LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
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LANDTAG LANDTAGS NACHRICHTEN Mecklenburg-Vorpommern 6. Mai 4/ 2021 www.landtag-mv.de +++ Majorel gibt drei Callcenter in MV auf +++ 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland +++ Lockdown Nummer drei +++ Wohnraum ist zum Wohnen da +++ Land kauft Gebäudeteil auf Prora +++ Erleichterungen für Angler +++ Digitaler Tag der Menschen mit Behinderung +++
2 I n h a l t AUS DEM PLENUM 3 Aktuelle Stunde “Aus Respekt vor der Schöpfung - in Tierwohl investieren” (auf Antrag der Fraktion der CDU) 4-9 Auszüge aus der Beate Schlupp (CDU), Landtwirtschaftminister Dr. Till Backhaus, Original-Debatte Ralf Borschke (AfD), Elisabeth Aßmann (SPD), Dr. Wolfgang Weiß (DIE LINKE), 10 - 16 Berichte Der grüne Deal steht Majorel gibt drei Callcenter in MV auf 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland Lockdown Nummer drei 17 - 19 Meldungen Bessere Ausbildung von Seiteneinsteigern Wohnraum ist zum Wohnen da Land kauft Gebäudeteil auf Prora Erleichterungen für Angler Jahresbericht des Petitionsausschusses für 2020 20 - 21 Gesetzgebung Laufende und abgeschlossene Gesetzgebung 22 - 25 AUS DEN AUSSCHÜSSEN Digitaler Tag der Menschen mit Behinderung Anhörung zu Karenzzeitgesetz Gutachten zu Gesundheitsversorgung in MV Anhörung zu Bestattungsgesetz 26 - 29 PANORAMA Bohren, Beraten, Ruhe bewahren 30 Das Schloss vor 30 Jahren Mit großem Aufklärungswillen – Armin Tebben berichtet Titelfoto: Uwe Sinnecker über die Arbeit im Untersuchungsausschuss zu den Krawallen in Lichtenhagen 32 Chronik Impressum Herausgeber: Layout: Uwe Sinnecker Namentlich gekennzeichnete Beiträge Landtag mecklenburg-Vorpommern geben nicht in jedem Fall die Meinung des - Öffentlichkeitsarbeit - Druck: produktionsbüro TINUS Herausgebers wieder. Schloss, Lennéstraße 1, 19053 Schwerin Gedruckt auf Recyclingpapier Alle Abbildungen sind urheberrechtlich Fon: 0385 / 525-2113, Fax 525-2151 geschützt. Nachdruck nur mit schriftlicher E-Mail: oeffentlichkeitsarbeit@landtag-mv.de Zugunsten des Leseflusses und aus Genehmigung des Herausgebers. Internet: www.landtag-mv.de Platzgründen ist stellenweise nur die männliche Form verwendet. Die LandtagsNachrichten können kostenlos redaktion: Referat Öffentlichkeitsarbeit, In solchen Fällen ist die weibliche Form bezogen werden. Bestellungen sind an den Anna-Maria Leistner mitgedacht. Herausgeber zu richten. Redaktionsschluss: 20. April 2021 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
A k t u e l l e S t u n d e 3 Beate Schlupp (CDU) während der Aktuellen Stunde zum Thema „Aus Respekt vor der Schöpfung - in Tierwohl investieren" Foto: Uwe Sinnecker Mehr Tierwohl Der Fleischkonsum in Deutschland sei in den vergangenen Jahrzehnten stetig ein alternatives Konzept erarbeiten. Der Minister sprach von einer Modellanlage, bitte! gestiegen, sagte Beate Schlupp (CDU). „Diese Entwicklung hat vor allem damit zu tun, wie Menschen Fleisch konsu- einem „Stall der Zukunft 4.0“. Er werde alles daran setzen, dass aus der rein in- dustriell geführten Anlage ein Landwirt- Nach Brand in Alt Tellin: mieren und nachfragen. ,Geiz ist geil' schaftsbetrieb werde. „Wir wollen eine Landtag spricht sich gegen sorgt dafür, dass heimische Fleisch- Landwirtschaft, die bodengebunden ist Tierfabriken aus produzenten bis zum Anschlag an der und eine Obergrenze hat“ – zwei Groß- Kostenschraube drehen müssen, um die vieheinheiten (GV) pro Hektar. Auch er große Nachfrage nach billigem Fleisch appellierte an Handel und Verbraucher, Dienstag, 30. März. Dichter Qualm auch gegen die Konkurrenz aus dem den Wert von Lebensmitteln anzuer- über Alt Tellin, einer kleinen Gemeinde Ausland decken zu können.“ Fleisch sei kennen. „Hier stimmen die Verhältnisse unweit von Demmin. Die Schweine- inzwischen zur Ramschware geworden. nicht mehr.“ zuchtanlage, eine der größten Europas, „Ethische Fragen nach dem Wohlbe- brennt. Das Feuer zerstört alle Ställe. finden der Tiere, der Verantwortung „Alt Tellin steht zweifellos für eine Fehl- Mehr als 55.000 Sauen und Ferkel ver- gegenüber dem Geschöpf und der Um- entwicklung hin zu einer industriellen brennen oder ersticken. Die Ursache welt treten oft in den Hintergrund.“ Sie Tierproduktion“, meinte Ralf Borschke für das Feuer ist bislang unklar. Der forderte, mit Investitionsförderungen, (AfD). „Grundlage für diese Entwicklung Großbrand hat die Diskussion um Stall- Tierwohlprämien und angemessenen war und ist der Ruf der Verbraucher größen und Tierwohl neu belebt. In Marktpreisen zu besseren Haltungsbe- nach billigem Fleisch und der dadurch der Aktuellen Stunde der April-Sitzung dingungen beizutragen. harte Wettbewerb auf dem globalisier- befasste sich auf Antrag der CDU auch ten Weltmarkt.“ Der Umbau der Tierhal- der Landtag mit dem Thema. Redner „Die Anlage in Alt Tellin wird in der tung dürfe nun aber nicht „überhastet aller Fraktionen sprachen sich gegen Form, in der sie dort gestanden hat, und kopflos“ voranschreiten. „Dabei Riesenställe aus. Sie mahnten grundle- nicht mehr errichtet“, kündigte Land- müssen Tierwohl und Wirtschaftlichkeit gende Änderungen an und stellten wirtschaftsminister Dr. Till Backhaus sowie vertretbare Konsumentenpreise Tierwohl, Wirtschaftlichkeit und Kon- (SPD) an. „Diese überdimensionierten, unter einen Hut gebracht werden.“ sumverhalten dabei in einen maßgeb- industriell geführten Anlagen wollen Nicht jeder könne sich teures Fleisch leis- lichen Zusammenhang. wir nicht.“ Das Unternehmen werde nun ten. Er verwahrte sich gegen den Ein- LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
4 A k t u e l l e S t u n d e druck, Landwirte wären dem Tierwohl Sie sei einmal von einem Konsumenten genehmigen. „Diese Katastrophe war nicht wohlgesonnen. „Wir haben in gefragt worden, welchen persönlichen für die Nutztierhaltung das Fukushima Deutschland bereits die weltweit höchs- Nutzen höhere Fleischpreise für ihn hät- für solche Tierfabriken in Deutschland.“ ten Standards in der Tierhaltung.“ ten. „Da sehen wir doch den Kern des Daraus könne es nur eine Konsequenz Problems.“ Hier wünschte sie sich mehr geben: „Wir sollten aussteigen aus Elisabeth Aßmann (SPD) appellierte Solidarität: Lebensmittel aus der Regi- einem System, das weder Respekt vor an die Abgeordneten, eigenes Kon- on, gute Tierhaltung und Arbeit, von der Schöpfung hat noch von der Mehr- sumverhalten zu reflektieren. „Tierwohl der Landwirte leben können – „das ist heit der Bevölkerung gewollt ist.“ Solche hat immer etwas mit dem Menschen doch der Mehrwert, der dahinter stehen Tierfabriken hätten nichts mit Landwirt- zu tun.“ Damit, wie respektvoll er Tie- muss“. schaft zu tun. „So etwas gehört verbo- ren begegne – sei es als Landwirt oder ten!