Liebe und Respekt! - PROVIEH
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2 editorial 3 Liebe Mitglieder, für Geflügel führt. Und die engagierten Tier- nung für ganzjährige schützer Karin Mück und Jan Gerdes haben Freilandhaltung be- liebe Leserinnen und Leser, ihren ehemaligen Biohof Butenland umgewan- scheren ihnen immer Liebe und Respekt, das wünschen wir Men- delt zu einem Lebenshof für Tiere in Not, auf mehr Freunde, wie schen uns für den Umgang miteinander. Ge- dem sowohl Haustiere als auch Nutztiere ein unsere Fachreferen- rade in der kalten und dunklen Jahreszeit wird artgerechtes und würdevolles Dasein finden. tin Iris Weiland zu uns das so bewusst wie selten sonst. Doch mit Vorstandsmitglied Janet Strahl war bei ihnen berichten weiß. wie viel Liebe gehen wir mit unseren nächs- zu Gast. Was auch in der Bio- ten Mitgeschöpfen, den Nutztieren, um? Wie Gerade das Thema Schlachtung führt immer haltung von Schwei- viel Respekt bringen wir ihren artgemäßen Le- wieder zu Auseinandersetzungen unter Tier- nen gerne verdrängt bensbedürfnissen entgegen? schützern, denn es gäbe doch die Möglich- wird, ist die grausa- Religionen geben Menschen Orientierung bei keit, durch eine vegetarische Lebensweise me Tatsache, dass Fragen wie diesen. In diesem Heft finden Sie ganz auf den Verzehr von Fleisch und damit den männlichen Fer- Beiträge zum Thema Nutztierschutz aus der auf die Notwendigkeit von Schlachtung zu keln in Deutschland Sicht verschiedener Religionsgemeinschaften. verzichten. PROVIEH ist sich aber einig dar- im Alter von wenigen So erzählt Landesbischof Dr. Ulrich Fischer, in, dass zur üblichen Tiernutzung in unserer Tagen immer noch wie er die Tiere als Mitgeschöpfe des Men- Gesellschaft seit jeher auch der Fleischverzehr ohne Betäubung schen erlebt. Frau Dr. Hanna Rheinz von der gehört und dass der Tod der Nutztiere durch Stefan Johnigk mit Bunten Bentheimer Schweinen die Hoden heraus- Stiftungsinitiative Jüdischer Tierschutz gibt ei- die Schlachtung so leidensfrei wie möglich geschnitten werden. nen Einblick in das jüdische Tierschutzrecht geschehen muss. Ein aktueller Vorschlag der Deutschland. Erneut mussten über Tausend Deshalb führt PROVIEH mit wachsendem Er- und seine Bedeutung für eine wahrhaftig um EU-Kommission zur Änderung der Schlach- Enten und Gänse ihr Leben lassen, weil die folg eine deutschlandweite Kampagne zur Menschlichkeit bemühte Gesellschaft. Und trichtlinie wird dementsprechend kritisch von Bundesregierung ihre Tierseuchenpolitik auf Abschaffung der Ferkelkastration. Schon jetzt auch aus Sicht des Buddhismus und der noch PROVIEH kommentiert. irreführende Spekulationen des Friedrich- zeigt sich Bewegung bei den Marktteilneh- jungen Bahá’í-Religion zählt der mitfühlende Loeffler-Instituts (FLI) stützt. Die Hintergründe mern. Daher freut sich unser Verein auf wei- Auch zum Klonen von Nutztieren und zur Ver- der Tragödie in Görlitz erhellt unser Vorstands- tere aktive Unterstützung, denn es soll einen Umgang mit Tieren zu den ethischen Grundla- wendung von gentechnisch veränderten Pflan- vorsitzender Prof. Lorenzen. heißen Winter geben für die Schweinebran- gen menschlichen Handelns. zen in Futtermitteln gibt es Neuigkeiten aus che. Unsere Kampagnenleiterin Sabine Ohm Doch wie sieht es in der Praxis aus, in der sich Brüssel – leider mit erheblichem Grund zur Zu einem respektvollen Umgang mit Tieren ge- lädt Sie ein, mehr zu erfahren. die Nutztierhaltung viel zu oft stärker an Ren- Sorge, wie unsere Mitarbeiterinnen Sabine hört auch der vorbeugende Schutz vor Krank- diten als an ethischen Werten orientiert? Wir Ohm und Melanie Peters in ihren Beiträgen heiten. Viele Biobetriebe hinterfragen kritisch Gemeinsam mit Henne „Puttelchen“ aus un- stellen Ihnen vier vorbildliche Menschen vor, berichten. Es zahlt sich aus, dass unser Verein die verordneten Pflichtimpfungen gegen die serer Vorlesegeschichte für Kinder wünsche die mit viel Liebe und Respekt ihren Nutztieren sein Ohr so nah am Puls der Europäischen Blauzungenkrankheit. Unser Mitglied Sabine ich Ihnen besinnliche Feiertage und dass wir unnötiges Leid ersparen. Ernst Herrmann Mai- Politik hat und sich deshalb rechtzeitig mit Zentis vom PROVIEH-Arbeitskreis Tierseuchen zusammen auch im neuen Jahr 2009 viel für er kämpfte erfolgreich dafür, seinen frei leben- Briefaktionen und Gesprächen an Entschei- gibt dazu Antworten in diesem Heft. den Schutz unserer Nutztiere bewegen. den Rindern die Qual des Einfangens und des dungsträger wenden kann mit dem Ziel, dass Schweine gelten als Glücksbringer und erfreu- Transports zum Schlachthof zu ersparen. Bio- kein neues Unrecht gegen das Wohl der Nutz- en sich gerade zum bevorstehenden Jahres- bauer Niels Odefey beweist auf seinem Hof, tiere in politischen Verordnungen verankert wechsel großer Beliebtheit. Besonders liebens- dass die artgemäße Aufzucht von Masthähn- wird. wert sind die bunten Bentheimer Schweine, chen ohne Tierquälerei wirtschaftlich möglich Als politisch manifestiertes Unrecht erscheint die leider zu den bedrohten Haustierrassen ist und zu welchen Qualen die Stallpflicht Geschäftsführer auch der Umgang mit der Vogelgrippe in gehören. Aber ihre Robustheit und gute Eig-
4 Inhalt / Magazin 5 Kurz notiert Kurz notiert Erfolg gegen Schweinemastanlage in Haßleben 5 EU-Umweltaktion soll auch den Tierschutz fördern 5 Erfolg gegen EU-Umweltaktionsplan tierschutz und religionen Schweinemastanlage soll auch den Tierschutz Von der Liebe zu den Tieren 6 in Haßleben fördern Mitgefühl mit allen Wesen 9 Schutz und Rechte der „Nutz“tiere im Judentum 11 Seit über fünf Jahren kämpft eine Bür- Am 16. Juli 2008 veröffentlichte die Tierschutz aus Sicht der Bahá‘í-Religion 14 gerinitiative im brandenburgischen EU-Kommission ihren EU-Umweltakti- Haßleben gegen die Pläne des hollän- onsplan. In dem Strategiepapier geht Vorbildlich dischen Investors van Gennip, eine rie- es unter anderem um ein „grüneres Be- Ein Lebenshof für Tiere 16 sige Schweinemastanlage mit 84.000 schaffungswesen“ in der EU: „Die Aus- Urias – von freien Rindern Tieren zu errichten. PROVIEH begleitete gaben der Behörden für die Beschaf- und Schlachtung ohne Angst 31 den Widerstand u.a. mit Spendenauf- fung von Waren und Dienstleistungen Der Hühnerrebell aus der Heide 37 rufen (Stichwort „Schweineelend“) und machen 16 % des Bruttoinlandsproduk- freut sich mit den Bürgern von Haßle- tes der EU aus“, so dass „öffentliche Kampagne gegen Ferkelkastration ben, dass 2008 erneut die Genehmi- Vergabestellen starke Signale an die Was in Holland möglich ist, soll in Deutschland gung der tierquälerischen Megamast- Anbieter aussenden können, indem sie unmöglich sein? 20 anlage erfolgreich abgewehrt werden eine umweltgerechte Auftragserfüllung Politik und Recht konnte. Nun will van Gennip mit einer verlangen und damit die Nachfrage Fleisch von geklonten Tieren – schon bald reduzierten Anzahl von Mastschwei- nach umweltfreundlicheren Produkten auf unserem Teller? 