weder Respekt vor der Schöpfung hat noch            Fraktion unter Respekt vor der Schöpfung versteht. […]
                       von der Mehrheit der Bevölkerung gewollt ist. Deutschland

                                                                                                        LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
10   A u s        d e m          P l e n u m / B e r i c h t e

                                                                                                                                                              Foto: Jens Büttner
     Die Europäische Union möchte bis 2050 klimaneutral sein. Mit Offshore-Windkraftanlagen wie dieser 35 Kilometer nordöstlich von Rügen soll dieses Ziel
     erreicht werden.

     Der grüne Deal                                         „Mit dem Green Deal werden völlig un-
                                                            nötig Milliarden Euro vernichtet, ohne
                                                            dafür einen nützlichen Gegenwert
                                                                                                                    Dem erteilte Energieminister Christian
                                                                                                                    Pegel (SPD) eine Absage. Der men-
                                                                                                                    schengemachte Teil des Klimawandels
     Landtagsmehrheit gegen                                 zu erlangen“, begründete Christoph                      schreite mit extremer Geschwindigkeit
     Austritt aus dem EU-Abkommen                           Grimm (AfD) den Antrag seiner Frakti-                   voran. Die EU tue deshalb klug daran,
                                                            on. Für Deutschland zeichne sich dabei                  den Industriestandort Europa auf Ver-
                                                            vor allem eines ab: „Es wird wieder ein-                änderungsprozesse einzustellen und
                                                            mal teuer.“ Denn der jährliche Beitrag an               sie gemeinschaftlich anzugehen. „Wir
         Saubere Energie. Kreislauforien-                   die EU solle von 1,0 auf 1,11 Prozent des               glauben, dass es ökonomisch hochgra-
     tierte Wirtschaft. Ressourcenscho-                     Bruttoinlandsprodukts – und damit um                    dig sinnvoll ist, was wir tun.“ Die Landes-
     nendes Bauen. Nachhaltige Mobili-                      3,7 Milliarden Euro jährlich – steigen. Im              regierung habe deshalb nicht vor, eine
     tät. Umweltfreundliche Lebensmittel.                   Gegenzug bringe der Green Deal viele                    Bundesratsinitiative zum Green Deal
     Mit Maßgaben wie diesen soll Europa                    Jobs in Gefahr. In der Automobilindu-                   loszutreten. „Im Gegenteil: Wir werden
     seinen Netto-Ausstoß von Treibhaus-                    strie bedrohe die angestrebte E-Mobi-                   die bundespolitischen Maßnahmen be-
     gasen bis 2050 auf null reduzieren.                    lität jeden zweiten Arbeitsplatz. „Und                  gleiten und wir werden auch weiterhin
     So sieht es ein Konzept vor, das die                   das, obwohl Batterie-Autos die schmut-                  unsere Aufgabe engagiert wahrneh-
     EU Ende 2019 auf den Weg gebracht                      zigste Antriebsart überhaupt sind. Wenn                 men.“ Er sei immer wieder überrascht,
     hat. Es nennt sich „European Green                     ein E-Auto vom Band rollt, hat es schon                 in welches Gewand die AfD ihre Ver-
     Deal“ (Europäisches grünes Abkom-                      so viel CO2 erzeugt wie ein Diesel nach                 suche stecke, den menschengemach-
     men). Veranschlagte Kosten bis 2030:                   sechs Jahren.“ Anlagen zur klimafreund-                 ten Klimawandel zu negieren und die
     mindestens eine Billion Euro. Die AfD                  lichen Stromerzeugung richteten in der                  Energiewende zu beseitigen. „Das ist ja
     spricht von einem verantwortungs-                      Natur verheerende Schäden an, die an-                   am Ende die Hauptgestalt des Antrags.“
     losen Plan, der Wohlstand, Arbeits-                    gestrebten CO2-Einsparungen seien im                    Aber: „Was kostet eigentlich ein ,Weiter
     plätze und Umwelt gefährde. Sie                        Weltmaßstab dagegen völlig unbedeu-                     so'?“ Und: Wie viele Arbeitsplätze wer-
     drängte im Landtag auf eine Bundes-                    tend, so Grimm. „Der European Green                     den vernichtet, wenn man weiter auf
     ratsinitiative, mit dem Ziel, aus dem                  Deal ist ein nutzloses ideologisches                    Altbewährtes setzt „und dann feststel-
     Green Deal auszusteigen und die                        Luxusprojekt zur Geld-, Arbeitsplatz-                   len muss, dass der Zug abgefahren ist
     Forschung umweltverträglicher Zu-                      und Wohlstandsvernichtung. Stoppen                      und wir abgehängt sind“? Dazu sage
     kunftstechnologien zu unterstützen.                    Sie dieses Projekt!“                                    die AfD nichts.

     LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
A u s      d e m       P l e n u m / B e r i c h t e                  11

                                                                       nologien erst noch zu finden.“ Dabei
                                                                                                                     Majorel gibt
Foto: Cornelius Kettler

                                                                       setze die AfD augenscheinlich auf einen
                                                                       nationalen Alleingang. Welche neuen
                                                                       Forschungsaktivitäten möchte sie? Wel-        drei Callcenter
                                                                       che Maßstäbe sollen für die Beurteilung
                                                                       von Umweltverträglichkeit gelten – na-
                                                                       tionale, internationale? Welche Zielvor-
                                                                                                                     in MV auf
                                                                       gaben liegen dem zugrunde? Und                Landtag kritisiert Schließungs-
                                                                       welcher Zeitplan? All das lasse der An-       pläne / Drei Standorte und 1000
                                                                       trag im Unklaren. Mit einem Alleingang        Jobs in MV betroffen
                                                                       Deutschlands im Forschungsbereich
                                                                       werde Europa seine Klimaziele nicht
                                                                       erreichen. Wirkungsvoller Klimaschutz
                                                                       sei ein länderübergreifendes Projekt.             Wie geht es weiter für die Majorel-
                                                                       „Es bedarf folglich auch gesamteuropä-        Mitarbeiter in Schwerin, Stralsund und
                                                                       ischer Anstrengungen, damit Europa bis        Neubrandenburg? Das Unternehmen
                                                                       2050 als erster Kontinent klimaneutral        hat angekündigt, seine Callcenter in
                                                                       wird und die Klimapolitik der EU Früchte      diesen Städten zum Jahresende zu
                          Photovoltaikanlagen sind ein Baustein        trägt.“                                       schließen. Rund 1000 Beschäftigte
                          der Energiewende.
                                                                                                                     sind davon betroffen. Eine unterneh-
                                                                       Bert Obereiner (AfD) bezweifelte, dass        merische Entscheidung, die auch den
                          Dietmar Eifler (CDU) bezeichnete den         die veranschlagten Kosten von einer           Landtag beschäftigte: Zum einen hat-
                          Green Deal als ein „gigantisches Pro-        Billion Euro ausreichen werden, um die        ten die Koalitionsfraktionen auf Be-
                          jekt“, das sich auf alle Lebensbereiche      Klimaziele zu erreichen. „Ich persönlich      streben der SPD eine Aussprache dazu
                          auswirken werde. Wie genau, lasse sich       glaube, dass das eine viel zu geringe         beantragt. Zum anderen legte DIE
                          gegenwärtig noch nicht allumfänglich         Größenordnung ist.“ Er sprach von „eher       LINKE dem Plenum einen Antrag vor.
                          bewerten. Bisher gebe es zwar einzelne       zehn Billionen oder noch mehr“. Kli-          Dieser zielte darauf ab, seitens der
                          Strategien. Ein vollständiges Programm       maneutralität in Europa nütze jedoch          Landesregierung alles zu tun, um
                          liege aber noch nicht vor. Er verhehl-       nichts, wenn alle anderen Kontinente          Schließungen und Jobverluste abzu-
                          te nicht, dass es in Industrie und Wirt-     das nicht auch erreichen. Er richtete         wenden. Bei der grundsätzlichen Kri-
                          schaft erhebliche Bedenken gegen die         seinen Blick dabei vor allem auf Schwel-      tik am Vorgehen von Majorel herrsch-
                          geplanten Vorgaben gebe. Die Schlüs-         len- und Entwicklungsländer. „Vielleicht      te viel Einigkeit. Den Antrag der
                          se, die die AfD daraus ziehe, trage seine    sollte man eher diese Länder dabei            Opposition trugen SPD und CDU aber
                          Fraktion aber nicht mit. Gleichwohl wol-     unterstützen, ihre weitgehend ineffizi-       nicht mit.