“ Konsument. „Solange es Billigware gibt, Dr. Wolfgang Weiß (DIE LINKE) for- wird es auch immer viele Menschen derte, die Betriebsgenehmigung für Alt geben, die sagen, ich möchte nur das Tellin zu widerrufen und Anlagen mit und das für mein Schnitzel ausgeben.“ ähnlichen Konzepten nicht mehr zu Beate Schlupp, CDU: die große Nachfrage nach billigem Fleisch - auch gegen die Konkurrenz aus dem Ausland - decken zu können. […] die „Wir müssen diesen aufgezeigten Entwicklungen haben […] heftige Debatten ausgelöst. Diese Debatten sind […] gesundheitspolitischer Diskussionsprozess über Natur, […]. Die Debatten sind aber auch wirtschaftspoli- tischer Natur, […]. Und die Debatten sind ethischer Natur, staatliche Investitions- wenn gefragt wird, welches Recht der Mensch eigentlich hat, sich […] über das Wohl anderer Geschöpfe zu stellen förderung, Tierwohlprämien […]. und angemessene Seit einigen Tagen dominiert diese Tierwohldiskussion […] die öffentliche Debatte. Anlass ist der Brand […] in Alt Tellin Marktpreise führen.“ mit 55.000 […] qualvoll verendeten Tieren. […] Hierzulande redet man lieber über Zuständigkeiten, über immissions- schutzrechtliche Zuständigkeiten, um genau zu sein. […] Foto: Uwe Sinnecker Bleiben wir also einen kurzen Moment bei Alt Tellin. Im Jahr 2007 kam es zu einem Vertrag des Investors mit der Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern […]. Auf- sichtsratsvorsitzender der Landgesellschaft war und ist der Landwirtschaftsminister. Die weitere Betreuung […] erfolgte durch die LMS, Aufsichtsratsvorsitzender war hier der Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium. Für Fra- gen des Brand-, Umwelt- und Tierschutzes innerhalb des Verfahrens zeichneten dann die unteren zuständigen Be- hörden, […] damals Altkreis Demmin, verantwortlich. Die- sem Altkreis […] stand ab dem 01.10.2008 ein Landrat der Linkspartei/PDS vor. […] Bis 2006 lag die Fach- und Dienstaufsicht für die Staatli- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten chen Ämter beim Umweltministerium des Landes Me- Damen und Herren! […]. cklenburg-Vorpommern mit einem Umweltminister der Linkspartei/PDS. Seit 2006 lag die Fachaufsicht […] beim Der Fleischkonsum […] [ist] in den letzten 60 Jahren in CDU-geführten Wirtschaftsministerium und die Dienst- Deutschland um 30 Prozent gestiegen. […] Diese Entwick- aufsicht beim SPD-geführten Landwirtschaftsministeri- lung lässt sich nur in gewissem Umfang damit erklären, um. Richtig ist, dass Jürgen Seidel als fachlich zuständiger dass die Menschen heute inflationsbereinigt mehr Netto- Minister für das Immissionsrecht die Genehmigung nach verdienst haben. […] Sie hat vor allem damit zu tun, wie Bundes-Immissionsschutzgesetz erteilt hat. Das war und Menschen Fleisch konsumieren und nachfragen. „Geiz ist ist auch nicht zu beanstanden, weil die Voraussetzungen geil“ sorgt dafür, dass heimische Fleischproduzenten bis für eine Genehmigung damals vorgelegen haben. […], un- zum Anschlag an der Kostenschraube drehen müssen, um serer heutigen Aktuellen Stunde […] liegt aber ganz sicher LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
A u s d e m P l e n u m / A u s z ü g e a u s d e r O r i g i n a l - D e b a t t e 5 nicht die Motivation einer immissionsschutzrechtlichen Minister Dr. Till Backhaus: Bewertung der Zulassung […] in Alt Tellin zugrunde. […] das Problem [ist] sehr viel grundlegender […]. „Lebensmittel Wir glauben, die Brandursachenermittler sind die Fachleu- haben ihren Wert.” te, die uns […] sagen können, warum das Feuer ausbrach […], und nicht übereifrige Politiker. […] Foto: Uwe Sinnecker Die Politik hingegen wird die Frage beantworten müssen wie Tierhaltung in Deutschland und speziell in Mecklen- burg-Vorpommern zukünftig unter Einhaltung hoher Tier- schutz- und Umweltstandards stattfinden kann, ohne dass die Wirtschaftlichkeit verloren geht. Oder um es für mei- ne Fraktion an dieser Stelle ganz klar zu sagen: Eine reine Verschiebung der Probleme ins Ausland, weil Wunsch und Wirklichkeit zu weit auseinandergehen, wird es mit meiner Fraktion nicht geben. Auch das wäre unethisch. […] Wir [müssen] diesen Diskussionsprozess […] über staatli- che Investitionsförderung, Tierwohlprämien und vor allem angemessene Marktpreise führen. Wir brauchen konkrete Empfehlungen für Stallneubauten, Entwicklungsperspekti- ven für bestehende Tierhaltungsanlagen, die das Tierwohl, […] Wir wollen diese überdimensionierten, industriell den Umwelt- und Klimaschutz sowie betriebswirtschaft- geführten Anlagen […] nicht. liche Aspekte berücksichtigen, […]. Dazu gibt es inzwi- schen auch konkrete Vorschläge […] der sogenannten (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) Borchert-Kommission […]. Sie passen nicht zu diesem Land und das habe ich immer Generell muss zur gesellschaftlichen Debatte aber auch gesagt. gehören, dass neben der Investitionsförderung die mit hö- heren Standards verbundenen Mehraufwendungen, die […] Wir wollen eine umweltverträgliche, eine tierwohlorien- nicht zu einem besseren Betriebsergebnis führen, durch tierte und eine bäuerlich geprägte Landwirtschaft, die damit die Gesellschaft zumindest soweit ausgeglichen werden, […] im Kreislauf wirtschaftet. […] dass der Tierhalter angemessene Einkünfte erzielen kann. […] Erstens. Die Anlage in Alt Tellin wird in der Form, die dort gestanden hat, nicht wieder errichtet. Mit mir gibt es dafür Wenn […] DIE LINKE unsere Wahl für das Thema der Aktu- keine Genehmigung, und der Eigentümer hat dem zuge- ellen Stunde kritisiert, dann frage ich mich zum einen, ob stimmt. Diese Anlage wird in der Form […] nicht wieder er- es […] an Aktualität mangelt, zum anderen aber auch, wie richtet, Punkt eins. ernst sie es mit dem Tierschutz meint. […]. Und ich hoffe, dass aus meinen Ausführungen deutlich geworden ist, dass (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – meine Fraktion […] über Konsequenzen reden will […]! Zuruf von Horst Förster, AfD) Ein weiteres Alt Tellin darf es nicht geben! Und ich hoffe, zu- Ja, das ist verhandelt. mindest hinter diesem Satz können wir uns alle versammeln. – Vielen Dank! Zweitens. LSB – und das ist das Mutterunternehmen – wird ein alternatives Konzept erarbeiten und vorlegen, ich gehe (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU davon aus, zügig, und uns dann auch vorlegen. und Thomas Krüger, SPD) Es ist zugesichert im Übrigen, dass es eine Kooperation zwi- schen den Gemeinden, der Gemeinde, dem Landkreis, den Verbänden und natürlich auch den Behörden geben wird. Ich habe angeboten: wir werden einen Beirat entwickeln, der dann dieses Projekt, nämlich den Stall der Zukunft 4.0, Modell Mecklenburg-Vorpommern, deutschlandweit auf den Weg bringen wird, wo diese Aspekte, die Sie angedeu- tet haben, mit eine Rolle spielen werden. Viertens. Wir wollen alles daransetzen, dass aus dieser rein in- dustriell geführten Anlage ein Landwirtschaftsbetrieb wird. LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