22 nen zurück an den Start gehen – doch und Dienstleistungen ankurbeln.“ Aber auch die nun vorgesehene Zahl von es geht nicht nur um Natur; im Nah- Die Tragödie in Görlitz und die Unvernunft der FLI 40 insgesamt 64.000 statt 84.000 Mast- rungsmittel- und Cateringbereich soll Aktuelles aus Brüssel schweinen, Säuen, Ferkeln und Ebern künftig eben auch der Tierschutz be- Geheime Pläne zur Verbreitung von gentechnisch werden im van Gennip’schen Schwei- rücksichtigt werden. Dazu gehört auch veränderten Organismen (GVO) 25 neknast niemals ein artgemäßes Leben die EU-weite Festlegung gemeinsamer EU-Schlachtrichtlinie: Kein großer Wurf 34 führen können. Da auch der Verbleib Kriterien und Richtwerte sowie die Be- der Schweinegülle offenbar noch man- reitstellung von Leistungsbeschreibun- ARbeitskreis Tierseuchen gelhaft gelöst ist und die berechtigten gen, um Marktverzerrungen in Europa Pfllichtimpfung gegen Blauzungenkrankheit Bedenken der Bürgerinitiative im Ver- zu vermeiden. Das ist zwar kein Quan- – ja oder nein? 28 fahren durchaus ernst genommen wer- tensprung in der EU-Tierschutzpolitik, Gefährdete Nutztierrassen den, hoffen wir gemeinsam auf weitere aber – wie der jüngst bekannt gewor- Aufwind für die Bunten Bentheimer 43 Erfolge im Kampf gegen das Schwei- dene Verzicht des Europäischen Parla- neelend. Ein herzlicher Dank geht ments auf Käfigeier in den Kantinenkü- buch- und DVD-tipps hiermit auch nochmal an alle Spende- chen – ein weiterer wichtiger Schritt in Hörbuch-Tipp: Schräge Vögel und koschere Katzen 13 rinnen und Spender, die das Projekt so die richtige Richtung. Mit Tieren reden ... und es funktioniert tatsächlich! 45 tatkräftig unterstützt haben. Videodokumentation „Gänsealltag“ 46 Sabine Ohm Stefan Johnigk Kinderseite GänsefüSSchen 18 Impressum 47 Das Allerletzte 48
6 Tierschutz und Religionen 7 Von der Liebe zu den Tieren oder: Wie ich Tiere als Mitgeschöpfe des Menschen erlebe von Landesbischof Dr. Ulrich Fischer Wenn ich heute darüber nachdenke, so habe ich in meiner Kindheit ein sehr natürliches Ich bin ein „Kind vom Land“. In meiner nord- Verhältnis zu Tieren entwickelt. Sie waren deutschen Heimat wuchs ich in unmittelbarer Teil meiner Lebenswelt und gehörten selbst- Nähe eines Bauernhofes auf. Die Kühe auf verständlich dazu – als Nutztiere ebenso wie diesem Hof hatten Namen. Wenn wir sie als zu schützende Lebewesen. Als ich später im Frühjahr auf die Weide und im Herbst den Pfarrberuf ergriff und selbst eine Familie in den Stall trieben, konnten wir sie anspre- gründete, gehörten Tiere stets zu unserer Fa- chen. So manches Mal habe ich zugeschaut, milie: die Airdale-Terrier Ina und Quinto, die wenn eine Kuh gedeckt wurde oder wenn uns bis zu ihrem Tod in Treue begleiteten, die sie kalbte. Einmal musste ich sogar bei einer Schildkröten, die uns illegalerweise geschenkt schweren Geburt mit einem Strick mithelfen. wurden und die dennoch unsere Kinder lieb Das Füttern der Schweine gehörte zu meinem gewannen, die Fische im Aquarium, der Stall- Hippotherapie erfreut sich großer Nachfrage sonntäglichen Vergnügen, allerdings fand hase, der ein hohes Alter erreichte, und der meine Mutter es nicht lustig, wenn hinterher Wellensittich, der plötzlich verstarb – und wie auf der Pferdekoppel nach Fressbarem nerschlag „raubtiersicher“ gemacht haben. meine Sonntagskleidung nach Schweinestall dann natürlich die Pferde, die unsere älteste suchten. Vor einigen Monaten haben wir aber Und ein Huhn fand eines Abends nicht den roch. Der große Hofhund machte mir immer Tochter vom zehnten Lebensjahr an fast täglich wegen der Schäden, die sie an Blumen und Weg zurück in den Stall und erfror bei –15° C wieder Angst, obwohl er völlig ungefährlich auf dem benachbarten Reiterhof besuchte. Pflanzen anrichteten, auf eine andere Form kläglich. Die Bestattung fand nach Ende des war. Die Hühner, die wir selbst hielten, muss- der artgerechten Tierhaltung für die Hühner Dauerfrostes in würdiger Weise statt. te ich bisweilen abends in den Stall tragen. Heute nun leben wir wieder „auf dem Land“, umgestellt. Sie bewohnen nun zwei Hühner- Wenn sie von meiner Mutter mit einem Beil genauer: auf einem Reiterhof – gemeinsam ställe, die ich nach einer dem Internet entnom- Unsere besondere Freude ist die Pferdeherde, geschlachtet wurden, durften wir Kinder nicht mit der Familie unserer ältesten Tochter, be- menen Bauanleitung gefertigt habe, und ein die inzwischen sieben Wallache, drei Stuten zuschauen. Dafür durften wir mithelfen, wenn gleitet und umgeben von vielen Tieren. Unser Freigelände, das zum Teil überdacht ist (we- und zwei Ponys umfasst. Die große graslose das Huhn zum Essen zubereitet wurde. In den eigener Haushund „Nemo“, ein Pointermisch- gen drohender Vogelgrippe) und das etwa 40 Koppelfläche von etwa 2000 qm und eine damals noch strengen Wintern wurden selbst- ling, versteht sich leidlich mit „Speedy“, dem qm umfasst. Wie artgerecht diese Form der uns von der Gemeinde zur Verfügung gestell- verständlich in unserem Vorgarten Vögel ge- Promenadenmischling unserer Tochter, hat Tierhaltung ist, beweisen uns die großartig te zusätzliche Koppelfläche, die in regelmä- füttert. Ebenso selbstverständlich war es, dass aber die drei Katzen vom 4000 qm großen schmeckenden Eier, die reichlich gelegt wer- ßigen Abständen abgegrast wird, bieten für wir die Marderfamilie, die auf dem Speicher Gelände vertrieben. Nur abends kommen den und mit denen wir so manche Besuche- die Tiere hervorragende Lebensbedingungen. unseres alten Hauses fröhliche Spiele veran- sie, wenn meine Frau sie zum Füttern auf das rin unseres Reiterhofes immer wieder beglü- Durch die Einrichtung eines Futterautomaten staltete, die uns in mancher Nacht den Schlaf Gelände lockt, während der Hund im Hause cken. Allerdings mussten wir zu Beginn auch ist eine regelmäßige Versorgung der Tiere mit raubte, nicht duldeten. Wir rückten ihr mit ei- ist. Längere Zeit ärgerte sich der Haushund manches Opfer unter den Hühnern beklagen: Kraftfutter sichergestellt, daneben können die ner Marderfalle zu Leibe – allerdings mit mä- über die zwölf freilaufenden Hühner, die sich Sechs Tiere wurden vom Marder und von un- Tiere nach dem von ihnen selbst bestimmten ßigem Erfolg. mit dem ihnen zugewiesenen Areal nicht zu- serem Kater gefressen, ehe wir nun den Hüh- Rhythmus Heu und Stroh fressen. Zwei Un- frieden gaben, sondern ständig im Vorgarten terstände – seit kurzem ein weiterer für die