                          le auch sie Änderungen anstoßen. „Wir        enten Energietechniken, ihren Mobili-
                          wollen, dass die Landesregierung sich        tätsbereich und Gebäude zu moderni-           Henning Foerster (DIE LINKE) verur-
                          auf Bundesebene dafür einsetzt, dass         sieren. Da würde man mit dieser einen         teilte das Vorgehen von Majorel. „Es er-
                          die wirtschaftlichen Entwicklungen           Billion Euro wahrscheinlich viel mehr         weckt den Eindruck, dass die Karawane
                          unseres Landes, der Schutz unserer           CO2 einsparen, als in Europa, wo in der       mal wieder weiterziehen soll, nachdem
                          Umwelt und die soziale Sicherheit der        Regel alles auf einem relativ modernen        das Feld abgegrast ist.“ Er erinnerte
                          Menschen im Europäischen Green Deal          Stand ist.“ Sein Fazit: „Sie versuchen, mit   daran, dass Majorel bzw. sein Vorgän-
                          ihre Verankerung finden.“ Er sprach sich     unzulänglichen Mitteln etwas zu errei-        gerunternehmen in den vergangenen
                          dafür aus, die Auswirkungen erneuer-         chen, was absehbar scheitern wird –           Jahren mehr als sechs Millionen Euro
                          barer Energien auf die Artenvielfalt wis-    zumindest weltweit gesehen. Deshalb           Wirtschaftsförderung erhalten hätten.
                          senschaftlich bewerten zu lassen und         halten wir an unserem Antrag fest.“           „Die Zweckbindungen sind zwischen-
                          ausgehend davon Maßnahmen zu er-                                                           zeitlich ausgelaufen.“ Alle Bemühungen
                          greifen. „Was wir allerdings nicht wollen,   Die Fraktion DIE LINKE hat in der Debat-      des Landes, die Standorte zu erhalten –
                          das ist der pauschale Ausstieg aus dem       te nicht das Wort ergriffen. Sie stimmte,     und dafür gegebenenfalls auch weitere
                          European Green Deal. Deshalb lehnen          ebenso wie SPD und CDU, gegen den             Fördermittel zu zahlen – habe das Un-
                          wir Ihren Antrag ab.“                        Antrag. Die beiden fraktionslosen Ab-         ternehmen zurückgewiesen. „Was kann
                                                                       geordneten Christel Weißig und Holger         Politik in solchen Situationen tun? Zum
                          Thomas Würdisch (SPD) fokussierte            Arppe unterstützten das Ansinnen der          einen natürlich Öffentlichkeit schaffen.
                          sich in seiner Rede auf die erhobene         AfD.                                          Denn kein Konzern steht gern im Fern-
                          Forderung nach mehr Forschung und                                                          sehen und in den Printmedien am Pran-
                          bezeichnete diese als Feigenblatt. „Der      Antrag AfD                                    ger.“ Zum anderen könne sie ein Stück
                          Vorschlag impliziert, dass es statt kon-     Drucksache 7/5961                             weit Türöffner für neue Kontakte und
                          kreter Maßnahmen zum Klimaschutz                                                           Beschäftigungsalternativen sein. Des-
                          erst noch weiterer Forschung bedarf,                                                       halb sei es seiner Fraktion wichtig, nicht
                          um umweltverträgliche Zukunftstech-                                                        nur über eine Aussprache unverbindlich

                                                                                                                LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
12                             A u s        d e m         P l e n u m / B e r i c h t e

                                                                                                                                 Angebote, in Stralsund 150 und in Neu-
     Foto: Cornelius Kettler

                                                                                                                                 brandenburg 300. In Stralsund zeige ein
                                                                                                                                 Unternehmen zudem Interesse an einer
                                                                                                                                 Komplettübernahme. „Wir als Land wer-
                                                                                                                                 den gemeinsam mit den Agenturen für
                                                                                                                                 Arbeit den angelaufenen Prozess weiter
                                                                                                                                 begleiten.“