6 A k t u e l l e S t u n d e Ralf Borschke, AfD: „Alt Tellin steht zweifellos für eine Fehlentwicklung hin zu einer industriellen Tierproduktion.“ Fotos: Uwe Sinnecker Und damit ist auch klar, die Obergrenze zwei GV steht für mich in dieser Frage auf dem Tableau. Fünftens. Nach meiner Auffassung ist es zwingend notwen- dig, mehr Wissenschaft und Forschung in der Begleitung sol- cher Anlagen voranzutreiben und damit auch den neusten Stand der Technik auch umzusetzen. Hier gehe ich davon aus, dass die Bundesministerin dem zustimmen wird und dass damit das von Thünen-Institut, die Bundesforschung Meine sehr verehrten Damen und Herren und sehr geehrte sich dieses Themas zusätzlich annehmen wird, um damit ein Frau Schlupp, entgegen Ihren Ausführungen hat ja der Herr Modell für Deutschland 4.0 in Deutschland zu entwickeln. Waldmüller im NDR heute Morgen schon die Richtung vorge- geben. Er sagte nämlich, mit uns wird es keine großen Mast- Sechstens. Ich gehe davon aus, dass dieses Modellvorhaben anlagen mehr geben. […] dann deutschlandweit in die Umsetzung gelangt. Als Erstes stelle ich mal die Frage, meine Damen und Herren: Und siebtens. Wir werden prüfen, und ich erwarte das von Wer hat denn all die Jahre hier regiert, wer war denn für das der Bundesministerin, dass die Reduktion im Übrigen des Wohl, für das Tierwohl zuständig? gesamten Sauenbestandes an diesem Standort in einer Art und Weise begleitet wird, dass es hier zu einer sinnvollen Re- […] wir sind keine Freunde solcher Riesenmastanlagen, das duktion auf diesem Standort kommen soll. Tierwohl ist für uns eine wichtige Angelegenheit. Ich gehe davon aus, dass das Unternehmen und der Eigen- (Beifall Dr. Ralph Weber, AfD) tümer in Kürze uns seine weiteren Ideen vorlegen wird, und aus Respekt, im Übrigen noch mal, vor der Schöpfung in Ich bin selbst Tierhalter, ich habe einen Viehbestand, einen Richtung Tierwohl, will ich hier nur die letzten Stichworte Schafbestand von unter 1,5 Großvieheinheiten auf den Hektar angesprochen haben: […] Lebensmittel haben ihren Wert. und ich war immer dagegen, dass Pflanzenproduktion und Und wir haben uns in Deutschland daran gewöhnt, sehr, Tierproduktion getrennt werden. Alt Tellin, meine Damen und sehr preiswerte, ja, billige Lebensmittel zur Verfügung zu ha- Herren, steht zweifellos für eine Fehlentwicklung hin zu einer ben. Wenn Sie einmal in die Schweiz schauen oder auch in industriellen Tierproduktion. Grundlage für diese Entwicklung den Süden oder nach Frankreich, was kostet dort ein Ei, in war und ist der Ruf der Verbraucher nach billigem Fleisch und der Schweiz im Übrigen zurzeit einen Franken, in Deutsch- der dadurch harte Wettbewerb auf dem globalisierten Welt- land aber ein Bioei 25 Cent. Hier stimmen die Verhältnisse markt. nicht mehr. […] Wir wollen auch in der Zukunft Tierhaltung in Mecklenburg-Vorpommern, aber tierartgerecht, umwelt- (Beifall Horst Förster, AfD: Das ist die Realität.) gerecht und für die Verbraucherinnen und Verbraucher mit Genuss zu essen. Das gehört für uns zusammen. Schweinehaltung, meine Damen und Herren, war schon im- mer ein Pfenniggeschäft. Wer hier bestehen wollte, musste (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) expandieren. Die Entwicklung ist also keine Überraschung. Viel zu lange wurde sie durch die Märkte und das Verbrau- cherverhalten förmlich herbeigezwungen. Da muss niemand mit dem Finger auf die Landwirte zeigen. LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
A u s d e m P l e n u m / A u s z ü g e a u s d e r O r i g i n a l - D e b a t t e 7 […] Aus heutiger Sicht muss man eigentlich davon ausgehen, Elisabeth Aßmann, SPD: dass die Anlage in Alt Tellin, meine Damen und Herren, nicht mehr aufgebaut wird. Es stellt sich also die Frage: Welche Vor- „Nachhaltigkeit muss auch gaben wären nötig, um solch eine Anlage überhaupt brandsi- cher zu betreiben? […] Ist eine Anlage in solch einer Größen- in der Tierhaltung immer ordnung dann überhaupt noch wirtschaftlich zu betreiben? mehr Einzug halten.“ (Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU) Fotos: Uwe Sinnecker […] Weitere Vorgaben und Einschränkungen sind nur von Großanlagen zu leisten, die kleinen fallen immer mehr hinten runter. Dann kommt unser Fleisch, wenn es so weitergeht, eben nicht mehr aus Deutschland, dann kommt es eben aus schlechteren Haltungsbedingungen aus dem Ausland. Das wäre ein weiterer fragwürdiger Erfolg ideologisierter Tier- schutzpolitik. Aber, meine Damen und Herren, noch mal, es kommt eben nicht auf die Menge, sondern auf die Art der Haltung an. […] Es gilt also, eine möglichst artgerechte, ökologisch verträg- liche Tierhaltung bei gleichermaßen stabilen Erzeugerpreisen und bezahlbaren Konsumentenpreisen zu entwickeln. […] Und ein Wort zum Genehmigungsverfahren: […] Diese An- […] das Thema Tierschutz ist eins, was man sehr, sehr sach- lage hätte nie genehmigt werden können, wenn sie gegen lich betrachten muss, was sehr ernst ist und was […] sehr, sehr irgendwelche Auflagen verstößt. Und daher gibt es daran gar ethisch geprägt ist, und wo […] jeder […] sich auch mal an die nichts rumzumäkeln. Diese Anlage war genehmigt und des- eigene Nase […] fassen kann. […] wegen stand sie, […] Ich kann mich erinnern an die Koalitionsverhandlungen 2016 Und, meine Damen und Herren, […] in Alt Tellin, da hängen […]. Da haben wir über […] Bestandsobergrenzen diskutiert. Arbeitsplätze dran, das Leben und die Zukunft ganzer Fami- […] und am Ende ist eine Regelung herausgekommen […], lien […] diesem Elend versuchen tatsächlich einige, ihr poli- die uns zu lasch war. […] wir wollten eine betriebliche und re- tisches Süppchen zu kochen. gionale Bestandsobergrenze. Ich habe damals schon gesagt, eine Anlage wie Alt Tellin würde man […] so […] nicht vermei- (Egbert Liskow, CDU: Na, wer denn?) den können. […] […] Der Abtransport der Tiere wurde durch militante Tier- Jetzt schreibt die CDU-Landtagsfraktion […], es sollten zu- schützer gestört, die den Transporter mit Steinen bewarfen künftig keine Förderanreize mehr für Massentierhaltung ge- und die Fahrzeuge verfolgten. […] die Tierhaltung bei uns in schaffen werden. Das finde ich auch sehr interessant, weil hier Deutschland ist eigentlich, für die ganze Welt muss das ein nach wie vor die Definition dafür fehlt. Nichtsdestotrotz ist es Vorbild sein. Also ich warne davor, hier den Gaul zu reiten, un- so, […] dass wir uns […] einig sind, […] wir wollen, dass