8 Tierschutz und Religionen 9 Mitgefühl mit allen Wesen beiden Ponys – und ein Stallgebäude sorgen denhaftung. Angesichts meiner überwiegend für Schutz gegen Wind und Regen und bieten geistigen Tätigkeit als Bischof einer Landes- den Tieren die Möglichkeit, sich bei beson- kirche erfahre ich in meiner Freizeittätigkeit ders kalten Temperaturen ins Schützende zu- rückzuziehen. Die Verortung der Tränkstelle in als „Stallknecht“ unserer Tochter einen guten Ausgleich, der mir auch körperlich gut tut. Vor Tierschutz aus Buddhistischer Sicht einem Abstand von ca. 100 Metern von der allem aber empfinde ich die Einbettung mei- Die Lehren des Buddhismus zum Umgang mit Er sah auch, dass dieses Leid nicht nur Men- Heufutterstelle und eine Wegführung durch nes Lebens in vielfältige natürliche Abläufe Tieren lassen sich nicht erklären, ohne auf die schen widerfuhr: Die Legende besagt, dass Elektrobandabspannung, welche die Tiere als etwas sehr Beglückendes: Unser Reiterhof Geschichte des Buddhismus einzugehen: Als er über die schockierende Erkenntnis des zum „Umwegen“ auf der Suche nach Futter grenzt an ein Landschaftsschutzgebiet. In un- der nordindische Prinz Siddharta, der später menschlichen Leidens bei einem Ausritt nach- und Wasser zwingen, sorgen dafür, dass sie mittelbarer Nähe unseres Grundstücks sam- der Buddha genannt wurde, vor ca. 2.500 denken wollte. Er rastete am Rande eines ständig in Bewegung sind, auch wenn sie meln sich im Herbst die Zugvögel zu ihrem Jahren den Weg zur Erleuchtung fand, wollte Ackers, der gerade gepflügt wurde. Nach- nicht von ihren Reiterinnen bewegt werden. Zug gen Süden. Zu Abertausenden sitzen sie er alle fühlenden Wesen vom Leid befreien. Er dem er zunächst das friedliche Idyll genossen auf den Hochspannungsleitungen, ehe sie Die Pferde werden zum großen Teil für the- war behütet aufgewachsen, seine Eltern hat- hat, sah er den Ochsen, der mühsam und un- sich zu ihrer langen Reise aufmachen. Wenn rapeutische Zwecke eingesetzt. Die von unse- ten bewusst alle unangenehmen Erfahrungen ter Peitschenhieben den Pflug zog, er sah die ich entlang der Rheinauen jogge, stoße ich rer Tochter angebotene Hippotherapie erfreut von ihm ferngehalten. Erst im Erwachsenenal- Tiere im Boden, die durch den Pflug getötet auf Störche und Graugänse und auf viele Vo- sich großer Nachfrage, obwohl sie von den ter begegnete er der Unausweichlichkeit von oder verletzt wurden. gelarten, die ich im Einzelnen nicht kenne. In Krankenkassen nicht erstattet wird und von Alter, Krankheit und Tod und dem Leiden, das unserem Garten erfreut mich der Anblick von den Eltern der Kinder selbst finanziert werden damit verbunden war. Gartenrotschwänzchen und Blaumeisen, von muss. Deutlich aber ist zu sehen, dass diese Buchfinken und Rotkehlchen. Form der Offen-Stallhaltung den Tieren außer- ordentlich gut tut. Die Pferde sind ungemein Kürzlich besuchte ich in der Freilichtbühne ausgeglichen, lediglich wenn die Herde um Ötigheim (unweit von Karlsruhe) das impo- ein weiteres Tier ergänzt wird, wie erst kürz- sante Volksschauspiel „Franz von Assisi – der lich nach dem Tod des „Methusalems“, ist Narr Gottes“. Und bei der Predigt des Franz eine gewisse Unruhe und Aggressivität nicht an die Tiere wurde mir wieder deutlich, wie zu übersehen. Aber es ist eben wie bei den sehr mich die von Franz propagierte Liebe zu Menschen: Die Rangordnung muss mühsam den Tieren mein Leben lang schon geprägt hergestellt werden. Und wenn Worte nicht ge- hat. Wer Tiere als Lebensbegleiter lieb ge- wechselt werden können, dann müssen eben wonnen hat, kann sie nicht länger mehr als Hufe sprechen – bis der Friede in der Herde bloße Fleischproduzenten ansehen, sondern wieder einkehrt. muss sie als Geschöpfe Gottes und als Mitge- schöpfe des Menschen wert achten und für sie Das Leben mit den Tieren hat für mich Bedeu- Verantwortung übernehmen. Sich dieser fran- tung in vielfacher Hinsicht. Angesichts meines ziskanischen Grundhaltung, die Konsequenz Berufes, in dem ich oft sehr gefordert bin, des christlich-jüdischen Schöpfungsglaubens schenkt mir schon der Blick auf unsere Tiere ist, nicht nur kognitiv nähern zu müssen, son- ein Stück Gelassenheit. Angesichts der Ge- dern sie täglich wie selbstverständlich einüben fahr, durch die Beschäftigung mit Theologie zu können, ist ein Geschenk, für das ich sehr und Kirchenleitung abzuheben, gibt mir der dankbar bin. Kontakt mit den Tieren eine notwendige Bo- Begegnung auf Augenhöhe: Die „Buddha-Natur“ ist in allen fühlenden Wesen zu finden.
10 Tierschutz und Religionen 11 Dadurch wurde ihm klar, dass nicht nur die Menschen, sondern alle fühlenden Wesen – gilt, was wesentlich für den Buddhismus ins- gesamt ist: Statt Dogmen und begrenzender Die jüdische Vision: Schutz und also auch Tiere – gleichermaßen leiden. Die- se Erkenntnis hat ihm keine Ruhe gelassen und Regeln stehen Eigenverantwortung, Mitgefühl und Weisheit – sowie die höchste Sichtweise, Rechte der „Nutz“tiere im Judentum er suchte nach einer Lösung. Nach 7 Jahren dass alle Wesen die Buddhanatur haben – im der Suche und Meditation erkannte er die of- Mittelpunkt. Daher gibt es eigentlich keine all- „Nichts Neues gibt es fene, klare und unbegrenzte Natur des Geis- gemeingültigen Vorschriften, es kommt immer unter dem Himmel” tes, was er als zeitlose, höchste Freude erfuhr. auf die Situation und die Motivation an. stellte der Prophet fest Dieses Potenzial, die Buddhanatur, wohnt al- und dies gilt auch für len fühlenden Wesen inne. Sie ist in ihrer Es- Das Töten von Tieren allerdings sollte ein Bud- den Tierschutz. Schon senz unzerstörbar und offen wie der Raum, in dhist nach Möglichkeit unterlassen. Manchmal vor fünftausend Jahren ihrer Erfahrung Freude und in ihrem Ausdruck allerdings lässt es sich durch die menschliche sind Tierschutz- und Liebe zum Nutzen der Wesen. Er sah, dass Lebensweise nicht vermeiden, Tiere zu töten Tierrechtsgesetze for- auf relativer Ebene die Ursachen für Glück oder anders in Mitleidenschaft zu ziehen. Im muliert worden, die an und Leid in unseren eigenen Worten, Taten Tibet früherer Zeiten beispielsweise war es ethischer Konsequenz und Gedanken liegen. Wir schaffen selbst die aufgrund der klimatischen und geografischen manches moderne Welt, die wir erleben. Dies nannte er Karma, Gegebenheiten in 3.500 m Höhe nicht mög- Gesetzeswerk über- das Gesetz von Ursache und Wirkung. Die lich, auf Fleisch zu verzichten. Und selbst der treffen. Vom jüdischen Wirkungen können kurzfristig oder in einem Anbau von Pflanzen tötet viele Tiere, wie ja Tierschutz ist die Rede, späteren Leben eintreten. schon der Buddha bei seinem Ausflug erkannt der bis zum heutigen „Wie ein Hirte wird er seine Herde weiden…“ Lämmer haben im jüdisch- hatte. Tage gerade wegen christlichen Abendland hohe Symbolkraft Aber wie gehen Buddhisten mit dieser Erkennt- seiner Radikalität ver- nis um und was bedeutet Tierschutz für einen Wer sein Mitgefühl im Geist halten und zum kannt, ja zum Ziel einer kollektiven Abwehr Fehldeutungen, vergessen worden. Doch die Buddhisten? Besten der Wesen einsetzen möchte, kann geworden ist. Viele Tierschützer zitieren das Vorschriften zur Tierhaltung zeigen, wie eng Mantras für Tiere sprechen. „Unser Lama Judentum als Beispiel archaischer Umgangs- die Zivilisationen mitsamt ihrer ethischen Er- „Der Buddha hat keine Regeln aufgestellt, Ole Nydahl erzählt oft, dass er vor vielen weisen mit Tieren, wie sie in „primitiven Stam- rungenschaften, zu denen auch der Monothe- sondern Empfehlungen als Freund gegeben.