                                                                                                                                 Dirk Lerche (AfD) warf dem Bertelsmann-
                                                                                                                                 Konzern vor, wie eine Heuschrecke zu
                                                                                                                                 agieren und nur eines im Blick zu haben:
                                                                                                                                 Gewinnmaximierung. Ärgerlich seien
                                                                                                                                 natürlich auch die vielen Millionen, die
                                                                                                                                 das Land als Wirtschaftsförderung an das
                                                                                                                                 Vorgängerunternehmen gezahlt habe.
                                                                                                                                 „Hier sollte man in Zukunft vielleicht prü-
                                                                                                                                 fen, ob bei Verkauf, Fusionierung oder
                                                                                                                                 Verlegung von Firmen ins Ausland auch
                               Die Majorel-Standorte in Schwerin, Stralsund und Neubrandenburg werden geschlossen.               nach 20 Jahren über Klauseln und Rege-
                                                                                                                                 lungen in Verträgen eine Rückführung
                               über das Thema zu reden, sondern über               litionsfraktionen nicht für einen Antrag,     geltend gemacht werden kann.“ Er hoffe,
                               einen Antrag einen klaren Beschluss her-            sondern für eine Aussprache entschie-         dass die im Raum stehenden Beschäfti-
                               beizuführen.                                        den. Er bedauerte, dass die Situation der     gungsangebote von regionalen Firmen
                                                                                   Callcenter nicht die gleiche öffentliche      kommen und nicht von den nächsten
                               Jochen Schulte (SPD) verwies auf zahl-              Aufmerksamkeit erfahre, wie die der           Heuschrecken. „Wenn wir wenigstens die
                               reiche Bemühungen seiner Fraktion, eine             Werften. Deshalb sei die Aussprache           Arbeitsplätze, die wir bisher hatten, auch
                               Lösung für die Standorte zu finden. Da-             auch der Versuch gewesen, das Thema           weiterhin haben, dann haben wir hier
                               bei habe sich jedoch deutlich gezeigt,              noch einmal in die Öffentlichkeit zu rü-      viel erreicht.“
                               dass Majorel kein Interesse habe, an den            cken. Das Beispiel Majorel verdeutliche
                               betroffenen Callcentern festzuhalten.               einmal mehr, „dass weder Niedriglohn          „Auch die CDU-Fraktion setzt sich dafür
                               Aus diesem Grund hätten sich die Koa-               noch der Wettbewerb mit Fördermitteln         ein, dass die Arbeitsplätze erhalten und
                                                                                   Standorte dauerhaft sichert“. Deshalb sei     Menschen in Arbeit bleiben“, unterstrich
                                                                                   es seiner Fraktion wichtig, beim Thema        Bernhard Wildt (CDU). Man könne Unter-
                                     Stichwort: Majorel Group                      wirtschaftliche Entwicklung einen an-         nehmen aber nicht zwingen, an Standor-
                                                                                   deren Weg zu gehen: „Einen Weg hin            ten festzuhalten. Die Callcenter-Branche
                               Die Majorel Group Luxembourg S.A.