Tier- sere Tierhaltung und unsere Landwirte würden dem Tierwohl haltung landwirtschaftlich betrieben wird, dass Tierhaltung nicht wohlgesonnen sein. Ich bin der festen Überzeugung, an den Boden gebunden ist, dass nur so viel Mist und Gülle dass unsere Landwirte ihre Tiere lieben und alles dafür ma- produziert werden kann, wie der Boden aufnehmen kann, chen und hergeben, dass ihre Tierhaltung einem ordentlichen dass die Kreisläufe regional gehalten werden, dass das Futter und vernünftigen Tierwohlsinn entspricht. – Ich danke Ihnen. möglichst zu großen Teilen in den Betrieben produziert wird und damit […] eine deutlich bessere regionale Verankerung (Beifall vonseiten der Fraktion der AfD) kommt und Veredlung in der Region nachhaltig möglich ist. […] Natürlich müssen wir uns auf Expertinnen und Experten beru- fen in der Politik. […] Da müssen wir auch auf die Bundesebe- ne schielen, […] was die Ausgestaltung angeht von Nutztier- haltung. Ich kann mich erinnern, als Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene liefen, dass wir gefordert hatten als SPD, dass wir eine Nutztierstrategie 2030 haben wollen. Dazu ist es leider bis heute nicht gekommen, […] dass wir Transport- zeiten bei Tieren reduzieren, und zwar vier Stunden oder we- niger. […] LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
8 A k t u e l l e S t u n d e schung gut und richtig, wenn man Eiweißquellen in Zukunft auch über andere Quellen […] erschließen kann? Wir brauchen natürlich Investitionsförderung. […] Wir müssen auch mit Agrarförderprogrammen weiterhin in eine Nutztier- haltung investieren, die den Tieren gerechter wird. Wir müs- sen genau hinschauen, wenn Stallanlagen genehmigt wer- den, […] natürlich ist der Brandschutz jetzt an der Stelle ein Riesenproblem gewesen. Und natürlich wären nicht so viele Tiere in Alt Tellin verendet, wenn die Stallanlage kleiner ge- wesen wäre. Das heißt aber nicht automatisch, dass in einer kleineren Anlage der Brandschutz besser gewährleistbar ist […]. Und ob Sie jetzt Sauen im kleinen Betrieb haben oder Geflügel, der Brandschutz beziehungsweise die Möglichkeit, die Tiere zu evakuieren, wird bei diesen beiden Tierhaltungen, bei Geflügel und bei Sauen, bei Ferkeln, immer ein Riesenpro- blem sein. Sie werden die Tiere im Brandfall nicht einfach aus den Stallanlagen rausbekommen. […]. Foto: Uwe Sinnecker Und es gibt nicht umsonst […] große Pferdehalter, die mit den freiwilligen Feuerwehren und teilweise auch mit den […] auch wenn wir keine gewerbliche Tierhaltung wollen, Berufsfeuerwehren üben, ihre Tiere an Atemschutzträger zu sondern eine landwirtschaftliche, […] hat […] das Tierwohl gewöhnen, damit die Tiere im Falle eines Brandes evakuierbar mit der reinen Stallgröße […] nichts zu tun […]. Tierwohl hat werden. Das ist aber in einem landwirtschaftlichen Betrieb immer etwas mit dem Menschen zu tun […], ist ein Mensch mit Sauen, die immer wieder remontiert werden, wo immer respektvoll gegenüber diesem Wesen, ist er bereit, seine wieder Neutiere dazukommen, […] nicht einfach so machbar. Anlage entsprechend zu konzipieren, ist er bereit, seine Mit- Und Sie können auch keinem Masthähnchen oder keiner Le- arbeiterinnen und Mitarbeiter im Betrieb anzuweisen, sich gehenne dazu verhelfen, dass sie den Stall verlässt. […] respektvoll gegenüber den Tieren zu verhalten, ist er bereit, in gute Fütterung, in gutes Management zu investieren oder Natürlich kann man dann sagen, wenn wir die Anlagen klei- auch nicht, oder ist man auch bereit, seinen Kanarienvogel zu ner halten, kriegen wir es hin, dass im Zweifelsfalle bei so einer Hause nicht in einen kleinen Käfig einzusperren, sondern eine Havarie, […] die Anzahl der Tiere, die verendet, kleiner wird. vernünftige Voliere zu bauen, […] auch das ist Tierwohl, auch Aber es ist nicht so, dass wir sie gerettet kriegen. Das gehört das ist Tierschutz, […] bei jedem Einzelnen zu Hause. zu dieser Wahrheit auch dazu. Und da müssen wir schauen, gibt es überhaupt Möglichkeiten, den Brandschutz besser zu Die Geiz-ist-geil-Mentalität wurde hier angesprochen, aber da gewährleisten. Und wenn es sie gibt, […] dann muss sie finan- ist es am Ende wie mit der Henne und dem Ei. Die Lebens- ziert werden und dann muss sie vor allen Dingen auch über mittelpreise sind gestiegen […], aber die Rohstoffpreise sta- die Rohstoffpreise mitfinanziert werden und nicht rein über gnieren. Der Verbraucher oder die Verbraucherin kann im Le- Förderung. […] bensmitteleinzelhandel entscheiden, was er oder sie kaufen möchte, ob bio, ob regional, ob konventionell produziert, wie Und zur ganzen Diskussion Tierwohl gehört auch dazu, dass auch immer. Aber solange es eben Billigware gibt, wird es […] wir […] dieses Abwandern von Produktion ins Ausland, dass immer […] Menschen geben, die sagen, ich möchte nur das wir das absolut verhindern müssen. […] Das sind die großen und das für mein Schnitzel ausgeben. […] Nachteile der Globalisierung […]. Das ist nicht nachhaltig. Und da sehen wir […] den Kern des Problems. […] Man muss Nachhaltigkeit muss auch in der Tierhaltung immer mehr […] wollen, dass Lebensmittel möglichst in der Region pro- Einzug halten. Wir müssen es schaffen, dass wieder das Fut- duziert werden, dass jemand davon gut leben kann, dass die ter, die Gülle, die Transporte, das Gehalt und auch am Ende Tiere gut gehalten werden, dass sie gut gefüttert werden, der Erlös zu einem vernünftigen Dreiklang zueinanderfinden. dass die Kreisläufe vor Ort funktionieren. Das ist doch der Und da gehört Investition in Tierwohl dazu. Da gehört aber Mehrwert, der dahinterstehen muss, auch dazu, dass wir darüber reden müssen, wie können wir […] und das muss auch verdammt noch mal endlich für die es hinbekommen, uns vom Weltmarkt, was Preisbildung an- Rohstoffe bezahlt werden können. geht, besser abzuheben. […] Und da […] haben wir alle […] Hausaufgaben […]. Und auch das gehört zur Wahrheit dazu, […] dass der Fleisch- konsum immer mehr steigt und dass eben die Leute auch (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) Fleisch essen wollen. […] Und auch darüber muss man reden: Muss es immer zwingend Eiweiß von Schwein, Rind oder Ge- flügel sein oder ist nicht eigentlich auch Fortschritt durch For- LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