“ Jahren mit dem mittlerweile verstorbenen Me- mesgesellschaften mit blutigen Opferritualen” ismus zählt, an die Domestikation gekoppelt sagt Michaela Fritzges vom Buddhistischen ditationsmeister Kalu Rinpoche im Winter mit üblich waren, und meinen, Tierethik sei ein sind. Hirtenleben, Ackerbau, Tempeldienst Zentrum der Karma-Kagyü-Linie in Kiel. „Da einem VW-Bus durch Skandinavien fuhr. Die Produkt von Aufklärung und Atheismus. Doch – hier galt im Alten Israel vor allem das Ver- alles, was wir aussenden, früher oder später Heizung war kaputt, trotzdem ließ der schon die jüdische Tradition wartet mit unbequemen bot der Tierquälerei (tza`ar baalei chaim) als auf uns zurückfällt, ist es klug den Wesen zu betagte Kalu Rinpoche es sich nicht nehmen, Wahrheiten auf: So galt das Tötungsverbot Ausdruck der Treue zum Schöpfer, der einen nutzen, so gut wir können, und zu vermeiden, stets das Fenster zu öffnen und gute Wünsche ursprünglich auch für Tiere. Mensch und Tier Bund schloss mit Menschen und Tieren. „Der anderen bewusst Leid zuzufügen: aus Mitge- für die Tiere zu machen, indem er ihnen das gelten als gleichwertig, dem Menschen ist Gerechte kennt die Seele seines Viehs”, for- fühl – oder wo das nicht möglich ist, wenigs- Mitgefühlsmantra zurief: OM MANI PEME nicht die Ausbeutung der Natur erlaubt, son- derte König Salomon, denn ein Geschick tens aus eigenem Interesse.“ HUNG!“ dern verantwortungsvolle Pflege. Erst das Mit- teilen beide, sie altern, empfinden Schmerz, Im Umgang mit Tieren heißt das, dass wir uns gefühl mit allen Lebewesen der Erde macht sterben und sinken zurück in den Staub der der Buddhanatur jedes Lebewesens bewusst den Menschen zum Ebenbild Gottes! Erde. König David galt als Inbegriff der Sorge sind und diese in ihm sehen. Der respektvol- Anja Uhlenbrok im Gespräch mit Michaela und des Schutzes, die der Hirte (Gott) jedem Leider sind diese unbequemen Wahrheiten Fritzges, Buddhistisches Zentrum Kiel le Umgang mit Tieren und Handlungen, die auch in der jüdischen Welt, nicht zuletzt als einzelnen Geschöpf seiner Herde angedeihen das Leid von Tieren soweit möglich vermeiden, Folge systematischer Fehlübersetzungen und lässt. Der Mensch ist aufgefordert, den Tieren ergeben sich daraus automatisch. Auch hier gegenüber so zu handeln wie er selbst – im
12 Tierschutz und Religionen 13 Ebenbild Gottes (be Zelem Elohim) – behan- Wie radikal das jüdische Tierrecht ist, wird an Schlachtung zumuten, gerade nicht mit den Beweis stellen, indem sie den Schutz der Tiere delt wird. Tikkun, das Wiederherstellen des den Pflege-, Schutz- und Ruhevorschriften deut- viel zitierten Werten des jüdisch-christlichen als vorrangiges Ziel jeder um Menschlichkeit Miteinanders aller Geschöpfe der Erde, das lich: Sie gelten für Mensch und Tier, jedoch ist Abendlandes vereinbar sind. Dies in Erinne- bemühten Gesellschaft behandeln. Verbot, die Natur zu zerstören, sowie der Ap- der Mensch aufgefordert, zuerst das Tier zu rung zu rufen bedeutet, dass auch die Religi- Dr. Hanna Rheinz, pell, Erbarmen zu üben, sind die Grundpfeiler füttern, bevor er selbst isst, ebenso ist er ver- onsgemeinschaften und die Politiker, die von Stiftungsinitiative Jüdischer Tierschutz der Jüdischen Ethik, die sich erst realisiert im pflichtet, sogar am Schabbat, dem Ruhetag, Werten reden, ihre Glaubwürdigkeit erst unter Umgang des Menschen mit den schwächeren, einem in Not geratenen Tier zu helfen. „Du www.tierimjudentum.de weil ihre Rechte nicht einfordernden Tieren. sollst dein Mahl nicht einnehmen, bevor du „Wie ein Hirt wird er seine Herde weiden, mit seinem Arme sammelt er die Lämmer und in nicht dafür Sorge getragen hast, dass jedes deiner Tiere seiner Art gemäß gefüttert wor- Schräge Vögel und koschere Katzen seinem Busen trägt er sie, die Säugenden lei- den ist” [Talmud Berachot 40a]. Für die Tier- oder Rindern ist es nicht auf das wechselhafte tet er.“ [Jesaja 40:11] „Ich werde meine Scha- zucht gilt das Verbot des Verstümmelns und Mitgefühl der Menschen angewiesen, son- fe weiden, und ich werde sie lagern lassen, ist der Kastration, und das Gebot eines artge- dern es genießt das göttlich verbriefte Recht, der Spruch Gottes des Herrn. Das Verlorene rechten Umgangs mit Tieren, wobei verhindert am Leben zu bleiben: Es darf einfach nicht werd` ich aufsuchen, und das Versprengte werden muss, dass Tiere überfordert werden, gegessen werden. werd` ich zurückführen, und das Verwundete etwa, wenn unterschiedliche Tierarten zusam- Mit erfrischender Schärfe, aber auch pole- verbinden, und das Kranke stärken.” [Eze- mengespannt werden, was verboten ist. misch klingt die Erzählung „Die goldene Hen- ckiel 34:15-16] Das Mitgefühl für die Tiere ist der Ausgangs- ne. Plädoyer für die gesamtdeutsche Legebat- Unbequem für das Selbstverständnis des Men- punkt der rituellen Speisegesetze, der Kasch- terie“. Es sticht empfindlich, wenn die illegalen schen ist, dass die biblische Schöpfungsge- rut, mithin des Verbots, das Junge in der Milch Massenkeulungen im Zusammenhang mit der schichte [Genesis 1:29-31; 9:1- 11] eine ve- seiner Mutter zu kochen [Exodus:19, 34 26, Vogelgrippe von einer jüdischen Tierschütze- getarische Lebensweise beschreibt. Erst nach Deuteronomium 14:21]. Das utilitaristische rin als „gespenstisches Töten im Dienste der der Sintflut wurde der Verzehr des Fleisches Denken, das die moderne Tierschutzgesetz- Volksgesundheit“ beschrieben werden. von Tieren, die als „Lebend Atmende” (nefesh gebung mit ihrem Zwei-Klassen-Schutzgesetz „Auf die Gefühle der Tiere Rücksicht zu neh- chaja) gelten [Genesis 9:3], und das Töten von Tieren und „Nutz”tieren prägt, gilt im men ist der verborgene Kern vieler Gebote“, bestimmter Tiere unter kontrollierten Schlacht- alten Israel als ethisch verwerflich. So müs- Mit Hintersinn, Sprachwitz und sehr viel Lie- so die Autorin. „Dass Tiere Rechte haben, ist bedingungen erlaubt. Schmerzen und Leiden sen auch „Nutz”tiere geschützt und gerettet be erzählt die Psychotherapeutin Dr. Hanna vielen jüdischen Menschen nicht mehr be- müssen unbedingt gemindert wurden; in Zei- werden, selbst wenn dies den Interessen des Rheinz Geschichten über Tiere, Menschen und wusst.