                                                                                   zu mehr Tarifbindung, zu mehr Tariflohn       befinde sich in einer Konzentrationspha-
                               entstand Anfang 2019. Sie ist ein ge-
                                                                                   und weg vom Thema Mindestlohn.“               se. Zwischen 2010 und 2018 sei die Zahl
                               meinsames Tochterunternehmen von
                                                                                                                                 der Unternehmen von 1149 auf 816 zu-
                               Bertelsmann und der marokkanischen
                                                                                   Der Wirtschaftsminister habe nach Be-         rückgegangen. Gemessen am Jahresum-
                               Saham Group. Beide halten je 50 Pro-
                                                                                   kanntwerden der Schließungspläne so-          satz generiere jeder Majorel-Mitarbeiter
                               zent an dem Unternehmen. Vor der
                                                                                   fort Kontakt zu Majorel aufgenommen           etwa 20.000 Euro im Jahr. „Daraus lässt
                               Fusion arbeitete die Callcenter-Sparte
                                                                                   und Unterstützung bei der Suche nach          sich sofort ableiten, dass die Löhne und
                               von Bertelsmann unter der Bezeich-
                                                                                   einer Lösung angeboten, erläuterte            Gehälter einfach nicht besonders hoch
                               nung Arvato CRM Solutions. Nach ei-
                                                                                   Landwirtschaftsminister Dr. Till Back-        sein können.“ Niedriglohn-Arbeitsplätze
                               genen Angaben auf der Firmenhome-
                               page zählt Majorel 58.000 Mitarbeiter,              haus (SPD) in Vertretung für Harry Gla-       mit Fördermitteln nach MV zu holen,
                               mehr als 400 Auftraggeber und ist                   we (CDU). Die Geschäftsführung habe           halte er auch nicht für sinnvoll. „Es ist viel
                               weltweit in 30 Ländern vertreten. In MV             jedoch sehr deutlich gemacht, dass sie        besser, Arbeitsplätze bei uns zu haben,
                               betreibt es vier Callcenter: in Schwerin,           wirtschaftlich keine Zukunft für die drei     die Forschung und Entwicklung, auch
                               Rostock, Stralsund und Neubranden-                  Standorte sehe und die notwendigen            Verwaltung und Vertrieb beinhalten, und
                               burg. Der Standort Rostock ist nicht                Maßnahmen für eine Schließung einlei-         nicht nur verlängerte Werkbänke für an-
                               von den Schließungsplänen betroffen.                ten werde. „Wir bedauern als Landesre-        dere Firmen darstellen.“ Der Antrag der
                               Neben den drei Standorten in MV soll                gierung ausdrücklich den Rückzug.“ Der        Linken sei überflüssig. Die Landesregie-
                               zum Jahresende auch das Callcenter                  Minister zeigte sich jedoch zuversichtlich,   rung unternehme bereits alles, um die
                               in Chemnitz aufgegeben werden. Ma-                  dass es für viele Mitarbeiter trotzdem        Arbeitsplätze zu sichern. Dadurch sei es
                               jorel begründet die Schließungen mit                weitergehen könnte. „Zwischenzeitlich         bereits gelungen, dem größten Teil der
                               wirtschaftlichen Verlusten und damit,               haben eine Reihe von Service-Centern          Arbeitskräfte eine Perspektive zu geben.
                               dass ihr größter Kunde, die Telekom,                Interesse an einer Übernahme von Mit-         „Insofern entspannt sich die konkrete Si-
                               seinen Vertrag gekündigt habe.                      arbeiterinnen und Mitarbeitern von Ma-        tuation.“
                                                                                   jorel bekundet.“ In Schwerin gebe es 180