A u s d e m P l e n u m / A u s z ü g e a u s d e r O r i g i n a l - D e b a t t e 9 Dr. Wolfgang Weiß, DIE LINKE: ist Exportweltmeister beim Schweinefleisch. Es geht beim Schwein schon längst nicht mehr darum, unsere Bevölke- „So dürfen wir rung zu ernähren. Von diesem Erfolg aber, für diesen Erfolg müssen Tiere leiden, denn damit ein solches System funktio- mit unseren Mitgeschöpfen niert, werden noch immer Sauen fast ihr gesamtes Leben in Kastenständen gehalten […] Meine Fraktion war schon vor nicht umgehen.“ Bekanntwerden der Pläne von Herrn Straathof gegen den Bau dieser Ferkelfabrik. Auch nach der Einrichtung haben wir immer wieder die Schließung dieser Anlage gefordert, und Fotos: Uwe Sinnecker nicht nur, weil der damalige Betreiber wegen zahlreicher Verstöße gegen den Tierschutz ein Tierhaltungsverbot in Sachsen-Anhalt ausgesprochen bekam. Der mehrfache Betreiberwechsel in Alt Tellin hat weder et- was an den Haltungsbedingungen geändert noch auf den Brandschutz Auswirkungen gehabt, der seit Jahren vor dem Oberverwaltungsgericht beklagt wird. Jetzt jedoch muss auch dem Letzten klar geworden sein, dass Anlagen in dieser Größenordnung weder im Normalbetrieb beherrschbar sind noch im Störfall, und erst recht nicht im Katastrophenfall. Festgestellte Mängel gab es aber bereits vor dem Brand zu- hauf, tote Tiere ebenso. Die Anrufung der Schöpfung hätte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! also schon viel früher erfolgen sollen. Ich erinnere an die tau- Mit dem Thema der Aussprache „Aus Respekt vor der Schöp- send toten Schweine, die nach dem Ausfall einer Lüftungs- fung – in Tierwohl investieren“ setzt die CDU mehrere Zei- anlage ums Leben gekommen sind, oder daran, dass die chen […] signalisiert sie die Dringlichkeit unseres Antrages Betreiberin der Megastallanlage Ferkelverluste im Genehmi- aus demselben Anlass: der Brandkatastrophe von Alt Tellin. gungsverfahren bereits mit zehn Prozent angab. Das bedeu- Es reicht nicht aus, einfach mal ergebnis- und folgenlos da- tet 70 tote Ferkel pro Tag, das sind 25.000 tote Ferkel jedes rüber zu reden. Das wäre blanke Heuchelei. Wir brauchen Jahr. Ich frage, was hat das mit einer Haltung von Nutztieren praktikable Entscheidungen, und dafür sind Beschlüsse nö- zu tun, die mit dem Tierschutz konform geht, und wie sich tig, und dafür braucht man einen Antrag. das mit dem Gesetz verträgt. (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, wir sind uns einig: So dürfen wir mit unseren Mitgeschöpfen nicht […] Wir wollten aussteigen, wir sollten aussteigen aus einem umgehen, und es ist auch sicher nicht das, was die CDU- System, das weder Respekt vor der Schöpfung hat noch Fraktion unter Respekt vor der Schöpfung versteht. […] von der Mehrheit der Bevölkerung gewollt ist. Deutschland LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
10 A u s d e m P l e n u m / B e r i c h t e Foto: Jens Büttner Die Europäische Union möchte bis 2050 klimaneutral sein. Mit Offshore-Windkraftanlagen wie dieser 35 Kilometer nordöstlich von Rügen soll dieses Ziel erreicht werden. Der grüne Deal „Mit dem Green Deal werden völlig un- nötig Milliarden Euro vernichtet, ohne dafür einen nützlichen Gegenwert Dem erteilte Energieminister Christian Pegel (SPD) eine Absage. Der men- schengemachte Teil des Klimawandels Landtagsmehrheit gegen zu erlangen“, begründete Christoph schreite mit extremer Geschwindigkeit Austritt aus dem EU-Abkommen Grimm (AfD) den Antrag seiner Frakti- voran. Die EU tue deshalb klug daran, on. Für Deutschland zeichne sich dabei den Industriestandort Europa auf Ver- vor allem eines ab: „Es wird wieder ein- änderungsprozesse einzustellen und mal teuer.“ Denn der jährliche Beitrag an sie gemeinschaftlich anzugehen. „Wir Saubere Energie. Kreislauforien- die EU solle von 1,0 auf 1,11 Prozent des glauben, dass es ökonomisch hochgra- tierte Wirtschaft. Ressourcenscho- Bruttoinlandsprodukts – und damit um dig sinnvoll ist, was wir tun.“ Die Landes- nendes Bauen. Nachhaltige Mobili- 3,7 Milliarden Euro jährlich – steigen. Im regierung habe deshalb nicht vor, eine tät. Umweltfreundliche Lebensmittel. Gegenzug bringe der Green Deal viele Bundesratsinitiative zum Green Deal Mit Maßgaben wie diesen soll Europa Jobs in Gefahr. In der Automobilindu- loszutreten. „Im Gegenteil: Wir werden seinen Netto-Ausstoß von Treibhaus- strie bedrohe die angestrebte E-Mobi- die bundespolitischen Maßnahmen be- gasen bis 2050 auf null reduzieren. lität jeden zweiten Arbeitsplatz. „Und gleiten und wir werden auch weiterhin So sieht es ein Konzept vor, das die das, obwohl Batterie-Autos die schmut- unsere Aufgabe engagiert wahrneh- EU Ende 2019 auf den Weg gebracht zigste Antriebsart überhaupt sind. Wenn men.“ Er sei immer wieder überrascht, hat. Es nennt sich „European Green ein E-Auto vom Band rollt, hat es schon in welches Gewand die AfD ihre Ver- Deal“ (Europäisches grünes Abkom- so viel CO2 erzeugt wie ein Diesel nach suche stecke, den menschengemach- men). Veranschlagte Kosten bis 2030: sechs Jahren.“ Anlagen zur klimafreund- ten Klimawandel zu negieren und die mindestens eine Billion Euro. Die AfD lichen Stromerzeugung richteten in der Energiewende zu beseitigen. „Das ist ja spricht von einem verantwortungs- Natur verheerende Schäden an, die an- am Ende die Hauptgestalt des Antrags.“ losen Plan, der Wohlstand, Arbeits- gestrebten CO2-Einsparungen seien im Aber: „Was kostet eigentlich ein ,Weiter plätze und Umwelt gefährde. Sie Weltmaßstab dagegen völlig unbedeu- so'?“ Und: Wie viele Arbeitsplätze wer- drängte im Landtag auf eine Bundes- tend, so Grimm. „Der European Green den vernichtet, wenn man weiter auf ratsinitiative, mit dem Ziel, aus dem Deal ist ein nutzloses ideologisches Altbewährtes setzt „und dann feststel- Green Deal auszusteigen und die Luxusprojekt zur Geld-, Arbeitsplatz- len muss, dass der Zug abgefahren ist Forschung umweltverträglicher Zu- und Wohlstandsvernichtung. Stoppen und wir abgehängt sind“? Dazu sage kunftstechnologien zu unterstützen. Sie dieses Projekt!“ die AfD nichts. LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
A u s d e m P l e n u m / B e r i c h t e 11 nologien erst noch zu finden.“ Dabei Majorel gibt Foto: Cornelius Kettler setze die AfD augenscheinlich auf einen nationalen Alleingang. Welche neuen Forschungsaktivitäten möchte sie? Wel- drei Callcenter che Maßstäbe sollen für die Beurteilung von Umweltverträglichkeit gelten – na- tionale, internationale? Welche Zielvor- in MV auf gaben liegen dem zugrunde? Und Landtag kritisiert Schließungs- welcher Zeitplan? All das lasse der An- pläne / Drei Standorte und 1000 trag im Unklaren. Mit einem Alleingang Jobs in MV betroffen Deutschlands im Forschungsbereich werde Europa seine Klimaziele nicht erreichen. Wirkungsvoller Klimaschutz sei ein länderübergreifendes Projekt. Wie geht es weiter für die Majorel- „Es bedarf folglich auch gesamteuropä- Mitarbeiter in Schwerin, Stralsund und ischer Anstrengungen, damit Europa bis Neubrandenburg? Das Unternehmen 2050 als erster Kontinent klimaneutral hat angekündigt, seine Callcenter in wird und die Klimapolitik der EU Früchte diesen Städten zum Jahresende zu Photovoltaikanlagen sind ein Baustein trägt.