“ Weil das leider auch für alle anderen ten, als es noch keine Betäubungsverfahren Menschen nicht dient. „So du triffst auf den ihr zum Teil doch recht ambivalentes Verhält- Menschen gilt, ob religiös oder nicht, wün- gab und das Bewusstlos-Schlagen des Tieres Ochsen deines Feindes, oder auf seinen Esel, nis zueinander. Ihre persönlich vorgetragenen sche ich diesen Erzählungen möglichst viele zu erheblichen Verletzungen oder gar dessen der irre geht, bringe ihm denselben zurück. Erzählungen drehen sich um Tierschutz und neue Hörer. Tod führte, war die Schächtvorschrift, Tiere So du siehst den Esel deines Hassers erlie- den ethischen Umgang unserer Gesellschaft durch einen einzigen Schnitt mit einem schar- gend unter seiner Last, und du wolltest unter- mit der belebten und unbelebten Natur. Die Das Hörbuch ist im Selbstverlag direkt bei der tenfreien Messer zum Entbluten zu führen, der lassen, es ihm leichter zu machen (…), mach unstillbare Profitgier des Menschen ist ebenso Autorin erhältlich und kostet 10.- €. Der Erlös höchste Stand der Schlachttechnologie. Über- es (ihm) leichter mit ihm.” [Exodus 23:4-5] Thema wie das Glück des Schweines, nach kommt den Tieren der Initiative Jüdischer Tier- dies wurde nur jenen Personen das Schlachten Wer die Strenge der jüdischen Tierschutzethik, den jüdischen Speisegesetzen nicht gegessen schutz zugute. erlaubt, die nicht aus Lust und Grausamkeit tö- wie sie hier zum Ausdruck kommt, in die heuti- zu werden. Bestellungen bei: Hanna Rheinz, ten. Das Jagen von Tieren, ebenso wie Renn- ge Zeit übersetzt, erkennt, dass die Bedingun- Das Schwein gilt im Judentum als unrein, doch Schießstattweg 19, 82362 Weilheim sport und Tierwetten waren verboten, weil sie gen, die wir den Tieren in den Fleischfabriken spiegelt es auch die Gier des Menschen sym- zu Tierquälereien führen. und den Forschungslabors, bei Transport und bolisch wider. Aber im Gegensatz zu Schafen Stefan Johnigk
14 Tierschutz und Religionen 15 Tierschutz aus Sicht der Menschen oder einem Tier Schmerz zufügt. Tierschutzorganisationen eingeräumt wird. Da gibt es keinerlei Unterschied.“ Aus Sicht der Bahá’í-Lehren klingt das so: „Tatsächlich ist es schlimmer, einem Tier zu Bahá’í-Religion Die alltäglichen Grausamkeiten im Umgang schaden, denn der Mensch hat Sprache, er mit Nutztieren gehen vor allem auf die Unwis- kann sich beklagen, kann schreien und jam- senheit der Menschen zurück und erfordern mern. Wenn ihm Unrecht geschieht, kann er Aufklärungsarbeit, wie sie auch PROVIEH sich an die Obrigkeit wenden und sie wird leistet. „Der Mensch hat diese Wahrheit al- ihn vor seinem Angreifer schützen. Aber das lerdings nicht begriffen. Er wähnt, dass sich unglückliche Tier ist sprachlos. Es kann seinen körperliche Empfindungen auf menschliche Schmerz weder ausdrücken noch seinen Fall Wesen beschränken. Deshalb ist er zu den vor die Obrigkeit bringen. Wenn ein Mensch Tieren ungerecht und grausam.“ einem Tier tausend Übel zufügt, kann es ihn Die Verantwortung für jegliches Tun und Las- weder mit Worten abwehren noch vor Ge- sen liegt aus Sicht des Bahá’í-Glaubens allein richt ziehen. Deshalb ist es besonders wichtig, beim Individuum. Jeder Mensch ist sich selbst dass ihr den Tieren die größte Rücksicht er- und Gott gegenüber zu täglicher Rechenschaft weist und zu ihnen eher noch gütiger seid als pflichtig. Auch wenn die Bahá’í-Religion au- zu euren Mitmenschen.“ ßer dem Verbot von Drogenkonsum keine Stefan Johnigk einschränkenden Ernährungsgebote kennt, so spricht sie sich doch eindeutig für einen maß- vollen Fleischkonsum aus und räumt einer ve- getarischen Lebensweise einen klaren Vorzug Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ein. „Was den Verzehr von Tierfleisch und die hat sich die Religion der Bahá’í Enthaltsamkeit davon angeht, … so ist er (der (sprich: baha‘i ) von ihren Ursprün- Mensch) nicht darauf angewiesen noch ge- gen in Persien weltweit verbreitet. zwungen, Fleisch zu essen. Auch ohne Fleisch Ihre rund 7,7 Millionen Anhänger zu essen, kann er im Besitz größter Kraft und leben überwiegend in Indien, dem Energie sein… Wahrlich, Tiere zu töten und Iran, in Schwarzafrika, Südamerika „…ist es hungrig, lasst sie es füttern…“ – Tierliebe erwächst aus dem direkten Umgang ihr Fleisch zu essen, stehen im Widerspruch und den USA. Die Bahá’í-Gemein- zu Mitleid und Mitgefühl. Wenn sich jemand de in Deutschland zählt zwischen Die Bahá’í-Gemeinschaft legt besonderen Im Bahá’í-Glauben wird dem Tierschutz eine 5.000 und 10.000 Mitglieder. Die mit Körnern, Früchten, Öl und Nüssen wie Wert auf lebenslange Erziehung und Bildung. wichtige Bedeutung beigemessen. Der Mensch Bahá’í berufen sich auf die Lehren Pistazien, Mandeln und so weiter begnügen Gerade beim mitfühlenden Umgang mit Tie- ist nicht nur aufgefordert, mit seinen Mitmen- ihres Religionsstifters Bahá’u’lláh, in INFOBOX könnte, wäre dies zweifellos besser und an- ren kommt es auf die Erfahrungen der frühen schen mitfühlend und gütig umzugehen. Viel- deren Mittelpunkt die Einheit Gottes, genehmer.“ Kindheit an. „Erzieht Eure Kinder von den frü- mehr soll er „jedem Lebewesen höchste Güte die Gleichwertigkeit aller Religionen hesten Tagen an, unendlich zart und liebevoll bezeigen, hegen doch in allen körperlichen Das Tier steht im Gegensatz zum Menschen und die Einheit der Menschheit als zu Tieren zu sein. Ist ein Tier krank, lasst die Vorgängen, wo immer der Tiergeist betroffen auch in der modernen Welt weitgehend recht- unteilbarer Gemeinschaft stehen. Kinder es zu heilen versuchen; ist es hungrig, ist, Mensch und Tier dieselben Gefühle. (…) los da. Auch wenn sein Schutz gesetzlich lasst sie es füttern; ist es durstig, lasst sie es Welcher Unterschied besteht denn wirklich, verankert ist, können zu seinen Gunsten nur tränken; ist es schwach, lasst sie dafür sorgen, wenn es um körperliche Empfindungen geht? Einzelpersonen vor Gericht ziehen – zumin- Zitate im Text: Abdu’l-Bahá (* 1844, † 1921), persi- dass es ausruht.“ Die Gefühle sind dieselben, ob man einem dest bis endlich ein Verbandsklagerecht für scher Schriftgelehrter und ältester Sohn Bahá’u’llahs.