                               LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
A u s          d e m          P l e n u m / B e r i c h t e                                      13

Nach Ansicht von Holger Arppe (frakti-

                                                                                                                                                     Foto: Jens Büttner
onslos) werfe Corona ein deutliches Licht
auf die Callcenter-Branche. Die Pande-
mie habe ihr zwar einen enormen Schub
gegeben, das habe aber auch dazu ge-
führt, dass die Branche genauso schlag-
artig an den Rand ihrer technischen und
personellen Kapazitäten geraten sei.
Infolgedessen verlagere sich die Kun-
denkommunikation zunehmend hin zu
digitalen Angeboten wie Chatbots. „Call-
center sind also ein Auslaufmodell in ih-
rer bisherigen Form.“ Auf solche Entwick-
lungen müsse die Politik reagieren – und
sich davon verabschieden, zukunftslose       Der Tanach, die hebräische Bibel, ist von rechts nach links geschrieben.
Wirtschaftszweige „um jeden Preis am
Leben erhalten zu wollen“.
                                             1700 Jahre                                               in Deutschland sei lang, unterstrich
                                                                                                      Sebastian Ehlers (CDU). „Auch unsere
Seine Fraktion bleibe dabei, dass sich
der Landtag zum Agieren von Majorel          jüdisches Leben                                          Region wurde von Personen jüdischer
                                                                                                      Abstammung und Religion lange Zeit
klar positionieren sollte. „Eine Ausspra-
che ist uns diesbezüglich einfach zu we-
nig“, warb Henning Foerster (DIE LINKE)
                                             in Deutschland                                           geprägt.“ Als Beispiel nannte er den
                                                                                                      Schweriner Rechtsanwalt und Politiker
                                                                                                      Felix Löwenthal. „Löwenthals Name ist
am Ende der Debatte noch einmal um           MV beteiligt sich am bundes-                             eng mit der Demokratisierung Mecklen-
Zustimmung zum Antrag. „Da steht ja          weiten Festjahr / Landtag tritt                          burgs zu Zeiten der Weimarer Republik
auch wirklich nichts Schlimmes drin.“        Antisemitismus entgegen                                  verbunden.“ Die Geschichte der Juden
Die geplante Schließung zu missbilligen,                                                              in Deutschland sei lang, wechselvoll
die Bemühungen der Landesregierung                                                                    und von tiefen Zäsuren und Brüchen
zu unterstützen und alle Möglichkeiten                                                                geprägt. „Umso dankbarer müssen wir
zum Erhalt der Callcenter auszuschöp-            Die jüdische Gemeinschaft begeht                     sein, dass nach 1990 hier in MV wieder
fen – „dahinter müsste sich eigentlich       in diesem Jahr ein besonderes Jubilä-                    ein lebendiges jüdisches Gemeindele-
jeder hier im Saal versammeln können“.       um. Anlass dafür ist ein Gesetz aus dem                  ben entstanden ist.“ Das Festjahr biete
Er bezweifelte, dass die erwähnten Job-      Jahr 321. Darin gestattet der römische                   eine gute Gelegenheit, jüdischer Ge-
angebote tatsächlich schon eine Lö-          Kaiser Konstantin dem Kölner Stadtrat,                   schichte zu begegnen, jüdisches Leben
sung seien. „Ich habe noch mal mit dem       Juden in den Stadtrat zu berufen. Die-                   besser kennenzulernen und Antisemi-
Sprecher der Betriebsräte telefoniert.“      ses Edikt gilt als ältester Beleg für die                tismus entgegenzutreten. Hier setze der
Demnach handele es sich lediglich um         Existenz jüdischer Gemeinden auf dem                     Antrag an, auch über das Jubiläumsjahr
pauschale Angebote, „derart, dass man        Gebiet des heutigen Deutschlands.                        hinaus. Mit dem Ziel, dem jüdischen Le-
die dann aushängt im Callcenter und          „1700 Jahre jüdisches Leben in                           ben in MV weiter einen festen Platz zu
den Leuten sagt: Da könnt ihr euch be-       Deutschland“ – unter diesem Motto                        geben.
werben.“ Der Antrag habe sich deshalb        wird die Vielfalt des jüdischen Lebens
mitnichten erledigt. „Für meine Fraktion     mit einem bundesweiten Festjahr ge-                      „Jüdisches Leben hat unser Land und
sage ich: Wir wollen die Flinte noch nicht   feiert. Auch in MV sind Veranstaltungen                  unsere Kultur seit jeher geprägt, belebt
ins Korn werfen.“                            geplant. Der Landtag ermunterte alle                     und bereichert“, sagte Justizministerin
                                             Engagierten, ihre Ideen dafür weiter-                    Katy Hoffmeister (CDU). „In Mecklen-
Am Ende der Debatte stimmten neben           zuentwickeln und umzusetzen. Sich                        burg ist jüdisches Leben erstmals im 13.
den Linken auch die AfD und die frak-        selbst verpflichtete er einstimmig, die                  Jahrhundert in Wismar urkundlich nach-
tionslose Abgeordnete Christel Weißig        Erinnerung an die Geschichte der Jü-                     gewiesen.“ Die Shoa habe es auch in MV
für den Antrag. SPD, CDU und der frak-       dinnen und Juden in MV aufrechtzuer-                     nahezu ausgelöscht. „Erst mit der Wie-
tionslose Abgeordnete Holger Arppe vo-       halten und Antisemitismus entgegen-                      dervereinigung Deutschlands begann
tierten dagegen. Zu den Themen einer         zuwirken. Die Initiative für den                         ein zaghafter Neubeginn.“ Inzwischen
Aussprache gibt es keine Beschlussvorla-     Koalitionsantrag, der u.a. vorsieht, jü-                 zählten die jüdischen Gemeinden in
gen und werden auch keine Beschlüsse         dische Vereine, Beratungsstellen und                     Schwerin und Rostock rund 1200 Ge-
gefasst.                                     die Instandhaltung von Synagogen zu                      meindemitglieder. „Für diesen Neube-
                                             fördern, ging von der CDU aus.                           ginn jüdischer Gemeinschaft sind wir
Antrag DIE LINKE                                                                                      sehr, sehr dankbar.“ Bis heute würden
Drucksache 7/5971                            Egal ob in Wissenschaft, Literatur, Kunst                jüdische Mitmenschen jedoch immer
                                             oder Geschichte – die Liste berühmter                    wieder Opfer von Hass und Gewalt.
                                             Persönlichkeiten mit jüdischer Herkunft                  „Dies zeigt einmal mehr, dass unsere