“ schließen. Rund 1000 Beschäftigte der Energiewende. sind davon betroffen. Eine unterneh- Bert Obereiner (AfD) bezweifelte, dass merische Entscheidung, die auch den Dietmar Eifler (CDU) bezeichnete den die veranschlagten Kosten von einer Landtag beschäftigte: Zum einen hat- Green Deal als ein „gigantisches Pro- Billion Euro ausreichen werden, um die ten die Koalitionsfraktionen auf Be- jekt“, das sich auf alle Lebensbereiche Klimaziele zu erreichen. „Ich persönlich streben der SPD eine Aussprache dazu auswirken werde. Wie genau, lasse sich glaube, dass das eine viel zu geringe beantragt. Zum anderen legte DIE gegenwärtig noch nicht allumfänglich Größenordnung ist.“ Er sprach von „eher LINKE dem Plenum einen Antrag vor. bewerten. Bisher gebe es zwar einzelne zehn Billionen oder noch mehr“. Kli- Dieser zielte darauf ab, seitens der Strategien. Ein vollständiges Programm maneutralität in Europa nütze jedoch Landesregierung alles zu tun, um liege aber noch nicht vor. Er verhehl- nichts, wenn alle anderen Kontinente Schließungen und Jobverluste abzu- te nicht, dass es in Industrie und Wirt- das nicht auch erreichen. Er richtete wenden. Bei der grundsätzlichen Kri- schaft erhebliche Bedenken gegen die seinen Blick dabei vor allem auf Schwel- tik am Vorgehen von Majorel herrsch- geplanten Vorgaben gebe. Die Schlüs- len- und Entwicklungsländer. „Vielleicht te viel Einigkeit. Den Antrag der se, die die AfD daraus ziehe, trage seine sollte man eher diese Länder dabei Opposition trugen SPD und CDU aber Fraktion aber nicht mit. Gleichwohl wol- unterstützen, ihre weitgehend ineffizi- nicht mit. le auch sie Änderungen anstoßen. „Wir enten Energietechniken, ihren Mobili- wollen, dass die Landesregierung sich tätsbereich und Gebäude zu moderni- Henning Foerster (DIE LINKE) verur- auf Bundesebene dafür einsetzt, dass sieren. Da würde man mit dieser einen teilte das Vorgehen von Majorel. „Es er- die wirtschaftlichen Entwicklungen Billion Euro wahrscheinlich viel mehr weckt den Eindruck, dass die Karawane unseres Landes, der Schutz unserer CO2 einsparen, als in Europa, wo in der mal wieder weiterziehen soll, nachdem Umwelt und die soziale Sicherheit der Regel alles auf einem relativ modernen das Feld abgegrast ist.“ Er erinnerte Menschen im Europäischen Green Deal Stand ist.“ Sein Fazit: „Sie versuchen, mit daran, dass Majorel bzw. sein Vorgän- ihre Verankerung finden.“ Er sprach sich unzulänglichen Mitteln etwas zu errei- gerunternehmen in den vergangenen dafür aus, die Auswirkungen erneuer- chen, was absehbar scheitern wird – Jahren mehr als sechs Millionen Euro barer Energien auf die Artenvielfalt wis- zumindest weltweit gesehen. Deshalb Wirtschaftsförderung erhalten hätten. senschaftlich bewerten zu lassen und halten wir an unserem Antrag fest.“ „Die Zweckbindungen sind zwischen- ausgehend davon Maßnahmen zu er- zeitlich ausgelaufen.“ Alle Bemühungen greifen. „Was wir allerdings nicht wollen, Die Fraktion DIE LINKE hat in der Debat- des Landes, die Standorte zu erhalten – das ist der pauschale Ausstieg aus dem te nicht das Wort ergriffen. Sie stimmte, und dafür gegebenenfalls auch weitere European Green Deal. Deshalb lehnen ebenso wie SPD und CDU, gegen den Fördermittel zu zahlen – habe das Un- wir Ihren Antrag ab.“ Antrag. Die beiden fraktionslosen Ab- ternehmen zurückgewiesen. „Was kann geordneten Christel Weißig und Holger Politik in solchen Situationen tun? Zum Thomas Würdisch (SPD) fokussierte Arppe unterstützten das Ansinnen der einen natürlich Öffentlichkeit schaffen. sich in seiner Rede auf die erhobene AfD. Denn kein Konzern steht gern im Fern- Forderung nach mehr Forschung und sehen und in den Printmedien am Pran- bezeichnete diese als Feigenblatt. „Der Antrag AfD ger.“ Zum anderen könne sie ein Stück Vorschlag impliziert, dass es statt kon- Drucksache 7/5961 weit Türöffner für neue Kontakte und kreter Maßnahmen zum Klimaschutz Beschäftigungsalternativen sein. Des- erst noch weiterer Forschung bedarf, halb sei es seiner Fraktion wichtig, nicht um umweltverträgliche Zukunftstech- nur über eine Aussprache unverbindlich LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
12 A u s d e m P l e n u m / B e r i c h t e Angebote, in Stralsund 150 und in Neu- Foto: Cornelius Kettler brandenburg 300. In Stralsund zeige ein Unternehmen zudem Interesse an einer Komplettübernahme. „Wir als Land wer- den gemeinsam mit den Agenturen für Arbeit den angelaufenen Prozess weiter begleiten.“ Dirk Lerche (AfD) warf dem Bertelsmann- Konzern vor, wie eine Heuschrecke zu agieren und nur eines im Blick zu haben: Gewinnmaximierung. Ärgerlich seien natürlich auch die vielen Millionen, die das Land als Wirtschaftsförderung an das Vorgängerunternehmen gezahlt habe. „Hier sollte man in Zukunft vielleicht prü- fen, ob bei Verkauf, Fusionierung oder Verlegung von Firmen ins Ausland auch Die Majorel-Standorte in Schwerin, Stralsund und Neubrandenburg werden geschlossen. nach 20 Jahren über Klauseln und Rege- lungen in Verträgen eine Rückführung über das Thema zu reden, sondern über litionsfraktionen nicht für einen Antrag, geltend gemacht werden kann.“ Er hoffe, einen Antrag einen klaren Beschluss her- sondern für eine Aussprache entschie- dass die im Raum stehenden Beschäfti- beizuführen. den. Er bedauerte, dass die Situation der gungsangebote von regionalen Firmen Callcenter nicht die gleiche öffentliche kommen und nicht von den nächsten Jochen Schulte (SPD) verwies auf zahl- Aufmerksamkeit erfahre, wie die der Heuschrecken. „Wenn wir wenigstens die reiche Bemühungen seiner Fraktion, eine Werften. Deshalb sei die Aussprache Arbeitsplätze, die wir bisher hatten, auch Lösung für die Standorte zu finden. Da- auch der Versuch gewesen, das Thema weiterhin haben, dann haben wir hier bei habe sich jedoch deutlich gezeigt, noch einmal in die Öffentlichkeit zu rü- viel erreicht.“ dass Majorel kein Interesse habe, an den cken. Das Beispiel Majorel verdeutliche betroffenen Callcentern festzuhalten. einmal mehr, „dass weder Niedriglohn „Auch die CDU-Fraktion setzt sich dafür Aus diesem Grund hätten sich die Koa- noch der Wettbewerb mit Fördermitteln ein, dass die Arbeitsplätze erhalten und Standorte dauerhaft sichert“. Deshalb sei Menschen in Arbeit bleiben“, unterstrich es seiner Fraktion wichtig, beim Thema Bernhard Wildt (CDU). Man könne Unter- Stichwort: Majorel Group wirtschaftliche Entwicklung einen an- nehmen aber nicht zwingen, an Standor- deren Weg zu gehen: „Einen Weg hin ten festzuhalten. Die Callcenter-Branche Die Majorel Group Luxembourg S.A. zu mehr Tarifbindung, zu mehr Tariflohn befinde sich in einer Konzentrationspha- entstand Anfang 2019. Sie ist ein ge- und weg vom Thema Mindestlohn.