16 Vorbildlich 17 Ein Lebenshof für Tiere Die Tierschutzstiftung Hof Butenland Gleich hinterm Deich auf der Halbinsel But- siel genauer erkunden können. So ist „Urlaub jadingen haben sich zwei Menschen ihren auf dem Bauernhof“ auch für die Kollegen von Traum vom friedlichen Zusammenleben von Jan Gerdes kein Fremdwort mehr. Aber dass Mensch und Tier verwirklicht. Eine neue Zeit ein kompletter landwirtschaftlicher Betrieb in in alten Gemäuern – wer Jan Gerdes’ und Ka- einen Lebenshof für Nutztiere umgewandelt Respektvolle Begegnung zwischen Tier und Mensch: Jan Gerdes mit Henne Elvira rin Mücks einzigartigen Lebenshof besucht, wird, das ist schon etwas ganz Besonderes. ausgebildeten Landwirtschaftsmeister dazu, Gemeinsam mit den Animal Angels, einer kommt aus dem Staunen gar nicht mehr her- Die Ferienwohnungen der beiden waren je- Hof Butenland zu einem Ort der respektvol- Tierschutzorganisation, die selbst zwölf Kühe aus. Jan Gerdes führte den bäuerlichen Fami- denfalls von März bis September 2008 aus- len Begegnung zwischen Tier und Mensch auf Hof Butenland untergebracht hat, planen lienbetrieb zunächst dreißig Jahre lang kon- gebucht, und viele Urlauber wurden anschlie- umzugestalten. Hier ist niemand eingesperrt. und bauen Jan Gerdes und Karin Mück ein ventionell, bevor er auf die Bewirtschaftung ßend Tierpaten oder waren es schon. Gleich zu Beginn unseres Besuches kommen Kuhaltersheim. Rinder, die ausschließlich mit nach Demeter-Richtlinien umstieg und schließ- Die Tierschutzstiftung Hof Butenland kümmert uns ungefähr hundert weiße und braune Hüh- Blick auf ein einziges Leistungsmerkmal wie lich seinen Betrieb ganz den Tieren widme- sich nicht nur um Haustiere im klassischen Sin- ner entgegen, eskortiert von dem Göttinger beispielsweise die Milchmenge gezüchtet te. Die Tierschutzstiftung Hof Butenland liegt ne wie Hunde, Katzen und Pferde, sondern Miniaturschwein Luigi. Er wurde aus schlech- werden, sind dadurch häufig in ihrer Gesund- auf der Landspitze zwischen Jadebusen und auch um misshandelte Rinder, Schweine, ter und ganz gewiss nicht artgerechter Zirkus- heit und Reproduktionskraft beeinträchtigt. Wesermündung, idyllisch eingebettet in Wie- Gänse, Enten und Hühner. Lebewesen also, haltung befreit. Das Schicksal, als tierisches Nicht artgerechte Futter- und Lebensbedingun- sen zwischen Burhave und Fedderwardersiel. die gemeinhin nur einem Zweck zu dienen Lebewesen in Menschenhand niemals die art- gen tun ein Übriges, um die Lebenserwartung Eine klassische Urlaubsregion, welche die Be- haben, nämlich dem der menschlichen Er- eignen Bedürfnisse ausleben zu können, teilen auf ein Minimum sinken zu lassen. Auf soge- sucher im Museum und Nationalparkhaus in nährung. Gerade dieser Umstand bewog den fast alle Butenländer Tiere. Ob es die Legehy- nannten Kuhdatenblättern werden neben dem der ehemaligen Zollstation in Fedderwarder- briden aus der Batteriehaltung sind, die Mast- Geburtsdatum des jeweiligen Tiers sämtliche enten aus der Intensivhaltung oder die von tierärztlichen Befunde und Eingriffe festgehal- den Animal Angels befreiten Kühe, sie alle er- ten. Ziel des Kuhaltersheims ist es zum einen, fahren auf Hof Butenland liebevolle Fürsorge den auf Hof Butenland lebenden Rindern ein durch Karin Mück und Jan Gerdes, tierärzt- artgerechtes Leben zu ermöglichen; gleichzei- liche Betreuung durch den Veterinär Rolf Ur- tig soll aber auch die Lebenserwartung von bich sowie seelische Unterstützung durch die Tieren dokumentiert werden, die sich zum Teil Tierpsychologin Nadin Uhlig. Die Menschen zuvor in konventioneller Haltung befunden in und um den Hof sind allesamt erfahrene haben. Denn wie hat es der Vater von Jan Praktiker im Umgang mit notleidenden Groß- Gerdes so punktgenau getroffen: „In der Tier- und Kleintieren. Zurzeit leben neben den hun- haltung wird viel gesündigt“. Die Tierschutz- dertzwanzig Hühnern noch achtundzwanzig stiftung Hof Butenland möchte dieser traurigen Rinder, vier Pferde sowie mehrere Schweine, Realität ein positives Signal entgegensetzen – Hunde, Katzen, Enten und Gänse frei auf dem ein Signal für das Leben. Hof und den angrenzenden Weideflächen. Diese werden von Betriebsleiter Jan Gerdes Janet Strahl „Was ist denn das?“ Ein ehemaliges Batteriehuhn erkundet die Freiheit – grüne Zweige waren ihm professionell bewirtschaftet und stellen die Fut- Mehr zur Stiftung Hof Butenland – Lebenshof für Tiere: bisher unbekannt. tergrundlage für die Rinder und Pferde dar. www.stiftung-fuer-tierschutz.de
18 19 Puttelchens erstes ge Henne war einfach nur glücklich. Ab und Menschen uns so schlecht behandeln?“ Luigi an hörte man ein sanftes „Groooh“ der Hüh- blickte sie aus seinen klugen Augen an und Weihnachten ner, und einige sangen sich mit ihrem ganz sagte: „Darauf habe ich auch keine Antwort, eigenen Lied in den Schlaf. Puttelchen schaute Puttelchen.“ Auf einmal wurde es still, und Es war eine sternenklare, kalte Nacht. Im Hüh- aus dem Fenster in eine verzauberte Welt. Die im Stall herrschte eine bedrückte Stimmung. nerstall aber war es wohlig warm. Auf dem Bäume sahen aus, als wären sie mit Millionen „Hört ihr das auch?“, fragte Johanna, das Al- Boden lag eine dicke Schicht duftenden Heus. kleiner Diamanten überschüttet worden. Sie phahuhn. Alle lauschten angestrengt. Ja, jetzt Die Fressnäpfe waren mit goldgelbem Mais funkelten und blitzten mit den Sternen um die hörten sie es auch. Aus der Ferne drang leises und prallen Weizenkörnern gefüllt. Auf den Wette, die zu Tausenden am klaren Winter- Gackern und Singen zu ihnen. Der Gesang Sitzstangen hockten dicht aneinander geku- himmel standen. „Das ist Raureif“ hatte das wurde lauter und lauter, und dann sahen sie schelt die Hühner. Puttelchen saß am Fenster Alphahuhn Puttelchen erklärt. Das Allerschöns- es: Eine riesige Hühnerschar kam auf den Hof und schmiegte sich an seine Mama. Die jun- te aber war eine riesige Tanne, die mitten auf zu. Jetzt konnte Puttelchen sie erkennen. Es waren die armen zerrupften und apathischen Hennen aus der Legebatterie. Wie viel Kraft musste es sie gekostet haben, diesen weiten Aufgeregt drängten sich die Hühner ans Fenster… Weg zum Hof zurückzulegen! Nun hatten alle Hühner im Stall mitbekommen, was draußen dem Hof stand und mit Dutzenden bunter Lich- vor sich ging, und sie drängten sich aufgeregt ter geschmückt war. Puttelchen konnte sich gar gackernd an die Fenster. Sie sahen, wie die nicht sattsehen. Luigi, der kühne, stolze Hahn, Menschen vom Hof nach draußen eilten und saß auf der obersten Sprosse der Hühnerlei- die Scheunentore öffneten, so dass die vielen ter und überblickte seine Hühnerschar. „Wisst Hühner hineinlaufen konnten. Hier seid ihr ihr, dass wir heute Nacht eine ganz besonde- in Sicherheit, dachte Puttelchen, und drückte re Nacht haben?“, fragte er. „Heute Nacht sich ganz fest an seine Mama. wurde Gottes Sohn geboren, und morgen ist Weihnachten, das höchste Fest der Men- Janet Strahl schen. Der Gottessohn wurde in einem Stall geboren, und seine Eltern, Maria und Joseph, nannten ihn Jesus. Er verkündigte den christli- GEWINNSPIEL chen Glauben, einen Glauben des Mitgefühls Mal uns ein Bild von und der Nächstenliebe.“ Bei diesen Worten Puttelchens Weihnachts- verdunkelten sich Puttelchens runde, goldene fest! Augen. Da war er wieder, der schreckliche INFOBOX Albtraum. Sie sah sie wieder vor sich, die un- Der Gewinner bekommt von uns ein zähligen Hühner in der entsetzlichen Legebat- PROVIEH-Überraschungspäckchen. terie, aus der sie geflüchtet war. „Luigi, ich Viel Spaß wünschen Janet Strahl verstehe das nicht. Wie kann das ein Glaube und das PROMA-Team! Geborgenheit bei mitfühlenden Menschen finden – Puttelchens Weihnachtswunsch für alle Käfighennen. der Liebe und des Mitgefühls sein, wenn die