                                                                                                 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
14                                                                       A u s      d e m       P l e n u m / B e r i c h t e

     Bemühungen gegen Antisemitismus                tisemitismus. „Mit dem Migrationsschub      tierte Holger Arppe (fraktionslos). „Hier
     und für mehr Toleranz nicht nachlassen         2015 ist dieser Antisemitismus, vor allem   sehe ich gerade vor dem Hintergrund
     dürfen.“ Deshalb sei es auch richtig und       der Israel bezogene Antisemitismus,         der gegenwärtigen Corona-Politik eine
     wichtig gewesen, 2019 einen Landes-            zweifelsfrei angewachsen.“                  große Gefahr, dass totalitäre Mechanis-
     beauftragten für jüdisches Leben in MV                                                     men vom Blockwart-Denken angefan-
     und gegen Antisemitismus zu berufen,           „Antisemitismus hat eine lange Ge-          gen bis zur Ausgrenzung Andersden-
     der das Thema ins Land hineintrage.            schichte und zugleich eine bedrohliche      kender und Regierungskritiker wieder
     „Jüdisches Leben hat da zu stehen, wo          Aktualität“, sagte Manfred Dachner          fröhliche Urständ feiert. Und dann sind
     es hingehört: in der Mitte unserer Ge-         (SPD). „Umfragen belegen: Antisemitis-      wir wieder da, wo wir eigentlich nie wie-
     sellschaft.“ Das Festjahr sei eine Einla-      mus in Deutschland ist weit verbreitet.“    der hin wollten.“
     dung an alle, die Vielfalt des jüdischen       Mit dem Anschlag 2019 auf die Synago-
     Lebens kennenzulernen. „Nutzen wir             ge in Halle habe der Hass auf Jüdinnen      Dr. Wolfgang Weiß (DIE LINKE) bedau-
     diese! Setzen wir ein Zeichen für Weltof-      und Juden einen neuen Höhepunkt             erte, dass die Koalitionsfraktionen den
     fenheit und Toleranz!“                         erreicht. Dass jüdische Schulen oder        Antrag im stillen Kämmerlein vorbereitet
                                                    Gottesdienste von Polizisten bewacht        haben. „Wegen seiner grundsätzlichen
     „Jüdisches Leben gehört zu uns und un-         werden müssen, seien Zustände, die          Bedeutung als Bekenntnis aller Demo-
     serer Geschichte. Es ist eine lange, wech-     die Zivilgesellschaft nicht zulassen dür-   kraten zum jüdischen Leben in MV wäre
     selhafte und auch leidvolle Geschichte,        fe. Er freue sich deshalb sehr, dass das    ein fraktionsübergreifender Antrag unter
     die uns miteinander verbindet“, äußerte        Parlament im Jubiläumsjahr ein deut-        Einbeziehung der jüdischen Gemeinden
     Horst Förster (AfD). „Insoweit stützt          liches Zeichen gegen den wachsenden         angemessen gewesen.“ Auch enthalte
     meine Partei das mit dem Antrag ver-           Antisemitismus setze. Es sei wichtig,       er nichts Konkretes über die Aktivitäten
     folgte Anliegen, jüdisches Leben in            immer wieder daran zu erinnern, dass        der Landesregierung. „Das alles wäre
     Deutschland sichtbarer zu machen und           Deutschland und MV seinen jüdischen         verständlich, würden wir uns noch in der
     zu fördern, ohne Wenn und Aber.“ Anti-         Mitbürgern viel zu verdanken habe.          Planungsphase befinden. Doch es ist be-
     semitismus habe in Deutschland keinen          „Das Judentum, seine Kultur, Religion       reits über ein Viertel des Festjahres ver-
     Platz. „Aber mit diesem Begriff muss ver-      und Geschichte muss bekannter wer-          gangen.“ Über die Herausforderungen,
     antwortungsvoll umgegangen werden.             den. Nicht nur die deutschen Seiten         die sich im Zuge der Corona-Pandemie
     Insbesondere darf der Holocaust dabei          der leidvollen Geschichte, nicht nur als    für das Festjahr ergeben, verliere der An-
     nicht instrumentalisiert werden. Ein ver-      Opfer von Pogromen und im Mittelalter       trag ebenfalls kein Wort. Seine Fraktion
     krampftes Klima, bei dem jede kritische        und der Shoa.“ Denn: „Wer die jüdische      werde ihm selbstverständlich trotzdem
     Äußerung zu Juden oder Israel sofort           Kultur und Religion kennt, kann niemals     zustimmen. „Das jüdische Leben in MV
     als Verdachtsfall für Antisemitismus ge-       ein Antisemit werden.“                      bedarf unseres Schutzes und unserer
     sehen wird, ist der Sache nicht dienlich                                                   Unterstützung.“ Er hoffe, dass SPD und
     und eher geeignet, den Antisemitismus          Wer Antisemitismus bekämpfen wolle,         CDU den Antrag nun mit Enthusiasmus
     zu fördern.“ Viel zu kurz komme ihm im         müsse auch totalitären Mechanismen          in die Tat umsetzen. „Uns haben Sie da-
     politischen Diskurs der islamistische An-      die Grundlage entziehen, argumen-           bei an Ihrer Seite.“