“ se. Zwischen 2010 und 2018 sei die Zahl meinsames Tochterunternehmen von der Unternehmen von 1149 auf 816 zu- Bertelsmann und der marokkanischen Der Wirtschaftsminister habe nach Be- rückgegangen. Gemessen am Jahresum- Saham Group. Beide halten je 50 Pro- kanntwerden der Schließungspläne so- satz generiere jeder Majorel-Mitarbeiter zent an dem Unternehmen. Vor der fort Kontakt zu Majorel aufgenommen etwa 20.000 Euro im Jahr. „Daraus lässt Fusion arbeitete die Callcenter-Sparte und Unterstützung bei der Suche nach sich sofort ableiten, dass die Löhne und von Bertelsmann unter der Bezeich- einer Lösung angeboten, erläuterte Gehälter einfach nicht besonders hoch nung Arvato CRM Solutions. Nach ei- Landwirtschaftsminister Dr. Till Back- sein können.“ Niedriglohn-Arbeitsplätze genen Angaben auf der Firmenhome- page zählt Majorel 58.000 Mitarbeiter, haus (SPD) in Vertretung für Harry Gla- mit Fördermitteln nach MV zu holen, mehr als 400 Auftraggeber und ist we (CDU). Die Geschäftsführung habe halte er auch nicht für sinnvoll. „Es ist viel weltweit in 30 Ländern vertreten. In MV jedoch sehr deutlich gemacht, dass sie besser, Arbeitsplätze bei uns zu haben, betreibt es vier Callcenter: in Schwerin, wirtschaftlich keine Zukunft für die drei die Forschung und Entwicklung, auch Rostock, Stralsund und Neubranden- Standorte sehe und die notwendigen Verwaltung und Vertrieb beinhalten, und burg. Der Standort Rostock ist nicht Maßnahmen für eine Schließung einlei- nicht nur verlängerte Werkbänke für an- von den Schließungsplänen betroffen. ten werde. „Wir bedauern als Landesre- dere Firmen darstellen.“ Der Antrag der Neben den drei Standorten in MV soll gierung ausdrücklich den Rückzug.“ Der Linken sei überflüssig. Die Landesregie- zum Jahresende auch das Callcenter Minister zeigte sich jedoch zuversichtlich, rung unternehme bereits alles, um die in Chemnitz aufgegeben werden. Ma- dass es für viele Mitarbeiter trotzdem Arbeitsplätze zu sichern. Dadurch sei es jorel begründet die Schließungen mit weitergehen könnte. „Zwischenzeitlich bereits gelungen, dem größten Teil der wirtschaftlichen Verlusten und damit, haben eine Reihe von Service-Centern Arbeitskräfte eine Perspektive zu geben. dass ihr größter Kunde, die Telekom, Interesse an einer Übernahme von Mit- „Insofern entspannt sich die konkrete Si- seinen Vertrag gekündigt habe. arbeiterinnen und Mitarbeitern von Ma- tuation.“ jorel bekundet.“ In Schwerin gebe es 180 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
A u s d e m P l e n u m / B e r i c h t e 13 Nach Ansicht von Holger Arppe (frakti- Foto: Jens Büttner onslos) werfe Corona ein deutliches Licht auf die Callcenter-Branche. Die Pande- mie habe ihr zwar einen enormen Schub gegeben, das habe aber auch dazu ge- führt, dass die Branche genauso schlag- artig an den Rand ihrer technischen und personellen Kapazitäten geraten sei. Infolgedessen verlagere sich die Kun- denkommunikation zunehmend hin zu digitalen Angeboten wie Chatbots. „Call- center sind also ein Auslaufmodell in ih- rer bisherigen Form.“ Auf solche Entwick- lungen müsse die Politik reagieren – und sich davon verabschieden, zukunftslose Der Tanach, die hebräische Bibel, ist von rechts nach links geschrieben. Wirtschaftszweige „um jeden Preis am Leben erhalten zu wollen“. 1700 Jahre in Deutschland sei lang, unterstrich Sebastian Ehlers (CDU). „Auch unsere Seine Fraktion bleibe dabei, dass sich der Landtag zum Agieren von Majorel jüdisches Leben Region wurde von Personen jüdischer Abstammung und Religion lange Zeit klar positionieren sollte. „Eine Ausspra- che ist uns diesbezüglich einfach zu we- nig“, warb Henning Foerster (DIE LINKE) in Deutschland geprägt.“ Als Beispiel nannte er den Schweriner Rechtsanwalt und Politiker Felix Löwenthal. „Löwenthals Name ist am Ende der Debatte noch einmal um MV beteiligt sich am bundes- eng mit der Demokratisierung Mecklen- Zustimmung zum Antrag. „Da steht ja weiten Festjahr / Landtag tritt burgs zu Zeiten der Weimarer Republik auch wirklich nichts Schlimmes drin.“ Antisemitismus entgegen verbunden.“ Die Geschichte der Juden Die geplante Schließung zu missbilligen, in Deutschland sei lang, wechselvoll die Bemühungen der Landesregierung und von tiefen Zäsuren und Brüchen zu unterstützen und alle Möglichkeiten geprägt. „Umso dankbarer müssen wir zum Erhalt der Callcenter auszuschöp- Die jüdische Gemeinschaft begeht sein, dass nach 1990 hier in MV wieder fen – „dahinter müsste sich eigentlich in diesem Jahr ein besonderes Jubilä- ein lebendiges jüdisches Gemeindele- jeder hier im Saal versammeln können“. um. Anlass dafür ist ein Gesetz aus dem ben entstanden ist.“ Das Festjahr biete Er bezweifelte, dass die erwähnten Job- Jahr 321. Darin gestattet der römische eine gute Gelegenheit, jüdischer Ge- angebote tatsächlich schon eine Lö- Kaiser Konstantin dem Kölner Stadtrat, schichte zu begegnen, jüdisches Leben sung seien. „Ich habe noch mal mit dem Juden in den Stadtrat zu berufen. Die- besser kennenzulernen und Antisemi- Sprecher der Betriebsräte telefoniert.“ ses Edikt gilt als ältester Beleg für die tismus entgegenzutreten. Hier setze der Demnach handele es sich lediglich um Existenz jüdischer Gemeinden auf dem Antrag an, auch über das Jubiläumsjahr pauschale Angebote, „derart, dass man Gebiet des heutigen Deutschlands. hinaus. Mit dem Ziel, dem jüdischen Le- die dann aushängt im Callcenter und „1700 Jahre jüdisches Leben in ben in MV weiter einen festen Platz zu den Leuten sagt: Da könnt ihr euch be- Deutschland“ – unter diesem Motto geben. werben.“ Der Antrag habe sich deshalb wird die Vielfalt des jüdischen Lebens mitnichten erledigt. „Für meine Fraktion mit einem bundesweiten Festjahr ge- „Jüdisches Leben hat unser Land und sage ich: Wir wollen die Flinte noch nicht feiert. Auch in MV sind Veranstaltungen unsere Kultur seit jeher geprägt, belebt ins Korn werfen.“ geplant. Der Landtag ermunterte alle und bereichert“, sagte Justizministerin Engagierten, ihre Ideen dafür weiter- Katy Hoffmeister (CDU). „In Mecklen- Am Ende der Debatte stimmten neben zuentwickeln und umzusetzen. Sich burg ist jüdisches Leben erstmals im 13. den Linken auch die AfD und die frak- selbst verpflichtete er einstimmig, die Jahrhundert in Wismar urkundlich nach- tionslose Abgeordnete Christel Weißig Erinnerung an die Geschichte der Jü- gewiesen.“ Die Shoa habe es auch in MV für den Antrag. SPD, CDU und der frak- dinnen und Juden in MV aufrechtzuer- nahezu ausgelöscht. „Erst mit der Wie- tionslose Abgeordnete Holger Arppe vo- halten und Antisemitismus entgegen- dervereinigung Deutschlands begann tierten dagegen. Zu den Themen einer zuwirken. Die Initiative für den ein zaghafter Neubeginn.“ Inzwischen Aussprache gibt es keine Beschlussvorla- Koalitionsantrag, der u.a. vorsieht, jü- zählten die jüdischen Gemeinden in gen und werden auch keine Beschlüsse dische Vereine, Beratungsstellen und Schwerin und Rostock rund 1200 Ge- gefasst. die Instandhaltung von Synagogen zu meindemitglieder. „Für diesen Neube- fördern, ging von der CDU aus. ginn jüdischer Gemeinschaft sind wir Antrag DIE LINKE sehr, sehr dankbar.“ Bis heute würden Drucksache 7/5971 Egal ob in Wissenschaft, Literatur, Kunst jüdische Mitmenschen jedoch immer oder Geschichte – die Liste berühmter wieder Opfer von Hass und Gewalt. Persönlichkeiten mit jüdischer Herkunft „Dies zeigt einmal mehr, dass unsere LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 4/2021