20 Kampagne gegen Ferkelkastration 21 Was in Holland möglich ist, soll in Deutschland unmöglich sein? Unser Nachbar im Westen geht bei der Ab- Nach diesem schnellen Erfolg führen PRO- schaffung der grausamen und unnötigen Fer- VIEH und Wakker Dier seit dem Sommer kelkastration mit Siebenmeilenstiefeln voran. 2008 in Deutschland eine Kampagne mit Warum sollen dann die armen Tiere bei uns dem noch weitergehenden Ziel der gänzli- noch leiden, wenn die Niederländer schon chen Abschaffung der Ferkelkastration durch. aufzeigen, wie es besser geht? Dort hat die Dieses Ziel wird jetzt auch in den Niederlan- Kampagne unserer niederländischen Part- den angestrebt; dafür setzt sich seit einigen Bereits jetzt laufen in einzelnen Betrieben Pilotversuche zur Mast unkastrierter Ferkel. nerorganisation Wakker Dier die Akteure im Monaten der holländische Verein „Schweine niederländischen Schweinesektor zunächst in Not“ ein (www.varkensinnood.nl). Er droht verband Bioland auf einer Veranstaltung in Sollten den schönen Worten nicht bald Taten binnen kurzer Zeit dazu bewogen, ein Ab- den Einzelhandelsketten: Sollten sie Fleisch Fulda bekannt, schnellstmöglich auf Ebermast folgen, wird die Kampagne von PROVIEH kommen zur Abschaffung der betäubungslo- von Kastraten nicht auslisten, werde gegen umsteigen zu wollen – ganz wie auch von und Wakker Dier ab Ende 2008 in die heiße sen Ferkelkastration zu treffen. Seit September sie vor Gericht Klage wegen Verstoßes gegen PROVIEH auf dieser Veranstaltung mit Nach- Phase gehen: Mit Radiospots nach holländi- dieses Jahres werden dort Kastrationen also das Tierschutzgesetz, das das „Zufügen von druck vorgeschlagen. schem Vorbild und mit Aktionen vor den Fili- nur noch unter CO2-Narkose mit anschlie- unnötigen Schmerzen“ verbietet, eingereicht. alen der großen „Kastrationssünder“ werden Für eine vollumfängliche Umstellung der deut- ßender Schmerzbehandlung vorgenommen, Diese Androhung wirkte unverzüglich. Wie dann Verbraucherinnen und Verbraucher im schen Schweineerzeugung auf Ebermast fehlt so dass ab März 2009 in den Niederlanden der niederländischen Fachpresse ab Mitte Ok- ganzen Land über die noch immer übliche noch die sogenannte „elektronischen Nase“, kein Fleisch von betäubungslos kastrierten tober zu entnehmen war, haben Aldi und Lidl Ferkelkastration, über bestehende Alternati- die Tiere mit Ebergeruch automatisch aufspürt Schweinen mehr verkauft wird. beschlossen, in den Niederlanden ab 2009 ven hierzu und über die laxe Haltung der ver- und aussortiert. Ein solches Gerät wird von In- kein Fleisch von kastrierten Schweinen mehr antwortlichen Akteure aufgeklärt. Wie in den stituten der deutschen Fraunhofer-Gesellschaft zu verkaufen. Niederlanden ist es nämlich durchaus möglich bereits entwickelt. Die Hauptakteure (Schwei- und erforderlich, alle Kräfte im Sektor zu bün- Beide Discounter wurden von uns aufgefor- neerzeuger und -mäster, Schlacht- und Verar- deln, so dass die Verantwortlichen bald einen dert, ihrem eigenen guten Beispiel auch in beitungsbetriebe, Interessensverbände und vernünftigen Zeitplan für den Ausstieg aus der Deutschland zu folgen. Sie lehnten dies bisher Handel) sind nun eingeladen und gefordert, Ferkelkastration in Deutschland verbindlich ab, obwohl es mittlerweile Anbieter gibt, die dieser wichtigen technischen Neuerung durch festlegen können. Dann kann mit Elan an der willens und in der Lage wären, ihnen die ent- Bereitstellung entsprechender Mittel in einem Weiterentwicklung der „elektronischen Nase“ sprechende Ware zu liefern. Entwicklungsfonds zum Durchbruch zu verhel- sowie an der Optimierung der Fütterung und fen. So könnten die Akteure beweisen, dass In kleinen und mittleren Schlachthöfen kön- des Schlachtalters zur Minimierung der Zahl es ihnen mit der „Düsseldorfer Erklärung“ vom nen die wenigen Tiere, deren Fleisch beim der Tiere mit Ebergeruch gearbeitet werden. 29.09.2008 ernst ist: In ihr haben der Deut- Erhitzen den unangenehmem Ebergeruch sche Bauernverband (DBV), der Verband der Interessierte aktive Mitglieder, die gerne an entwickelt, schon jetzt durch Kochproben Fleischwirtschaft (VDF) und der Hauptverband solchen Aufklärungsaktionen mitwirken möch- aussortiert werden, wie die Praxis in ande- des Deutschen Einzelhandels (HDE) in Düssel- ten, können sich unter info@provieh.de infor- ren europäischen Ländern beweist. Während dorf gemeinsam erklärt, die Ferkelkastration mieren und in die Liste eintragen. NEULAND, dessen Mitglieder seit Mai 2008 baldmöglichst ganz abschaffen zu wollen. nur noch unter Isofluran-Betäubung kastrieren, „An Ihren Taten sollt ihr sie erkennen“ heißt es Eine schmerzhafte Verstümmelung weniger: sich eher zurückhaltend zur Ebermast äußert, schon in der Bibel… Sabine Ohm, Büro Brüssel Unkastriertes männliches Ferkel gab am 30. Oktober 2008 der Ökoanbau-
22 Politik und Recht 23 Fleisch von geklonten Tieren – schon bald auf unserem Teller? Durch Klonen werden von einem Organismus tisch mit dem Erbgut der Körperzellen, die sich bensmittelsicherheit (EFSA) zu diesem Thema schluss vom 3. September 2008 die Europäi- erbgleiche weitere Organismen erzeugt. Klo- in der Teilungsfolge aus ihr entwickelt haben. in Auftrag gegeben, und im Sommer 2008 sche Kommission auf, eine Gesetzesinitiative nen kommt in der Natur häufig vor bei vie- Dennoch wird auf internationaler politischer wurde eine Eurobarometerumfrage zu diesem in Gang zu bringen, die das Klonen von Tie- len Pflanzen und vielen wirbellosen Tiere. So Ebene für möglich gehalten, dass das Klonen Thema durchgeführt, bei der über 25.000 ren zur Nahrungsmittelproduktion verbietet, entstehen alle Quallen im Meer durch Klonen von Nutztieren zur Lebensmittelherstellung europäische Bürgerinnen und Bürger befragt um insbesondere der Wahrung des Tierschut- aus Polypen, und Gärtner vermehren viele schon bald Wirklichkeit werden könnte. wurden. zes und dem Wohlergehen der Tiere „in vol- Pflanzen durch Klonen. Bei Wirbeltieren fehlt lem Umfang Rechnung zu tragen“. Einzelne die Fähigkeit zum natürlichen Klonen völlig. Bis heute sind Dänemark