                                                                                                Sebastian Ehlers (CDU) lobte die über-
               Stichwort: Sukkot – das Laubhüttenfest                                           wiegend sachliche Debatte. Als der
                                                                                                Antrag geschrieben wurde, sei ein
     Das Laubhüttenfest ist ein jüdisches            Dach ist löcherig, damit man immer ein
                                                                                                weiterer Lockdown nicht absehbar ge-
     Fest. Es beginnt fünf Tage nach Jom             Stück Himmel sehen kann. Viele Juden
     Kippur, dem höchsten jüdischen Fei-            verbinden mit dem Laubhüttenfest            wesen. Er hoffe, dass ein Großteil der
     ertag und variiert in seinem Datum             auch einen Erntedank. Sukkot ist ein        Veranstaltungen auch unter den jeweils
     zwischen September und Oktober. In             fröhliches Fest. Ein Fest der Gemein-       geltenden Maßnahmen durchgeführt
     diesem Jahr findet es vom 20. bis 27.          schaft, Dankbarkeit, aber auch Besin-       werden könne. Dem Vorschlag der Lin-
     September statt. Es erinnert Juden an          nung. Anlässlich des Festjahres „1700       ken, dem ehrenamtlich arbeitenden
     das Leben ihrer Vorfahren während              Jahre jüdisches Leben in Deutschland“       Landesbeauftragten ökonomisch mehr
     deren Flucht aus Ägypten. Auf ihrem            soll – so es die Corona-Pandemie zu-        Gewicht zu verleihen, stand er offen
     beschwerlichen Weg durch die Wüste             lässt – vom 20. bis 27. September auch      gegenüber. Inwiefern man die Position
     in ihr neues Zuhause, dem „Gelobten            am Schweriner Schloss ein Laubhüt-          weiter ausstatte, müsse der neue Land-
     Land“ und heutigen Israel, lebten sie          tenfest gefeiert und im Burggarten          tag entscheiden. „Ich bin da jedenfalls
     ohne Schutz vor Wind und Wetter                eine Laubhütte aufgebaut werden.            offen und gesprächsbereit. Ich denke
     in einfachen Hütten oder Zelten. Bei           Veranstalter ist der Landesverband der      mal, meine Fraktion auch.“
     diesem Fest ist es deshalb Brauch, aus         jüdischen Gemeinden MV.
     Zweigen, Laub, Holzlatten und Planen           Nähere Informationen zum Festjahr           Antrag CDU/SPD
     Laubhütten zu bauen. Sie heißen auf            und seinen Veranstaltungen gibt es          Drucksache 7/5969
     Hebräisch „sukkot“ und geben dem               unter der zentralen Internetseite
     Fest seinen Namen. Das Besondere: Ihr          https://2021jlid.de.

     LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
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