14 A u s d e m P l e n u m / B e r i c h t e Bemühungen gegen Antisemitismus tisemitismus. „Mit dem Migrationsschub tierte Holger Arppe (fraktionslos). „Hier und für mehr Toleranz nicht nachlassen 2015 ist dieser Antisemitismus, vor allem sehe ich gerade vor dem Hintergrund dürfen.“ Deshalb sei es auch richtig und der Israel bezogene Antisemitismus, der gegenwärtigen Corona-Politik eine wichtig gewesen, 2019 einen Landes- zweifelsfrei angewachsen.“ große Gefahr, dass totalitäre Mechanis- beauftragten für jüdisches Leben in MV men vom Blockwart-Denken angefan- und gegen Antisemitismus zu berufen, „Antisemitismus hat eine lange Ge- gen bis zur Ausgrenzung Andersden- der das Thema ins Land hineintrage. schichte und zugleich eine bedrohliche kender und Regierungskritiker wieder „Jüdisches Leben hat da zu stehen, wo Aktualität“, sagte Manfred Dachner fröhliche Urständ feiert. Und dann sind es hingehört: in der Mitte unserer Ge- (SPD). „Umfragen belegen: Antisemitis- wir wieder da, wo wir eigentlich nie wie- sellschaft.“ Das Festjahr sei eine Einla- mus in Deutschland ist weit verbreitet.“ der hin wollten.“ dung an alle, die Vielfalt des jüdischen Mit dem Anschlag 2019 auf die Synago- Lebens kennenzulernen. „Nutzen wir ge in Halle habe der Hass auf Jüdinnen Dr. Wolfgang Weiß (DIE LINKE) bedau- diese! Setzen wir ein Zeichen für Weltof- und Juden einen neuen Höhepunkt erte, dass die Koalitionsfraktionen den fenheit und Toleranz!“ erreicht. Dass jüdische Schulen oder Antrag im stillen Kämmerlein vorbereitet Gottesdienste von Polizisten bewacht haben. „Wegen seiner grundsätzlichen „Jüdisches Leben gehört zu uns und un- werden müssen, seien Zustände, die Bedeutung als Bekenntnis aller Demo- serer Geschichte. Es ist eine lange, wech- die Zivilgesellschaft nicht zulassen dür- kraten zum jüdischen Leben in MV wäre selhafte und auch leidvolle Geschichte, fe. Er freue sich deshalb sehr, dass das ein fraktionsübergreifender Antrag unter die uns miteinander verbindet“, äußerte Parlament im Jubiläumsjahr ein deut- Einbeziehung der jüdischen Gemeinden Horst Förster (AfD). „Insoweit stützt liches Zeichen gegen den wachsenden angemessen gewesen.“ Auch enthalte meine Partei das mit dem Antrag ver- Antisemitismus setze. Es sei wichtig, er nichts Konkretes über die Aktivitäten folgte Anliegen, jüdisches Leben in immer wieder daran zu erinnern, dass der Landesregierung. „Das alles wäre Deutschland sichtbarer zu machen und Deutschland und MV seinen jüdischen verständlich, würden wir uns noch in der zu fördern, ohne Wenn und Aber.“ Anti- Mitbürgern viel zu verdanken habe. Planungsphase befinden. Doch es ist be- semitismus habe in Deutschland keinen „Das Judentum, seine Kultur, Religion reits über ein Viertel des Festjahres ver- Platz. „Aber mit diesem Begriff muss ver- und Geschichte muss bekannter wer- gangen.“ Über die Herausforderungen, antwortungsvoll umgegangen werden. den. Nicht nur die deutschen Seiten die sich im Zuge der Corona-Pandemie Insbesondere darf der Holocaust dabei der leidvollen Geschichte, nicht nur als für das Festjahr ergeben, verliere der An- nicht instrumentalisiert werden. Ein ver- Opfer von Pogromen und im Mittelalter trag ebenfalls kein Wort. Seine Fraktion krampftes Klima, bei dem jede kritische und der Shoa.“ Denn: „Wer die jüdische werde ihm selbstverständlich trotzdem Äußerung zu Juden oder Israel sofort Kultur und Religion kennt, kann niemals zustimmen. „Das jüdische Leben in MV als Verdachtsfall für Antisemitismus ge- ein Antisemit werden.“ bedarf unseres Schutzes und unserer sehen wird, ist der Sache nicht dienlich Unterstützung.“ Er hoffe, dass SPD und und eher geeignet, den Antisemitismus Wer Antisemitismus bekämpfen wolle, CDU den Antrag nun mit Enthusiasmus zu fördern.“ Viel zu kurz komme ihm im müsse auch totalitären Mechanismen in die Tat umsetzen. „Uns haben Sie da- politischen Diskurs der islamistische An- die Grundlage entziehen, argumen- bei an Ihrer Seite.“ Sebastian Ehlers (CDU) lobte die über- Stichwort: Sukkot – das Laubhüttenfest wiegend sachliche Debatte. Als der Antrag geschrieben wurde, sei ein Das Laubhüttenfest ist ein jüdisches Dach ist löcherig, damit man immer ein weiterer Lockdown nicht absehbar ge- Fest. Es beginnt fünf Tage nach Jom Stück Himmel sehen kann. Viele Juden Kippur, dem höchsten jüdischen Fei- verbinden mit dem Laubhüttenfest wesen. Er hoffe, dass ein Großteil der ertag und variiert in seinem Datum auch einen Erntedank. Sukkot ist ein Veranstaltungen auch unter den jeweils zwischen September und Oktober. In fröhliches Fest. Ein Fest der Gemein- geltenden Maßnahmen durchgeführt diesem Jahr findet es vom 20. bis 27. schaft, Dankbarkeit, aber auch Besin- werden könne. Dem Vorschlag der Lin- September statt. Es erinnert Juden an nung. Anlässlich des Festjahres „1700 ken, dem ehrenamtlich arbeitenden das Leben ihrer Vorfahren während Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ Landesbeauftragten ökonomisch mehr deren Flucht aus Ägypten. Auf ihrem soll – so es die Corona-Pandemie zu- Gewicht zu verleihen, stand er offen beschwerlichen Weg durch die Wüste lässt – vom 20. bis 27. September auch gegenüber. Inwiefern man die Position in ihr neues Zuhause, dem „Gelobten am Schweriner Schloss ein Laubhüt- weiter ausstatte, müsse der neue Land- Land“ und heutigen Israel, lebten sie tenfest gefeiert und im Burggarten tag entscheiden. „Ich bin da jedenfalls ohne Schutz vor Wind und Wetter eine Laubhütte aufgebaut werden. offen und gesprächsbereit. Ich denke in einfachen Hütten oder Zelten. Bei Veranstalter ist der Landesverband der mal, meine Fraktion auch.“ diesem Fest ist es deshalb Brauch, aus jüdischen Gemeinden MV. Zweigen, Laub, Holzlatten und Planen Nähere Informationen zum Festjahr Antrag CDU/SPD Laubhütten zu bauen. Sie heißen auf und seinen Veranstaltungen gibt es Drucksache 7/5969 Hebräisch „sukkot“ und geben dem unter der zentralen Internetseite Fest seinen Namen. Das Besondere: Ihr https://2021jlid.de. 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