und Norwegen die Die Ergebnisse der EFSA und der Eurobaro- Abgeordnete, unter ihnen Elisabeth Jeggle, Daraus entwickelten die Agrokonzerne eine einzigen europäischen Länder, die ausdrück- meterumfrage liegen weit auseinander. Wäh- Mitglied des Europäischen Parlaments und Vi- neue Geschäftsidee: Was auf natürliche Wei- lich alle Arten des Klonens von Tieren durch rend die EFSA es für sehr unwahrscheinlich zepräsidentin der Intergroup „Animal Welfa- se nicht möglich ist, könnte auf künstliche Gesetze regulieren. Für die Europäische Uni- hält, dass Lebensmitteln von geklonten und re“ (Tierschutz) forderten: Erst müssen offene Weise erreicht werden. Gäbe es die Idealkuh on (EU) wurde lediglich ein Regelwerk entwi- konventionell gezüchteten Tieren verschieden Fragen beantwortet werden, bevor man über oder das Idealschwein und gelänge es, von ckelt in Form von Vorschriften und Richtlinien, sein könnten, gaben etwa zwei Drittel der Be- das Klonen von Nutztieren diskutieren könne. ihnen erbgleiche Kopien herzustellen, die sich die Fragen der Lebensmittelsicherheit und Tier- fragten an, dass sie das Klonen für moralisch Dass Klonen von Nutztieren für die Nahrungs- reißend verkaufen ließen, das wäre doch ein gesundheit und des Tierschutzes regeln und verwerflich halten. Acht von zehn Befragten versorgung des Menschen notwendig sei, sei Geschäft! Man könnte das „Produkt“ paten- Kontrollen ermöglichen. Zuständiges europäi- merkten an, dass die langfristigen Auswir- schon jetzt mit einem deutlichen „Nein“ zu tieren lassen und würde selbstverständlich die sches Organ ist die Generaldirektion Gesund- kungen des Klonens noch nicht hinreichend beantworten. Gewinnabsicht wieder hinter dem Vorwand heit und Verbraucher (DG SANCO) der Eu- erforscht seien. Deshalb forderten sie weitere verbergen, durch Klonen könnte der Hunger ropäischen Kommission. Da die Kommission Studien zur Abschätzung der Risiken des Klo- Wie sich die Kommission entscheiden wird, auf dieser Welt besiegt werden. das Ausmaß des Klonens „kurz vor einer weit- nens für den tierischen und menschlichen Or- ist noch offen. Zwar betont sie, dass alle kon- verbreiteten wirtschaftlichen Nutzung“ sieht, ganismus. Außerdem forderten sie eine Kenn- troversen Stellungsnahmen berücksichtigt wer- Doch dieser Geschäftstraum ist unrealistisch, erwartet sie, dass Fleisch von geklonten Tieren zeichnungspflicht für solche Produkte. den, doch es wird befürchtet, dass sich Euro- denn noch immer sind unsere Vorstellungen noch vor 2010 in die globale Nahrungskette pa auch in diesem Fall nach dem Wind der von der Beschaffenheit und den Funktionen gelangt. Um die längst überfällige Regelung Befürchtungen bestehen, dass sich die Kom- internationalen Märkte richten wird, vor allem des Erbguts geradezu kindlich naiv. Zur Na- des Klonens von Nutztieren zu beheben, hat mission der eher befürwortenden Haltung nach dem aus den Vereinigten Staaten. Aus ivität gehört die Auffassung, bei Wirbeltieren die Kommission Anfang dieses Jahres eine der EFSA anschließen könnte. Daher forderte den USA, Australien, Neuseeland und ver- sei das Erbgut der befruchteten Eizelle iden- Studie an die Europäische Behörde für Le- das Europäische Parlament (EP) in einem Be- schiedenen asiatischen Ländern, einschließlich
24 Politik und Recht / Aktuelles aus Brüssel 25 Geheime Pläne zur Verbreitung von gen- technisch veränderten Organismen (GVO) in der europäischen Landwirtschaft Große Agrarkonzerne wie Monsanto versu- chen immer aggressiver, gentechnisch verän- derte Futtermittel wie Genmais oder Gensoja in die europäischen Massentierhaltungen zu verkaufen, um die wachsenden Tierbestände zu füttern. Die Genlobby erfreut sich nach Japan, Südkorea und China wird berichtet, eigenem Bekunden „bester Beziehungen“ Klonen bedeutet identisch dass das Klonen von Nutztierarten Fortschrit- zur Kommission – was sich seit Aufhebung vervielfältigen – somit die exakte te macht. Diese Länder haben jedoch keine des Moratoriums (2004, auf Druck der USA) genetische Kopie eines Lebewesens besondere, auf die Kontrolle des Klonens von in immer neuen Zulassungen von transge- herstellen. Obwohl die Struktur der Tieren ausgerichtete Gesetzgebung. Doch die nen Sorten niedergeschlagen hat. PROVIEH Erbsubstanz innerhalb des Zellkerns US-Zulassungsbehörde für Lebensmittel und kämpfte in den vergangenen Monaten gegen nicht willentlich verändert wird, be- Medikamente (FDA) hat schon zu Anfang die- diese Entwicklung an, z. B. mit Schreiben an einflusst der Klonvorgang häufig un- sen Jahres erklärt, Fleisch- und Milchprodukte die zuständigen Umwelt- und Landwirtschafts- gewollt die Regulation des Erbguts. von geklonten Rindern, Schweinen und Ziegen minister der 27 Mitgliedsstaaten sowie mit Über die resultierenden Langzeitfol- seien sicher für den Verzehr. Deshalb scheint einer Briefaktion an die 27 Kommissionsmit- gen können bisher keine sicheren es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis glieder, die bisher – wegen Uneinigkeit im Aussagen gemacht werden. Erschre- die US-Regierung grünes Licht für das Klonen Ministerrat – noch jedes Mal das letzte Wort ckend ist zudem die „Erfolgsquote“ von Nutztieren gibt. bei der Zulassung neuer GVOs hatten. Aber der Klonprozesse: Nur in Ausnahme- die Gentechnik in Futtermitteln ist in Wahrheit Unter diesen Gesichtspunkten ist es umso fällen (0,5 – 5,0 Prozent) entstehen nur die Spitze des Eisbergs der schleichenden dringlicher, dass eine Regelung auf gesamt- beim Klonen Tiere, die augenschein- Einführung von Gentechnik in unsere Nah- europäischer Ebene gefunden wird, die klare lich gesund sind. Das bedeutet, dass rungskette. Vorschriften und Grenzen für das Klonen von 95 bis 99,5 Prozent der geklon- INFOBOX Nutztieren und einen größtmöglichen Schutz ten Embryonen entweder noch im Wie am 26. Oktober durch die britische der Tiere zum Ziel aufweisen. Mutterleib sterben oder so schwe- Zeitung „The Independent“ bekannt wurde1, re Missbildungen erleiden, dass PROVIEH wird sich weiterhin mit aller Kraft für plant der gentechnikfreundliche Kommissi- sie kurz nach der Geburt sterben. ein umfassendes Verbot von geklontem Fleisch onspräsident Barroso heimlich und hinter ver- für die Nahrungsmittelproduktion einsetzen. schlossenen Türen gemeinsam mit „Sonderge- sandten“ der 27 Staats- und Regierungschefs Melanie Peters (unter Umgehung der Umwelt- und Landwirt- schaftsminister!) eine Charme-Offensive, um Zu möglichen Risiken des Klonens siehe auch www.fda.gov/cvm/CloneRiskAssessment.htm die „Widerspenstigen“ in Europa zu zähmen Die Haltung europäischer Verbraucherinnen und Verbraucher siehe unter http://ec.europa.eu/food/food/ 1 www.independent.co.uk/environment/green-living/euro- resources/docs/eurobarometer_cloning_en.pdf pes-secret-plan-to-boost-gm-crop-production-973834.html Vom Feld unbemerkt auf unsere Teller: Genmais
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